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Unbekannte Verfasser

Tausend und Eine Nacht.
Siebenter Band

Arabische Erzählungen

Deutsch von
Max. Habicht
Fr. H. von der Hagen
und
Carl Schall

Neu herausgegeben von
Dr. Karl Martin Schiller

Leipzig
Im F. W. Hendel Verlag

1926

Titelvignetten von Moritz von Schwind.

Titelblatt

 

Inhalt

Geschichte des Prinzen Achmed und der Fee Pari Banu
      Vierhundertundvierte Nacht.
      Vierhundertundfünfte Nacht.
      Vierhundertundsechste Nacht.
      Vierhundertundsiebente Nacht.
      Vierhundertundachte Nacht.
      Vierhundertundneunte Nacht.
      Vierhundertundzehnte Nacht.
      Vierhundertundelfte Nacht.
      Vierhundertundzwölfte Nacht.
      Vierhundertunddreizehnte Nacht.
      Vierhundertundvierzehnte Nacht.
      Vierhundertundfünfzehnte Nacht.
      Vierhundertundsechzehnte Nacht.
      Vierhundertundsiebzehnte Nacht.
      Vierhundertundachtzehnte Nacht.
      Vierhundertundneunzehnte Nacht.
      Vierhundertundzwanzigste Nacht.
      Vierhundertundeinundzwanzigste Nacht.
      Vierhundertundzweiundzwanzigste Nacht.
      Vierhundertunddreiundzwanzigste Nacht.
      Vierhundertundvierundzwanzigste Nacht.
      Vierhundertundfünfundzwanzigste Nacht.
Geschichte der beiden neidischen Schwestern
      Vierhundertundsechsundzwanzigste Nacht.
      Vierhundertundsiebenundzwanzigste Nacht.
      Vierhundertundachtundzwanzigste Nacht.
      Vierhundertundneunundzwanzigste Nacht.
      Vierhundertunddreißigste Nacht
      Vierhundertundeinunddreißigste Nacht.
      Vierhundertundzweiunddreißigste Nacht.
      Vierhundertunddreiunddreißigste Nacht.
      Vierhundertundvierunddreißigste Nacht.
      Vierhundertundfünfunddreißigste Nacht.
      Vierhundertundsechsunddreißigste Nacht.
Geschichte des jungen Prinzen und des grünen Vogels
      Vierhundertundsiebenunddreißigste Nacht.
      Vierhundertundachtunddreißigste Nacht.
Geschichte des Prinzen Mahmud
      Vierhundertundneununddreißigste Nacht.
Geschichte der zehn Wesire
      Vierhundertundvierzigste Nacht.
      Vierhundertundeinundvierzigste Nacht.
Geschichte des vom Glücke verlassenen Kaufmanns
      Vierhundertundzweiundvierzigste Nacht.
Geschichte Behesads, des Ungeduldigen
      Vierhundertunddreiundvierzigste Nacht.
Geschichte Abu-Szabers, des Geduldigen
      Vierhundertundvierundvierzigste Nacht.
Geschichte des Prinzen von Sangebar
      Vierhundertundfünfundvierzigste Nacht.
Geschichte des Königs Dabdyn und seiner beiden Wesire
      Vierhundertundsechsundvierzigste Nacht.
      Vierhundertundsiebenundvierzigste Nacht.
      Vierhundertundachtundvierzigste Nacht.
Geschichte des Königs und der Königin von Abessinien
      Vierhundertundneunundvierzigste Nacht.
      Vierhundertundfünfzigste Nacht.
      Vierhunderteinundfünfzigste Nacht.
Geschichte des Juweliers
      Vierhundertundzweiundfünfzigste Nacht.
Geschichte Abutemams
Geschichte Asems und der Geisterkönigin
      Vierhundertunddreiundfünfzigste Nacht.
      Vierhundertundvierundfünfzigste Nacht.
      Vierhundertundfünfundfünfzigste Nacht.
      Vierhundertundsechsundfünfzigste Nacht.
      Vierhundertundsiebenundfünfzigste Nacht.

 

Geschichte des Prinzen Achmed und der Fee Pari Banu.

Die Sultanin Scheherasade ließ auf die Geschichte vom Zauberpferde die des Prinzen Achmed und der Fee Pari Banu folgen und begann diese auf folgende Weise:

»Herr, es war einmal ein Sultan, und zwar einer von den Vorfahren Euer Majestät, welcher nach einer vieljährigen friedlichen Regierung in seinem Alter die Freude hatte, zu sehen, daß seine drei Prinzen als würdige Nachahmer seiner Tugenden nebst einer Prinzessin, die seine Nichte war, die Zierde seines Hofes ausmachten. Der älteste von diesen Prinzen hieß Hussain, der zweite Ali, der jüngste Achmed und seine Prinzessin Nichte Nurunnihar.

Die Prinzessin Nurunnihar war die Tochter des jüngsten Bruders des Sultans, der von dem Sultan ein bedeutendes Jahresgehalt bezogen hatte, aber schon wenige Jahre nach seiner Vermählung gestorben war und sie als zarte Waise zurückgelassen hatte. Der Sultan hatte in Rücksicht auf die treue Anhänglichkeit, die sein verstorbener Bruder ihm stets bewiesen, die Erziehung seiner hinterlassenen Tochter übernommen und sie in seinen Palast aufgenommen, um sie daselbst mit seinen drei Söhnen erziehen zu lassen. Mit einer unvergleichlichen Schönheit und mit allen Vollkommenheiten des Körpers verband diese Prinzessin einen ebenso außerordentlichen Verstand, und ihre fleckenlose Tugend zeichnete sie unter allen Prinzessinnen ihrer Zeit aus.

Der Sultan, als Oheim der Prinzessin, der sich längst vorgenommen hatte, sie, wenn sie mannbar geworden sein würde, zu verheiraten und durch ihre Vermählung ein Verwandtschaftsbündnis mit irgend einem benachbarten Fürsten anzuknüpfen, dachte jetzt umso ernsthafter daran, da er bemerkte, daß seine drei Prinzen dieselbe leidenschaftlich liebten. Er betrübte sich darüber außerordentlich nicht sowohl deswegen, weil ihre Zuneigung ihn hinderte, die beabsichtigte Verbindung zu schließen, als vielmehr wegen der Schwierigkeit, sie alle drei über diesen Punkt zu einigen und die beiden jüngeren wenigstens zu vermögen, die Prinzessin dem ältesten zu überlassen. Er sprach mit jedem von ihnen insbesondere, und nachdem er ihnen die Unmöglichkeit dargetan, daß eine einzige Prinzessin drei Männer auf einmal heiraten könne, und zugleich, welche Uneinigkeit daraus entstehen würde, wenn sie alle drei bei ihrer Leidenschaft beharrten, bot er alles auf, um sie zu bewegen, daß sie entweder der Prinzessin die entscheidende Wahl unter ihnen dreien überlassen oder selber von ihren Ansprüchen abstehen, auf eine andere Wahl denken und sie einem auswärtigen Prinzen anvermählen lassen sollten. Doch als er bei ihnen eine unüberwindliche Hartnäckigkeit fand, ließ er sie alle drei vor sich kommen und redete sie mit folgenden Worten an:

»Meine Kinder, da es mir nicht gelungen ist, euch zu eurem Glück und zu eurer Ruhe dahin zu vermögen, daß ihr nicht weiter euch um die Hand meiner Nichte bewerben möchtet, und ich von meinem väterlichen Ansehen nicht Gebrauch machen und sie etwa einem von euch vorzugsweise geben will, so glaube ich ein Mittel gefunden zu haben, um euch alle zufriedenzustellen und die Einheit unter euch zu erhalten, sofern ihr anders auf mich hören und das, was ich euch sagen werde, tun wollt. Ich finde es nämlich am passendsten, daß ihr alle drei, doch jeder anderswohin, eine Reise macht, so daß ihr durchaus nicht einander treffen oder begegnen könnet, und da ihr wisset, wie neugierig ich auf alles bin, was in seiner Art selten und einzig ist, so verspreche ich die Prinzessin demjenigen zur Gemahlin, der mir die außerordentlichste Seltenheit mitbringen wird. Auf diese Weise werdet ihr dann selber über die Vorzüglichkeit der von euch mitgebrachten Sachen durch Vergleichung derselben entscheiden und ohne Schwierigkeit euch selbst euer Urteil sprechen können, indem ihr den Vorzug demjenigen unter euch gebet, der ihn verdient. Zu den Reisekosten und zu dem Ankauf von Seltenheiten, die ihr euch zu verschaffen suchen werdet, will ich jedem von euch eine eurem Stande angemessene Summe mitgeben, die ihr indes nicht auf Reisegefolge oder Reisegepäck verwenden dürft, weil ihr dadurch verraten würdet, wer ihr seid, und dadurch jede Freiheit einbüßen würdet, deren ihr nicht bloß zur Ausführung dieses Planes, sondern auch sonst noch bedürfet, um alles das, was eurer Aufmerksamkeit wert ist, beobachten und überhaupt einen größeren Nutzen von eurer Reise ziehen zu können.«

 

Vierhundertundvierte Nacht.

Da die Prinzen sich stets den Wünschen ihres Vaters, des Sultans, willig gefügt hatten, und da überhaupt ein jeder von ihnen hoffte, das Glück werde ihm günstig sein und ihm den Besitz der Prinzessin Nurunnihar verschaffen, so antworteten sie ihm, daß sie ihm zu gehorchen bereit wären. Ohne Verzug ließ nun der Sultan ihnen die versprochene Summe auszahlen, und noch denselben Tag gaben sie ihre Befehle zu den Vorbereitungen zur Reise, ja sie nahmen sogar von ihrem Vater, dem Sultan, Abschied, um den folgenden Tag ganz früh schon abreisen zu können. Sie zogen alle drei, mit allem Nötigen wohl versehen und ausgerüstet und als Kaufleute verkleidet, zu einem und demselben Tore der Stadt hinaus, jeder bloß von einem einzigen vertrauten Diener in Sklavenkleidern begleitet. So gelangten sie miteinander bis zur ersten Nachtherberge, wo dann der Weg sich in dreifache Richtung teilte, wovon jeder sich einen Weg zur Fortsetzung seiner Reise wählen konnte. Als sie hier miteinander die Abendmahlzeit verzehrten, welche sie sich bestellt hatten, so verabredeten sie sich untereinander, daß ihre Reise gerade ein Jahr dauern sollte, und sie bestellten sich nach Ablauf dieser Frist wieder in dieselbe Herberge mit der Bedingung, daß, wer zuerst da einträfe, auf den andern und beide dann auf den dritten warten sollten, so daß sie alle drei, so wie sie miteinander zugleich von ihrem Vater Abschied genommen, auch bei ihrer Rückkehr sich ihm alle zusammen wieder vorstellen könnten. Den folgenden Morgen stiegen sie bei Tagesanbruch zu Pferde, und nachdem sie sich umarmt und einander eine glückliche Reise gewünscht hatten, schlug jeder von ihnen einen von den drei Wegen ein.

Der Prinz Hussain, der älteste von den drei Brüdern, welcher viel von der Größe, der Macht, dem Reichtum und dem Glanze des Königreichs Bisnagar erzählen gehört hatte, nahm seine Richtung nach dem indischen Meere, und nach einer Reise von etwa drei Monaten, auf welcher er sich an verschiedene Karawanen anschloß und bald öde Wüsten und Gebirge, bald sehr bevölkerte, angebaute und fruchtbare Länder durchzog, gelangte er endlich nach Bisnagar, welches die Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs und zugleich der Sitz der Könige dieses Landes ist. Er kehrte in einen Chan ein, in welchem die fremden Kaufleute abzusteigen pflegten, und da er hörte, daß es hauptsächlich vier Orte der Stadt gäbe, wo die Kaufleute und Verkäufer aller Arten von Handelswaren ihre Läden hatten, so begab er sich gleich am folgenden Tage nach einem dieser Plätze. In der Mitte desselben lag das Schloß oder vielmehr der königliche Palast, welcher einen großen Raum einnahm und gleichsam den Mittelpunkt der Stadt bildete, die drei Ringmauern hatte, und deren Tore zwei volle Stunden Weges weit voneinander entfernt waren.

Der Prinz Hussain konnte das Stadtviertel, worin er sich befand, nicht ohne Verwunderung betrachten. Es war sehr geräumig und von mehreren Straßen durchschnitten, welche gegen die Sonnenglut oben überwölbt und doch alle sehr hell waren. Die Kaufläden waren alle gleich groß und von einer und derselben Form, und die Läden derjenigen Kaufleute, welche einerlei Waren verkauften, waren nicht zerstreut, sondern in einer und derselben Straße beisammen, und ebenso war es mit den Buden der Handwerker.

Die Menge der Läden, welche mit einer und derselben Gattung von Waren angefüllt waren, wie z. B. mit den feinsten indischen Schleiertüchern, mit buntgemalten Linnentüchern, welche in den lebhaftesten Farben ganze Landschaften, Menschen, Bäume und Blumen darstellten, mit Brokat und Seidenstoffen aus Persien, China und andern Orten, ferner mit japanischem Porzellan oder mit Fußteppichen von allen Gattungen und von jeder Größe – dies alles überraschte ihn so sehr, daß er nicht wußte, ob er seinen eigenen Augen trauen dürfte. Doch als er zu den Läden der Goldschmiede und Juweliere kam – beide Gewerbe wurden nämlich von einer und derselben Klasse von Kaufleuten betrieben –, so war er beim Anblick der ungeheuern Menge trefflicher Gold- und Silberarbeiten ganz außer sich und wie geblendet von dem Glanze der Perlen, der Diamanten, Smaragde, Rubine, Saphyre und anderer Edelsteine, die hier in Fülle zum Verkauf ausgeboten wurden. Wenn er nun schon über so viele an einem einzigen Orte aufgehäufte Reichtümer verwundert war, so mußte er sich noch mehr über den Reichtum des ganzen Königreichs im allgemeinen wundern, als er bemerkte, daß – mit Ausnahme der Brahmanen und der Tempeldiener, die es zu ihrem Beruf machten, fern von den Eitelkeiten der Welt zurückgezogen zu leben – es im ganzen Reiche nicht leicht einen Indier oder eine Indierin gab, die nicht Hals- und Armbänder, Schmuck an den Schenkeln und Füßen von Perlen und Edelsteinen gehabt hätten, die umso glänzender erschienen, da die Hautfarbe der sämtlichen Einwohner so schwarz war, daß sie den Glanz derselben bedeutend hob.

Eine andere Eigentümlichkeit, die der Prinz Hussain bewunderte, war die große Menge von Rosenverkäufern, von denen die Straßen wimmelten. Er schloß, daß die Einwohner große Liebhaber dieser Blumengattung sein müßten, da er auch nicht einen sah, der nicht einen Rosenstrauß in der Hand oder einen Rosenkranz auf dem Haupte gehabt hätte, so daß das ganze Stadtviertel, so groß es sein mochte, davon ganz durchduftet war.

Der Prinz Hussain, nachdem er das ganze Stadtviertel von Straße zu Straße durchgangen war und den Kopf ganz voll von den Reichtümern hatte, die sich seinen Augen darboten, empfand endlich das Bedürfnis, etwas auszuruhen. Er gab dies einem Kaufmann zu erkennen, und dieser lud ihn sehr höflich ein, in seinen Laden hineinzutreten und sich darein zu setzen, was er denn auch annahm. Er hatte noch nicht lange da gesessen, als er einen Ausrufer vorübergehen sah mit einem Teppich von etwa sechs Fuß ins Gevierte, den er zu einem Preise von dreißig Beuteln ausbot. Er rief den Ausrufer heran und wünschte den Teppich zu sehen, der ihm nicht bloß wegen seiner Kleinheit, sondern auch in Hinsicht auf seine Güte viel zu teuer ausgeboten zu werden schien. Als er den Teppich genug besichtigt hatte, sagte er zu dem Ausrufer, er begreife nicht, wie ein so kleiner und so unscheinbarer Fußteppich zu einem so hohen Preise feilgeboten werden könne.

 

Vierhundertundfünfte Nacht.

Der Ausrufer, welcher den Prinzen für einen Kaufmann ansah, antwortete ihm:

»Gnädiger Herr, wenn Euch dieser Preis schon so übermäßig hoch vorkommt, wie werdet Ihr Euch erst wundern, wenn ich Euch sage, daß ich Befehl habe, ihn bis zu vierzig Beuteln zu steigern und ihn bloß für diesen Preis, und zwar in barem Gelde, abzulassen.«

»So muß er,« erwiderte der Prinz, »diesen Preis um irgend einer Eigenschaft willen haben, die mir unbekannt ist.«

»Ihr habt es erraten, edler Herr,« antwortete der Ausrufer, »und Ihr werdet mir es gewiß zugeben, wenn Ihr erst wisset, daß, wenn man sich auf diesen Teppich setzt, man sich auf ihm überallhin versetzen kann, wohin man sich wünscht, und daß man augenblicklich da ist, ohne daß einem irgend ein Hindernis unterwegs zustoßen kann.«

Diese Äußerungen des Ausrufers bewirkten, daß der Prinz von Indien in Rücksicht dessen, daß der Hauptzweck seiner Reise ja doch nur sei, seinem Vater, dem Sultan, irgend eine Seltenheit mitzubringen, der Meinung wurde, er könne nicht leicht einer Sache habhaft werden, die dem Sultan mehr Freude zu machen imstande wäre.

»Wenn der Teppich,« sagte er zu dem Ausrufer, »wirklich die Eigenschaft hätte, die du ihm beilegst, so würde ich den dafür verlangten Preis von vierzig Beuteln nicht zu hoch finden, ja ich könnte mich wohl selbst entschließen, auf diesen Preis einzugehen und außerdem dir noch ein Geschenk zu machen, womit du gewiß zufrieden sein würdest.«

»Gnädiger Herr,« erwiderte der Ausrufer, »ich habe Euch die Wahrheit gesagt, und es wird leicht sein, Euch davon zu überzeugen, wenn Ihr erst den Handel für vierzig Beutel eingegangen seid mit der Bedingung, daß ich Euch zuvor einen Versuch der Art machen lasse. Da Ihr nun die vierzig Beutel nicht hier habt und ich Euch doch, um sie in Empfang zu nehmen, erst nach dem Chan begleiten müßte, wo Ihr als Fremder eingekehrt seid, so wollen wir mit Erlaubnis des Herrn dieses Ladens in den Hinterladen treten, dort werde ich den Teppich ausbreiten, und wenn wir uns beide daraufgesetzt haben und Ihr den Wunsch geäußert haben werdet, mit mir nach Eurem Zimmer in dem Chan versetzt zu sein, und es nicht auf der Stelle in Erfüllung geht, so soll der Handel ungültig und Ihr zu nichts verpflichtet sein. Was das Geschenk betrifft, so werde ich es – da meine Mühe mir ja von dem Verkäufer bezahlt werden muß – als eine Gnade betrachten, die Ihr mir erzeiget, und wofür ich Euch stets verpflichtet sein werde.«

Der Prinz ging im Vertrauen auf die Redlichkeit des Ausrufers auf diesen Vorschlag ein. Er schloß den Kauf unter der erwähnten Bedingung ab und trat mit Erlaubnis des Kaufmanns in den Hintergrund des Ladens. Der Ausrufer breitete da den Teppich aus, beide setzten sich darauf, und kaum hatte der Prinz den Wunsch, in das Zimmer seines Chans versetzt zu werden, geäußert, so befanden sie sich auch schon dort, und zwar in derselben Lage. Da er nun weiter keiner Versicherung für die Kraft des Teppichs mehr bedurfte, so zahlte er dem Ausrufer die Summe von vierzig Beuteln in Golde aus und fügte noch für ihn insbesondere ein Geschenk von zwanzig Goldstücken hinzu.

So war denn nun der Prinz Hussain Besitzer des Teppichs und hatte die Freude, gleich bei seiner Ankunft in Bisnagar ein so seltenes Stück an sich gebracht zu haben, das, wie er nicht zweifelte, ihm den Besitz der Prinzessin Nurunnihar verschaffen mußte. In der Tat hielt er es für unmöglich, daß seine beiden jüngeren Brüder etwas von ihrer Reise mitbringen könnten, was mit demjenigen in Vergleichung kommen könnte, was er so glücklicher Weise hier angetroffen hatte. Er hätte jetzt, ohne sich länger in Bisnagar aufzuhalten, sich durch das bloße Hinsetzen auf den Teppich nach dem verabredeten Zusammenkunftsorte hin versetzen können, allein er hätte dann zu lange warten müssen, und darum beschloß er, da er ohnehin neugierig war, den König von Bisnagar und seinen Hof zu sehen und die Streitkräfte, Gesetze, Sitten, die Religion und die Verfassung des Reichs kennen zu lernen, einige Monate auf Befriedigung dieser Neugierde zu verwenden.

Der König von Bisnagar hatte zur Gewohnheit, wöchentlich einmal den fremden Kaufleuten Zutritt zu seiner Person zu gestatten. Unter dieser Benennung sah der Prinz Hussain, der durchaus nicht für einen Prinzen gelten wollte, ihn mehreremal, und da der Prinz, der übrigens sehr wohlgebildet von Person war, auch noch viel Verstand und Feinheit besaß, wodurch er sich vor den übrigen Kaufleuten, die mit ihm vor dem Könige erschienen, auszeichnete, so pflegte der König sich vorzugsweise immer an ihn zu wenden, wenn er sich nach dem Sultan von Indien und nach den Streitkräften, den Reichtümern und der Verwaltung seines Reichs erkundigte.

Die übrigen Tage verwendete der Prinz dazu, um die Merkwürdigkeiten der Stadt und Umgegend zu besehen. Unter andern sehenswerten Dingen sah er auch einen Götzentempel, dessen Bau dadurch in seiner Art einzig war, daß er ganz von Bronze erbaut war. Seine Grundfläche betrug zehn Ellen ins Gevierte und seine Höhe fünfzehn Ellen; die größte Schönheit darin war ein Götzenbild in menschlicher Größe von gediegenem Golde, dessen Augen zwei Rubinen waren, und zwar so künstlich angebracht, daß es allen, die es ansahen, sie mochten nun auf einer Seite stehen, wie sie immer wollten, stets vorkam, als richtete es die Augen auf sie. Dann sah er noch einen, der nicht minder bewundernswürdig war. Dieser war in einem Dorfe. Es war da nämlich eine Ebene von etwa zehn Morgen Landes, die aus einem einzigen, köstlichen, mit Rosen und andern anmutigen Blumen übersäten Garten bestand, und dieser ganze Raum war mit einer kleinen Mauer von der Höhe eines Geländers umgeben, um zu verhindern, daß ein Tier demselben zu nahe käme. Mitten in der Ebene erhob sich eine Terrasse, die so künstlich mit ineinandergefügten Steinen überkleidet war, daß sie wie ein einziger großer Stein aussah. Der Tempel, welcher mitten auf der Terrasse stand und eine Kuppelform hatte, war fünfzig Ellen hoch, so daß man ihn von mehreren Orten ringsum sehen konnte. Seine Länge betrug dreißig und seine Breite zwanzig Ellen. Der rote Marmor, woraus er erbaut war, hatte eine außerordentliche Politur. Das Gewölbe der Kuppel war mit drei Reihen sehr lebendiger und geschmackvoller Gemälde geschmückt, und der ganze Tempel war durchaus mit so vielen andern Gemälden, halb erhobenem Bildwerk und Götzenbildern angefüllt, daß es keinen Ort darin gab, der nicht voll davon war.

