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Phyllis, Chloe.
Phyllis.
Chloe, wohin?
Chloe.
Zu der Stadt!
Phyllis.
In der Nacht?
Chloe.
Kaum dämmert der Abend!
Phyllis.
Aber du gehst in die Nacht.
Chloe.
Süß ist ja die nächtliche Kühlung,
Jetzt in der heißeren Zeit, wo die Luft durchflammt Hyperion.
Phyllis.
Doch dir bleibt einsam in dem Hause das Kind?
Chloe.
Eryboa
Pfleget es mir, vormals mir Pflegerin auch in der Kindheit.
Achtsam ist sie, und treu.
Phyllis.
Doch lieben den Schlaf die Bejahrten.
Stets unhold ist die Nacht und gefahrvoll schlummernden Kindlein,
Lamien wandeln umher, und es schleicht in die Häuser Empusa.
Chloe.
Hat dir ein Märchen erzählt die Thessalerin?
Phyllis.
Frage Komatho!
Kinderberaubt nun weint, die zuvor hohnlachte der Warnung.
Chloe.
Wahrlich es ängstiget mich was du sagst. Sprich, meinst du es ernsthaft?
Phyllis.
Ernsthaft sprech' ich vom Ernst, und erzähle die lautere Wahrheit.
Nachbarhäuser, du weißt es, bewohnt mein Mann, und Komatho's,
Selten verstreicht ein Tag, wo nicht in geselliger Zweisprach
Säßen die Männer, und fröhliches Spiels sich erfreuten die Kinder,
Bald in des Einen Gehöft, bald auch, wie es trifft in des Andern.
Jüngst heimsuchte mich auch in den Dämmrungsstunden Komatho,
Manches Gespräch anspinnend entflohener Zeit, von der Jungfraun
Heiterem Loos, und dem rauheren Sinn vieljähriges Ehmanns.
Vielerlei hatten wir uns zu gestehn, nach Frauengewohnheit,
Wenn das entfesselte Wort einmal zu dem Munde sich aufdrängt.
Doch, rings saßen die Kinder; gewohnt frühzeitiger Nachtruh,
Gähnten die Kleineren oft, neugiervoll lauschten die Größern.
Da, zu der ältesten Tochter, begann unweise Komatho:
Pholoe, führe zum Haus die Geschwisterchen: Klug und verständig
Bist du ja schon, du begingst sechsmal den bekränzten Geburtstag.
Bringe die Kleinen zur Ruh, heimkehrend lob ich die Tochter.
Sprach's, und küßte das Mädchen; vergebens warnt' ich die Thörin,
Denn unheimliches nahet sich oft unberathenen Kindern.
Aber sie lachte des Worts und erhob die verständige Tochter,
Welche, so jung, wirthschaftet' im Hals, gleich wackeren Hausfraun,
Emsig stets und besorgt um das Nützliche, nimmer geschäftlos.
Doch, als spät in der Nacht zu dem Haus rückkehrte Komatho,
Furchtbar ward sie geschreckt um den kinderverderblichen Leichtsinn!
Denn an dem Sessel, wo Schlummer umfing die gepriesene Tochter,
Stand Empusa's Schreckengestalt, – das entsetzliche Antlitz
Todtbleich, hager und welk, dem Gebild gleich grauser Harpyien.
Aber vom Munde herab quoll schäumendes Blut, das der Unhold
Kindern entsaugt und befleckte die Brust und den scheußlichen Körper.
Uebergebeugt zu der Wange des Kinds und den röthlichen Lippen
Lehnte der nächtliche Spuk, und berührt' es in gräßlichem Kusse,
Ihm aussaugend im Blut die erfreuliche Blüte des Lebens.
Laut aufschrie, und zu helfen dem Kind hineilte die Mutter,
Aber es glitt das Gespenst hinweg, und bewegte den Fuß nicht.
Fruchtlos küßte die Mutter des Kinds hinwelkende Lippen,
Rief es mit Namen, und wärmt an der Brust die erkaltete Wange;
Nimmer ja kehret das Blut mit dem Leben zurück in den Leichnam!
Chloe.
Gräßliches redest du traun! Ich entsage dem Gang, und zum Haus schnell
Eil' ich, zu schützen das Kind vor blutigen Küssen Empusa's.
Hart, fürwahr! ist der Mütter Geschick. Kaum regt sich das Kindlein,
Flugs droht Zaubergefahr, und es schlingen sich fesselnde Knoten.
