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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Es schneite nicht mehr! Nein, klar und golden hing die Sonne am Winterhimmel, ließ das endlose Weiß aufblitzen in millionenfach schimmernden Lichtern.

Werner rief die ganze Gemeinschaft zusammen, die beiden Frauen, die Männer. Er scheuchte sie aus dem Schlaf, er zerrte sie durch den finsteren Tunnel ins Freie, den sie gegraben hatten, als der Schnee den Bootsschuppen eindeckte, als wäre er eine Almhütte im Hochgebirge.

Seitdem war es warm, aber dunkel im Haus. Man hauste wie ein Maulwurf unter der Erde.

Nun aber, hier draußen, lief blendend das Licht empor, kam von Osten herangeflutet, und keine Wolke stand an dem makellos blauen Himmel, keine Schneeflocke fiel.

Sie fielen sich in die Arme vor Freude, sie weinten und lachten und jauchzten. Es schneite nicht mehr! Unfaßbares, nicht mehr erhofftes Wunder! Die Sonne schien! Die Sonne …

Der Jubel brach ab. Sie sahen aneinander vorbei. Wenn es nun Trug war? Wenn morgen wieder die Schneewolken hingen, sich ausleerten über der armen Erde?

Wenn dies die tückische, letzte Freude war, nur gekommen, die Menschen, die noch lebten, in desto dumpfere Verzweiflung zu stürzen?

»Oh, Gott, sei barmherzig«, stöhnte Erika, »laß die Sonne bleiben und den Schnee nicht wiederkommen.«

Es wurde eine schlimme Nacht. Sie konnten nicht schlafen, sie stiegen unablässig durch den Schneegang hinaus und starrten die Sterne an, die groß und erhaben herniederblinkten.

War dort nicht eine Trübung? Zog da nicht eine Wolkenwand herauf? Nein, es war nichts, es blieb klar wie zuvor. Am Morgen kam abermals groß und strahlend das hellste Gestirn.

Oh, war die Sonne köstlich. Wie groß war sie, wie erhaben. Werner verbeugte sich tief vor ihr. Sie leuchtete still und unendlich erhaben, als sei sie ein Gott, der voller Gnade wäre.

* * *

Es ist unmöglich, fortzugehen, bevor sich der Schnee gesetzt hat. Dies war immer wieder das Ergebnis endloser Beratungen, ein niederschmetterndes Ergebnis. Wie lange konnte das dauern? Eine Woche, einen Monat? Alle Schneekenntnisse versagten vor diesen ungeheuren Mengen, die niedergegangen waren.

In Saas-Fee werden sie wie in einem Schneeloch hocken. Kein Mensch kann mehr über die Gletscher, keiner aber auch durch die Hutegger Schlucht. Lawinen unerhörten Ausmaßes werden sie vollgefüllt haben. Das ist gut und schlecht zugleich. Haben sie Zermatt noch vor dem riesigen Schneefall erreicht? Waren Lawinen gar auf Saas-Fee oder Saas-Grund oder Balen niedergegangen? Viele Fragen bedrängten Werner, machten ihn mißmutig und grau.

»Wenn Sie warten, bis es taut«, meinte Erika, »können Sie stromaufwärts nach Saas-Fee schwimmen wie die Lachse. Wir hingegen werden alle ersaufen.«

Sie starrte in die weiße Weite hinaus. »Der Ablauf bei Kaputh ist schmal. Es wird eine heillose Schweinerei werden, und wir werden auf den Brauhausberg ziehen müssen.«

»Wenn Sie erst die Schneemengen gesehen hätten, die da im Mecklenburgischen liegen, im Quellgebiet der Havel, dann würden Sie eher heute als morgen umziehen«, meinte Werner. »Aber das beweist nur, daß ich so bald als möglich weg muß, je länger ich warte, desto eher kann ich in die Schneeschmelze kommen.«

»Ich denke, wir sollen alle mitkommen in die Schweiz«, stichelte Erika.

Werner zuckte die Achseln. »Bei dem Schnee? Können Sie schilaufen?«

»Ich schon, aber die andern? Die bringen wir keine zwei Tage weit.«

»Na also, bleibt somit der Brauhausberg übrig, wieso sagten Sie übrigens wir?«

»Weil ich Sie begleiten werde.« Erika sah ihn an. Sie hatte das hingesagt, als wäre es das selbstverständlichste von der Welt, ein Weg zum Bäcker an der Ecke, Brötchen zu kaufen.

Werner kniff die Augen zusammen und besah sich dies bräunliche, dunkelhaarige Mädchen. Sie hatte braune Rehaugen, einen festen, jungen Körper, sportlich durchgearbeitet und einen festen, dabei lustigen Mund.

Man würde mit ihr reisen können.

»Wo sind Sie Schi gelaufen?« fragte er streng.

