Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Park
Iris (
allein).)
Alvar! O welch Gedränge
Von Freud' und Lust! – mir wird die Brust zu enge!
Er ist's! mein Bruder ist's! Er darf sich nennen!
Nun seinen Namen ohne Scheu bekennen!
Gesegnet sey die Stunde,
Die mir gebracht so lang' ersehnte Kunde!
Mein theuerer Alvar! – Bald wird er kommen,
Denn diesen Weg, sah' ich, hat er genommen! –
Ich muß ihm schnell entdecken –
Doch nein! – noch nicht! – erst ihn ein wenig necken.
Er flieht hierher um eines Zweikampfs willen,
Muß hier verborgen leben,
In einen fremden Namen sich verhüllen,
Und mich, die Schwester, läßt er nichts erfahren,
Bis Fremde mir zufällig Nachricht geben!
Nein, nein! die Strafe ist noch zu gelinde!
Er kommt! Was fang' ich an? Geschwinde
Hier hinter diesen Busch!
(Sie verbirgt sich.)
Alvar. Iris, verborgen.
Alvar
Heut' kommt sie nicht, und sonst war sie doch täglich
Um diese Stunde hier! – 's ist unerträglich!
Mich zehrt der Unmuth auf! War das Viola?
Viola, die so oft – thöricht Beginnen,
Auf Weiber trau'n! Ich komm' von Sinnen,
Wenn ich es denk'! – Verwünscht, daß jene Damen
Den Kampf gehemmt! nun war' es schon entschieden:
Er oder ich! und Einer hätte Frieden!
(Will gehen.)
Iris (verborgen).
Don Alvar Flores!
Alvar
(steht sich schnell um).
Was ist's? – Wer rief? – Hört' ich nicht meinen Namen?
Mir kam's so vor! – Nein, nein!
Weiß sie in dieser Stadt ihn doch allein;
Und daß sie mich nicht ruft, weiß ich gewiß!
's war nichts! – Ach, mich bethören
Die eignen Sinne! Sehen, Fühlen, Hören –
's ist alles Trug! Auf sie meint' ich zu bauen,
Und seit sie falsch, will ich mir selbst nicht trauen!
(Geht ab.)
Iris
(kommt hervor).
Ja, ja, er ist's! – Wie schnell er sich gewandt,
Als ich bei seinem Namen ihn genannt!
Mein Aug' war naß, und doch fast mußt' ich lachen.
So also, Don Alvar? so stehn die Sachen?
Nun, die Entdeckung kommt zu rechter Zeit!
Er liebt Violen, und so wie es scheint,
Viola ihn, trotz dem verliebten Streit,
Der nicht so ernsthaft ist, wie ich vermuthe.
Das Kind, weil es nicht folgt', bekam die Ruthe,
Da steht das liebe Kind nun hier und weint!
Was ist zu thun? Will ich Persiden nicht
Und meinen Bruder in der Noth verlassen,
So muß ich helfen, das ist meine Pflicht!
Und wenn im Kreis ich mich auch selbst nicht drehe,
So lieb' ich doch, von ferne
Dem Tanze zuzusehn, und ich gestehe,
Im Liebesspiel misch' ich die Karten gerne,–
Schon ist mein Plan gefaßt! – Hat auch Fadrique
Schon seine Hand Violen angetragen,
So ist deßhalb kein Grund noch, zu verzagen.
Wenn erst die Männer sehen,
Daß eine Frau sie liebt, so widerstehen
Sie nicht der Häßlichsten! – Drum muß vor allem
Fadrique es erfahren,
Perside sey's, die ihn geliebt seit Jahren;
Wenn er das weiß, wird sie ihm schon gefallen.
(Geht ab.)
Viola. Alvar.
Viola.
Genug der Worte hört' ich, Don Alvar.
Was ich beschlossen, bleibet sonder Wanken!
Nichts ändert mich, entschlagt Euch der Gedanken.
Alvar.
Ihr thut mir Unrecht, theuere Viola!