Hat dann Kinder gewährt die Geburtobwalterin Hera,
Aengstiget Hekate noch mit dem blutaussaugenden Schreckniß
Lamia's! Eile mit mir, schon seh' ich den Spuk an dem Kindbett.
Phyllis.
Aengstliche! Erst so beherzt und verzagt jetzt! Beides zur Unzeit.
Kaum noch flimmert ein Stern, und ein leichtes Gewölk ist Selene.
Setze dich hier an den Quell; bald füll' ich die blinkenden Eimer;
Flugs dann kehren wir heim, und berathen die schlummernden Kindlein.
Chloe.
Lamia, schone das Kind! bald blutet dafür dir ein Böcklein.
Phyllis.
Thörige! Nimmer gewährt doch Lamia frommen Gebeten.
Wild Anschreyn, Scheltwort' und Beschimpfung bannet den Unhold.
Denn ungöttlich schweift sie umher voll gräßliches Wahnsinns.
Belus zeugte sie einst in verbotener Brunst mit der Mutter
Libya. Schön wie ein Göttergebild war Lamia's Jugend;
Göttin dünkte sie sich, und zu schön für sterbliche Männer.
Ihm, dem Kroniden gewährte sie nur, was sie allen versagte.
Aber es zürnte darob die olympische Königin Hera,
Fluchend jener, daß vor der Geburt hinstarben die Kinder,
Und nach grimmigen Wehn ihr starrt in den Armen ein Leichnam.
Laut nun weinte die Arme, und schlug die ernährenden Brüste
Wund, und den tragenden Leib, der Gezeugeten lebendes Grabmal.
Hin auch welkte der Gram die vergötterte Blüte der Schönheit,
Wuth durchglühte den Geist, und in wahnsinnvoller Verzweiflung
Stürzte sie wild in des Volkes Gewühl; ein empörendes Scheusal
Riß die Kinder hinweg; liebkosend in grauser Umarmung
Saugte sie wüthend im Kusse das Blut, bis, greuelempört, Zeus
Tief in des Hades Nacht die Entsetzliche warf mit dem Blitzstrahl.
Nächtlich steiget sie nun, ein kinderverderbliches Schreckbild,
Blutig empor und gleitet umher nach schlummrenden Kindern.
Chloe.
Sieh, selbst füllt ich die Eimer, o komm! unfern ist die Nacht uns.
Bald nun steigen sie auf, die Gespenster des schrecklichen Hades;
Dort schon glänzet der Bär, und es zeichnet mit silbernem Lichtstrahl
Wandelnde Schattengestalten von uns an den Boden Selene.
*
König Erich zog wol auf und ab,
Er traf an ein mächtiges Hünengrab.
»Wer wälzt mir vom Grabe den schweren Stein?
Drin ruft es, als litt' es viel grimmige Pein.«
O Herr, nicht gut ist's in Gräber schaun;
Drin wohnet Entsetzen und finsteres Graun;
Drin sitzen die Geister mit grimmigem Blick,
Und halten verborgene Schätze zurück.
»Die Geister zwinget mein Zauberschwert,
Den Eingang lassen sie unverwehrt.«
Da regt sich der Stein von der Männer Gewalt,
Und es öffnet sich langsam ein finsterer Spalt;
Und es öffnet sich weiter das finstere Thor,
Ein greuliches Schreckbild drängt sich hervor.
Bleich ist es zu schaun, wie der bleiche Tod,
Von triefendem Blut sind die Wangen roth.
Die Glieder sind zitterndes Todtengebein,
Und modernde Tücher hüllen sie ein.
Und der König entsetzet sich ob dem Gesicht,
Da hebt es die Händ' empor, und spricht:
O König, wende dein Aug nicht ab,
Ein Lebender bin ich, doch wohn ich im Grab;
Mein Nam' ist dir und den Helden bekannt,
Asvit ward ich einst mit Ruhme genannt.
Da staunt der König, es staunt das Heer:
Asvit, wie kamst du ins Grab hieher?
O, König, ich schloß den Freundschaftsbund
Auf Tod und Grab mit dem Held Asmund.
Wir trugen zusammen die Freud und das Leid,
Wir fochten zusammen den heißen Streit.
Und als Asmund zu sterben kam,
Seine Ross' und Hund' er mit sich nahm;
Seine Ross' und Hund' und das beste Kleid
Und ich folgt' ihm ins Grab nach meinem Eid.
