Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Fiaker als Marquis

Komische Lokaloper in drei Akten

Personen.

Die Marquise Devain
Ludwig
ihr Sohn.
Elise
ihre Tochter.
Ihr Hausarzt
Florian Kreutzkopf
Fiaker.
Zillerl
sein Weib.
Knackerl, Speck, Riemer, Fisolenpoldl, Bünkerl
seine Knechte.
Mariandl
Kreuzkopfs Schwester.
Suserl
Fiakermagd.
Michel
ein Tiroler.
Lisel
seine Braut.
Pimpernelle Hauswurzen
eine Kräutlerin.
Lorenz
Pferdehändler.
Ein Kommissär
Ein Gerichtsdiener
Mehrere Fiakerknechte, Herren und Damen,
Musikanten, Bediente, Volk, Fiakerbuben.

 

Erster Aufzug.

Erste Szene.

Vorhof beim Fiaker. Florian, ganz nach Fiakerart angezogen, Speck, Riemer, jeder mit einer Peitsche in der Hand. Bünkerl, Zillerl und Suserl. Hernach Knackerl und mehrere Knechte.

Introduktion.

Florian.

Seid's einmal fertig?
Nun, es ist Zeit,
Der kann sich packen,
Den es nicht freut;
Bei mir heißt's: lustig,
Tag und Nacht brav,
's Glück kommt im Wachen,
Niemals im Schlaf.

Speck.

Längst sind wir schon aufgestanden,
Doch der Knackerl fehlt uns noch,
Nie ist dieser Kerl vorhanden,
Schläft er nicht, so liegt er doch.

Zillerl.

Wieder wird er karessieren (zu Kreutzkopf),
Deine Schwester sieht er gern,
Nichts als küssen und charmieren.

Florian. Nun, das soll schon anders werden. (Ruft im Baßton.) Knackerl, Knackerl! Bist du da?

Knackerl (inwendig). Ja, Herr, ich komme schon, ich komme schon! (Tritt heraus.) Da bin ich schon, ich hab' mir nur meine Peitschen g'holt; was schafft der Herr Kreutzkopf von mir?

Florian

(nimmt ihn auf die Seite). Komm her, ich
hab' mit dir was zu reden:
Ich hör', du schleichst um d' Schwester,
Das laß du künftig sein,
In solche Vogelnester
Legst du kein Ei hinein;
Die Nani ist versprochen,
Bekommt ein'n andern Mann
Und höchstens in drei Wochen
Schaut sie dich nimmer an.

Knackerl. O weh! O weh! Also ist's wirklich wahr, daß der Herr Lorenz d' Mariandl heiraten soll?

Florian.

Ja – ja – ja!
Fort, jetzo fort,
Bald hier, bald dort,
Fahrt in die Kreuz und Quer;
Bringt nur brav Geld daher!
Wer recht kutschieren kann,
Der ist mein Mann!

Alle.

Fort, jetzo fort!
Bald hier, bald dort,
Fahrt in die Kreuz und Quer,
Bringet brav Geld daher!
Wer recht kutschieren kann,
Der ist sein Mann!

(Florian mit den Knechten ab.)

 

Zweite Szene.

Fiakerstube. Zillerl. Suserl.

Zillerl. Jetzt sind wir wieder allein im Haus. Einen Knecht hätt' der Herr wohl zurücklassen können, man weiß nicht, was einem zustoßt – und ganz ohne Mannsbild, es ist a völlige Schand, wenn man's recht beim Licht betracht't.

Suserl. Wenn nur der Bub' wenigstens dageblieben wär'.

Zillerl. Ja, der Bub', der Bub' sticht dir halt in d' Augen. Daß ihr junges Volk das Liebeln nicht lassen könnt!

Suserl. Nun, d' Frau war ja auch einmal verliebt?

Zillerl. Es hat mich g'nug g'kostet.

Suserl. G'kostet – wieso?

Zillerl. O meine liebe Suserl, davon wär' viel zu reden. Die Zeit meiner Blüte ist in die unglückliche Epoche hineingefallen, wo die Weibsbilder haben ein Geld haben müssen, wenn s' d' Mannsbilder ang'schaut haben.

Suserl. Die Zeit ist ja noch!

Zillerl. Nicht so arg mehr. Die Leut' sind g'scheiter. Wer nicht viel Maxen hat, bleibt ledig – ich war nicht so fein; ich hab' müssen auf Hochzeitsfüßen gehn, und da ich damals gerade das erstemal bin majorenn worden und mein bissl Erbschaft gemacht hab', so bin ich halt so lang auf den Hochzeitsfüßen g'gangen, bis mein Geld verhaut war und ich bald sitzen g'blieben wär'.

Suserl. Hernach ist der Herr Kreutzkopf 'kommen.

Zillerl. Nein, der ist noch nicht g'kommen – vor ihm war der Lorenz Schlittenschellen, der Pferdehändler daneben, mein Cher – und der hätt' mir bald das Herz abg'schnitten.

Suserl. Das hab' ich lang gemerkt, daß er etwas g'golten hat.

Zillerl. O Suserl – ich muß dir's nur g'stehen, er gilt noch was. Seine Freundlichkeit, sein g'schmeidiges Wesen hat mich eing'nommen. Mein Mann ist so grob, red't mit unsereinem wie mit seinen Rossen. Er vergißt sich oft so, daß man gar nicht glaubt, daß es möglich ist. Neulich hat er seine Peitschen im Hof liegen lassen, ich soll sie holen, ich frag' ihn: »Wo liegt s' denn?« Da sagt er zu mir: »Hott! Geh nur hott! Du kannst nicht fehlen.«

Suserl. Ei, das ist eine Sprach' wie zu seinem Sattlingen.

Zillerl. Nicht anders. Da ist mein Lenzl zarter. Immer hat er mich sein Apfelschimmerl g'heißen, und wenn er mich geheiratet hätt', so wär' ich sein Weib worden.

Suserl. Nicht möglich! Aber es hat nicht sein wollen.

Zillerl. Mein Vater hat aufs Geld g'schaut. Der Lenzl hat nur acht Pferd' g'habt, mein Florian zwölfe. »Wer mehr hat, der kriegt s',« hat mein Vater g'sagt und jetzt bin ich so unglücklich.

Suserl. Verzagen S' nicht, ein treues Weib muß sich zu trösten wissen.

Zillerl. Ja wohl und extra hab' ich noch einen prächtigen Plan.

 

Dritte Szene.

Lorenz. Vorige.

Lorenz. Bin ich ein Mann von Wort?

Zillerl. O mein Lorenz! (Zu Suserl.) Laß uns allein; bleib meine Freundin – ich werde dir was Gutes bei deinem Bünkerl tun. Geh; wann ich dich ruf', sei in der Nähe!

Suserl (geht ab).

Lorenz. Also ich muß heiraten?

Zillerl. Leider! Auf eine andere Art kann es nicht gehen, wann du mich öfter sehen willst. Wann du öfter in unserm Haus aus- und eingehen willst, so mußt du meinem Manne seine Schwester nehmen.

Lorenz. Ich tu' es ungern.

Zillerl. Ich weiß es, du hast mich über die Maßen lieb – aber es muß so sein. Bedenk', sie ist ja nicht übel. Also erbarme dich ihrer und nimm sie zur Frau.

Lorenz. Der Knackerl macht ihr die Cour.

Zillerl. Der arme Teufel kann dir keinen Eintrag machen. Mein Mann will's – das Mädl hat keinen Willen, ich will's auch. Und was ich will, Gott sei Dank, das hat Händ' und Füß'. Ich will sie jetzt geschwind holen. Verstellung, steh mir bei! (Ab.)

 

Vierte Szene.

Lorenz (allein). Geh nur, geh! – Dahin hab' ich's bringen müssen; um das hübsche Mädchen zu angeln, mußt' ich dir doch die Cour machen. Jetzt glaubst du mich zu fangen und ich fange dich. Wer bei den jungen Weibern sein Glück machen will, darf die alten nicht vor den Kopf stoßen.

 

Fünfte Szene.

Lorenz. Mariandl. Zillerl.

 

Terzett.

Zillerl.

Sei nicht so scheu, da ist er schon,
Noch heute nimmt er dich zum Weibe.

Lorenz.

Mein Schatz, ich bitte um Pardon,
Daß ich so weit die Keckheit treibe.
Allein mein Herz, ich sag' es laut,
Hat mir die Neigung abgezwungen,
Und wirst du, Schönste, meine Braut,
So ist mein liebstes Ziel errungen.

Mariandl.

Mein lieber Freund, Sie wissen's schon,
Der Knackerl nimmt mich einst zum Weibe,
Drum bitt' ich recht sehr um Pardon,
Daß ich noch länger ledig bleibe.

Zillerl.

Das kann nicht sein, dein Bruder spricht,
Du hast kein Wort darein zu sagen.

Mariandl.

Ich bin die Braut, mein Bruder nicht,
Drum muß man mich ums Jawort fragen.

Lorenz

(zu Zillerl). Siehst du es nun?

Zillerl.

Es muß geschehn –
Ich werde ihr den Text schon lesen.

Lorenz (zu Zillerl).

Mein Glück ist fort.

Zillerl

(zu Lorenz). Laß du mich gehn,
Sie ist am längsten Braut gewesen. (Zu Mariandl.)
Geh nur jetzt fort,
Du sträubst dich nicht,
Die Zeit wird alles, alles enden.

Lorenz.

Leb' wohl, du freundliches Gesicht!

Mariandl.

Das Blatt soll sich zum besten wenden.

Alle drei.

Nur die Liebe kann befehlen,
Nur die Liebe ist Gesetz,
Nur den besten Mann zu wählen,
Zog die Liebe mich ins Netz.

Lorenz.

Nur die Macht kann hier befehlen.

Zillerl.

Nur der Wille ist Gesetz,
Mag sie immer andere wählen!

Lorenz.

Ich bin fest im Liebesnetz!

Zillerl.

Du bist fest im Liebesnetz!

(Alle ab.)

 

Sechste Szene.

Vorhof beim Fiaker.

Knackerl (allein). Das ist nicht übel, jetzt muß mich der vertrackte Landkutscher aufhalten. Ein Brief von meiner Mutter aus Tirol. Ich soll ihn gleich lesen, er ist dringend, er hätt' mir ihn schon vor sechs Monaten geben sollen, schon bei seiner ersten Reise nach Wien, und hat vergessen; jetzt ist er das dreizehntemal hier – wenn ich ihn nicht begegne, so hab' ich noch keinen Brief. Ich kann mir's schon einbilden, was drin steht. Gewiß soll ich wieder zu dem Marquis hingehen, der mein Milchbruder ist. Wie oft hätt' ich schon hingehen sollen und nie hab' ich's getan. Freilich! Es war hart! Erstens wußt' ich seinen Namen nicht recht, zweitens wußt' ich nicht, wo er logiert. Drittens geben einem oft die Weinbrüder nichts, viel weniger die Milchbrüder, höchstens ein Hinuntergeworfenes über d' Stiegen. Also was anfangen? Der Tausend, auf der Adresse steht schon: pressant! Was muß denn darin stehen? Ich möcht' ihn lesen und nicht lesen – ich halt' mich zu lange auf – ich habe um halb acht Uhr eine Fuhr' nach Baden und jetzt ist's schon halb neun – nu, der Herr wird auch schön warten. (Er erbricht den Brief.) »Lieber Sohn!« Ja, das weiß ich und sonst nichts. Das hat meine Mutter selber geschrieben, ich kenn's an der groben Fraktur. Ich muß nur meine Mariandl holen, die liest solche Briefe aus der Perfektion. (Er ruft.) Mariandl!

 

Siebente Szene.

Mariandl. Knackerl.

Mariandl. Du bist's, was willst denn? Ich bitt' dich, versteck' dich, unsere Todfeind' stecken schon wieder beisammen. Da, der Lorenz und die Frau Zillerl –

Knackerl. Laß sie beisamm' stecken, wir sind auch da. Ich bitt' dich, hilf mir nur aus dem Traum.

Mariandl. Ja, ja, aus einem schrecklichen Traum.

Knackerl. Ich hab' da einen Brief von meiner Mutter, lies ihn –

Mariandl. Ist Geld darin? Sonst schau' ich ihn nicht an. Stell' dir vor, Knackerl, ich soll dich verlieren, ich soll des dickköpfigen Lorenz sein Weib werden.

Knackerl. Ich weiß alles, mach' dir nichts draus, es g'schieht nicht.

Mariandl. Ja, wenn du Geld hättest.

Knackerl. Werd's schon kriegen.

Mariandl. Ja, woher denn?

Knackerl. Ich führ' jetzt seit vier Wochen einen Millionär, vielleicht läßt der einmal ein paar tausend Gulden im Wagen liegen und wir sind glücklich.

Mariandl. Knackerl, du bist leichtsinnig.

Knackerl. Ich bin ein Fiaker und das sind lustige Leut'. Wer ein dickes Blut hat, der fahrt langsam, ich fahr' g'schwind, und wenn meine Pferd' alle acht Hufeisen verlieren, ich fahr' g'schwind.

Mariandl. Vergaloppier' dich nur nicht.

Knackerl. Ist nicht möglich!

Mariandl. Wirf nur nicht um!

Knackerl. Ist selten einem Fiaker g'schehen!

Mariandl. Wenn du aber ein Rad verlierst –

Knackerl. Mach' mir keine Skrupel! In mir red't immer eine Stimme: »Knackerl, du wirst noch glücklich!« Und wenn's da drin red't, muß's heraus antworten – das wirst du schon sehen. Hab' ich dann einmal ein paar tausend Gulden, hernach, Mariandl, heißt du Marie, und schenkt mir der Himmel gar Ross' und Wagen, so setz' ich dich in mein' Kalesch' und nenn' dich Mimi.

 

Achte Szene.

Bünkerl. Vorige.

Bünkerl. O jegerl, Knackerl, das ist nicht übel, der Herr, der dir die zehn Gulden drangeben hat, sucht dich schon überall.

Knackerl. Himmel, mein' Stellfuhr'! Was fang' ich jetzt an?

Bünkerl. Er war schon im Fiakeramt und hat dich verklagt; er laßt dich einsperren, weil du ihn vor'n Narren gehalten hast.

Knackerl. Der verdammte Brief! Und wir haben ihn doch nicht gelesen.

Mariandl. Wenn dir nur nichts g'schieht!

Bünkerl. Da ist der Herr schon!

 

Neunte Szene.

Marquis Devain. Vorige.

Marquis. Endlich, Schlingel, treffe ich dich! Was ist das für eine Manier, daß du einen Kavalier so pöbelhaft zum besten hast? Ich habe dir eine Drangabe gemacht, ich habe dich um halb acht Uhr bestellt und nun ist es neun Uhr und du bist noch zu Hause.

Knackerl. O, i bitt' Euer Gnaden zehntausendmal um Verzeihung – ich hab' – ich hab' einen Magenkrampf bekommen, jetzt ist's aber gut, jetzt wollen wir um so geschwinder fahren. Kommen Euer Gnaden her, meine Pferd' sollen es entgelten. In zwei Stunden sind wir in Baden.

Marquis. Nicht deine Pferde sollen es entgelten, sondern du sollst es entgelten. Sogleich wird der Kommissär hier sein und dann wehe dir!

Knackerl. Und Euer Gnaden bemühen sich selbst noch her und lassen mich doch strafen?

Marquis. Ich muß dabei sein, wenn ich Genugtuung erhalte.

