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Platz in der Nähe von Don Garcia's Hause,
Don Nuñez und Achmet.
Nuñez.
Dieß, Freund Achmet, ist das Haus,
Halte hier dich in der Nähe
Mit den Treuen, die dir folgen.
Achmet.
Deines Winkes nur gewärtig,
Harren, wohlbewaffnet, schon
Hinter jenes Kirchhofs Mauern
Acht beherzte Mohrensklaven,
Die ich unter den Gefangnen,
Die hier in Valladolid
Weilen, sorgsam ausgewählt.
Nuñez.
Mir vertrauen mögen sie! –
Ist die Donna aus den Mauern
Dieser Stadt, wo meine Diener
Schon mit Rossen unsrer warten,
Eil' ich schnell, mein Wort zu lösen:
Die Gefangnen kauf' ich frei;
Sende sie mit Gold beladen
In die Heimath,
Achmet.
Zähl' auf sie!
Nuñez.
Auch ist nicht Gefahr dabei.
Jene Dame schläft hier einsam
In dem nahen Gartensaale;
Von der heißen Gluth des Tages
Aufzuathmen, hat sie sich
In die kühle Marmorhalle
Hergeflüchtet; abgesondert
Durch des Gartens weiten Raum
Sind die Diener. Dieser Schlüssel
Oeffnet jenes Eisengitter,
Dieser hier des Saales Pforte.
Achmet.
Eine Stunde oder zwei
Laß uns noch das Werk verschieben,
Daß in sorgenlosen Schlummer
Alles erst gesunken sey.
Nuñez.
Recht, mein Freund! – Auf, gehn wir Beide,
Alles einmal noch zu ordnen. –
Hörst du durch das tiefe Schweigen
Der verhüllten Nacht den Ton
Einer hellen Pfeife gellen,
Traue dann: mein ist das Zeichen.
Aus dem stillverborgnen Orte,
Wo du weilest mit den Deinen,
Brich dann ungesäumt hervor!
Dort das Eisengitter öffnen
Schnell wir, und des Saales Pforte;
Dringen, wie ein Ungewitter
Oft aus klarem Himmel plötzlich
Niederdonnernd, in das Haus;
Bleicher Schrecken wird und Graus
Ihnen Kraft und Stimme lähmen. –
Achmet.
Also sey es, hoher Herr!
Nuñez.
Bringen sammt der Dienerin
Sie dann hin zu jenem Wäldchen,
Wo die Rosse wartend stehn!
Die dann mit der schönen Beute
Stürmend, wie der Windsbraut Wehn,
Schnellen Hufs von dannen jagen.
Achmet.
Herr! verlaß dich auf mein Wort!
Noch bevor sie selber wissen,.
Ob sie wachen oder träumen,
Sind sie schon in deiner Macht,
Dann magst du sie ohne Säumen
Weiter führen noch zu Nacht;
Denn so bald der Tag erwacht,
Wirb man wohl die Donna missen,
Nuñez.
Achmet.
Nun denn – fort! (Geht ab)
Nuñez (allein).
Träumt nur von Geistern, die den Schlummer stören,
Von Luftgebilden, die ums Lager rauschen,
Mit Eulenflügeln, von Alraunenchören;
Bald wird der Traum in Wirklichkeit sich kehren!
Das Antlitz wird von Wahn die Wahrheit tauschen,
Und Nachtgesichter kommen, Euch zu wecken,
Die jenen gleichen, die den Schlaf erschrecken!
(Ab.)
Lisarda, dann Fugaçe
Lisarda.
Alles ruhig? – Ja, so scheint es.
Nichts gewahr' ich in der Nähe.
(Späht umher.)
Finster sieht die Nacht herab! –
Nun, so wag' ich's! – Niemand, hoff' ich,
Wird es hören, wenn behutsam
Ich ihm nun das Zeichen gebe.
(Sie gibt ein Zeichen.)
Don Fugaçe (nähert sich).
Du, Lisarda?
Lisarda.
Fugaçe.
Ja, ich bin's! O, öffne, eile!
Lisarda.
Wißt Ihr, ob die Straße leer?
Fugaçe.
Zween Männer sich besprechen
Sah ich in der Ferne kürzlich;
Eben gingen sie von dannen.
Lisarda.
Lieber Herr, wie fühlt Ihr Euch?