Die erste Nacht, und den ersten Tag
Beweinend den Todten ich traurend lag,
Den zweiten Tag und die zweite Nacht
Ergriff mich brennend des Hungers Macht,
Am dritten wühlt ich in Roß und Hund,
Doch graute vor solcher Speise dem Mund.
Am vierten erlag ich der gräßlichen Qual,
Ich schwelgt' in dem blutigen Leichenmahl.
Das störte den Todten in finstrer Nacht,
Und der modernde Leichnam Asmunds erwacht.
Gewendet war seine Lieb' in Haß,
Seine Stimme war grimmig, sein Blick war graß.
Er stürzt' auf mich mit entsetzlicher Wuth,
Er saugt' aus Gliedern und Wangen das Blut;
Aus Lippen und Mund er den Athem mir saugt
Und Grabesluft in die Brust mir haucht.
Allnachts ward grauser das Todtengebein,
Und grimmger sein Blick und wilder das Schreyn.
Allnachts mit dem Todten der Lebende rang,
Und doch nimmer die morschen Gebeine bezwang.
Drum seht ihr mich bleich, wie den bleichen Tod,
Von triefendem Blut nur die Wangen roth.
Drum sind meine Glieder wie Todtenbein
Und modernde Lumpen hüllen sie ein.
Da sprach der König: du treuer Mann,
Deinem Schwur hast du wahrlich genug gethan!
Der Lebendge sich nicht zu dem Todten gesellt,
Dem Todten der Lebende nicht gefällt.
Nun sollst du des Königs Gefärthe seyn,
Und den Todten verschließe des Grabes Stein.
*
Am Weidenbusch, an dem schilfigen Teich
Ging Martha mit ihrem Kind:
»Ach, Mutter, was wird dein Gesicht so bleich?
Was eilst du so bang und geschwind?«
Sei ruhig mein Kind, der Wind bläßt kühl,
Komm, hüll' in den Mantel dich warm.
Da krächzt es dumpf: Gib mir zum Spiel
Das Knäblein auf deinem Arm!
»Ach Mutter, hörst du die Eule schreyn,
Wie sie krächzt: Komm mit! komm mit!«
Sei ruhig mein Kind, bald sind wir heim.
Wir eilen mit schnellem Schritt.
Gib deinen Sohn mir, und willst du nicht,
So nehm ich ihn mit Gewalt.
Still zeichnet die Mutter des Kindes Gesicht
Mit des heiligen Kreuzes Gestalt.
Soll ich dem Kind nicht haben, so schau,
Wie Alp sein eignes dir bringt,
und schnell aus dem Busche wälzt sichs grau
Und auf den Nacken ihr springt.
Und sie ängstet sich ab und stöhnt, und keucht,
Gebeugt von der gräßlichen Last;
Und sie trägt bis sie mühsam den Hof erreicht,
Da sinket sie hin und erblaßt.
*
Alexis, Daphne.
Alexis.
Daphne, sprich, warum so falsch und treulos!
Sollt' ich dein nicht warten heut im Buchhain,
Wenn zum Mittagsschlaf einnickt die Mutter?
Mittag war, die Mutter nickt' im Lehnstuhl,
Aber einsam blieb ich in dem Buchhain
Bis die Sonne sank und ich voll Unmuth
Trüb' und misgelaunt zum Hause kehrte.
Daphne, sprich, warum so falsch und treulos?
Daphne.
Zürne nicht auf mich. Leicht schlief die Mutter,
Oft im Schlaf auffahrend. Durft ich's wagen
Aus dem Haus zu schleichen, wenn sie wachte?
Alexis.
Unwahr spricht dem Mund. Der Wangen Purpur
Zeugt der Lippen Falschheit: Fürcht' o Mädchen
Eros' Zorn; er straft der Liebe Täuschung
Wie Apollon einst die List des Raben,
Der zuvor schön war, wie Kypris' Tauben.
Daphne.
O geschwind, erzähle mir das Märchen!
Alexis.
Wie viel Küsse bringt es mir von Daphne?
Daphne.
Ist es hübsch, vielleicht wol einen halben.
Alexis.
Gut, so geb' ich selbst die zweite Hälfte,
Daß ein ganzer wird, du geiz'ges Mädchen.
