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Darnach kam der Herzog Ernste mit seinen Gesellen auf dem Dielenfloße, in dem Lande Arimaspi, an das Gestad, dahin sie der Fluß zutrieb. Da verließen sie das Floß und nahmen zu sich ihren Harnisch und Gezeug und kamen aber in einen dicken wilden Wald, mit großem Hunger. Doch waren sie froh, daß sie erlöst wären von des wilden Wassers Nöten. Und da sie also gingen in dem wilden Walde den ganzen Tag, da sahen sie zum Letzten viel großer, herrlicher Städte und wohl gewahrte Schlösser und viel Kastelle, nach natürlicher Gelegenheit wohl und gar meisterlich stark gebauet. Die selben Arimaspi heißt man auch, nach anderm Lateine, cyclopes: das sind Leute in India, die haben ein Auge ob der Nasen, und essen nur Tierfleisch.
Also sah der Herzog und die Seinen eine schöne Stadt, die über die anderen nach Größe und Zierlichkeit war gebauet.
Und sie meinten, als auch war, sie fünden darinne einen mächtigen Fürsten oder Herrn des Landes. Und kamen für die Stadt und rasteten eine kleine Zeit vor dem Tore. Und da die selben Bürger und Leute für sie ein und aus gingen und sichtiglich merkten, wie daß die fremden Gäste zwei Augen hätten, das mocht sie, mit großem Erschrecken, nicht genug verwundern. Und, als dann fürwitzer Leut Gewohnheit ist, da liefen sie zu und umstunden den Herzogen und seine Gesellen, und beschaueten sie, als ob sie Meerwunder wären.
Und Etliche liefen unverzogenlich ein in die Stadt und verkündeten dem Grafen, des die Stadt war, die Gegenwärtigkeit solicher wunderlichen Leute vor dem Stadttore, die da zwei Augen hätten.
Da er das vernahm, da mocht er ihrer auch, als seine Bürger, nicht genug verwundern. Und gedacht sich, es wären etliche Waldleute oder satiri, das sein halb Menschen und halb Böcke, die ungefähre, durch Irregehen, wären aus dem Holze kommen.
Und da sie nun zu ihm geführt wurden, wurden sie gar schön und ehrlich von ihm empfangen und beherbergt. Und mit Züchten von ihm gefraget, wes Volkes und Geschlechtes, wie und von wannen sie her in die Gegend wären kommen und zugelandet. Den sah der Herzog mit traurigem Antlitz an und sprach: »Wir wöllen niemand zu keinerlei Frage Antwort geben, bis daß wir unsern Leib durch Essen und Trinken wiederbringen, denn wir arbeiten mit großem Hunger, der uns zwingt.«
Eh der Herzog Ernst seine Worte gar vollendet, da hieß ihnen der Stadtgraf hertragen vollkommenlich alles, das zu leiblicher Nahrung überflüssiglich klecken mocht, von Essen und Trinken. Nach dem sie nun sattlich hätten gespeiset ihre Leichname, da sprachen sie aber zu dem Herrn: »Lieber Herre, es ist Zeit, und heischet das die Sache der Notdurft, daß ihr uns Kleider gebt. Denn wir möchten vor großer Scham sterben, daß wir so nackend und bloß sind.« Also sprach aber zu ihnen der Stadtgraf: »Sagt, sagt, das bitte ich euch, sagt uns von euerm Stand und Wesen! Ich will euch gern geben, was ihr von mir begehrt.«
Da sprach Herzog Ernst zu ihm: »Der Römische Kaiser, der da ist in dieser Welt über alle ander Kaiser und über alle die, darüber GOTT Seinen Sonnenschein überleuchtet, der hat mich, wider GOTT und alle Gerechtigkeit, vertrieben von meinem angestorben väterlichen Erbe und darzu von meinem Vaterland. Und da er zu viel und gewaltig wider und über mich war, da gedacht ich, ihm eine Zeit wollen weichen. Und nahm mit mir meiner Lehenherren und getreuesten Diener, ein michel Teil kühner Ritter, mit denen ich auf dem Meere fahren begehrt zu der würdigen Stadt Jerusalem, da heimzusuchen das Grab Unstrs Herrn Jesu Christi, und auch ander Stätten anzubeten Seiner Geburt und Heiligen Marter, Da hab ich auf dem Meere meiner Mitgenossen viel von Ungewitter verloren. Nach dem kam ich zu streiten mit den Agrippinen oder Kranichleuten, da mir aber viel meiner Mitbrüder und Diener, doch nicht ohn große Mannschlacht der selben Leute, wurden verloren. Seither hat groß Ungestümigkeit des Wetters eingetrieben mit Gewalt unser Schiff und Kiel in das schädlich syrtische Meer, darinne wir jämmerlich behaft wurden. Da ist mir die selbe ritterliche Schar und adelige Jugend durch den scharfen Tod des Hungers ganz benommen und verdorben, ausgenommen wir Sechs, die von den furchtsamen Greifen über Meer in ihre Nester, ihren Jungen zu Speis, eingeheftet in Ochsenhäute, sein geführt worden. Daraus wir kaum mit Nöten kommen sein und mit großer Arbeit. Und noch mit viel größerm sorglichem Schaden unsers Leibs sein wir abgestiegen von hohen, abgespalten Felsen und löcherigen Bergen, durch tiefe Höhlen und dicke Hölzer. Mit Hungers Not und hitzigem Durste sein wir kommen zu dem Wasser, das ihr wohl wisset. Darauf wir, mit zusammen geheften Dielen und Pflöcken, noch mit großer, ängstlicher Arbeit und unsers Lebens Unsicherheit, sein geflossen durch den nächsten scheußlichen Berg. Und sein also hergeflossen in eure Gegend an dies Gestad.«
Als das der Stadtgraf höret, da erschrak er solicher wunderlichen Sage. Und hieß, sie mit schönen Zweheln und kostlichen, säubern Tüchern abwaschen. Und mit schönen seiden Hemden und Hosen, mit Gold durchwirkt, und mit Pelzen, die da hätten purpurn Ärmel und darüber purpurn Röcke, die mit Gold und edeln Steinen überzierlich und köstlich waren, darüber an kleiden. Und meinet, er wollt sie alle Zeit, für ein Wunder und Kurzweil des selben Landes Volks, an seinem Hofe halten.