Dieß Herz, in dem nur Lieb' und Treue wohnen,
Ist so entfernt von jeder falschen That,
So weit von jedem Schatten von Verrath,
Daß es sich ewig Feindschaft wollt' erweisen,
Sich selbst mit blut'gem Ingrimm wollte hassen,
Vermöcht' es den Gedanken nur zu fassen
An Unrecht, Dame, gegen Euch verübt.
Viola.
O reiner Spiegel, den kein Athem trübt! –
Ja, wär' mit schönen Worten es gethan,
Mit Schwur und Eiden – daran fehlt es nie,
Ein treulos, unbeständiges Gemüth,
Des Herzens böse Tücke zu verhehlen.
Alvar.
Das ist zu viel!
Viola.
Was dieses Auge siebt,
Das leidet keinen Zweifel, das ist wahr!
Ihr seyd ein schnöder Heuchler, Don Alvar,
Der heut' für mich, für Andre morgen brennet.
Alvar.
Das bin ich nicht! bei Gott, das bin ich nicht!
Mir gilt der Liebe, wie der Ehre Pflicht.
Das Mindeste, was ich an ihr verbrochen,
Es würde blutig von mir selbst gerochen
An meinem eignen Seyn! – O, Donna, glaubt:
So lang' in mir sich noch ein Pulsschlag regt,
Ist es der Liebe Hauch, der ihn bewegt.
Gebricht ihr Athem, diese Brust zu heben,
So bricht dieß Herz – denn ihm gebricht das Leben!
Viola.
Was Ihr mir sagt, wird mich nicht mehr bethören!
Es ist nicht neu, ich könnt' es sonst schon hören.
Und so wie jetzt, ist's damals Trug gewesen.
Alvar.
Noch einmal steh' ich Euch, seyd billig nur!
Gewährt mir Recht, und Ihr gewahrt mir Huld!
Laßt mich, eh' Ihr verdammt, doch erst erkennen,
Was ich gefehlt! Zeiht Ihr mich schwerer Schuld,
Geziemt sich's doch, die Schuld mir auch zu nennen.
Viola.
Ich will ein Herz, das mir ergeben ist
Mit so ausschließend einziger Bewerbung
Als wohl die Gunst verdient, die ich erweise.
Noch ist sie nicht so sehr an Werth gefallen,
Daß der von Glück nicht träumte, dem sie wird.
Auch gibt es Ritter wohl von bessrer Treue,
Die, wenn ich jemals ihnen Huld verleihe,
Die eignen Augen lieber würden blenden,
Als sie, wie Ihr, nach andern Frauen wenden.
Alvar.
Mein eigenes Gefühl habt Ihr gewarnt!
Und wenn die Treue aus der Welt geflohn,
In diesem Busen wird sie heimisch bleiben;
Dort seyd gewiß, daß Ihr sie ewig findet,
Selbst Euer Unrecht soll sie nicht vertreiben! –
Ich meinen Blick zu andern Frau'n gewandt?
Dieß Auge, das von Euern Reizen trunken,
Sieht ja nur dann, wenn Euch es kann erschauen,
Nur wenn Ihr strahlt, ist mir der Tag erwacht;
Entfernt Ihr Euch, ist Dunkel rings und Nacht,
Die Farben schwinden, wenn das Licht gesunken! –
Darum noch einmal, glaubt, 's ist nicht'ger Schein,
Der Euch bethört, ein Wahn konnt' Euch erschrecken,
Ein Schattenbild die Eifersucht erwecken.
Viola.
Die Eifersucht? Was bildet Ihr Euch ein!
Ich glaube, Don Alvar, Ihr seyd von Sinnen!
Das lohnte wohl, daß eine Frau wie ich
Um Eure Liebe sollte Krieg beginnen.
Nein, nein! Die Euch besitzt, mag Euch behalten,
Ein so gefühlvoll Herz ist nicht für mich.
Alvar.
Warum Verstellung noch? ich weiß genug!