Höre nun, und nimm es dir zur Warnung,
Wie es einst dem Raben ging Apollon's:
Weiß, wie Daphnes Arme war der Rabe,
Phöbus Liebling; aus dem Purpurschnabel
Hallte wollautvoll Gesang und Rede
Wie von Daphne's süßen Honiglippen
Schmeichelwort ertönt und Liebeszauber.
Flügel schwang er, weich und zart und rosig,
Eros hatte selbst sie überhauchet
Mit dem Rosenduft von Mädchenwangen.
Einst berief ihn Phöbus. Schnell, o Korax,
Sprach der Gott, entschwinge dem Olymp dich,
Und vom klaren Quell der Hippokrene
Schöpfe Wasser mir in goldner Schale.
Schnelles Flugs schwang Korax nun den Fittich.
Fand am Helikon den klaren Quellborn,
Kühl von Feigenbäumen rings umschattet.
Schön wie Mädchen, war er auch so naschhaft,
Eh' er Wasser schöpft, prüft er die Feigen,
Doch er fand die grünen herb' und unreif.
Zeit bringt Rosen, dacht er, bringt auch Feigen,
Und begann im dunklen Laub zu tändeln,
Buhlte mit den Blättern, mit den Wellen,
Und mit Vögeln, die vom Glanz der Schönheit
Angelockt süß mit dem Raben kos'ten.
So verweilt er an des Gottes Quellborn,
Bis die Frucht dem leckren Gaum behagte.
Vierzig Tage waren so verstrichen,
Da gedacht' er des versäumten Auftrags.
Schön wie Mädchen, war er auch so listig.
Schnell erfaßt' er einer mächtgen Schlange
Bunt geschuppten Leib und trug ihn rauschend
In behendem Flug zu Phöbus Goldthron.
Diese, sprach der Schlaue, lag am Brunnquell,
Und, mit unersättlich durstgem Munde,
Sog sie täglich aus die klare Feuchtung.
Heut erst schöpft' ich, als ich sie bezwungen.
Lügner! – sprach mit zorngem Blick Apollon,
Meinst du mich mit schnödem Trug zu täuschen?
Fleuch hinweg, ein schwarz verhaßt Geflügel,
Und verstummt sei dir die süße Stimme.
Todesruf und Nebel sollst du krächzen,
Jünglingen geflohn, und zarten Jungfraun.
Und wenn von des Sirius Entzündung
Jedes Leben durstig blickt nach Labung
Sei verschlossen dir die Näscherkehle,
Daß des Tranks beraubt die Zunge starre!
Also straft' Apollen seinen Liebling.
Ist nun Kypris nicht gerecht wie Phöbus?
Wird sie nicht des Mädchens Wange bleichen,
Ihr der Liebe süßen Laut verstimmen,
Wenn sie Täuschung sinnt im Dienst der Göttin?
Jetzt erst meinen Kuß und dann bekenne:
Warum blieb ich einsam heut im Buchhain?
Welcher Buhle hat dich süß umflattert,
Mir die Stunde raubend und das Mädchen?
Daphne.
Erst bekenn' ich, dann den Kuß zur Sühnung.
Wohl umschwebte mich ein süßer Buhle,
Schön und schöner noch, wie du, Alexis,
Schmeichelnder zum wenigsten und sanfter.
Ach, unwiderstehlich war sein Schmeicheln!
Draußen war's so schwül, und süß umduftet
In der Geißblattlaube schwoll die Moosbank,
Lange sträubt' ich mich, und wollt' ihn scheuchen.
Endlich – ach Alexis, sieh nicht finster –
Endlich in des süßen Wahns Berauschung,
Abgespannt von Blütenduft und Schwüle,
Ach – erlag ich seinem Drang und Schmeicheln,
Und ich sank in seine Liebesarme,
In den Arm des mohnbekränzten Schlummers.
*
Alwida.
Wohin, Hildur, wohin?
Nacht ist draußen!
Horch, in der Haide,
Mit hungrigen Wölfen,
Heulet der Sturm.
Er peitscht zerrißnes Gewölk
Und Hagel prasselt.
Hildur.
Folge mir nicht, Schwester!
Im Grauen der Nacht
Ist Hildur's Lauf
Zu blassen Gebilden der Luft.
Sturm ist ihr Ruf,
Blitz ihr Auge;
Es rasseln die Schilde
Wie Hagelschlag,
In den Wolken, bluthigroth,
Schimmern die Funken
Des Schwertergemengs
In der Mitternacht.
Alwida.
Zurück, Hildur, zurück!
