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Weitverbreitet im ganzen Salzburgerland war seit jeher der Glaube an das gütige und segensvolle Wirken der Frau Perchta. Sie war den Menschen wohlgesinnt, wenn man ihr nicht in vorwitziger oder frevelhaft er Weise nahte.
Einst war am späten Nachmittag ein armer Bauer auf dem Heimweg von Radstadt. Unterwegs stieß er auf ein altes Weiblein, das am Wegrand saß und, auf einen alten Tragkorb gestützt, kummervoll vor sich hin schluchzte.
»Ja, wo fehlt's dir denn, Mütterchen?« fragte gutmütig der Bauer und blieb neben der Alten stehen. »Dir ist wohl dein Korb zu schwer geworden! Nun, komm mit mir, ich werde ihn dir tragen.«
»Freilich, freilich«, seufzte das Weiblein, »der Korb ist gar schwer; aber ich kann dir doch nicht zumuten, den Korb zu tragen! Was würden denn die Leute sagen, wenn du dich mit dem Korb eines alten Bettlerweibleins abschlepptest!«
»Das soll mich nicht kümmern«, meinte der Bauer, nahm den Korb auf den Rücken und ging langsam weiter, während das Weiblein an seiner Seite dahinkeuchte.
Als sie nach Altenmarkt kamen, wunderten sich die Leute nicht wenig, den Bauern mit einem halbdurchlöcherten Tragkorb auf dem Rücken Seite an Seite mit der zerlumpten Alten daherkommen zu sehen. Manche blieben stehen und schauten lachend dem ungleichen Paar nach. Doch der Bauer achtete nicht auf die spöttischen Worte, die ihm nachklangen, und schritt ruhig seinem Haus zu. Schon von weitem rief ihm sein Weib, das ihn herankommen sah, verwundert entgegen: »Ja, Alter, sag, wen bringst du denn heute daher?«
»Nur ein armes Bettelweiblein«, erwiderte der Bauer, »das gerne ein Nachtquartier möchte.«
»Nun, wenn es weiter nichts ist«, sagte die gutherzige Bäuerin, »da kannst du schon hereinkommen, Mütterchen, und ein wenig zum Essen wird sich auch noch finden, du bist gewiß hungrig.« Sie wies der Alten einen Platz auf der Ofenbank an, setzte ihr eine Schale Milch und einen Teller Rohrnudeln vor und hieß sie ordentlich zugreifen. Nach dem Abendessen führte sie das müde Mütterchen in eine kleine Kammer, wo ein Lager für die Frau bereitstand. Dann legten sich alle zur Ruhe.
Als der Bauer am nächsten Morgen aufstand und sich nach dem Weiblein umsehen wollte, war die Alte verschwunden, nur ihren Korb hatte sie zurückgelassen. Bauer und Bäuerin glaubten fest, sie würde wiederkommen und ihr Eigentum holen.
Aber Tage und Wochen vergingen, und das Mütterchen ließ sich nicht mehr blicken. Da gaben sie die Hoffnung auf, daß sie sich je wieder zeigen werde, und wollten nun einmal in dem zurückgelassenen Korb Nachschau halten, ob sich kein Anhaltspunkt über ihren Namen oder Wohnsitz drinnen finden lasse.
Neugierig griff der Bauer in den Korb, bekam aber nur alte Lumpen in die Hand, die er hervorzog und zu Boden warf; zugleich gab es einen merkwürdigen Klang. Nun untersuchte er das Lumpenbündel genauer, und da glänzte ihm auch schon ein Silbertaler entgegen, und da noch einer und wieder einer, und schließlich lag ein stattliches Häuflein von Talern vor dem freudig erstaunten Blick des wackeren Landmannes. Nun hatte die Armut der guten Leute ein Ende, und beide dankten der guten Fee, in der sie jetzt Frau Perchta erkannten, aus tiefstem Grund ihres Herzens.