Ihr wollt den eignen wandelbaren Sinn
Mit dieser Klage falschem Schein bedecken:
Die eigne Schuld wollt Ihr geschickt verstecken,
Indeß Ihr mir sie zuwerft. – Immerhin!
Was Liebe fordern kann, hab' ich gegeben,
Und jeden Titel ihrer Pflicht erfüllt.
Ein treuer Hund, der Eure Schwelle hütet,
Lag ich zu Euern Füßen hingeschmiegt!
Ihr stoßt mich weg? Nun denn, wohlan! ich gehe!
So sey es drum, weil ich Euch nun erkannt!
Da Ihr mich selbst mit hartem Sinn verbannt
Aus Eurer Nähe, will ich nun sie meiden.
Lebt denn vergnügt! – Lebt wohl und laßt mich scheiden!
Fort aus Armidens falschem Zauberkreise
Will ich entfliehn, und nie kehr' ich zurück!
Nie seht Ihr mehr mich wieder! – Lebt im Glück!
(Geht ab.)
Viola.
Das wünsch' ich Euch fortan! Habt gute Reise!
(Allein.)
Ha, falsche Schlangen! heuchlerisch Geschlecht!
Möcht' tödtend euch doch all' ein Blitz erreichen! –
Hat nichts gethan, ist schuldlos, nichts bewußt,
Verschwöret See! und Leib – und trägt das Bild
Von einer andern Frau auf seiner Brust,
Und herzt und küßt's! – Verräther ohne Gleichen! –
Er geht? – sieht sich nicht um? – Schon recht, schon recht!
Er mag nur gehn; was ist an ihm gelegen?
So lang' er es verdiente, liebt' ich ihn,
Doch nun ist es vorüber; abgewandt
Hat sich von ihm mein Herz, nun ist's vorbei!
Und sollt' er jetzt zu meinen Füßen sterben,
Ich bleibe fest! Bei Gott, er wird aufs Neu'
Nie mehr die Gunst, die er verlor, erwerben.
Alvar
(wiederkehrend).
Dieß Eine noch, Viola, sollt Ihr wissen:
Was auch geschehen könnte, hoffet nimmer,
Noch einmal mich zu sehn zu Euern Füßen!
Ich bin geheilt, die Bande sind zerrissen;
Die Kräfte selbst, die einst den Zauber schufen,
Sie haben ihn gelöst. – Ich geh' auf immer!
(Geht ab.)
Viola.
Was kamt Ihr jetzt? Ich hab' Euch nicht gerufen.
(Allein.)
Nur fest, mein Herz! nur fest! So ist es gut!
Nimm falschen Schein nicht für der Bessrung Zeichen.
Da glaubt' er freilich wohl sich nicht belauscht,
Als ich ihn sah, ganz Wonne, ganz Entzücken,
Das Bildniß jener Frau, berauscht
Von Seligkeit, an seine Lippen drücken.
Was braucht es mehr? ich will kein Herz, das tauscht.
Die Frau veracht' ich, die auch nur ein Haar
Von ihrem Recht schwachherzig wollte weichen!
Wer mein will seyn, der sey es ganz und gar!
(Geht ab.)
Persde, als Knabe gekleidet. Iris.
Iris
Nun, beim Himmel, das ist wahr!
Liebe webt in Widersprüchen!
Dich, die blöde manches Jahr
Scheu und furchtsam sich verborgen,
Stets geschwebt in bangen Sorgen,
Bei dem kleinsten Schritt voll Zagen,
Seh' ich nun, auf Einmal kühn,
Mehr als jede Andre wagen!
Perside.
Theure Freundin, spotte nicht!
Sey nicht du es, die der armen,
Ganz in Lieb' und Schmerz Verlornen,
Ohne Mitleid und Erbarmen
Ein verdammend Urtheil spricht.
Du ja weißt, wenn ich jetzt frei,
Strenger Sitte fremd erscheine,
Daß ich dennoch sittsam sey,
Schmerzlich das Geschick beweine,
Das mich zwingt zu solchem Schritte!