»Ich kann einen Kristl und einen Telemark, ich kann Schußfahren und Umspringen, ich kann drei Stunden hintereinander abfahren, ohne einen Knieschnackler zu bekommen, und sieben Stunden aufsteigen.« Sie blitzte ihn an. »Ich war auf dem Venediger und auf dem Ankogel, auf der Zugspitze und auf dem Didamskopf, in den Stubaiern und auf dem Sidanjoch, in der Silvretta, den Dolomiten, auf dem Brocken, auf der Koppe und auf dem Brauhausberg.«

»Das ist alles gar nichts«, sagte Erlinspiel. »Sie sollen hier nicht abfahren, sondern Langlauf machen. Wochenlang. Und das werden Sie nicht können.«

»Ach Gott«, meinte Erika, »ich war schon mal auf Schiern von Innsbruck bis Bozen.« Sie spielte mit ihrem Daumen. »Ich hab sogar einen Schlafsack.« Werner mußte lachen.

»Im übrigen«, erklärte sie, »wenn Sie durchaus nicht wollen, laufe ich eben vier Stunden hinter Ihnen her. Das können Sie ja wohl nicht verhindern, wie?«

Es war nichts zu machen. Werner freute sich, er hatte Angst gehabt, den ganzen Weg abermals allein dahinziehen zu müssen.

Er begann Zukunftspläne zu schmieden. Er dachte an die Aluminiumfabrik, die bei Fiesch gerade im Bau gewesen war, mit dem großen Wasserkraftwerk der oberen Rhone. Warum sollte man die Turbodynamos mit Hilfe der Schienen des Simplon nicht wieder in Gang bringen können? Warum sollte aus den kümmerlichen Versuchen hier mit neuem Gußmetall nicht etwas Gescheites herauskommen?

Wäre er doch erst in Saas-Fee! Eine große Unruhe überkam ihn. Aber dieser entsetzliche Schnee!

Er machte eine Probefahrt mit Erika. Aber kaum, daß sie aus den umfriedeten Bezirken des Hauses herauskamen, versanken sie schon bis an die Knie.

Und die Tage vergingen.

Dann aber kamen zwei Tage mildes Wetter, und dann klirrender Frost, der die Hauswände knacken machte und die Seen bis auf den Grund ausfror.

Der Schnee harschte zusammen zu einer dünnen, aber tragfähigen Decke. Erika zappelte wie ein Füllen. »Wenn Sie loswollen, Werner, dann müssen Sie jetzt los. Ehe der Marsch wieder bricht.«

»Mädchen«, sagte er, »seien Sie nicht so wild auf diese Reise. Sie kann in den Tod gehen, wissen Sie das? Sie ist verdammt kein Kinderspiel und keine Zugspitzfahrt.«

Sie ließ das jungenhafte Lächeln. Sie sah ihm voll ins Gesicht.

»Das weiß ich, und darum will ich ja mitgehen.«

So wurde es ein rascher Abschied. Was an Schiwachsen aufzutreiben war in den Ruinen Potsdams, wurde herbeigeschleppt, die Rucksäcke wurden recht schwer. Getrocknetes Fleisch, selbstgebackenes Hartbrot, Dörrobst und ein paar Bauernwürste. Dazu einige Decken und der Schlafsack von Erika. Die Messer, der Kompaß, die letzte Axt. Karl Schmitt kam zum Schluß noch mit einem kostbaren Schatz: zwei Taschenlampenbatterien! Er hatte sie beim Suchen nach Schiwachs gefunden.

Bis zur Umwallung, die nun tief unterm Schnee lag, begleiteten sie alle die beiden. Jochen küßte Erika, die anderen gaben ihr die Hand. Werner drückte allen herzhaft die Hände, es wurde nicht viel gesprochen.

»Juli-August kommt ihr nach! Wenn die Wasser abgelaufen sind!«

»Kommen wir! Auf Wiedersehen! Heil!«

»Heil!«

Die Schier glitten hinaus in die sonnenüberglostete Schneeeinsamkeit, südwestlich dem Fläming zu.

* * *

Sie wanderten bei Tage und schliefen bei Nacht in verlassenen Scheunen oder in zusammengeschlagenen Hütten aus Baumästen. Sie froren und schwitzten, sie glitten rasch voran, und gerieten in tiefe Schneewehen, in denen sie bis über die Brust einsanken. Sie kämpften sich gegen Stürme an und sichtlosen Nebel, doch kamen sie vorwärts.

Die ersten Tage schmerzten die Muskeln sehr, später spürten sie ihre Körper nicht mehr. Die Füße schoben sich voran, links, rechts, links, rechts, als ginge ein Uhrwerk, die Arme stießen regelmäßig die Stöcke in den Schnee.

Sie liefen querfeldein, immer südwestlich voran. Dörfer und Städte vermieden sie und sprachen wenig.

Sie überschritten auf klobig emporgetürmten Eisschollen vor einem Wehr den Main, sie folgten zwei Tage dem Neckar, ehe sie ihn überschreiten konnten.