Früh und abends beging man in diesem Tempel abergläubische Zeremonieen, auf welche Spiele, Musik, Tanz, Gesang und Feste folgten, und die Diener des Tempels sowie die Einwohner des Ortes leben bloß von den Opfergaben, welche die zahlreichen Pilger von den entferntesten Gegenden des Reichs dahin bringen, um ihre Gelübde zu erfüllen.

 

Vierhundertundsechste Nacht.

Der Prinz Hussain war auch noch Zuschauer eines feierlichen Festes, das alle Jahre am Hofe von Bisnagar begangen wird, und bei welchem die Statthalter der Provinzen, die Befehlshaber der festen Plätze, die Vorsteher und Richter der einzelnen Städte und die durch ihre Gelehrsamkeit berühmtesten Brahmanen sich einfinden müssen. Einige derselben kommen so weit her, daß sie zu ihrer Reise dahin nicht weniger als vier Monate brauchen. Die Versammlung, die aus einer unzähligen Menge von Indiern besteht, kommt in einer ungeheuren Ebene zusammen, wo sie, so weit das Auge reicht, einen überraschenden Anblick gewährt. In der Mitte dieser Ebene befand sich ein sehr langer und breiter Platz, der auf der einen Seite durch ein prächtiges Gebäude in Form eines Gerüstes begrenzt war, welches neun Stockwerke hatte, von vierzig Säulen getragen wurde und für den König, für den Hof und für die Fremden, die er wöchentlich einmal vor sich ließ, bestimmt war. Im Innern war es prächtig geschmückt und möbliert und von außen mit Landschaften bemalt, worin man alle Arten von Tieren, Vögeln, Insekten und selbst von Fliegen und Mücken ganz nach der Natur gebildet sah. Die drei übrigen Seiten des Platzes waren von andern Gerüsten eingefaßt, die wenigstens vier bis fünf Stockwerke hatten, und deren eines beinahe so wie das andere gemalt war; und diese Gerüste hatten das Eigentümliche, daß man sie von Zeit zu Zeit herumdrehen und dadurch ihr Ansehen und ihre Verzierungen verändern konnte.

Auf beiden Seiten des Platzes waren in geringen Entfernungen voneinander tausend Elefanten in den kostbarsten Harnischen aufgestellt, deren jeder einen viereckigen Turm von vergoldetem Holze trug, worin sich Tonspieler oder Tänzer befanden. Der Rüssel, die Ohren und der übrige Körper dieser Elefanten waren mit Zinnober und andern Farben bemalt, welche die seltsamsten Gestalten vorstellten.

Bei diesem ganzen Schauspiel flößte dem Prinzen nichts so hohe Bewunderung für die Betriebsamkeit, Geschicklichkeit und den Erfindungsgeist der Indier ein als ein sehr großer und mächtiger Elefant, der mit seinen vier Füßen oben auf einem senkrecht aufgerichteten, zwei Fuß hohen Ständer stand und mit seinem Rüssel nach dem Takt der Musik in der Luft herumfocht. Ebenso bewunderte er einen andern nicht minder gewaltigen Elefanten, der auf dem einen Ende eines Balkens stand, der quer über einen zehn Fuß hohen Ständer gelegt und an dessen anderm Ende ein ungeheurer Stein als Gegengewicht befestigt war, so daß er vermittelst desselben bald höher, bald tiefer vor dem Könige und dem ganzen Hofe durch die Bewegungen seines Körpers und Rüssels, gleich dem vorigen Elefanten, den Takt der Musik angab. Die Indier hatten nämlich, sowie sie den Stein als Gegengewicht angebunden, das gegenüberstehende Ende zur Erde herabgebogen und den Elefanten hinauftreten lassen.

Der Prinz Hussain hätte sich noch länger am Hofe und in dem Reiche von Bisnagar aufgehalten und sich bei Betrachtung unzähliger anderer Merkwürdigkeiten daselbst bis zu Ablauf des Jahres angenehm zerstreuen können, nach welchem er der Verabredung gemäß sich wieder mit seinen Brüdern zusammenfinden wollte; allein da er auch durch das, was er gesehen, völlig befriedigt und beständig mit dem Gegenstand seiner Liebe beschäftigt war, und da seit der neuen Erwerbung, die er gemacht, die Schönheit und die Reize der Prinzessin Nurunnihar von Tag zu Tag die Heftigkeit seiner Leidenschaft höher steigerten, so dünkte ihm, sein Gemüt werde ruhiger und er selber zugleich seinem Glücke näher sein, wenn er durch eine geringere Ferne von ihr getrennt wäre. Nachdem er daher dem Wirt des Chans den Mietzins für das Zimmer, welches er innegehabt, bezahlt und ihm die Stunde bezeichnet hatte, wo er den Schlüssel seines Zimmers sich abholen könne, ging er, ohne ihm weiter zu sagen, wie er abreisen würde, in sein Gemach, machte die Tür hinter sich zu, ließ aber den Schlüssel darin stecken. Hier breitete er den Teppich aus und setzte sich mit seinem vertrauten Diener darauf. Sodann sammelte er seine Gedanken, und kaum hatte er recht ernstlich gewünscht, daß er doch in der Herberge sein möchte, wo seine Brüder mit ihm zusammentreffen sollten, als er auch schon da war. Er kehrte da ein, indem er sich für einen reisenden Kaufmann ausgab, und erwartete die andern.

Der jüngere Bruder Hussains, Prinz Ali, welcher, um dem Plane des Sultans von Indien zu entsprechen, sich eine Reise nach Persien vorgenommen hatte, war mit einer Karawane, an die er sich schon am dritten Tage nach der Trennung von seinen beiden Brüdern angeschlossen, dahin abgegangen. Nach einer Reise von beinahe vier Monaten kam er endlich nach Schiras, welches damals die Hauptstadt des persischen Reichs war. Da er unterwegs mit einer kleinen Anzahl von Kaufleuten Bekanntschaft und Freundschaft geschlossen hatte, doch ohne sich weiter ihnen zu erkennen zu geben, so nahm er seine Wohnung in einem und demselben Chan mit ihnen.

Den folgenden Tag, während die andern Kaufleute ihre Warenballen öffneten, zog der Prinz Ali, der bloß zu seinem Vergnügen reiste und sich nur mit dem zu seiner Bequemlichkeit erforderlichen Reisegepäck versehen hatte, andere Kleider an und ließ sich nach dem Orte führen, wo Edelgesteine, Gold- und Silberarbeiten, Brokat, Seidenstoffe, feine Schleiertücher und andere seltene und kostbare Waren zu verkaufen waren. Dieser Ort, der sehr geräumig und sehr dauerhaft angelegt war, war oben überwölbt, und das Gewölbe wurde von dicken Pfeilern getragen; die Buden aber waren teils um diese herum, teils an den Mauern entlang sowohl von innen als von außen angelegt. Der Ort selbst war in Schiras allgemein unter dem Namen Besastan bekannt. Gleich anfangs durchstreifte der Prinz Ali den Besastan in die Länge und Breite und nach allen Seiten und schloß voll Verwunderung aus der erstaunlichen Menge kostbarer Waren, die er da ausgelegt sah, auf die Reichtümer, die da beisammen sein möchten. Unter allen den Ausrufern, welche da kamen und gingen und die verschiedensten Sachen zum Kauf ausboten, sah er zu seinem Erstaunen auch einen, der ein elfenbeinernes Rohr in der Hand hielt, das etwa einen Fuß lang und von der Dicke eines Daumens war, welches er um einen Preis von dreißig Beuteln ausrief. Anfangs glaubte der Prinz, der Ausrufer sei nicht recht bei Verstande. Um sich darüber Auskunft zu verschaffen, trat er an den Laden eines Kaufmanns und sagte zu diesem, indem er auf den Ausrufer hindeutete:

»Herr, sagt mir doch, ich bitte Euch, ob ich mich täusche! Ist jener Mann, der ein kleines elfenbeinernes Rohr zu einem Preise von dreißig Beuteln ausbietet, wohl bei völligem Verstande?«

»Herr,« erwiderte der Kaufmann, »wenn er nicht etwa seit gestern seinen Verstand verloren hat, so kann ich Euch übrigens sagen, daß er der klügste unter allen unsern hiesigen Ausrufern ist und zugleich am meisten gesucht wird, wenn man Sachen verkaufen will, weil man zu ihm am meisten Zutrauen hat. Was indes jenes Rohr betrifft, das er zu einem Preise von dreißig Beuteln ausruft, so muß es wohl aus irgend einem Grunde, den wir nicht wissen, so viel und vielleicht noch mehr wert sein. Er wird augenblicklich wieder hier vorbeikommen, wir wollen ihn dann anrufen, und Ihr mögt Euch selber von der Sache unterrichten. Unterdes könnt Ihr Euch ja auf mein Sofa hier setzen und etwas ausruhen.«

Der Prinz Ali lehnte das höfliche Anerbieten des Kaufmanns nicht ab, und kaum hatte er eine Weile dagesessen, als der Ausrufer schon wieder vorbeiging. Der Kaufmann rief ihn beim Namen, und jener trat herein. Hierauf sagte der Kaufmann zu ihm, indem er auf den Prinzen hinwies:

»Antwortet einmal diesem Herrn da, welcher mich fragt, ob Ihr wohl bei Verstande wäret, daß Ihr ein elfenbeinernes Rohr, das so wenig Wert zu haben scheint, für dreißig Beutel ausbietet. Ich würde mich selbst wundern, wenn ich nicht wüßte, daß Ihr ein verständiger Mann seid.«

Der Ausrufer wendete sich jetzt zu dem Prinzen und sagte zu diesem:

»Herr, Ihr seid nicht der einzige, der mich wegen dieses Rohres für einen Toren ansieht; doch Ihr möget selber urteilen, ob ich einer bin, wenn ich Euch die Eigenschaft desselben gesagt haben werde. Ich hoffe, daß Ihr dann ein ebenso hohes Gebot darauf tun werdet wie diejenigen, denen ich es bisher gezeigt und die eine ebenso üble Meinung von mir hatten als Ihr.

Zuerst,« fuhr der Ausrufer fort, indem er das Rohr dem Prinzen überreichte, »müßt Ihr wissen, daß dieses Rohr an jedem Ende ein Glas hat, und daß, wenn man durch eines dieser Gläser sieht, man alles sogleich erblickt, was man zu sehen irgend wünscht.«

»Ich bin bereit, Euch eine feierliche Genugtuung zu geben,« erwiderte der Prinz Ali, »wenn Ihr mir die Wahrheit dessen, was Ihr behauptet, dartun könntet.« Und da er das Glas in der Hand hatte, so besah er sich die beiden Gläser und fuhr dann fort: »Zeiget mir doch, wo ich hineinsehen muß, um mir darüber Aufklärung zu verschaffen!«

Der Ausrufer zeigte es ihm. Der Prinz sah hinein, und als er seinen Vater, den Sultan von Indien, zu sehen wünschte, so sah er ihn augenblicklich in der vollkommensten Gesundheit in der Mitte seiner Ratsversammlung auf dem Throne sitzen. Sodann, da er nächst dem Sultan auf der Welt nichts lieber hatte als die Prinzessin Nurunnihar, so wünschte er auch diese zu sehen, und sogleich erblickte er sie an ihrem Putztisch sitzend, umgeben von ihren Frauen, lachend und in der heitersten Laune.

Es bedurfte keiner Probe weiter, um den Prinzen zu überzeugen, daß dieses Rohr die kostbarste Sache wäre, die in der Stadt Schiras, ja in der ganzen Welt damals existierte, und er glaubte, daß, wenn er diese zu kaufen unterließe, so würde er nie mehr, weder zu Schiras, wenn er auch zehn Jahre da bliebe, noch auch anderswo, eine Seltenheit der Art antreffen, die er von seiner Reise mitbringen könnte. Er sagte daher zu dem Ausrufer:

»Ich nehme meine unvernünftige Ansicht, die ich von Eurem Verstande gehabt habe, gern zurück und glaube, daß Ihr mit der Genugtuung, die ich Euch dadurch zu geben gedenke, daß ich das Rohr selber kaufe, völlig zufrieden sein werdet. Da es mir leid tun würde, wenn ein anderer als ich es kaufte, so saget mir aufs genaueste den Preis, den der Verkäufer dafür haben will. Ohne Euch mit Hin- und Hergehen zu ermüden, dürft Ihr dann nur mit mir kommen, und ich werde Euch die Summe bar auszahlen.«

Der Ausrufer versicherte ihn mit einem Schwur, ihm sei befohlen, es durchaus für vierzig Beutel zu verkaufen, und wofern er daran zweifelte, so wollte er ihn zu dem Verkäufer selber führen. Der Prinz glaubte seinem Wort, nahm ihn mit sich nach Hause, und als sie in seiner Wohnung in dem Chan angelangt waren, so zahlte er ihm die vierzig Beutel in den schönsten Goldstücken aus und wurde so Besitzer des elfenbeinernen Rohres.

Als der Prinz Ali diesen Kauf gemacht hatte, so freute er sich umsomehr darüber, da er glaubte, daß seine zwei andern Brüder gewiß nichts so Seltenes und Bewundernswürdiges angetroffen haben würden, und daß folglich die Prinzessin Nurunnihar der Lohn für die Beschwerden seiner Reise sein werde. Er dachte jetzt bloß noch darauf, unerkannt den Hof von Persien und die Merkwürdigkeiten der Stadt Schiras und ihrer Umgegend kennen zu lernen, bis dann die Karawane, mit welcher er gekommen war, wieder ihren Rückweg nach Indien antreten würde. Er hatte seine Neugierde vollkommen befriedigt, als die Karawane Anstalten zur Abreise machte. Der Prinz unterließ nicht, sich an sie anzuschließen, und machte sich mit ihr auf den Weg. Kein Unfall störte oder unterbrach die Reise, und ohne weitere Unbequemlichkeit außer den gewöhnlichen Beschwerden des Weges kam er glücklich an dem bestimmten Ort an, wo der Prinz Hussain bereits eingetroffen war. Der Prinz Ali fand diesen schon vor und wartete mit ihm daselbst auf den Prinzen Achmed.

 

Vierhundertundsiebente Nacht.

Der Prinz Achmed hatte unterdessen seinen Weg nach Samarkand genommen, und gleich am folgenden Tage nach seiner Ankunft hatte er es wie seine beiden Brüder gemacht und war nach dem Besastan gegangen. Kaum war er hineingetreten, als ein Ausrufer in seine Nähe hintrat, mit einem künstlich gemachten Apfel in der Hand, den er zu dem Preise von fünfunddreißig Beuteln ausrief. Er hielt den Ausrufer an und sagte zu ihm:

»Zeiget mir diesen Apfel und saget mir, welche so außerordentliche Kraft oder Eigenschaft er wohl hat, daß Ihr ihn zu einem so hohen Preise ausbietet!«

Der Ausrufer gab ihm den Apfel in die Hand, damit er ihn in Augenschein nehmen möchte, und sagte dann zu ihm:

»Herr, dieser Apfel, wenn man ihn bloß äußerlich betrachtet, ist wirklich etwas sehr Unbedeutendes, doch wenn man die Eigenschaften und Kräfte desselben und den bewundernswürdigen Gebrauch, den man davon zum Wohl der Menschen machen kann, in Erwägung zieht, so muß man sagen, daß er eigentlich unschätzbar ist, und daß derjenige, der ihn besitzt, an ihm offenbar einen seltenen Schatz besitzt. In der Tat, es gibt keinen Kranken, er mag mit einer tödlichen Krankheit behaftet sein, mit welcher er nur immer will, mit anhaltendem Fieber, mit rotem Friesel, Seitenstechen, Pest und andern Krankheiten der Art, der nicht, und läge er auch schon im Sterben, dadurch geheilt würde und seine Gesundheit so vollständig wiedererhielte, als wäre er niemals krank gewesen, und das auf die leichteste Art von der Welt, nämlich durch das bloße Riechen daran.«

»Wenn man Euch glauben darf,« erwiderte der Prinz Achmed, »so ist das freilich ein Apfel von wunderbarer Kraft, ja man kann sagen, er ist unschätzbar; allein wodurch kann denn ein rechtlicher Mann wie ich, der ihn gern kaufen möchte, sich überzeugen, daß bei Eurer Lobpreisung des Apfels keine Verstellung oder Übertreibung stattfindet?«

»Herr,« erwiderte der Ausrufer, »die Sache ist in der ganzen Stadt Samarkand bekannt und bewährt, und ohne erst weit zu gehen, könnt Ihr ja alle hier versammelten Kaufleute befragen und zusehen, was sie Euch sagen werden, und Ihr werdet darunter mehrere finden, die – wie sie es selber Euch versichern werden – heute nicht mehr am Leben sein würden, wenn sie nicht dieses treffliche Mittel gebraucht hätten. Es ist die Frucht der Studien und Nachtwachen eines sehr berühmten Philosophen dieser Stadt, der sich sein ganzes Leben hindurch auf die Erforschung der Kräfte der Pflanzen und Mineralien gelegt hatte und endlich auf den Punkt gelangt war, daraus diese zusammengesetzte Masse zu bereiten, die Ihr hier sehet, wodurch er in dieser Stadt so erstaunliche Kuren bewirkt hat, daß sein Andenken hier nie in Vergessenheit kommen wird. Vor kurzem raffte ihn der Tod so plötzlich hin, daß er selber nicht mehr so viel Zeit hatte, um von seinem Universalmittel Gebrauch zu machen, und seine Witwe, welcher er nur ein sehr geringes Vermögen und eine große Anzahl unerzogener Kinder hinterlassen, hat sich endlich entschlossen, diesen Apfel verkaufen zu lassen, um sich und ihre Familie etwas bequemer einrichten zu können.«

Während der Ausrufer ihn von den Eigenschaften des künstlichen Apfels unterrichtete, blieben mehrere Personen stehen und umringten sie. Die meisten bestätigten das Gute, das er von demselben sagte, und da einer derselben anzeigte, er habe einen Freund, der so gefährlich krank sei, daß man an seinem Aufkommen verzweifle, und dies sei folglich eine sehr bequeme Gelegenheit, um einen Versuch damit zu machen, so nahm der Prinz Achmed das Wort und sagte zu dem Ausrufer, er wolle ihm vierzig Beutel dafür geben, wenn der Kranke durch das bloße Riechen daran geheilt würde.

Der Ausrufer, welcher Befehl hatte, ihn um diesen Preis zu verkaufen, sagte zu dem Prinzen:

»Herr, wir wollen diesen Versuch machen, und der Apfel ist somit Euer; denn es ist gar kein Zweifel, daß er nicht diesmal ebensogut seine Wirkung tun sollte als die früheren Male, wo man so oft Kranke, die schon aufgegeben waren, durch ihn wieder von den Pforten des Todes zurückrief.«

Der Versuch glückte, und der Prinz, nachdem er die vierzig Beutel dem Ausrufer, der ihm den künstlichen Apfel überließ, bar ausgezahlt hatte, erwartete nun mit Ungeduld den Abgang der ersten besten Karawane, um nach Indien zurückzukehren. Er benutzte die Zwischenzeit unterdes, um in Samarkand und dessen Umgebungen alles zu besehen, was irgend seine Neugierde reizte, besonders das Tal Sogd, welches von dem gleichnamigen Flusse seinen Namen hat, und das die Araber wegen der Schönheit seiner Gefilde und seiner Gärten und Paläste sowie auch wegen seines Überflusses an Früchten aller Art und wegen der Annehmlichkeiten, welche man da während der schönen Jahreszeit genießt, für eines der vier Paradiese der Welt halten.

Der Prinz Achmed versäumte unterdes nicht die erste Karawane, die nach Indien abging. Er reiste ab, und ungeachtet der Unbequemlichkeiten, die bei einer langen Reise unvermeidlich sind, gelangte er dennoch bei vollkommener Gesundheit in der Herberge an, wo die Prinzen Hussain und Ali ihn erwarteten.

Der Prinz Ali, welcher etwas früher als der Prinz Achmed da eingetroffen war, hatte den Prinzen Hussain, welcher zuerst angekommen war, gefragt, seit wie lange er schon da angelangt sei. Und als er erfuhr, daß es fast schon drei Monate her wäre, so hatte er zu ihm gesagt: »Du mußt also wohl nicht weit gewesen sein.«

»Ich will jetzt,« erwiderte der Prinz Hussain, »von dem Orte, wo ich gewesen bin, weiter nichts sagen; allein ich kann dich versichern, daß ich mehr als drei Monate, um hinzukommen, gebraucht habe.«

»Wenn das der Fall ist,« sagte darauf der Prinz Ali, »so mußt du dich sehr kurze Zeit da aufgehalten haben.«

»Mein Bruder,« antwortete ihm der Prinz Hussain, »du täuschest dich. Mein Aufenthalt daselbst währte länger als vier bis fünf Monate, und es hing bloß von mir ab, ihn noch zu verlängern.«

»Wofern du nicht etwa zurückgeflogen bist,« erwiderte darauf der Prinz Ali, »so begreife ich nicht, wie es schon drei Monate her sein kann, daß du hier bist, wie du mich überreden willst.«

»Ich habe dir die Wahrheit gesagt,« fuhr der Prinz Hussain fort, »und das Rätsel werde ich dir erst bei Ankunft unseres Bruders Achmed lösen, wo ich dir zugleich sagen werde, welche Seltenheit ich von meiner Reise mitgebracht habe. Was dich betrifft, so weiß ich nicht, was du mitgebracht hast, aber es mag wohl eben nichts Bedeutendes sein; in der Tat, ich sehe eben nicht, daß dein Reisegepäck ansehnlicher und größer geworden wäre.«

»Und was dich betrifft,« erwiderte der Prinz Ali, »so kommt es mir vor, daß, wofern ich den unscheinbaren Teppich ausnehme, womit dein Sofa überdeckt ist, ich deinen Spott durch einen gleichen erwidern könnte. Indes da du, wie es scheint, aus der mitgebrachten Seltenheit ein Geheimnis machen willst, so wirst du mir es nicht übelnehmen, wenn ich es ebenso in Hinsicht auf die meinige mache.«

Der Prinz antwortete: »Ich setze die Seltenheit, welche ich mitgebracht, so weit über jede andere, von welcher Art sie auch sein mag, daß ich sie dir ohne Schwierigkeit zeigen und dich durch eine nähere Angabe ihres Wertes leicht dahin bringen würde, mit mir übereinzustimmen, ohne zu fürchten, daß die, welche du vielleicht mitgebracht, ihr vorgezogen werden könnte. Doch es ist am passendsten, daß wir erst die Ankunft unseres Bruders Achmed abwarten, dann können wir mit mehr Rücksicht und Anstand uns einander das Glück mitteilen, das uns zuteil geworden ist.«

Der Prinz Ali wollte sich mit dem Prinzen Hussain nicht weiter wegen des Vorzugs der von ihm mitgebrachten Seltenheit in Streit einlassen, sondern begnügte sich mit der Überzeugung, daß, wenn auch das Rohr, welches er vorzuzeigen hatte, nicht gerade den Vorzug verdienen sollte, es doch wenigstens nicht dahinter zurückstehen könne, und so verabredete er sich mit ihm, mit dem Vorzeigen desselben bis zur Ankunft des Prinzen Achmed zu warten.

