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Die schwarze Kammer.

Anekdote.

Unser Journalistikum bestand nur aus drei Personen. Aktuarius Wermuth gab die gelehrten Blätter, Stadtphysikus Bärmann die eleganten, und ich, was weder gelehrt noch elegant, oder beides zusammen war. Gleichwol hatten wir unsre Convente und Schmäuse so gut als andre Journalgesellschaften, ja, wir übertrafen alle andre darin, denn wir hatten täglich Convent und Schmaus sobald der Aktuarius seine Delinquenten und der Stadtphysikus seine Patienten abgefertigt hatte. Diese beiden kamen dann zu mir, und bei einer Pfeife Tabak und einem Krug Bier lasen wir uns das neueste aus der Literatur vor und machten unsre Bemerkungen darüber.

Der Aktuarius ließ heute länger als gewöhnlich auf sich warten. Wir schmälten ein Viertelstündchen und beschlossen dann, ohne ihn, unsre literarischen Lektionen anzufangen. Der allgemeine Anzeiger lag schon als das neueste auf dem Tische und von der Post kam eben das graue Couvert mit dem Freimüthigen an. Wir hatten also keine Zeit zu verlieren. Ich ergriff den Anzeiger, der in mein Liefer- und Lese-Departement gehörte, und las.

Das erste Blatt enthielt gerade die Vorhaltung an den Freimüthigen, wegen der grauen Stube. Ich las mit heimlicher Freude, denn ich hatte schon früher mit dem Stadtphysikus über die graue Stube disputirt, und hoffte mit diesem Alliirten in der Hand, ihn und seinen Gespensterglauben auf das Haupt zu schlagen.

Mich hat es lange gewundert von dem Freimüthigen – sagt' ich – der doch sonst auf Realitäten hält, und obendrein in Berlin die Aufklärung aus der ersten Hand haben kann, daß er solche Dinge aufnimmt, und sein Blatt gleichsam zu einer Obskurantenpropaganda macht. Nun bin ich neugierig, wie er sich rechtfertigen wird.

Wie? – fuhr der Stadtphysikus auf – mit Schweigen, wie's so ein Gegner verdient! – Dabei warf er sich in die Lehne des Stuhls, und zog so kräftig, daß Pfeife und Mund wie zwei vulkanische Krater dampften.

Aber ich bitte dich – fuhr ich fort – wer soll denn solche Dinge glauben, von wandelnden Todtengerippen und der geistigen Gertrud, die sich anfühlen läßt und Lichter anzündet, wie das allerkörperlichste Kammermädchen.

Aber ich bitte dich – erwiderte er etwas erhitzt – wer soll denn glauben, daß ihr Aufgeklärten allein alle Weisheit besitzet, und der Natur auf die Hände sehn könnet, was sie damit zu wirken vermag , oder nicht? Ihr schwatzt und schwatzt, und je weniger ihr von einer Sache versteht, desto lauter sprecht ihr darüber ab.

Er stopfte dabei so nachdrücklich den Finger in seine Pfeife, daß der Kopf abbrach, und die glimmende Asche auf den Stuhl fiel.

Excüse! – fuhr er fort, und stäubte den Stuhl ab – nimm's nicht übel, sie nehmen doch immer schlechtem Ton zu den Pfeifen. Ja, was ich also sagen wollte, Herzensbruder, du hast als Schulcollaborator nicht die Gelegenheit, dich mit der Natur und ihren Kräften so bekannt zu machen, als wir Aerzte. Glaub mir's nur, wir wissen so blutwenig von dem, was die Natur kann und nicht kann, und wie sie etwas bewirkt, daß – daß –

Daß es nicht zu begreifen ist, wie ihr einen Schnupfen kurirt – fiel ich ein.

Warum glaubt ihr denn, daß wir's können? – nahm er schnell das Wort – Warum schickt ihr denn meilenweit nach uns, und consulirt uns und thut Verständniß und Beutel, gegen uns auf? Das habt ihr's! Ihr glaubt, was ihr eben wünscht, und wobei ihr euch am wenigsten zu inkommodiren braucht. So macht ihr's im Moralischen, im Politischen und überall. Habt ihr nicht schon Leute arretirt, weil sie sagten, der Feind habe eine Schlacht gewonnen? Er kam aber darum doch zu euch ins Land, und so kommen auch Geister zu euch ins Haus, und wenn ihr die Obskuranten, wie ihr sie nennt, alle zum Kukuk jagtet.