Eines abends standen sie am Rhein. Rechts dehnten sich weit die weißen Flächen des Bodensees.

Werner verhielt den Schritt. Wann war er das letzte Mal hier gewesen? Ach, es war ein Menschenalter her, es war in einem früheren Leben gewesen. Ende Oktober? Jetzt war es Februar. Es mußte die große Schneeschmelze bald beginnen.

»Wir sollten einmal einen Tag ruhen«, sagte Erika und sah Werner mit heißen Augen an.

Er achtete nicht auf sie, starrte auf die Karte. Weiter südlich, ein wenig empor mußte eine enge Stelle sein, dort ging es leicht hinüber. Bis dahin mußten sie es heute noch schaffen, vielleicht stand auch dort irgendwo ein Heustadel für die Nacht.

Er begann wieder vorwärtszugehen.

»Ich kann nicht mehr weiter!« Das Mädchen begann zu weinen. Werner wandte sich um. Gedankenlos fegte er den Schnee von einem Holzstoß, der verlassen am Waldrand stand.

»Drüben können wir rasten«, sagte er. »Wer weiß, was morgen ist. Wir müssen erst hinüber und hoch hinauf. Es ist Föhn in der Luft.«

»Ach, ich habe so Angst«, Erika lehnte sich an ihn. »Ich habe keine Kraft mehr, ich bin zu müde.«

»Drüben, Erika«, sagte er mit einem Lächeln, »drüben.« Aufmuntern sollte dies Lächeln, er merkte nicht, daß es nur eine traurige Grimasse war großer Erschöpfung.

Spät in der Nacht, während die ersten warmen Windstöße über sie hinfuhren, fanden sie eine kleine Hütte. Sie hatte kaum Heu, aber sie war ein Obdach. Erika fiel hin, wie sie eingetreten war; während sie schon schlief, zog er ihr die Schuhe herunter, streifte er ihr den Schlafsack über.

Dann sank er neben ihr hin, im Einschlafen spürte er ihren Atem, der warm und erregend war. Es heulte der Föhnsturm, nun aufwachsend zu voller Gewalt. Er jaulte im Gebälk der Hütte, er wirbelte Schneemassen rheinhinab, er pfiff, schrie, brauste orgelnd daher. Die Bäume rauschten und stöhnten, es war eine schlimme Nacht des Aufruhrs.

* * *

Am Morgen lief der Föhn noch immer die Bergtäler hinunter. Es war warm; als sie, aus schwerem Schlaf am Vormittag aufschreckend, aus dem Stadel ins Freie stießen, sahen sie den Schnee weich und pappig. Zwischen den Tannen schoß der Rhein dahin, die gesprungenen Glieder der Eisfessel als grünweiße Schollen mit sich tragend. Es brauste und knirschte und schrie, brüllte und sang. Über den Himmel jagten tiefschwarze Wolken, die Luft, die sausend vorüberfuhr, war mild und lau, Müdigkeit und ein süßer Schmerz in den Schläfen lähmte den Willen.

»Oh, Werner«, sagte Erika, und sie streckte die Arme weit von sich, dehnte sich, streckte den schmal gewordenen Körper. »Wie ich dich liebe …«

Werner erschrak.

Er suchte Reisig zusammen, einen Frühtrunk zu wärmen. »Das ist der Föhn«, sagte er hart.

Das Mädchen knickte zusammen, die Arme fielen herab.

Wortlos ging sie zu ihren Schneeschuhen. Mit ihnen hantierte sie lange.

 

Gegen Mittag hielten sie am Rande eines namenlosen Baches, der plötzlich ein reißender Strom geworden war.

Werner prüfte sorgsam. »Wir müssen hinauf«, sagte er dann, »in die Berge, wo der Schnee noch hält und nicht zu Ballen pappt. Morgen ist hier kein Schnee mehr.«

Erika sah starr geradeaus, »Hinauf auf die Pässe?«

Werner nickte grimmig. »Jawohl. So hoch wie möglich. Wo der Sturm braust und die Kälte zu Hause ist. Es bleibt uns nichts erspart! Wollen sehen, wo der Rhein entspringt!«

Sie zogen dahin, gegen den Sturm geduckt, sie wurden rotbraun in der wieder hervorbrechenden Sonne. Langsam schoben sie sich an den Glarner Alpen vorüber, stiegen über den Oberalppaß, über die Furka. Sie sahen keinen Menschen, sie sahen kaum die Täler und Pässe, die Spitzen der Berge; so tief hatte der Schnee alles umgewandelt, eingeebnet, verändert.

Mühsam war die Fahrt und schwer, es brannte die Sonne bei Tag und es biß sich die Kälte bei Nacht in sie.

Nie mehr sprach Erika von ihrer Liebe. Sie schob die Schier voran und hängte abends das getrocknete Fleisch in das geschmolzene Schneewasser, das in dem kleinen Aluminiumkessel brodelte über flüchtig gesuchtem Holz.