 

Vierhundertundachte Nacht.

Als der Prinz Achmed bei seinen beiden Brüdern wieder eingetroffen war und sie sich einander zärtlich umarmt und sich zu dem glücklichen Wiedersehen an diesem Orte Glück gewünscht hatten, nahm der Prinz Hussain, als der älteste, das Wort und sagte:

»Meine Brüder, wir werden noch Zeit genug übrig haben, um uns von den einzelnen Umständen unserer gegenseitigen Reisen zu unterhalten. Für jetzt wollen wir davon reden, was uns zu wissen am wichtigsten ist, und da ihr gewiß euch noch so gut wie ich daran erinnert, welches der Hauptbeweggrund zu unseren Reisen gewesen, so wollen wir uns nicht verhehlen, was wir von da mitgebracht, und indem wir es uns gegenseitig vorzeigen, wollen wir im voraus jedem sein Recht widerfahren lassen und zusehen, welchem von uns wohl der Sultan, unser Vater, den Vorzug erteilen könnte.

Um euch mit gutem Beispiel voranzugehen,« fuhr der Prinz Hussein fort, »will ich euch nur sagen, daß die Seltenheit, die ich von meiner Reise in das Königreich Bisnagar mitgebracht, in dem Teppich besteht, worauf ich sitze. Es ist freilich ein sehr gewöhnlicher und unscheinbarer, wie ihr seht; doch wenn ich euch seine Eigenschaft werde auseinandergesetzt haben, so werdet ihr euch umsomehr wundern, da ihr wohl nie von etwas Ähnlichem der Art gehört habt, wie ihr selbst eingestehen werdet. In der Tat, wie gering er auch immer in euren Augen erscheinen mag, wenn man sich, wie wir jetzt, darauf setzt und an irgend einen Ort hin versetzt zu werden wünscht, wie entfernt er auch immer sein mag, so ist man fast in einem Augenblicke da. Ich habe es selber versucht, ehe ich die vierzig Beutel, die er mich kostet, bezahlte, und habe es nicht bereut. Als ich nun meine Neugierde am Hofe und im ganzen Königreiche von Bisnagar befriedigt hatte und heimkehren wollte, so bediente ich mich keines Fuhrwerks weiter als dieses Wunderteppichs, um sowohl mich hierher zurückzubringen als auch meinen Reisegefährten, der euch wird sagen können, wieviel Zeit ich gebraucht habe, um hierher zu gelangen. Ich werde euch beiden, sobald ihr es nur werdet haben wollen, eine Probe davon zeigen. Ich erwarte nun, daß ihr mir saget, ob das, was ihr mitgebracht habt, mit meinem Teppich irgend in Vergleichung kommen kann.«

Der Prinz Hussain hörte mit diesen Worten auf, seinen Teppich herauszupreisen, und der Prinz Ali nahm nun das Wort und sprach:

»Mein Bruder, man muß gestehen, daß dein Teppich eines der wunderbarsten Dinge ist, die man sich nur denken kann, wenn er wirklich, wie ich nicht zweifle, die Eigenschaft besitzt, die du von ihm ausgesagt hast. Indes du wirst eingestehen, daß es noch andere Dinge geben kann, die, wenn auch nicht noch mehr, doch wenigstens ebenso wunderbar in ihrer Art sind, und um dich zu dieser Ansicht zu stimmen« – fuhr er fort –, »so ist zum Beispiel dies elfenbeinerne Rohr hier so gut wie dein Teppich eine Seltenheit, die alle Aufmerksamkeit verdient. Ich habe sie minder teuer gekauft als du deinen Teppich, und ich bin mit meinem Kauf nicht minder zufrieden als du mit dem deinigen. Bei deiner Billigkeit wirst du mir bald eingestehen, daß ich damit nicht betrogen worden bin, wenn du dich durch einen eigenen Versuch überzeugt haben wirst, daß, wenn man in das eine Ende desselben hineinsieht, man alles erblickt, was man nur irgend wünscht. Du darfst mir nicht auf mein bloßes Wort glauben« – fügte der Prinz Ali hinzu, indem er ihm das Rohr überreichte –, »hier ist es, siehe zu, ob ich dir bloß etwas vorspiegle oder nicht.«

Der Prinz Hussain nahm das elfenbeinerne Rohr aus der Hand des Prinzen Ali, hielt es mit dem von ihm bezeichneten Ende an sein Auge und wünschte, die Prinzessin Nurunnihar zu sehen und zu erfahren, wie sie sich befinde. Der Prinz Ali und der Achmed, welche die Augen auf ihn geheftet hatten, gerieten in das äußerste Erstaunen, als sie ihn plötzlich die Farbe verändern sahen, und zwar auf eine Weise, die die höchste Bestürzung und eine große Betrübnis verriet. Der Prinz Hussain ließ ihnen nicht erst Zeit, um ihn nach der Ursache dieser Erscheinung zu fragen, sondern rief aus:

»Brüder, es ist umsonst, daß wir alle drei eine so beschwerliche Reise unternommen haben in der Hoffnung, durch den Besitz der reizenden Nurunnihar dafür belohnt zu werden; diese liebenswürdige Prinzessin wird binnen wenigen Augenblicken nicht mehr am Leben sein. Ich sah sie eben in ihrem Bette, umgeben von ihren Frauen und Verschnittenen, die alle in Tränen schwammen und jeden Augenblick zu erwarten schienen, daß sie den Geist aufgeben würde. Da nehmet und sehet sie selber in diesem traurigen Zustande und vereinigt eure Tränen mit den meinigen.«

Der Prinz Ali nahm das elfenbeinerne Rohr aus der Hand des Prinzen Hussain, sah hinein und gab, nachdem er zu seinem tiefen Schmerz dasselbe erblickt hatte, es weiter an den Prinzen Achmed, damit dieser ebenfalls ein so trauriges und betrübendes Schauspiel, das sie alle drei gleich nahe anging, betrachten möchte.

Als der Prinz Achmed das elfenbeinerne Rohr aus den Händen des Prinzen Ali empfangen und beim Hineinsehen ebenfalls die Prinzessin Nurunnihar dem Tode nahe erblickt hatte, nahm er das Wort und sagte zu den beiden andern Prinzen, seinen Brüdern:

»Brüder, die Prinzessin Nurunnihar, welche der gemeinsame Gegenstand unserer Wünsche ist, befindet sich wirklich in einem höchst beunruhigenden Zustande, indes, wie es mir scheint, so ist es wohl noch möglich, wofern wir nur keine Zeit verlieren, den Augenblick des Todes noch zu entfernen.«

Zugleich zog der Prinz Achmed aus seinem Busen den künstlichen Apfel, den er sich gekauft hatte, zeigte ihn seinen Brüdern und sagte:

»Der Apfel, den ihr hier sehet, hat mich nicht weniger gekostet als der Teppich und das elfenbeinerne Rohr, das ein jeder von euch von seiner Reise mitgebracht hat. Die Gelegenheit, die sich darbietet, euch seine Wunderkraft zu zeigen, macht, daß mich die vierzig Beutel, die er mich kostet, nicht reuen. Um euch nicht länger in gespannter Erwartung zu halten, sage ich euch hiermit, er hat die Kraft, daß ein jeder Kranke, und läge er auch schon in den letzten Zügen, durch das bloße Daranriechen seine Gesundheit auf der Stelle wiedererlangt. Der Versuch, den ich selber damit angestellt, läßt mich nicht daran zweifeln, und ich kann euch selber die Wirkung desselben an der Prinzessin Nurunnihar zeigen, wenn wir nur die nötige Eile anwenden, um ihr zu helfen.«

»Wenn dies der Fall ist,« sagte hierauf der Prinz Hussain, »so können wir nicht schleuniger dahin eilen, als wenn wir uns vermittelst meines Teppichs augenblicklich in das Zimmer der Prinzessin hinversetzen. Lasset uns keine Zeit verlieren, kommet und setzet euch mit mir hierher, er ist groß genug, um uns alle drei ohne Unbequemlichkeit aufzunehmen; doch vor allen Dingen muß jeder von uns seinem Diener anempfehlen, daß er mit den andern sogleich abreise und uns dort im Palaste aufsuche.«

Als dieser Befehl gegeben worden war, setzten sich die Prinzen Ali und Achmed nebst dem Prinzen Hussain auf den Teppich, und da sie alle drei dasselbe Interesse hatten, so wünschten sie auch alle drei, in das Zimmer der Prinzessin Nurunnihar versetzt zu werden. Ihr Wunsch ward erfüllt, und sie wurden so schnell hinversetzt, daß sie es nicht eher merkten, als bis sie sich an dem erwünschten Orte angelangt sahen.

Die unerwartete Erscheinung der drei Prinzen erschreckte die Frauen und die Verschnittenen der Prinzessin, welche nicht begreifen konnten, durch welche Zauberei auf einmal drei Männer in ihrer Mitte erschienen. Sie erkannten sie sogar anfangs nicht einmal, und die Verschnittenen waren schon im Begriff, auf sie loszustürzen als auf Leute, die an einen Ort sich eingedrängt hätten, wohin sie nicht kommen dürften; allein sie kamen sehr bald von ihrem Irrtum zurück und erkannten sie für das, was sie waren.

 

Vierhundertundneunte Nacht.

Kaum sah sich der Prinz Achmed in dem Zimmer der im Sterben liegenden Prinzessin, als er nebst seinen Brüdern von dem Teppich aufstand, sich ihrem Bette näherte und ihr den Wunderapfel vor die Nase hielt. Einige Augenblicke nachher schlug die Prinzessin die Augen auf und wendete den Kopf nach beiden Seiten hin, sah die Umstehenden an, setzte sich dann auf und verlangte angekleidet zu werden, und zwar mit derselben Unbefangenheit und Besonnenheit, als ob sie bloß von einem langen Schlaf erwachte. Ihre Frauen sagten ihr nun sogleich, daß sie den drei Prinzen, ihren Vettern, und vor allem dem Prinzen Achmed diese plötzliche Wiederherstellung ihrer Gesundheit verdanke. Sie bezeigte ihnen daher ihre Freude, sie wiederzusehen, und stattete ihnen insgesamt und dem Prinzen Achmed insbesondere ihren Dank ab. Da sie angekleidet zu werden wünschte, so begnügten sich die Prinzen, ihr ihre große Freude darüber zu bezeigen, daß sie gerade zu rechter Zeit noch angelangt seien, um insgesamt dazu beitragen zu können, sie aus ihrer augenscheinlichen Lebensgefahr zu retten, und nachdem sie ihr noch ihre innigen Wünsche für eine recht lange Dauer ihres Lebens an den Tag gelegt, entfernten sie sich.

Während die Prinzessin sich ankleidete, gingen die Prinzen von ihr unmittelbar hin, um sich zu den Füßen ihres Vaters, des Sultans, zu werfen und ihm ihre Ehrerbietung zu bezeigen. Als sie vor ihm erschienen, fanden sie, daß der Oberaufseher der Verschnittenen der Prinzessin ihnen bereits zuvorgekommen war und ihm ihre unvermutete Ankunft und die durch sie erfolgte vollständige Heilung der Prinzessin angemeldet hatte. Der Sultan umarmte sie um desto freudiger, da er in dem Augenblick, wo er sie wiedersah, auch zugleich erfuhr, daß seine Nichte, die Prinzessin, die er wie seine eigene Tochter liebte, nachdem sie von den Ärzten bereits aufgegeben worden, auf eine so wunderbare Weise ihre Gesundheit wiedererhalten habe. Nach den bei solchen Gelegenheiten üblichen Begrüßungen zeigte jeder der Prinzen ihm die mitgebrachte Seltenheit vor: der Prinz Hussain seinen Teppich, den er aus dem Zimmer der Prinzessin wieder mitgenommen hatte, der Prinz Ali das elfenbeinerne Rohr und der Prinz Achmed den künstlichen Apfel: und nachdem jeder das Seinige herausgepriesen, händigten sie ihm nach der Reihe alle drei Stücke ein und baten ihn zu entscheiden, welchem von den drei Stücken er den Vorzug erteile, und welchem unter ihnen dreien er seinem Versprechen gemäß die Prinzessin Nurunnihar zur Gemahlin gebe.

Der Sultan von Indien, nachdem er sehr wohlwollend alles, was ihm jeder der Prinzen zum Lobe der von ihm mitgebrachten Seltenheit sagen mochte, ohne Unterbrechung angehört und sich nach allem, was bei der Heilung der Prinzessin Nurunnihar vorgegangen, wohl erkundigt hatte, schwieg eine Weile still, als überlegte er, was er ihnen antworten solle. Endlich unterbrach er dieses Schweigen und hielt folgende sehr weise Rede an sie:

»Meine Kinder, ich würde sehr gern einen unter euch nennen, wenn ich es mit voller Gerechtigkeit tun könnte: allein überlegt selber, ob ich es kann, Dir, o Achmed, und deinem künstlichen Apfel verdankt freilich die Prinzessin, meine Nichte, ihre Heilung; aber ich frage dich selber, würdest du sie haben bewirken können, wenn nicht zuvor das elfenbeinerne Rohr Alis dir Gelegenheit gegeben hätte, die Gefahr kennen zu lernen, worin sie schwebte, und wenn nicht der Teppich Hussains dir seine Dienste geleistet hätte, um ihr schnell zu Hilfe eilen zu können? Dein elfenbeinernes Rohr, o Ali, hat wiederum dazu gedient, dir und deinen Brüdern zu zeigen, daß ihr auf dem Punkte standet, die Prinzessin zu verlieren, und dafür ist sie, wie man gestehen muß, dir großen Dank schuldig. Doch mußt du auch gestehen, daß dir deine Kenntnis für die Erreichung des Zweckes nichts genützt hätte, wenn nicht der Teppich und der künstliche Apfel gewesen wären. Und was dich, Hussain, betrifft, so würde die Prinzessin sehr undankbar sein, wenn sie dir nicht wegen des Teppichs, der zu Bewirkung ihrer Wiederherstellung so nötig gewesen, vielen Dank wissen sollte; allein bedenke selbst, daß er dir hierzu von gar keinem Nutzen gewesen sein würde, wenn du nicht durch das elfenbeinerne Rohr Alis ihre Krankheit erfahren hättest und Achmed nicht seinen Wunderapfel zu ihrer Heilung angewendet hätte. Da nun also weder der Teppich, noch das elfenbeinerne Rohr, noch der künstliche Apfel irgend einem von euch einen Vorzug vor den andern geben, sondern vielmehr euch alle einander gleichstellen, und da ich die Prinzessin Nurunnihar doch nur einem einzigen geben kann, so sehet ihr selber, daß die einzige Frucht, die ihr von euren Reisen geerntet habt, in dem Ruhme besteht, daß ihr alle auf gleiche Weise zur Herstellung ihrer Gesundheit beigetragen habt.

Wenn dies nun so ist,« fuhr der Sultan fort, »so sehet ihr zugleich ein, daß ich zu einem anderen Mittel meine Zuflucht nehmen muß, um mich über die Wahl, die ich unter euch darin treffen soll, bestimmt zu entscheiden. Da es nun aber bis zu Anbruch der Nacht noch lange hin ist, so will ich noch heute folgendes tun. Gehet und nehmet ein jeder einen Bogen und einen Pfeil und begebet euch aus der Stadt hinaus auf die große Ebene, wo die Pferde zugeritten werden; ich werde ebendahin mich begeben, und ich erkläre, daß ich die Prinzessin Nurunnihar demjenigen zur Gemahlin geben werde, welcher am weitesten schießen wird.

Übrigens kann ich bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen, euch insgesamt und jedem noch insbesondere für das Geschenk zu danken, welches ihr mir mitgebracht habt. Ich besitze in meiner Sammlung gar manche Seltenheiten, doch keine einzige derselben kommt an Vorzüglichkeit dem Teppich, dem elfenbeinernen Rohre und dem künstlichen Apfel bei, womit ich jetzt meine Sammlung vermehren und bereichern will. Alle drei Stücke werden die erste Stelle darin einnehmen, und ich werde sie da sorgfältig aufbewahren nicht bloß wegen ihrer Merkwürdigkeit, sondern auch, um bei Gelegenheit nützlichen Gebrauch davon zu machen.«

Die drei Prinzen wußten gegen diese soeben ausgesprochene Entscheidung des Sultans nichts einzuwenden. Als sie sich von seinem Angesicht entfernt hatten, verschaffte man einem jeden von ihnen einen Bogen und einen Pfeil, die sie sofort einem von ihren Dienern, die sich auf die Nachricht von ihrer Wiederkunft sogleich versammelt hatten, einhändigten und sich dann, von einer unzähligen Menge Volk begleitet, auf die Ebene hinaus begaben, wo die Pferde zugeritten zu werden pflegten.

Der Sultan ließ nicht lange auf sich warten. Sobald er angekommen war, nahm der Prinz Hussain, als der älteste, Pfeil und Bogen und schoß zuerst. Darauf schoß der Prinz Ali, und man sah seinen Pfeil viel weiter fliegen und niederfallen als den des Prinzen Hussain. Der Prinz Achmed schoß zuletzt, aber man verlor seinen Pfeil aus dem Gesicht, und niemand sah ihn niederfallen. Man eilte hin, man suchte, allein wieviel Sorgfalt alle und auch der Prinz Achmed selber anwendeten, es war nicht möglich, den Pfeil weder in der Nähe noch in der Ferne aufzufinden. Obwohl man glauben mußte, daß er am weitesten geschossen und folglich verdient habe, daß ihm die Hand der Prinzessin Nurunnihar zugesprochen würde, so war dennoch, um die Sache augenscheinlich und gewiß zu machen, die Auffindung des Pfeils erforderlich, und der Sultan ermangelte daher nicht, ungeachtet aller Gegenvorstellungen Achmeds sich zugunsten seines Bruders Ali zu entscheiden. Er gab nun sogleich Befehl, daß zu der Hochzeitsfeier die nötigen Anstalten getroffen würden, und wenige Tage darauf ward die Hochzeit mit vielem Glanze gefeiert.

 

Vierhundertundzehnte Nacht.

Der Prinz Hussain beehrte das Fest nicht mit seiner Gegenwart. Da seine Liebe zu der Prinzessin Nurunnihar sehr innig und herzlich war, so fühlte er sich nicht stark genug, um es mit Gleichmut zu ertragen und mit anzusehen, wie sie in die Arme des Prinzen Ali geführt würde, der – wie er meinte – sie nicht mehr verdiente, noch auch sie feuriger liebte als er. Er empfand im Gegenteil ein so tiefes Mißfallen darüber, daß er den Hof verließ und, auf sein Recht der Thronfolge Verzicht leistend, hinging und Derwisch wurde und sich zu einem sehr berühmten Scheich in die Lehre gab, der wegen seines musterhaften Lebenswandels in hohem Ansehen stand und in einer anmutigen Einöde seine und seiner Schüler Wohnung aufgeschlagen hatte.

Der Prinz Achmed war aus denselben Gründen wie Hussain ebenfalls bei der Hochzeit des Prinzen Ali und der Prinzessin Nurunnihar nicht zugegen, doch er entsagte deshalb nicht der Welt wie jener. Da er gar nicht begreifen konnte, wie der von ihm abgeschossene Pfeil sozusagen unsichtbar geworden sei, so entfernte er sich von seinen Leuten, und mit dem Entschlusse, ihn so eifrig zu suchen, daß er sich nichts vorzuwerfen habe, begab er sich an den Ort hin, wo die Pfeile der Prinzen Hussain und Ali von der Erde aufgehoben worden waren. Von da ging er in grader Richtung vorwärts, immer rechts und links blickend, und ohne zu finden, was er suchte, war er endlich so weit gekommen, daß er seine Mühe für ganz vergeblich erkannte. Indes gleichsam wider seinen Willen weiter fortgezogen, setzte er dennoch seinen Weg immer weiter fort, bis er zu sehr hohen Felsen kam, bei denen er offenbar seitwärts ablenken mußte, wofern er noch weiter gehen wollte. Diese Felsen waren außerordentlich steil und lagen in einer öden und unfruchtbaren Gegend etwa vier Stunden von da entfernt, wo er ausgegangen war.

Als der Prinz Achmed sich diesen Felsen näherte, bemerkte er einen Pfeil, hob ihn auf, betrachtete ihn und sah zu seiner großen Verwunderung, daß es der von ihm abgeschossene sei.

»Er ist es wirklich,« sprach er bei sich selbst, »aber weder ich noch irgend ein anderer Sterblicher auf der ganzen Welt kann die Kraft haben, einen Pfeil so weit zu schießen.«

Da er ihn auf der Erde liegend und nicht mit der Spitze darin feststeckend gefunden hatte, so schloß er, daß er an den Felsen geflogen und von da zurückgeprallt sei.

»Es steckt hinter dieser seltsamen Sache,« dachte er bei sich selbst, »irgend ein Geheimnis, und dies Geheimnis kann nicht anders als vorteilhaft für mich sein. Nachdem das Schicksal mich so schwer betrübt und mich desjenigen Gutes beraubt hat, das, wie ich hoffte, das Glück meines Lebens ausmachen sollte, hat es mir vielleicht zu meinem Troste irgend ein anderes vorbehalten.«

Da die äußere Form der Felsen mehrere vorspringende Spitzen und auch wieder mehrere tief sich hineinziehende Schluchten hatte, so trat der Prinz unter solchen Gedanken in eine der Vertiefungen hinein, und während er darin seine Augen von einem Winkel zum andern warf, zeigte sich ihm eine eiserne Tür, an welcher aber kein Schloß zu sehen war. Er fürchtete, sie würde wohl verschlossen sein, doch als er daran stieß, öffnete sie sich nach innen zu, und er erblickte einen sanft abschüssigen Weg ohne Stufen, den er sofort mit dem Pfeile in der Hand hinabstieg. Er glaubte hier in tiefe Finsternis zu geraten, allein an die Stelle des entschwindenden Tageslichtes trat ein anderes ganz verschiedenes Licht. Nach fünfzig bis sechzig Schritten gelangte er auf einen geräumigen Platz, auf welchem er einen prachtvollen Palast erblickte, dessen Wunderbau er aber zu bewundern nicht Zeit hatte. Denn in demselben Augenblick trat eine Frau von majestätischem Anstand und Wesen und von einer Schönheit, die durch den reichen Anzug und durch den Edelsteinschmuck, den sie trug, nicht noch höher gehoben zu werden vermochte, unter die Vorhalle heraus, begleitet von einer Anzahl von Frauen, unter denen aber die Gebieterin leicht zu unterscheiden war.