Fast sollt' ich glauben – sagt' ich kopfschüttelnd – du habest selbst einmal Geister gesehn.

Nun – antwortete er – ich will mich eben nicht für einen Geisterseher ausgeben, aber so etwas ähnliches, wie dem Blendheim in der grauen Stube, ist mir auch passirt, und, wunderlich genug, meine Schlafstelle hieß die schwarze Kammer.

Jetzt half es nicht, der Stadtphysikus mußte von der schwarzen Kammer erzählen. Nach kurzem Weigern stopfte er sich eine frische Pfeife, verbat sich alles Lachen, und fing an:

Ich hatte meine Universitätsstudien beschlossen, und famulirte, um mir Bekanntschaft zu machen, einige Jahre bei dem Doktor Wendeborn, der damals die stärkste Praxis hatte. Weil ich für einen guten Reiter galt, so überließ er mir hauptsächlich seine auswärtigen Kranken und machte es sich auf seine alten Tage bequem. So schickte er mich unter andern einmal auf ein benachbartes Rittergut zu dem Oberstlieutenant von Silberstein, dessen Tochter an einem heftigen Nervenfieber lag. Viel zu helfen war nicht mehr, indessen verordnete ich Medicin und Diät, wie die Umstände es mit sich brachten, und wollte mich wieder auf den Weg machen. Aber die Eltern ließen mich schlechterdings nicht fort, wiewol ich ihnen meine Verordnung schriftlich hinterlassen wollte, damit kein Mißgriff in der Behandlung der Kranken möglich sei. Ich mußte also bleiben. Die Frau vom Hause ließ mir geschwind ein Zimmer zurecht machen, und weil die Kranke etwas ruhig war, entfernte ich mich bei Zeiten Abends von der Familie.

Das ganze Schloß sah ziemlich finster aus, und mein Stübchen war eben nicht das freundlichste darin. Die altväterischen schweren Thüren waren schwarz angestrichen, und eben so die getäfelte Decke und das Holzwerk, das sich von den Fenstern unten an den Wänden hinzog. Kurz, mir gefiel nichts, als das Bett, das schneeweiß überzogen, an der Wand hinter schweren grünseidenen Vorhängen stand.

Ich setzte noch einen ausführlichen Bericht über den Krankheitszustand des Fräuleins an meinen alten Herrn auf, und gähnte bei jedem Komma. Da pochte etwas an meine Thüre. Ich fuhr ein wenig zusammen, faßte mich aber geschwind, und rief, so barsch ich konnte: Herein! Dasmal aber war es nichts bedenkliches, sondern der Jäger des Oberstlieutenants, der nachfragen wollte, ob ich vielleicht noch etwas zu befehlen hätte. Ich erzähle mit Vorsatz jede Kleinigkeit, denn in solchen Dingen muß man pünktlich seyn, bis zur Pedanterei, wie bei einem Visum repertum. Der Jäger war ein junger, artiger Mensch, wir sprachen von diesem und jenem, unter andrem fragte er mich, ob es mir nicht zu einsam in dem Stübchen vorkäm und erbot sich bei mir zu bleiben. Ich lachte ihn aus, denn er schien mir sogar selbst in dem düstern Behältniß ängstlich zu werden, und sah sich bei dem geringsten Geräusch bedenklich in allen Winkeln um. Endlich erzählte er mir, mein Stübchen heiße die schwarze Kammer, und man trage sich mit allerhand seltsamen Erzählungen davon, welche jedoch der Herrschaft verborgen bleiben müßten, um ihr nicht den Aufenthalt zu verleiden. Er erzählte mir auch manches Histörchen von Spukereien und erbot sich nochmals recht angelegentlich bei mir zu bleiben, oder sein Schlafzimmer, welches weit freundlicher gelegen sei, mit mir zu theilen. Ich wollte aber durchaus keinen Vorschlag annehmen, der meine Herzhaftigkeit kompromittirt hätte, und weil er sah, daß ich unbeweglich auf meinem Vorsatz blieb, so ging er endlich, und wiederholte noch in der Thür seine Warnung gegen den Unglauben, der schon manchen in das Verderben gestürzt hätte.