Nie sah dieses Auge noch,
Mit dem Wunsche, zu gefallen,
Je auf einen Mann! Doch ihn,
Iris, ach! ihn mußt' ich lieben!
Und so bin mit einemmale
Ich vom grünen Uferrand,
Wo ich eben lächelnd stand,
Mitten in die Fluth getrieben!
Iris.
Ach, mein Kind, ich weiß es wohl:
Wer sich Lieb' an einem Finger,
An dem kleinsten nur, läßt fassen,
Muß die ganze Hand ihr lassen.
Perside.
Ja, das Herz, das in mir schlägt,
Will von keinem Rathe hören,
Der ihm sagt: die Fessel reiß' es,
Die es nun für ewig trägt!
Ließ es einmal sich bethören,
Seinem Hoffen Raum zu geben,
Kann es Hoffen nur und Leben,
Eines mit dem andern lassen.
Iris.
Armes Kind! du dauerst mich!
Perside.
Einem Spieler bin ich gleich,
Der auf
einer Karte Glück
Setzet seine letzte Habe!
Macht ihn dieser Zug nicht reich,
Bleibt er Bettler bis zum Grabe!
Iris.
Irr' ich nicht, kommt dort der Mann,
Der die Schuld ist dieses tollen
Streichs, den du nie hättest thun,
Ich nie hätte dulden sollen,
Perside.
Iris, ach! mir pocht das Herz,
Und verschwunden ist mein Muth!
Iris.
Als ich davon abgerathen,
Schien dir der Entschluß so leicht;
Und jetzt seh' ich dich erblaßt,
Nun es gilt, ihn zu vollführen.
Ja, so geht's! – Doch Muth gefaßt!
Ist der Schritt auch unbesonnen,
Heg' ich gute Hoffnung noch;
Und hab' ich mein Spiel gewonnen,
Kannst du deines schon verlieren,
Und gewonnen hast du doch.
Perside.
Sage, was du sinnst? Du hast
Etwas mir geheim gehalten?
Iris.
Still für jetzt, und grüble nicht!
Ist es Zeit, wird sich's entfalten.
(Geht ab.)
(Perside zieht sich in den Hintergrund.)
Don Fadrique
(tritt auf).
Meinen Brief hat sie erhalten;
Hätt' ich nur die Antwort auch!
Mich verlangt doch sehr, zu wissen,
Ob sie, das Geheimniß endlich
Zu beenden, sich entschließen
Werde, oder treu dem Brauch,
Wieder meinem Blick entschwinden.
Freilich sollt' ich es nicht glauben!
Sagt man doch, ein Eh'versprechen
Sey ein Ding, dem Fraun nicht leicht
Widerstreben. – Eines zwar
Könnte mir die Hoffnung rauben:
Wenn vielleicht die Dame gar
Schon vermählt ist? – 's wär' ein Streich,
Den ich nicht so leicht verschmerzte! –
O gewiß, sie ist noch frei! –
Nun, bald wird sich's offenbaren,
Endlich muß ich doch erfahren,
Wer die Unbekannte sey?
Doch wie ich ins Netz auch renne,
Eines weiß ich ganz bestimmt:
Weniger wag' ich dabei,
Nehm' ich die, die ich nicht kenne,
Als sie wagt, wenn sie mich nimmt.
Fadrique. Perside nähert sich.
Perside.
Wollt' einem armen Knaben,
Der scheu sich naht, o Herr, verziehen haben.
Fadrique.
Tritt näher! darfst nicht zagen.
Sprich frei heraus! Was hast du mir zu sagen?
Was, Kind, ist dein Begehren?
Perside.
Ach, eine Bitt', o Herr, wollt mir gewähren!
Fadrique.
Was zitterst du? Vor mir darfst du nicht beben;
Von mir ist nie im Leben
An deines Gleichen Hartes noch geschehen.
Perside.
