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Gartenhaus mit einem Eingang, zu welchem Stufen führen, über demselben ist ein Balkon befindlich. Der hintere Raum ist mit einem Gitter geschlossen, durch welches ein Thor ins Freie führt.
Don Fugaçe, in einen Mantel gehüllt, erscheint im Hintergrunde und geht, unstät umherspähend, über die Bühne. Nach einer kurzen Pause treten von derselben Seite Estela und Lisarda, beide tief verschleiert, auf.
Lisarda.
Donna, seht doch nur zurück!
Estela.
Schweig' und öffne!
Lisarda.
Seht Ihr nicht,
Wie ein Mann, in einen Mantel
Tief verhüllt, auf jedem Schritte
Euch begleitet wie ein Schatte?
Seht nur hin! So Gang als Haltung
Scheinen edel. – Ganz gewiß
Ist's ein Ritter hohen Standes.
Estela.
Oeffne, sag' ich!
(Lisarda öffnet das Gitterthor, beide treten ein.)
Lisarda.
Oft entschlossen,
Euch zu nahn, Euch anzureden,
Schien er mir; doch immer wieder
Scheu, entwich er in die Ferne.
Estela.
Unerträglich ist dein Plaudern!
Lisarda.
Nun, beim Himmel wollt' ich schwören
Wohl die einz'ge aller Frauen
Seyd Ihr, die, ohn' umzuschauen,
Wie ein schüchtern Reh entflieht,
Wenn sie einen Schatten sieht,
Der ihr folgt, und wissen kann,
Jener Schatten sey – ein Mann!
Estela.
Wenig kümmern mich die Blicke,
Die nach mir die Neugier sendet,
Und von allem Mißgeschicke
Das mich treffen könnte, bliebe
Mir das ärgste, hätte Liebe
Wieder sich zu mir gewendet.
Lisarda.
Macht das so viel Beschwerden,
Anzusehn, gesehn zu werden? –
Augen sind ja nicht den Pfeilen,
Die vergiftet, zu vergleichen,
Tödten nicht, was sie erreichen;
Leichte Wunden, die sie schlagen,
Können sie bald wieder heilen.
Frauenart ist's, wie sie sagen,
Nur ein leicht, unschuldig Spiel;
Und was alle Andre wagen,
Schadet Euch wohl auch nicht viel.
(Donna Estela steht nachdenkend, ohne auf Lisarda zu achten, die nach einer kurzen Pause fortfährt.)
Weil Ihr schon in jungen Jahren
Manche Unbill habt erfahren,
Wollt Ihr nun das Leben hassen;
Aber bringt Euch das Gewinn?
Warum wollt Ihr das nicht lassen,
Was vergangen ist und hin,
Und das Gegenwärt'ge fassen? –
Der Euch werth, ward Euch entrissen,
Und gedoppelt ist die Wand,
Die Euch trennt. Er auf der Flucht,
Sieht das Land, das er nicht sucht,
Während der ersehnte Strand
Fern ihm schon im Nebel schwand.
Estela.
Schweige!
Lisarda.
Red' ich Wahrheit nicht?
Keine Frau ist zu vergleichen
Euch, in ganz Valladolid,
Und die Schönste seyd Ihr weit,
Der die Andern alle weichen.
Dennoch freut sich Jede mehr
Ihrer Tage und der Jugend,
Die ja doch nicht wiederkehrt,
Während Ihr die Blüthenzeit
Eures Lebens still verschmachtet.
Estela.
Sprichst du noch?
Lisarda.
Schon gut, ich schweige,
Weil Ihr's eben wollt. – Doch seht,
Wer dort in der Ferne steht.
Estela.
Dich nicht kümmert's.
Lisarda.
Ja, wahrhaftig!
's ist derselbe Ritter wieder.
Estela.
Fort in's Haus!
Lisarda.
So wartet doch!
Estela.
Nimmermehr!
(Sie gehen ins Haus.)
Don Fugaçe
(bleich und verstört, in den Mantel gehüllt, nähert sich).
Sie war's! – O Herz, sey muthig!
Es quillt ein Glanz mit lilienweißem Blicken
Aus dunkler Nacht. Es winken
Die Hoffnungssterne, silbern, wo erst blutig
Ein Schreckensmond gehangen;
Sie, die mir hold nun wieder aufgegangen
In süßer Klarheit, geben
Erneuten Schein dem fast verglommnen Leben.