Ich war nun allein in der übel berüchtigten schwarzen Kammer. Damals, wo ich noch über Geister leichtsinniger dachte, und ungefehr so, wie – gewisse aufgeklärte Leute, glaubte ich Gelegenheit zu finden, meinem Heldenmuthe durch die abgerissene Larve eines Gespenstes ewige Lorbeern zu verdienen, und freute mich auf die nahe Mitternacht. Zuvörderst aber untersuchte ich mein Zimmer auf das genaueste. Ich verschloß beide Thüren, und verriegelte sie von innen mit einem besondern vom Schlosse ganz verschiedenen Riegel. Ein gleiches geschah mit den Fenstern. Zum Ueberfluß störte ich mit meinem Reisesäbel unter dem Bett und allen Tischen und Schränken umher, und erst als ich mich genau von der Unmöglichkeit überzeugt hatte, daß Mensch oder Thier mir einen Besuch machen konnte, kleidete ich mich aus. Das Nachtlicht stellte ich in den Ofen, so daß mein Zimmer völlig dunkel war, denn die Beleuchtung macht mir die Furcht mehr rege, als daß sie mich davon befreien sollte.

Nach diesen Vorbereitungen legte ich mich nieder, und schlief von der vielfachen Ermüdung früher ein, als ich gehofft hatte. Ich war noch im ersten Schlafe, da dünkte es mich, als hört' ich meinen Namen ganz leise nennen. Ich fuhr zusammen und horchte auf, da hört' ich nochmals ganz deutlich rufen: August! Der Schall kam, wie es schien, aus den Vorhängen meines Bettes. Ich riß die Augen weit auf, sah aber nichts als dichte Dunkelheit um mich. Indessen hatte mich doch der leise Ruf mit einem Fieberfrost übergossen, ich drückte die Augen fest zu und fing an wieder einzuschlummern. Auf einmal weckt mich ein Rauschen in den Bettvorhängen und der Ruf meines Namens tönt mir noch deutlicher zu. Ich öffne die Augen halb, mein Zimmer kommt mir wie verwandelt vor; es ist von einem wunderbaren Lichte durchdämmert, eine eiskalte Hand berührt mich und neben mir im Bett liegt eine todtbleiche Gestalt im Leichenhemd, die ihren kalten Arm nach mir ausstreckt. Ich schrie im ersten Schreck laut auf, und prallte zurück, im Augenblick geschah ein heftiger Schlag, die Gestalt war verschwunden, und ich sah nichts um mich als die vorige Dunkelheit. Ich zog die Decke über den Kopf, da schlug die Thurmuhr, ich zählte; es war Mitternacht.

Jetzt ermannte ich mich und sprang ohne Verzug aus dem Bett, um mich sicher zu überzeugen, daß kein Traum mich getäuscht haben könnte. Ich zündete zwei Lichter an, und untersuchte wie zuvor das ganze Zimmer. Alles war noch in demselben Zustand, wie ich es verlassen hatte, kein Riegel an den Thüren verschoben, kein Fensterwirbel verrückt. Ich ward schon versucht, meine Erscheinung, so klar ich mir auch ihrer bewußt war, dennoch einem Traume, und meiner, durch des Jägers Erzählungen aufgeregten Fantasie zuzuschreiben, als ich, um nichts ununtersucht zu lassen, noch mit dem Licht an mein Bett leuchtete. Hier lag eine lange schöne dunkle Locke auf meinem Kissen. Diese konnte doch nicht durch Traum und Täuschung hergekommen seyn. Ich hob sie auf, und wollte eben die ganze Begebenheit dieser Nacht niederschreiben, als ein fernes Geräusch mich aufmerksam machte. Ich unterschied bald ängstliches Laufen und Werfen mit den Thüren; endlich kommt es gegen mein Zimmer und es wird hastig und stark an die Thüre gepocht. Ich rufe: Wer da? Stehn Sie schnell auf, Herr Bärmann, antwortet es draußen, das gnädige Fräulein will sterben. Ich warf mich in möglichster Eil in meine Kleider, und flog nach dem Krankenzimmer; es war zu spät, das Fräulein lag entseelt vor mir. Kurz vor Mitternacht hieß es, war sie vom Schlafe erwacht und nach wenigen schnellen Athemzügen verschieden. Die Eltern waren untröstlich, sie brauchten jetzt selbst meinen ärztlichen Beistand, besonders die Mutter, die durchaus die Leiche nicht verlassen wollte, so daß man sie fast mit Gewalt von ihr trennen mußte. Endlich gab sie nach, doch mußte ich ihr gestatten eine Locke vom Haupt der Todten als Reliquie und Andenken mit sich zu nehmen. Denke, wie mich schauerte, als ich jetzt in den langen dunkeln Ringeln, die vom Haupte der Leiche herabwallten, die Ebenbilder jenes nächtlichen Geschenks erblickte. Ich ward den Tag darauf gefährlich krank, und, merke wohl! an derselben Krankheit, an welcher meine Patientin verschieden war. Was sagst du nun zu dieser Thatsache, deren Gewißheit ich mit jedem Eide bekräftigen kann?

