Wilhelm Meinhold
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler
Wilhelm Meinhold

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24. Kapitel

Wie der Teufel in meiner Gegenwärtigkeit die alte Lise Kolken holet

Als ich mich nach einer obgedachten Unmacht wiederumb verholet, stand den Krüger sein Weib über mir mit meiner alten Magd und kelleten mir eine Biersuppen ein. Die alte, getreue Person schrie laut auf für Freuden, als ich meine Augen wieder aufschlug, und erzählete mir darauf auf meine Erkundigunge, daß mein Töchterlein sich nit hätte recken lassen, besondern freiwillig ihre Übeltat bekennet und sich für eine Hexe ausgegeben. Solche Kundschaft war mir in meinem Jammer fast erquicklich, angesehen ich das Feuer für eine geringere Strafe erachtete denn die Marter. Aber als ich anheben wollte zu beten, wöllt es nicht gehen, worüber ich abereins in großen Mißmut und Verzweiflung kam und gläubete, daß der Heilige Geist gänzlich sein Angesicht von mir elenden Menschen abgewendet hätte. Und wiewohlen die alte Magd, als sie solches merkete, sich für mein Bette stellete und anhub, mir vorzubeten, war es doch umbsonst, und war und blieb ich ein verstockter Sünder. Doch erbarmte der Herr sich mein ohne mein Verdienst und Würdigkeit, maßen ich bald in einen tiefen Schlaf verfiele und am andern Morgen, umb Betglockenzeit, endlich wieder aufwachete, wo ich auch wieder beten kunnte und über solche Gnade Gottes annoch in meinem Herzen jubilierete, als mein Ackersknecht Claus Neels zur Türen hereintrat und verzählete, daß er schon gestern gekommen wäre, umb mir Kundschaft zu geben von wegen meinem Hafer, dieweil er nunmehro allens eingeaustet. Und wäre auch der Büttel mit ihm kommen, so die alte Lise Kolken eingeholet, inmaßen Ein lobsam Hofgericht, wie der Büttel fürgegeben, solches befohlen. Und wäre das ganze Dorf darüber in Freuden gewest, aber auch die Verhaftete hätte gesungen und jubilieret und unterwegs zu ihnen und dem Büttel gesaget (denn der Büttel hatte sie ein wenig hinten aufhocken lassen), das sölle dem Amtshauptmann was Schönes bedeuten. Sie sölle nur für Gericht kommen, dann werde sie wahrhaftig kein Blatt vor ihren Mund nehmen, und männiglich sich verwundern, was sie herfürbringen würde. Solch ein Gericht wäre ihr ja was Lächerlichs, und hofierete sie, salva venia, in die ganze Brüderschaft etc.

Als ich solches gehöret, faßte ich wieder eine steife Hoffnung und stand auf, umb zu der alten Lisen zu gehen. Hatte mich aber noch nicht ganz verkleidet, als sie selbsten schon den dreusten Büttel schickste, daß dich doch ganz eilends zu ihr kommen und ihr das Nachtmahl geben müge, dieweil sie diese Nacht fast schwach worden. Dachte dabei mein gut Teil und folgete dem Büttel in Hast, wiewohl nicht, umb ihr das Nachtmahl zu geben, wie männiglich vor sich selbsten abnehmen kann. Dabei vergaß ich alter, schwacher Mann aber, mir Zeugen mitzunehmen. Denn aller Jammer, so ich zeithero gelitten, hatte mir meine Sinne also umbschattet, daß mir solches gar nicht in die Gedanken kam. Nur der dreuste Büttel folgete mir, und wird man weiters hören, wie dieser Bube dem Satan Leib und Seele übergeben, umb mein Kind zu opfern, da er sie doch hätte retten mügen. Denn als er die Gefängnis aufgeschlossen (es war dasselbe Loch, wo mein Töchterlein zeithero gesessen), sahen wir die alte Lisen auf der Erden liegen in eim Bund Stroh und einen Besen zum Kopfkissen (als wöllte sie jetzunder damit zur Höllen fahren, da sie nit mehr darauf zum Blocksberg fahren kunnte), so daß ich mich schudderte, als ich ihr ansichtig wurde.

