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Das große Intriguentrauerspiel »Don Antonio Perez und die Prinzessin Eboli«, von 1578-1612 spielend, ist vielfach behandelt und beleuchtet worden; aber auch nachdem wir nach Mignet's archivarischen Forschungen in seinem Werke »Antonio Perez et Philippe II.« die bis dahin geltenden historischen Actenstücke und Relaciones des Perez selbst überarbeitet hatten, sind historische Kritiker wieder in die Fundgruben der Archive gedrungen, ohne doch die großen Lücken ganz gefüllt und die dunkeln Geheimnisse ganz erhellt zu haben. Ueber die Katastrophe selbst, deren wahre Motive und das Ineinandergreifen der verschiedenen Räderwerke der Intrigue, der politischen wie der persönlichen, webt sich noch ein Schleier, den wol Niemand ganz fortheben wird. Zu unserem Zwecke sind indessen die kriminalistische Thatsache und das historische und persönliche Interesse klar genug dem Leser entgegengetreten. Des Entsetzenden, Haarsträubenden über Acta und Urtheile, welche im Namen der Gerechtigkeit und Religion decretirt worden, ist überviel auch in dieser Geschichte, um es nicht mit dem Heißhunger der Entrüstung zu lesen, zu bedauern aber, daß dem Haupthelden ein sittlicher Charakter fehlt, um das Tragische auch zu erheben. Mehrere Dichter hatten es versucht den Gegenstand zu behandeln; Stoff, Motive, Katastrophen, großartige Situationen sind überreich; immer aber mußten sie die Feder wieder weglegen, weil die Rührung der Reinigung entbehrte.
Der Fall: Der Kerker von Edinburg, verdankte sein Entstehen dem interessanten Sittenromane Walter Scott's, welchen er unter dem Namen »The heart of Lothian« herausgab und der ein Eigenthum der ganzen gebildeten Welt ist und hoffentlich es bleiben wird. Der historische Grund – die eigenmächtige Selbstjustiz der Stadt Edinburg gegen den Kapitän Porteus und deren Folgen – ist aber, abgesehen von allem Romantischen, ein Act von politischer Bedeutung und Interesse.
Die Schlieffen und die Adebar sind ein kostbares Juwel aus der kriminalistischen Raritätenkammer des Mittelalters, nicht ein Act haarsträubender Grausamkeit, sondern ein rührendes Stilleben der Zustände, unter dem unsere Vorfahren sich Recht und Gerechtigkeit bildeten. Der Fall: Bathseba Spooner, ist eine Mordbegebenheit aus Amerika, wie sie in allen Ländern sich zutragen mag, aber mit merkwürdigen, frechen oder naiven Zügen, die an rohe Naturzustände erinnern, und mit einem erschütternden Schluß. Die Gattenmörderin von außerordentlicher Schönheit, seltenem Muth, Ausdauer und Kraft des Geistes, starb mit einem ungeborenen unschuldigen Kinde! Man hatte ihr nicht geglaubt, als sie sich schwanger angab und sie war zu stolz gewesen zu bitten! Für die Einwohner der freien Staaten Nordamerikas (von Chandler mitgetheilt) ist die Geschichte außerdem von Bedeutung; sie spielt in seinen großen Freiheitskampf hinein und politische Motive spielen bei der Anklage mit; Bathseba war Royalistin.
Der Gattenmord (1838) vom Notar Peytel, in Südfrankreich verübt, ist nur eine widerwärtige Criminalgeschichte, widerwärtiger, weil wahrscheinlich mehr die Eitelkeit als Herzensdrang einen jener Zeit berühmten Schriftsteller, Balzac, hinleitete aus dem Mörder einen Märtyrer zu machen.
Die schöne Würzkrämerin ist noch eine Reliquie aus den Acten des alten Pitaval, eine Sittengeschichte ihrer Zeit aus Paris, die, ohne sittlichen Grund und Boden, in ihren reichen Begebenheiten einem vollständigen Romane frivoler Art ähnlich sieht.
Karl Grandisson und Die Goldprinzessin , zwei in Deutschland merkwürdige Erscheinungen aus der gemeinen Criminalistik, sind aus den Acten geschöpft. Beide Verbrechen, Beispiele wie auch in unserm Vaterlande verwegene Betrüger den Glauben des großen und auch des feinen Publicums täuschen, und eine Zeit lang in Ansehen und Ehren sich erhalten können. Der freche Posträuber Grandisson, der in Heidelberg in den bessern Kreisen als gebildeter, seiner Liebenswürdigkeit und Wohlthätigkeit wegen geschätzter Gesellschafter lange Jahre lebte, ein glänzendes Haus bildete, und seine Kinder durch Hauslehrer erziehen ließ, während er auf Reisen ausging und – sein Metier, die Postwagen durch Einbruch bestahl, Schätze häufte, daß er Mehreren als ein Krösus galt – lebt in jenen Gegenden noch heute in der Erinnerung. Nur die damalige unruhige Kriegszeit in Deutschland machte möglich, daß der Verbrecher so viele Jahre sein Wesen ungestört treiben konnte.
Die Goldprinzessin ist die berüchtigte Henriette Wilke, welche durch einige Monate eine feenartige Erscheinung in Berlin bildete. Das Merkwürdige bleibt, daß sie nicht aus der Fremde kam, und nicht durch den Glanz ihrer Erscheinung und des vermeinten Reichthums bestach, sondern, ein sehr mäßig von der Natur ausgestattetes Mädchen, in Berlin in dürftiger Stellung lange Jahre gelebt hatte, und sogar in der Familie, in welcher sie gewohnt, als Lügnerin wohl bekannt war. Dennoch ward es ihr möglich ihr unglückliches Opfer zu umstricken, zu schröpfen und gänzlich wie ein Vampyr auszusaugen, und möglich, aus den mäßigen Mitteln der einfältigen alten Frau einen Glanz des Reichthums zu entfalten, der das Volk bethörte und selbst Verständige irre machte. Und das Motiv? »Nur Eitelkeit und Prahlerei.« – Wie Henriette, oder richtiger Pauline Henriette Wilke im Zuchthaus durch Aufmerksamkeit, Fleiß und Geschick sich ausgezeichnet, ist in der Erzählung berichtet. Sie hatte sich in letzter Zeit der damals herrschenden Partei, welche in den Gefängnissen für das Himmelreich zu säen und ernten suchte, zu nähern gesucht. Nach ihrer Freisprechung benutzte sie die Bekanntschaft und hoffte durch die Frommen einen neuen einträglichen Handel zu bereiten. Bald aber aufs Neue als grobe Betrügerin entdeckt, überführt und eingesperrt, starb sie bald im Gefängniß.