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Mikronesien.

Nördlich von Melanesien, über ein Gebiet von mehr als 2000 Meilen sich erstreckend, haben winzige Tiefseetierchen eine Welt von Inseln geschaffen, die man Mikronesien nennt. Es sind dies die Atolle oder Koralleninseln der Südsee, ersehnt von gar vielen, die vielleicht eine Abbildung des kaum aus dem Meer sich erhebenden Strandes mit seiner wundervollen Palmenwildnis, die eine in der Mitte liegende, tiefblaue friedliche Lagune umschließt, berauscht hat, verdammt von allen, die in der unsäglichen Monotonie eines solchen Atolls Jahre ihres Lebens haben hinbringen müssen. Indessen gibt es außer diesen Atollen auch noch zahlreiche Inseln von hoher Bodenerhebung, auf denen hier und da sogar feuersprühende Vulkane ihre unheimliche Tätigkeit entwickeln und oft genug die Ansiedlungen der Eingeborenen gefährden.

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Abb. 38. Typische Karolinin von Yap.

Die Bevölkerung Mikronesiens wird öfters zu den Melanesiern gerechnet. Auch hier hat zweifellos eine Vermischung malaiischer Völker mit den austral-negroiden Ureingeborenen stattgefunden. Nur dürfte das malaiische Element, das vermutlich auf den mikronesischen Archipelen eine numerisch und physisch schwache Bevölkerung angetroffen hatte, in der Übermacht gewesen sein. Zu den Mikronesiern gehören die Bewohner der Karolinen- und Palau-Inseln, der Marianen oder Ladronen, der Marschall- und der Gilbert-Inseln.

 

Die Frauen der Marianen (Ladrounen)-Inseln.

Die Frauen der im Aussterben begriffenen Urbevölkerung, der sogenannten Chamorros, sind mit spärlichen Ausnahmen ziemlich häßlich. Ihre Haut ist hellbraun bis olivfarbig. Die kleinen, ein wenig schief liegenden Augen, sowie die hervorstehenden Backenknochen gemahnen an die Mongolen des unfernen asiatischen Weltteils. Die Nase ist mäßig hoch, der Mund ziemlich breit, die Lippen sind dick.

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Abb. 39. Karolinenfrauen von Ruk in der Tracht ihrer Inselheimat.

Die heutigen Hauptbewohner der Marianen sind stark vermischt mit Tagalen, die die spanische Regierung aus den Philippinen zur Kolonisierung nach dorthin verpflanzt hat. Die Frauen sind nichts weniger als schön. Die einstige zu den ärgsten Ausschweifungen führende Zuchtlosigkeit dürfte heute, unter deutscher Herrschaft, besseren Zuständen Platz gemacht haben, obschon dieses Volk immer noch als sehr unsittlich gilt. Die landesübliche Polygamie scheint den Missionaren unausrottbar.

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Abb. 40. Eingeborenes Mädchen von den Ruk-Inseln.

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Abb. 41. Eingeborene Frau von den Ruk-Inseln.

 

Die Frauen der Karolinen-Inseln.

Alle Reisenden schildern die Karolininnen übereinstimmend als anziehend und gut gebaut, zuweilen sogar als schön. Ihre Hautfarbe ist ein dunkles, ins Kupferfarbene übergehendes Gelb, das schwarze Haar ist lang und glatt, zeigt aber eine Neigung zum Kräuseln. Die Züge sind angenehm und sprechen von Gutherzigkeit und Klugheit. Aus ihnen blicken lebhaft zwei große, dunkle, leicht schräg gestellte Augen, von feinen, langen Wimpern beschattet, unter dichten, schwarzen, schöngeformten Brauen. Die Stirn ist hoch und schmal, die Nase etwas abgeplattet, die Wangenbeine machen sich bemerkbar, der etwas groß geratene Mund zeigt meist sehr dicke Lippen. Der Gliederbau ist bis auf die etwas verkürzten Beine symmetrisch. Ihre Größe scheint sehr zu schwanken. Es werden Maße von 1,360 bis 1,483 m angegeben. Die landesheimische Tracht besteht aus Blätterschürzen ringsum, die zuweilen hinten noch mit einem Mattenkissen versehen sind, so daß die Trägerin gleich darauf sitzen kann. Indessen ist diese Tracht immer mehr im Schwinden und macht einer halb europäischen Kleidung Platz.