Und war ich kaum eingetreten, als sie ängstlich schrie: »Ick bin ene Hex, ick bin ene Hex, erbarm He sich und geb He mi fix dat Nachtmahl, ick will Em uck allens bekennen!« Und als ich ihr zurief: »So bekenne!«, sprach sie, daß sie selbsten allen Zauber mit dem Amtshauptmann im Dorf angerichtet und mein Kindlein so unschuldig daran wäre als die Sonne am Himmel. Doch hätte der Amtshauptmann mehr schuld, angesehen er ein Hexenpriester wäre und einen weit stärkeren Geist, denn sie hätte, welcher DudaimDieses merkwürdige Wort kommt schon 1. Mos. 30,15.ff. als Name einer Pflanze vor, und ist von den zuverlässigsten ältern und neuern Theologen angenommen, daß es die in der Geschichte der Zauberei so berüchtigte Alraunwurzel gewesen sei. Sonst führen seltsamerweise die Teufel immer christliche Namen, wie auch bald darauf der Geist der alten Lise »Stoffer«, d. i. Christoph, genannt wird. hieße und sie die Nacht in das Genicke gestoßen, also daß sie es nimmer holen würd. Selbiger Geist hätte das Ackerstück umgepflüget, den Bernstein verschüttet, das Wetter gemachet, meinem Töchterlein die Pogge auf ihren Schoß geworfen, item ihren alten Ehekerl durch die Luft von dannen geführt.

Und als ich fragete, wie solches müglich gewesen, da ihr Kerl doch bis fast nahe an sein Ende ein Kind Gottes gewest und gerne hätte beten mögen, wiewohl ich mich gewundert, daß er plötzlichen in seiner letzten Krankheit andere Gedanken gekriegt, gab sie zur Antwort, daß derselbige eines Tages ihren Geist gesehen, so sie in Gestalt einer schwarzen Katzen in ihrem Koffer gehabt und Stoffer hieße, und dieweil er gedrohet, solches mir zu verzählen, wäre ihr bange worden und hätte sie ihn durch ihren Geist also krank machen lassen, daß er an seiner Aufkunft verzaget wäre. Nunmehro hätte sie ihn vertröstet, daß sie ihn alsobald wieder heilen wölle, wenn er Gotte absagete, der ihm doch nit helfen könnte, wie er wohl einsäh. Solches hätte er zu tun versprochen, und da sie ihm alsobald wieder wacker gemacht, wären sie mit dem Silber, so ich vor ihn von dem neuen Abendmahlskelch abgeschrapet hätte, zur Nachtzeit an den Strand gangen, wo er selbiges mit den Worten in die Sehe hätte schütten müssen: »Sowenig dieses Silber wieder an seinen Kelch kömmt, komme meine Seele wieder zu Gott!« Worauf ihn der Amtshauptmann, so auch dagewest, umgetaufet im Namen des Satans und ihn Hans genannt. Paten hätte er nit mehr gehabt denn sie (verstehe: die alte Lise) allein. Da er aber in der Johannesnacht zum ersten Male mit ihnen auf dem Blocksberg gewest (es wäre der HerrenbergBerg in der Nähe von Koserow. In fast allen Hexenprozessen kommen Berge dieser Art in der Nähe des Wohnorts der beteiligten Personen vor, wo der Teufel in der Walpurgis- und Johannesnacht mit ihnen schmauset, tanzet und Unzucht treibt, auch von den Hexenpriestem die satanischen Sakramente ausgeübt werden, welche eine Nachäfferei der göttlichen sind. ihr Blocksberg), wäre auch von meim Töchterlein die Rede gewest. Und hätte Satanas dem Amtshauptmann es selbsten zugeschworen, daß er sie haben sölle. Er wölle dem Alten (womit der Bösewicht Gott gemeinet) wohl zeigen, was er könne, und solle der Zimmermannsjunge vor Ärger was Schönes in seinen Hosen finden. (Pfui, du Erzbösewicht, daß du solches von meinem Erlöser geredet!) Hierüber hätte ihr alter Kerl gemurmelt, und da sie ihme niemalen recht getrauet, hätte der Geist Dudaim ihn eines Tages auf des Amtshauptmanns Befehl durch die Luft geführet, dieweil ihr Geist, Stoffer geheißen, zu schwach gewest, umb ihn zu tragen. Selbiger Dudaim wäre auch der Grünspecht gewesen, so mein Töchterlein und nachgehende den alten Paaschen mit seinem Geschrei herbeigelocket, umb sie zu verderben. Doch wäre der Riese, so auf dem Streckelberge erschienen, kein Teufel gewest, sondern wie ihr Geist Stoffer gesagt, der Junker von Mellenthin selbsten.

Und wäre dies allens die reine Wahrheit, worauf sie leben und sterben wölle. Bäte dahero umb Gottes willen, ich wölle mich ihrer erbarmen und ihr auf solch ihr bußfertig Bekenntnis die Vergebung ihrer Sünden sprechen und das Nachtmahl reichen, denn ihr Geist stünde dort am Ofen und lachete wie ein Spitzbube, daß es nunmehro mit ihr aus wäre. Aber ich gab zur Antwort: »Ich wollte ja lieber einer alten Sau das Nachtmahl geben denn dir vermaledeieten Hexen, die du nicht bloß deinen eigenen Ehekerl dem Satanas übergeben, besondern auch mich und mein arm Kind mit Höllenpein zu Tode marterst!« Doch ehe sie noch antworten kunnte, wurden ihre roten Haare also steif und wie die Reiser von dem Besen anzusehen, worauf sie lag. Also brüllend, schlug sie mit Händen und Füßen umb sich, und rief die Unholdin umwechselnd bald Gott, bald ihren Geist Stoffer, bald mich an, ihr beizuspringen, worauf sie allsogleich verreckete und schwarz und blau wie eine Brummelbeere wurde.