Es ist in der That sehr sonderbar – antwortete ich – Sprächst du nicht ernsthaft, und hättest du mich nicht versichert, daß du das ganze Zimmer auf das genaueste durchsucht hättest, so möcht' ich fast einige Bedenklichkeiten haben.

Wie ich dir sage – fiel der Stadtphysikus ein – Täuschung war hier durchaus unmöglich. Ich habe mit wachendem Sinn gesehn und gehört, und die Locke setzt vollends alles außer Zweifel.

Gleichwol muß ich dir gestehn – erwidert' ich – ist gerade diese Locke mir ein Anstoß. War deine Erscheinung nicht Täuschung, so mußte sie an einer geistigen Einwirkung, oder wie du es sonst nennen willst, herrühren, diese aber wird mir durch die Dazwischenkunft einer körperlichen Locke etwas zweideutig. Ein Geist, der körperliche Dinge hinterläßt, wird mir sehr verdächtig und macht auf mich denselben widrigen Eindruck, wie ein Schauspieler, der aus seinem Charakter in einen unschicklichen fällt.

Der Stadtphysikus rückte hier ungeduldig mit seinem Stuhle. Gott ehre mir die Konsequenz! – rief er. – Erst glaubt ihr gar keine Geister und werft sie meilenweit von euch; und nun habt ihr gar eine Theorie des gespenstischen Charakters fertig, und kritisirt danach die Erscheinungen!

Hier trat der Aktuarius ein, und trocknete sich die Stirn. Gewiß aus dem Theater! – riefen wir ihm entgegen und hielten ihm die Strafbüchse vor.

Ihr habt gut reden – antwortete er – setzt euch nur hinauf und vernehmt von frühem Morgen an den ganzen geschlagenen Tag durch Spitzbuben, Vagabunden und ander solch Gesindel. Gestern ist wieder ein Pärchen eingebracht worden, das mich heute ein gut Stück Lunge gekostet hat.

Um des Himmels Willen – rief der Stadtphysikus – bleib mir heut mit allen Spitzbuben- und Vagabundenhistorien vom Halse! Wir haben uns hier schon eine Stunde lang über die graue Stube herumgestritten, und da liegt noch Anzeiger und Freimüthiger ungelesen.

Nun zur grauen Stube muß ich euch ein Gegenstück geben – fiel der Aktuarius ein – Ihr könnt es dem Freimüthigen einschicken, wenn ihr wollt, unter dem Titel: die schwarze Kammer.

Die schwarze Kammer? – riefen wir beide, der Stadtphysikus und ich, aber jeder in einem andern Tone.

Ja, ja! – wiederholte der Aktuarius – hört an, eine brilliante Spitzbuben- und Gespensterhistorie.

Da bin ich doch kurios – murmelte der Stadtphysikus und trommelte dazu auf dem Tische.

Ihr kennt doch – fing der Aktuarius an – den Advokat Tippel? – den kleinen Hanswurst, der immer um die Weiber herumflattert – ihr müßt ihn ja kennen!

Ja doch, ja! – riefen wir beide – komm nur zur Sache!