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Abb. 42. Karolinin von Ponape.

Die Ehe gilt den Karolinern als heilig. In flagranti ertappte Verführer dürfen (oder vielmehr durften) gleich getötet werden. Fremde Kinder werden gern adoptiert, besonders Knaben, die bald wie die eignen Söhne behandelt werden. Die Karoliner unterstehen einer Art streng durchgeführten Matriarchats. Nach dessen Gesetz bildet die Einheit des mütterlichen Blutes einen Stamm; d. h. alle, die ihre Verwandtschaft von einer bestimmten Frau herleiten können, halten sich für Brüder und Schwestern und dürfen untereinander keine Ehe eingehen. – Daraus resultiert die bevorzugte Stellung der Frau und die besonders hohe Achtung für die Stammesmutter, die sogar »Häuptling« tituliert wird. Zuwiderhandlungen gegen diese Sitte würden durch den Tod bestraft werden. Dennoch muß man aus diesen über alle Karolinen-Inseln (jedoch mit Ausnahme von Pap) verbreiteten Sitten nicht annehmen, daß der Karoliner das Weib als über sich stehend betrachtet. Die Frau ist ihrem Gatten treu und sorgt liebevoll für ihn und die Kinder.

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Abb. 43. Eine 12 jährige Karolinin. Tochter eines Häuptlings auf Pap. Die Züge erinnern an die malaiische Rasse.

Die Karolininnen sind heiter und vergnügungssüchtig. Beide Geschlechter lieben leidenschaftlich ihre frivolen, sinnlichen Volkstänze. Auf Pap sind die Tänze der Frauen sogar ungleich obszöner als die der Männer. Nur in Kusaye ist den Frauen die Teilnahme am Tanz versagt.

 

Die Frauen der Palau-Inseln,

die man auch zu den westlichen Karolinen rechnet, sind den vorigen nahe verwandt. Von Farbe sind sie etwas dunkler. Die jungen Mädchen sind oft anmutig. Ihre wohl entwickelten Brüste zeigen eine spitze Form. Arme und Beine werden tätowiert.

Freiester geschlechtlicher Verkehr ist ihnen zugestanden. Hat die jugendliche Schöne der Palau-Inseln bis zum zwölften Jahr keinen Gatten gefunden, so besucht sie fremde Distrikte, wo sie mit einem Eingebornen in wilder Ehe lebt; sie verkehrt aber auch nach Belieben mit andern Männern, die sie mit Geld beschenken. Oft geht sie weiter, stets auf der Suche nach einem Mann, den zu finden sie allerdings die Gewißheit hat. Inzwischen sind aber ihre Reize, was bei einem solchen Lebenswandel erklärlich ist, geschwunden und noch in den besten Lebensjahren wird sie zum alten, häßlichen Weibe. Sprechen wir aber von den legitim vermählten Insulanerinnen.

Ihre ersten Ehejahre bleiben stets kinderlos, und dreiviertel aller Ehen fehlt der Kindersegen überhaupt. Scheidungen werden bei den unteren Ständen ohne alle Umstände vollzogen; bei Wohlhabenderen, die sich nicht vertragen können, sucht der Häuptling zu vermitteln, ehe er sich entschließt, die Scheidung auszusprechen.

Selten beschließen junge Leute eine Heirat nach eigenem Willen. Gewöhnlich freien die Eltern des jungen Mannes für ihn, wobei Wohlstand und Ansehen der Familie des Mädchens in erster Linie berücksichtigt werden.