Sobald der Prinz Achmed die schöne Frau bemerkt hatte, beschleunigte er seine Schritte, um ihr seine Ehrerbietung zu bezeigen; doch die schöne Frau, welche ihn kommen sah, kam ihm ihrerseits durch die Anrede entgegen: »Prinz Achmed, tretet näher, Ihr seid hier willkommen.«

Die Überraschung des Prinzen war nicht gering, als er seinen Namen in einer Gegend nennen hörte, von welcher er noch nie das geringste vernommen, obwohl diese Gegend so nahe an der Hauptstadt seines Vaters, des Sultans, lag, und er konnte gar nicht begreifen, wie er einer Dame bekannt sein könnte, die er durchaus nicht kannte. Endlich warf er sich zu den Füßen der schönen Frau und redete sie auf folgende Weise an:

»Gnädige Frau, bei meiner Ankunft in einer Gegend, wo ich fürchten mußte, daß mein unvorsichtiger Vorwitz mich zu weit gelockt, bin ich Euch tausendfachen Dank für Eure Versicherung schuldig, daß ich hier willkommen sei. Aber darf ich wohl so dreist sein, Euch zu fragen, durch welchen seltsamen Zufall es kommt, daß ich Euch nicht unbekannt bin, Euch, die Ihr zwar in unserer Nachbarschaft wohnet, doch ohne daß ich jemals bis diesen Augenblick etwas davon erfahren hätte?«

»Prinz,« erwiderte die schöne Frau, »laßt uns in den Saal hineintreten, dort werde ich mit größerer Bequemlichkeit für mich und Euch Eure Frage beantworten können.«

Mit diesen Worten führte die Dame, um dem Prinzen Achmed den Weg zu zeigen, ihn in den Saal hinein. Der wundervolle Bau desselben, das Gold und das Himmelblau, womit das kuppelförmige Gewölbe geschmückt war, und der unschätzbare Reichtum des Geräts erschienen ihm als etwas so ganz Neues, daß er seine Verwunderung darüber an den Tag legte und ausrief, er habe noch nie etwas der Art gesehen, und er glaube nicht, daß man in der Welt irgend etwas sehen könne, was diesem hier beikäme.

»Gleichwohl versichre ich Euch,« erwiderte die schöne Frau, »daß dies gerade das unbedeutendste Zimmer meines Palastes ist, und Ihr werdet meiner Ansicht beistimmen, wenn ich Euch erst die übrigen alle gezeigt haben werde.«

Sie stieg einige Stufen empor und setzte sich auf ein Sofa, und als der Prinz auf ihre Bitten neben ihr Platz genommen hatte, sagte sie zu ihm:

»Prinz, Ihr seid, wie Ihr sagt, darüber erstaunt, daß ich Euch kenne, ohne daß Ihr mich kennet; doch Eure Verwunderung wird nachlassen, wenn Ihr erst wissen werdet, wer ich bin. Euch wird ohne Zweifel nicht unbekannt sein, was ja schon Eure Religion Euch lehrt, daß nämlich die Welt ebensowohl von Geistern als von Menschen bewohnt wird. Ich bin die Tochter eines dieser Geister, und zwar eines der mächtigsten und ausgezeichnetsten, und mein Name ist Pari Banu. So wirst du dich denn also nicht mehr wundern, daß ich dich, deinen Vater, den Sultan, und deine beiden Brüder kenne. Ich weiß sogar von deiner Liebe und von deiner Reise, deren einzelne Umstände ich dir alle hier wiedererzählen könnte, weil ich es eben war, die zu Samarkand den künstlichen Apfel, den du gekauft hast, zum Verkauf ausbieten ließ, so wie zu Bisnagar den Teppich, den der Prinz Hussain bekommen hat, und endlich zu Schiras das elfenbeinerne Rohr, welches der Prinz Ali von da mitgebracht hat. Dies mag hinreichend sein, um dir begreiflich zu machen, daß nichts von alledem, was dich betrifft, mir unbekannt ist. Ich will nur dies eine hinzufügen, daß du mir ein glücklicheres Los zu verdienen schienest, als das war, die Prinzessin Nurunnihar zu besitzen, und da ich gerade zugegen war, als du den Pfeil, den du da in der Hand hast, abschossest, und ich voraussah, daß er nicht einmal so weit als der des Prinzen Hussain fliegen würde, so faßte ich ihn in der Luft an und gab ihm den erforderlichen Schwung, so daß er an die Felsen anprallen mußte, neben denen du ihn gefunden hast. Es wird nun bloß von dir abhangen, die Gelegenheit, die sich dir jetzt bietet, zu benutzen, um noch glücklicher zu werden.«

 

Vierhundertundelfte Nacht.

Da die Fee Pari Banu diese letzten Worte in einem ganz anderen Tone sprach, indem sie den Prinzen Achmed zärtlich anblickte und dann sogleich verschämt und mit errötendem Gesicht die Augen niederschlug, so erriet der Prinz sehr leicht, welches Glück hier gemeint sei. Er überlegte, daß die Prinzessin Nurunnihar nicht mehr die Seinige werden könne, und daß die Fee Pari Banu an Schönheit, Anmut und Reiz sowie durch einen überwiegenden Verstand und durch ihre unermeßlichen Reichtümer, soweit er nämlich aus der Pracht des Palastes auf diese schließen konnte, jene unendlich weit überträfe, und er segnete den Augenblick, wo ihm der Gedanke eingekommen war, noch einmal den abgeschossenen Pfeil zu suchen, indem er sich ganz der Neigung hingab, die ihn nach dem neuen Gegenstande seines Herzens hinzog.

»Gnädige Frau,« fing er an, »wenn ich mein ganzes Leben hindurch auch nur dies eine Glück hätte, Euer Sklave und der Bewunderer so hoher Reize zu sein, die mich in Entzückung versetzen, so würde ich mich für den glücklichsten aller Sterblichen achten. Verzeihet mir meine Kühnheit, wenn ich Euch um diese Gunst zu bitten wage, und verschmähet es nicht, an Eurem Hofe einen Prinzen zuzulassen, der sich ganz Euch zu widmen gedenkt.«

»Prinz,« erwiderte die Fee, »da ich schon seit langer Zeit freie Herrin meiner Wünsche und frei von der Vormundschaft meiner Eltern bin, so will ich Euch nicht als Sklaven an meinem Hofe zulassen, sondern als Herrn meiner Person und alles dessen, was mir gehört und irgend noch etwa gehören könnte, wofern Ihr mir nämlich Treue geloben und mich zu Eurer Gemahlin annehmen wollet. Ich hoffe, daß Ihr es nicht übel aufnehmen werdet, daß ich Euch durch dieses Anerbieten entgegenkomme. Ich habe Euch schon gesagt, daß ich in meinem Willen von niemandem abhange, und ich füge bloß noch hinzu, daß es mit den Feen nicht so ist, wie es mit den Frauen im Verhältnis zu den Männern der Fall ist, welche bekanntlich eben nicht dergleichen Schritte entgegenzutun pflegen und ein solches Verfahren mit ihrer Ehre unverträglich halten würden. Wir dagegen tun es nun einmal und denken, daß man uns dafür Dank wissen muß.«

Der Prinz Achmed antwortete auf diese Rede der Fee weiter nichts; allein durchdrungen von Dankbarkeit, glaubte er diese ihr nicht besser an den Tag legen zu können, als wenn er sich näherte, um ihr den Saum ihres Gewandes zu küssen. Sie ließ ihm indes nicht Zeit, dies zu tun, sondern reichte ihm ihre Hand, die er küßte, und indem sie die seinige festhielt und sie drückte, sagte sie zu ihm:

»Prinz Achmed, gebt Ihr mir nicht Euer Wort, wie ich Euch das meinige gebe?«

»Ach gnädige Frau,« erwiderte der Prinz voll freudigem Entzücken, »was könnte ich wohl Besseres und Freudigeres tun? Ja, meine Sultanin, meine Königin, ich gebe es Euch nebst meinem Herzen ohne Rückhalt!«

»Wenn das ist,« antwortete die Fee, »so seid Ihr mein Gemahl, und ich bin Eure Gemahlin. Die Ehen werden bei uns ohne weitere Zeremonieen geschlossen, sind aber bei uns weit fester und unauflöslicher als die der Menschen, ungeachtet letztere mehr Förmlichkeiten dabei anwenden. Jetzt« – fuhr sie fort –, »während man für heute abend die Anstalten zu unserm Hochzeitsmahle trifft, wird man Euch, da Ihr offenbar heute noch nichts zu Euch genommen habt, vorerst einen leichten Imbiß vorsetzen, dann werde ich Euch die Zimmer meines Palastes zeigen, und Ihr mögt dann selbst entscheiden, ob es nicht wahr ist, was ich Euch sagte, daß nämlich dieser Saal gerade das schlechteste Zimmer darunter ist.«

Einige von den Frauen der Fee, die bei ihr im Saale sich befanden, hatten kaum ihren Wunsch vernommen, als sie auch schon hinausgingen und bald darauf einige Speisen und trefflichen Wein hereinbrachten.

Als der Prinz Achmed zur Genüge gegessen und getrunken hatte, führte ihn die Fee Pari Banu aus einem Zimmer in das andere, und er sah darin Diamanten, Rubine, Smaragde und alle Arten der feinsten Edelsteine im Verein mit Perlen, Achat, Jaspis, Porphyr und dem kostbarsten Marmor von allen Gattungen angebracht, um von dem Zimmergerät zu schweigen, welches alles von einem unschätzbaren Reichtum war. Alles war da in so erstaunlichem Überfluß angebracht, daß er, weit entfernt, je etwas gesehen zu haben, was dieser Pracht auch nur nahegekommen wäre, vielmehr eingestand, daß es nichts der Art auf der ganzen Welt geben könne.

»Prinz,« sagte hierauf die Fee, »wenn Ihr schon meinen Palast so sehr bewundert, der wirklich sehr schön ist, was würdet Ihr erst zu den Palästen unserer Geisterfürsten sagen, die ganz anders schön, geräumig und prächtig sind? Ich könnte Euch auch noch meinen Garten bewundern lassen, allein« – fuhr sie fort – »das mag lieber ein andermal geschehen. Die Nacht nähert sich jetzt schon, und es ist Zeit, daß wir uns zu Tafel setzen.«

Der Saal, in den die Fee den Prinzen führte, und worin die Tafel gedeckt war, war das letzte Zimmer des Palastes und zugleich das einzige, das der Prinz noch nicht gesehen hatte; es stand indes hinter keinem derjenigen zurück, die er bereits in Augenschein genommen hatte. Beim Hereintreten bewunderte er den Lichtglanz unzähliger von Ambra duftender Wachskerzen, deren Menge, anstatt zu verwirren, vielmehr so symmetrisch aufgestellt war, daß man sie mit Vergnügen ansah. Ebenso bewunderte er einen großen Schenktisch, besetzt mit goldenen Gefäßen, welche durch ihre kunstreiche Arbeit einen noch weit höheren Wert hatten als durch ihren Stoff; ferner mehrere Chöre der schönsten und reichst gekleideten Mädchen, welche ein Konzert von Singstimmen und harmonischen Instrumenten begannen, so schön, als er es nur je in seinem Leben gehört. Sie setzten sich zu Tische. Da Pari Banu sich ganz besonders beeiferte, dem Prinzen Achmed die wohlschmeckendsten Speisen vorzulegen, und sie jedesmal, wenn sie ihn zum Zulangen aufforderte, ihm mit Namen nannte, da ferner der Prinz noch nie etwas von denselben gehört hatte und sie ganz ausgesucht wohlschmeckend fand, lobte er dieselben außerordentlich und rief aus, daß dies treffliche Mahl, womit sie ihn bewirte, alle die Mahlzeiten der Menschen weit überträfe. Auch war er ganz entzückt über die Vortrefflichkeit des Weines, welcher aufgetragen wurde, und wovon er und die Fee erst beim Nachtisch, der aus Früchten, Kuchen und anderem dazu passenden Imbiß bestand, zu trinken anfingen.

 

Vierhundertundzwölfte Nacht.

Nach dem Nachtisch standen die Fee Pari Banu und der Prinz Achmed von der Tafel auf, die sogleich weggetragen wurde, und setzten sich ganz bequem auf das Sofa hin, indem sie den Rücken an Polster von Seidenstoff lehnten, die mit großem, vielfarbigem Blumenwerk, alles von der feinsten Stickerei, bedeckt waren. Sogleich trat nun eine große Anzahl von Geistern und Feen in den Saal und begann einen herrlichen Tanz, welcher so lange dauerte, bis die Fee und der Prinz Achmed aufstanden. Dann gingen die Geister und Feen tanzend aus dem Saale hinaus und zogen vor den Neuvermählten her bis an die Tür des Zimmers, wo das hochzeitliche Lager bereitet war. Als sie da angekommen waren, stellten sie sich in Reihen, um die beiden hindurchgehen zu lassen, worauf sie sich entfernten und beiden die Freiheit ließen, sich zu Bette zu legen.

Das Hochzeitsfest dauerte auch den folgenden Tag noch fort, oder vielmehr, die nächstfolgenden Tage waren ein ununterbrochenes Fest, in welches die Fee Pari Banu, der es sehr leicht war, die größte Mannigfaltigkeit zu bringen wußte durch neue Speisen und Gerichte bei den Mahlzeiten, durch neue Konzerte, neue Tänze, neue Schauspiele und neue Ergötzlichkeiten, die alle so außerordentlich waren, daß der Prinz Achmed während seines ganzen Lebens unter den Menschen, und hätte es auch tausend Jahre gedauert, sich dergleichen nicht hätte erdenken können.

Die Absicht der Fee war nicht bloß, dem Prinzen sichere Beweise ihrer aufrichtigen Liebe und ihrer innigen Zuneigung zu geben, sondern sie wollte ihm auch dadurch recht fühlbar machen, daß er, da er ja doch am Hofe seines Vaters keine Ansprüche mehr zu machen habe und er an keinem Orte in der Welt, um von ihrer Schönheit und ihren Reizen zu schweigen, etwas antreffen würde, was mit dem Glück, das er bei ihr genoß, nur irgend vergleichbar wäre, sich daher ganz an sie schließen und sich nie mehr von ihr trennen müsse. Sie erreichte auch vollkommen ihre Absicht. Die Liebe des Prinzen Achmed ward durch ihren Besitz nicht vermindert, sondern sie stieg vielmehr bis zu dem Grade, daß es nicht mehr in seiner Gewalt stand, von seiner Liebe zu ihr abzulassen, auch wenn sie jemals sich hätte entschließen können, gleichgültig gegen ihn zu werden.

Nach Verlauf von sechs Monaten fühlte endlich der Prinz Achmed, welcher stets den Sultan, seinen Vater, geliebt und verehrt hatte, ein heftiges Verlangen, von ihm einige Nachricht zu hören, und da er dasselbe nicht anders befriedigen konnte, als wenn er sich auf einige Zeit entfernte, um persönlich Nachricht einzuziehen, so sprach er einst im Laufe des Gesprächs mit Pari Banu darüber und bat sie, ihm dies zu gestatten. Diese Äußerung beunruhigte die Fee, und da sie fürchtete, es sei dies nur ein bloßer Vorwand, um sie zu verlassen, so sagte sie zu ihm:

»Worin habe ich denn Euer Mißfallen erregt, daß Ihr Euch gedrungen fühlt, mich um diese Erlaubnis zu bitten? Sollte es möglich sein, daß Ihr Euer mir gegebenes Wort vergessen hättet und mich nicht mehr liebtet, die ich Euch doch so zärtlich liebe, wie Ihr aus den Beweisen, die ich Euch ohne Unterlaß davon gebe, ersehen könnet?«

»Meine Königin,« erwiderte der Prinz Achmed, »ich bin von Eurer Liebe vollkommen überzeugt, und ich würde mich derselben unwürdig machen, wenn ich Euch nicht meine Dankbarkeit dafür durch Gegenliebe an den Tag legte. Wenn Ihr durch meine Bitte beleidigt worden seid, so bitte ich Euch deshalb um Verzeihung und bin bereit, Euch jede Genugtuung dafür zu geben. Ich tat sie nicht, um Euch zu kränken, sondern bloß aus einer inneren Ehrfurcht für meinen Vater, den Sultan, den ich gern von seiner Betrübnis zu befreien wünschte, worin ich ihn durch eine so lange Abwesenheit unfehlbar versetzt habe; denn ich habe Grund zu vermuten, daß er mich für tot hält. Da Ihr indes es nicht genehmigt, daß ich hingehe und ihm diesen Trost gewähre, so will ich, was Ihr wollet, und es gibt nichts auf der Welt, was ich nicht zu tun bereit bin, um mich Euch gefällig zu beweisen.«

Der Prinz Achmed, der sich nicht verstellte und sie in seinem Herzen wirklich so heiß liebte, als er sie soeben versichert hatte, drang nicht weiter in sie, um von ihr die gewünschte Erlaubnis zu erhalten, und die Fee zeigte ihm, wie sehr sie über seine Nachgiebigkeit erfreut sei. Da er indes seinen Plan doch nicht ganz aufgeben konnte, so unterhielt er sie absichtlich von Zeit zu Zeit von den schönen Eigenschaften des Sultans von Indien und besonders von den Beweisen von Zärtlichkeit, die dieser ihm stets gegeben, und hoffte sie dadurch am Ende doch noch zu erweichen.

Übrigens verhielt es sich wirklich so, wie der Prinz Achmed es vermutet hatte. Der Sultan von Indien war mitten unter den Lustbarkeiten bei der Hochzeit des Prinzen Ali und der Prinzessin Nurunnihar durch die Entfernung seiner beiden Söhne tief betrübt worden. Es dauerte nicht lange, so erfuhr er den Entschluß, den der Prinz Hussain gefaßt hatte, die Welt zu verlassen, und den Ort, den er sich zu seinem künftigen Aufenthalte gewählt hatte. Als ein guter Vater, der einen Teil seines Glückes darein setzt, seine Kinder um sich zu sehen, besonders wenn sie sich seiner Liebe würdig beweisen, hätte er es freilich lieber gesehen, wenn er am Hofe und um ihn geblieben wäre. Da er indes es nicht mißbilligen konnte, daß er sich diesen Stand einer immer höheren Vervollkommnung, wozu er sich verpflichtet hatte, gewählt habe, so ertrug er seine Abwesenheit mit Geduld. Er wendete alle mögliche Sorgfalt an, um Nachricht von dem Prinzen Achmed zu erhalten; er fertigte Eilboten in alle Provinzen seines Reichs ab mit dem Befehl an die Statthalter, ihn anzuhalten und zur Rückkehr an den Hof zu nötigen; doch alle Mühe, die er sich gab, hatte nicht den gehofften Erfolg, und sein Kummer wurde, anstatt abzunehmen, nur noch größer. Oft besprach er sich darüber mit seinem Großwesir.

»Wesir,« sprach er einst zu ihm, »du weißt, daß Achmed derjenige unter meinen Söhnen ist, den ich immer am zärtlichsten geliebt habe, und du weißt, welche Mittel und Wege ich eingeschlagen habe, um ihn wiederzufinden, doch stets ohne Erfolg. Der Schmerz, den ich darüber empfinde, ist so lebhaft, daß ich ihm am Ende erliegen werde, wenn du nicht Mitleid mit mir hast. Wofern dir nur irgend meine längere Erhaltung am Herzen liegt, so beschwöre ich dich, daß du mich mit deinem Beistand und deinem Rat unterstützest.«

 

Vierhundertunddreizehnte Nacht.

Der Großwesir, der ebensosehr der Person des Sultans zugetan als in der Verwaltung der Staatsangelegenheiten eifrig war, dachte auf Mittel, um ihm einige Beruhigung zu verschaffen, und da fiel ihm eine Zauberin ein, von welcher man Wunderdinge erzählte.

Er schlug ihm vor, diese kommen zu lassen und zu befragen; der Sultan genehmigte es. Der Großwesir ließ sie also aufsuchen und führte sie selbst bei ihm ein.

Der Sultan sagte zu der Zauberin: »Die Betrübnis, worin ich mich seit der Hochzeit meines Sohnes Ali mit der Prinzessin Nurunnihar wegen der Abwesenheit des Prinzen Achmed befinde, ist so allgemein bekannt, daß du ohne Zweifel darum wissen wirst. Kannst du mir nun nicht vermöge deiner Kunst und Geschicklichkeit sagen, was aus ihm geworden ist? Ist er noch am Leben? Was macht er? Darf ich hoffen, ihn noch einmal wiederzusehen?«

Die Zauberin antwortete, um der Anfrage des Sultans Genüge zu leisten: »Herr, welche Geschicklichkeit ich auch immer in meinem Fache besitzen mag, so ist es mir doch nicht möglich, auf der Stelle der Anfrage Euer Majestät zu genügen; doch wenn Ihr mir Frist bis morgen gestatten wollt, so werde ich Euch Bescheid geben können.«

Der Sultan gestattete ihr diesen Aufschub und entließ sie mit dem Versprechen, sie gut zu belohnen, wofern der Bescheid seinen Wünschen entsprechen würde.

Die Zauberin kam den folgenden Tag wieder, und der Großwesir stellte sie wiederum vor. Sie sagte zu dem Sultan:

»Herr, mit welchem Eifer ich auch die Regeln meiner Kunst beobachtet habe, um Euer Majestät in Hinsicht dessen, was Ihr zu wissen wünscht, zu gehorchen, so habe ich doch nichts weiter ausmitteln können, als daß der Prinz Achmed nicht tot ist. Dies ist ganz gewiß, und Ihr könnt Euch darauf verlassen. Was den Ort betrifft, wo er sein mag, so habe ich diesen nicht entdecken können.«

Der Sultan von Indien war genötigt, sich mit dieser Antwort zu begnügen, die ihn in Hinsicht auf das Schicksal des Prinzen fast in derselben Ungewißheit ließ, als er zuvor war.