Knackerl. O Sie lieber gnädiger Herr! Doch wissen Sie was, Sie brauchen keine Genugtuung und ich brauch' keine Straf', fahren wir geschwind fort und sein wir wieder gut!

Marquis. Nichts, nichts! Mach' dir keinen Spaß mit mir, gemeiner Mensch! Weißt du, wen du vor dir hast? Ich bin der Marquis Devain und laß mich nicht zum besten haben.

Knackerl. Euer Gnaden, wer? Euere hochmarquistische Gnaden, wer sind Sie? Marquis Devain? Devain?

Marquis. Ich bin der Marquis Devain! Devain! Hast du gehört? Der reichste Mann in der Stadt!

Knackerl. Was? Der junge Marquis Devain? O gnädigster Herr! Exzellenz! Durchlaucht! oder was ich sagen soll, da bin ich der glücklichste Mensch von der Welt. Ja, jetzt erhalt' ich sicher Verzeihung und Vergebung – Mariandl, freu' dich, mein Glück ist gemacht – Bünkerl, mach' einen Purzelbaum, ich bin aus aller Angst – der Herr Marquis ist mein Milchbrüderl! Vivat, mein Milchbrüderl, er wird mir nichts geschehen lassen!

Mariandl und Bünkerl. Was? Was?

Marquis. Was ist das für eine Sprache, du unterstehst dich, mich dein Brüderl zu nennen? Kerl, was hält mich ab, daß ich dich nicht sogleich aus dem Lande weisen lasse?

Knackerl. Hilft alles nichts; in unsern Adern rollt halt doch einmal ein Blut, denn ich und Sie haben an einer Brust getrunken, meine Mutter, die alte Eva, war Ihre Ammel, wie s' noch jung war. In uns logiert ein Blut!

 

Quartett.

Marquis.

Verdammter Bursche, deine Ränke
Treibst du nicht länger keck und frei,
Ich strafe dich für deine Schwänke,
Ihr Leute, auf und eilt herbei!

Knackerl.

O Brüderl, Brüderl! Hör' mich an!
Ich hab' dir ja nichts Leid's getan!

Bünkerl und Mariandl.

O lieber Herr, sei'n Sie doch gnädig,
Der arme Teufel dauert mich,
Ach lassen Sie ihn frei und ledig,
Sie werden sehn, er bessert sich.

Marquis.

Nein, diesen Frevel soll er büßen,
Nicht eine Stunde bleibt er frei;
Daß ich Gewalt hab', soll er wissen,
Ihr Leute, auf und eilt herbei!

Knackerl.

O Brüderl, Brüderl! Hör' mich an!
Ich hab' dir ja nichts Leid's getan.

Bünkerl und Mariandl.

Für seine Unschuld soll er büßen,
Nicht eine Stunde bleibt er frei;
Daß er Gewalt hat, soll er wissen,
Drum ruft er jung und alt herbei.

(Der Marquis läuft ab.)

 

Zehnte Szene.

Von der anderen Seite: Lorenz. Frau Zillerl. Pimpernelle Hauswurzen. Vorige.

Lorenz, Zillerl, Pimpernelle, Suserl. Um Gottes willen, was geht denn hier vor, was war denn das für ein Geschrei?

Bünkerl. Der Knackerl hat ein Unglück g'habt, er hat seine Stellfuhr' versäumt und soll jetzt eing'sperrt werden.

Mariandl. Der Herr ist was Vornehmes, er laßt den armen Teufel zum Land hinausweisen.

Zillerl. Da hat man's!

Lorenz. Nun, ich gratuliere! (Zu Mariandl.) Nun, Jungfer, wird Sie nicht mitfahren?

Pimpernelle. Siehst du's, siehst du's! So erleben wir doch alle Tag' neue Geschichten; aber was hab' ich immer g'sagt, was hab' ich immer g'sagt? Der Knackerl wird einmal die Suppen versalzen. Da hat man's jetzt – da steht er in der Brisil, jetzt wird er zappeln, weil er g'glaubt hat, die Fiaker sind nur darum in der Welt, daß sie die Leut' foppen können.

Knackerl (sehr phlegmatisch). Hat d' Frau wer g'ruft?

Pimpernelle. Niemand hat mich g'ruft, aber g'hört hab' ich alles beim Fenster. Ich bin eine Einwohnerin in diesem Haus und kann mich ärgern für mein' Zins. (Zu Zillerl.) Hausfrau, Hausfrau! Weiß d' Hausfrau, was es ist? Versäumt hat er seine Stellfuhr', zehn Gulden hat er dran bekommen und sitzen hat er d' Herrschaft lassen; was hab' ich immer g'sagt? Ein Unrechter wird's recht machen, jetzt werden sie ihm den Mantel ausklopfen. (Schnupft Tabak und schlägt auf die Dose.) Und eine Freud' hab' ich –

Knackerl. Ei was, der Marquis ist mein Bruder!

Alle. Was ist er?

Knackerl. Mein Bruder – ja, mein Bruder, mein Milchbruder!

Bünkerl. Ja, ja, er und der Marquis haben bei einem Milchweib g'fruhstuckt.

Pimpernelle. Das hab' ich auch ghört. (Lacht höhnisch.) Aber das sind schon wieder Fiakerspaß. Wenn so ein Mensch mit einem Vornehmen zugleich in der Kost gewesen wäre, so könnt' er kein solcher Knopf sein, als er ist.

Knackerl. Jetzt hab' ich's schon g'nug. Was will d' Frau? Wer ist d' Frau? Was hat d' Frau z'reden, wenn hier mein' Chefin steht? Wer hat sich da drein z'mischen? Ich werd' mich schon wehren für meine Haut, ich hab' auch Freunde, und wenn der Marquis noch so grausam sein will, ich hab' einmal einen g'studierten Herrn kutschiert, den will ich aufsuchen, der wird mir schon helfen, das weiß ich. – Schaut's! Da kommt die Petersilhandlerin aus ihrer Kaluppen nur immer heraus, wann ein Unglück ist, wenn ein Auflauf g'schieht, wenn ein Mensch eine Fatalität hat, und red't dann drein und ist schadenfroh. Bleib' d' Frau auf ihrem Kohlenheferl sitzen, ich brauch' d' Frau 's ganze Jahr nicht.

Pimpernelle. Was? Was ist das für ein Ton? Ich soll auf meinem Kohlenheferl sitzen bleiben? Der Herr schneid't mir epper gar noch d' Ehr' ab, nun, wir kommen schon noch z'samm'!

Knackerl (kalt). Wir kommen auch noch z'samm'!

Pimpernelle. Sieh, daß er mir nichts tut, der Mussi-Milchbruder! Wie viel denn solchere? Ich will nicht schimpfen, aber solche grimmassige Spindeln, wie der Herr ist, nimm ich zwölfe, mach' s' mit Essig und Öl an und manschar s' anstatt einem Sardellensalat.

 

Elfte Szene.

Kreutzkopf. Mehrere Fiaker. Vorige.

Kreutzkopf. Nun, das ist eine saubere Geschichte! So bin ich in meinem Haus blamiert! Wo ist denn der Knackerl, der verdammte Kerl? Einen neuen Spitznamen muß ich hören wegen ihm. Den Spenatmeister heißen sie mich auf dem Michaelerplatz, weil ich so schlechte Leute hab'. Nun, das ist nicht übel!

Knackerl. Herr, ich bin unschuldig!

Kreutzkopf. Kein Wort red'st oder ich zerreiß' dich in Stücken! Spenatmeister heißen s' mich. Sapperment, das muß anders werden.

Pimpernelle. Spenatmeister? Da sticheln s' auf mich, weil der Herr eine Kräutlerin im Haus hat.

 

Zwölfte Szene.

Vorige. Marquis. Ein Gerichtsdiener. Ein Jäger des Marquis. Wache.

Marquis. Hier, Herr Kommissär, ist der Kerl, der mich so grob beleidigte, ich rechne nun auf Ihre Satisfaktion.

Gerichtsdiener. Er muß sogleich mit fortgebracht werden. Er hat die Drangabe behalten, das ist augenscheinlicher Betrug. Kommt nur, guter Freund, wir wollen ihn schon kirre machen.

Marquis. Spitzbube, mit dir wird man bald fertig werden!

Knackerl. Spitzbub'! Was, Spitzbub'! Sie, das farbelt mich! So müssen Sie mir nicht kommen, sonst sag' ich gleich Spitzbub mit! Ich bin all mein Lebtag ehrlich gewesen. Herr! Könnt Ihr's anders sagen? Hab' ich je was gestohlen, wen betrogen? War ich nur eine Viertelstund' mein ganzes Leben ein unrechter Mensch? (Greift in die Tasche, langt die zehn Gulden heraus, wirft aber dabei den Brief seiner Mutter auf die Erde.) Da sind die zehn Gulden, ich habe die Drangabe gut aufgehoben. (Er hebt den Brief von der Erde auf.) Wegen diesem Brief bin ich zu spat g'kommen, aber kein Spitzbube bin ich nicht, Kreuzdividomini, und so was darf mir keiner sagen!

Pimpernelle. Da wird man ein' Weil' fragen!

Knackerl. Die Frau halt' die Ihrige! – Herr Kreutzkopf, nimm sich der Herr um mich an, wenn er nicht im Ernst ein Spenatmeister sein will! Ich geh' allein zur Obrigkeit, die Obrigkeit will mich, der Obrigkeit folg' ich.

Marquis. Nur fort, nur fort!

Gerichtsdiener. Packt an, greift zu!

(Die Schergen wollen anpacken.)

Knackerl. Zurück oder ich schlag' aus!

Alle Fiaker. Nein, das leiden wir nicht! Zurück oder es wird brust!

Bünkerl (rückwärts im Schlitten). Allo, huß, faß schön!

Pimpernelle. Euer Gnaden, Herr Kommissär, er begehrt auf, er begehrt auf! Ah, das ist ein' Ödigkeit!

 

Dreizehnte Szene.

Ein anderer Kommissär, sein Äußeres muß jedoch mehr Eleganz verraten. Vorige. Volk.

Kommissär. Wohnt hier der Fiaker Matthias Kornberger mit dem Beinamen Knackerl?

Kreutzkopf. Ja, hier ist er, er soll just eingeführt werden.

Kommissär. Hat er ein Verbrechen begangen? (Erblickt die Gerichtspersonen.) Ah, ich weiß schon, warum Sie hier sind. Treten Sie mit den Leuten nur ab! (Zu Knackerl mit einiger Achtung.) Sie gehen mit mir, mein Herr, und sind ersucht, einige Auskunft zu geben.

Pimpernelle (halb für sich). Was? Per Sö?

Alle (erstaunt). Was ist das wieder?

Knackerl. O, ich bitt' Ihnen, sagen S' nicht Sö zu mir, das ist ein Fiaker ebenso wenig gewohnt als seine Pferd den Habern.

Kommissär. Die einzige Beantwortung einer kurzen Frage kann eine große Veränderung hervorbringen. (Tritt zurück.) Mein Wagen steht vor dem Tore, Sie fahren mit mir.

Knackerl (mit einer komisch wichtigen Miene, sieht alle im Kreise an). Alleweil Sö und alleweil Sö! Und ich fahr' im Wagen und nicht auf dem Bock? Du, Mariandl, vielleicht hab' ich gar 's Theater an der Wien g'wonnen; nun, ich geh'. (Zur Pimpernelle.) Sieht d' Frau, es ist doch noch nicht aus mit mir, die Fiakerspaß fangen erst an. (Zu den andern.) Ades, ades, Herr und Frau! (Zum Marquis triumphierend.) Eing'führt werd' ich halt doch nicht.

Kommissär. Halten Sie sich nicht länger auf, mein Lieber, man erwartet uns. (Gehen beide ab.)

Marquis. Und meine Satisfaktion? He! Da muß ich auch dabei sein! (Eilt nach.)

(Gerichtsdiener, Jäger und Wache folgen ihm.)

 

Schlußchor.

(Sämtliche Personen treten vor.)

Was muß denn das wohl sein?
Sie führen ihn nicht ein,
Sie holen ihn so fein
Und niemand mengt sich drein?
Das Blatt, das wendet schnell sich um
Und uns, uns geht's im Kopf herum!
Sie holen ihn so fein,
Was muß denn das wohl sein?

(Die Kurtine fällt langsam.)

Ende des ersten Akts.

 

Zweiter Aufzug.

Erste Szene.

(Herrlich dekoriertes Zimmer der Marquise.) Die Marquise liegt in einem Stuhl in Ohnmacht, vor ihr kniet der Marquis, Elise steht hinter ihrem Stuhl und tröstet sie, ein Arzt, schwarz gekleidet, mit einem Riechfläschchen in der Hand, steht rückwärts zur Seite.

Marquise (erhebt sich). Ihr habt leicht reden, meine Kinder, es ist ein harter Schlag für mich. Ach, dich, Ludwig, bewundere ich am meisten, du bist am gelassensten und dir droht das Schrecklichste.

Marquis. Solange Sie mich nicht verstoßen, gnädigste Marquise, so lange bin ich nicht unglücklich.

Marquise. Verstoßen, sagst du? Verstoßen? Nein, nie sollst du von meiner Seite kommen! Aber dein Name, dein Erbe!

Marquis. Ich will mich zu trösten suchen; erlauben Sie, daß ich den Brief weiter lese. (Er liest). »So standen die Sachen, als plötzlich Eva Kornberger von einer gefährlichen Krankheit befallen wurde. Sie klagte, daß sie etwas auf dem Herzen habe, das sie, ehe sie aus der Welt ginge, den Gerichten mitteilen müsse, und zwei Magistratspersonen nahmen folgende Aussage auf: »Ich, Eva Kornberger, erkläre hiemit feierlich, daß der gegenwärtige junge Marquis Ludwig von Devain mein Sohn und der als Fiaker im Dienst stehende Knecht Matthias Kornberger der Sohn der Marquise Devain sei. Vor 26 Jahren, wo ich als Amme in Diensten jenes Hauses war, habe ich die Kinder verwechselt und somit meinen Sohn mitten in den Schoß des Glückes versetzt. Ich fühle meine Sterbestunde – dies Verbrechen martert mein Gewissen – ich gebe es der Welt in die Hände, um gut zu machen, was ich verdarb. Eva Kornberger.«

Marquise. Es ist kein Zweifel. Die übrigen Dokumente bestätigen dasselbe. Mein Herz unterliegt!

Arzt. Ihr Herr Sohn, er will hieher kommen. Ich habe mit ihm gesprochen, wie er sich benehmen soll, wenn er Euer Gnaden zum erstenmal sieht; ich habe ihm andere Kleider reichen lassen, er sieht gut aus.

Marquise. Ich will mich fassen, ich hab' ihn nur einmal sprechen gehört; ach, er ist freilich namenlos roh, doch ich will mich bemühen, ich will mich überwinden, ihn anzuhören. Sagt, wo ist die Tirolerin, die von meinem Gute seit ein paar Tagen angekommen ist? Weiß die vielleicht etwas Näheres? Die ist ja aus dem nämlichen Orte.

Arzt. Sie war soeben im Vorzimmer.

Marquise. O, laßt sie doch einen Augenblick herein! (Der Arzt öffnet die Tür und winkt ihr.)

 

Zweite Szene.

Lisel. Vorige.