Hörete darauf weiter nichts, als daß das Fenster klirrete, doch nicht gar harte, besondern als wenn eine Erbse dagegen geworfen würd, woraus ich leichtlich abnehmen kunnte, daß Satanas mit ihrer Seelen hindurchgefahren. Der barmherzige Gott bewahre doch jedes Mutterkind für solches Ende umb Jesu Christi, unsers lieben Herrn und Heilandes, willen. Amen!

Als ich mich in etwas wieder verholet, was aber lange dauerte, inmaßen mein Blut zu Eis geronnen und meine Füße so steif wie ein Stock waren, hub ich an, nach dem dreusten Büttel zu schreien, welcher aber nicht mehr im Gefängnis war. Solches nahm mich ein wunder, da ich ihn doch kurz zuvorab noch gesehen, und ahnete mir gleich nichts Gutes. Und also geschah es auch. Denn als er endlich auf mein Rufen hereinkam, und ich sagete, er möge das Aas auskarren lassen, so hier eben im Namen des Teufels verrecket wäre, tat er ganz verwundert, und als ich ihm zuhielt, er würde doch ein Zeugnis ablegen für mein Töchterlein von wegen ihrer Unschuld, so die Vettel auf ihrem Todeslager bekennet, stellete er sich noch mehr verwundert und sprach, daß er nichtes gehört hätte. Dieses stieß mir wie ein Schwert durch mein Herze, und fiel ich draußen an einen Piler, wo ich wohl eine ganze Zeit gestanden. Ging aber, als ich wieder zur mir selbsten kam, zu Dn. Consuli, welcher nach Usedom abfahren wollte und schon auf dem Wagen saß. Auf mein demütig Bitten aber kam er wieder in das Gerichtszimmer mit dem Camerario und Scriba herab, und verzählete ich ihnen anjetzo allens, was fürgefallen und wie der gottlose Büttel leugne, solches auch gehört zu haben. Hierunter habe ich aber viel Wirrisches gesprochen und unter andern gesaget, daß die Fischlein alle zu meim Töchterlein in den Keller geschwommen kämen, umb sie zu erlösen. Nichtsdestoweniger ließ Dn. Consul, welcher oftmalen sein Haupt schüttelte, den dreusten Büttel rufen und befragete ihn nach seinem Gezeugnis. Aber der Kerl gab für, daß er gleich wäre fortgangen, da er gemerket, daß die alte Lise beichten wölle, umb nicht abereins angeschnauzet zu werden. Er habe darumb auch nichtes gehört. Hierauf hätte ich, wie Dn. Consul nachgehends dem Benzer Pastoren gesaget, meine Fäuste geballet und geantwortet: »Was, du Erzschalk, krochst du nicht wie ein Wurmb in der Stuben umbher?« Darumb hätte er mich auch, wie einen wirrischen Menschen, nicht weiter angehöret noch dem Büttel einen Eid abgenommen, sondern hätte mich im Zimmer stehenlassen und wäre wieder auf seinen Wagen gestiegen.

Weiß auch nicht, wie ich herauskommen bin, und war mir am andern Morgen, als die Sonne aufginge und ich bei Meister Seep, dem Krüger, in meim Bette lag, der ganze Kasus wie ein Traumb. Konnte auch nit aufstehn, besondern mußte den lieben Sonnabend und Sonntag stille liegen, wo ich viel Allotria geschwätzet. Erst den Sonntag gegen Abend, als ich angehoben, mich zu speien, und die grüne Galle ausgebrochen (ist kein Wunder nicht!), ist es besser mit mir worden. Umb diese Zeit kam auch Pastor Benzensis vor mein Bette und verzählete mir, wie ich es wirrisch gemachet, richtete mich aber durch Gottes Wort also auf, daß ich wieder recht aus dem Herzen beten kunnte, was der barmherzige Gott meinem lieben Gevatter noch am Jüngsten Gericht vergelten wölle. Denn das Gebet ist fast ein so wackerer Tröster wie der Heilige Geist selbsten, von dem es kommt, und verbleibe ich dabei, solange ein Mensch noch beten kann, daß er nicht im äußersten Unglück sei, wenn ihm sunsten auch Leib und Seele verschmachtet wäre (Ps. 73).


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