Um wieder auf den Prinzen Achmed zurückzukommen, so unterhielt sich dieser so oft mit der Fee Pari Banu über seinen Vater, den Sultan, doch ohne weiter seinen Wunsch, denselben zu sehen, irgend zu erwähnen, daß eben diese Absichtlichkeit ihr seine innere Gesinnung verriet. Da sie nun seine Zurückhaltung und seine Furcht, nach jener abschlägigen Antwort noch einmal ihr Mißfallen zu erregen, bemerkte, so ersah sie erstlich daraus, daß seine Liebe zu ihr, wovon er bei allen Gelegenheiten unablässig Beweise gab, aufrichtig sei, zweitens, da sie selber das Unrecht einsah, welches sie begehen würde, wenn sie einem Sohne in Hinsicht auf seine Liebe zu seinem Vater Gewalt antun und ihn zwingen wollte, seine natürliche Neigung, die ihn zu jenem hinzog, zu unterdrücken, so beschloß sie, ihm das zu bewilligen, was er immerfort so feurig wünschte. Sie sagte daher eines Tages zu ihm:

»Prinz, die Erlaubnis, um die Ihr mich batet, daß Ihr nämlich Euren Vater, den Sultan, besuchen wolltet, hatte mir die gerechte Besorgnis eingeflößt, daß dies bloß ein Vorwand sei, um mir ein Zeichen Eurer Unbeständigkeit zu geben und mich zu verlassen; es war dies der einzige Beweggrund, warum ich Euch Eure Bitte abschlug. Doch heute, wo ich durch Euer Benehmen und durch Eure Worte so vollkommen überzeugt bin, daß ich mich auf Eure Beständigkeit und auf den Bestand Eurer Liebe verlassen kann, bin ich einer andern Ansicht geworden und gewähre Euch diese Erlaubnis, doch nur unter der Bedingung, daß Ihr mir zuvor schwöret, daß Eure Abwesenheit nicht lange dauern werde, und daß Ihr sehr bald wieder zurückkehren werdet. Diese Bedingung darf Euch nicht bekümmern, als forderte ich sie etwa von Euch aus Mißtrauen, sondern ich tue das bloß, weil ich meiner Überzeugung zufolge, die ich von der Aufrichtigkeit Eurer Liebe habe, im voraus weiß, daß sie Euch in keine Verlegenheit setzen wird.«

Der Prinz Achmed wollte sich der Fee zu Füßen werfen, um ihr deutlicher an den Tag zu legen, wie sehr er von Dankbarkeit gegen sie durchdrungen sei, allein die Fee hinderte ihn daran.

»Meine Sultanin,« sagte er zu ihr, »ich erkenne den vollen Wert der Gunst, die Ihr mir erweiset, allein es fehlt mir an Worten, um Euch dafür so zu danken, als ich es wohl wünschte. Ergänzet in Gedanken, was ich nicht auszudrücken vermag, und seid überzeugt, daß alles, was Ihr Euch nur irgend selber hierüber sagen möget, doch noch weit hinter dem zurücksteht, was ich innerlich darüber empfinde. Übrigens habt Ihr sehr recht, wenn Ihr glaubt, daß der Schwur, den Ihr von mir fordert, mir keine Bekümmernis machen werde. Ich leiste ihn Euch umso lieber, da es mir von nun an durchaus unmöglich ist, ohne Euch zu leben. Ich werde also von Euch reisen, doch die Eilfertigkeit, womit ich zu Euch wiederkehren werde, wird Euch zeigen, daß ich es nicht aus Furcht vor einem Meineide gegen Euch, sondern aus wahrer Neigung meines Herzens tue, welche mich antreibt, mein Leben in Eurem Umgange zuzubringen, und wenn ich jemals mit Eurer Genehmigung mich von Euch entfernen sollte, so werde ich doch stets dabei der Bekümmernis, die mir eine zu lange Abwesenheit verursachen könnte, auszuweichen suchen.«

Pari Banu freute sich über diese Gesinnungen des Prinzen Achmed umsomehr, weil sie dadurch von ihrem Argwohn gegen ihn und von der Furcht befreit wurde, daß seine Sehnsucht nach seinem Vater, dem Sultan von Indien, bloß ein scheinbarer Vorwand sein möchte, um ihr untreu werden zu können.

»Prinz,« sagte sie zu ihm, »Ihr könnt abreisen, sobald es Euch beliebt; allein nehmt es mir nicht übel, wenn ich Euch zuvor einige Winke über die Art und Weise gebe, wie Ihr Euch auf dieser Reise am besten benehmen könnet. Erstens halte ich es nicht für angemessen, daß Ihr von unserer Verbindung, noch auch von meinem Stande oder von dem Orte, wo Ihr Euch niedergelassen und seit der Trennung von ihm Euren Aufenthalt genommen habt, gegen Euren Vater, den Sultan, das mindeste erwähnet. Bittet ihn, daß er sich mit der Nachricht begnüge, daß Ihr Euch nichts weiter wünschet, und daß der einzige Grund Eurer Hinreise zu ihm bloß der gewesen, daß Ihr ihm seine unruhige Besorgnis über Euer Schicksal benehmen wolltet.«

 

Vierhundertundvierzehnte Nacht.

Endlich gab sie ihm zu seiner Begleitung zwanzig wohlgerüstete und stattliche Reiter. Als alles bereit war, nahm der Prinz Achmed von der Fee Abschied, indem er sie umarmte und sein Versprechen einer baldigen Wiederkehr erneuerte. Man führte ihm das Pferd vor, welches sie für ihn hatte in Bereitschaft setzen lassen: dies war nicht bloß reich angeschirrt, sondern auch so schön und von einem noch höheren Wert als irgend eines in dem Marstall des Sultans von Indien. Er bestieg es zu großer Freude der Fee mit vielem Anstande, winkte ihr sein letztes Lebewohl zu und sprengte von dannen.

Da der Weg nach der Hauptstadt nicht lang war, so langte der Prinz Achmed auch binnen kurzer Zeit daselbst an. Sobald er in die Stadt eintrat, empfing ihn das Volk voll Freude über sein Wiedererscheinen mit lautem Beifallruf, und ein großer Teil riß sich von den übrigen los und begleitete ihn scharenweise bis an die Zimmer des Sultans. Der Sultan umfing und umarmte ihn voll Freude, beklagte sich gleichwohl aber vermöge seiner väterlichen Zärtlichkeit über die Betrübnis, worein ihn seine lange Abwesenheit versenkt habe. »Diese deine Abwesenheit,« fuhr er fort, »war für mich umso schmerzlicher, da ich seit jenem Tage, wo der Zufall zu deinem Nachteil und zugunsten deines Bruders Ali entschied, Ursache hatte zu glauben, daß du dich zu irgend einem Schritt der Verzweiflung habest hinreißen lassen.«

»Herr,« erwiderte der Prinz Achmed, »ich überlasse es Euer Majestät zu überlegen, ob ich nach dem Verluste der Prinzessin Nurunnihar, welche der einzige Gegenstand meiner Wünsche gewesen war, mich wohl noch entschließen konnte, Zeuge des Glücks meines Bruders, des Prinzen Ali, zu sein. Wenn ich eines so unwürdigen Betragens fähig gewesen wäre, was hätte man da wohl am Hofe und in der Stadt, ja was hätte Euer Majestät selber von meiner Liebe denken können? Die Liebe ist eine Leidenschaft, die man nicht nach Belieben aufgeben kann. Sie beherrscht und bemeistert sich unser und läßt einem wahrhaft Liebenden nicht Zeit, von seiner Vernunft Gebrauch zu machen. Euer Majestät weiß, daß mir beim Abschießen meines Pfeils etwas so Außerordentliches begegnete, als wohl noch nie jemandem begegnet ist, daß nämlich der von mir abgeschossene Pfeil in einer so ununterbrochenen und freien Ebene, als jene war, nicht aufgefunden werden konnte, was denn zur Folge hatte, daß ich ein Gut verlor, dessen Besitz mir ebensogut als meinen beiden Brüdern gebührte. Besiegt durch den Eigensinn des Zufalls, verlor ich meine Zeit nicht mit unnützen Klagen. Um mein Gemüt zu beruhigen, welches über diesen unbegreiflichen Zufall bestürzt war, entfernte ich mich unbemerkt von meinen Leuten und kehrte ganz allein nach dem Orte zurück, um meinen Pfeil zu suchen. Ich suchte ihn diesseits, jenseits, links und rechts von der Stelle, wo ich die Pfeile Hussains und Alis hatte von der Erde aufheben sehen, und wo der meinige ebenfalls hingefallen sein mußte. Doch die Mühe, die ich mir gab, war fruchtlos. Ich ließ mich indes nicht abschrecken und setzte meine Nachsuchungen fort, indem ich in grader Linie nach der Richtung, wo er hingefallen sein mußte, immer weiter vorwärts ging. Ich war schon eine Stunde lang, immerfort links und rechts hin blickend und mich zuweilen sogar noch umdrehend, fortgegangen, so daß mir auch der geringste Gegenstand, der nur irgend einem Pfeile ähnlich sah, nicht hätte entgehen können, als ich endlich überlegte, daß ja unmöglich mein Pfeil so weit habe fliegen können. Ich stand still und fragte mich selbst, ob ich denn meinen Verstand verloren und ich so weit von Sinnen gekommen sei, daß ich mir träumen lassen könnte, ich sei stark genug, um einen Pfeil bis in eine solche Weite zu treiben, als keiner unserer ältesten und durch ihre Kraft berühmtesten Helden es jemals imstande gewesen. Diese Betrachtungen stellte ich an und war im Begriff, mein Unternehmen ganz aufzugeben; doch als ich meinen Entschluß ausführen wollte, fühlte ich mich unwillkürlich weiter fortgezogen, und nachdem ich vier Stunden weit gegangen, bis wo die Ebene von Felsen begrenzt wird, bemerkte ich einen Pfeil. Ich eilte hin, hob ihn auf und erkannte ihn für den, welchen ich abgeschossen, der aber weder am rechten Orte noch zu rechter Zeit aufgefunden worden war. Anstatt nun die Entscheidung, welche Euer Majestät zugunsten des Prinzen Ali gefällt hatte, als eine Ungerechtigkeit gegen mich zu betrachten, legte ich mir das, was mir zugestoßen war, ganz anders aus und zweifelte nicht, daß hierbei irgend ein für mich vorteilhaftes Geheimnis obwalten und daß ich alles aufbieten müsse, um darüber Aufschluß zu erhalten, ohne mich zu weit zu entfernen; – indes dies ist ein neues Geheimnis, wobei ich Euer Majestät bitten muß, es nicht ungnädig aufzunehmen, wenn ich darüber stillschweige. Euer Majestät bitte ich, sich mit meiner Versicherung zu begnügen, daß ich glücklich und mit meinem Glücke ganz zufrieden bin. Da in meinem Glücke nichts war, was mich zu beunruhigen und dasselbe zu stören vermochte, als der Gedanke an den Kummer, den, wie ich voraussetzte, Euer Majestät über mein Verschwinden vom Hofe und über mein Schicksal haben mußte, so hielt ich es für meine Pflicht, Euch denselben zu benehmen. Dies ist der einzige Grund, warum ich komme. Die einzige Gnade, die ich mir für die Zukunft von Euer Majestät erbitte, besteht darin, daß Ihr mir erlaubt, von Zeit zu Zeit hierher zu kommen, um Euch meine Ehrerbietung zu bezeigen und mich nach Eurem Befinden zu erkundigen.«

»Mein Sohn,« antwortete der Sultan von Indien, »ich kann dir diese Erlaubnis nicht verweigern, doch würde ich es weit lieber gesehen haben, wenn du dich hättest entschließen können, hier in meiner Nähe zu bleiben. Indes sage mir wenigstens, wo ich von dir Nachricht erhalten kann, sooft du mir selber keine zukommen lässest, oder wenn deine Gegenwart einmal nötig sein sollte.«

»Herr,« erwiderte der Prinz Achmed, »das, um was Euer Majestät mich fragt, gehört mit zu dem erwähnten Geheimnis, und ich bitte Euch daher, mir zu gestatten, daß ich über diesen Punkt schweige. Ich werde mich übrigens so oft zu Erfüllung meiner Pflicht einstellen, daß ich eher fürchte, lästig zu werden, als Euch irgend einen Anlaß zu geben, mich der Nachlässigkeit anzuklagen, wenn meine Gegenwart einmal nötig sein sollte.«

 

Vierhundertundfünfzehnte Nacht.

Der Sultan von Indien drang nicht weiter in den Prinzen Achmed, sondern sagte zu ihm:

»Mein Sohn, ich will nicht weiter in dein Geheimnis eindringen, ich überlasse es ganz deinem Gutbefinden und sage dir bloß, daß du mir kein größeres Vergnügen machen konntest als dasjenige, daß du mich durch deine Gegenwart, die ich so lange schon entbehren mußte, erfreutest, und daß du mir jedesmal sehr willkommen sein wirst, wenn du unbeschadet deiner Geschäfte oder Vergnügungen mich einmal besuchen kannst.«

Der Prinz Achmed blieb am Hofe seines Vaters, des Sultans, nicht länger als drei Tage, und schon am vierten reiste er sehr früh wieder ab. Die Fee Pari Bann freute sich umsomehr, ihn wiederzusehen, da sie eine so baldige Rückkehr gar nicht erwartet hatte, und sie machte sich nun selber Vorwürfe darüber, daß sie ihn für fähig gehalten hatte, jene Treue zu brechen, die er ihr so feierlich angelobt hatte. Sie verhehlte dies dem Prinzen nicht, sie gestand ihm frei und offen ihre Schwachheit und bat ihn deshalb um Verzeihung. Von nun an war die Eintracht der beiden Liebenden so vollkommen, daß, was der eine wollte, auch der andere wollte.

Einen Monat nach der Rückkehr des Prinzen bemerkte die Fee Pari Banu, daß, seitdem der Prinz ihr von seiner Reise und von seiner Unterhaltung mit seinem Vater, die er während seiner Abwesenheit gehabt, Bericht abgestattet hatte, er nie mehr mit ihr über den Sultan gesprochen hatte, gerade als ob er nicht mehr auf der Welt wäre, anstatt daß er zuvor so oft mit ihr von jenem sich unterhalten hatte. Sie mutmaßte, daß er bloß aus Achtung gegen sie dies vermeide, und nahm daher eines Tages Gelegenheit, folgendes gegen ihn zu äußern:

»Prinz, sagt mir doch, habt Ihr Euren Vater, den Sultan, denn so ganz vergessen? Erinnert Ihr Euch nicht mehr an das Versprechen, welches Ihr ihm getan, ihn von Zeit zu Zeit zu besuchen? Ich für mein Teil habe noch nicht vergessen, was Ihr mir bei Eurer Rückkehr gesagt habt, und ich bringe es Euch hiermit in Erinnerung, damit Ihr nicht länger wartet, um Euer Versprechen zum erstenmal zu erfüllen.«

»Verehrte Frau,« erwiderte der Prinz Achmed in demselben heitern Tone wie die Fee, »ich fühle mich einer solchen Vergeßlichkeit, als Ihr erwähnet, nicht fähig, indes ich wollte lieber diesen Euren Vorwurf unverdient ertragen, als mich einer abschlägigen Antwort aussetzen, wenn ich gegen Euch eine Sehnsucht nach etwas blicken ließe, was Euch irgend hätte in Unruhe versetzen können.«

»Prinz,« sagte die Fee zu ihm, »ich will nicht, daß Ihr länger diese Rücksicht gegen mich nehmet, und damit dergleichen nicht wieder vorkomme, so dächte ich, da Ihr den Sultan, Euren Vater, bereits seit einem Monate nicht gesehen, Ihr setztet den Besuch, den Ihr ihm abzustatten habt, nicht über einen Monat aus. Fanget also morgen damit an und fahret so von Monat zu Monat fort, ohne daß Ihr deshalb mir jedesmal etwas saget oder von mir eine Äußerung hierüber erwartet. Ich genehmige es sehr gern.«

Der Prinz Achmed reiste schon den folgenden Tag ab mit demselben Gefolge, aber weit geschmackvoller gekleidet, so wie er selber weit prächtiger ausgerüstet und gekleidet war als das erstemal. Er wurde von dem Sultan wieder ebenso freudig und vergnügt empfangen. So setzte er denn seine Besuche mehrere Monate lang fort, und immer erschien er in einem reichern und glänzenderen Aufzuge.

Endlich wußten einige Wesire, welche die Lieblinge des Sultans waren, und die aus dem Aufwande des Prinzen auf seine Macht und Größe einen Schluß machten, die Freiheit, die ihnen gestattet war, mit dem Sultan zu reden, dazu zu mißbrauchen, daß sie in ihm Argwohn gegen den Prinzen weckten. Sie stellten ihm vor, die Klugheit erfordere es, zu wissen, wo der Prinz seinen eigentlichen Aufenthalt habe, und wovon er seinen großen Aufwand bestreite, da ihm doch weder eine Leibrente noch ein bestimmter Jahresgehalt angewiesen worden sei und er bloß an den Hof zu kommen scheine, um ihm zu trotzen und ihm zu zeigen, daß er seiner Geschenke nicht bedürfe, um als Prinz zu leben; überhaupt sei zu fürchten, er werde das Volk aufwiegeln, um ihn frevelhafterweise zu entthronen.

Der Sultan von Indien, welcher weit entfernt war, zu glauben, daß der Prinz Achmed fähig sein könnte, einen so verbrecherischen Plan zu fassen, sagte zu ihnen:

»Ihr scherzet wohl nur. Mein Sohn liebt mich, und ich bin umsomehr von seiner Zuneigung und Treue versichert, da ich mich nicht erinnern kann, ihm je den geringsten Anlaß zur Unzufriedenheit mit mir gegeben zu haben.«

Bei diesen letzten Worten nahm einer dieser Günstlinge Anlaß, ihm zu sagen:

»Herr, obwohl Euer Majestät nach dem allgemeinen Urteil aller Verständigen keinen bessern Entschluß fassen konnte, als der war, den Ihr damals faßtet, um die drei Prinzen in Betreff der Verheiratung der Prinzessin Nurunnihar zufriedenzustellen, wer weiß, ob der Prinz Achmed sich der Entscheidung des Loses mit derselben Entsagung unterworfen hat als der Prinz Hussain? Kann er sich nicht vielleicht eingebildet haben, daß er allein sie verdiene, und daß Euer Majestät, anstatt sie ihm vorzugsweise vor seinen älteren Brüdern zu bewilligen, gegen ihn dadurch eine Ungerechtigkeit begangen habe, daß Ihr die Entscheidung darüber dem Lose überließet?

Euer Majestät wird vielleicht sagen,« fügte der boshafte Günstling hinzu, »daß Prinz Achmed kein Zeichen von Unzufriedenheit habe blicken lassen, daß unsere Furcht leer sei, daß wir uns gar zu leicht beunruhigen lassen, und endlich, daß wir unrecht haben, gegen einen Prinzen seines Geblütes Euch einen Verdacht einzuflößen, der vielleicht ungegründet ist; allein, Herr« – fuhr der Günstling fort –, »dieser Verdacht kann auch wohl sehr gegründet sein. Euer Majestät ist nicht unbekannt, daß man bei einer so zarten und doch auch so wichtigen Angelegenheit den sichersten Weg wählen müsse; dazu erwäget, daß die Verstellung des Prinzen Euch Vergnügen machen und Euch täuschen könnte, und daß die Gefahr umso bedenklicher ist, da Prinz Achmed von Eurer Hauptstadt nicht gar so weit entfernt zu sein scheint. In der Tat, wenn Ihr ebenso aufmerksam darauf gewesen seid als wir, so werdet Ihr bemerkt haben, daß jedesmal, wenn er ankommt, er und seine Leute ganz frisch und munter und ihre Kleider, die Decken der Pferde und der übrige Schmuck so blank aussehen, als wären sie soeben erst neu gemacht. Sogar ihre Pferde sind nicht müder, als kämen sie von einem bloßen Spazierritt. Diese Beweise von dem benachbarten Aufenthaltsorte des Prinzen Achmed sind so augenscheinlich, daß wir unsere Pflicht zu verletzen glauben würden, wenn wir dies Euch nicht untertänigst vorstellten, damit Ihr zu Eurer eigenen Erhaltung und zum Wohl Eures Reichs die erforderliche Rücksicht darauf nehmen könntet.«

Als der Günstling diese lange Rede geendigt hatte, brach der Sultan das Gespräch mit den Worten ab:

»Wie dem auch sein mag, ich glaube nicht, daß mein Sohn Achmed so böse ist, als Ihr mich überreden wollet, unterdessen danke ich Euch für Euren guten Rat und zweifle nicht, daß Ihr mir ihn aus der besten Absicht gegeben.«

 

Vierhundertundsechzehnte Nacht.

Der Sultan sprach auf diese Weise zu seinen Günstlingen, ohne sie merken zu lassen, daß ihre Äußerungen auf sein Gemüt Eindruck gemacht hatten. Gleichwohl geriet er darüber in einige Unruhe und beschloß, die Schritte des Prinzen Achmed beobachten zu lassen, doch ohne seinem Großwesir das mindeste davon zu sagen. Er ließ die Zauberin kommen, welche durch eine geheime Tür des Palastes eingelassen und bis in sein Gemach geführt wurde, und sagte zu ihr:

»Du hast mir die Wahrheit gesagt, als du mich versichertest, daß mein Sohn Achmed nicht tot sei, und ich danke dir dafür; allein du mußt mir noch einen Gefallen tun. Seitdem ich ihn nämlich wiedergefunden habe und er wieder alle Monate einmal an meinen Hof kommt, habe ich noch nicht von ihm herausbringen können, an welchem Orte er seine Wohnung hat. Ich habe ihm keinen Zwang antun wollen, um ihm sein Geheimnis wider seinen Willen abzulocken; indes ich halte dich für geschickt genug, um meiner Neugier Befriedigung zu verschaffen, ohne daß er oder irgend jemand an meinem Hofe etwas davon erfährt. Du weißt, daß er jetzt eben hier ist, und da er von hier immer wieder abzureisen pflegt, ohne von mir oder irgend einem an meinem Hofe Abschied zu nehmen, so verliere keine Zeit, begib dich noch heute auf seinen Weg und beobachte ihn so gut, daß du erfährst, wo er jedesmal hingeht, und mir darüber Antwort bringen kannst.«

Die Zauberin entfernte sich aus dem Palast des Sultans, und da sie erfahren hatte, an welchem Orte der Prinz Achmed seinen Pfeil gefunden hatte, so begab sie sich augenblicklich dahin und versteckte sich bei den Felsen, doch so, daß sie nicht bemerkt werden konnte.

Den folgenden Tag reiste der Prinz Achmed mit Anbruch des Morgens ab, ohne daß er vom Sultan oder von einem andern Manne des Hofes Abschied nahm, wie dies seine gewöhnliche Weise war. Die Zauberin sah ihn kommen und begleitete ihn mit den Augen so weit, bis sie ihn und sein Gefolge aus dem Gesicht verlor.

Da die Felsen wegen ihrer steilen Jähe eine Grenzmauer bildeten, die für jeden Sterblichen, er mochte zu Fuß oder zu Pferde sein, unübersteiglich war, so schloß die Zauberin, eines von beiden könne hier nur der Fall sein, daß nämlich der Prinz sich hier entweder in irgend eine Höhle zurückzöge oder an irgend einen unterirdischen Ort, wo Feen und Geister wohnten. Sowie sie nun vermuten konnte, daß der Prinz und seine Leute verschwunden und in die Höhle oder in das unterirdische Gemach eingegangen sein müßten, kam sie aus ihrem Versteck hervor und ging geradeswegs auf die Schlucht los, wo sie dieselben hatte hineintreten sehen. Sie ging in diese hinein, schritt so weit vor, bis wo sich dieselbe in allerlei Krümmungen endigte, sah sich nach allen Seiten um und ging mehrere Male auf und ab. Allein ungeachtet aller Sorgfalt bemerkte sie doch weder eine Höhlenöffnung noch die eiserne Tür, welche früher den Nachforschungen des Prinzen Achmed nicht entgangen war –, und zwar darum, weil diese Tür nur für Männer, und zwar nur für die, deren Gegenwart der Fee Pari Banu angenehm war, aber nicht für Frauen sichtbar war.