Lisel. Gott grüß', Gräfin. Schau', warum hast mich denn so lange warten lassen da draußen? Hab' müssen schon Handel anfangen in dein'm Schloß! Deine Bedienten sein sehr kebig; b'sonders ein Büchsenspanner, der muß mich vor eine Gans ang'schaut haben, der hat Jagd auf mich g'macht und hätt' mich gern in sein Zimmer hinein'zogen, als wann ich schon sein Wildbret wär'! Aber ich hab' ihm zagt, daß ich noch nicht erschossen bin, hab' ihm eine auf d' Nasen 'geben und jetzt blut't der dalkigte Kerl.

Marquise. Das ist grob.

Lisel. Ei beleib, grob ist's nicht, es ist nur recht! Unser Herrgott hat uns Tirolermadeln bloß die Händ' zum Wehren gegeben gegen die zudringlichen Mannsbilder. Dafür sind die Tirolerin' auch meistens brav und ehrsame Madeln. Da in Wien haben s' die Händ' zum Putzen, Kartenspielen und Liebsbrief'schreiben, und da haben s' so viel zu tun, daß sie sich nicht wehren können, wann einer auch noch so keck wird.

Marquise (lächelt). Du mußt meinem Jäger verzeihen, er versteht's nicht besser.

Lisel. Meinetwegen! (Zutraulich, indem sie den Arzt und den Marquis ansieht.) Weißt aber was? So sollen die zwei auch gescheiter sein, denn die sein auch nicht zu gut.

Marquise. Was? (Höchst erstaunt.) Mein Sohn – Sie, Herr Doktor?

(Marquis und Arzt äußerst verlegen.)

Lisel (ungeniert). Ja, ja, die zwei sind auch saubere Hechten. Dein Sohn hat sich gestern gar nieder'kniet vor mir. Ich hab' 'glaubt, er foppt mich, und da der Doktor Faust hat mir durchaus die Puls um den Leib fühlen wollen, aber ich hab' ihm's Chapeaudel z'rissen und hab' ihm ein' Rippenstoß 'geben, daß er zwei Stund krump 'gangen ist. Tut's noch weh, Doktor? Nicht wahr, ich bin flink?

Marquise. Meine Herren, was ist das?

Marquis. Ein unschuldiger Scherz, Euer Gnaden!

Lisel. Ei ja, ich kenn' ihn schon, den Scherz!

Arzt. Ich wollte versuchen, ob die Lisel in dieser verführerischen Stadt etwas schwach sein könne.

Lisel. Da hast du aber gesehen, daß ich stark bin.

Marquise. Solche Dinge muß ich mir verbieten. Das Mädchen ist die Tochter meines Meier und soll hier in meinem Hause gut aufgehoben sein. (Sehr ernst.) Ersuche, dergleichen Spässe zu unterlassen.

Lisel. Ja, ja, ich dank' dir, sag's ihnen nur recht. Busseln wollen s' mich auch alleweil. Busselt ös engere ang'strichenen Mamsellen! Ich bin schon ein' Braut, erwart' mein' Michel alle Stund, und wann ich's dem sag', so reißt er dem einen ein Fuß aus und setzt ihn dem andern wieder ein.

Marquise. Es wird dir nichts mehr geschehen. Apropos! Kanntest du nicht in Tirol eine Eva Kornberger? Sie wohnte im Schlosse und –

Lisel (fällt rasch ein). Die »pensionierte Ammel« haben wir s' alleweil g'heißen; freilich hab' ich sie kennt, ist ja mein'm Michel sein' Mahm.

Marquise (bewegt). Nun und – hast du nie etwas besonders Auffallendes von ihr reden gehört?

Lisel (gleichgültig). Kinder soll s' einmal verwechselt haben, aber wo, wem und wann, das weiß ich nicht recht. Hab' mich auch nie ordentlich darum bekümmert, denn wenn wir Tiroler was Schlecht's hören von einem Menschen, so fragen wir weiter nicht viel nach.

Marquise. Auch hier Bestätigung! Nun, so wisse denn, daß hier im Hause –

 

Dritte Szene.

Ein Bedienter (tritt rasch ein). Der Majoratsherr will aufwarten.

Arzt. Sie sehen jetzt Ihren Sohn zum erstenmal.

Marquise (sinkt in einen Stuhl). Ist er schon umgekleidet? (Faßt sich.) Geht, meine Kinder, laßt mich mit ihm allein! (Mit Überwindung zum Marquis.) Geh – lieber Matthias! (Wendet sich mit Schmerz von ihm.) Mein Ludwig naht.

Arzt (winkt der Lisel). Komm, Kleine!

Lisel. Nein, geh du nur voraus, Großer! Ich find' schon allein den Weg. (Zur Marquise.) Ist dir was? Hast denn ein Unglück? Schau, das wär' mir leid und ich bedauere dich herzlich. Ich glaube gar, du weinst, Gräfin? Das ist mir gar nicht recht. Das ist doch g'spassig in der Stadt – ganz andere Leut'. Wir sind auf unserem Gebirg arm und lachen den ganzen Tag und die sein reich und wanen. Nu tröst' dich, wann dir wer was tut, so sag's nur mir, ich klopf s' recht, und wann erst mein Michel kommt, da sollen deine Feind so Schläg' kriegen, daß sie dir g'wiß nichts mehr in'n Weg legen werd'n. (Im Abgehen.) Jetzt weint die und ist ein' Grafin und ich lach' und bin ein' Bäuerin; wann's tauschen wollt', ich möcht' nicht! (Ab.)

(Alle ab bis auf die Marquise.)

 

Vierte Szene.

Knackerl, als Marquis gekleidet, sehr linkisch und konfus. Die Marquise. (Der Bediente öffnet ihm die Tür.)

Knackerl. Ich find' schon eina, als Fiaker hab' ich alle Weg' und Steg' kennen g'lernt. (Macht einen Kratzfuß.) Euer Gnaden verzeihen, daß ich Ihr Herr Sohn bin. Ich kann nichts dafür, meiner Seel', ich kann nichts dafür.

Marquise (mit Überwindung). Komm näher, lieber Ludwig, setz' dich hieher.

Knackerl. Hiesel heiß' ich, Euer Gnaden – Hiesel – ich bitt' gar schön.

Marquise. Denke dich aus deiner Lage heraus, Ludwig! Du bist mein Sohn. Nicht nur allein dein Stand, auch dein Name wurde verwechselt. Du heißt Ludwig. Sieh mir ins Auge, Ludwig, willst du mein Ludwig sein?

Knackerl. Warum denn nicht, Euer Gnaden?

Marquise. Nicht doch, setz' noch etwas hinzu, nenne mich deine Mutter!

Knackerl. Was wollen Sie, Ihro Gnaden, meine Mutter?

Marquise. Verzage nicht, auch ich will nicht verzagen, ich will Geld, viel Geld an dich wenden, daß du anders wirst.

Knackerl. Anders? Anders? Ihro Gnaden, Frau Mutter, wir Fiaker sind schon einmal so!

Marquise. Ludwig! Um Gottes willen, willst du nicht, daß ich augenblicklich in Ohnmacht falle, so erinnere mich mit keiner Silbe mehr, daß du einst Fiaker warst – nur nicht daran erinnere mich mehr, ich bitte dich – ich bitte dich innig, Sohn! Der Gedanke könnte mich wahnsinnig machen.

Knackerl (ehrgeizig). Nun, ein Fiaker ist ja auch kein Vieh!

Marquise. Um Gottes willen, nur dieses Wort nicht mehr!

Knackerl. Wenn's Euer Gnaden die Frau Mutter nicht leiden können, so werd' ich mir schon alle Mühe geben, daß ich's vergiß.

Marquise (mit einem tiefen Seufzer). Was ich sagen will: hassest du deinen Milchbruder – hassest du den Mann, der bisher deine Erziehung genoß, unsere Reichtümer teilte – deinen Namen trug?

Knackerl. Den gnädigen Herrn, der mich heut früh hat einsperren wollen lassen, mein Brüderl? Freilich hätt' ich Ursach', er war sehr hopadasig, war schiech wie ein kollerisches Pferd, aber hassen tu' ich ihn nicht. Ich hoffe zu Gott, er wird jetzt statt meiner Fiaker –

(Marquise schaudert zusammen.)

Knackerl (bemerkt es). Ich will sagen Lehnkutscher, – Lehnkutscher werden, und dann wird er's schon empfinden, was es heißt, einen armen Teufel mir nichts, dir nichts ins Unglück stürzen zu wollen.

Marquise. Im Ernst, du könntest das wünschen?

Knackerl. Wenn ich recht aufrichtig reden soll, wünsch' ich's nicht. Ich bin jetzt ein Marquis, ich weiß nicht, wie. Er soll auch kein Unglück haben. Ihro Gnaden die Frau Mutter darf mir's glauben, es ist ein hartes Brot um einen Fiaker.

Marquise. Nur das Wort nicht mehr – ich bitte dich, Ludwig, nur das Wort nicht mehr!

Knackerl. Wenn ich's nur nicht alleweil auf der Zunge hätt'.

Marquise. Was soll also mit deinem Milchbruder geschehen, Ludwig?

Knackerl. Ja, das weiß ich nicht. Die vornehmen Leut' würden ihn fortschaffen, das haben die Bedienten schon gesagt, aber ich mein', er soll dableiben. Was kann denn der arme Narr dafür, daß er ein geborner Fiaker ist und ich bin was Großes! Es soll ihm von mir aus nichts geschehen, wenn Ihro Gnaden, die Frau Mutter, nichts dagegen haben.

Marquise (mit einem Seufzer). Gott sei Dank, ein gutes Herz hat er; ich hoffe, er ist zu bilden. (Laut). Willst du deinen Bruder sehen, Ludwig?

Knackerl. Ich kenn' ihn schon.

Marquise. Willst du ihn nicht umarmen, trösten?

Knackerl. Fürchtet er sich denn vor mir?

Marquise. Das nicht, aber an ihm ist's jetzt, dir seine Aufwartung zu machen.

Knackerl (ganz Fiaker). Hört d' Mutter auf!

Marquise. Sohn, besinne dich!

Knackerl. Ich bitt' um Verzeihung, ich hab's nicht so sagen wollen, nun ja, ich will ihn sehen. Aber was sieh ich denn da? Wer fahrt denn da? (Geht zum Fenster.) Da muß was geschehen sein, der Kalarabi-Hansel hat den Fuxmundi-Lenzel seinen Wagen. Hansel, wo fahrst denn hin? Hansel, weißt du's schon, ich bin ein Marquis – Hansel, sag's allen meinen Kameraden! B'hüt' dich Gott! (Er grüßt zum Fenster hinaus.)

Marquise (hält sich an einen Stuhl). Nein, das halt' ich nicht aus – das ist zuviel! Gott, das soll mein Sohn sein – das ist mein Tod! (Sie macht einen lauten Schrei und fällt in Ohnmacht.)

Knackerl (kommt vom Fenster zurück und sieht die Marquise liegen). Was Tausend! Ihro Gnaden, meine Mutter, ist eingeschlafen? Schaut's! Nun, es ist auch recht – ich muß ohnehin sehen, wo der Kalarabi-Hansel hinfahrt – (will ab).

 

Fünfte Szene.

Elise. Vorige.

Elise. Bruder, was ist geschehen?

Knackerl. Das ist meine Schwester? Schaut's, nicht übel, aber meine Mariandl ist doch hübscher!

Elise. Gib Antwort, Unmensch! Was ist geschehen? Die Mama liegt in Ohnmacht.

Knackerl. Ich kann nichts dafür, ich hab' s' nicht hineingelegt.

Marquise (rafft sich zusammen und sieht auf). Ja, Entarteter, du hast mich auf das Äußerste gebracht, du hast mein Haus blamiert, durch diese einzige unbesonnene Handlung hast du mich zum Gespötte der ganzen Stadt gemacht. Komm, Elise, komm! Seine Gemeinheit soll ihm sein Schicksal bereiten!

(Ab mit Elise.)

 

Sechste Szene.

Knackerl (allein). Das ist doch kurios für einen gemeinen Menschen, wenn er vornehme Eltern hat. Ich benimm mich doch gewiß so nobel als möglich und nichts ist erkannt. Was ich schon alles aufg'opfert hab', seitdem ich Marquis bin! Schon zweimal hätt' ich gern ein Glasel Polnischen und eine Halbe Bier getrunken und trau' mir nichts zu sagen und doch fallt Ihro Gnaden, meine Frau Mutter-Mama, in Ohnmacht. Doch das tut nichts – ich will mich schon noch mehr zusammennehmen. Ich wett', in vierzehn Tagen glaubt die ganze Welt, daß ich als Marquis erzogen bin. Jetzt bin ich aber doch neugierig, zu wissen, was denn meine gewesenen Kameraden machen. (Er öffnet das Fenster und sieht hinaus; indes kommt von der anderen Seite der Marquis.)

 

Siebente Szene.

Der Marquis. Knackerl am Fenster.

Marquis. Herr Marquis!

Knackerl (affektiert). Nun, bist du einmal da?

Marquis. Grollen Sie mir?

Knackerl. Das nicht – ich hab' gehört, daß du dich wegen mir gefürcht't hast? (Vergißt sich.) Und das hat mich g'freut von Ihnen. Jetzt sind wir wieder gut, und wenn Euer Gnaden erlauben, so führ' ich Ihnen bald wieder.

Marquis. Herr Marquis! Sie vergessen sich! Sie sind jetzt der hochbeglückte Mann, dem alle Fiaker zu Gebote stehen.

Knackerl (besinnt sich). Richtig, ich bin jetzt Sö und Sö sein du.

Marquis. Kein Wort mehr aus jener Zeit, Herr Marquis, wenn ich bitten darf – erinnern Sie sich durch keine Silbe an diesen unglücklichen Stand!

Knackerl. Es ist wahr! Es ist wahr! Nun ja, ich will mich zusammennehmen.

Marquis. Die Frau Marquise, Ihre gnädigste Mama, ist enchantiert, daß Sie großmütigst mir meine Lage und Existenz nicht verschlimmern wollen. Ich sehe, daß Sie ein besseres Herz haben, denn obgleich ich damals nicht wußte –.

Knackerl. O, bitt', Euer Gnaden, lassen Sie das! Der Mensch ist fehlig. Ich hab' alles vergessen, nur meine Mariandl hab' ich noch auf dem Herzen. Wann ich die zur Marquisin machen dürft', so wär' ich noch einmal so glücklich.

Marquis. Da erlauben Sie dem Rate eines Verehrers, zu sagen, daß – wenn diese sogenannte Mariandl –

Knackerl. Nein, nicht so genannte, sondern so getaufte Mariandl.

Marquis. Wenn also diese so getaufte Mariandl aus niederem Stande ist, Sie solche augenblicklich vergessen müssen, die Marquise, Ihre Frau Mama, würde sonst neuerdings aufgebracht werden.

Knackerl. Mein' Mariandl soll ich vergessen? Nein, Herr, das kann nicht sein!

Marquis. Bedenken Sie, was Sie sind!

Knackerl. Ja, darum bin ich's ja, damit ich die Mariandl heiraten kann. Als armer Fiaker hätt' ich sie auf keinen Fall kriegt.

 

Achte Szene.

Vorige. Die Marquise. Elise. Der Arzt.

Die Marquise. Nun, was hab' ich zu hoffen?

Marquis. Das Beste. Nach und nach wird sich alles geben; der Herr Sohn werden anders werden.

Die Marquise. Gewiß?

Knackerl. Euer Gnaden, die Frau Mutter, werden es sehen.

Die Marquise. Sprich »Mama«, mein Sohn!