Walkyren reiten
Auf Zauberrossen.
Ihr Huf ist auf Spitzen der Wälder,
Ihr Schnauben in Hagelgewölk.
Geistergebilde wirbeln
Um den flammenden Speer,
Sie schwingt ihn empor und zischend
Fallen Sterne herab.
Hildur.
Bleib' so Schwester
Im Vaterhaus.
Mit Walkyren zu Nacht
Feiert Hildur
Das Todtenfest.
Ich winke den Schatten,
Den wolkigen Bildern,
Ich rufe den Geistern
In Gräbern der Haide,
Sie hören den Ruf.
Alwida.
Hildur, Schwester, o komm,
Folg' Alwiden zum Vaterhaus!
Schwer von Geistern sinken die Wolken,
Dein Arm theilt die Gebilde der Luft,
Tödtlich schallt das Geschrei der Geister,
Hildur komm in das sichere Haus!
Hildur.
Was soll ich im Haus des Vaters?
Schlug nicht Hogne den Gatten?
Traf nicht Hedin's Lanze
Blutig des Vaters Brust?
Hedin, Gatte, du bist gefallen,
Hogne, Vater, du sankst in dem Streit!
Zurück, Alwida, schlinge
Den Arm um die Schwester nicht!
Was soll ich im Haus?
Kehre zurück Schwester,
Dein harret der Bräutgam
Im Königsschmuck,
Dein harren Gesänge
Gürtel und Spangen,
Bräutliche Decken
Und jegliche Wonne
Der jungen Braut!
Hildur's Lust ist im Grauen der Nacht,
Hildur's Schmuck ist der Thau des Grabes,
Hildur's Decke der Nebel der Haide,
Sturmwind heult mir den Brautgesang.
Zurück Alwida, fasse mir nicht
Das Gewand in dem Sturme der Nacht!
Hildur's Zauber beginnt,
Er schreckt die Götter,
Er fesselt Geister,
Er stürzet Wahnsinn
In Menschenbrust.
Empor, Empor!
Hedin, Hedin, empor!
Mit des Herzens Brunst,
Mit der Liebe Gewalt
Bannet dich Hildur's
Nächtlicher Ruf.
Hedin, Schöner, Gram des Mädchens,
Hedin, Lieblicher, Wonne der Braut!
Mit der Sehnsucht Zaubergewalt,
Mit der Treue Todesschwur
Weckt dich Hildur's liebender Ruf.
Hedin, Mächtiger, Lust der Gattin,
Hedin, Schwert in der Wittwe Brust.
Entsteige dem Grab, du Stern der Erde,
Liebliches Wolkenbild, steige herauf,
Schön wie du kamst aus dem Lande der Fremde,
Hildur's Liebe zog dich herbei.
Alwida.
Schwester, Schwester, laß ab!
Taub und fühllos schlummern die Todten,
Lieb' und Klagruf wecket sie nicht!
Nachtthau kühle der Erschlagenen Wunden,
Sturmwind pfeift in den Binsen der Haide
Ueber den Gräbern das Schlummerlied.
Hildur.
Schweig, Alwida!
Ich banne die Todten
Mit Zaubersang.
Ich weiß die Lieder
Des Zaubervaters.
Ich sing' und es wendet
In der Luft sich der Pfeil,
Ich breche die Ketten,
Die eisernen Banden,
Ich stürze die Felsen
Mit Zaubergesang.
Ich fass' in den Wolken
Das Roß der Walkyre
Und reiß' es zur Erde
Mit Zauberliedern.
Ich ängst' den Mond
Und schüttle vom Himmel
Die Sterne wie Schloßen
Mit Zauberspruch,
Und sollte nicht brechen
Die Pforten Hela's
Und sollte nicht zwingen
Die Geister der Gruft?
Herauf, Herauf!
Hedin, folge dem Liebesruf!
Furchtbar schallet
Der Bann der Todten
Graunvoll Hildur's Zaubergesang!
Wolan, wolan!
Steig' aus Gräbern
Kühlender Thau,
Verweh' in Nebel.
Ich bann' Erquickung
Hinweg von den Todten;
Ich dorre den Grund
Zu beissender Asche;
Ich schleudre den Blitz,
Den sengenden Strahl,
Mit grimmigem Schmerz
Hinab in das Grab,
Und brenne die Wunden
Der schlafenden Leichen.
Heule, Sturmwind!