Nun – fuhr er fort – der hat neulich, draußen in Rabenau einen Termin vor den Silbersteinischen Gerichten. Die Sache mag sich aber etwas in die Länge ziehn, kurz der Abend kommt heran, ehe Tippel abgefertigt ist. Von Natur, wißt ihr, ist er eben nicht der Herzhafteste, und jetzt haben ihn die Geschichten von Posträubern und Zungenabschneidern so besorgt gemacht, daß ihn kein Mensch durch alle Versprechungen in der Welt des Nachts auf die Straße locken könnte. Silbersteins sind gute Leute, und weil sie seine Angst sehen, so offeriren sie ihm ein Nachtlager auf dem Schlosse. Tippel nimmt es mit dem größten Dank an, und bittet nur im Voraus um Entschuldigung, wenn er vielleicht zu früh Lärm im Hause machen sollte, denn er müsse mit Tagesanbruch fort. Den andern Morgen läßt sich aber kein Tippel hören und sehen. Eine Stunde nach der andern vergeht, man klopft an seine Thüre, man ruft, man lärmt; kein Mensch antwortet. Endlich wird es den Leuten bedenklich, und sie machen die Thüre mit Gewalt auf. Da liegt Tippel todtenblaß und ohne Besinnung im Bett und sieht aus, als wollt' er eben abscheiden. Endlich durch viel Bemühungen wird er wieder zu sich gebracht, und erzählt nun fürchterliche Dinge, die ihm in der Nacht begegnet waren. Er hatte sich Abends zeitig zu Bett gelegt, um bei rechter früher Tageszeit sich auf den Weg machen zu können. Wie er noch im ersten Schlafe liegt, weckt ihn ein Pochen an der Thüre. Tippel hat gleich den Kopf voll Schreckenshistorien, schmiegt sich möglichst an die Wand, und versteckt den Kopf unter die Decke. Kaum ist er wieder einen Augenblick eingeschlummert, so weckt ihn von neuem ein dumpfes Rauschen an seinem Bett, und wie er aufblickt, da steht eine weiße Figur vor einem Schranke, den er zuvor in seiner Stube gar nicht gesehn hat, und in dem Schranke glänzt es wie lauter Gold und Silber und Edelstein. Der Geist überzählt seinen Reichthum, klimpert mit Geld, schließt dann den Schrank zu, und nähert sich endlich dem Bette. Da sieht denn Tippel ein kleines blasses Todtengesicht mit einer altväterischen Kopfbinde um die schwarzen Haare. Es weht ihn eine eiskalte Luft an, und der Geist macht Anstalt sein moderfleckiges Grabtuch abzuwerfen und sich mit Tippeln in das Bett zu theilen. In der Todesangst dreht sich Tippel um, schließt die Augen fest zu und rückt so weit er kann nach der Wand zu. Im Augenblick thut es einen lauten Schrei und einen heftigen Fall in seiner Nähe, der ihm vollends alle Besinnung raubt. So hat er nun gelegen bis früh Morgens, wo ihn die Leute, wie ich euch erzählt habe, halb todt im Bette fanden.

Ihr könnt leicht denken, daß die Sache gewaltiges Aufsehen im Hause machte. Silbersteins, die ohnedies immer Visionen haben, erzählten von einer alten Tante, die sich schon eher sollte gezeigt haben, und von vermauerten Schätzen, die ein Ruthengänger schon dem vorigen Gutsbesitzer angezeigt haben sollte. Dabei betheuerte Tippel jedes Wort seiner Erzählung und vermaß sich hoch und theuer, sie mit tausend Eiden zu bekräftigen. Er deponirte auch wirklich seine Aussage gerichtlich, aber der Gerichtshalter, der auch zu den Ungläubigen gehört, bestand auf einer Lokalbesichtigung des Zimmers, wo Tippel geschlafen hatte. Der alte Silberstein wollte zwar nicht daran, und meinte, er möge in seinem Hause mit Geistern nicht anbinden, er könne die schwarze Kammer entbehren, und sei zufrieden, wenn der Geist sich mit dieser begnüge; allein der Gerichtshalter behauptete seinen Satz als ein entschlossener Mann, und setzte dasmal seine Meinung gegen den Gerichtsherrn durch. Die schwarze Kammer wurde also geöffnet; Tippel konnte kaum angeben, wo der Schrank mit dem Schatz sollte gestanden haben, denn dem Bett gegenüber waren Fenster, und kein Platz, wo ein Schrank sichtbar oder unsichtbar stehen konnte. Man untersuchte das ganze enge Zimmerchen, aber nirgends fand sich auch nur die geringste Spur von etwas Unheimlichem oder Verdächtigem. Die Gerichtspersonen und alle Zuschauer bewiesen nun unwidersprechlich, daß das Geschehene nicht mit rechten Dingen zugegangen seyn könne. Tippel erbat sich eine beglaubte Abschrift des Protokolles und seiner Aussage, um sich in allen Zeitungen als ächten und aufrichtigen, gerichtlich attestirten Geisterseher aufführen zu können; da fällt es aber dem Gerichtshalter noch ein, das Bett zu untersuchen, worin der Geisterseher geschlafen hatte. Er schüttelt, rüttelt, pocht und visitirt darin herum, da fährt auf einmal die Bretwand hinter dem Bett wie ein Schieber in Fugen in die Höhe, und es öffnet sich eine Communication mit einem zweiten Bett auf der andren Seite der Wand, und durch dessen Vorhänge die Aussicht in ein allerliebstes nettes Zimmerchen.