Werner drängte vorwärts. Irgend etwas beunruhigte ihn, jagte ihn weiter, je näher er dem Saaser Tale kam.

Er war aus dem Rhonetal wieder ausgebrochen, hinauf auf den Nufenenpaß gestiegen. Erika hatte sich gewehrt, aber er hatte auf dem Anstieg und dem Weg über die Berge bestanden.

»Lassen Sie schon, Erika, ich weiß es selbst nicht, was mir ist, aber wir müssen weiter, das spüre ich, irgend etwas ist nicht in Ordnung, und wenn wir nicht bald in Saas-Fee sind, wird es zu spät sein. Und im Tal fassen uns die Sittener Banden.«

Mit letzter Kraft war sie hinter ihm drein gelaufen, den Höhenweg entlang, über Firn und Gletscher und Grate, den Höhenweg, der vom Gotthard zum Matterhorn führte, Stolz einst der Schiläufer Europas.

Ach, jetzt war ihr dieser berühmte Weg gleichgültig, sie haßte ihn mit seinem Auf und Ab, seinem schimmernden Schnee, seinem blauen Eis, seinen ewig gefühllosen Bergspitzen. Schlafen, einmal lange, unendlich lange schlafen, aus den Kleidern heraus, einmal aus den muffigen, dumpfen, verdreckten, verschwitzten, verfrorenen Kleidern hinein in ein warmes, wohliges Bad und dann in ein reines, leinenbezogenes Bett!

Wie kann Schilaufen zur Qual werden! Sie sah mit wilden Augen auf die schlanken Bretter an ihren Füßen. Wollten sie denn nicht brechen, splittern, sich auflösen?

Und doch setzte sie folgsam Spur an Spur, Schwung an Schwung, Spitzkehre an Spitzkehre, mit gefühllosem Körper, der nicht mehr wußte, ob er Hunger hatte oder Durst, Müdigkeit oder Kraft.

»Die letzte Abfahrt!« schrie Werner. Sie standen, windumweht, auf dem Sengpaß. Nichts war von einer Wache zu sehen. Nichts auch von den Torsperren, der Schnee hatte sie unter sich begraben.

»In einer halben Stunde sind wir in Balen!«

Sie nickte. Es war ihr gleich, ob es die letzte Abfahrt war, oder irgendeine. Schwung – und Schwung –, ziehen, stemmen, Schwung, Schuß, und wieder stemmen … nicht fallen, wenn ich falle, stehe ich nie wieder auf, dachte sie. Sie hielt sich genau in Werners Spur, die er stäubend vor ihr in den Schnee zeichnete.

Sie stoppten vor den ersten Häusern von Balen. So plötzlich hatte Werner den letzten Schwung gerissen, daß Erika ein gut Stück über ihn hinausschoß.

Werner stand regungslos, dann nahm er den leichtgewordenen Rucksack herunter, fingerte das Fernglas hervor, besah genau den vor ihm liegenden Ort.

»Was ist?« rief Erika hinauf. Er drohte ihr, still zu sein.

Sie stützte sich müde auf die Stöcke.

Werner besah sich aufmerksam den Ort. Kein Rauch drang aus den Hütten, kein Mensch war zu sehen. Kein Laut klang herauf.

Vorsichtig fuhr er näher.

»Bleiben Sie hier«, zischte er im Vorübergleiten zu Erika hinüber.

Er hielt vor dem ersten Haus. Die Tür war offen, Schnee lag im Hausflur, bildete auf dem Fußboden eine kleine Eiskruste. Er mußte schon lange so gelegen haben, mußte geschmolzen sein über Mittag und wieder gefroren in der Nacht, ohne daß ein menschlicher Fuß ihn betrat.

War überhaupt noch Leben in dem Dorf? Schreckliche Gedanken stiegen in ihm auf. Genau so hatten die Dörfer ausgesehen auf seinem Wege durch Deutschland, die Häuser, in denen die Cholera saß und die Pest.

War sie nun doch noch in sein Tal gedrungen, hatte das Lebendige gefressen? Undenkbar. Gerdis und Peter, und sie alle … tot, schwarz unter weißer Decke?

Der schwarze Tod, der weiße Tod –, er sah vor sich die Szene von Rheinsberg.

Nein, es konnte nicht sein. Durch Schnee und Eis wandert der schwarze Tod nicht, und dort drunten auf dem Wege sind Schispuren und Schlittenfährten. Reiß dich zusammen, Werner. Hier ist anderes am Werk als die Pest!

Er ging hinter das Haus, winkte Erika heran.

»Sie müssen jetzt hierbleiben«, sagte er, »bis ich nachgesehen habe, was los ist. Zeigen Sie sich nicht. Es stimmt allerhand nicht in diesem Tal.«

Er schob sie ins Haus. »Seien Sie vorsichtig«, warnte er sie noch einmal. An der Kirchhofmauer entlang lief er zum Ausgang des Dorfes. Hier war talauf und talab die Straße zu überblicken.