Ich bin so sehr verletzet
Von dem Geschick, und muß in jungen Tagen
So hartes Loos schon tragen,
Daß der Gedanke tief mein Herz entsetzet,
Es werd' aus solchen Saaten
Unsel'ger wohl die Ernte noch gerathen.
Fadrique.
Vertrau' dein Leid mir offen:
Auf meine Hülfe darfst du sicher hoffen.
Perside
(für sich).
So ganz gehört mein Kummer mir zu eigen,
Da ich den größten Theil ihm muß verschweigen!
(Laut.)
Herr, ich bin eine Waise –
(Für sich.)
Verwais't vom Glück!
(Laut.)
Seit lang' schon auf der Reise;
(Für sich.)
Dir, Harter, nachzugehen! –
(Laut.)
Denn seht, es steht mein Sinnen,
Mir einen guten Herren zu gewinnen,
Und seit ich Euch gesehen –
(Für sich.)
O bittre Wahrheit!
(Laut.)
Laßt mich Euch's gestehen,
Möcht' ich nur Euch, weil Ihr mir gut geschienen,
Und keinem Andern dienen.
Fadrique.
Nun, kann dich das erfreuen,
So sey's darum! Der Dienst wird dich nicht reuen.
Perside
(für sich).
O, möcht' er Wahres doch mir prophezeihen!
Fadrique.
Doch wenn ich dein Verlangen
Erfüll', und dich zu meinem Diener wähle,
Wirst du dich treu bewähren?
Perside.
Meine Seele
Soll ganz, o Herr, an Eurer Seele hangen;
Auf Eure Winke lauschen
Will ich, um Eure Gunst mein Seyn vertauschen!
Mein Frühling, meine Sonne
Sey Eures Mundes Lächeln; Maienwonne,
Wenn Ihr mir Huld erweiset!
Doch wenn ich, hingezogen,
Von meinem Herzen, mich in Euch betrogen;
Wenn mir ein hart Bezeigen
Die Treue lohnte, die ich Euch zu eigen
Von Stund' an hingegeben –
Dann schwör' ich, Herr, nehm' ich mir selbst das Leben!
Fadrique.
Du bist ja Gluth und Flammen!
So mag' ich's gern, so taugen wir zusammen!
Nicht schlecht hast du begonnen;
Fährst du so fort, hast du mich bald gewonnen.
Doch eh' ich so dich lobe,
Laß mich zuerst noch eine kleine Probe
Von deinem Eifer schauen:
Bestehst du wohl, will ich dir mehr vertrauen.
Fadrique.
Eine Dame,
Viola ist ihr Name:
Such' auf.
Perside
(für sich).
O bittre Atmung!
Fadrique.
Sprich: ich sende
Um Antwort auf den Brief, den heute
Ein andrer meiner Leute
Abgab in ihre Hände,
Perside
(für sich).
Mein Herz, du mußt vergehen,
Wenn du auf solchen Proben sollst bestehen!
Fadrique.
Sag' ihr: ihr Wort entscheide,
Ob ich zum Glück erkoren, ob zum Leide!
Es sey mein Seyn, mein Leben,
Mein ganz Geschick in ihre Hand gegeben!
Perside
(für sich).
Weh! meine Sinne schwinden!
Fadrique.
Ich bau' auf dich, du scheinst von guten Gaben!
Im Dienst der Frauen, in der Liebe Pflichten
Will ich dich unterrichten:
Du sollst an mir ein gutes Vorbild haben.
Nun geh', sey klug! Vor allem aber schließe
Ein tief Verstummen deinen Mund; denn wisse:
Wer werth sich will bezeigen,
Der holden Gunst der Frauen – lerne schweigen.
Perside (allein).
Ist er fort? – O Herz, zersprenge
Deine Bande! Ach, zu enge
Ist die Brust für solchen Schmerz!
Ward so grausam je ein Weib
Noch gehöhnt von dem Geschicke?
