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Mit dem Namen der Familie Weitmoser ist die Erinnerung an den reichen Bergsegen verknüpft, der einst im Gasteinertal und in der Rauris den Bergen entströmte.
Erasmus Weitmoser war ein einfacher Bauer, der zu Gadaunern im Gasteinertal jahraus, jahrein den Pflug über seine Felder führte und der kargen Scholle ihren dürftigen Ertrag für sich und die Seinen abrang. Aber da er bei seiner täglichen Arbeit genügend Zeit hatte, seinen Gedanken Raum zu geben, wandte sich sein Blick immer öfter nach den Bergen, und so kam ihm die Idee, den Segen nicht mehr in seinem Acker zu suchen, sondern dort, wo er nach seiner Meinung in reichlichem Ausmaß zu finden war, wo das Gold in reiner Gestalt verborgen sein mußte, in den Bergen. Er vertauschte seinen Arbeitsrock mit dem Bergmannskittel und begann nach Gold zu graben.
Seiner sicher und überzeugt, sein Ziel zu erreichen, grub und grub er, warb Arbeitskräfte und förderte vielversprechendes, erzführendes Material zutage. Aber die goldhaltigen Gange lagen tiefer; bevor er noch Gold aus den tiefen Schächten schöpfen konnte, erschöpften sich seine Geldmittel, eigene sowie geborgte, und es fand sich kein Mensch mehr, der in diese unsichere Sache Geld gesteckt hätte. Ja, seinen Gläubigern wurde angst um das gute Geld, das sie ihm bisher vorgestreckt hatten, und sie hörten nicht auf, ihn zur Rückzahlung zu drangen. Vergebens bat er um eine kurze Frist, um ein wenig Geduld noch, um ein weiteres Darlehen; sie lehnten alle seine Bitten ab und bestanden auf Rückgabe des Darlehens. Schließlich kam die ganze Sache auch dem Salzburger Erzbischof, Leonhard von Keutschach, zu Ohren.
Dieser ließ den Weitmoser in seine Residenz rufen, ließ sich über die Arbeiten und Plane des aufrechten, ehrlichen Mannes genauen Bericht erstatten und streckte ihm aus eigenem eine größere Summe Geldes vor, damit er die eingestellte Arbeit wiederaufnehmen und vollenden könne. Erasmus ging sofort wieder ans Werk, schürfte und förderte, und seine beharrliche Ausdauer sollte ihren Lohn finden. Noch bevor das geliehene Geld zur Gänze aufgebraucht war, kam edles Erz zutage. Die Knappen brachten ihm freudestrahlend reichen Ausbruch und Handstein entgegen, die Gold und Silber enthielten. Immer freigiebiger spendete der Berg seine Gaben; das Gold häufte sich, und bald war Erasmus Weitmoser der reichste Mann im Tal geworden. Sein ganzes Leben lang nahm der Segen kein Ende, und selbst auf dem Totenbett wurde ihm noch die Nachricht zuteil, daß neue mächtige Goldadern entdeckt worden seien.
Das Bergmannsglück blieb auch seinem Sohn Christoph treu. Für so groß hielt das Volk seinen Reichtum, daß man erzählte, auf der Erzwiese beim Walde habe Herr Christoph Weitmoser einen ungeheuren Schatz vergraben, und der Haufen Goldes, den er besitze, sei so groß, daß man darunter ein Pferd samt seinem Reiter verstecken könne. Überall erwarb er Gruben und Besitzungen, kaufte stattliche Höfe und prunkvolle Schlösser und wurde so reich, daß er jeder seiner Töchter, um deren Hand sich Grafen und Fürsten bewarben, viele tausend Goldgulden in die Ehe mitgeben könne. Seinen drei Söhnen aber soll er eine Million Goldgulden als Erbe zugedacht haben. Sein eigenes Ansehen war so hoch gestiegen, daß er selbst Fürsten zu seinen Freunden zählen konnte. Aber schon nahte das Verderben dem Hause der Weitmoser.
Christoph Weitmosers Ehefrau war ein schönes, doch stolzes, hartherziges Frauenzimmer. Statt der Vorsehung dankbar zu sein für die Fülle der Gaben, die sie mit freigiebiger Hand den Weitmosern zuteilte, brüstete sich die hochnäsige Frau in ihrem Stolz über ihren Reichtum; statt Arme und Bedürftige mild zu beteilen, Not und Elend zu lindern und wie der alte Weitmoser in redlichem Bestreben den einfachen Sinn zu bewahren, sah sie mit kaltem Blick auf das einfache Volk herab, verschloß ihr hartes Herz für jedes Mitgefühl und verfiel in ein üppiges, ausschweifendes Leben. Sie stolzierte nur in den kostbarsten Kleidern einher und trug dazu herrlichen, wertvollen Schmuck, um den sie jede Fürstin beneidet hätte. Ihre Eitelkeit und ihr Hochmut waren im ganzen Land bekannt, und bald war sie als die stolzeste und hartherzigste Frau weit und breit verrufen.