Der Mann darf von dem Geld seiner Frau nichts gebrauchen; im Gegenteil, er muß sie noch häufig beschenken, und da nach dem Tode des Mannes alles an seinen Bruder fällt, sorgt der Vater der Frau beizeiten für eine Hütte, in der sie mit ihren Kindern später untergebracht werden kann.

Stirbt der Mann, so trachtet die Witwe den Tod zunächst zu verheimlichen. Erst nachdem sie all ihren Besitz fortgeschafft hat, fängt sie herzerweichend zu weinen an.

Natürlich begnügt sich der Palau-Insulaner nicht mit einem Weibe, sondern er hat deren so viele als er ernähren kann.

Die größte Eigentümlichkeit unter den sozialen Einrichtungen dieses Inselvolkes sind die männlichen und weiblichen gesonderten Klubs, Clöbbergöll genannt, die nach allerstrengsten Satzungen geführt werden.

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Abb. 44. Marschall-Insulanerin. Weib eines Häuptlings.

Für den Mann gilt es als unmanierlich, des Nachts bei seiner Familie zu weilen. Vielmehr muß er die Nacht im Clöbbergöll zubringen und darf von seiner Familie nur am Tage und zwar nur innerhalb seiner Hütte Notiz nehmen. Außerhalb dieser ist ihm seine eigene Frau »tabu«, wiewohl diese Bezeichnung in Mikronesien ungebräuchlich ist.

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Abb. 45. Junge Frau von der Nauru-Insel.

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Abb. 46. Gemästete Tochter eines Nauruhäuptlings.

Nach dem Mutterrecht gelten in der Häuptlingsfamilie die männlichen Mitglieder der weiblichen Linie als Thronerben.

 

Die Frauen der Marschall- und Gilbert-Inseln.

Außer den gleichen matriarchalischen Gebräuchen wie auf den Karolinen, finden sich auf den Marschall-Inseln noch gewisse soziale Verhältnisse, die zu den Phänomenen der Völkerkunde gehören. Es muß ihrer hier Erwähnung geschehen, da auch die Frauen eine nicht unerhebliche Rolle darin spielen.

Das Volk ist nämlich in Stände eingeteilt, die bei oberflächlicher Betrachtung mit den indischen Kasten eine gewisse Verwandtschaft zeigen. Bei dem niedrigsten dieser Stände dürfen dessen Mitglieder, Kajur genannt, nur je ein Weib nehmen, während in den übrigen den Männern in der Anzahl ihrer Ehehälften keine Schranke gesetzt wird. Dem Häuptling aber steht das Recht zu, dem armen Kajur sogar das eine Weib wegzukapern. Verreist der König, indem er seine Weiber zurücklaßt, so müssen alle übrigen Männer mit Ausnahme der Kajur, die man anscheinend für ungefährlich hält, mit ihm sein Koralleneiland verlassen. Der jüngere Bruder des Königs ist verpflichtet, dessen sämtliche Witwen zu heiraten. Die Frauen dürfen von allen Männern ohne Umstände weggejagt werden, was besonders, wenn sie keine Kinder geboren haben, täglich geschieht.

Die sexuellen Verhältnisse sind wenig erfreulich. Knaben und Mädchen verkehren miteinander lange vor der Pubertät. Keuschheit der Mädchen vor der Heirat wird nicht beansprucht und unnatürliche Laster stehen in Blüte. Junge Frauen lassen es nur selten dazu kommen, Kinder zu gebären; dazu entschließen sie sich erst, wenn der Ehemann es befiehlt. An dem üppigen Sexualleben der besseren Stände hat jedoch der Fremde keinen Anteil; nur die Weiber und Mädchen des Gemeinen-Standes (Kajur) stellen sich ihm zur Verfügung.

Der Verlobte einer ältesten Tochter besitzt ein gewisses Anrecht auf deren jüngere Geschwister, die sich z. B. ohne seine Einwilligung nicht vermählen dürfen. Ehebruch wird streng bestraft.

