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In dem dunklen Spiel der Bilder
Spiegelst du dein Leben jung,
Und es scheint dir sanft und milder,
Schattend als Erinnerung.
All die Stunden, die ins Ferne
Einst vergingen, werden wach.
Nie begehrte nahe Sterne
Funkeln jäh in dein Gemach.
Taten träumst du an der Schwelle,
Frauen, die du nie ersiegt,
Bis der Wehmut weiche Welle
Dich in ihren Armen wiegt.
Tage, die ich voll verträumte –
Oh, du von Erinnerung
Zart beschwingte, sanft umsäumte
Schar der frühen Dämmerung! –
Warum schwebt ihr wieder gleitend
Nahe an mein Leben hin,
Meine Stunden neu verleitend
Wolkig mit euch hinzuziehn?
Ist denn wirklich Traum das Leben,
Sinnen süßer als das Schaun?
Soll ich wieder mich dem Schweben
Eurer Schwingen anvertraun?
Dunkel sich zu Bildern bauschend
Kreisen mich die Träume ein,
Blind betörend, süß berauschend
Lockt ihr dämmernd Nahesein.
Und ich fühle: ein Ermatten
Macht mich ihrem Mahnen schwach;
Willenlos, ein dumpfer Schatten
Irrt mein Tag den Träumen nach.
Der Ring der Dinge, dem du eingesponnen,
Verarmt dich nur, wenn er dich ganz bewältigt.
Erst wenn du seiner nahen Kraft entronnen,
Fühlst du den Blick in dich verhundertfältigt,
Denn aus den Bächen deines Blutes steigen,
Die Bilder spiegelnd, die rings um dich sind,
Was dich betastet, war dir längst schon eigen,
Und alles bist du: Blüte, Baum und Wind,
Bist Feld und Welt, entgrenzt dem Rand des Raumes
Zu Weg und Wolke deines Schöpfertraumes,
Bist Melodie, die in sich selber ruht,
Traumhaft vertieft in ihr beseeltes Schweigen,
Und Einsamkeit ballt aus der dumpfen Glut
Die goldnen Funken, die zu Sternen steigen.
Der Abend, der sich in die Nacht verblutet,
Rührt deine Seele stets mit gleicher Frage,
Denn täglich wehst du mit dem toten Tage
Ins Dunkel weiter, das die Welt umflutet,
Bist eingefangen in dem stummen Ringe,
Ein flackernd Licht im kalten Sternenraume,
Und spürst nur, horchend aus verwirrtem Traume
Die nahe Flut der unnennbaren Dinge.
Nimmst du ein einzeln Ding aus deinem Leben
Und wiegst es prüfend in der hohlen Hand,
Du fühlst darin das große Dunkel beben,
Und jedes ist zu neuen Wundern Welle,
Und fast schon nahe jenem letzten Strand,
Doch Weg ist alles: keines ist die Schwelle.
Vom Glanz des Mittags golden angeglüht
Lieg ich im Gras. Ich bin so wohlig müd.
Ein Schweigen flimmert. Warmen Atems ruht
Das Leben aus. Nur hoch in blauer Flut
Gehn Wolken hin, das einzig noch Bewegte
Der schwülen Welt, die sich zum Schlafe legte.
Gehn Wolken hin ... Ich seh die linden leisen
Gestalten leichtbeschwingt wie Träume reisen.
So weiß sind sie, so lächelnd aller Schwere,
Daß ich zutiefst so leises Glück begehre.
Du erste, träumerisch und mädchenzart,
Dir geb ich meine Sehnsucht auf die Fahrt,
Und dir, du zweite, mit den hellen schnellen
Armen dich stoßend durch die blauen Wellen,
Nimm die Erinnerung! Die kettet an
Die Welt mein Herz. Du weißer wilder Schwan
Schaust auch die Welt, doch deine Schwingen spüren
Die Dinge nicht, die sie im Flug berühren.
Und du mit dem demantenem Geleucht
Nimm diese Träume, noch von Tränen feucht!
Du Dunkle aber, wandernd ohne Ziel
Verliebten Winds unwilliges Gespiel,
Du nimm mein Leid an deine vollen Brüste
Und wieg es weiter! Ferne winkt die Küste
Des Abends schon wie dunkelblaue Seide. –
Ihr Wolken, weißes wehendes Geschmeide,
Wie rasch ihr geht! Mit lauen Händen streicht
Der Wind euch weiter. Und mein Herz wird leicht.
Was Unrast noch in meinem Blute war,
Weht weit im Wind wie loses Frauenhaar.
Was sehnte ich? Ich seh die Wolken wehn,
Ihr Lächeln friedsam auf mich niedersehn.
Nichts will ich mehr ... Der letzte Wunsch entglitt.
Nichts hält mich mehr ... Ich reise träumend mit.
Im flutenden Dunkel, halb erwacht
Und halb mit träumenden Sinnen,
Hör ich mein Blut durch die Mitternacht
Mit kristallenem Singen rinnen:
»Was bist du? Ein verdorrter Schaft,
Den ich mit Geist durchglute.
Mich zeugt der Erde tiefste Kraft,
Das Dunkel, dem ich mich entrafft,
Zu dem ich heimwärts flute.
Ein Lebenswille reißt mich los.
Durch schwindende Gestalten
Ström ich zurück zum Mutterschoß.
Mein Weg ist lang. Dich streift er bloß
Du kannst mich nicht behalten.
Der Becher, der dein Leben hält,
Ist ganz dem Dunkel zu eigen,
Mit jedem Atem, der zittert und wellt,
Löst sich ein Tropfen, splittert und fällt
Zurück in das ewige Schweigen.»
Das Blut erklingt, und die Stimme singt
Mich ein in purpurnen Traum,
Und die schwarze Welle des Schlafes trinkt
Sie auf in Dunkel und Raum.
Träumerisch ins Abendwerden
Lehnt sich langsam Haus um Haus,
Asche dunkelt auf den Herden
Und löscht letztes Glühen aus.
Alles sinkt in Nacht zusammen,
Nur von stillen Dächern bebt
Noch ein Mahnen an die Flammen,
Rauch, der steil zur Höhe strebt.
Seiner Glut nicht mehr gehörend
Und von ihr doch hochgewellt,
Sich in seinem Flug verzehrend
Und schon Wolken beigesellt,
Eine weiße wunderbare
Schwebe ohne Schwergewicht,
Steigt er langsam in das klare
Ruhevolle Sternenlicht. –
Ist nicht, was ich dumpf begehrte,
Seines Wesens tiefster Sinn,
Daß ich mich in Gluten klärte
Und befreit zu Sternen hin,
Aus dem Dunkel in die Helle,
Schlacke nicht und nicht mehr Glut,
Heimwärts wehte in die Welle
Uferloser Lebensflut?