Eines Tages ritt sie auf ihrem weißen Pferd im vollen Prunk ihrer edelsteingeschmückten Gewander durch die Klamm die schäumende Ache entlang nach Gastein. Wie eine Königin saß sie hoch zu Roß und gönnte den ihr Entgegenkommenden in stolzer Erhabenheit nicht einen Blick. Da tat ihr Pferd einen jähen Sprung; es hatte vor einer Bettlerin gescheut, die neben dem Wege saß und die Hände hob, bittend um eine milde Gabe. Der reichen Weitmoserin war dieser Anblick lästig. Verächtlich blickte sie vom Pferd herab und rief unwillig: »Pack dich, freche Bettlerin! Kann man denn nirgends Ruhe haben vor diesem unverschämten Bettelvolk!«
Damit wollte sie ihr Pferd an der Alten vorbeidrängen. Diese aber erhob sich mühsam und sagte mit zitternder Stimme: »Bettlervolk beschimpfst du mich und weißt doch nicht, ob du nicht trotz deiner prachtvollen Gewänder morgen an meiner Stelle sitzen wirst. Heute mir, morgen dir!«
Da hielt die stolze Weitmoserin wütend nochmals ihr ungeduldig drängendes Pferd an. »Du armselige Kreatur«, stieß sie hervor, »was fällt dir ein? Eine Weitmoserin und betteln gehen! Da schau her! Siehst du es blitzen!« Damit zog sie einen kostbaren Ring mit funkelnden Diamanten vom Finger, ließ ihn einen Augenblick in der Sonne erglänzen und warf den Ring sodann in die neben dem Weg wild dahinschießende Ache. Und grell auflachend setzte sie hinzu: »Fort ist der Ring, für immer! Sowenig dieser Ring wieder zum Vorschein kommt, ebensowenig wird eine Weitmoserin je zum Bettelstab greifen.« Mit hochrotem Gesicht gab sie dem Pferd die Sporen, daß es mit schnellen Hufen davonlief.
Einige Zeit war seit diesem Auftritt verstrichen, da ließ sich eines Morgens der Fischer vom Weitmosergut im Herrenhaus melden und brachte eine Forelle von nie gesehener Größe, die er tags zuvor in der Ache gefangen hatte. Er wollte die ungewöhnliche Beute für den Herrschaftstisch übergeben. An diesem Tag gab Christoph Weitmoser für seine Mitarbeiter ein Festmahl, bei dem dieser prächtige Fang die Tafel zieren sollte. Als man den Fisch zerteilte, fand sich in seinem Innern ein herrlicher Diamantring, den die Weitmoserin als jenen Ring erkannte, den sie vor kurzem in die Fluten der Ache geschleudert hatte. Und etwas, das sie nie gekannt, begann in ihrem Herzen zu keimen: die Furcht vor kommendem Unglück. Sollte das Schicksal sie beim Wort nehmen? Wäre es denkbar, daß sie ein Verhängnis heraufbeschworen hätte? Dies schien ihr unfaßbar.
Aber von diesem Moment an begannen Glück und Segen zunächst allmählich, dann immer rascher vom Haus der Weitmoser zu weichen. Die Ergiebigkeit des Bergwerks verminderte sich, reiche Goldadern versiegten, Stollen und Schächte stürzten ein, Wildwasser stürzten in die reichsten Gruben, ein Unglück folgte dem andern. Das Glück hatte die Weitmoser zur Gänze verlassen. Ihre weitläufigen Höfe und Schlösser verfielen, sie gerieten in Schulden, verarmten, und schließlich gab nur Ruinen Zeugnis von ihrem einstigen Reichtum und Wirken.
Mit ihnen ging ein Geschlecht zugrunde, das berufen war, zu seiner Zeit Großes zu vollführen. Aber nur die Sage hat ihr Schaffen und Wirken überlebt und läßt die alten Weitmoser leben bis in unsere Zeit In den Hängen und Schluchten des Gamskarkogels zeigt sich den Jägern oftmals ein alter Gemsbock. Aber sooft der verfolgende Schützen ihn vor dem Korn zu haben glaubt und sein Gewehr anlegt, verwandelt er sich in irgendeinen bekannten Talbewohner. Es ist, wie man glaubt, einer der Weitrnoser, der in dieser Gestalt ruhelos um die grauen Felsen des Gamskarkogesl streift, um vergrabene Schätze zu suchen und den alten versunkenen Goldlagern nachzuspüren. Erst wenn er diese gefunden hat, kann er zur ewigen Ruhe eingehen.