Die Liebe treibt zum Wagen!
Ich gehe froh, inmitten
Von Graun und Tod, hin mit beherzten Schlitten,
Und nicht will ich verzagen,
Seh' ich den Markstein auch von meinen Lebenstagen!
Macht ja den Todeswunden
Die Hoffnung nahen Glückes oft gesunden!
Zwar auf Vulkanes Schlunde
Steh' ich, und unter mir im ausgehöhlten Grunde,
Unweit von meinen Füßen,
Kocht Gluth, und Feuerfluthen,
Sie rauschen wild, in rothen Flammengüssen!
Dennoch will's mich gemuthen,
Als ob aus hellen Rosen
Mich Duft und Westluft spielend nun umkosen,
Mit mildem Frühlingswehen,
Weil ich Estela wandeln konnte sehen! –
Horch! welch Geräusch? – Dem Untergang entwinden,
Wenn hier mich Späher finden,
Kein Gott vermag's! – Nicht weilen
Darf ich hier mehr – ich muß von hinnen eilen!
(Er entfernte sich)
Don Garcia reisefertig. Don Nuñez und Donna Estela treten
aus dem Hause.
Garcia.
Nicht kann ich's hindern! Noch in heut'ger Nacht
Muß ich gen Burgos, wo die Herrin weilt!
So lautet der Befehl, den eben mir
Ein Offizier des Königs überbracht.
Gemessen ist der Auftrag mir ertheilt;
Mich treibt die Pflicht, ich darf nicht länger säumen.
Estela.
O, hättet Ihr die Reise schon vollbracht!
Sie macht mir bang, und bis Ihr wieder hier,
Naht Angst mir selbst in körperlosen Träumen.
Wenn Euch ein Unglück träfe!
Garcia.
Ohne Sorgen
Seyd mir deßhalb! Bleibt Ihr in Eurem Haus
So wohl als ich auf meiner Fahrt geborgen,
So fehlt uns nichts.
Nuñez.
Wie lange bleibt Ihr aus?
Garcia (nach einer Pause).
Nicht längre Zeit, als ich bedarf, den Weg
Von hier nach Burgos und zurück zu messen.
Ein flücht'ger Renner ist mein maurisch Roß,
Doch denk' ich auch des Sporns nicht zu vergessen.
Nuñez.
Garcia.
Ganz nah' hier im Revier.
Er bleibt die Nacht in des Infanten Schloß,
An dem der Weg mich dicht vorüber führt;
Dort meld' ich mich, die Briefe zu empfangen.
Estela.
So thut, mein Gatte, was der Pflicht gebührt;
Nicht halt' ich Euch, obgleich ich schwer Euch misse.
Garcia.
Lebt herzlich wohl, und Gott mit Euch, mein Leben!
(Faßt ihre Hand und spricht heimlich.)
Donna Estela, schließt die Pforten zu,
Und hier vor Eurer Augen Sonnenlicht
Senkt diese Wolke.
(Deutet auf ihren Schleier.)
Wahret meine Ruh',
Sie bleibt und meine Ehr' Euch übergeben!
Estela.
Kränkt mich, o Herr, durch solche Warnung nicht!
Denn was ich selbst mir schuldig bin und Euch,
Weiß ich, Don Garcia. – Zieht unbekümmert!
Bei allen Engeln! Nahte mir Gewalt,
Ich fühlte Kraft und Muth, sie abzuwenden,
Bin ich auch nur ein Weib. Von diesen Händen
Weit eher findet Ihr dieß Haus zertrümmert,
Als daß ihr's seht der Schande Aufenthalt.
Garcia.
Mein theures Weib! (Umarmt sie.)
Estela.
Nuñez.
Auf Wiedersehn, mein Bruder!
Garcia.
Gott mit Euch!
(Geht ab.)
Donna Estela. Don Nuñez.
Nuñez.
Der Sohn des Glücks! Ihm folget Euer Blick
Mit stiller Sehnsucht, rief ihn gern zurück
Und möcht' ihn fest in Eure Nähe binden.
Estela.
Gewiß, Don Nuñez.