I, der Donner! – fiel der Stadtphysikus hier mit drolligem Aerger ein, und schlug sich vor die Stirn. Der Aktuarius verstand die rechte Beziehung seines Ausrufes nicht und fuhr fort:

Gerade so rief auch Tippel, als der unerwartete Prospekt sich öffnete. Die ganze Gesellschaft passirte nun durch die beiden Betten in das benachbarte Zimmer. Tippel rekognoscirte hier den Wandschrank seines Geistes, und die Gutsherrschaft das Schlafzimmer des Kammermädchens. Man eröffnete den Schrank, der nun zwar nicht, wie Tippel gesehn haben wollte, von Juwelen und Gold und Silber flimmerte, aber doch manch hübsches Stückchen an Silbergeräth, Schmuck und Geldröllchen enthielt. Die hübsche Bewohnerin des Stübchens sollte nun über den Schatz und die nächtlichen Erscheinungen nähere Auskunft geben, aber sie hatte sich mit dem Jäger des Oberstlieutenants unsichtbar gemacht.

Mit dem Jäger? – wiederholte der Stadtphysikus.

Mit dem herrschaftlichen Revierjäger, August Leisegang, bekräftigte der Erzähler.

August heißt der Spitzbube? – fiel der Stadtphysikus nochmals mit Heftigkeit ein – Weißt du das gewiß?

Warum soll ich's denn nicht wissen – erwiderte der Aktuarius etwas verdrüßlich – ich hab' ihn ja eben mit seiner Schönen vernommen. Warum fällt dir der Name auf?

Mein Namensvetter – murmelte der Stadtphysikus gelassen und zupfte an der Halskrause – Erzähl' nur weiter!

Nun, das Uebrige könnt ihr errathen – fuhr jener fort – Die bewegliche Wand, die in uralten Zeiten einem Schloßherrn Dienste geleistet haben mochte, war vergessen und von dem Liebespärchen neu entdeckt und benutzt worden. Tippel hatte nun im Schlaf an die Feder gedrückt und die Wand gehoben, das war das Rauschen, das ihn geweckt hatte, das Kammermädchen hatte dann, wie sie statt des Jägers den fremden Gast in ihrem Bett fand, aufgeschrieen, und den Schieber fallen lassen, das war der Fall, den Tippel gehört hatte. So erklärte sich nun alles ganz natürlich. Man schickte nun den Leutchen Steckbriefe nach, und gestern wurden sie richtig von unsern Gerichtsdienern eingebracht. Da hab' ich denn seit Morgens gesessen und vernommen, der größte Spaß aber dabei war, daß Tippel von ungefehr dazu kommen mußte und sich nun todärgern wollte, wie er das nette rothbäckige Schwarzköpfchen sah, vor dem er, als vor einem leichenblassen todten Geizhalse, in der Nacht die Augen fest zugedrückt hatte. Das soll mir nicht wieder passiren, sagte er, Kind wollte einen von den versäumten Küssen nachholen, aber der kleine, schwarzäugige Schelm drehte sich so flink, daß Tippels Lippen gerade mit der rothen Nase des Gerichtsfrohns zusammenstießen. Nehmen Sie sich in Acht, sagte sie, der erste April kommt alle Jahre wieder, und will jedesmal sein Recht haben.

Krabbe du! – murmelte der Stadtphysikus, der nun sein Abenteuer noch einmal zum Besten geben mußte.

Aber – schloß er, als wir ausgelacht hatten – wenn ich euch auch meine schwarze Kammer preiß gebe, die graue Stube disputirt ihr mir doch nicht weg! Und nun zur Lektüre!

Er griff nach dem Freimüthigen. Die graue Stube! – rief er – Das ist ja ein altes Stück! Wir besahen es; das Datum war neu. Der Stadtphysikus las. Aber eh' er zu Ende kam, warf er das Blatt derb auf den Tisch, denn es enthielt nichts anders, als die sonnenklare Auflösung der bekrittelten und verschrieenen Wunder der grauen Stube.

Geht mit – rief er – wir leben in einer schlechten Zeit! Alles Alte geht zu Grunde, nicht einmal ein rechtschaffenes Gespenst kann sich mehr halten. Komme mir keiner wieder mit einer Gespensterhistorie!

Bewahre! – erwiderten wir andern beiden – Gerade wenn es mit den Gespenstern aus ist, geht das rechte Zeitalter für ihre Geschichte an. Kommt doch jede Geschichte erst hinter der Wirklichkeit, und der Leser dadurch, wenn das Glück gut ist, hinter die Wahrheit!

 

* * *

 


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