Mit dem Fernglas suchte er die Gegend ab. Von Saas-Grund her trieb der Mittagswind leichten Rauch das Tal hinab, dort also mußte noch Leben sein, feindliches oder freundliches, war nicht zu sagen. Die Nachmittagssonne schien friedlich auf die blauen, kriechenden Schwaden.

Er schaute nach unten. Aus dem Wald lösten sich Gestalten, sie kamen die Straße zu ihm herauf, ferne noch, aber deutlich zu erkennen. Männer zu Fuß und bespannte Schlitten, auf denen Lasten lagen. Werner verbarg sich hinter der Mauer. Tief war der Schnee hier, ein Mann konnte sich gut in ihm versinken lassen.

Waren es Saaser, würde er rufen und sie fragen. Waren es Fremde? … Er spannte den Revolver. Jetzt, während des Wartens spürte er, wie die Ermattung der letzten Wochen in ihm hochstieg, wie sie Besitz von ihm nehmen wollte, ihm die Augen zudrückte, die Glieder wegzog.

Er kniff sich in die Hand. Eine blutunterlaufene Stelle entstand, aber er war wieder wach.

Die Schlitten krochen näher. Nein, das waren keine Saaser. Sittener waren das, mit Lederkollern und Bronzespeeren, mit schwerfälligen Gäulen vor den Schlitten. Säcke und Fässer lagen auf ihnen und etwas langes, rundes – – Werner traute seinen Augen nicht: eine kleine, uralte, bronzene Kanone blinkte gelb in der Sonne.

Es gab also Krieg. Krieg, der noch nicht zu Ende war! Wozu sonst schleppte man diese Kanone herauf! Tagelang mußte man gearbeitet haben, sie hochzuschaffen.

Wo aber zum Teufel staken die Saaser? Ach, seine Ahnungen, seine Ängste. Er hob langsam den Revolver.

In diesem Augenblick, als er gerade visierte, krachte ein Schuß. Eines der Pferde bäumte sich hoch auf, wieherte und brach dann seitwärts zusammen. Die Männer sprangen zu, versuchten das gefallene Tier abzuschirren, den Schlitten umzudrehen – es war zu spät, der Schlitten mit der Kanone richtete sich auf, stürzte dann langsam um; die Kanone versank im Schnee. Ein zweiter Schuß peitschte auf, die Pferde rissen sich los, die Schlitten schleuderten wild hinter ihnen her, die Männer rannten dem nahen Walde zu.

Nach ein paar Sätzen blieben die Pferde stehen, sie stampften den tiefen Schnee, der ihnen bis an die Bäuche ging. Die Sonne beschien den Hauch, der in schweren Stößen aus ihren Nüstern drang.

Werner schlich sich zurück, er wußte genug. In zwei Stunden würde es dunkel sein, dann konnte er die Talmulde queren, auf der anderen Seite nach Saas-Fee aufsteigen. Die Schüsse waren von drüben gekommen. Dort am Hange saß irgendwo der Schütze, Anthanmaten vielleicht.

Aber wie war es möglich, daß die Sittener bis hierher gekommen waren? Hatte er damals in Genf nicht reichlich Waffen gekauft? Und übergenug Munition, die ein paar Jahre ausreichen mußte? Wußten denn nicht Füßli und Anthanmaten, Gerdis und Zurbriggen das Versteck im Tunnel?

Selbstverständlich wußten sie es alle. Wo war das Maschinengewehr? Wo waren die Maschinenpistolen? Und doch nur diese beiden Schüsse? Von einem Mann aus einem einzigen Gewehr gefeuert?

Wenn die da unten aber mit ihren bronzenen Donnerbüchsen aus der Waffensammlung des Schlosses von Chillon gegen die waffenlosen Saaser anrückten, dann war es nicht schwer, das untere Tal zu erobern.

Er verschanzte sich mit Erika im oberen Stock eines alten, schwer aus Steinen gefügten Bauernhauses. Durch die geschlossenen Fensterläden konnte, er die Straße beobachten.

Die Stunden verrannen, erst in der Dämmerung kamen die Männer unten wieder aus dem Walde hervor. Erregte Stimmen drangen bis zu ihm hinauf, offensichtlich zankte man sich, ob man umkehren oder weitermarschieren sollte. Dann verstummte der Streit, die Schlitten setzten sich wieder nach oben in Bewegung.

Noch einmal zählte er die Patronen, die er für den Browning besaß. Es waren fünfundvierzig Stück. Es wurden, auch wenn er noch einmal zählte, nicht mehr. Viel war das, wenn man jeden Schuß einzeln und wohlgezielt abzufeuern vermochte, aber wenig – viel zu wenig für einen Kampf auf Leben und Tod.