Fugaçe.
Schwächer jeden Augenblick!
Nur die Hoffnung, die so nah' mir
Zeiget ein ersehntes Glück,
Hält mich aufrecht.
Lisarda.
Kommt mit mir!
Macht Estela's Anblick nicht
Euch genesen Eurer Noth –
Fugaçe.
Macht er süßer doch den Tod!
(Lisarda führt Fugaçe in das Haus.)
Gartensaal. Ein Alkoven, zu dem mehrere Stufen führen; ein großer, von oben herabhängender Vorhang bedeckt ihn. Im Saale, zwischen dem Alkoven und dem Eingang, steht ein Ruhebett.
Estela
(steht in dem vorderen Gemache am Fenster).
Wie bist du mir willkommen, holde Nacht,
Und wie verhaßt, du unruhvolles Licht!
O, warum tauscht ihr eure Namen nicht,
Warum wird Tag nicht Nacht, Nacht Tag genannt!
Tag meiner Seele – die der Nacht verwandt! –
Wenn deine Schatten traulich mich umfangen,
Du stilles Dunkel, kommt das Licht herauf
In meinem Innern, und mit hellem Prangen
Ist dem Gemüth die Sonne aufgegangen!
Dann ist ein schönes Morgenroth entglüht,
Das mild und schimmernd in den Abgrund sieht
Der öden Brust, wo bodenlose Tiefen.
Dann wachen Blumen der Erinnrung auf,
Ach! und Gedanken, die verborgen schliefen,
Vorlängst, im Schooße der Vergangenheit,
Sie gaukeln neu empor, so wie – befreit
Von ihrer Hülle – goldne Falter fliegen;
Doch wenn der laute Tag die Welt beleuchtet,
Dann wird es Nacht in mir, angstvolle Nacht! –
Estela. Lisarda. Don Fugaçe.
Estela.
Wer naht? – Ein Mann! Wer seyd Ihr? – O um Gott!
Ihr seyd Fugaçe!
Fugaçe.
(zu Estela's Füßen).
Ja, ich bin's, Estela!
Erkennt Ihr mich?
Estela.
Was wollt Ihr hier, Verwegner?
Hier, in Valladolid? – O, fort, entflieht!
Fugaçe.
Ich fliehen? Nimmermehr!
Estela.
Wie könnt Ihr wagen,
Im Umkreis dieser Mauern zu verweilen?
Fugaçe.
Nichts fürcht' ich mehr! – Euch einmal noch zu sehen,
Trieb mich das Herz. Auf dieses kurze Glück
Stellt' ich mein Hoffen, und es ist erreicht.
Estela.
Auf die Gefahr uns Beide zu verderben!
Soll ich vergehn um Euch in banger Angst?
Soll ich erleben, daß aus diesem Hause
Von meinen Füßen weg man Euch zum Tode – ?
Fugaçe
Willkommen heiß' ich ihn nach dieser Stunde.
Estela.
Nicht mehr erkenn' ich Euer edles Herz!
Bedenket Ihr so wenig, was sich ziemt?
Tragt keine Scheu, in dieses Haus zu dringen,
Zu solcher Stunde?
Fugaçe.
Estela – Gott!
Estela.
Seit wann
Gilt Euch das Leben höher als die Ehre?
O, flieht! entfernt Euch schnell! Tilgt so die Schmach,
Daß eines ehrenwerthen Mannes Weib
Ihr nächtlich überfallt.
Fugaçe.
Träum' ich? – O Himmel!
Estela.
Wenn meine Ruh' Euch lieb ist, Don Fugaçe,
Wenn Ihr mich achtet, achtet nur, nicht liebt:
So geht, ich fleh' Euch, geht im Augenblick!
Fugaçe.
Ist das Estela's Stimme, die ich höre?
Estela, die mir spricht?
Lisarda.
Seyd doch barmherzig, Donna!
Regt sich kein Mitleid denn in Eurer Brust?
O, blickt ihn an! Seht dieses Bild des Elends,
Seht dieses bleiche, eingesunkne Antlitz,
Aus dem das Leben schon geschwunden ist.
Fugaçe.
O, schweige! nicht der Felsenharten sprich
Von Mitleid, von Erbarmen! Sprich zu denen,
Die mich verfolgen, zu dem Todfeind sprich,
Der nach dem Blut aus meinen Adern dürstet;
Er wird dich hören, und sein Auge wird
Mit Thränen sich erfüllen; – nicht zu ihr!