Also höret der König des selben Landes Arimaspi, wie daß der Graf in seinem Lande hätt etliche fremde Leute mit zwei Augen. Und er sandte seine Botschaft zu ihm, daß er, ohn Verziehen, mit den wunderlichen Leuten zu ihm käme. Er kam zu ihm ohn Verharren, und wollte oder wollte nicht, so ward er von ihm bezwungen, daß er ihm gar trauriglich den Herzogen und die Seinen mußt geben.
Diese Begebung war dem Herzogen und den Seinen eine liebe Freude und nicht wider; denn sie meinten, als auch war, sie würden ehrlicher an des Königs Hof gehalten, denn an des Grafen.
Und eines Tags, zu Morgen frühe, geschah es, daß Herzog Ernste große Funken sah fliegen und feurige Flammen von ferne behend aufschlagen, deren Brünste ihn sehr wunder nahmen. Und sprach zu dem Könige: »Herre, als ich meine und sehe, so dünkt mich, euer Land werde schwerlich von den Feinden durch Mordbrand gewüstet. Verhängt mir, daß ich euern solichen Schaden, ob ich möge, durch Vertreibung eurer Feinde, abwend!« Da sprach der König zu ihm: »Diese Feinde mögen nicht überwunden werden. Denn es sind soliche Leute aus Mohrenlanden, die man zu Latein nennet scipodes, das ist, daß sie allein einen Fuß haben, mit dem sie sich ganz bedecken vor der Sonnen Glaste. Und laufen so balde, daß sie niemand erlaufen mag. Und sonders, wenn sie kommen auf das Meere, so laufen sie mit trockenen Füßen so behend als auf einem Sand oder harten Erdreich, daran sie kein Fürlaufen gehindern mag.« Da sprach aber Herzog Ernste zu ihm: »Ohn Verziehen schickt mir bereite Gesellen zu; es wird gar bald um sie ein End nehmen.«
Das ward also behend vollbracht. Da ritt der Herzog auf raschen Pferden etliche heimliche Straßen und Wege, und fürkam den Feinden den Weg zu dem Meere und ergriff und ertötet sie alle; ausgenommen ihrer eine kleine Zahl, die kaum mit Flucht entronnen. Der fürbaß nimmer mehr, dem König noch seinem Reich zu schaden, in das Land kam. Doch fing der Herzog ihrer einen lebendig, den er gefangen wieder heim mit fröhlichem Siege zu dem König brachte. Also ward er und die Seinen von dem Könige größlich und ehrwürdiglich empfangen; und ward ihnen fürbaß von Jedermänniglich, von den einäugigen Leuten allen gemeinlich große Zucht und Ehre erboten.
Auch zu den selben Zeiten schicket ein unzierliches Volk, von Natur mit großen und langen Ohren, darmit sie sich ganz bedecken, ihre freidige Botschaft, nach gewöhnlichen Sitten, zu dem König von Arimaspi um den jährlichen Sold und Zins, den er ihnen schuldig wäre. Und forderten ihn zumal freventlich mit schwerem Drohen, das Reich anzugreifen; dadurch der König gar sehr und hart erschrak. Doch tröstet Herzog Ernste des Königs Traurigkeit und sprach zu ihm: »Herr, was wilden, ungestalten Volkes sind die Leute?« Da antwortet ihm der König: »Sie heißen mit Namen pannochi, von dem Lande Skythia. Und fordern jährlich Sold von uns, den sie auch jährlich von uns einnehmen, bezwungenlich, nicht von keiner schuldigen Gerechtigkeit, sondern von ihrer mutwilligen Übergewalt und fürwitzer Hoffart wegen.«
Also nahm aber der Herzog Ernst des Königs Diener und die Seinen und zog wider sie und vollbracht einen Streit, darinne er sie nahend alle ertötet. Und macht aber das Land und den König vor diesem Volke sicher in Ewige Zeiten, und darzu steuerfrei von allem Solde und unbilliger Forderung. Doch behielt er aber der selben Menschen zween lebendig, mit denen er, mit großem Frohlocken, wieder eilet zu dem König, der ihn und die Seinen fröhlich empfing. Und fordert ihn hinfür allezeit zu seinen heimlichen Räten, als seiner getreuesten Fürsten einen. Und über das gab er ihm und seinen Mitgenossen, zu festem Eigen und Besitzung, ein Land, bei dem Meere gelegen, mit fünf wohl erbauten großen Städten und mit viel wohl bewahrten Schlössern und Kastellen. Des Herzog Ernste ihm mit Freuden großen Dank saget. Und nahm mit sich seine Gesellen und wunderlichen Gefangnen, und besatzt das Land, Stadt und Schlösser, und regieret sie zumal tugendlich, mit Friede und aller Gerechtigkeit.