Nuñez.
Solch ein freundlich Loos
Hat mir das harte Schicksal nicht gewährt!
Ich, wo ich weile, stets bin ich allein;
Mich sucht kein Aug' und wünscht mich aufzufinden.
Estela.
Doch könntet Ihr Euch gleichen Antheils freun!
Euch eine würd'ge Gattin auszuwählen,
Wird hier nicht schwer. Rühmt ja an schönen Frauen
Man doch Valladolid vor allen reich!
Nuñez.
Nennt Eine mir, und sagt, sie gleiche Euch!
Estela.
Was uns am fernsten steht, reizt die Begier
Am meisten oft, und was als Wunsch entzückt,
Wird als Besitz nicht selten uns zur Last,
Nuñez.
O Donna, frevelt nicht an Euch und mir!
Estela.
Glaubt mir, ich rede wahr! Was wir entbehren,
Scheint uns von hohem unschätzbarem Werth!
Besäßen wir's, wir würden's nicht begehren,
Nuñez.
Von Andern mag das gelten, nicht von Euch!
Der Blick, der einmal sich zu Euch erhob,
Er wird sich nicht zu andern Reizen lehren!
Wer sähe wohl die reine Bergesquelle
Aus Felsenadern, silberrieselnd, blinken,
So demantklar – und möchte doch die Welle
Des trägen, schilfumrauschten Stromes trinken?
Estela.
Ihr seyd sehr artig, Herr, zu artig fast.
Nuñez.
So sprach ich einst zu Euch, so sprech' ich noch,
Obgleich die Zeit mir Recht und Hoffnung nahm.
Geändert sind die Dinge um mich her,
Doch gleich geblieben ist sich dieses Herz.
Ihr könnt das künstlich eingewirkte Bild,
Das Eins ist mit dem Stoff, auf dem es glänzt,
Nicht von des Teppichs seidnem Grunde scheiden,
Ihr müßtet denn am farbigen Gewebe
Die dichtverschlungnen Fäden erst zerschneiden;
So trag' ich Euch im Herzen, weil ich lebe.
Estela.
Nuñez.
Den Zauberring zu meiden –
Estela.
Geendet sey, beliebt es Euch, der Scherz!
Für solchen acht' ich dieß Gespräche
Nuñez.
Gebannt,
Wie, auf gefei'tem Boden, dünk ich mich,
Wo kein Entrinnen ist, und Zauberbande
Die Tritte fesseln! Ja, mir fehlt zur Flucht
Kraft und Entschluß, so wie zum Widerstande;
Das Auge hält den Fuß gefangen.
Estela.
Denkt,
Ihr seyd in Eures Bruders Hause! Mehr
Gewinn an Ehre brächt' es Euch, zu schweigen,
Wo mir zu hören nicht geziemt.
Nuñez.
O, mahnt,
Ich bitt' Euch herzlich, mahnt daran mich nicht!
Nicht jetzt, niemals – hört Ihr? Gedanken gibt's,
Von so gefährlicher Beschaffenheit,
Daß sie im dunkelsten Gemach der Seele
Gefesselt liegen sollten immerdar!
Einmal der Haft entsprungen, einmal frei,
Entstürzen sie, wie gierige Hyänen,
Den lang verhaltnen Grimm in Blut zu kühlen.
Estela.
Seyd Ihr von Sinnen?
Nuñez.
Ha, beim Licht des Himmels!
Sind wir nicht Brüder, nicht zu gleichem Erbe
Berechtigt? Nun, warum, bestochnes Schicksal,
Denn diesem Alles geben, jenem nichts?
Dem blühend Licht, und jenem graue Nacht?
Wo ist die Zunge der Gerechtigkeit
An jener ew'gen Woge, daß hinauf
Des Einen leere Schale schnellt, indeß
Die andre, reich beschwert, am Boden lastet?
Theilt so Gerechtigkeit?
Estela.
Ich staune, Nuñez! –
Mich dünkt, vermuthen würde wohl es nicht
Der edle Garcia, daß, der seine Ehre
Zu schirmen, traun! vor Gott verbunden wäre,
Wenn nicht durch Freundes-, doch durch Blutespflicht,
Sie selbst verletzen wolle! – Geht, o geht!