Estela.
Was that ich Euch, daß Ihr mein Herz zerfleischt?
Steht auf! – Was darf, was kann Don Garcia's
Gemahlin thun für Euch? o, redet selbst!
Fugaçe.
Den letzten Abschied nehmen von Fugaçe. –
Mich haben Gram und Leiden aufgezehrt;
Ob ich am Ende stehe meiner Tage,
Ob fort zu leben mir ein hartes Loos
Bestimmt hat, weiß ich nicht; doch Eines weiß ich:
Ob lebend oder todt – ich bin verloren,
Und tragen will ich, muß ich mein Geschick!
Doch eine Blume noch wollt' ich mir pflücken
Und auf den Sarg sie legen meiner Freuden,
Die heißen Lippen einmal noch, im Scheiden,
Wollt' auf die Hand ich der Geliebten drücken,
Durch dieses letzte, seligste Entzücken
Wollt' ich mich weihn zum jetz'gen, künft'gen Leiden.
Mir selbst das Haupt wollt' ich zum Opfer schmücken,
Auch diesen Trost muß mir das Schicksal neiden!
Estela.
O Gott, du siehst mich, siehst in dieses Herz!
War's nicht genug, noch nicht – warum noch das?
Fugaçe.
Ich schmacht' dahin in doppelter Verbannung,
Vertrieben aus der Heimath und von Euch! –
O, wär' dieß Haupt gefallen dem Gesetze,
Hätt' ich Don Pedro's Blut gesühnt mit meinem,
Wir wäre besser und vorüber Alles! –
Gestorben wär' ich, doch nicht ohne Trost;
Im süßen Wahne wär' ich hingeschieden,
Daß warme Thränen meinem Schicksal fließen!
Dann wäre mir des Lebens letzte Stunde
Des Lebens schönste, seligste gewesen,
Der Tod nicht Tod, nicht dunkel sein Gewand;
Des Leidens wär' ich dieser Welt genesen
Auf immer, und der letzte Liebesblick,
Den mir das Daseyn scheidend zugewandt,
Er hätte, wie der Abendsonne Gold,
Mit Rosenlichtern auf mein Grab geleuchtet!
Nun duld' ich mehr als Tod, als Schmerz des Sterbens.
Ihr schweigt, Estela? – Nun – auch ich muß schweigen.
Lisarda.
Um Gottes willen, Herr! Ihr schwindelt – wankt!
Fugaçe.
Laß mich! Mein Licht erlischt!
Lisarda (ihn unterstützend).
Erschöpft
Hat Euch die heft'ge Rede.
Estela.
O Fugaçe!
Erholt Euch! blickt mich an! – Wenn Ihr mich liebt,
Gebietet Eurer Kraft! – Estela ist's,
's ist die Geliebte, die den Theuern ruft!
O Himmel, welcher Aufruhr ist in mir!
Los springen alle Bande! – Hin zu ihm
Zieht mich's mit unbezähmbarer Gewalt! –
Auf meine Kniee drängt es mich zu sinken!
Fugaçe (sich erholend).
Ruft Ihr die flieh'nde Seele mir zurück?
Estela.
Ihr sollt nicht sterben ohne Liebestrost.
Ja, meiner Zunge Bande sind gelöst,
Nun mag der Schmerz sein Schlangenhaupt erheben!
Hin wogen mag der lang gehemmte Strom!
Auch mir ist wohl, daß nun ein Augenblick
Nach hartem Schweigen mir gekommen ist,
Um auszuschrein die Qualen dieser Brust,
Die lang zurückgedrängten, die verhaltnen!
Wie Regen fällt auf durst'ges Land, so trinkt
Mein Herz die eignen Thränen und schwillt auf,
Da es sich kühlen kann im Strom der Klagen.
Fugaçe.
Ich bin dir werth? Du hast mich nicht vergessen?
Estela.
Wohlan, mein Freund, kann Trost es Euch gewähren,
Ein Herz zu finden, das wie Eures blutet,
Kann's Euch erfreuen, Armer, wenn Ihr wißt,
Daß durch den Schatten der verschwiegnen Nacht
Estela mit Euch klaget, mit Euch weint,
Mit Euch verzweifelt – nun so mag es Euch
Mein Mund bekennen und mein Herz!