Plötzlich hielten die Männer mit den Schlitten an. Noch einmal erhob sich lautes Geschrei. Dann versuchten sie, die Kanone aus dem Schnee zu graben. Als dies nicht gelang, drehten sie um und stiegen ab. Offenbar wollten sie Verstärkung holen.

»Wir können jetzt gehen«, flüsterte Werner. Er scheute sich, laut zu sprechen. Ja«, hauchte das Mädchen. Er nahm sie bei der Hand, sie schauderte, als er sie anrührte.

Er führte sie die Stiege hinab, die drohend aufknarrte. Drunten schoben sie eilends die Schuhe in die Schier, dann glitten sie schemenhaft in die Nacht, quer über den Grund des Tals.

Steil ging es drüben bergan. Es war dunkel unter den Bäumen, sie blieben oft mit den Schispitzen in Zweigen und Ästen hängen.

»Ist es noch weit?« flüsterte Erika. In dem Hause, angesichts der drohenden Gefahr, war ihre Müdigkeit vergangen, jetzt, da die Gefahr sie unsichtbar umrann, kam sie mit doppelter Kraft zurück.

»Bald treffen wir den Pfad«, hauchte Werner zurück. »Haben wir den erst erreicht, ist es nicht mehr weit.«

Vorsichtig spurte er weiter durch die Nacht. Es war gefährlich, was er tat, er wußte es. Die Posten der Saaser würden auf einen nächtlich spurenden Mann nicht erst lange einreden. Sie würden das Gewehr hochnehmen und schießen.

Sollte er laut und rufend sich voranarbeiten? Standen Sittener im Wald, war es der gleiche Tod.

Dieser Saumpfad hier war der einzige Weg, der durch die steilen Felsen aufwärts führte. Wachen würden an ihm stehen von beiden Feinden.

Das beste war, schweigsam zu pirschen und auf die Gunst der Minute zu vertrauen, die alles entscheiden würde.

Zwischen den Stämmen schimmerte unten weit der Talboden. Sternenlicht lag auf ihm, sogar die Hütten von Grund waren zu erkennen. Er versuchte, sich der Bergformen zu entsinnen, die hier im Osten waren, aber zu unsicher war im Walde das Licht. Er stieg und stieg. Manchmal rauschte ein Zweig, manchmal knackte ein Ast in der Stille des Erdenschlafes.

Dann war plötzlich ein Laut, der nicht zum Walde gehörte. Werner verhielt. Ein leises Pfeifen kam herauf. Weiter von oben antwortete ein anderer Pfiff. – Galten sie ihm? Regungslos stand er im Dunkel einer uralten Tanne. Dicht atmete hinter ihm das Mädchen.

»Es sind Menschen im Wald«, hauchte er ihr ins Ohr. »Vorsicht!«

Wieder ein Pfeifen, diesmal gerade voraus. Er fühlte, daß hier eine Spur eben den Hang entlanglief. Nach einer Weile glitt er leise in die Spur hinein, dem Pfeifen nach.

Eine Viertelstunde etwa geschah nichts. Dann mit einem Male hörte man Klirren von Metall, einen unterdrückten welschen Fluch.

Feind vor ihm, Feind, der eben zum Angriff schlich. Kam hinter ihm eine andere Kolonne? Mußte er eilen oder zögern?

Er ergriff Erikas Hand. »Keinen Laut!« blies er ihr den Befehl ins Ohr.

Die Spur stieg an, der Wald lichtete sich. Sie schlichen dahin. Dann hörte der Wald auf, und nun sah er zwanzig Menschen die Wiesenhänge überqueren. Vorn lagen dunkel und still zwei Hütten. Plötzlich zerriß ein dumpfer Schrei die Nacht, Gestalten glitten zwischen den Bäumen von oben herab, schossen auf die Lichtung hinaus, Metall klirrte auf Metall, Fluchen und Stöhnen brach los, ein wirrer Knäuel von Menschen wälzte sich in dem bläulich erhellten Schnee.

Ganz oben stand eine dritte Hütte, dort mußten doch Posten sein! Werner hatte plötzlich eine Wut auf die Leichtfertigkeit seiner Saaser Männer. »Los, hinauf!« schrie er Erika an, »am Wald entlang, vorsichtig. Auf die Hütte!« Er wartete einige Minuten, bis das Mädchen sicher im Wald verschwunden war, dann lief er gerade auf die Hütte zu.

Das wirre Knäuel drunten im Schnee löste sich. Eine lockere Linie bildete sich aus, die auf die Hütten losging. Zurück blieben drei dunkle Flecke im Schnee. Die Posten? Alle?

Nein, jetzt rührte es sich in den Hütten. Pfeile zischten, ein Angreifer brach aufschreiend, in den Hals getroffen, zusammen. Verdammt klug griffen diese Sittener an. Wenn sie die Hütten da bekamen, konnten sie soviel Verstärkungen heranholen über den Jagdweg, wie sie wollten, und kein Mensch konnte sie hindern. Dann mußte ihnen ein Haus nach dem anderen von Saas- Grund in die Hände fallen.