Wie steht Ihr tief, tief unter Ihm. Beim Himmel!
Die Eure würd' er mit dem eignen Blut
Vertheid'gen, drohte ihr Gefahr! – Wohl gut
Hab' ich gethan, Ihm meine Hand zu reichen,
Um die ihr Beide warbet; denn, fürwahr,
Den Edleren hab' ich erwählt! – Geht, Nuñez,
Und wenn Ihr könnt, – bemüht Euch, ihm zu gleichen.
Nuñez.
Ja scheltet mich! Bei Gott, Ihr zürnt mit Recht!
Und doch verdien' ich Mitleid mehr als Zorn.
Ein glühend Fieber macht die Pulse fliegen,
Brennt im Gehirn wie Wahnwitz! – O, Estela!
Noch kann ich die Erinn'rung nicht besiegen,
Noch wechselt
dort und
hier, und
vor und
jetzt,
Des süßen Wahns kann ich mich nicht entwöhnen:
Ihr solltet einst die Tage mir verschönen!
Estela.
Nun denn, so lernt es, weil Ihr müßt!
Nuñez.
Verzeiht,
Ich habe ja mit seinen goldnen Zweigen
Dieß schöne Glück mich nah' berühren sehn. –
Estela.
Erlassen ist Euch der Entschuld'gung Mühe;
Was Andre dulden können, duldet auch! –
Und nun verlaßt mich, Nuñez. geht! – Ich sehe
Euch wieder, wenn mein Gatte heimgekehrt.
Nuñez.
Bleibt selbst mir Eures Anblicks Trost verwehrt?
Estela.
Ich bitt' Euch, Herr –
Nuñez.
O, sprecht!
Estela.
So bleibt! – Ich gehe.
(Sie geht ins Haus.)
Don Nuñez (allein).
Schießt nicht so scharfe Pfeile von den Bogen
Der schönen Augen ab, Donna Estela!
Es macht der stolze Siegesübermuth
Euch trunken. Glaubt Ihr, weil der Worte Kraft,
Die list'ge Schmeichelbitte, Ueberredung,
Bußfert'ge Thränen, und wie immer sonst
Das Kampfgeräthe heißen mag der Liebe,
Am harten Panzer Eurer Brust zerbrach,
Es wäre ausgeleeret schon, erschöpft
Das Arsenal des Krieges? – Wahret Euch!
Ihr könntet irrig seyn; – denn eine Waffe,
Die Ihr wohl nicht vermuthet, halt' ich noch
Verborgen unterm Mantel: – Die Gewalt! –
Verhaßte Qual des Zwanges, der Verstellung,
Hinweg mit dir! der ist ein arger Thor,
Der die Gelegenheit nicht muthig faßt
Mit starkem Arm; denn schnell auf leichten Socken
Schwebt fliehend bald die gaukelnde hinweg,
Und lächelt keinen an zum zweitenmal!
Wohl keine Ahnung gibt's des Künftigen,
Du wärest, Garcia, nach Burgos nicht geritten!
Es hätte selbst, weissagend, dich dein Roß
Gewarnet vor dem Unstern dieses Tages,
Und vorwärts hätte, weg von deinem Thor,
Kein Stachel es getrieben und kein Sporn.
(Geht ab.)
Don Fugaçe (tritt auf).
Endlich ist die Straße leer!
O Geschick, das mich zu quälen
Nie ermüdet, laß nur einmal
Einmal nur, nur meines Himmels
Nachtumwobne Wolkenhülle
Einen Strahl der Sonne leuchten!
Laß der Augen Licht erblinden,
Doch zuvor laß mich Sie sehen;
Laß gedoppelt Tod mich finden,
Doch zuvor noch einen Pulsschlag
Leben mir die Brust durchbeben! –
Kaum vermag ich ja, dem müden,
Todesmatten Körper noch
Zu gebieten! – Hin zur Erde
Möcht' ich sinken und die Kniee
Brechen kraftlos! – Kann Lisarda
Ich nicht bald allein gewahren,
Fürcht' ich, daß, eh' die Gefahren,
Die mich drohend rings umschweben,
Mir vermögen Tod zu geben,
Die Erschöpfung hier zur Stelle,
Dicht an der Geliebten Schwelle
Ende das verhaßte Leben!