Knackerl. Euer Gnaden die Frau Mutter – Mama werden's sehen. Glauben mir Euer Gnaden g'wiß, es ist kein Spaß. Man kann sich eher gewöhnen, mit kollerischen Pferden zu fahren, und eher lernen, bergauf im Galopp zu kutschieren, als vom Fiaker zum Marquis. Es ist gerade so, als wenn ein Mensch vom kalten Zimmer zum heißen Ofen kommt. Er schnappert noch, und wann ihn auch d' Hitz' von allen Seiten anblast.

Die Marquise. Ludwig! Ich muß dich heut' den Verwandten unseres Hauses vorstellen. Soeben bekam ich Aufforderungen von unserer ganzen erhabenen Familie. Ich ließ sogleich Karten ausschicken; es ist heute großes Souper bei uns, ich bitte dich, Ludwig, nimm dich zusammen. Sprich lieber nichts als Dinge, die mich, dich und uns alle kompromittieren. Morgen mit den Frühesten gehst du dann auf unsere Güter, ich schicke dir alles, alles, was dir Freude macht. Ein paar gescheite Leute begleiten dich und in kurzen hast du eine andere Erziehung. Ludwig, kann ich auf dich rechnen, daß du mir heute beim Souper keine Schande machen wirst?

Knackerl. Ich will lieber essen, als daß ich was Dummes sag'.

Die Marquise. Nun, nimm noch eine kleine Lektion. Mein Hausazt ist ein kluger Mann, laß eine Probe mit dir machen. Wo du nicht antworten kannst, schweigst du bloß. (Geht ab.)

 

Quartett.

Arzt. Elise. Marquis. Knackerl.

Arzt.

Wenn ich zu dem Feste im Glanze erschiene
Und hüpfte so lustig zur Türe herein,
Was würden Sie sagen mit heiterer Miene?

Knackerl.

Ich würde – ich würde – was spräch' ich denn drein?
(Besinnt sich.) Ich weiß schon, ich sagte: »Gehorsamer Diener!
Bitt', setzen S' sich nieder, da ist schon ein Platz!
Was sein S' für ein Landsmann? Gewiß ein Berliner?«

Marquis und Elise.

Ei, das ist zu tölpisch, mach's besser, mein Schatz!

Marquis.

Man sagt: »Ei, es freut mich, daß Sie mich beehren,
Ich wünschte schon lang', Ihrer würdig zu sein.«

Arzt.

Dann spräch' ich: »Ich will gern zu Ihnen gehören
Und dieser Gedanke bemächtigt sich mein.«

Knackerl.

»Jetzt nehmen Sie Platz! Sie müssen ja sitzen,
Ich bitt', kann ich dienen, was hätten S' denn gern?
He, fahr'n wir, Euer Gnaden, weil d' Rosserl grad' schwitzen.«

Arzt, Marquis und Elise.

Ei, Fassung, was ist das? Der Kutscher ist fern!

Knackerl.

Ich weiß schon, es geht, ich werd' mich schon üben,
Geduld, ach Geduld, ich bin ja konfus!

Elise.

Nun käm' eine junge und freundliche Dame,
Rasch, rauschend und feurig zur Türe herein,
»Mein Herr, Ihr Charakter, Ihr Rang und Ihr Name?«

Knackerl.

»Ei! Hören S', vom Adel wohl werde ich sein.«

Marquis.

Nun käme ein Stutzer ganz lüftig gegangen,
Voll Gold, Schmuck und Düfte und Edelgestein,
Umhängt von Batisten und seidenen Fransen,
Und stolz, nett und sauber gekleidet zu sein;
Er spräche: »Mein Herrchen, ich habe erfahren,
Daß Sie sich erhoben, ich weiß gar nicht, wie.«

Knackerl.

Da sagt' ich ganz hitzig: »Trotz mißlichen Jahren
Bin ich doch weit g'scheiter und klüger als Sie.«

Alle.

Ei bravo! Ei bravo! Es geht schon, es geht.

Knackerl.

Ich bin ja ein Kreuzkopf, der alles versteht.

Alle vier.

Nur piano, nur bedacht!
Mancher hat sein Glück gemacht!
Wer nicht reden kann, sei still!
Alles kann man, was man will.

(Zu diesem dudelt Knackerl und alle gehen sodann ab.)

 

Neunte Szene.

(Fiaker-Hof wie im ersten Akt.) Pimpernelle, Kreutzkopf, Frau Zillerl, Lorenz, Bünkerl, Suserl kommen aus dem Hause.

Pimpernelle. Heraus kommt's da! Alle heraus! Eine solche Geschichte muß in der freien Gottesluft erzählt werden. Habt ihr schon g'hört? Wißt's, was mit dem Knackerl ist? Ein Herzog ist er worden, ein Markgraf, ein verwunschener Prinz, bei meinem Kräutlerstand ist just die ganze G'schicht' erzählt worden.

Alle (bis auf Kreutzkopf). Nicht möglich!

Pimpernelle. Gott sei Dank, daß ich meine heimlichen Kundschaften hab'. Die Regerl, das Kuchelmensch von der Frau von Hechtenleben, die verrequentiert einen Bedienten im markiischen Haus, einen galanten Menschen, tragt zwei goldene Uhren von Spinspeck und silberne Schnallen von Silber. Der kommt um 9 Uhr zu ihr hin, sie war grad' um die Kipfeln zum Fruhstuck, und sagt: »Regerl, in unserm Haus ist was g'schehn! Ich darf's zwar noch nicht ausplauschen, aber dir sag' ich's, weil du eine Bekanntschaft mit der Kräutlerin hast« – da hat er mich g'meint – »unser Sohn ist kein Sohn, sondern ein Fiaker, und der Fiaker Knackerl ist ein Sohn.«

Zillerl. Da schaut's her!

Pimpernelle. Nichts, da schaut's her, sondern dort schaut's hin! Wer hätt' sich das denken können von einem solchen Mithridatbüchsel von einem Menschen? Aber ich hab's immer g'sagt, der Knackerl geht mir zu nobel daher, der muß was sein.

Bünkerl. O du mein Himmel, Suserl, wenn ich vielleicht auch ein verwunschener Prinz wär'.

Lorenz. Wie ist denn das entdeckt worden?

Pimpernelle. Die Leut' reden unterschiedlich. Einige sagen, durch einen vazierenden Balbierer, der hätt' ihn am Bart erkannt, andere sagen, er hätt' ein heimliches Muttermal auf der Nasen, die Regerl sagt, durch zwei sympathetische Schnupftücher, die die Wäscherin dem Knackerl ausg'lassen hat und die in andere Händ' gekommen sind.

Bünkerl. Das glaub' ich nicht, der Knackerl tragt gar kein Schnupftüchel.

Pimpernelle. Meinetwegen! Ein Wunder ist im G'spiel, da braucht's nichts. Ich kann mich nur ärgern, daß ich heut' so grob mit ihm war. Wenn er dran denkt, so ist er im stand' und laßt mich einführen. Nun, das wär' nicht übel! Ich weiß schon, was ich tu', ich geh' zu ihm hin, mach' ihm einen Fußfall, bitt' ihn um Verzeihen, tu' ihm schön und ersuch' ihn, daß er mir was schenkt. (Sie geht, kehrt aber wieder um,) Apropos, daß nichts weiter g'sagt wird! Was ich im Haus red', muß im Haus bleiben, will ich was ausplauschen, werd' ich's schon selber tun. Gott sei Dank, mich kennt die ganze Stadt, wer von mir was weiß, der kann jagen, daß er's von der ersten Hand weiß. (Sie geht, kehrt noch einmal um.) Noch eins! Daß mir niemand nachgeht; schenkt er mir was, so ist's wohl und gut, gibt er nichts her, so wird er ausg'richt. Wie er nicht gleich mit der Hand in Sack fahrt, wenn er mich sieht, kann er mich von der hantigen Seiten kennen lernen. Wer bei mir ein Kavalier sein will, der muß schwitzen; laßt er die Hand im Sack, so ist er ein gemeiner Batzen. (Ab.)

 

Zehnte Szene.

Vorige. Ohne Pimpernelle.

Bünkerl. Wie sie in den Ton red't, kriegt s' g'wiß was.

Lorenz. Das ist ein Glück! Das ist ein Glück! Meinetwegen, ich vergönn' ihm's, jetzt wird doch kein Hindernis mehr sein, die Mariandl zu heiraten? Jetzt wird sie sich doch keine Rechnung mehr auf den Knackerl machen. Der wird ja wenigstens eine Prinzessin zur Kopulation führen.

Kreutzkopf. Wir wollen gleich zu ihr hin und sie zwingen. (Alle ab.)

 

Elfte Szene.

Suserl. Bünkerl.

Suserl. Bünkerl, was tät'st denn du mit mir, wenn du so ein Glück machest, tät'st du mich auch vergessen?

Bünkerl. Gott bewahre, Suserl! Ohne dich könnt' ich ja nicht leben.

Suserl. Du tätst mich also heiraten?

Bünkerl. Auf der Stell', liebe Suserl.

Suserl. Und hernach?

Bünkerl. Wenn ich in Mussi Knackerl seiner Stell' wär', kauft' ich mir augenblicklich einen neuen Wagen, auch einen Schlitten müßt' ich haben, hernach fahret ich um's halbe Geld, nur daß ich in der Welt recht weit herumkäm'.

Suserl. Und ich?

Bünkerl. Du? Du müßtest hinten aufstehen.

Suserl. Warum nicht gar!

Bünkerl. Ja, ja, Suserl, laß mir nur meine noblen Kaprizen, schau, der Mensch muß eine Freud haben!

 

Zwölfte Szene.

Speck. Riemer. Mehrere Fiaker. Später Mariandl.

Speck. Bub! (Er ruft Bünkerl zurück.) Bub, hast gehört, da gehst her.

(Bünkerl kommt zurück.)

Speck. Was hast du wieder dem Madel nachzulaufen? Schau, daß ich einmal schiech werd' und dich aufzam'. Das Madel ist wegen uns im Haus und nicht wegen dir.

Bünkerl. O weh! Da hab' ich schon 'gessen, wenn ich das hör'!

Speck. Nicht Maun sag', sonst komm ich mit der Geißel. – Doch jetzt zu was anderm! Du hast alleweil am meisten beim Knackerl 'golten. Du mußt heut' mit uns gehen, wir machen ihm eine Nachtmusik. Der böhmische Jackel kann so schön dudeln und die Schreigoschen brüllt ein' Baß, der schon ein' Pracht ist; wir singen dem Knackerl sein Leiblied vom lustigen Fiaker, du machst die feine Stimm'; was ihm als Kutscher g'fallen hat, kann ihn als Marquis nicht verdrießen.

Bünkerl. Schaut's, das ist richtig ein g'scheiter Gedanken! Da bin ich schon dabei! Vielleicht wirft er uns a paar Kapauner herunter und laßt uns ein' Wein geben. Und wißt's was? Wenn wir ihn ganz damisch machen wollen vor Freuden, so nehmen wir d' Mariandl mit, die soll ihm's Alma-Lied singen, die Dudl kann schön dudeln, vielleicht ist er im stand und schenkt uns ein paar Metzen Dukaten.

Speck. Da kommt die Mariandl just, wir wollen sie gleich anreden.

(Mariandl tritt ein.)

Bünkerl (süß und hochdeutsch). Jungfrau Mariandl, möchten Sie uns nicht eine kleine Gefälligkeit erzeigen? Eine kleine, buderwinzige Gefälligkeit, welche wir zu Ehren des Marquis Knackerl ausgedenkt haben?

Mariandl. Was soll's denn sein?

Speck. Bring's manierlich herfür, Bünkerl!

Bünkerl. Wir haben eine Nachtmusik ausg'studiert, die wir ihm gern bringen möchten. Wissen Sie, auf die Art, wie im vorigen Jahre, als der Frau ihr Namenstag ware.

Mariandl. Meinem Hiesel? Heut noch? O, da bin ich mit Freuden dabei!

 

Quartett.

Bünkerl.

So gegen Abend kommen wir
Und singen ihm die schönsten Lieder;
Er liebt den G'sang, das glaubet mir,
Und denkt an seine alten Brüder.
Ich sing' Daleididede!
Und wirf' den Hut in alle Höh'
Und schreie Vivat und Juche!

Mariandl.

Ich sing' das Liedel von der Treu',
Was er so oft mit mir gesungen,
Ach Gott! Die Zeiten sind vorbei,
Er hat sich gar zu hoch geschwungen.
Ja, damals war's Dadadide!
Voll Jubel, Vivat und Juche!
Er lebt in Freuden, ich in Weh!

Speck und der böhmische Jackerl.

Wir jodeln und wir dudeln drein,
Er denkt noch an die alten Brüder;
Sitzt er beim Gugelhupf und Wein,
So schickt er uns auch etwas nieder.
Wir dudeln Dadidadede!
Und werfen d' Hüt' in alle Höh'
Und schreien Vivat und Juche!

Alle vier.

Ja, gegen Abend kommen wir,
Wenn schon der Mond am Himmel blinselt;
Er liebt den Sang, das wissen wir,
Und hat oft freundlich mitgewinselt.
Wir dudeln Dadeledide!
Und werfen Busserln in die Höh'
Und schreien Vivat und Juche! (Alle ab.)

 

Dreizehnte Szene.

Zimmer des Knackerl als Marquis. Arzt. Knackerl.

Arzt. So, das war die erste Lektion, die ich Ihnen gab, es wird schon gehen, nur nicht verzagt! Ich sehe gar nicht ein, warum ein Mann wie Sie sich nicht gleich in jede Lage schicken soll.

Knackerl. Versteht sich! Ich werd' g'schwinder ein Graf sein als Sie ein Kutscher. Sie, da heißt's oft aufpassen, wenn die Wägen zusamm'fahren, wie man wieder auseinander kommt. Nu, Gott sei Dank, fahren kann ich; so können 's gewiß wenig große Herren! Ich fahr' dem Teufel vor und wirf' nicht um; also eine Tugend hab' ich schon.

Arzt. Jetzt bemühen Sie sich nur noch um andere Tugenden, die Ihrem Stande Ehre machen!

Knackerl (lacht schelmisch). Hab' noch eine, hören S', aber nichts sagen, ich möchte gern meine Mama damit überraschen.

Arzt. Nun, und diese Tugend ist?

Knackerl (lacht gar lustig). Die Madeln.

Arzt. Hören Sie auf!

Knackerl (noch immer lachend). Auf Ehr'!

Arzt. Nu, wenn sie hübsch sind und wohl gebildet, aus einem großen Hause, gut erzogen, fein und voll Hofton –

Knackerl. In dem Punkt bin ich herablassend, ein' Köchin, ein Kuchelmadel, ein Kuhmensch tut's prächtig!

Arzt. Das wird die Mama schwerlich gut heißen.

Knackerl. Sie muß. Stolz ist ja abscheulich. (Leise.) Hab' schon im Haus was g'sehen.

Arzt. Die Gräfin Louise, die Nichte der Frau Marquise, die hier erzogen wird?

Knackerl. Gott bewahre! Die wär' mir alles zu subtil. Haben Sie nichts g'merkt?

Arzt. Nein.

Knackerl. Aber Sie sind blind! Wer ist uns denn zuvor auf dem Gang begegnet?

Arzt. Doch nicht die Tirolerin?

Knackerl. Haben 's schon 'troffen! Sie, das ist mein Schlag.

Arzt. Die ist aber gerad' auch nicht sehr korpulent.

