Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

17. Kapitel.

Sapieha rückte in Eilmärschen vor, und bald standen sich die beiden Kriegsscharen gegenüber. Eine Schlacht war unvermeidlich. Kmicic umschwärmte mit seinen Tataren Boguslaws Lager von allen Seiten und versetzte dadurch den Fürsten in den Glauben, daß er umzingelt sei. Zu alledem war Boguslaw krank, und obwohl die Astrologen, denen er blindlings glaubte, ihm versicherten, daß ihm nichts Ernstes drohe, konnte er das Gefühl einer Unsicherheit nicht los werden.

Kmicic sperrte ihm sämtliche Zufuhrwege zu seinem Lager ab, so daß kein einziger Proviantwagen zu ihm konnte. Der Fürst sah ein, daß er eine Schlacht annehmen müsse, ehe noch seine Soldaten den letzten Zwieback verzehrt hätten.

Zuerst jedoch, so beschloß er als ein in Listen und Intrigen geübter Mann, wollte er es mit Unterhandlungen versuchen. Er sandte deshalb den einzigen Mann, für den der sonst niemandem gutgesinnte Fürst eine unbesiegbare Schwäche hatte, seinen Freund Pan Sakowicz, in Sapiehas Lager.

Pan Sakowicz betrat das Quartier des Hetman mit stolz erhobenem Kopfe, so wie ein Sieger, der gekommen ist, dem Besiegten die Friedensbedingungen zu diktieren. Sapieha sah sofort, mit wem er es zu tun hatte, und seinen Mund umspielte ein feines Lächeln.

»Mein Herr, der Fürst zu Birze, der Oberstallmeister des litauischen Großfürstentums und Hauptbefehlshaber der Armee Seiner Hoheit des Electors, schickt mich, Ihnen seine Hochachtung zu bezeugen und mich nach Ihrer Gesundheit zu erkundigen.«

»Danken Sie dem Fürsten in meinem Namen und sagen Sie ihm, daß Sie mich gesund angetroffen haben.«

»Ich habe ein Schreiben für Sie.«

Sapieha nahm den Brief, brach ihn auf und sagte lässig:

»Schade um die Zeit! – Ich verstehe eigentlich nicht, was dem Fürsten beliebt? – Kapituliert er, oder will er das Glück versuchen?«

Sakowicz' Gesicht nahm einen erstaunten Ausdruck an.

»Wir kapitulieren? Ich denke, der Fürst fordert Ihre Kapitulation. Der Fürst wäre schon längst zum Angriff vorgegangen, wenn er nicht Bruderblut schonen wollte.«

»O, das bezweifle ich gar nicht!«

»Der Fürst kann die Feindseligkeiten der Sapiehas gegen die Radziwills durchaus nicht begreifen, er wundert sich, wie Sie aus persönlicher Rache einen Bruderkrieg entfachen können.«

»Pfui!« sagte Kmicic laut, der hinter dem Sessel des Hetman stand.

Der Hetman zog seine Brauen zusammen.

»Sie irren, Pan Sakowicz. Ich bin nicht ein Feind der Radziwills, sondern der Verräter. Der beste Beweis dafür ist die Anwesenheit des Fürsten Michael-Kasimir Radziwill in meinem Lager. Sprechen Sie, was wünschen Sie eigentlich?«

»Pan Hetman, ich bleibe bei meiner Meinung. Man haßt den, nach dem man geheime Mörder ausschickt.«

»Ich soll heimlich zum Fürsten Bguslaw Mörder geschickt haben?« staunte Sapieha.

Sakowicz heftete starr seine blauen Augen auf den Hetman und entgegnete fest:

»Ja.«

»Sie sind von Sinnen!«

»Erst kürzlich haben wir einen abgefaßt, der schon einmal einer Bande angehörte, die es auf das Leben des Fürsten abgesehen hatte. Nun, man wird ihn foltern, und dann wird er schon den Namen seines Auftraggebers bekennen.«

Kmicic stöhnte dumpf auf; der Hetman aber antwortete mit der ihm eigenen Würde:

»Mein Richter ist allein der Herrgott! Ich habe es nicht nötig, mich vor Ihnen und dem Fürsten zu rechtfertigen, – Sagen Sie nun kurz, was Sie eigentlich wollen, sonst befehle ich sofort den Angriff.« Als nach einer kleinen Pause keine Antwort erfolgte, fuhr Sapieha fort: »Es ist gut, Sie können sich zurückziehen.«

»Werden Sie mir nicht wenigstens eine schriftliche Antwort geben?«

»Gut!«

Sakowicz ging hinaus; der Hetman wandte sich an Kmicic.

»Warum stöhnten Sie auf, als Sakowicz von dem abgefaßten Manne sprach?« sagte er streng, indem er dem jungen Ritter durchdringend in die Augen sah. »Hat denn Ihr Haß wirklich jeden Begriff von Ehre in Ihnen betäubt, daß Sie geheime Mordbuben zu Hilfe nehmen?«

»Ich schwöre bei der heiligen Jungfrau, nein!« rief Kmicic erregt. »Von Lemberg aus habe ich den Mann nach Tauroggen gesandt; denn nach dorthin entführte der Fürst meine Braut, die Panna Billewicz. Der Mann sollte auskundschaften, wo die Panna ist, und wie es ihr geht.«

»Beruhigen Sie sich. Haben Sie ihm irgend welche Briefe mitgegeben?«

»Nein, – Sie hätte sie wahrscheinlich doch nicht gelesen; denn der Fürst hat mich ja auch bei ihr verleumdet.«

»Wahrhaftig, Sie haben Grund, ihn zu hassen! Und kennt der Fürst den Mann?«

»Er kennt ihn. Es ist mein Wachtmeister Soroka. – Er half mir, Boguslaw zu entführen.«

»Ich begreife. – Und jetzt erwartet ihn Boguslaws Rache,« sagte der Hetman und versank in Gedanken. »Übrigens, dem Fürsten geht es jetzt selbst schlecht, vielleicht willigt er ein, Soroka freizulassen. Ich werde ihm zum Austausch soviel Gefangene bieten, wie er haben will.«

»Pan Hetman, er wird ihn nur für einen einzigen austauschen, – für Sakowicz.«

»Sakowicz darf ich nicht zurückbehalten; er ist ein Gesandter.«

»Behalten Sie ihn wenigstens nur für eine kurze Zeit hier. Ich gehe inzwischen mit Briefen zum Fürsten. Vielleicht gelingt es mir, etwas auszurichten. Ich will sogar im Augenblick auf meine Rache verzichten, nur soll er mir meinen Soldaten freilassen. – Er ist ein alter Diener von mir; er hat mich auf Händen getragen. – Wie viele Male hat er mir das Leben gerettet! Gott wird mich strafen, wenn ich ihn in der Not verlasse!«

»Hm, – es ist wirklich kein Wunder, daß Ihre Soldaten so sehr an Ihnen hängen. Warten Sie, Ich werde Sakowicz eine Zeitlang zurückbehalten, und für Sie lasse ich mir vom Fürsten einen Geleitbrief für einen Unbekannten ausstellen.«

Eine Viertelstunde später sprengte ein Kosak des Hetman zum Fürsten und kehrte gegen Abend mit dem erbetenen Geleitbrief zurück.

An demselben Abend noch nahm Kmicic beide Kiemlicz' mit sich und trat mit ihnen den Weg zum Fürsten an.–


 << zurück weiter >>