Da die Zauberin sah, daß alle ihre Mühe fruchtlos sei, so mußte sie sich mit der Entdeckung, die sie soeben gemacht hatte, begnügen. Sie ging also wieder zurück, um dem Sultan Antwort zu bringen, und nachdem sie diesem über alle ihre getanen Schritte Bericht abgestattet hatte, fügte sie hinzu:

»Herr, es wird mir, wie Euer Majestät aus dem soeben abgestatteten Bericht ersehen kann, nicht schwer werden, Euch über das Betragen des Prinzen Achmed den befriedigendsten Aufschluß zu geben, den Ihr Euch nur wünschen könnt. Ich will Euch gegenwärtig noch nicht sagen, was ich davon denke, sondern ich will Euch lieber eine so klare Kenntnis von der Sache verschaffen, daß Ihr nicht mehr zweifeln könnt. Um dies bewirken zu können, erbitte ich mir von Euch bloß Zeit und Geduld nebst der Erlaubnis, daß Ihr mich machen laßt, ohne nach den Mitteln zu fragen, deren ich mich hierzu bedienen muß.«

Der Sultan nahm die Maßregeln, welche die Zauberin in Hinsicht seiner ergriff, ganz wohl auf und sagte zu ihr:

»Ganz nach deinem Belieben! Geh und handle so, wie du es für angemessen findest, ich werde die Erfüllung deiner Versprechungen ruhig abwarten.«

Um sie aufzumuntern, schenkte er ihr zugleich einen sehr kostbaren Diamanten, indem er ihr sagte, dies gebe er ihr bloß vorläufig, bis er sie einst vollständig belohnen würde, wenn sie ihm den wichtigen Dienst, worin er sich ganz auf ihre Geschicklichkeit verlasse, geleistet haben würde.

Da der Prinz Achmed, seitdem er von der Fee Pari Banu die Erlaubnis erhalten hatte, dem Sultan von Indien seine Aufwartung zu machen, nicht unterlassen hatte, dies regelmäßig alle Monate einmal zu tun, so wartete die Zauberin, die dies recht gut wußte, bis der laufende Monat zu Ende ging. Ein oder zwei Tage vor dem Ende desselben begab sie sich an den Fuß der Felsen, und zwar an die Stelle, wo der Prinz mit seinen Leuten ihr aus dem Gesicht verschwunden war, und wartete da, um den Plan, den sie entworfen hatte, auszuführen.

Schon am folgenden Tage ritt der Prinz Achmed wie gewöhnlich aus der eisernen Tür heraus, und zwar mit dem Gefolge, das ihn immer zu begleiten pflegte, und kam dicht an der Zauberin vorbei, die er nicht für das erkannte, was sie war. Da er bemerkte, daß sie mit dem Kopf auf den Felsen gelehnt dalag und wie eine schwer Leidende jammerte, so bewog ihn das Mitleid, seitwärts abzulenken, um sich ihr zu nähern und sie zu fragen, was ihr denn fehle, und was er zu ihrer Linderung tun könne.

 

Vierhundertundsiebzehnte Nacht.

Die arglistige Zauberin sah den Prinzen, ohne den Kopf emporzuheben, mit einer Miene an, die sein schon gewecktes Mitleid noch vermehrte, und antwortete ihm in abgebrochenen Worten und als könnte sie kaum atmen, sie sei von Hause weggegangen, um nach der Stadt zu gehen, und unterwegs sei sie von einem heftigen Fieber befallen worden, die Kräfte seien ihr geschwunden, und sie sei genötigt gewesen, anzuhalten und in einer unbewohnten Gegend ohne Aussicht auf menschlichen Beistand in der Lage zu bleiben, worin er sie gefunden.

»Gute Frau,« erwiderte der Prinz Achmed, »Ihr seid nicht so weit von aller menschlichen Hilfe entfernt, als Ihr denkt; ich bin bereit, es Euch zu beweisen und Euch hier ganz in der Nähe an einen Ort hinzubringen, wo Ihr nicht bloß alle mögliche Pflege finden, sondern auch bald geheilt werden sollet. Ihr dürft hierzu bloß aufstehen und zugeben, daß einer von meinen Leuten Euch hinter sich aufs Pferd nehme.«

Bei diesen Worten des Prinzen Achmed lehnte die Zauberin, die sich bloß darum krank stellte, um zu erfahren, wo er wohne, was er mache, und in welcher Lage er sich befinde, die Wohltat, die ihr so artig angeboten wurde, ganz und gar nicht ab, und um ihm mehr durch die Tat als durch Worte anzuzeigen, daß sie sein Anerbieten annehme, stellte sie sich, als suche sie mit vieler Mühe sich aufzurichten. In demselben Augenblick stiegen zwei von den Reitern ab, halfen ihr auf die Beine und setzten sie hinter einen andern Reiter aufs Pferd. Während sie sich wieder aufsetzten, sprengte der Prinz an der Spitze seiner Reiterschar den Weg wieder zurück und kam bald an die eiserne Tür, welche ihm durch einen vorausgeeilten Reiter geöffnet worden war. Der Prinz ritt hinein, und als er in den Hof des Feenpalastes gelangt war, ließ er, ohne selber abzusteigen, durch einen seiner Reiter der Fee melden, daß er sie zu sprechen wünsche.

Die Fee Pari Banu eilte umso schneller herbei, da sie nicht begreifen konnte, aus welchem Grunde der Prinz Achmed so bald wieder umzukehren genötigt worden sei. Ohne ihr Zeit zu lassen, nach dem Grunde zu fragen, sagte der Prinz zu ihr, indem er auf die Zauberin hinzeigte, welche zwei seiner Leute vom Pferde herabgehoben hatten und nun unter den Armen geführt brachten:

»Meine Prinzessin, ich bitte Euch, dieser Frau dasselbe Mitleid zu schenken, das ich ihr geschenkt habe. Ich habe sie in dem Zustande, worin Ihr sie sehet, unterwegs getroffen und habe ihr den Beistand versprochen, dessen sie bedarf. Ich empfehle sie Euch in der Überzeugung, daß Ihr sie nicht verlassen werdet sowohl aus eigenem Antriebe, als auch in Rücksicht meiner.«

Die Fee Pari Banu, welche während der Rede des Prinzen ihre Augen auf die angebliche Kranke geheftet hatte, befahl zweien ihrer Frauen, die ihr gefolgt waren, sie aus den Händen der Reiter zu übernehmen, sie dann in ein Zimmer des Palastes zu führen und für sie ganz ebenso zu sorgen, als ob sie es selber wäre.

Während die beiden Frauen den empfangenen Befehl vollzogen, näherte sich die Fee Pari Banu dem Prinzen Achmed und sagte mit niedergesenkten Augen zu ihm:

»Prinz, ich lobe Euer Mitleid; es ist Euer und Eures Standes würdig, und ich freue mich, Eurer guten Absicht entsprechen zu können: allein erlaubt mir, Euch zu sagen, daß ich sehr fürchte, diese gute Absicht werde uns übel belohnt werden. Es scheint mir nämlich nicht, daß diese Frau so krank sei, als sie vorgibt, und ich müßte mich sehr täuschen, wenn sie nicht ausdrücklich dazu abgerichtet ist, Euch großes Unheil zu stiften. Indes laßt Euch das nicht kümmern. Was man auch immer gegen Euch anzetteln mag, Ihr könnt versichert sein, daß ich Euch aus allen Schlingen, die man Euch irgend legen mag, befreien werde. Gehet daher und setzet Eure Reise fort.«

Diese Äußerungen der Fee beunruhigten den Prinzen Achmed weiter nicht, sondern er antwortete:

»Meine Prinzessin, da ich mich nicht erinnern kann, jemandem etwas zuleide getan zu haben, und da ich auch gegen niemanden etwas dergleichen vorhabe, so glaube ich nicht, daß irgend jemand dergleichen mir zuzufügen gedenkt. Wie dem aber auch sein mag, ich werde nicht aufhören, Gutes zu tun, sooft sich mir die Gelegenheit dazu bieten wird.«

Hierauf nahm er Abschied von der Fee, trennte sich von ihr und setzte seine Reise, die er um der Zauberin willen unterbrochen hatte, weiter fort. Nach wenigen Stunden langte er am Hofe des Sultans an, der ihn fast so wie sonst empfing, indem er sich so viel als möglich Zwang antat, um seine Unruhe nicht blicken zu lassen, noch auch den Argwohn, den die Äußerungen der beiden Günstlinge in ihm geweckt hatten.

Unterdes hatten die beiden Frauen, denen die Fee Pari Banu die Sache aufgetragen, die Zauberin in ein sehr schönes und reichgeschmücktes Zimmer geführt. Sie ließen sie da zuerst auf ein Sofa niedersetzen, wo sie, während jene sich an ein Kissen von Goldbrokat anlehnte, vor ihren Augen auf demselben Sofa eine Lagerstatt bereiteten, deren Matratzen von Atlas und mit Stickerei von Seide verziert waren; das Bettuch war von der feinsten Leinwand und die Oberdecke von Goldstoff. Als sie ihr nun ins Bette geholfen hatten – denn die Zauberin stellte sich fortwährend so, als ob ihr Fieberanfall sie so quäle, daß sie sich selber nicht helfen könne –, ging eine von den Frauen hinaus und kam bald darauf mit einem sehr feinen Porzellangefäß in der Hand zurück, welches mit einer Flüssigkeit angefüllt war. Sie reichte es der Zauberin, während die andere Frau ihr half, sich im Bette aufzusetzen, und sagte zu ihr:

»Da nehmet die Flüssigkeit, es ist Wasser aus der Löwenquelle, ein Universalmittel gegen jede Art von Fieber. Ihr werdet binnen einer Stunde die Wirkung davon empfinden.«

Die Zauberin, um sich noch besser zu verstellen, ließ sich lange bitten, als hätte sie gleichsam eine unüberwindliche Abneigung gegen diesen Trank. Endlich nahm sie das Porzellangefäß und schluckte die Flüssigkeit hinunter, während sie den Kopf schüttelte, als ob sie sich eine große Gewalt antue. Als sie sich wieder gelegt hatte, deckten die beiden Frauen sie gut zu, und die, welche den Trank gebracht hatte, sagte zu ihr:

»Bleibet jetzt ganz ruhig und schlafet, wenn Ihr Lust habt. Wir wollen Euch jetzt verlassen und hoffen, Euch bei unserer Wiederkehr nach einer Stunde vollkommen genesen zu finden.«

 

Vierhundertundachtzehnte Nacht.

Die Zauberin, welche nicht darum gekommen war, um hier lange die Kranke zu spielen, sondern bloß um den Aufenthalt des Prinzen Achmed, und was ihn wohl bewegen möge, den Hof des Sultans zu meiden, auszuspähen, was sie nunmehr zur Genüge ausgeforscht hatte, hätte jetzt gern erklärt, daß der Trank seine Wirkung getan habe, so groß war ihr Verlangen, zurückzukehren und den Sultan von dem glücklichen Gelingen des Auftrags, den er ihr gegeben, zu benachrichtigen; indes da man ihr nicht gesagt hatte, daß der Trank auf der Stelle wirke, so mußte sie wider ihren Willen die Rückkehr der Frauen abwarten.

Die beiden Frauen kamen nach Verlauf der angegebenen Zeit wieder und fanden die Zauberin aufgestanden und angekleidet auf dem Sofa, die bei ihrem Eintritt sogleich aufstand und ausrief:

»O der bewundernswürdige Trank! Er hat weit schneller gewirkt, als ihr mir sagtet, und ich erwarte euch schon seit einer Weile voll Ungeduld, um euch zu bitten, daß ihr mich doch zu eurer mildtätigen Gebieterin führet, damit ich ihr für ihre Güte, wofür ich ihr ewig verpflichtet bleiben werde, meinen Dank abstatte, und damit ich nach dieser wundervollen Genesung keine Zeit verliere, um meine Reise fortzusetzen.«

Die beiden Frauen, welche ebenfalls Feen waren, bezeigten der Zauberin ihre Teilnahme an der Wiederherstellung ihrer Gesundheit, gingen dann vor ihr her, um ihr den Weg zu zeigen, und führten sie durch mehrere Zimmer, die alle weit prächtiger waren als das, woraus sie eben kam, in den prachtvollsten und am reichsten geschmückten Saal des ganzen Palastes.

Pari Banu saß in diesem Saal auf einem Thron von gediegenem Golde, der mit Diamanten, Rubinen und Perlen von ungewöhnlicher Größe reich verziert war, und neben welchem rechts und links eine große Anzahl von Feen stand, die alle sehr reizend und reich gekleidet waren. Beim Anblick eines solchen Glanzes und einer solchen Majestät ward die Zauberin nicht bloß ganz verblendet, sondern sie ward auch so verwirrt, daß sie, nachdem sie sich vor dem Throne niedergeworfen, nicht einmal den Mund zu öffnen vermochte, um der Fee, wie sie sich vorgenommen, ihren Dank abzustatten, Pari Banu ersparte ihr diese Mühe und sagte zu ihr:

»Gute Frau, es ist mir angenehm, daß diese Gelegenheit, Euch einen Gefallen zu tun, sich ereignet hat, und ich sehe mit Vergnügen Euch imstande, Euren Weg fortzusetzen. Ich will Euch nicht länger zurückhalten; doch es wird Euch nicht unlieb sein, zuvor meinen Palast zu besehen. Gehet mit meinen Frauen, sie werden Euch begleiten und Euch denselben zeigen.«

Die Zauberin, welche noch immer ganz verwirrt war, verneigte sich nochmals mit der Stirn bis auf den Teppich herab, welcher das Unterteil des Thrones bedeckte, nahm Abschied, doch ohne daß sie ein einziges Wort vorzubringen vermochte, und ließ sich von den beiden Feen, die sie begleiteten, herumführen. Sie sah nun zu ihrem Erstaunen und unter beständigen Ausrufungen der Verwunderung dieselben Zimmer nach der Reihe, dieselben Reichtümer und dieselbe Pracht, welche die Fee Pari Banu dem Prinzen Achmed, als er das erstemal vor ihr erschien, hatte zeigen lassen. Was ihr aber die größte Bewunderung einflößte, war, daß die Feen, nachdem sie das ganze Innere des Palastes in Augenschein genommen, ihr sagten, daß alles das, was sie soeben bewundert habe, nur eine Probe von der Größe und Macht ihrer Gebieterin sei, und daß sie in dem Umfange ihres Reichs noch andere unzählige Paläste habe, die alle von verschiedener Form und Bauart, doch nicht minder stattlich und prächtig wären. Indem sie sich so mit ihr über allerlei andere Umstände unterhielten, führten sie sie bis zur eisernen Tür, durch welche der Prinz Achmed sie eingeführt hatte, öffneten dieselbe und wünschten ihr, nachdem sie von ihnen Abschied genommen und ihnen für ihre Bemühungen gedankt hatte, eine glückliche Reise.

Als die Zauberin einige Schritte weit gegangen war, drehte sie sich um, um die Tür sich anzusehen und zu merken, doch sie suchte dieselbe vergebens; sie war bereits wieder für sie so wie für jede andere Frau unsichtbar geworden. Sie begab sich nun also, mit Ausnahme dieses einzigen Umstandes ziemlich zufrieden mit sich selber, daß sie ihren Auftrag so gut vollzogen, zum Sultan zurück. Sobald sie in der Hauptstadt angelangt war, ging sie durch Nebenwege und ließ sich wieder durch die geheime Tür in den Palast einführen. Der Sultan, als ihm ihre Ankunft gemeldet worden, ließ sie vor sich kommen, und da er sie mit einem sehr traurigen Gesicht erscheinen sah, so mutmaßte er, die Sache sei ihr nicht gelungen, und sagte zu ihr:

»Deinem Ansehen nach schließe ich, daß deine Reise fruchtlos gewesen, und daß du mir die Aufklärung nicht mitbringst, die ich von deinem Diensteifer erwartete.«

»Herr,« erwiderte die Zauberin, »Euer Majestät erlaube mir, Euch vorzustellen, daß Ihr nicht aus meiner Miene einen Schluß darauf machen dürfet, ob ich mich bei Vollführung des Auftrags, womit Ihr mich beehrtet, gut benommen habe, sondern vielmehr aus dem treuen Bericht über das, was ich getan habe, und was mir alles begegnet ist, während ich alles aufbot, um mich Eures Beifalls würdig zu machen. Der traurige Zug, den Ihr vielleicht in meinem Gesichte bemerkt, rührt aus einer andern Quelle als daher, daß es mir etwa nicht gelungen wäre, vielmehr hoffe ich, daß Euer Majestät hier alle Ursache haben wird, damit zufrieden zu sein. Welches die eigentliche Ursache ist, sage ich Euch nicht; der Bericht, den ich Euch abstatten werde, wofern Ihr anders Geduld habt, mich anzuhören, wird Euch alles erklärlich machen.«

 

Vierhundertundneunzehnte Nacht.

Nun erzählte die Zauberin dem Sultan von Indien, wie sie dadurch, daß sie sich krank gestellt, bewirkt habe, daß der Prinz Achmed, von Mitleid ergriffen, sie an einen unterirdischen Ort habe bringen lassen, sie daselbst einer Fee von unvergleichlicher Schönheit vorgestellt und empfohlen und dieselbe gebeten habe, für die Wiederherstellung ihrer Gesundheit Sorge zu tragen; ferner, mit welcher Gefälligkeit die Fee sogleich zwei anderen Feen von ihrem Gefolge befohlen habe, sie in Pflege zu nehmen und nicht eher von ihr zu weichen, als bis sie ihre Gesundheit wiedererlangt haben würde: woraus sie denn geschlossen habe, daß eine so große Willfährigkeit nur in einem Verhältnis zwischen Mann und Frau möglich sein könne. Auch unterließ die Zauberin nicht, ihm ihr Erstaunen zu schildern, welches sie bei Erblickung des Feenpalastes, den sie für einzig in der Welt hielt, empfunden habe, während die beiden Feen sie als eine Kranke, die ohne ihre Beihilfe weder gehen noch stehen könne, jede unter einem Arm dahingeführt hätten. Sie beschrieb ihm umständlich den Eifer, womit man sie in dem Zimmer, wohin sie gebracht worden, gepflegt, den Trank, welchen man ihr eingegeben, die schnell erfolgte Genesung, die – wiewohl sie an der Kraft des Trankes gar nicht zweifle – ebenso erheuchelt gewesen als ihre Krankheit, ferner die Majestät der Fee, die auf einem von Edelsteinen blitzenden Throne gesessen, deren Wert leicht die Reichtümer des ganzen Indiens übersteige, zuletzt endlich die übrigen unermeßlichen und unzuberechnenden Reichtümer sowohl im allgemeinen als im besondern, welche in dem großen Umfange des Palastes enthalten wären.

Hier endigte die Zauberin ihren Bericht von dem Erfolg ihrer Sendung und fuhr dann weiter fort:

»Herr, was denkt nun Euer Majestät von diesen unerhörten Reichtümern der Fee? Vielleicht werdet Ihr sagen, Ihr wundert Euch darüber und freuet Euch über das hohe Glück des Prinzen Achmed, der dieselben mit der Fee gemeinschaftlich genießt. Ich indes bitte Euer Majestät um Vergebung, wenn ich mir die Freiheit nehme, zu gestehen, daß ich hierüber anders denke und sogar in Bangigkeit bin, wenn ich das Unglück bedenke, das für ihn daraus erwachsen kann, und gerade dies ist die Ursache meiner Unruhe, die ich nicht so gut zu verbergen vermochte, daß Ihr es nicht zu bemerken imstande gewesen wäret. Ich will gern glauben, daß der Prinz Achmed vermöge seiner guten Gemütsart nicht fähig ist, etwas gegen Euer Majestät zu unternehmen, allein wer kann dafür Bürge sein, daß nicht die Fee durch ihre Reize, ihre Liebkosungen und durch die Gewalt, die sie bereits über ihren Gemahl erlangt hat, ihm den verderblichen Plan eingibt, Euer Majestät zu verdrängen und sich der Krone Indiens zu bemeistern? Es kommt Euer Majestät zu, auf eine Sache von solcher Wichtigkeit alle nur mögliche Aufmerksamkeit zu verwenden.«

Wie sehr auch der Sultan von dem guten Gemüt seines Sohnes, des Prinzen Achmed, überzeugt war, so ward er dennoch durch die Äußerungen der Zauberin innerlich aufgeregt. Er entließ sie mit den Worten: »Ich danke dir für deine Mühe und für deinen heilsamen Rat; ich erkenne die Wichtigkeit desselben, die von der Art zu sein scheint, daß ich hierüber nicht eher etwas beschließen kann, als bis ich meine Ratgeber gehört habe.«

Als man dem Sultan die Ankunft der Zauberin gemeldet hatte, unterhielt er sich gerade mit denselben Günstlingen, die ihm bereits früher, wie schon erwähnt ist, Argwohn gegen den Prinzen Achmed eingeflößt hatten. Er gebot nun der Zauberin, ihm zu folgen, und begab sich zu den beiden Günstlingen. Er teilte diesen mit, was er soeben vernommen, und nachdem er ihnen zugleich angezeigt, welchen Grund er habe, zu fürchten, daß die Fee das Gemüt des Prinzen umstimmen werde, fragte er sie, welche Mittel man wohl anwenden könne, um einem solchen Übel vorzubeugen.

Einer von den beiden Günstlingen nahm für die übrigen das Wort und antwortete:

»Herr, da Euer Majestät denjenigen kennt, welcher dies Unglück zuwege bringen könnte, da er mitten an Eurem Hofe lebt und in Euren Händen ist, so solltet Ihr, um diesem Unglück vorzubeugen, ihn ungesäumt verhaften und wenn auch nicht hinrichten – denn dies würde zu viel Aufsehn erregen –, aber doch wenigstens auf Lebenszeit in einen engen Kerker werfen lassen.« Die übrigen Günstlinge gaben dieser Ansicht einstimmig ihren Beifall.