Fugaçe. Lisarda erscheint auf dem Balkone
Immer hier noch in der Nähe,
Immer tief noch eingehüllt! –
Wer wohl mag der Fremde seyn?
Fugaçe.
Sieh! ein Weib auf dem Balkone, –
Ja, sie ist's! – Es ist Lisarda!
Ihr geb' ich mich zu erkennen! –
Lisarda!
Lisarda.
Welche Stimme?
Gott! wer seyd Ihr? –
Fugaçe.
Nicht den Namen
Darf ich nennen! denn die Steine,
Die ihn hören, selber könnten
Ihn verrathen.
Lisarda.
Herr des Himmels!
Ja, Ihr seyd –
Fugaçe.
Ein Unsel'ger,
Der dich bei dem Heil der Seele
Anfleht, schnell herab zu kommen.
Lisarda.
Ist es möglich?
Fugaçe.
O, nicht zaudre!
Dein Verweilen bringt den Tod!
Lisarda.
Wohl, ich komme.
(Geht vom Balkone.)
Fugaçe (allein).
Weh! mir schwindelt, – ich vergehe! –
Glimme noch, du sterbend Licht! –
Brich nicht, Herz, – nur jetzt noch nicht! –
Lisarda (tritt aus dem Hause)
Don Fugaçe?
Ihr hier zu Valladolid?
Seyd Ihr rasend, Euch zu wagen
Mitten in des Löwen Höhle?
Wißt Ihr nicht, der König weile
Hier mit seinem ganzen Hofhalt?
Todesbann schweb' über Euch
Und es sey auf Euer Haupt
Hoher Preis zum Lohn gesetzet?
Fugaçe.
Alles weiß ich! – dem Verderben
Bin ich ausersehn zur Beute,
Nimmer kann ich ihm entgehn;
Aber soll ich morgen sterben,
Sehen will ich Sie noch heute!
Lisarda.
Hell'ger Himmel! wenn man Euch,
Ritter, hier gefangen nähme?
Fugaçe.
Tod schwebt allwärts über mir,
Nur die Wahl ist mir gelassen,
Dort zu sterben oder hier.
Nun, so will ich hier erblassen
Zu den Füßen der Geliebten.
Lisarda.
Ach! und wie verändert, Herr,
Find' ich jeden Eurer Züge;
Kaum zu kennen! – Bleich die Wange,
Matt die Augen, und die Stimme
Kann sich kaum der Brust entringen.
Fugaçe.
Ja, so scheint es! Mich umrauschen
Nahe schon des Todes Schwingen,
Geizen muß ich mit der Zeit. –
Wie an jenem Unglückstage,
Ihres Vaters Haupt zu retten,
Sich Estela zum Altare
Ließ – ein kranzgeschmücktes Opfer, –
Duldend führen, weißt du –
Lisarda.
Leider!
Fugaçe.
Weißt, wie ich, den die Verzweiflung
Schon zum Wahnsinn schier entflammt,
Noch gereizt durch des Infanten
Und Don Nuñez gift'ge Worte,
Und Don Pedro's, meinen Degen
Zog; wie, Unglück zu verhüten
Dem Infanten, sich Don Pedro
Setzt' zur Wehr, und tief ins Leben
Ihm mein unglücksel'ger Stahl
Eindringt –
Lisarda.
Alles weiß ich, Alles!
Fugaçe.
Ich entfloh aus dem Getümmel
Schnell, verfolgt zwar; doch entkam ich
In die Berge von Biskaja,
Wo ich flüchtig irrt' umher,
Wie ein scheu gehetztes Wild.
Lange mied ich jede Wohnung,
Mied, besorgt, das Licht des Tages,
In den Wäldern tief verborgen,
Und nur Nachts wagt' ich, die offne
Straße eilend fort zu ziehn. –
Endlich mußt' ich, siech und krank,
Einer Hütte Obdach suchen;
Gastlich nahm ein Hirt mich auf.
Aber immer mehr und mehr
Fühlt ich meine Kräfte schwinden,
Und des nahen Todes Keim
Tiefer stets die Wurzel schlagen.
Lisarda.
Armer Ritter!
Fugaçe.