Die Marschall-Insulanerin ist dunkler als die östliche Karolinin. Schlank von Figur, ist sie wohlgebaut und von zarter Gliederung. Das Haar ist lang, schwarz und oft lockig. Die Züge sind regelmäßig und zeugen von Geist und Frohsinn. Die Stirn ist gut entwickelt, die dunklen Augen sind lebhaft, die Backenknochen springen etwas hervor, die Nase ist ein wenig breit, der Mund nicht klein und die von Natur schönen, weißen Zähne sind durch Kauen der Pandanusfrucht oft verdorben.

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Abb. 47. Junges Mädchen von der Nauru-Insel mit Blumenschmuck.

Das gesellschaftliche Leben bewegt sich in einfachen Formen.

Die Stellung der Frau ist durchaus keine üble. Sie verrichtet nur leichtere Arbeiten, flechtet, bereitet die Speisen und ist auch dem Manne bei seiner Arbeit zur Hand.

Ein nahe verwandtes Völkchen mit ähnlichen Zuständen lebt im Mulgrave-Archipel, einem Atollenkranz im Süden der Marschall-Inseln. Hier wird die Frau wirklich gut behandelt und besitzt einen gewissen Einfluß. Ihr untersteht im großen und ganzen nur die Besorgung des Haushalts.

Auf den weiter südlich gelegenen Gilbert-Inseln sind die Frauen von durchaus ähnlicher physischer Beschaffenheit, nur vielleicht etwas größer als die vorigen.

Sie wohnen, da die Eifersucht und der Argwohn ihrer Männer groß ist, in besondern Häusern. Es genügt, daß ein Fremder nur über die Schwelle eines solchen Frauenhauses tritt, um die Insassin eines Ehebruches zu zeihen, der sofort streng geahndet wird. Auch hier findet sich Zuchtlosigkeit, obwohl nur bei den jungen Mädchen der niederen Klasse. Die Gilbertfrauen sind wie die meisten Mikronesierinnen von sanftem, freundlichem Charakter. Polygamische Verhältnisse wie allenthalben.

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Abb. 48. Karolininnen von Yap in ihrer heimischen Tracht.

Auf der isoliert gelegenen vulkanischen Insel Nauru, westlich von der Gilbert-Gruppe findet sich eine Bevölkerung, die sich im wesentlichen aus angetriebenen Mikronesiern der vorher genannten Gruppen zusammensetzt. Die schön gewachsenen kräftigen Frauen sind den übrigen Insulanerinnen durchaus ähnlich. Sie gehen gleich ihren Männern mit einem kaum bis an die Knie reichenden Schurz von Palmenblättern bekleidet; nur die Anhänger der Missionsschulen tragen, wenigstens am Sonntag, Kattunkleider, aber, nach den Vermutungen von Ant. Brandeis dürfte über kurz oder lang die primitive Bekleidung ganz geschwunden sein und einer zivilisierteren Platz gemacht haben. Bis zum sechsten oder siebenten Jahre gehen die Kinder völlig unbekleidet. Im Alter von zehn bis zwölf Jahren werden ihnen mäßig große Löcher in die Ohren gebohrt, in die sie Blumen, Baumwerk oder Muscheln (die Männer oft Fischhaken) stecken.

Es ist eine besondere Eigentümlichkeit des Stammes, die mit Aberglauben zusammenhängt, daß eine Frau nie etwas genießt, was ihr Sohn angerührt hat. Mit besonderen Zeremonien wird das Eintreten der Pubertät, die Katamenialzeit und die Schwangerschaft der Frauen behandelt.

Indem wir noch nachtragen, daß in Mikronesien als Tracht fast überall schon Kleider nach europäischem Schnitt dienen, und daß als Gruß das polynesische Nasenreiben auf dem ganzen Archipel Sitte ist, beschließen wir dieses Kapitel und besuchen nun das weite und schönere Inselreich Polynesiens.

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Badende Samoanerinnen.

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Abb. 49. Mädchen von Migiul. Typisch für die Insulanerinnen von Mikronesien.


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