Berthold Auerbach
Landolin von Reutershöfen
Berthold Auerbach

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Vierundfunfzigstes Kapitel.

Wenn zwei Pferde, die zusammen eingesträngt sind, nicht mit einander ziehen, ist das bekanntlich schlimm. Niemand aber kann behaupten, es sei böser Wille dabei und der Sattelgaul könnte dem Handgaul vorwerfen, oder auch umgekehrt, er nehme keinen Verstand an, es sei eitel Freude an der Widerspenstigkeit, daß er sich nicht gleichzeitig ins Geschirr lege und so das Fuhrwerk vorwärts bringe. Anders ist es bei zwei Menschen, und nun gar bei solchen, die ehedem so gut mit einander eingefahren waren, wie Peter und Tobias. Dieser sah wohl die Herrschsucht und die Giftigkeit Peters, er begriff sie nicht, aber er fragte nicht nach dem Grunde, ja er sann nicht einmal lang darüber nach, denn jetzt ist keine Zeit zum Händel haben und zum Streit über den Vorrang. In sich hinein dachte Tobias: Wart' nur, bis die Ernte vorbei ist, dann wollen wir schon ausdreschen. Ebenso dachte Peter: Wart' nur, bis die Ernte vorbei ist, dann wird übers Maß gestrichen und ausgeschüttet. Lächelnd ließ Tobias den Peter in seiner Oberbefehlshaberei gewähren, ja er schaute kaum um, wenn Peter bei Knechten und Taglöhnern ihm seine Anordnungen durchkreuzte. Es ist Erntezeit, da ist ein Gewitter vom Himmel schlimm und ein Gewitter zwischen gemeinsam Arbeitenden noch schlimmer.

Tobias that vor den Dienstleuten, als ließe er den kleinen Jungen Peter gern auf dem Gaul sitzen und die Peitsche regieren, während das Fuhrwerk ja doch durch seine Maßnahmen von selber ging.

So war es und so blieb es während der ganzen Erntezeit. Peter und Tobias standen einander gegenüber wie Zwei, die mit erhobener Axt gegen einander ausholen.

Wann wird der Schlag fallen?

Landolin that, als ob er nicht sehe und nicht merke, was zwischen Oberknecht und Sohn vorging. Seit jenem Abend nach dem Schwurgericht hatte er noch kein vertrauliches Wort mit Tobias gesprochen, und dieser fand es nicht auffällig, man sagt ja auch nicht zum Wald hinter dem Hause: ist recht, daß Du da bist und weiter wachsest wie sich's gehört. Und so wenig der Berg mit dem Wald da fort kann, so wenig war's denkbar, daß Tobias nicht zum Hofe gehörte, und nun gar seitdem er so klug und stark zur Freisprechung des Meisters verholfen.

Oftmals sah aber Tobias doch auf den Meister, ob er denn gar kein Wort zu sagen habe gegen die Befehlshaberei Peters.

Wenn Landolin nicht anders konnte, sagte er kurz weg mit Hand und Augen zutraulich winkend: »Laß ihn machen. Ein Gaul, der beim ersten Anziehen so zappelig thut, der läßt bald nach.«

Peter ließ aber nicht nach.

Die Haupternte war vorüber, man wollte Alles, was man in unterbrechenden Regentagen ausgedroschen hatte, zu Markte bringen. Seit Jahren war es das unbestrittene Recht des Tobias, daß er den ersten Ausdrusch zu Markte führte; jetzt erklärte Peter, daß er Alles selber und allein übernehme.

»Ich hab' nicht nöthig, Dir eine Antwort zu geben,« entgegnete Tobias, »Du bist nicht der Meister; der Bauer und ich wollen Dir den Meister zeigen.«

Er rief Landolin herbei und trug den Klagepunkt vor. Landolin nahm von dem eben gefüllten Sack ein Korn heraus, zerbiß es, und das weiße Mehl betrachtend, nickte er ohne Antwort zu geben. Tobias aber drängte auf eine solche und fragte, ob er beim Bauer oder bei Peter im Dienst stehe. »Der Peter und ich, das ist jetzt eins«, brachte Landolin hervor und zerkaute das Korn, das erste, was seit dem Frühling gereift war.

Er fühlte, es ist doch klüger, sich mit dem Sohne zu verhalten, der Tobias kann ihm nichts mehr schaden, und man braucht nicht besser zu sein als die Welt. Undank ist einmal der Welt Lohn. Uebrigens wollte er nicht undankbar sein und sagte daher, nachdem er das Korn hinabgeschluckt hatte: »Sei gescheit, Tobias.«

»Was gescheit? Wer ist der Meister? Ihr oder der Peter?«

»Der Peter,« brachte Landolin hervor und wendete sich. Kann sein, daß dem Tobias unrecht geschieht, mag sein. Landolin ist sich selber der nächste, er hat genug zu tragen und will jetzt nicht auch noch für einen Andern leiden. Er ging, ohne umzuschauen, die Freitreppe hinan und stand oben auf dem Söller. Drunten aber triumphirte Peter:

»Hast Du's nun gehört? So hör' gleich weiter. Du kannst gehen, heut', morgen, in dieser Stunde, je bälder Du gehst, um so besser.«

Tobias schaute nach den Ställen, nach den Scheunen, nach dem Waldberge, ob denn die nicht wanken. »Also fortgeschickt? Aufgekündigt? Ich? Von Dir?«

»Ja ja, von dem Bürschle, das Du zum Spaß hast auf dem Sattelgaul sitzen lassen. Ich hab' schon Alles ausgerechnet, was Du noch zu bekommen hast.«

»Was ich zu bekommen hab'? Und wie hoch ist angesetzt, was ich für Euch eingelegt hab'? Für Dich, Du Freigesprochener da oben und für Dich Du –«

»Wenn Du Zeugengebühr haben willst, lege ich noch die vier Mark drauf,« höhnte Peter. »Wir fürchten Dich nicht. Geh' hin und sag', Du habest falsch Zeugniß abgelegt; wirst sehen, was dafür kriegst. Vater! redet nichts. Kein Wort. Der da hat's mit mir zu thun.«

»So? Geschieht mir recht. So muß es sein. Ja wohl! Die Steine von damals sind jetzt fest eingepflastert, aber Peter, merk' Dir, für Dich fliegen Steine in der Luft herum, bis man Dich einscharrt. Ein unschuldig Kind bin ich gegen Dich. Du wirst aber büßen –«

»Prophezei', so lang Du magst, Du bist ein Zeuge gewesen, wie Du ein Prophet bist; weißt wie?«

Tobias stöhnte auf wie ein getroffener Stier, er riß an sich herum, er wollte offenbar auf Peter los, dieser aber stand ruhig und zündete sich seine Pfeife frisch an. Tobias hielt sich die beiden geballten Fäuste auf die Brust, und ohne weiter ein Wort zu sagen, ging er nach seiner Kammer.


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