Erlinspiel raste bergan. Er mußte schneller sein als die Angreifer, mußte die oberste Hütte erreichen, ehe die Sittener dort waren. Nun bogen sie schon aufwärts ab, offenbar wollten sie alle drei Stadel zu gleicher Zeit nehmen.

Er keuchte, er stürzte mehr bergan, als daß er stieg.

Aber es war zu spät, er würde notfalls gleichzeitig mit den ersten Gegnern die Hütte erreichen. Da warf er sich herum, in Schußfahrt raste er auf die Angriffskette zu.

»Diable«, zischte der Mann, den er anfuhr, und schlug lang in den Schnee. Werner riß den Revolver heraus, preßte ihn dem Nächsten an das Lederkoller, drückte ab. Der Schuß bellte los, das Mündungsfeuer flammte den Bruchteil einer Sekunde, dann sank der Getroffene aufheulend in den Schnee. Sein Hinterlader, den er trug, Steinschloßgewehr mit breiter Mündung des Laufs, fiel Werner vor die Füße. Schon krachte wieder der Revolver, ein dritter Sittener brach zusammen, Werner warf sich ins Knie, schoß nun ruhig und unbewegt. Wieder kippten einige um, andere warfen sich hin, versuchten mit ihren uralten Musketen zu knallen. Der Haupttrupp aber riß die Schier herum und raste in wilder Flucht zu Tal.

Werner verschoß das ganze Magazin hinter ihnen her, dreie erwischte er noch, sie stürzten in wildem Schwung in den Schnee, blieben hilflos liegen.

Die anderen verschwanden hinter einer Biegung des Waldes.

»Wer dort? Stehenbleiben!« scholl es jetzt hinter ihm.

»Zwei Männer standen vor der Hütte, kamen langsam, mit gespanntem Bogen näher.

»Gut Freund«, rief er zurück. »Ist Anthanmaten bei euch?«

»Nein.« Kalt waren die Stimmen. »Wer sind Sie?«

»Werner Erlinspiel – ruft Anthanmaten her.« Er stand auf, klopfte sich den Schnee vom Knie.

Aber da kam es schon auf ihn zugerannt und warf ihn um, daß alles miteinander in den Schnee kollerte, und es war ein Jubeln und Brüllen und Lachen.

Von oben kam Erika heruntergeschossen, schwang sauber ab und rief, lachend, und dabei liefen ihr die hellen Tränen herunter: »Sofort lassen Sie Herrn Erlinspiel leben. Sofort lassen Sie Herrn Erlinspiel leben.«

Es wurde ein stilles Wiedersehensfest in den einsamen Hütten vor Saas-Grund. Am Tische sitzend schliefen Werner und Erika nach zehn Minuten ein. Ein Bote jagte durch die Nacht nach Saas-Fee hinauf.

Die Männer zogen auf Posten.

Der Bote traf Anthanmaten und die Hauptmacht nach einer Viertelstunde. Er rief die Nachricht ihnen zu, hastete weiter. Anthanmaten schrie auf, in wildem Jagen schoß die Kolonne hinunter zu den Hütten.

Noch nicht fünf Minuten hatte Werner geschlafen, da weckte ihn der Jubel. Er schrak auf, ihn umringten schon viele, und Anthanmaten drückte ihm die Hände, daß sie schmerzten. »Gott sei Dank, Herr Werner, Gott sei Dank, daß Sie da sind. Gott, wird sich Frau Gerdis freuen. Und der kleine Peter.«

Er brach ab, seine Fröhlichkeit wurde stumm, sank in einer großen Beschämung zusammen, »Wenn Sie nicht gekommen wären, wir wären doch zu spät dran gewesen. Es sieht bös aus.«

Er sah zu Boden.

»Balen haben wir schon verloren, und die Staldener Wache ist vor einem Monat in der großen Lawinennacht draufgegangen. Hat sich nichts mehr gefunden von ihnen. And bevor wir den Weg wieder frei hatten, waren schon die Sittener hier. Seien Sie bitte nicht böse. Wir sind seit drei Wochen im Kampf.«

»Stalden«, sagte Werner. »Also habt ihr Zermatt?«

»Ja, Ihr Brief ist durchgekommen. Und vor zwei Tagen ein Bote von drüben, daß sie sich noch halten. Die Hauptmacht geht gegen uns los.«

»Und wo sind die Waffen?« fragte Werner.