Fugaçe.
Estela!
Estella.
Ich liebe Euch, nur Euch! Kein andres Bild
Heg' ich im stillen Grunde meines Busens. –
Was Ihr gehört, was Euch mein Mund gestand
In dieser Stunde, laßt's lebendig seyn
In Eurer Brust! Laßt dieses Wort der Liebe
In trüber Dämmrung Eurer Seele leuchten,
Wie eines Sternes mildes Glänzen oft
Dem Schiffer lächelt, der die Fluth befährt
Im Sturm und Ungewitter! – Doch nun geht
Und seht mich niemals wieder – hört Ihr? nie!
Fugaçe.
O ewiges Licht!
Estela.
Was that ich? – All' ihr Engel!
O, gebt Besinnung mir! löscht diesen Brand,
Des Busens aufgeregtes Meer bezähmt!
Gebt mir Besinnung!
Fugaçe.
Theure!
Estela.
Fort von mir!
Mehr als ich geben durfte, gab ich nun,
und ein Bekenntniß, das der Tod mir nicht
Entreißen sollen, Euer Anblick hat's,
Es hat es Neigung, Mitleid mir entrissen.
Und nun bei allen Engeln schwör' ich Euch:
Naht Ihr Euch einmal noch im Leben mir,
Durchbohr' ich diese Brust mit eigner Hand!
Fugaçe.
Estela!
Estela.
Hofft nicht, weil Ihr mich einmal schwach gesehn,
Ihr würdet so zum zweitenmal mich finden.
Wie ich Euch liebe, ehr' ich meinen Gatten;
Darum kehrt niemals wieder, Don Fugaçe;
Bei meinem, Eurem Heil, ich halte Wort!
(Sehr weich)
Lebt wohl und geht mit Gott! – Ihr seyd sehr krank,
Ich seh' es, theurer Freund!
(In Thränen ausbrechend.)
Geneset nicht!
Glaubt mir, zu innig lieb' ich Euch,
Als daß ich Euch Genesung wünschen möchte!
Ein nahes Ende wünsch' ich Euren Leiden;
Mög' Euch vom Leben bald der Himmel rufen
Und mich mit euch! – Mich drückt des Tages Schwüle,
Nicht mehr ertrag' ich's! – Auf dem sonnentbrannten,
Durchglühten Sande sink' ich lechzend hin! –
Nehmt mich mit Euch in Eures Grabes Kühle! –
Lisarda.
Still – horch! – Hört Ihr? Geräusch im Vorhof!
Estela.
Allmächtiger Himmel!
Fugaçe.
Fort, Lisarda, eile!
Sieh, wer sich naht.
(Lisarda geht ab.)
Fugaçe.
Beruhigt Euch, Estela!
Wer es auch sey, mit seiner letzten Kraft
Beschützt Euch dieser Arm!
Estela.
Weh! – meine Sinne
Sie schwinden!
Lisarda (hereinstürzend).
Ach, um aller Heil'gen Willen!
Ihr seyd verloren, edle Frau, zusammt
Dem Ritter! – Euer Herr –
Estela.
Weh mir!
Fugaçe.
Don Garcia?
Lisarda.
Er ist zurückgekehrt – schon an der Thür!
Estela.
Hilf mir, barmherziger Gott!
Lisarda.
Kein Ausweg ist,
Er kann nicht mehr entfliehn.
Estela.
Ja! – dort hinein –
Dort in die Blende! schnell, Lisarda, fort!
(Lisarda verbirgt Fugaçe hinter den Vorhang in die Blende.)
Straf, o Himmel, das Verbrechen,
Doch die Unschuld strafe nicht;
Laß mich, wie gebrochne Pflicht,
Nicht ein schwer Verhängniß büßen! –
(Lisarda kehrt zurück und entfernt sich, wenn Garcia eintritt.)
Don Garcia. Donna Estela.
Garcia.
Ihr noch wach, Donna Estela?
Estela.
An das Fenster lockten mich
Nacht und Stille, die ich liebe,
Und die Kühle, die so labend
Wehet nach des Tages Schwüle.
Garcia.
Kühl ist's nicht, wohl eher kalt!
Ausgelöscht sind alle Sterne,
Und die Luft streicht scharf von Norden.
Estela.