Knackerl. Ei, wird schon auseinandergehen. Ich hab' s' b'stellt, ich hab' ihr g'wunken.

Arzt. Und sie kommt?

Knackerl. (macht die Tür auf). Ist schon da! Wollen S' jetzt sehen, wie ein Graf seine Liebesanträg' macht?

Arzt. Ich bin neugierig, wenigstens werden Sie Gelegenheit haben, sich nobel zu betragen.

Knackerl. Und wie nobl! (Er ruft zur Tür hinaus.) Tirolerin, geh nur eina! (Zum Arzt.) Geben Sie jetzt auf meine Physiognomie acht, die vornehmen G'sichter, die ich schneiden werd'!

 

Vierzehnte Szene.

Lisel. Vorige.

Lisel. Was willst? Du hast mir ja g'wunken.

Knackerl. Ja, Tirolerin, ich hab' dir g'wunken. Du weißt wahrscheinlich, wer vor dir steht?

Lisel. Ein junger Graf, mein' i, bist mit G'walt und der Sohn der Herrschaft.

Knackerl. Ja, weißt du auch, was eine Herrschaft ist?

Lisel. O ja, die Herrschaft ist unser Oberhaupt, der haben wir zu g'horchen und sie hat zu befehlen.

Knackerl. Bravo! (Zum Arzt.) Sehen Sie, so muß man die Fragen stellen, hernach laufen s' ein'm von selbst ins Garn. (Zu Lisel.) Wenn ich dir zum Beispiel was befiehl, so mußt du's tun?

Lisel. Du bist zwar noch nicht so viel als deine Mutter, aber ich tu' doch, was du befiehlst, es muß aber nur was Ehrliches und Billiges sein.

Knackerl. (zum Doktor). Hab's schon wieder! (Zu Lisel.) Nichts Billigeres ist noch kein'm Menschenkind aufgetragen worden! – Tirolerin, reiß ein wenig die Augen auf, ich lieb' dich und will haben, du sollst mich wieder lieben – nun, die Billigkeit wirst doch einsehen?

Lisel. (lacht). Hör' auf! Du kommst mir völlig narrisch vor, könnt' einem doch nicht närrischer träumen.

Knackerl. Da haben Sie's, Doktor, die verweiß sich schon nicht vor lauter Glück.

Lisel. Du bist jetzt grad der Siebente in dem Haus, der die Sprach' zu mir führt? Sagt's mir einmal, machen bei eng die Tirolerinnen gar so ein wundervolles Glück oder sagt's ös das jedem jungen Madl?

Knackerl. (zum Arzt). Jetzt werd' ich ganz Kavalier sein. (Zu Lisel.) Dalk, nur dir war es vergunnt, mich zu fösseln – und drum wirf dich in meine Arme und liebe mich.

Lisel. (lacht laut auf). Hörst, Doktor Faust, du machst deine Sachen gut, weil ich dir den Stecken 'geben hab, so lernst jetzt den an.

Arzt. Ich habe dem Herrn Marquis kein Wort gesagt; was er spricht, sind Eingebungen seines eigenen Herzens.

Knackerl. Ja, ich hab' meinem Herzen eingeben, weil's krank ist. Geh, Dirndl, mach's g'sund; wann'st d' mich gern hast, so führe ich dich hernach einmal in mein' Bastard ins Lerchenfeld. (Doktor zupft ihn.)

Knackerl. Ja, es ist wahr, ich bin Marquis –: also führ' ich dich einmal auf Wahring zum Heurigen.

Arzt. (zornig, indem er ihn wieder zupft). Was tun Sie denn? Das ist ja noch ärger!

Knackerl. Lassen Sie mich gehn, es ist alles eins, wo ich s' hinführ', sie ist ja eine Tirolerin! Was kennt denn sie.

Lisel. Nein, du, jetzt kommst du mir zu dick, jetzt muß ich mit dir grad herausreden. Glaubst denn du, die Lisel ist darum daher kommen, daß ihr jeder Wied'hopf g'fallen muß? Wannst auch ein Marquis bist, so muß dir doch der Spiegel sagen, daß du mit dem G'stell und der Paräcken keinem Madel, wie ich bin, g'fallen kannst. Du bist ja blind, du schaust ja alleweil durch ein Glas, was soll ich denn mit einem blinden Mann? Hernach bist ja ganz lahm, denn du gehst ja mit deinen Spazierhölzern wie ein Gemsenjager mit seinen Steigeisen und ein' Kropf hast ja auch, da schau her! (Sie reißt ihm die Masche los.) Nein, da bewahr' einen der Himmel! Da sollt'st du mein'n Michel sehen, der ist doch noch ein ganzes Mannsbild, und wenn man ihm eins 'nauf gibt, so bleibt er fest stehn wie ein Felsen im Sturmwind. (Sie schlagt ihm derb auf die Schulter, er zuckt vor Schmerz.)

Knackerl. (zum Doktor). Das ist eine verdammte G'schicht', die führt ein'n Hieb wie ein Scharfrichter. Jetzt schau'n S', das sagt s' alles wegen mein'm dummen Anzug; wenn ich jetzt noch ein Fiaker wär', ich wett', ich g'fallet ihr.

Lisel. Nein, du, ich bitt' dich, mußt mir nimmer winken, wennst sonst nichts anderes weißt, als mir von deiner Lieb' vorzufaseln. Und jetzt geh' ich wieder, ich bitt' eng, nehmt's eng z'samm' die paar Täg', als ich noch da bin, und halt's eng z'ruck mit euren verliebten Seufzern. Es ist nichts mit der Lisel, ich sag's euch, es ist nichts! Wann ihr aber durchaus ein Madel von den Alpen haben wollt's, so kommt's nach Tirol, ich mach' eng bekannt mit meinen Landsmänninnen, vielleicht, daß doch eine so närrisch ist und eng nimmt. Hernach müßt's aber drei Sachen lernen:

Auf die Scheiben schießen, daß es knallt,
Auf den Berg kraxeln, daß keiner fallt,
Und nicht huscherln, wenn's ist kalt,
Hernach werd's g'sund bleiben und hübsch alt.

(Ab.)

Arzt. Die geben der Herr Marquis auf!

Knackerl. Wissen S', weil ich halt gar zu nobel bin. Ich hätt's selbst nicht glaubt, daß ich so vornehm sein könnt'! Das dank' ich alles dem Tanzmeister. Der Mann hat mir in kurzer Zeit viel bei'bracht.

 

Fünfzehnte Szene.

Ein Bedienter. Vorige.

Bedienter. Euer Gnaden.

Knackerl (vergißt sich). Was ist's, fahren wir?

Arzt (verweisend). Aber, Herr Marquis!

Bedienter. Es ist eine Frau draußen, die vorgibt, sie müsse mit Euer Gnaden dringend sprechen.

Knackerl (zum Arzt). Nu, da komm' ich ja gar nicht heraus aus dem Audienzgeben. Aber ich bin jetzt schon in der Noblesse drin. Geben S' acht, wie ich mich jetzt betrag'. (Sehr affektiert zum Bedienten.) Ist sie etwas Gemeines, so werfe man sie hinaus, nur vornehme Menschenpersonen können mit mir reden.

Bedienter. Sie sagt, Euer Gnaden kennen sie sehr genau, sie wär' Ihre Jugendfreundin gewesen, die Kräutlerin vom Nikolaigassel.

Knackerl (sieht den Arzt an). Welch eine Verwegenheit! (Halblaut.) Ich bitt' Ihnen, soufflieren Sie mir ein paar französische Worte.

Arzt (leise). Quelle impertinence!

Knackerl. Kelch partilanz! Ich kenn' keine solche.

Arzt (leise). Creature.

Knackerl (hastig). Kreditor, ich kenne Sie nicht, man lasse den Sultel aus. (Besinnt sich.) Nein, der ist nicht da, der ist beim Fiaker! Also – man weise sie auf der Stelle ab!

Bedienter. Sogleich, Euer Gnaden! (Will ab.)

Knackerl. Doch halt! (Zum Arzt.) Jetzt werden Sie mich kennen lernen. (Zum Bedienten.) Man lasse sie doch herein, ich will selbst mit ihr reden.

Bedienter. Zu Befehl, Euer Gnaden!

 

Sechzehnte Szene.

Knackerl. Der Arzt.

Arzt. Nach und nach geht es charmant, nur vergessen Sie Ihren vorigen Stand mit allem, was dazu gehört!

Knackerl. Sehen Sie, jetzt war ich wieder nobler als mit der Tirolerin und so avanschier' ich in einemfort. Nur französische Brocken bitt' ich in meine deutsche Suppen, dann sollen Sie sehen, wie ich die Kräutlerin konfus machen werde. (Er guckt durch die Lorgnette.)

 

Siebzehnte Szene.

Pimpernelle. Vorige. (Der Bediente öffnet die Tür und geht gleich wieder ab.)

Pimpernelle (für sich). Der welche ist's denn? Aha, der! (Geht zu Knackerl.) Euer Gnaden oder Exzellenz, wie ich sagen muß, verzeihen, daß ich so frei bin, aber ich hab's ordentlich in den Füßen g'habt, herzugehen, um Euer Gnaden oder Exzellenz zu dem Glück zu gratulieren, was Sie g'macht haben, wie ich g'hört hab', wie's d' Leut' erzählen und wie ich jetzt selber sieh, untertänigst zu melden.

Knackerl (läßt sie ausreden und sieht sie vornehm mit dem Stecher an). Ich weiß nicht, woher ich die Ehr', doch nicht die Ehr', sondern das Malheur haben soll, Sie zu kennen.

Pimpernelle (für sich). Schaut's den G'schwufen an, jetzt kennt er mich nicht! (Laut.) Die Kräutlerin sollten Euer Gnaden vergessen haben, die ehrsame Pimpernelle Hauswurzen aus dem Nikolaigassel »bei die dreizehn sanftriechenden Nagelstöck'«, die im Fiakerhaus logieren tut, wo Sie aufgezogen worden sind, beim »Unbeschlagenen Schimmel«!

Knackerl. Welch eine Keckheit! Auf'zogen, sagt s', als wenn ich eine Stockuhr wär'; ich bin gar nicht auf'zogen worden. (Zum Arzt.) Fürst, reden Sie, kenn' ich das Weibsbild hier?

Arzt. Ich wüßte wirklich nicht! (Lacht.)

Knackerl. Also, was sind das für G'schichten! Wer drängt sich so herzu zu mir? Bin ich nicht ein geborner Marquis, hat man mich heut' nicht vom Fiaker g'holt? (Korrigiert sich.) Ich will sagen, in einem Fiaker g'holt, um spazieren zu fahren?

Pimpernelle. Ich weiß alles, Eure Exzellenz, wegen dem bin ich ja da. Sie scheuen sich vor meiner, daß ich Ihnen so oft in Kot, bis daher ang'spritzt, hab' herumfahren sehen, aber das tut ja nichts! Kein Mensch sagt Knackerl mehr, sondern Herr Marquis.

Knackerl (zum Arzt). Geschwind französisch!

Arzt. Elle sait tous mes secrets.

Knackerl (laut). Ja, elle sait tous mes secretair.

Pimpernelle (halblaut). Spanisch kann er auch schon, jetzt ist es natürlich, daß er das andere vergißt. (Laut.) Euer Gnaden, ich bin eigentlich hergekommen, daß Sie mir etwas schenken möchten, weil ich ein armes Weib bin; ich werd' S' hernach schon zu loben wissen bei den Leuten, weil ich auch vom Stand bin, und wer mich fragt, was der Knackerl Marquis macht, dem werd' ich schon eine schöne Antwort geben.

Knackerl. Knackerl Marquis? Noch was Französisches! (Zum Arzt.) G'schwind!

Arzt. C'est une grande impertinence!

Knackerl. Impertinasen! – Ich schenke nichts her, ich bin kein gemeiner Mensch, und was die Frau sich einbildet, das muß ich der Frau bloß sagen, daß dieses ein starkes G'stuck ist. (Sehr nobel, aber albern.) Jetzt aus meinen Augen! Ades!

Arzt (leise). Allez-vouz-en!

Knackerl (spielt mit der Lorgnette). Ja, ja, allez-vous-Fasan!

Arzt. Die Frau ist sehr zudringlich, der Herr Marquis wollen Sie nicht kennen, also gehe Sie und mach' Sie die Luft rein.

Pimpernelle. Er will mich nicht kennen? Das ist freilich was anderes! Wenn ich das gewußt hätte, so hätt' ich ihn damals auch nicht 'kennt, wie er noch klein war und im Fallbunderl mit meinen Marschanzkeräpfeln Krieg geführt und in meiner Zwetschkeneinsatz Frieden geschlossen hat. Euer Gnaden Herr Marquis oder wie man Ihnen heißt, mich schauen Sie an, sagen Sie's heraus, war ich nicht alleweil bei ihrer Mutter die beste Kameradin, können Sie's leugnen, daß Sie mir nicht einmal Nuß g'stibitzt haben und die schönsten Blutzerbirn' haben mitgehen lassen?

Knackerl (zum Arzt). Geschwind etwas französisch!

Arzt. C'est impossible!

Knackerl. Det ein Bachsiedel!

Pimpernelle. Aber ich will's vergessen, will's keinem Menschen erzählen, wenn Sie nur nicht so dick tun. Hörn' Sie auf, tun Sie die Augengläser weg, ich weiß ja, daß Sie nicht blind sein. Wie oft haben Sie bei der Spinnerin am Kreuz den Leuten g'sagt, wieviel's auf der Stephansuhr ist. Also foppen Sie sich nicht selber und schau'n Sie mich g'scheit an, vielleicht fallt Ihnen mein G'sicht wieder ein.

Knackerl (zum Arzt). Was ist zu machen? Sie erinnert mich an meine Jugend und rührt mich bis zu Tränen. Bei der ist's mit dem Marquis zu. Geben wir ihr acht Groschen auf einen Branntwein, sonst richt't s' mich aus.

Arzt. Was fällt Euer Gnaden ein? Ein Kavalier und eine solche Kleinigkeit! Ich werde ihr zwanzig Gulden schenken.

Knackerl (vergißt sich). Warum nicht gar, soviel Geld hab' ich nicht! Wenn S' zwanzig Gulden verschenken wollen, so geben Sie's mir!

Arzt. Besinnen Sie sich doch!

Pimpernelle. Nun, Euer Gnaden, kennen Sie mich oder kennen Sie mich nicht?

Knackerl. Ich werd' die Frau derweil kennen. Es bleibt aber unter uns! Hier (er nimmt dem Arzt das Geld aus der Hand). Hier ist eine Großigkeit (vergißt sich); sobald ich wieder ausfahr', führ' ich d' Frau umsonst nach Haus.

Arzt. Aber, Herr Marquis!

Pimpernelle (besieht das Geld voll Freuden). Zwanzig Gulden, Euer Exzellenz! Zwanzig Gulden, Euer Durchlaucht, was red' ich, um zwanzig Gulden heiß' ich Ihnen noch mehr. Ja, ja, Sie sind ein Marquis, ich hab's immer g'sagt. Wissen S', schon damals hab' ich g'sagt, Sie müssen nichts Gemeines sein, wie S' voriges Jahr im Fasching haben den Rausch g'habt und drei Tag nicht nüchtern worden sind. (Betrachtet ihn.) Und die feinen Züg' in dem G'sicht, grad wie Milch und Blut, die vornehme Nasen wie's »Scharfe Eck« und die feurigen Augen wie der »Lichte Steg« und die Füß' aus der Bognergasse. O mein Herr Marquis, die ganze Stadt soll's wissen, was Sie für ein guter Marquis sind! (Ab.)