Anthanmaten zuckte die Achseln. »Im Tunnel. Aber wir können nicht ran. Die Lawinen sind zu arg gewesen. Haben nicht nur die Staldener Wache mitgenommen ins Jenseits. Haben auch die Huteggener Schlucht vollgeworfen und den Tunnel verschüttet. Vier Meter Geröll liegen noch vor dem Tunnelmund oben und unten. Seit drei Wochen graben wir, daß wir wieder herankommen. Wir haben nur noch dreißig Schuß für Ihre Büchse. Mit der schießt Morristone. Hat heute die Pferde von der Kanone weggeputzt.«

Werner nickte. »Habe ich gesehen, mein Guter.« Er wurde ernst.

»Wie lange dauert es, bis der Tunnel wieder frei ist?«

»In drei Tagen vielleicht könnte der erste hinein.«

»Gut. Es wird Tag und Nacht am Tunnel gearbeitet. Die ganze Hauptmacht bleibt hier versammelt. Sind Krankheiten im Tal?«

»Nein.«

»In einer Woche sind wir in Stalden, Anthanmaten. Sie bleiben hier. Sorgen Sie für Fräulein Mewes. Sie soll morgen nachkommen nach Saas-Fee.«

Anthanmaten machte große Augen. Erst jetzt sah er das zusammengekauerte Mädchen am Tisch.

»Sie … Sie kommen ohne … Peter …« stammelte er.

»Ich habe ihn begraben, Anthanmaten, an der deutschen Küste droben.«

Anthanmaten nahm langsam die Mütze vom Kopf. Die Männer taten es ihm nach. Eine Minute lang war eine große Stille.

»Frau Gerdis wird sehr weinen«, sagte Anthanmaten. Er schob die Mütze wieder aufs dunkle Haar, faßte sich rasch. »Es wird alles gemacht werden, wie Sie angeordnet haben. Hier kommt kein Sittener mehr durch. Und unten paßt Morristone auf, mit der Büchse. Und bitte, Sie entschuldigen, daß ich mit meinen Leuten zu spät dran war?« Er sah Erlinspiel treuherzig an. Werner gab ihm die Hand. »Ist schon gut, Anthanmaten, kann jedem passieren. Ist ja alles noch gut gegangen. Gebt mir etwas zu trinken und etwas Schiwachs. zum Steigen.«

Er bekam einen Viertelliter Rotwein. In einem Schluck trank er ihn aus. Drei Burschen rieben seine Schier ein. Er fuhr hinaus in die Nacht.

Als er Saas-Fee erreichte, sah er, daß in seinem Haus auf der großen Kuppe Licht war. Er legte sich mit aller Kraft in die Stöcke, die Schier schossen den Weg voran. Er schnellte sich vorwärts, dann sah er zwei Menschen in der Tür des Hauses stehen, Gerdis und Dr. Füßli. Sie winkten. Noch einmal legte er sich in den vorwärtsdrückenden Schwung der Arme, – dann stand er aufatmend vor Gerdis.

»Willkommen, Werner«, sagte sie. Einen Augenblick irrten ihre Augen den Weg hinab, ob dort nicht eine zweite Gestalt auftauchte, emporklomm. Er stand da, er brachte kein Wort hervor.

»Gerdis«, würgte er …

Sie lächelte, sie lächelte in einem unendlichen Schmerz. »Wie müde Sie aussehen. Sie müssen rasch ins Bett. Oder wollen Sie noch etwas essen?«

Er schnallte die Schier ab, er gab ihr die Hand, eine eiskalte, müde Hand.

»Ich komme, Frau Gerdis«, sagte er und beugte sich über die kalte Hand in seiner kälteren, »ich komme ohne …«

»Morgen«, unterbrach Gerdis ihn. »Morgen werden Sie mir alles erzählen.« Sie führte ihn ins Haus. Füßli sah ihn traurig an, drückte ihm stumm die Hand.

»Ich – ich habe ihn noch gesehen«, sagte Werner, er wußte nicht, sagte er es zu Gerdis oder zu Füßli.

»Ja, Werner, – morgen«, erwiderte die dunkle, warme Stimme. »Hier ist Ihr Bett.«

Sie sagte ihm Gute Nacht, sie küßte ihn leicht auf die Stirn.

Er sank um, mit den Kleidern fiel er zurück, er schlief sofort ein.

Oh, war das qualvoll, die Decke hob und senkte sich, ein Mann mit einem Speer wollte ihn stechen, ein riesiger reitender Tod kam über die Ebene geprescht, er hielt einen Schädel in knochiger Hand, der Schädel war weiß und schwarz.

»Nein«, schrie er, »nein.«

Eine Hand legte sich auf seine Stirn, er schlug die Augen auf, sah wirr um sich.

An seinem Bette saß ein dunkler Engel.

»Schlafen, Werner«, sagte eine schöne Stimme. »Nicht träumen.«

»Oh, Gerdis. Dieser Engel sah aus wie du aussiehst … Oh Gerdis.«

Er schlief wieder ein. Er sah Gerdis, mitten im Licht, sie trug weiße Anemonen im Haar, an der Brust hielt sie ein Kind.


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