Die Zauberin fand indes diesen Ratschlag zu gewaltsam; sie bat den Sultan um Erlaubnis zu reden, und als sie dieselbe erhalten, sagte sie folgendes zu ihm:

»Herr, ich bin überzeugt, daß bloß der Eifer für das Beste Euer Majestät Eure Ratgeber bewogen hat, Euch eine Verhaftung des Prinzen Achmed vorzuschlagen; allein diese werden es nicht übel ausnehmen, wenn ich ihnen zu Gemüte führe, daß man bei Verhaftung des Prinzen auch zugleich seine Begleiter mit verhaften müßte, die aber nicht Menschen, sondern Geister sind. Wird man es nun wohl für etwas Leichtes halten, diese zu überfallen, Hand an sie zu legen und sich ihrer Person zu bemächtigen? Würden sie nicht vermöge der ihnen inwohnenden Kraft sich auf der Stelle unsichtbar machen und augenblicklich die Fee von der ihrem Gemahl angetanen Beleidigung unterrichten, welche dann diese Schmach nicht ungerächt lassen würde? Wäre es daher nicht angemessener, wenn der Sultan durch ein anderes, weniger Aufsehen erregendes Mittel sich gegen die bösen Anschläge, die der Prinz Achmed etwa haben mag, sicherstellen könnte, ohne daß dadurch der Ruhm seiner Majestät irgendwie leiden oder irgend jemand ihm dabei eine böse Absicht von seiner Seite zuschreiben könnte? Da die Geister und die Feen Dinge vermögen, welche weit alle menschliche Kraft übersteigen, so könnte seine Majestät, wofern sie auf meinen guten Rat irgend nur Vertrauen setzen will, den Prinzen Achmed ja bei seiner Ehre fassen und ihn verpflichten, ihm durch Vermittelung der Fee gewisse Vorteile zu verschaffen, unter dem Vorwande, daß er, der Sultan, davon großen Nutzen haben und ihm dafür stets dankbar sein würde. Zum Beispiel, sooft Euer Majestät zu Felde ziehen will, seid Ihr genötigt, einen ungeheuren Aufwand zu machen nicht bloß an Pavillons und Zelten für Euch und Euer Heer, sondern auch an Kamelen, Mauleseln und andern Lasttieren, um dieses ganze Gerät fortzubringen. Könntet Ihr ihn nun nicht verpflichten, daß er Euch vermöge seines bedeutenden Einflusses bei der Fee einen Pavillon verschaffen solle, der in der Hand Platz hätte, unter welchem gleichwohl aber Euer ganzes Heer Obdach finden könnte? Weiter brauche ich Euer Majestät nichts zu sagen. Wenn der Prinz nun auch diesen Pavillon herbeischaffen sollte, so bleiben Euch immer noch so viele andere Forderungen der Art an ihn zu machen übrig, daß er am Ende – wie erfinderisch und reich an Mitteln die Fee auch immer sein mag, die ihn durch ihre Bezauberung von Euch abwendig gemacht hat – dennoch den Schwierigkeiten oder der Unmöglichkeit der Ausführung wird unterliegen müssen. So wird er dann aus Scham sich nicht mehr sehen lassen und gezwungen sein, sein Leben bei der Fee fern vom Verkehr mit der Welt hinzubringen, und so wird dann Euer Majestät nichts mehr von seinen Anschlägen zu befürchten haben, ohne daß man Euch eine so verhaßte Handlung, als die Hinrichtung oder lebenslängliche Einkerkerung sein würde, wird vorwerfen können.«

Als die Zauberin ausgeredet hatte, fragte der Sultan seine Günstlinge, ob sie ihm etwas Besseres vorzuschlagen wüßten; und da sie stillschwiegen, so beschloß er, den Rat der Zauberin zu befolgen, als denjenigen, der ihm am vernünftigsten und den milden Grundsätzen seiner bisherigen Regierung am angemessensten dünkte.

 

Vierhundertundzwanzigste Nacht.

Als der Prinz Achmed den folgenden Tag vor seinem Vater, dem Sultan, der sich eben mit seinen Günstlingen unterhielt, erschien und neben ihm Platz genommen hatte, ließ dieser sich durch seine Gegenwart nicht abhalten, sein Gespräch über allerlei gleichgültige Gegenstände noch eine Weile fortzusetzen, hierauf nahm der Sultan das Wort, wendete sich zum Prinzen und sagte zu ihm:

»Mein Sohn, als du erschienst und mich von der tiefen Traurigkeit, worin mich deine lange Abwesenheit versenkt hatte, befreitest, machtest du mir ein Geheimnis aus dem Orte, den du dir zum Aufenthalt gewählt hattest, und in der ersten Freude, dich wiederzusehen und dich mit deinem Schicksal zufrieden zu erblicken, wollte ich nicht weiter in dein Geheimnis eindringen, sobald ich erfuhr, daß du es nicht gern habest. Ich weiß indes nicht, welchen Grund du haben magst, um so gegen deinen Vater zu handeln, der damals so wie jetzt den größten Anteil an deinem Glück genommen haben würde. Ich kenne jetzt dieses dein Glück, freue mich dessen und billige deine Wahl, daß du eine Fee geheiratet, die so liebenswürdig, so reich und mächtig ist, wie ich dies von guter Hand weiß. So mächtig ich bin, so würde es mir doch nicht möglich gewesen sein, dir eine Gemahlin der Art zu verschaffen. In dem hohen Range, zu welchem du jetzt erhoben bist, und den dir jeder andere als dein Vater beneiden könnte, bitte ich dich, daß du nicht bloß, wie du bisher stets getan, mit mir fortwährend im guten Einverständnis bleiben, sondern auch deinen ganzen Einfluß, den du bei deiner Fee haben magst, aufbieten mögest, um mir in Fällen der Not ihren Beistand zu verschaffen, und du wirst mir erlauben, daß ich diesen deinen Einfluß noch heute auf die Probe stelle. Du weißt, mit welchen ungeheuren Kosten – um von den Schwierigkeiten zu schweigen – meine Heerführer, Offiziere und ich selber, sooft ich in Kriegeszeiten ins Feld zu ziehen genötigt bin, Pavillons und Zelte sowie auch Kamele und andere Lasttiere zur Fortbringung derselben uns anschaffen müssen. Wenn du nun den Gefallen, den du mir dadurch erweisen würdest, berücksichtigest, so weiß ich, daß du ohne Schwierigkeit es bewirken wirst, daß deine Fee dir einen Pavillon verschafft, der gerade in einer Hand Platz hat, und unter welchem dennoch mein ganzes Heer Obdach finden kann – zumal wenn du ihr sagst, daß er für mich bestimmt sei. Die Schwierigkeit der Sache wird dir gewiß keine abschlägige Antwort zuziehen, es ist ja bekannt, welche Macht die Feen haben, um selbst noch weit außerordentlichere Dinge zu bewerkstelligen.«

Der Prinz Achmed hatte sich dessen gar nicht versehen, daß der Sultan, sein Vater, von ihm eine Sache der Art verlangen würde, die ihm gleich vornherein sehr schwierig, wo nicht gar unmöglich schien. In der Tat, obwohl ihm die Macht der Geister und Feen nicht ganz unbekannt war, so zweifelte er doch, daß diese sich so weit erstrecke, um ihm einen Pavillon der Art zu verschaffen, wie verlangt wurde. Überdies hatte er bisher von Pari Banu noch nie etwas Ähnliches verlangt, sondern er begnügte sich mit den Beweisen, die sie ihm fortwährend von ihrer Liebe gab, und unterließ nichts, was sie überzeugen konnte, daß er ihrer Neigung von ganzem Herzen entspreche, ohne dabei irgend einen andern Zweck zu haben als den, sich in ihrer Gunst zu erhalten. Er war daher wegen der Antwort, die er jetzt geben sollte, in nicht geringer Verlegenheit.

»Herr,« erwiderte er endlich, »wenn ich Euer Majestät aus dem, was mir nach Auffindung meines Pfeiles begegnet ist, und welchen Entschluß ich damals gefaßt, ein Geheimnis gemacht habe, so geschah es bloß darum, weil ich glaubte, es könne Euch an einer näheren Auskunft darüber wenig liegen. Aus welchem Wege Euch dies Geheimnis kund geworden ist, weiß ich nicht; indes kann ich Euch nicht verhehlen, daß der Bericht, den man Euch darüber abgestattet hat, vollkommen wahr ist. Ja, ich bin Gemahl der Fee, von der man Euch gesagt hat, ich liebe sie und bin überzeugt, daß sie mich ebenfalls liebt; doch was meinen Einfluß bei ihr anbetrifft, wie Euer Majestät anzunehmen scheint, so weiß ich davon nichts zu sagen. Ich habe diesen nicht nur niemals versucht, sondern noch nicht einmal daran gedacht, ihn zu versuchen, und ich hätte wohl gewünscht, daß Euer Majestät mir diesen Versuch erlassen und mich im Besitz des Glücks, zu lieben und geliebt zu werden, gelassen hätte, und zwar in jener Anspruchlosigkeit und Uneigennützigkeit, die ich mir zum Gesetz gemacht hatte. Indes der Wunsch eines Vaters ist Befehl für einen Sohn, der wie ich es sich zur Pflicht macht, in allen Stücken zu gehorchen. (Obwohl höchst ungern und nur mit unbeschreiblichem Widerwillen, werde ich dennoch nicht unterlassen, meiner Gemahlin die Bitte, die Euer Majestät verlangt, vorzutragen, aber ich kann Euch nicht versprechen, daß sie mir wirklich erfüllet werden wird, und sollte ich daher aufhören, vor Euch zu erscheinen und Euch meine Ehrerbietung zu beweisen, so wird dies ein Zeichen sein, daß ich nichts ausgerichtet habe, und ich bitte daher im voraus, daß Ihr mir es dann verzeihen und erwägen möget, daß Ihr mich selber in die Notwendigkeit versetzt habt.«

Der Sultan von Indien antwortete dem Prinzen: »Mein Sohn, es würde mir sehr leid tun, wenn mein gegenwärtiges Verlangen mich jemals des Vergnügens, dich zu sehen, berauben sollte; ich sehe schon, daß du die Gewalt nicht kennst, die ein Mann über seine Frau hat. Die deinige würde beweisen, daß sie dich wenig liebe, wenn sie bei der Macht, die sie als Fee hat, dir eine so geringfügige Sache abschlagen wollte, als die ist, um die ich sie durch dich bitten lasse. Laß deine Furchtsamkeit fahren; sie rührt bloß daher, daß du glaubst, sie liebe dich nicht so sehr, als du sie liebest. Geh, bitte sie nur, und du wirst sehen, daß die Fee dich weit mehr liebt, als du es glaubst, und bedenke zugleich, daß, wenn man nicht bittet, man sich großer Vorteile beraubt. Bedenke, daß, so wie du aus Liebe zu ihr gewiß ihr nichts abschlagen würdest, um was sie dich bäte, sie gewiß ebensowenig dir deine Bitte abschlagen wird, weil sie dich liebt.«

 

Vierhundertundeinundzwanzigste Nacht.

Dem Sultan von Indien gelang es nicht, den Prinzen Achmed durch seine Rede zu überzeugen. Der Prinz hätte es weit lieber gesehen, wenn er jedes andere von ihm verlangt hätte als etwas, was ihn der Gefahr aussetzte, seiner geliebten Pari Banu zu mißfallen, voll Verdruß darüber reiste er vom Hofe zwei Tage früher ab, als er sonst pflegte. Sobald er zu Hause angekommen war, fragte die Fee, welche ihn bisher immer mit heiterm Angesicht vor sich hatte erscheinen sehen, ihn nach der Ursache der Veränderung, die sie an ihm bemerkte. Da sie sah, daß er, anstatt zu antworten, sich nach ihrem Befinden erkundigte, und zwar mit einer Miene, die deutlich zu erkennen gab, daß er einer Antwort auszuweichen suchte, sagte sie zu ihm:

»Ich werde Eure Frage nicht eher beantworten, als bis Ihr auf die meinige geantwortet haben werdet.« Der Prinz sträubte sich lange dagegen, indem er sie versicherte, es sei weiter nichts: allein je mehr er sich sträubte, desto mehr drang sie in ihn. »Ich kann Euch,« sagte sie zu ihm, »nicht in Eurer gegenwärtigen Stimmung sehen, ohne daß Ihr mir die Ursache Eurer Bekümmernis entdecket, damit ich dieselbe heben kann, von welcher Art sie auch sein mag. Sie müßte von ganz außerordentlicher Art sein, wenn es nicht in meiner Macht stehen sollte, es wäre denn, daß Euer Vater, der Sultan gestorben wäre; in diesem Falle müßte außer dem, was ich etwa dazu beitragen könnte, hauptsächlich die Zeit Euch Trost gewähren.«

Der Prinz Achmed vermochte nicht länger den inständigen Bitten der Fee zu widerstehen und sagte also zu ihr:

»Meine Gemahlin, Gott verlängere das Leben des Sultans, meines Vaters, und segne ihn bis an das Ende seiner Tage! Ich verließ ihn vollkommen frisch und gesund. Dies ist es also nicht, was mir die Bekümmernis veranlaßt, die Ihr an mir wahrgenommen habt, sondern der Sultan selber ist die Ursache davon, und es betrübt mich umsomehr, da er mich in die unangenehme Notwendigkeit versetzt, Euch beschwerlich zu fallen. Erstlich, meine Gemahlin, wisset Ihr, wie sorgfältig ich, und zwar mit Eurer Genehmigung, ihm das Glück zu verhehlen gesucht habe, das mir dadurch zuteil geworden, daß ich Euch sah, Euch liebte, Eure Gunst und Eure Liebe erwarb und von Euch das Gelübde der Treue empfing, indem ich Euch das meinige gab; gleichwohl weiß ich nicht, auf welchem Wege er alles erfahren hat.«

Bei diesen Worten unterbrach die Fee Pari Banu den Prinzen Achmed und sagte zu ihm:

»Und ich dagegen weiß es recht gut. Erinnert Euch nur an das, was ich Euch in Betreff der Frau vorausgesagt habe, die sich krank stellte, und mit welcher Ihr so großes Mitleid hattet; diese eben ist es, die dem Sultan, Eurem Vater, alles berichtet hat, was Ihr ihm verhehlet. Ich hatte Euch damals vorausgesagt, daß sie ebensowenig krank sei als wir beide, und dies hat sich wirklich an ihr bestätigt. In der Tat, nachdem die beiden Frauen, denen ich sie anempfohlen, ihr einen Universaltrunk gegen alle Arten von Fieber, dessen sie aber gar nicht bedurfte, eingegeben hatten, stellte sie sich, als sei sie durch diesen Trank gesund geworden, und ließ sich zu mir führen, um Abschied zu nehmen, damit sie unverzüglich von dem Erfolge ihres Unternehmens Bericht abstatten könnte. Sie war so eilig, daß sie fortgegangen sein würde, ohne sich meinen Palast zu besehen, wenn ich sie nicht durch meine beiden Frauen darin hätte herumführen und ihr begreiflich machen lassen, daß es sich wohl der Mühe lohne, ihn gesehen zu haben. Indes fahret nur fort: wir wollen sehen, inwiefern der Sultan, Euer Vater, Euch in die Notwendigkeit versetzt hat, mir lästig zu fallen, was indes, wie ich Euch zu glauben bitte, niemals der Fall sein wird.«

»Meine Gemahlin,« fuhr der Prinz Achmed fort, »Ihr werdet bemerkt haben, daß ich bis diesen Augenblick mich mit Eurer Liebe begnügt und nie irgend eine andere Gunstbezeigung von Euch verlangt habe. Was könnte ich auch bei dem Besitz einer so liebenswürdigen Gemahlin noch weiter wünschen? Es war mir keineswegs unbekannt, wie groß Eure Macht sei; allein ich hatte mir es zur Pflicht gemacht, dieselbe nie auf die Probe zu stellen. Bedenket also, ich beschwöre Euch darum, daß nicht ich es bin, sondern mein Vater, der Sultan, der die unbescheidene Bitte an Euch tut, ihm einen Pavillon zu verschaffen, der ihn, seinen ganzen Hof und sein ganzes Heer, sooft er im Felde ist, gegen das Ungemach der Witterung schützt, aber dabei in der Hand Platz hat. Noch einmal sage ich es, nicht ich, sondern mein Vater, der Sultan ist es, der Euch um diese Gefälligkeit bittet.«

»Prinz,« erwiderte die Fee lächelnd, »es tut mir leid, daß eine solche Kleinigkeit Euch so viel Unruhe und Herzenspein verursacht hat, als Ihr gegen mich blicken ließet. Ich sehe wohl, daß zweierlei dazu beigetragen hat: erstens, daß Ihr es Euch zum Gesetz gemacht hattet, Euch mit meiner Liebe zu begnügen und mich nie um etwas zu bitten, was meine Macht auf die Probe stellen könnte, zweitens, daß Ihr, was Ihr auch immer dagegen sagen möget, Euch ohne Zweifel einbildetet, die Erfüllung der Bitte, die Ihr auf Verlangen Eures Vaters an mich tun solltet, liege nicht mehr in den Grenzen meiner Macht. Was das erste betrifft, so lobe ich Euch darum und würde Euch deshalb nur noch mehr lieben, wenn dies irgend möglich wäre. Was das zweite betrifft, so würde ich Euch leicht dartun können, daß das Verlangen des Sultans zu erfüllen für mich eine Kleinigkeit ist, und daß ich gelegentlich wohl noch schwierigere Sachen zu vollbringen imstande bin. Beruhiget also Euer Gemüt und seid überzeugt, daß ich, anstatt mich dadurch belästigt zu fühlen, mir stets ein großes Vergnügen daraus machen werde, Euch alles zu gewähren, was Ihr irgend nur wünschen möget, das ich Euch zu Liebe tun soll.«

Nach diesen Worten befahl die Fee, ihre Schatzmeisterin zu rufen. Die Schatzmeisterin kam, und die Fee sagte zu ihr:

»Nurdschihan« – so hieß nämlich die Schatzmeisterin –, »bringe mir den größten Pavillon, der in meinem Schatze ist!«

Nurdschihan kam binnen wenigen Augenblicken wieder und brachte einen Pavillon, der nicht bloß in der Hand Platz hatte, sondern den man sogar in der Hand fest verschließen konnte; sie überreichte ihn ihrer Gebieterin, der Fee, die ihn nahm und dem Prinzen Achmed einhändigte, damit er ihn besehen möchte.

 

Vierhundertundzweiundzwanzigste Nacht.

Als der Prinz Achmed hörte, daß die Fee Pari Banu einen Pavillon holen ließ, und zwar den größten Pavillon aus ihrem Schatze, so glaubte er, daß sie seiner spotten wolle, und die Spuren seines Befremdens verrieten sich in seinen Mienen und Gebärden. Pari Banu, die es bemerkte, lachte laut auf und rief:

»Wie, Prinz, Ihr glaubt also, daß ich Eurer bloß spotten wolle? Ihr werdet bald sehen, daß ich keine Spötterin bin. Nurdschihan,« sagte sie zu ihrer Schatzmeisterin, indem sie den Pavillon aus den Händen des Prinzen nahm und ihn ihr wiedergab, »geh und spanne ihn aus, damit der Prinz abnehmen kann, ob sein Vater, der Sultan, ihn nicht so groß finden wird, als er ihn verlangt hat.«

Die Schatzmeisterin ging aus dem Palaste und entfernte sich so weit, daß beim Ausspannen das eine Ende desselben gerade bis an den Palast reichte. Als sie dies nun getan, fand ihn der Prinz Achmed nicht nur nicht zu klein, sondern so groß, daß zwei Heere, wenn sie auch ebenso zahlreich wären als das des Sultans von Indien, darunter Platz gehabt hätten.

»Meine Prinzessin,« sagte er jetzt zu Pari Banu, »ich bitte Euch tausendmal um Verzeihung wegen meines Unglaubens; nach dem, was ich jetzt gesehen, glaube ich, daß unter allem, was Ihr irgend unternehmen möget, nichts ist, wobei Ihr nicht zum Ziele zu kommen vermöchtet.«

»Ihr sehet,« erwiderte die Fee, »daß der Pavillon größer ist, als nötig war; jedoch Ihr werdet bemerken, er hat die Eigenschaft, daß er größer oder kleiner wird je nach dem Maße dessen, was darunter Platz finden soll, ohne daß man dabei irgend Hand anzulegen braucht.«

Die Schatzmeisterin legte den Pavillon wieder zusammen, brachte ihn in seine vorige Lage und gab ihn dann in die Hände des Prinzen. Der Prinz Achmed nahm ihn, und den folgenden Tag schon setzte er sich, ohne länger zu zögern, zu Pferde und eilte in Begleitung seines gewöhnlichen Gefolges von dannen, um ihn dem Sultan, seinem Vater, zu überreichen.

Der Sultan, welcher geglaubt hatte, ein Pavillon, wie er ihn verlangt hatte, könne gar nicht gefunden werden, war über die schnelle Wiederkehr seines Sohnes nicht wenig erstaunt. Er empfing den Pavillon, und nachdem er die Kleinheit desselben bewundert hatte, geriet er in Erstaunen, wovon er sich kaum erholen konnte, als er ihn in der oben erwähnten Ebene ausspannen ließ und sah, daß zwei Heere, so groß als das seinige, darunter reichlich Platz hatten. Da er diesen Umstand leicht als etwas Überflüssiges hätte betrachten können, was beim Gebrauch sogar unbequem sein könnte, so unterließ der Prinz Achmed nicht, ihn aufmerksam zu machen, daß diese Größe sich stets der Stärke seines Heeres anpassen würde.

Dem äußern Scheine nach bezeigte der Sultan von Indien dem Prinzen seine Dankbarkeit, indem er ihn bat, der Fee Pari Banu in seinem Namen dafür herzlich zu danken, und um ihm zu zeigen, wie hoch er es schätzte, befahl er, es in seiner Schatzkammer sorgfältig aufzuheben. Allein in seinem Herzen faßte er darüber eine weit ärgere Eifersucht, als ihm seine Schmeichler und die Zauberin zuvor eingeflößt hatten, indem er überlegte, daß sein Sohn mit Hilfe der Fee Dinge ausführen könnte, die weit über die Grenzen seiner eigenen Nacht und seines Vermögens hinausgingen. Dadurch nur noch mehr aufgereizt, alles aufzubieten, um ihn zugrunde zu richten, fragte er die Zauberin um Rat, und diese riet ihm, den Prinzen aufzufordern, daß er ihm Wasser aus der Löwenquelle bringen solle.