 

Achtzehnte Szene.

Arzt. Knackerl.

Knackerl. Sehen Sie, was mein Anstand macht?

Arzt. Ich gratuliere Ihnen, Herr Marquis, Sie haben sich doch für den Anfang prächtig benommen.

Knackerl. Ich sag' Ihnen, es ist die Nobligkeit völlig an mich g'flogen. Haben Sie mein Gesicht betracht't, wie s von den Blutzerbirnen gered't hat? Grad' so, als wenn's mich nicht an'gangen hätt'.

Arzt. Ein Meisterstück von Mimik!

 

Neunzehnte Szene.

Bedienter. Euer Gnaden, im großen Saale ist schon aufgetragen. Die Tafel ist auch schon bereitet. Die Gäste sind da. Man wartet bloß auf Ihre hohe Gegenwart.

Knackerl. Die Tafel ist bereitet? Das ist g'scheit, in meinem Magen rumpelt's ohnehin schon vor Hunger. Gehen wir, Doktor, im Essen werd' ich Sie erst überraschen. Zwölf Knödel wie mein Kopf, ein Hefen mit Kraut und eine halbe Spennsau, hernach ein'n Sterz von einem Achtel Mehl und ein saures Fleisch, meinetwegen noch ein paar g'sulzte Ochsenfüß', das ist mir nur Kinderei! (Beide ab. Bedienter folgt.)

 

Zwanzigste Szene.

Prächtig erleuchteter Saal. Im Hintergrunde ein Orchester. Etwas weiter vorn die Tafel in einer schiefen Richtung. Nach und nach treten geputzte Personen beiderlei Geschlechts herein. Rechts von einer Seitentür die Marquise, hinter ihr Elise und Bediente. Der Marquis.

Die Marquise. Sie wissen, warum ich mir die Freiheit genommen habe, Sie einzuladen; ich hoffe, mein Sohn wird Ihre Nachsicht erhalten. Ihn zu überraschen und mit dem feineren Leben bekannt zu machen, veranstaltete ich dieses Souper. Ich empfehle Ihnen meinen Sohn.

 

Einundzwanzigste Szene.

Ein Bedienter voraus; dann der Arzt, welcher Knackerl hereinführt.

Arzt (leise). Reden Sie jetzt, Herr Marquis.

Knackerl (leise). Wenn ich aber stecken bleib', so sagen Sie mir ein! (Allgemeine Komplimente.)

Knackerl (küßt der Marquise die Hand.) Ihro Gnaden, gnädigste Mama.

Arzt (leise). Verehrte Gesellschaft!

Knackerl. Verehrte Gesellschaft!

Arzt (leise). Der Zufall entzog mich Ihnen lange Zeit, nichtsdestoweniger – (Hier wird aufgetragen.)

Knackerl (bemerkt es und schielt hin). Der Zufall entzog mich Ihnen lange Zeit, nichtsdestoweniger (stockt), nichtsdestoweniger –

Arzt (hastig). Freut es mich –

Knackerl (hört ihn nicht, platzt heraus). Ei, zu was denn eine Anrede! Gehn wir zum Essen!

Alle. Wir gratulieren.

(Knackerl hat indes Platz genommen.)

Die Marquise (in der äußersten Verlegenheit). Ludwig, fasse dich!

Knackerl. Ei was! Ich hab' alles wieder vergessen. Setzen wir uns nieder!

(Die Marquise winkt, alle setzen sich. Man speist; während diesem beginnt eine Tafelmusik. Knackerl trinkt die Suppe vom Teller, statt ordentlich zu essen. Die Marquise ermahnt ihn, sich anders zu benehmen.)

Der Marquis (steht auf, nimmt ein Glas und ruft). Es lebe der neue Marquis von Devain!

Alle. Vivat! Vivat!

Knackerl. Ich danke, danke schönstens. Vivat, ich soll leben! ( À tempo hört man auf der Straße eine Nachtmusik.)

 

Fiakerquartett von außen.

1.

Da sind mir beisammen und singen eins vor,
Und der uns recht gern hat, heb's Köpfel empor!
Wir jodeln und schreien, wir wissen nicht, wie,
Es lebe der Knackerl, der neue Marquis!

(Knackerl horcht hoch auf.)

2.

Wer Geld hat, hat alles, ist lustig und froh,
Hat Wein und hat Bratl und Haber und Stroh;
Wir aber sein arm und voll Hunger und Not
Und singen ein Liedel ums tägliche Brot.

(Knackerl will vor Freude aufstehen.)

Die Marquise. Was ist das?

3.

Schau abi vom Fenster, die Brüderln sind da,
Sei, Hiesel, nicht stolz, denn wir kennen dich ja!
Wir schreien dir Vivat in finsterer Nacht,
Bedenk' uns, o Knackerl, dein Glück ist gemacht.

Knackerl (kann sich nicht mehr halten, geht zum Fenster). Lenzl, Wastl, Fisolenpoldl, Lembraten, g'flickte Kutten, bist du's? Geht's aufa! Geht's aufa! Umei, mein Mariandl ist auch da, ich bitt' eng, geht's aufa!

(Die Marquise steht auf und reißt ihn am Rock zurück.)

Knackerl (leise). Ich weiß nicht, was das ist, lass' mich d' Mutter gehn!

Marquise. Ich glaub', die Kerls kommen herauf, verrammelt die Tür!

(Der Arzt und Marquis sind auf dem Sprunge.)

 

Zweiundzwanzigste Szene.

Vorige. Sämtliche Fiaker und Mariandl toben zur Tür herein. Knackerl ihnen entgegen. Alle Gäste springen auf.

Knackerl. Grüß eng z' tausendmal! Das g'freut mich, da setzt's eng her; eßt's, trinkt's! Musikanten, spielt's einen Aufhauerischen!

Marquise. Ludwig! Ludwig! Gott, ich sterbe! (Ab.)

Arzt. Herr Marquis!

Knackerl. Was Marquis, was Ludwig! Hiesel heiß' ich! Mariandl, Mariandl, geh her zu mir! So g'freut's mich. Jetzt will ich noch einmal tanzen! Kameraden! Heut' noch Fiaker und dann mein Lebtag Marquis. – Nehmt's eng ein jeder eini und haut's auf! Juhe! Juhe! (Die Fiaker gehen zu den Damen und fordern sie zum Tanz.)

 

Dreiundzwanzigste Szene.

Michel als Teppichhändler. Vorige.

Michel. Heda! Meine schönen Teppich kauft's mir ab! Könnt's mir nicht sagen, wo ich da meine Lisel find'?

Knackerl. Du wirst schon recht sein, eine Tirolerin ist im Haus. Da such' s' in dem Zimmer! Holla, jetzt wird aufg'haut, Tiroler, such' dein Godl, sie kann gleich mittanzen!

Michel. Wo aufg'haut wird, bin ich allemal dabei! (Geht an die Tür und ruft.) Lisel! Lisel! Lisel!

Lisel (von inwendig). Michel! Bist du da? O mein Michel! (Sie stürzt aus dem Zimmer heraus und fliegt auf ihn zu.)

 

Vierundzwanzigste Szene.

Lisel. Vorige. (Lisel und Michel umarmen sich heftig.)

Lisel. Hab' ich dich einmal, aber jetzt lass' ich dich g'wiß nicht mehr aus!

Michel. Hörst, was ich dich schon g'sucht hab', aber das will ich dir hernach erzählen. Stell' dir vor, kaum komm' ich da eini, so laden s' mich schon zum Tanz ein. Ich hab' schon 'glaubt, es ist hier deine Hochzeit.

(In diesem Augenblick wollen die Damen mit den Herren entwischen.)

Knackerl (bemerkt dies). Halt, Fiaker, laßt's eng die Madeln net davonlaufen. Mit wem wollt's denn sonst tanzen?

(Die Fiaker nehmen sich die Damen mit Gewalt, die sich sehr sträuben.)

Knackerl. Holla! Lustig da! Ein' G'strampften!

(Die Musik beginnt. Knackerl tanzt mit seiner Mariandel. Michel mit seiner Lisel. Die Fiaker mit den Damen. Die komischen Gruppen verstehen sich von selbst. Für den Regisseur, der die Proben leitet: wenn dieser Schluß gehörig in Szene gesetzt wird, so kann nie der komische Effekt mangeln. In Wien wird der Tanz immer wiederholt.)

Ende des zweiten Aufzuges.

 

Dritter Aufzug.

(Zimmer bei Knackerl als Marquis.)

Knackerl sitzt in einem Armsessel; rückwärts packen die Bedienten Kleider ein. Neben Knackerl stehen Elise und der Arzt.

Elise. Wie gesagt, das ist der Entschluß unserer Mutter. Hier ist deine Garderobe; in dieser Schatulle in Dukaten und Papiergeld dein Taschengeld; du reisest heute noch auf die Güter, nur dadurch kannst du dem Aufsehen und Gerede (mit einiger Verachtung), welches du durch deinen Fiakerball erregtest, entgehen.

Knackerl. Und was hat die Frau Mama von meiner Mariandl g'sagt?

Elise. Die ist für dich verloren. An die sollst du nicht denken. Also widerstrebe ihrem Willen nicht länger, sonst wagst du, ihre Ungnade noch mehr zu reizen.

Knackerl. Gut, so sag' ihr, sie soll mich lieber verstoßen, denn meine Lieb' lass' ich nicht, mein Madel muß ich haben, und wenn ich noch weniger wurd' als ein Fiaker. Das richt' ihr aus, Schwester, und (auch zum Doktor gewendet) jetzt geht's!

Elise. Du willst es; ich melde es ihr, doch wirst du es bereuen! (Ab.)

Knackerl. Ich bereu' nichts, als daß ich ein Marquis bin.

Arzt. Eh' ich von Ihnen gehe, noch ein Wort! Überlegen Sie wohl, was Sie tun, Ihr ganzes Lebensglück steht auf dem Spiele. Ihre Frau Mama ist eine Dame, welche sich durch Gemeinheiten nicht ferner beleidigen lassen will, jeder unüberlegte Schritt bereitet Ihnen Verderben und Schande.

Knackerl (indem er nach Fiakerweise sich hinter den Ohren kratzt). Blutige Tonnerbaum, ist das ein Malheur und Glück z'gleich. Mutter! Mutter! Da mein' ich aber nicht die Frau Marquis, sondern meine andere Mutter; wärst lieber mit dem G'heimnis g'storben, mir wär's lieber! (Besinnt sich.) Jetzt möcht' ich nur wissen, warum sie das entdeckt hat. Ich bin positivi schlechter dran, als ich war! Ich schick' mich nicht in den Stand, mich geniert alles wie ein enger Rock; ich kann die Speisen nicht essen, ich kann in den Kleidern nicht bleiben, ich kann auf den g'wixten Böden nicht gehn, ich kann mit den Leuten nicht reden, mir ist just so, als wenn ich in einem fremden Land wär', und das alles wegen einem einzigen dummen Brief. Doch halt, ich hab' ja auch einen bekommen! Sie, Doktor, wissen Sie nicht, wo der Brief ist, den ich in meinem alten G'wand hab' stecken lassen? Den möcht' ich jetzt haben, den lesen Sie mir vor; der ist auch von meiner andern Mutter, vielleicht schreibt sie mir da drein, was ich tun soll, damit mir mein Stand nicht gar so schwer ankommt.

Arzt. Es ist von Ihren alten Kleidern alles in das Haus ihres vorigen Herrn, des Fiakers, transportiert worden; der Brief wird sich sicher noch finden. Wenn Ihnen etwas daran liegt, so werde ich ihn holen. (Will ab.)

Knackerl. Ja, alles liegt mir dran, holen Sie ihn, lesen Sie ihn auch gleich und sagen Sie mir, was drinsteht, denn ich kann ohnehin kaum buchstabieren. (Arzt ab.)

 

Zweite Szene.

Knackerl (allein sich beratschlagend). Ja, weg von hier, recht ist's! Aber ohne Mariandl sollen sie mich nicht mit zwanzig Roß wegbringen. Schaut's, da haben sie mir schon allerhand g'richt't auf die Reis' und (erblickt eine Schatulle) sogar einen Spiegel wollen sie mir einpacken. (Er macht die Schatulle auf.) Nein, schaut's einmal, hab' mich g'irrt. Was sehen meine Augen? Das ist ja Geld, ei, das wird mein Reis'geld sein. Richtig, lauter Dukaten; auch Schein', ganze Buschen? (Lacht.) Schau', das ist das einzige, was mich noch g'freut. Meiner Seel', an das allein könnt' ich mich noch g'wöhnen. Mein Taschengeld, mein' ich, soll das sein? Ah, das muß man eher in die Taschen stecken. So hat's die Mama beschlossen und ein gutes Kind muß folgen! (Er packt das Geld ein.)

 

Dritte Szene.

Voriger. Bünkerl schleicht herein.

Bünkerl. Euer Gnaden, Herr Markiringer.

Knackerl (erschrickt und wirft den Schatulldeckel zu). Was ist's? Glaubst etwa, ich stiehl? Nein, das g'hört mein. (Sieht Bünkerl.) Ei, bist du's, Bünkerl? Nur näher! Du hast mich zwar erschreckt, aber es macht nichts, weilst nur du's bist.

Bünkerl. O Gott, ich komm' selber voller Schrecken. Ich bin in einer wahren Todesangst, Euer Gnaden, möchten Sie nicht bös sein! Die Mariandl –

Knackerl. Mein Mariandl? (Freudig.) Was ist's denn mit der?

Bünkerl. O Gott, sie soll über Hals und Kopf heiraten und laßt sie Ihnen durch mich um Gottes willen bitten, wann Sie ihr nicht helfen, wann Sie mit ihr nicht auf und davon gehen, so tut sie sich ein Leid an, sie stürzt sich ins Wasser.

Knackerl. Du, was red'st da? Auf und davon gehen? Bub, Bub, ja, du bist mein Schutzgeist, du hast mir da ein Wort g'sagt, was mich auf einmal aus meinem Dusche bringt. Bünkerl! (Er reißt ihn heftig am Arme.) Bünkerl! (Er zieht ihn mit in die andere Ecke des Theaters.) Bünkerl! Ja, auf und davon gehen, so ist's beschlossen, Bünkerl!

Bünkerl. Schön, Euer Gnaden!

Knackerl. Nichts, Euer Gnaden, ich will kein Euer Gnaden sein, ich will wieder du heißen. Lauf, was d' laufen kannst, und sag' meiner Mariandl, der Himmel hat mir einen Gedanken eingeben, auf die Art komm' ich allein aus dem hoffärtigen Haus. Geld hab' ich, ich fahr' ab. Du kannst auch mitfahren, wir gehen sodann durch; wir gehen nach der Türkei, dort haben s' noch keine Fiaker, ich werd' ein türkischer Lehnkutscher, so bin ich versorgt.

Bünkerl. Das ist g'scheit, so hat alle Not ein End'.

Knackerl. Steht unten ein Reis'wagen?

Bünkerl. Ja, mit vier Pferd', prächtige Apfelschimmel, aber stützig ist der eine.

Knackerl. Das macht nichts, da setzen wir uns alle drei ein.

Bünkerl. Nein, ich fahr' nicht mit.