Ich banne die Ruh
Von den Gräbern hinweg:
Heul' aus dem Schlaf die Todten
In den Gräbern der Haide.
Hedin, Hedin, herauf!
Folge dem Ruf der Betrübnis,
Dich ruft die Gattin,
Zeig ihr noch einmal
Dein süßes Bild!
Soll ich dich zwingen
Mit größrem Zauber?
Soll ich dich bannen
Mit schlimmres Bannes
Wilderer Qual?
Wolan, wolan!
Ich singe die Lieder
Des Zaubervaters,
Die mächtig hallten
In Wola's Grab.
An Hela's Thor
Heulet der Wolf,
Den die Riesenmutter
In Höhlen gebrütet
In der Nacht der Nächte.
Ich breche die Ketten
Dem heulenden Unthier,
Dem Sonnentödter,
Daß Hela zittert
In finstrer Burg.
Nag' an Todten
Du Höllenwolf,
Hauch' in Gräber,
Du Höllendrache,
Den giftgen Hauch,
zur Pein der Todten.
Zittern die Gräber?
Regt sich der Todte
Mit dem luftigen Schild
Und der mächtigen Lanze
Von Feuergewölk?
Hedin, Hedin, du weilest?
Ich muß dich sehn,
Ich lasse nicht ab.
Den Busen Hildur's
Verzehrt die Sehnsucht,
Mir glüht ein Feuer
Durch Herz und Adern;
Und jedes Zaubers
Wilde Gewalt
Quält mich, die Rufende,
Sprach ich vergebens
Den starken Bann.
Wolan, wolan!
Ich singe die Lieder,
Die wilden Lieder,
Die meine Mutter
Mich einst gelehrt.
So mächtgen Zauber
kennt Odin nicht.
Herbei, Walkyre, herbei!
Wirke Gewebe
Des Schattenkampfs
Web' in blutigen Nordschein
Giftge Nebel der Haide!
Sturmwind, reiße das Weberschiff
Hinauf, hinab;
Schüttle das Gewirk,
Es beginnt auf der Haide die Schlacht.
Horch, bang ächzt der Mond,
Dreifach windet sich
Die alte Schlang um ihn,
Und Blut füllt sein Horn.
Hinauf, Walkyre, hinauf!
Schütte den blutigen Todestrank
Auf die Haide der Schlacht.
Ringsum lauren die Schlingen des Tods,
Gewebt ist das Garn der Zwietracht.
Herab, herab,
Von dem Lauf im Gewölk!
Nieder Walkyren
Zum Land der Gräber.
Ich banne den Todten
Die Zwietracht zu.
Stampft mit den Hufen
Der Rosse die Gräber;
Pocht mir den Schäften
Der grimmigen Speere
Die Todten herauf.
Werft das Gewebe,
Das Garn der Zwietracht,
Auf Gräber der Haide
Zum Todtenkampf.
Hab ich geweckt
Mit dem Zauberlied.
Die Bewohner der Gruft?
Sie steigen empor.
Auf luftigen Rossen,
Ihr Haar so finster
Wie Donnergewölk,
Ihr Schild wie der Mond;
Nordscheinflammen die Schwerter.
Hedin, Hedin, herbei!
Hildur öffnet die Arme;
Aber du kämpfest
Den Schattenkampf.
Gieriger, wüthender
Schwingst du im Streit
Den Helmspalter empor.
Nach dem Feind allein
Streckst du die Arme,
Nicht gegen Hildur.
Rief ich darum
Den Schatten empor?
Sang ich darum
Den wildesten Zauber,
Den Odin scheuet,
Der Göttervater?
Hedin's Geist.
Geh zu den Riesen,
Du Zauberschwester,
Nicht Hedin's Weib.
Du hast mich gebannt
Mit mächtgem Zauber
Der Riesenmutter.
Allnächtlich nun,
– Fluch deiner Kunst! –
Muß ich erwachen
Aus Grabesschlummer.
Allnächtlich muß ich,
– Fluch deinem Zauber! –
Mit Hogne fechten,
Bis Götterdämmrung
Den Zauber bricht.
Hildur.
Und mußt du fechten
Allnächtgen Kampf,
So wohnet Hildur
Auf deinem Grab,
Und sieht dich steigen,
und sieht dich kämpfen,
Du Wonne Hildurs.
Hinweg, Alwida!
Verlaß die Schwester.
Hier auf der Haide
Wird Hildur wohnen
Bei Hedin's Grab.
* * *