Als der Sultan am Abend wie gewöhnlich seine Hofleute um sich versammelt hatte und der Prinz Achmed sich ebenfalls zugegen befand, redete er diesen mit folgenden Worten an:

»Mein Sohn, ich habe dir schon gesagt, zu welchem Dank ich mich wegen des Pavillons, den du mir verschafft hast, und den ich als das kostbarste Stück meines Schatzes betrachte, dir verpflichtet fühle; du mußt mir zuliebe noch etwas anderes tun, was mir nicht minder angenehm sein wird. Ich höre nämlich, daß deine Gemahlin, die Fee, sich eines gewissen Wassers aus der Löwenquelle bedient, welches alle Arten von Fieber heilt; da ich nun vollkommen überzeugt bin, daß meine Gesundheit dir sehr teuer ist, so rechne ich mit Gewißheit darauf, daß du von ihr ein Gefäß voll dergleichen Wassers dir erbitten und mir es dann bringen wirst als ein Universalmittel, das ich jeden Augenblick bedürfen kann. Erzeige mir also auch noch diesen wichtigen Dienst und setze dadurch deiner kindlichen Liebe gegen mich die Krone auf.«

Der Prinz Achmed, welcher geglaubt hatte, der Sultan, sein Vater, werde sich mit dem Besitz eines so einzigen und brauchbaren Pavillons, als er ihm soeben überbracht hatte, begnügen und ihm nicht einen neuen Auftrag aufbürden, der ihn bei der Fee Pari Banu in Ungunst setzen könnte, war bei dieser zweiten Aufforderung, die an ihn gemacht wurde, ganz verwirrt, ungeachtet die Fee ihn versichert hatte, sie werde ihm alles gewähren, was irgend in ihrer Macht stände. Nach einem Stillschweigen von einigen Augenblicken erwiderte er:

»Herr, ich bitte Euer Majestät, versichert zu sein, daß ich alles zu tun und zu unternehmen bereit bin, um Euch alles zu verschaffen, was irgend zur Verlängerung Eures Lebens beitragen kann; indes ich wünschte bloß, daß es ohne die Vermittlung meiner Gemahlin geschehen könnte. Aus diesem Grunde wage ich denn auch nicht, Euer Majestät zu versprechen, daß ich dies Wasser bringen werde. Alles, was ich tun kann, ist, Euch zu versichern, daß ich eine Bitte deshalb tun werde, obwohl mit demselben Widerwillen, wie damals bei Gelegenheit des Pavillons.«

Als der Prinz Achmed den folgenden Tag zu der Fee Pari Banu zurückgekehrt war, stattete er ihr einen aufrichtigen und treuen Bericht von alledem ab, was am Hofe seines Vaters bei Überreichung des Pavillons vorgegangen war, den der Sultan mit vielem Dank gegen sie aufgenommen hatte, und er unterließ nicht, ihr die neue Bitte, die er in seinem Namen ihr zu machen beauftragt war, vorzutragen, und schloß mit den Worten:

»Meine Prinzessin, ich teile Euch dies bloß als einen einfachen Bericht über das mit, was zwischen meinem Vater und mir vorgefallen; übrigens steht es ganz in Eurem Belieben, seinen Wunsch zu erfüllen oder nicht, ich werde mich gar nicht darein mischen, sondern will bloß das, was Ihr wollet.«

»Nein, nein,« erwiderte die Fee Pari Banu, »es ist mir sehr lieb, daß der Sultan von Indien erfahre, daß Ihr mir nicht gleichgültig seid. Ich will seinen Wunsch befriedigen, und welche Ratschläge ihm auch immer die Zauberin eingeben mag – denn ich sehe wohl, daß er nur auf sie hört –, wir wollen uns wenigstens nie von ihm auf einer Blöße betreffen lassen. Es liegt in seiner diesmaligen Forderung etwas Boshaftes, wie Ihr aus meinem Bericht bald ersehen werdet. Die Löwenquelle befindet sich nämlich mitten in dem Hofe eines großen Schlosses, dessen Eingang von vier ungeheuren Löwen bewacht wird, wovon immer zwei abwechselnd schlafen, während die andern wachen. Indes das darf Euch nicht in Schrecken setzen. Ich werde Euch ein Mittel an die Hand geben, vermöge dessen Ihr ohne Gefahr mitten durch sie hindurch gehen könnet.«

 

Vierhundertunddreiundzwanzigste Nacht.

Die Fee Pari Banu war damals eben mit Nähen beschäftigt, und da sie in ihrer Nähe mehrere Zwirnknaule liegen hatte, nahm sie eines davon, überreichte es dem Prinzen Achmed und sagte:

»Zuerst nehmet dieses Knaul; ich werde Euch bald den Gebrauch anzeigen, den Ihr davon machen könnt. Zweitens lasset Euch zwei Pferde anschirren, eines um selber darauf zu reiten, das andere, um es neben Euch her als Handpferd zu führen, beladen mit einem in Vierteile zerhackten Hammel, der heute noch geschlachtet werden muß. Drittens versehet Euch mit einem Gefäß, das ich Euch werde geben lassen, damit Ihr morgen dasselbe dort voll Wasser schöpfen könnt. Ganz früh setzet Euch dann zu Pferde und führet das andere Pferd am Zügel nebenher, und sobald Ihr aus der eisernen Tür hinaus seid, so werfet das Zwirnknaul vor Euch her; dies wird dann anfangen zu rollen und so immer fortrollen bis an das Tor des Schlosses. Folget demselben bis dahin nach, und wenn es stillstehen und das Tor sich öffnen wird, so werdet Ihr die vier Löwen erblicken. Die beiden wachenden werden durch ihr Gebrüll die beiden andern schlafenden sogleich wecken. Fürchtet Euch indes nicht, sondern werfet einem jeden ein Hammelsviertel hin, ohne vom Pferde abzusteigen. Ist dies geschehen, so spornet ohne Zeitverlust Euer Pferd und reitet im gestreckten Galopp zur Quelle hin, füllet dann Euer Gefäß, ohne abzusteigen, und eilet dann mit derselben Schnelligkeit wieder zu demselben zurück. Die Löwen werden da noch mit Essen beschäftigt sein und Euch einen freien Ausweg gestatten.«

Der Prinz Achmed reiste am folgenden Morgen um die Stunde, welche die Fee Pari Banu ihm bestimmt hatte, ab und vollzog pünktlich, was sie ihm vorgeschrieben hatte. Er kam an dem Tore des Schlosses an, verteilte die Hammelsviertel unter die vier Löwen, und nachdem er unerschrocken durch sie hindurch geritten war, drang er bis zu der Quelle vor und schöpfte da Wasser ein. Sowie er das Gefäß gefüllt hatte, drehte er um und gelangte wohlbehalten und gesund wieder aus dem Schlosse hinaus. Als er etwas davon entfernt war, sah er sich um und erblickte zwei Löwen, die grade auf ihn losrannten. Ohne zu erschrecken, zog er seinen Säbel und setzte sich zur Wehr. Doch da er unterwegs bemerkte, daß der eine in einiger Entfernung seitwärts ablenkte und mit Kopf und Schweif zu verstehen gab, daß er nicht komme, um ihm etwas zuleide zu tun, sondern bloß, um vor ihm herzulaufen, und daß der andere hinter ihm her folgen würde, so steckte er seinen Säbel wieder ein und setzte so seinen Weg bis nach der Hauptstadt von Indien fort, wo er in Begleitung der beiden Löwen ankam, die ihn nicht verließen bis an die Tür des Palastes des Sultans. Dort ließen sie ihn hineingehen und kehrten sodann denselben Weg wieder zurück, den sie gekommen waren, zum großen Entsetzen des Volkes und aller derer, die sie erblickten, die sich entweder versteckten oder rechts und links von ihnen aus dem Wege flüchteten, obwohl sie in gleichmäßigen Gange vorwärtsschritten, ohne irgend ein Zeichen von Wildheit von sich zu geben.

Mehrere Palastbeamte, welche sogleich erschienen, um dem Prinzen Achmed vom Pferde herabzuhelfen, begleiteten ihn bis an das Zimmer des Sultans, wo dieser sich eben mit seinen Günstlingen unterhielt. Hier näherte er sich dem Throne, setzte das Gefäß zu den Füßen des Sultans, küßte den reichen Teppich, welcher die Stufen desselben bedeckte, stand dann wieder auf und sagte:

»Herr, hier ist das heilsame Wasser, welches Euer Majestät in der Sammlung von Kostbarkeiten und Seltenheiten zu besitzen wünschte, die eine Zierde Eurer Schatzkammer sind. Ich wünsche Euch übrigens eine vollkommene Gesundheit, daß Ihr niemals davon Gebrauch zu machen nötig habet.«

Als der Prinz seine Anrede geendigt hatte, ließ der Sultan ihn zu seiner Rechten Platz nehmen und sagte dann zu ihm:

»Mein Sohn, ich bin dir für dein Geschenk ebenso großen Dank schuldig, als die Gefahr gewesen ist, welcher du dich mir zuliebe ausgesetzt hast. (Er wußte dies nämlich durch die Zauberin, welche sowohl die Löwenquelle als auch die Gefahr, welcher man sich beim Schöpfen aus derselben aussetzen mußte, sehr wohl kannte.) Tue mir jetzt den Gefallen« – fuhr er fort – »mir zu sagen, durch welche Geschicklichkeit oder durch welche unglaubliche Kraft du dich dagegen sichergestellt hast.«

»Herr,« erwiderte der Prinz Achmed, »ich habe an dieser Lobpreisung von seiten Eurer Majestät nicht den mindesten Anteil, sondern das Lob gebührt ganz allein meiner Gemahlin, der Fee, und ich kann mir hierbei bloß den Ruhm beimessen, daß ich ihrem guten Rate gefolgt bin.«

Hierauf setzte er ihm auseinander, worin diese guten Ratschläge bestanden hätten, indem er ihm die ganze Reise, die er gemacht, und wie er sich dabei benommen, erzählte. Als er damit zu Ende war, stand der Sultan, der ihn mit den größten Freudenbezeigungen, doch innerlich mit derselben, ja mit noch größerer Eifersucht angehört hatte, von seinem Sitze auf und zog sich in das Innere seines Palastes zurück, wo die Zauberin, nach welcher er sogleich geschickt hatte, vor ihn geführt wurde.

Die Zauberin, als sie kam, ersparte dem Sultan die Mühe, ihr die Geschichte des Prinzen Achmed und den Erfolg seiner Reise zu erzählen; sie war nämlich durch das Gerücht, das sich davon verbreitet hatte, gleich anfangs davon unterrichtet worden und hatte bereits ein – wie sie meinte – unfehlbares Mittel ausgedacht. Sie teilte dies Mittel dem Sultan und den folgenden Tag in der Versammlung seiner Hofleute mit, und der Sultan zeigte es dem Prinzen Achmed mit folgenden Worten an.

»Mein Sohn, ich habe nur noch eine einzige Bitte an dich, nach dieser will ich dann nichts mehr von deinem Gehorsam, noch von deiner Gemahlin, der Fee, verlangen; diese Bitte besteht darin, daß du mir einen Mann herbeischaffest, der nicht über anderhalb Fuß hoch ist, einen Bart von dreißig Fuß Länge hat, und der auf der Schulter eine fünfhundert Pfund schwere Eisenstange trägt, die ihm als Stab dient, und welcher reden kann.«

Der Prinz Achmed, welcher nicht glauben konnte, daß es auf der Welt einen Menschen gäbe, der so wäre, wie sein Vater ihn verlangte, wollte sich entschuldigen, doch der Sultan blieb bei seiner Forderung, indem er ihm wiederholte, daß die Fee noch weit unglaublichere Dinge vermöge.

Den folgenden Tag, als der Prinz in das unterirdische Reich der Fee zurückgekehrt war, teilte er derselben das neue Begehren seines Vaters mit, welches er, wie er ihr sagte, für noch unmöglicher zu erfüllen hielt als die beiden früheren.

»Was mich anbetrifft,« fuhr er fort, »so kann ich mir nicht denken, daß es irgend in der Welt Leute der Art geben könne. Er will ohne Zweifel versuchen, ob ich wohl so einfältig sein werde, mir viel Mühe zu geben, um ihm einen solchen aufzufinden, oder wenn es dergleichen gibt, so muß er die Absicht haben, mich zugrunde zu richten. In der Tat, wie kann er auch verlangen, daß ich mich eines so kleinen Menschen, der auf die besagte Art bewaffnet ist, bemächtigen solle? Welcher Waffen könnte ich mich bedienen, um ihn zu zwingen, daß er sich meinem Willen füge? Wenn es irgend ein Mittel gibt, so bitte ich Euch, daß Ihr mir ein solches an die Hand gebet, um mich mit Ehren aus diesem Handel zu ziehen.«

 

Vierhundertundvierundzwanzigste Nacht.

»Mein Prinz,« erwiderte die Fee, »beunruhiget Euch nicht; Gefahr gab es bloß damals, als für Euren Vater Wasser aus der Löwenquelle geholt werden sollte, allein um den Mann zu finden, den er verlangt, dabei gibt es keine Gefahr. Dieser Mann ist nämlich mein Bruder Schaïbar, welcher, obwohl er mit mir einen und denselben Vater hat, anstatt mir zu ähneln, vielmehr von einer so heftigen Gemütsart ist, daß nichts imstande ist, ihn zurückzuhalten, daß er nicht sogleich blutige Beweise seines Rachegefühls gibt, wofern man ihm mißfällt oder ihn beleidigt. Übrigens ist er der beste Mensch von der Welt und stets bereit, gefällig zu sein, worin man es irgend wünscht. Er ist ganz so gestaltet, wie der Sultan, Euer Vater, ihn beschrieben hat, und er trägt keine anderen Waffen als die fünfhundert Pfund schwere Eisenstange, ohne die er niemals ausgeht, und die ihm dazu dient, um sich in Respekt zu setzen. Ich werde ihn gleich kommen lassen, und Ihr möget dann selbst urteilen, ob ich wahr gesprochen habe. Doch vor allen Dingen bereitet Euch vor, daß Ihr nicht vor seiner seltsamen Figur erschreckt, wenn Ihr ihn werdet erscheinen sehen.«

»Meine Königin,« nahm jetzt der Prinz Achmed das Wort, »Schaïbar, sagt Ihr, ist Euer Bruder? Wie häßlich und mißgestaltet er auch immer sein mag, so ist doch dies einzige schon hinreichend, um, anstatt vor ihm zu erschrecken, ihn vielmehr zu lieben, zu ehren und als meinen nächsten Verwandten zu achten.«

Die Fee ließ sich in die Vorhalle ihres Palastes ein goldenes Räucherpfännchen mit glühenden Kohlen und eine Kapsel von demselben Metall bringen. Aus der Kapsel nahm sie wohlriechendes Räucherwerk, welches darin verschlossen war, und als sie es in die Räucherpfanne geworfen, stieg ein dicker Rauch daraus empor.

Einige Augenblicke nach diesem Verfahren sagte die Fee zu dem Prinzen Achmed: »Mein Prinz, da kommt mein Bruder, sehet Ihr ihn?«

Der Prinz sah hin und erblickte Schaïbar, welcher nicht mehr als anderthalb Fuß hoch war und mit seiner fünfhundert Pfund schweren Eisenstange und seinem stattlichen dreißig Fuß langen Barte, der sich nach vorn zu aufstützte, feierlich einhergeschritten kam. Sein verhältnismäßig dicker Knebelbart war bis zu den Ohren aufgestülpt und bedeckte ihm fast das ganze Gesicht; seine Schweinsohren steckten tief im Kopfe, der ungeheuer dick und mit einer nach oben spitzig zulaufenden Mütze bedeckt war; außerdem war er noch vorn und hinten bucklig.

Hätte der Prinz es nicht voraus erfahren gehabt, daß Schaïbar der Bruder der Fee Pari Banu sei, so hätte er ihn nicht ohne das größte Entsetzen ansehen können. Doch durch diese Nachricht beruhigt, erwartete er mit der Fee ihn festen Fußes und empfing ihn, ohne eine Spur von Schwäche blicken zu lassen.

Schaïbar, der, je näher er kam, den Prinzen mit einem Blicke ansah, der ihm das Herz im Leibe hätte in Eis verwandeln können, fragte die Fee gleich zuerst, wer der Mann da sei.

»Lieber Bruder,« erwiderte sie, »es ist mein Gemahl, sein Name ist Achmed, und er ist der Sohn des Sultans von Indien. Der Grund, warum ich dich nicht zu meiner Hochzeit eingeladen habe, war der, daß ich dich nicht von deinem Kriegszuge abhalten wollte, den du damals vorhattest, und von dem du, wie ich mit vielem Vergnügen höre, jetzt so siegreich zurückgekehrt bist. Bloß um seinetwillen bin ich so frei gewesen, dich rufen zu lassen.«

Bei diesen Worten sagte Schaïbar, indem er den Prinzen Achmed mit einem freundlichen Blicke ansah, der indes sein stolzes und wildes Aussehen nicht im geringsten milderte:

»Liebe Schwester, kann ich ihm in irgend etwas dienen? Er darf es bloß sagen. Es ist hinreichend für mich, zu wissen, daß er dein Gemahl ist, um mir es zur Pflicht zu machen, ihm in allem, was er irgend wünschen mag, gefällig zu sein.«

»Der Sultan, sein Vater,« erwiderte Pari Banu, »ist neugierig, dich zu sehen; ich bitte dich also um die Gefälligkeit, dich von ihm hinführen zu lassen.«

»Er darf bloß vorangehen,« antwortete Schaïbar, »ich bin bereit, ihm zu folgen.«

»Lieber Bruder,« erwiderte Pari Banu, »es ist wohl schon zu spät, um noch heute diese Reise zu unternehmen, du wirst sie also wohl gefälligst auf morgen früh verschieben. Indes, da es gut ist, daß du von dem unterrichtet wirst, was zwischen dem Sultan von Indien und dem Prinzen Achmed seit unserer Verheiratung vorgefallen, so werde ich dich diesen Abend davon unterhalten.«

Den folgenden Morgen brach Schaïbar, von allem, was irgend ihm zu wissen nötig war, unterrichtet, sehr zeitig auf, begleitet von dem Prinzen Achmed, der ihn dem Sultan vorstellen sollte. Sie erreichten die Hauptstadt, und sobald Schaïbar sich am Tore zeigte, so wurden alle, die ihn sahen, beim Anblick eines so scheußlichen Gegenstandes von Entsetzen ergriffen und versteckten sich teils in Buden und Häusern, deren Türen sie hinter sich zuschließen ließen, teils ergriffen sie die Flucht und teilten allen, denen sie begegneten, dasselbe Entsetzen mit, die dann sogleich umkehrten, ohne sich weiter umzusehen. Je weiter nun Schaïbar und Prinz Achmed mit abgemessenen Schritten vorwärts kamen, je öder und menschenleerer fanden sie alle Straßen und öffentlichen Plätze bis zum Palaste des Sultans. Dort aber ergriffen die Pförtner, anstatt Vorkehrungen zu treffen, daß Schaïbar nicht hereinkäme, nach allen Seiten hin die Flucht und ließen das Tor offen stehen. Der Prinz und Schaïbar gelangten nun ohne Hindernis bis an den Saal der Ratsversammlung, wo der Sultan, auf seinem Throne sitzend, jedem Gehör gab, und da auch die Türsteher beim Erscheinen Schaïbars ihren Posten im Stich ließen, so traten sie ungehindert hinein.

Schaïbar näherte sich stolz und mit erhobenem Kopfe dem Throne, und ohne erst zu warten, bis der Prinz Achmed ihn vorstellte, redete er den Sultan von Indien mit folgenden Worten an: »Du hast mich zu sehen verlangt; hier bin ich. Was willst du von mir?«

Der Sultan hielt sich, anstatt zu antworten, die Hände vor die Augen und wandte das Gesicht seitwärts, um eine so fürchterliche Gestalt nicht ansehen zu dürfen. Schaïbar. voll Unwillen darüber, daß man ihn erst herbemüht habe und ihn nun auf eine so unhöfliche und beleidigende Weise empfange, hob seine Eisenstange empor, und mit den Worten: »So rede doch!« ließ er sie ihm auf den Kopf herabfallen und schlug ihn tot, ehe noch der Prinz Achmed daran denken konnte, für ihn um Gnade zu bitten. Er vermochte nichts weiter zu tun, als zu verhindern, daß er nicht auch den Großwesir totschlug, der nicht weit von der Rechten des Sultans entfernt war, indem er ihm vorstellte, daß er mit den guten Ratschlägen, welche derselbe seinem Vater gegeben, nicht anders als zufrieden sein könne.

»Diese beiden also sind es,« sagte Schaïbar, »die ihm immer so schlechte Anschläge eingegeben.«

Mit diesen Worten schlug er die andern Wesire zur Linken und Rechten tot, die sämtlich Günstlinge und Schmeichler des Sultans und Feinde des Prinzen Achmed waren. Soviel Schläge, soviel Leichen gab es, und nur diejenigen entkamen, deren Schrecken nicht so groß war, daß er sie regungslos gemacht und sie gehindert hätte, ihr Heil in der Flucht zu suchen.

Als das schreckliche Gemetzel geendigt war, ging Schaïbar aus dem Versammlungssaale heraus, und als er mit seiner Eisenstange auf der Schulter mitten in den Hof gekommen war, sah er den Großwesir an, der den Prinzen Achmed, seinen Lebensretter, begleitete, und sagte:

»Ich weiß, daß es hier auch noch eine Zauberin gibt, die eine weit ärgere Feindin des Prinzen, meines Schwagers, ist als die unwürdigen Günstlinge, die ich soeben bestraft habe. Ich will, daß man diese Zauberin vor mich führe.«

Der Großwesir ließ sie holen, und man brachte sie geführt. Schaïbar schlug sie mit der Eisenstange und sagte:

»Ich will dich lehren, verderbliche Ratschläge zu geben und die Kranke zu spielen.« Die Zauberin blieb auf der Stelle tot.

»Aber das ist noch nicht genug,« fügte Schaïbar hinzu, »sondern ich werde jetzt auch noch die ganze Stadt totschlagen, wenn sie nicht augenblicklich den Prinzen Achmed, meinen Schwager, für den Sultan von Indien anerkennt.«

Sogleich ließen alle, die zugegen waren und diesen Urteilsspruch vernahmen, die Luft von dem lauten Ausruf ertönen: »Es lebe der Sultan Achmed!«

In kurzer Zeit hallte die ganze Stadt von diesem Ruf und Ausruf wieder. Schaïbar ließ ihm das Kleid des Sultans von Indien anlegen und setzte ihn feierlich auf den Thron, und nachdem er ihm hatte huldigen und den Eid der Treue leisten lassen, ging er und holte seine Schwester Pari Banu, führte sie mit großem Pompe ein und ließ sie ebenfalls für die Sultanin von Indien erklären.

 

Vierhundertundfünfundzwanzigste Nacht.

Was den Prinzen Ali und die Prinzessin Nurunnihar anbetrifft, die an der Verschwörung gegen den Prinzen Achmed, die soeben bestraft worden, keinen Teil, ja nicht einmal die geringste Kenntnis davon gehabt hatten, so wies ihnen der Prinz Achmed einen bedeutenden Jahresgehalt nebst seiner Hauptstadt an, um darin ihre noch übrigen Lebenstage zuzubringen. Auch schickte er einen seiner Diener an seinen ältern Bruder, den Prinzen Hussein, ab, um ihm die eingetretene Veränderung anzuzeigen und ihm das Anerbieten zu machen, er möge sich im ganzen Reiche irgend eine Provinz nach Belieben auswählen, um sie als sein Eigentum in Besitz zu nehmen. Doch der Prinz Hussain fühlte sich in seiner Einsamkeit so glücklich, daß er dem Abgesandten auftrug, seinem jüngeren Bruder, dem Sultan, in seinem Namen herzlich für die Gefälligkeit zu danken, die er ihm zugedacht, ihn seiner Unterwürfigkeit zu versichern und ihm anzuzeigen, daß er sich die einzige Gnade ausbäte, ihm zu erlauben, daß er hinfort in seiner selbstgewählten Zurückgezogenheit verbleiben könne.

 


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