Knackerl. Also bleibst zurück, ist auch recht. Der Mariandl sagst aber, wie sie geht und steht, soll sie sich vom Haus wegschleichen, soll sodann hieher kommen. Ich lass' den Reis'wagen rückwärts zum Gartentor fahren, dort sitzen wir ein und fliegen auf und davon.

Bünkerl. Ja, ja, ich werd's ausrichten.

Knackerl. Sag' ihr das aber stad, daß es niemand hört; sonst zernichten s' mir mein' Plan. Sag' ihr auch, daß ich Geld hab', viel Geld, schau' nur in den Sack hinein, das sind lauter Fuchs, und in den Sack, die Einlösungsschein, das sind Schimmeln!

Bünkerl. O mein Gott, o mein Gott, wann ich nur einen Einspannigen hätt'!

Knackerl. Du kriegst ein' Postzug, das sind vier Zettel, jedes zu fünf Gulden, wann du dein' Sach' gut machst.

Bünkerl. Der Teufel soll mir nicht zu g'scheit werden.

Knackerl. Kann die Mariandl ihr sämtlich G'wand retten und ihre ersparten sieben Zwetschken, so soll sie's tun. Wann man in die Welt geht, so kann man alles brauchen. Jetzt lauf, was du kannst, und sag' ihr das!

Bünkerl. Das werd' ich nicht vergessen und völlig galoppieren werd' ich zu ihr. O ich kenn' mich nicht vor Freuden, daß die Mariandl nicht unglücklich wird. (Er rennt ab.)

 

Vierte Szene.

Knackerl (allein). Jetzt wart' ich nicht lang. G'schwind hinunter zum Wagen! Dem Postillon mach' ich die Augen mit Scheindeln blind, der muß hinfahren, wohin ich will. Freilich werd' ich viel Geld brauchen, doch bleibt mir noch immer genug, und wann ich nur mein Mariandl hab', so bin ich reich. (Ab).

 

Fünfte Szene.

Michel. Lisel.

Michel. Das hast du alles ganz einfältig g'macht. Bist alleweil mit der Tür ins Haus g'fallen. Wann dir die Mannsbilder hier in Wien so kommen sein, so hätt'st du s' recht auszahlen, hätt'st sie recht papierln sollen; die Wort', die du ihnen g'sagt hast, die beuteln s' ab, wie der Hund d' Schläg'.

Lisel. Ja, lieber Michel, papierl du s'! Wann man ihnen ein' Hoffnung macht, so gehen s' einem gar nicht mehr vom Leib. Auf d' Letzt' wär' ich gar noch ins G'schrei kommen, du hätt'st was Unrechts von mir g'hört; ich kenn' dich, du bist ein eifersüchtiger Narr, kehr' um eine Hand, hätt'st mich sitzen lassen.

Michel. Eifersüchtig bin ich just nicht, aber laß dich hören, was haben sie dir denn alles angetragen, die Gausrauben?

Lisel. O mein, hörst, gar viel! Der junge Graf da, den s' einen gewesenen Marquis heißen oder was weiß ich, der ist gar des Teufels. Es hat ihm's die alte Gräfin schon g'sagt, er soll mir ein' Ruh' geben, ist doch kein Fried' mit ihm. Da hat er mir einen ganzen Beutel mit lauter Gold schenken wollen, wenn ich ihm ein Bussel gib.

Michel. Nu, so hätt'st ihm eins 'geben, davon wärst auch nicht g'storben.

Lisel. Hernach hat er g'sagt, er will mir ein anderes G'wand kaufen und ich dürft' nichts mehr arbeiten, wann ich ihn lieb hätt'.

Michel. Was hast denn da getan?

Lisel. Da hab' ich ihn ausg'macht und hab' g'sagt, ich kann nur dich lieben und ich brauch' kein anders G'wand, weil ich nur in diesem dir g'fall'.

Michel. Und was hat er auf die Red' wieder g'antwort't?

Lisel. Da hat er mich einen Dalken g'heißen und dich ein'n Knopf, hat mir die Hand 'druckt und hat g'sagt, in Tirol könnt' man gar nicht so lieben wie hier. Die Tiroler beweiseten ihre Zuneigung immer mit der Faust und so was sei garstig und abscheulich.

Michel. Für die Red' wirst ihn doch trumpft haben?

Lisel. Nein, darüber hab' ich nicht trumpfen können, denn du hast solche Zärtlichkeiten in dir. Weißt noch, auf'n Kirchtag –?

Michel. Kinderei, am Kirchtag hat das so sein müssen, da hab' ich deine Anhänglichkeit zu mir probiert.

Lisel. Das hab' ich ihm auch g'sagt, da hat er aber gar zum schimpfen über dich ang'fangt und hat g'sagt, für eine solche Handlung sollt' man dich totschlagen, und wann du nur kommst, er wird dir schon einen Herren zeigen.

Michel (mit aufdämmerndem Zorn). Nun, da hat er ja recht gut geredt von mir, nur weiter!

Lisel. Drauf hat er mich um die Mitten g'nommen, daß ich ihm gar nicht hab' ausreißen können, und hat g'sagt: »Lisel, du bist so ein schönes Madel und kannst dich so behandeln lassen; geh, komm doch zu dir und vergiß den Limmel!«

Michel. Limmel hat er g'sagt? Nun, das ist ja herrlich!

Lisel. Schau' den Schliffel nicht mehr an; bedenk', wannst heut den Flegel einen Grobian heißt, so verdrießt's den Socius.

Michel. Ah, es kommt immer schöner!

Lisel. Drauf hat er sich völlig die Augen 'trocknet, ich muß ihm gar so erbarmt haben, und hat mir in lautem Schmerz und Wehmut ein paar g'schmalzene Busseln aufi'poppt.

Michel (ganz perplex). Was? Was? Busseln hat er dir aufi'poppt?

Lisel. Ja, ja, ein drei – vieri.

Michel. Und du, du hast dich dabei ruhig g'halten?

Lisel. Ja freilich, denn er hat g'want; mir sind die Schläg' eing'fallen, die du mir auf'n Kirchtag geben hast, ich hab' auch g'want und so weiß ich gar nicht, was unter lauter Weinen mit mir g'schehen ist.

Michel. Potz Polzbüchsen und Windbüchsen, es war hohe Zeit, daß ich 'kommen bin.

Lisel. Drauf hat er mir ein Ringel an Finger g'steckt, hat g'sagt: »Madel, ich muß leider gehn, sonst verscherzet ich mir deine Freundschaft, aber wir reden schon noch weiter; es ist nicht aus, ich lass' dir einmal nichts mehr g'schehen,« hat mir – stell dir vor – gar die Hand 'küßt, hat zum seufzen ang'hebt und ist davong'rennt.

Michel (wischt sich den Schweiß ab). Da ist eine Hitz', da ist eine Hitz'! D' Hand hat er dir g'küßt und g'seufzt hat er? Und du? Und du?

Lisel. Ich hab' auch g'seufzt. Was hätt' ich in der G'schwindigkeit tun sollen? (Pause.) Drauf haben s' mich zum Essen g'holt und bald darauf bist du an'kommen.

Michel (greift sich am Kopfe an). Hab' ich schon was da oder nicht. – Nun, die Stadtleut', die Stadtleut'! Nein, wie der's fein an'bandelt hat! (Sieht ihren Finger an.) Was seh' ich? Du hast ja das Ringerl gar? (Zerrt an ihrem Finger.) Ob's du's heruntertust und gleich mit Füßen tritt'st, Lisel, Lisel – ich kenn' dich nimmermehr!

Lisel. Nun, so tu mir nur nicht so weh; ich kann's ja nicht so leicht herabziehen.

Michel (läßt ihre Hand fahren). Behalt's, behalt's! Bist schon verloren! Bist schon verloren! Hast schon mit'n Teufel den Kontrakt unterschrieben – ein Ring, ein Bussel, sogar ein'n Seufzer hat er dir lassen, geh mir aus den Augen und schau' mich dein Leben nimmer an!

Lisel. Aber du bist ja ein Narr, du bist ja völlig außer dir. Erst hast selber g'sagt, um ein'n Beutel mit Gold hätt' ich den gnädigen Herrn busserln können, jetzt hat er um ein Ringel, was vielleicht noch mehr wert ist, mich busserlt – jetzt ist's nicht recht.

Michel. Schau' mich einmal an, schau' mir ins G'sicht; hast du ihm nicht etwan auch was von der Lieb' g'sagt?

Lisel. Was hätt' denn ich zu sagen 'braucht, wann er ohnehin so viel von ihr weiß –

Michel. Nicht so! Ich mein', ob'st ihm nicht etwa g' sagt hast, daß du ihm auch gut bist? Daß du ihn auch lieben könnst? (Geht recht scharf an sie hin.) In die Augen schau' mir, nicht blinzeln tu und antwort' itzt!

Lisel. Warum nicht gar! Was dir einfallt!

Michel. Hast ihm vielleicht bloß d' Hand 'druckt? Ist auch so viel! So oder so – heißt auch: Ich lieb' dich! Ich weiß schon, wie man das macht in der Stadt –

Lisel. Gott bewahr', ich hab' seine Hand nicht in d' Hand 'kriegt –

Michel. Aber g'weint hast mit ihm und g'seufzt hast, darüber möcht' man ein alt's Weib werden vor Kummer! Merk' dir's! O Himmel, ich könnt' mir den Kopf abreißen, daß ich das Madel hab' nach Wien lassen!

Lisel. Lieber Michel, ich bitte dich, setz' dir nichts in Kopf – ich will auf der Stell' den Ring z'rucktragen – ich will, wann der junge Herr glaubt, er hat mich jetzt schon, will ich ihm gleich aus dem Traume helfen. Sag' nur, was ich tun soll; er will mich im Garten sehn, geh mit und versteck' dich, hör', was ich mit ihm red' – ich will dir gleich zeigen, daß ich nur an dir häng'!

Michel (sieht sie einen Augenblick an). Im Ernst, das wolltest du? Doch geh zu, du Falsche, du bist doch schon verblend't. G'weint hat er mit ihr, die Hand ihr 'küßt, das ist ihr noch nicht vor'kommen, drum ist's jetzt weg.

Lisel. Eifersüchtiger Narr, der die Lisel so leicht verkennt! Da hast du den Ring, trag du ihn zurück! Sag' ihm, was du willst, aber dann red' auch nicht mehr auf mich – sag' ihm auch, worauf ich ohnehin bald vergessen hätt', wann er durchaus wen davon führen will, weil er mich dir aus den Krallen hat reißen wollen, so soll er mit dir auf und davon fahren, aber die Lisel kriegt er nicht, das sag' ihm!

Michel. Was, das auch noch und das sagst du mir jetzt'n? Doch erkenn' ich dran, daß du's doch mit ihm nicht halt'st! (Reibt sich den Kopf.) Ein sakrischer Bub, der G'schwuf! Doch wart', jetzt will ich mich erst nicht übereilen; das Madel ist doch brav – sie ist doch wacker, sie sagt alles heraus, das ist doch schön! Zuvor hab' ich vom Papierln g'redt – wart', jetzt soll der Schnudi erst papierlt werden – sag' ihm jetzt, wann er kommt, du bist aufg'legt, dich entführen zu lassen (er denkt ein wenig nach), ja, ja, so wird er aufsitzen; er soll nur, wann's dämmert, ein' Wagen schicken, da wirst du dich hineinsetzen, da soll er dann nachschlupfen, aber statt dir sitz' ich ein und ertapp' ihn auf gut tirolerisch bei der Tat!

Lisel. Macht dich das glücklich, so schlag' ich mit Freuden ein –

Michel. Ja, nur das und das sagst ihm, daß ich heimlich zuhören kann, so bin ich ganz zufrieden.

Lisel. Da darf ich mich nur in den Garten schleichen, da wird er jetzt schon sein und auf mich warten – und du versteckst dich hinter einem Baum.

Michel. Kreuz – Madel! Wann das gelingt, will ich dir schwören, daß dir Unrecht g'schehen ist.

Lisel. Willst dann nimmer an mir zweifeln – nimmer unartig sein und nimmer grob –?

Michel. Nein, will sogar die Hand küssen und weinen mit dir, wann's sein muß –

Lisel. Nun, so hätt' der Auftritt doch was Gut's g'stift. Ein artlicher Mann ist uns Madeln ja immer lieber, und wann wir auch von den Alpen sein, so schmeichelt uns ein freundlichs Wort. Komm also, komm gleich, ich will dir beweisen, daß du mir wert bist, wannst gleichwohl ein' solchen Beweis nicht recht verdienst; denn das merk' dir: die Weiber gehn am liebsten auf Irrweg', wann man ihnen kein Zutrauen schenkt; eine, die ihre Ehr' liebt, die braucht kein'n Hüter.

Michel. Du magst recht hab'n, aber meine Mutter hat mir oft g'sagt:

Mein lieber Sohn, mein lieber Michl,
Ich bitt' dich, merk' dir gut das Sprüchl:
Versperr' dein Weib, dein Geld und Wein,
Die können leicht veruntreut sein:
Verwahr' fein alles, was dir lieb,
Denn nur die G'legenheit macht Dieb'.

(Beide ab.)

 

Sechste Szene.

Die Marquise. Der Marquis im Gespräche von der andern Seite.

Marquise. Gut, ich bewillige dir ebenfalls eine Reise, heute noch, zu jeder Stunde, wann du willst. Ich habe schon bei meinem Kassier dein Reisegeld und noch besondere Summen zu deiner jährlichen Apanage angewiesen. Handle im Geiste deiner Erziehung und mache meinem Hause keine Schande! (Gibt ihm die Hand zum Kusse. Er drückt sie mit Inbrunst an seine Lippen und verneigt sich. Die Marquise geht mit würdevoller Rührung ab.)

 

Siebente Szene.

Marquis (allein). Geh nur, wohl mir, daß ich jetzt freier Herr bin! Jetzt muß das Tirolermädchen in meine Schlingen.

 

Achte Szene.

Garten. Abend. Bünkerl. Mariandl.

Bünkerl. Gehen wir nur leise – ich hab' schon zweimal was rauschen g'hört; glücklich sind wir aus dem Haus gekommen und prächtig hat der Bünkerl das Bünkerl, worin ihre besten Kleider aufbewahrt sind, stibitzt. Die Allee geht zur hintern Gartentür – seid, Mariandl, doch getröst, es wird gut ausgehen.

Mariandl. In mein' Herzen hammert's und lärmt's wie in einer Mühl'. Wenn uns wer ersieht, werden wir alle eing'sperrt.

Bünkerl. Warum nicht gar! Wann nur der gnädige Herr schon da wär' – Horch, da kommt was. Er ist's schon! (Geht in die Kulissen.)

 

Neunte Szene.

Knackerl. Vorige.

Knackerl (halb mit Fiaker-, halb mit gräflicher Zärtlichkeit). Mariandl!

Mariandl. Knackerl!

Knackerl. Hab' ich dich wieder, du holde Seele! O, soll doch ehnder jetzt ein Roß mich zerschlagen, als ich je wieder von dir scheid'!

Mariandl. Mir ist so enterisch, ich bin nicht g'sotten und nicht 'braten; ach Hiesel, durchgehen sollt' ich halt doch nicht – schau', das ist doch einmal nicht recht!

Knackerl. Nicht recht, sagst du? O, Mariandl, du hast dumme Begriff'! So kurze Zeit ich jetzt vornehm bin, hab' ich doch schon g'lernt, daß alles recht ist, was einem Vorteil bringt. (Schwärmerisch.) Oder sollen diese Wangen verbleichen? Soll diese edle Gestalt die Abzehrung erhalten? Sollen diese runden Arme schwinden? Diese Feueraugen wie Schnee im Marzi verrinnen? Soll diese liebenswürdige Dudelhaftigkeit sich in eine magere Schlangelhaftigkeit verwandeln? Nein, Mariandl, du bleibst, wie du bist!