Doch je näher
Hin ich wankte zu dem Grabe,
Immer heft'ger fühlt' und heißer
Ich von Sehnsucht mich durchglüht;
Einmal noch in diesem Leben
Sie zu sehn, die lichtumstrahlte
Quelle meiner Qual und Lust!
Und empor vom Krankenlager
Rafft ich mich, und ohne Scheuen,
Ob Gefahren mich bedräuen,
Ob, eh' ich hierher gelange,
Früher nicht mich Tod umfange,
Eil' ich her! – Nun weißt du Alles!
Aus des Grabes düstrem Schlunde
Flattert mit azurnem Glänzen
Hell das wehende Panier
Treuer Liebe; und ein Sehnen
Spannt im Sterben noch die Flügel,
Und hebt von dem Todtenhügel
Sich noch auf zum letzten Fluge.
Lisarda.
O, hört auf! genug, genug!
Fugaçe.
Deine Augen glühn in Thränen;
Und gerührt hat mein Geschick
Dir das Herz. – O, so beschwöre
Ich dich bei den Heil'gen allen,
Bei dem höchsten Gott dort oben,
Den ich hoffe bald zu schauen:
Eine Bitte nur erhöre! –
O, laß mich Estela sprechen!
Lisarda.
Was verlangt Ihr? –
Fugaçe.
Nur Minuten!
Lisarda.
's ist unmöglich!
Fugaçe.
Sey barmherzig!
Sieh, ich fühle ja kaum Leben
In den Adern; nur ein Zucken
Noch des Herzens, das in Kurzem
Still steht, nur ein Ringen noch
Meiner Pulse, die in Kurzem
Nicht mehr schlagen.
Lisarda.
Theurer Ritter!
Fugaçe.
Laß mich nicht in Qualen enden!
Will ich doch nur Abschied nehmen,
Eh' ich scheide! Ach, mich treibt
Ja nicht frevelnde Begier
Zu den Füßen der Geliebten!
Heilig ist, wie Gottes Tempel,
Ihre Nähe mir; nur sehen,
Nur ein einzigmal sie sehen
Will ich noch.
Lisarda.
Was soll ich thun?
Fugaçe.
Thue, was dein Innres spricht,
Das, wozu dein Herz dich treibt;
Glaube mir, 's ist Sünde nicht.
Lisarda.
Gott verzeih' mir's! – Nun, so höret!
Eben fügt es glücklich sich.
Von dem Haus entfernet ist
Heute unser Herr, und kehret
Erst zurück nach ein'ger Frist,
Bald ist's Nacht, dann lass ich Euch
Ein, wenn Alles ruht.
Fugaçe.
O, Dank,
Tausend Dank, du treue Seele!
Lisarda.
Selbst die Donna soll es früher
Nicht erfahren. Ihre Strenge
Dürfte wehren, was ihr Herz –
Ach, ich weiß es – gern gewährte.
Fugaçe.
O, wie lohn' ich deine Dienste?
Lisarda.
Ist es recht, was ich beginne,
Oder unrecht; nun, die Engel
Mögen's wissen! – Doch, ich seh' Euch
In Gefahr, unglücklich, krank,
Und so mag mir's Gott verzeihen,
Wenn ich, weil ich es vermag,
Mich mit Mitleid zu Euch wende,
Und Euch Trost und Hülfe spende.
Fugaçe.
Lohn' dir's Gott!
Lisarda.
Bleibt in der Nähe
Hier verborgen, bis ich kehre;
Sorgt, daß Niemand Euch erspähe!
(Sie geht in das Haus.)
Fugaçe (allein).
Die Sonne senkt die goldnen Feuerstrahlen
Allmählig nieder in den Schooß der Nacht!
Doch, eh' sie sinkt, flammt sie in ganzer Pracht
Noch einmal auf: ein purpurn Rosenmeer
Schwimmt ausgegossen über Berg und Thalen,
Und in der Schönheit Fülle, hoch und hehr,
Zeucht sie hinweg, auf diamantnem Wagen
Zum liebentglühten Ocean getragen. –
So glänzt auch mir das Leben, nun ich scheide,
Noch einmal hell im blitzenden Geschmeide;
Und höhnend will es seine Herrlichkeiten
Auf meines Sarges schwarze Decke breiten!
(Der Vorhang fällt.)