Nicht so schnell glaubt' ich, mein Gatte,
Sollt' ich Euch zurückgekehrt
Sehn im Hause! Sagt, was ist es,
Daß Ihr unverhofft erscheint?
Garcia.
Meine Reise ist bis morgen
Aufgeschoben: früh am Tage
Will mich erst der Herr entlassen.
Doch, was ist Euch, theures Weib,
Daß Ihr zittert?
Estela.
Ich gesteh' es,
Mich befiel ein jäher Schrecken,
Als ich Euch so unvermuthet
Kommen sah. Ein Unglück, meint' ich,
Habe sich ereignet. –
Garcia.
Nichts,
Das die Ruh' Euch stören könnte. –
Weil mir Zeit nun blieb bis morgen,
Trieb mich meiner Liebe Sehnen,
Ein paar Stunden noch der Nacht
Hier bei Euch zu weilen.
Estela.
Dank,
Mein Gemahl!
Garcia.
So ritt ich her,
Und noch eh' die Morgenröthe
Aufglüht auf der Berge Spitzen,
Bin ich wieder in dem Schloßhof
Des Infanten.
Estela.
Ich erkenne
Eure Güte!
Garcia.
Ja, Estela!
Nicht der Worte süße Gabe
Ward mir zugewandt vom Himmel;
Rauh bin ich, ein schlechter Redner,
Unter Waffen auferzogen
Und zum Mann gereift in Schlachten;
Dennoch, glaubt mir, ja, ich kenne
Euern Werth – und meinen; lieb' Euch –
Estela.
Mein Gemahl!
Garcia (mit steigender Heftigkeit).
Ja, gleich getheilet
Ist mein Herz in Lieb' und Ehre;
Athem sind sie meinem Daseyn.
Wer sie mir zu rauben dächte,
Beim Allmächt'gen! er ist todt! –
Todt! und hätt' er hundert Leben,
Jedes einzeln wollt' ich morden.
Estela.
Gott im Himmel! Ihr seyd furchtbar!
(Bei Seite.)
Wehe mir – ich bin verloren!
Garcia.
Wär's mein Vater, der mir greift
An den Bart – ich müßt' ihn tödten!
Estela.
Herr, was ist Euch? Eure Blicke
Rollen wild! – O, seyd barmherzig!
Nimmer hab' ich Euch beleidigt.
Garcia.
Vor die Augen hingebannt
Steht mir das verhaßte Bild;
Weicht nicht, wankt nicht, faßt mich wild –
Estela.
Was es sey, glaubt meinem Eide –
Garcia.
Was sind Eide? eitel Luft!
Schon verflucht ist, wer sie braucht,
Sich damit in Schlaf zu wiegen.
Estela.
Faßt Euch, Herr! Bei meinem Heile,
Schuldlos bin ich gegen Euch,
Willenlos nur könnt' ich fehlen!
Garcia.
Als ich, von dem Roß gestiegen,
Durch den Garten eile, seh' ich
An der Pforte meines Hauses
Einen Mann –
Estela (für sich).
Ich bin verloren!
Garcia.
Als ich nah', ist er verschwunden;
Doch erkannt' mein scharfes Auge,
Ob auch dunkel war die Nacht,
Ihn an Gang und Haltung. – Donna,
Jener Mann – es war mein Bruder.
Estela (bei sich).
Dank dir, Gott, ich athme wieder.
Garcia.
Nuñez war es; er, kein Andrer!
Lang' ist mir es klar geworden,
Wie er, der mit mir zugleich
Einst um Eure Hand geworben,
Mich beneidet um mein Glück.
Wie Euch seiner Augen Blitze
Heimlich treffen; wie er kalt
Scheint von außen, und die Gluth
Des Vulkans ihm brennt im Innern,
Alles weiß ich! Schon als Knabe
War er tückisch, wie die Schlange;
Solches Gift wächst mit den Jahren.
Estela.
Euer Bruder ist's, bedenkt!
Garcia.
Zwiespalt ist in der Natur,
Glaubt mir's, Haß und wildes Kriegen!
Blutesbande – leerer Schall!
Die an Einem Herzen liegen,
Die dieselben Brüste saugen,
Seht sie an, ob sie sich gleichen?
Mag die Mutter, fromm und rein,
Beiden gleiche Nahrung reichen;
Milch wird sie dem Einen seyn,
Gift dem Andern.