Mariandl. So gehen wir wenigstens gleich; wie ich ihnen zu Haus abgeh', ist hieher der erste Gang, wo s' mich suchen.

Knackerl. Den Augenblick wird der Wagen hier sein. Du, Bünkerl, schau' indessen, wir kommen gleich nach. Du aber, Mariandl, geh indes mit mir in jenen düstern Wald! (Schwärmerisch.)

»Bächlein aufwärts in den Buchenhain
Ging ein Mädchen in des Monden Silberschein.«

Weißt du noch das berühmte Lied?

Mariandl. Ja, da heißt's aber auch am Schluß:

»Müßt's mir nichts in Übel aufnehma, wenn wir taten eppa,
Wenn wir taten eppa nimmer z'sammen käma.«

Knackerl. Den Schluß lassen wir aus, doch komm, komm jetzt in den Buchenhain!

Mariandl. Ich weiß nicht, ich fürcht' mich völlig vor dir; zieh mich nicht so fort mit G'walt, sonst schrei' ich.

 

Duett.

Knackerl.

Madel, sag', willst mit mir gehen
Hier in'n dunklen Buchenwald?

Mariandl.

Laß mich aus, das kann nicht g'schehen,
Bitt' dich, bitt' dich, brauch' kein' G'walt!

Knackerl.

Schau', dort ist's so schön und still!

Mariandl.

Dort ist's warm und hier ist's kühl!

Knackerl.

Schau', was ich um dich muß leiden,
Siehst mein' Schmerz und meine Pein!

Mariandl.

. Hab' denn ich um dich viel Freuden,
Kann denn ich viel lustig sein?

Knackerl.

Jetzt wird's anders!

Mariandl.

Soll mich freu'n!

Knackerl.

Wirst mein Weiberl!

Mariandl.

Bin ich dein,
Weich' ich nimmermehr von dir,
Tanzst und singst du froh mit mir.

Knackerl.

O, so komm, so komm mit mir,
Tanz' und sing' ich froh mit dir!

(Sie eilen unter munterer Musik beide ab.)

 

Zehnte Szene.

Lisel. Der Marquis. Rückwärts Michel.

Marquis. Im Ernste, du folgst mir? O ich Glücklicher! Doch jetzt sage mir, hast du dich etwa schon mit dem Postillon hier im Hause verabredet? Ich hab' ihm Geld geschenkt und hab' ihn gebeten, rückwärts an das Gartentor zu fahren, und er antwortete mir, er sei schon von allem unterrichtet und werde mit dem Schlag acht Uhr da verweilen.

Lisel (für sich). Wahrscheinlich hat der Michel das g'macht. (Laut.) Ja, ja, so ist es, der Postillon weiß es schon. Ich bin also bereit; aber hörst, eins mußt mir erlauben, es ist jetzt kühl, ich hab' einen blauen Mantel von meinem Michel, den mußt mich holen lassen; in den schlag' ich mich ein, damit mich niemand erkennt, und so hupf' ich mit dir davon.

Michel (leise). Bravo, Lisel, so ist's recht!

Marquis. Ganz nach deinem Wunsch, ich bleibe indes bei der weißen Statue; tummle dich; ach Gott, ich kann's nicht erwarten, mit dir zu entfliehen, und dein Michel, der wird Augen machen!

Michel (leise). Oder ein anderer, wann ich mich nicht irr'.

Marquis. Nun schnell einen Kuß, einen warmen Liebeskuß!

Michel (steckt den Kopf zwischen beide).

Marquis (küßt ihn warm, doch erstaunt er über das rauhe Gesicht und wischt sich den Mund ab). Du hast recht, die Nachtluft ist dir nicht gut, du hast schon jetzt eine rauhe Haut. Hole den Mantel, du wirst mir sonst noch krank!

Lisel. Den Augenblick bin ich wieder da. (Sie springt fort; Michel ihr nach.)

Marquis. Sie liebt mich, sie liebt mich! Das herrliche Mädchen! Bald ist sie fest in meinen Armen. (Ab.)

 

Elfte Szene.

Mariandl. Knackerl. Bünkerl (hinten drein).

Bünkerl. Der Wagen ist da, g'schwind, g'schwind! Die Pferde wollen schon nicht mehr stehn, g'schwind auf und davon!

Knackerl. Lauf voraus, mach' den Schlag auf. (Bünkerl lauft ab.)

Knackerl (zu Mariandl). Pocht dir noch immer das Herz, du mein armes Hascherl?

Mariandl. O mir steht eine Üblichkeit zu! Wenn ich nur diesmal schon aus der Unruh' wär'!

Knackerl (indem er sie schnell abführt). Ich bin dein Schutzgeist, verlaß dich nur auf mich! (Schnell fort.)

 

Zwölfte Szene.

(Dem Knackerl und der Mariandl wie auf dem Fuße nach Michel mit seinem Tirolerhut, unter einem blauen Mantel; er hat sich auffallend klein gemacht und kriecht sozusagen über die Bühne. Der Marquis an seiner Seite, der ihn mühsam schleppt.)

Marquis. Die Liebe leiht uns Flügel, der Wagen ist schon da. Komm, Holde! (Beide so schnell als möglich ab.)

 

Dreizehnte Szene.

Lisel (hinterdrein, klatscht in die Hände). O ihr narrischen Stadtleut, wie ihr oft ang'schmiert werd's! Jetzt nimmt der meinen vierschrötigen Michel für mich! (Lacht.) Ha, ha, ha, ha! Nun, Michel, jetzt wirst doch z'frieden sein? Jetzt eil' ich aufs Schloß und erzähl' den Vorfall der Gräfin, damit sie in keine Fraß fallt, wenn ihr Sohn mit seiner neuen Lieb z'ruckkommt. (Ab.)

 

Vierzehnte Szene.

Tiefer, hellbeleuchteter Schloßsaal. Die Marquise. Der Arzt. Elise.

Marquise (mit dem Brief in der Hand). Haben Sie noch einen Augenblick Geduld, wär' ich doch bald zum Kinde geworden vor Freude! Sagen Sie mir es noch einmal, nein, es ist kein Traum, keine Täuschung; diesen Brief fanden Sie in den abgelegten Kleidern des Fiakers?

Arzt. Er ist das Geständnis eines namenlosen Betruges seiner eigenen Mutter. Sie log bloß eine Kinderverwechslung, um ihrem wirklichen Sohne eine bessere Existenz zu verschaffen.

Marquise. Gott! Und Ludwig ist doch mein Kind!

Arzt. So ist es!

Marquise. O mein Ludwig! Ist er schon fort? Man muß ihm augenblicklich nach. O meine Elise, mach' doch Anstalten, daß er schnell zurückkommt.

Elise. Sogleich will ich – (Meint abzugehen, da tritt

 

Fünfzehnte Szene.

Lisel herein. Vorige.

Lisel (die die letzten Worte gehört hat). Deinen Sohn willst von der Reis z'ruckhalten? Ist nicht nötig; denk' dir, Gräfin, er hat mich mitnehmen wollen, nun aber hat sich statt meiner der Michel zu ihm ein'packt und da wird der Michel ihn gleich zu dir herführen.

 

Sechzehnte Szene.

(Lärm vor der Tür.) Zillerl. Mehrere Fiaker.

Marquise (ganz erstaunt). Was ist das? So bin ich denn in einemfort verurteilt, mit diesen gemeinen Leuten in Kollision zu kommen! Bediente, helft mir doch! Wo seid ihr?

Kreutzkopf (von außen). Wir haben s' schon, da sind sie schon! Nur jetzt Lichter, Fackeln und Laternen her und eina mit ihnen! (Lärm und Tumult von außen.)

Lisel (hüpft und tanzt vor Freuden). Jetzt geht der Tanz an, jetzt wird's durcheinander gehen!

 

Siebzehnte Szene.

Mehrere Fiaker und Hausleute. Ein Kommissär. Wache. Leute mit Fackeln und Kutscher mit Laternen. Michel, vermummt, macht sich noch immer klein und unansehnlich. Knackerl mit Mariandl schleicht gebeugt und demütig herein. Bünkerl hinten drein.

Kommissär. Frau Gräfin, verzeihen Sie, daß Sie mit solchem Ungestüm beunruhigt werden, denn wir sind einer doppelten Entführung auf die Spur gekommen. Ihr wirklicher und ihr Ziehsohn haben jeder eine Geliebte auf unerlaubten Wegen rauben wollen; weil sie aber durch Zufall und Intrige ein und denselben Reisewagen wählten, so sind sie uns durch eigenen Streit und Zank noch zur rechten Zeit in die Hände gefallen.

Marquise. Was ist das wieder? Ach, Ludwig, bist du doch da? Stelle dir vor, du bist nicht mein verwechseltes Kind, du bist wirklich mein Sohn. Alles ist entdeckt! O, wer beschreibt meine Freude!

Marquis. Wie, ist es keine Täuschung?

Marquise. Gut, daß Sie da sind, Herr Kommissär! Was da vorgefallen ist, mag hernach ausgemittelt werden; so viel jedoch zuerst (auf Knackerl zeigend), daß dieser ein Betrüger ist, lesen Sie diesen in seiner eigenen Tasche gefundenen Brief.

Alle (erstaunt). Ein Betrüger?

Knackerl. Ich bin kein Marquis, nun, Gott sei Dank!

Marquise. Du bist aber Mitschuldiger an dem Verbrechen deiner Mutter und sollst der gerechten Strafe überliefert werden.

Knackerl. Nein, was s' mit mir alle Augenblick haben! Bald bin ich ein Marquis, bald bin ich keiner, auf d' Letzt' disputieren sie mir ab, daß ich ein Mannsbild bin.

Marquise. Du, Ludwig, wirst meine und deine Ehre rächen, ich bin gebrandmarkt durch diese Geschichte.

Marquis. Alles, gnädige Mama! O, welche Freude bemächtigt sich meiner! Ja, dieser Elende soll exemplarisch gestraft und verlacht werden. Sogleich will ich ans Werk, doch vorher, gnädige Mama, eine Gnade, ich habe in blinder Liebe Lischen entführen wollen! Gnade!

Marquise. Lischen? Du irrst, die steht ja hier.

Lisel. Grüß' dich Gott, sei nicht bös, es ist mir zu kalt g'wesen.

Marquis. Himmel! Wen hab' ich denn also entführt?

Michel. Mich, wannst nichts dawider hast! (Er wirft seinen Mantel weg.) Mein grüner Hut und deine brünstige Lieb' haben dich 'täuscht; ja, scham' dich nur, aber so hat man dir's machen müssen. Warum gehst ehrlichen Kerln ins Gäu?

(Der Marquis wird mit Nachdruck verlacht.)

Knackerl. Liebes Milchbrüderl, jetzt lachen s' ja dich aus.

Michel. Ich habe noch mehr zu sagen! Soviel ich in der Geschwindigkeit erfahren, bin ich ja zu der Bekanntschaft von den zwei verwechselten Brüdern gekommen, ich weiß nicht, wie. Nu, da kann ich, weil ich just von Tirol komm', eine gute Aufklärung geben. Und ist der angelegte Heuschreck da (auf Knackerl zeigend) etwa der Matthias Kornberger, mit dem sein' Mutter in Tirol auf dem Sterbebett' hat ein' Spitzbüberei treiben wollen, so muß ich eng sagen, daß er unschuldig ist. Er hat nichts von der G'schicht' g'wußt. Er ist mein Vetter, ich bin verwandt g'west mit seiner Mutter und sie hat, wie sie das falsche G'ständnis g'macht hat, nur eine Todskrankheit und ihr' Sterb'stund' erdicht't, um die Spitzbüberei und das abscheuliche, verlogene G'ständnis wahrscheinlicher zu machen. Wie die Brief' hieherg'schickt waren, ist ihr wieder besser worden und erst ein paar Monat' danach hat der Tod im Ernst an'klopft und da hat's G'wissen die Wahrheit g'red't. Ja, damit's seht's, daß ich eng nicht belüg', da hat mir 's Amtshaus die Aussagen zu eurer Beruhigung mit'geben.

Knackerl (umarmt ihn). Vetter, lieber Vetter! Tausend Dank! (Zum Kommissär.) Sie sehen, ich bin unschuldig. (Zur Marquise.) Euer Gnaden, ich kann jetzt nicht g'straft werden, o, so haben S' doch einmal Erbarmen mit mir! Als Marquis hab' ich ja ohnehin schon genug gelitten.

Marquise (welche die Papiere durchblickt und solche dem Kommissär übergibt). So sei denn alles vergessen und vergeben! Und weil es so gekommen ist (zu Knackerl), so sollst du nicht länger leiden; ja, ich will dich sogar recht glücklich machen und für dich sorgen. (Führt ihm Mariandl zu.) Da hast du deine Geliebte, ich steuere sie aus. (Zu Lorenz.) Ich hab' schon erfahren, wo den Herrn der Schuh drückt. Liebe ist es nicht. Kann die Sache mit Geld ausgeglichen werden, so bin ich dazu erbötig.

Lorenz. Mit Geld? Wenn ich ein Geld krieg', in Gottsnamen, da lass' ich s' fahren.

Marquise. Und damit nichts halb geschieht, so sei mein Haus eurer Freude für heute noch überlassen. Doch werden ich und mein Sohn uns zurückziehen. (Sie will mit dem Marquis abgehen.)

Knackerl (wirft sich vor ihr hin). Halt! Euer Gnaden, ich bitt' gar schön, ich muß ja erst noch 's Kleid küssen. Das ist zu viel, das ist zu viel. Ich bitt' Ihnen nur jetzt um Vergebung, daß ich Ihnen so viel Ungelegenheit g'macht hab', aber ich schwör' Ihnen, es soll nicht mehr g'schehen. Mariandl, bußl d' Hand und Ihr alle andern schreit's: Es lebe die gnädige Marquise!

Alle. Es lebe die gnädige Marquise!

(Die Marquise verneigt sich und nimmt die Reihe zum Abgehen an der Gruppe vorüber; ihr Sohn und der Kommissär folgen ihr; als der Marquis an der Tirolerin vorübergeht, droht er ihr mit dem Finger.)

Lisel. Sei nicht harb, es war nur ein G'spaß!

Michel. Ich dank' für's Bussel.

Knackerl. Morgen, Euer Gnaden, fahren wir wieder!

Marquis (indem er in die Tür schlüpft). Geht mir aus den Augen!

Knacker. Jetzt alle, he da, du Mariandl, du Vetter und du, Lisel, und jetzt – und jetzt lassen wir erst alles drunter und drüber gehen. (Scherzt fiakerisch.) Holla, was da! Halt's eng z'samm'! Der Himmel hat mein Schicksal wieder g'wend't. Ich bin zufrieden, wann mir das Glück jetzt nur nicht mehr untreu wird.

 

Schlußchor.

Das Glück ist wandelbar,
Es blüht nur kurze Zeit;
Der gestern glücklich war,
Ganz anders ist er heut'!
Drum laßt uns fröhlich sein,
Benutzt die schöne Zeit!
Der Lieb', der Lust, dem Wein,
Sei unser Herz geweiht!

(Fröhliche Gruppe.)

Ende.


 << zurück weiter >>