Estela.
Glaubt es nicht!
Garcia.
Sagt mir Eines – doch seyd wahr!
Seht, ich lieb' Euch sehr, Estela,
Unverstellt, vertrau' Euch sehr!
Nicht gewohnt bin ich der Thränen,
Und nicht leicht in weiche Rührung
Schmelz' ich hin – und dennoch, seht,
Brennt mir glühend Naß im Auge. –
Nun, bei dieser herben Thräne!
Etwas ist geschehn, ich weiß es.
Ihr seyd unruhvoll – gesteht,
Sagt mir's!
Estela.
Garcia.
Sagt mir, sprach Don Nuñez Euch?
Redet wahr!
Estela.
Ja, Herr!
Garcia.
Wann? – wo?
Estela.
In dem Vorhof, als Ihr schiedet.
Garcia.
Und was sprach er?
Estela.
Herr, erlaßt mir's.
Garcia.
Was! ich bitt' Euch, laßt mich's wissen.
Estela.
Glaubt, was immer er gesprochen,
Nimmer bringt es Euch Gefahr;
Deß seyd sicher.
Garcia.
Ich muß fort,
Muß dem König Dienst verrichten,
Und an meiner Thüre lauert
Der Verrath!
Estela.
Seyd ohne Sorgen,
Wohl vertheidigt ist das Haus.
Todt mögt Ihr mich wieder finden,
Aber unentweiht von Schmach.
Garcia.
Estela.
Seyd gewiß!
Garcia.
Ja, mein Heil vertrau' ich Euch! –
Jenes Tages denk' ich wieder,
Wo Ihr Eure Hand mir reichtet. –
In Gefahr war Euer Vater,
Unterm Beil zu bluten: fruchtlos
War am Hofe Flehn und Bitten
Schon erschöpft. Ich hatte eben
Kurz vorher des Königs Leben
Mit dem eignen Blut gerettet,
Und noch waren meine Wunden
Nicht geheilt. Der König hatte
Einen heil'gen Eid geschworen:
Eine Bitte dem Erretter
Seiner Tage zu gewähren.
Da kamt eines Morgens Ihr
Plötzlich in mein Haus getreten.
»Rettet,« spracht Ihr, »meinen Vater!«
Sankt auf Eure Kniee, faßtet
Meine Hände, batet, flehtet,
Und gelobtet unter Thränen
Eure Hand zum Lohn des Dienstes;
Ob, wie ich erst spät erfahren,
Euer Herz gleich nicht mehr frei.
Vor den König trat ich, mahnend
Ihn an sein gegebnes Wort,
Und er löst' es gnädig ein;
So seyd Ihr mein Weib geworden.
Estela.
Meinen Vater dankt' ich Euch.
Garcia.
Eine solche Tochter ehret
Wie den Vater, so den Gatten.
Estela.
O, verhüten möge Gott,
Daß ich ein so edles Herz
Kränken möcht' durch meine Schuld,
Mein Gemahl –!
Garcia.
Weib meines Herzens!
Ja, ich kenne deine Würde,
Deiner Seele reiner Spiegel
Liegt vor mir.
Estela (für sich)
Ach, ich vergehe!
Garcia.
Nicht des Augenblickes Meister,
Treibt mich siedend heißes Blut
Schnell zum Wahnsinn oft, zur Wuth.
Doch du kannst den Sturm beschwören,
Hast für Wunden lindernd Oel.
Estela.
O, vermöcht' ich's!
Garcia,
Ich bin matt
Einer kurzen Stunde Schlaf
Sehnt der Körper sich entgegen.
Estela (heftig bebend).
Garcia
(hängt seinen Degen an die Wand).
Ruhe hast du mir gegeben,
Möge nun dein süßes Bild
Wie ein Friedensengel, mild
Mich im Traum und hold umschweben.
(legt sich auf das Ruhebett.)
Estela.
(in der höchsten Bewegung hervortretend).
Siehst du herab von deinem ew'gen Thron,
Dringt meine Stimme bis zu dir hinauf,
So rette mich, erbarmungsvolle Nacht!
In meines Irrsals dicht gewobne Nacht
Eil', einen Strahl des Lichtes mir zu senden!
O Gott! o Gott! – Wie wird dies Grauen enden?
(Der Vorhang fällt.)