Ich, die jeden seiner Blicke
Eifersüchtig hüten wollte,
Jeden Hauch des Athems – sollte
Selbst zu ihr den Weg ihm bahnen?
Solchen Schlag konnt' ich nicht ahnen.
Auf ein Blatt, das, wenn sein Inhalt
Wär' an mich gerichtet, g'nügte,
Dieses Herz mit so viel Wonnen,
Diesen Busen mit so süßem,
Sel'gem Zauber zu erfüllen,
Daß ich dieses Glücks Betheurung
Selbst schon für den Inbegriff
Alles Glückes halten würde:
Soll ich selbst ihm Antwort bringen?
Antwort, die, wenn ihm Entzücken,
Mir den Tod gießt in die Brust? –
Duld', o Herz! Was kannst du thun?
Eitel ist dein Widerstreben,
Nicht mehr Hoheit ziemt dir nun,
Seit du, jeden Stolz besiegend,
In so demuthvoll Gewand
Deine edle Abkunft schmiegend,
Selbst dich deines Rechts begeben! –
Duld', o Herz! – was kannst du thun?
(Geht ab.)
Crespo
(vornehm, aber lächerlich gekleidet, mit einem Stern auf dem Mantel).
So leg' ich die Stirn in Falten!
So will ich den Mantel halten!
So der Gang! – Aus solchen Tritten
Blickt sogleich der Mann von Stande!
Komm' ich so einher geschritten,
Zweifelt niemand, ich sey Grande
Erster Klasse! – Das Gesicht,
Das Gesicht nur, will mir scheinen,
Paßt zum Ganzen nicht so recht.
Meine Züge sind nicht schlecht;
Aber doch so die ganz feinen
Linien fehlen.
Mienen bei vornehmen Leuten
Müssen leer seyn, nichts bedeuten;
Und aus meinen kann man klar
Auf den ersten Blick es lesen,
Was bis jetzt Don Crespo war.
Doch nur Muth! was kann ich thun?
Fortgejagt hat mich mein Herr:
Ohne Dienst und ohne Geld,
Muß ich durch Verstand mir nun
Mittel suchen in der Welt.
Auch mag ich nicht mehr aufs Neue
Wieder stecken in dem Rocke
Des Bedienten; wahre Scheue
Hab' ich vor dem Kleiderstocke
Und den Bürsten! – Ja, vor Zeiten,
Als ich Briefe noch getragen
Zu den Schönen, auf der Wacht
Vor den Fenstern stand, und Acht
Mußte geben, wenn vom Haufe
Sich entfernte der Galan:
Ja, in jenen schönen Tagen
Trug das Trinkgeld mehr Dublonen,
Als jetzt Maravedis ein;
Da war's gut Bedienter seyn!
Aber jetzt fang' Einer an,
Schlecht wird sich das Amt ihm lohnen!
Sonst, wenn sich ein Pärchen fand,
Braucht' es wenigstens ein Jahr
Bis zur ersten Unterredung:
Da schrieb man des Tags zwei Briefe,
Alle Nächte Serenaden
Und so weiter! Ja, da war
Ein Bedienter mit Verstand
Eine Waare, die man suchte!
Aber jetzt! – Die nie sich kannten,
Wenn sie
einmal sich gesehen,
Wissen schnell sich zu verstehen,
Brauchen nicht mehr der Gesandten.
Kurz und gut, nicht länger wird
Crespo hinterm Stuhle stehen,
Lieber setzt er selbst sich drauf.
Ich versuch' mein Glück bei Frauen. –
Ich bin fremd, mich kennt hier niemand:
Mit den Kleidern meines Herrn
Bin ich ziemlich ausstaffirt:
Ordenskette – hier der Stern –
Braucht es mehr? – Auch dieses Plätzchen
Scheint, die Netze auszustellen,
Gut gelegen. – Still! – Dort, seh' ich,
Durch die Gänge naht sich Eine.
Sie scheint hübsch! – Nur näher, Schätzchen!
Du wirst mein! Du, oder keine!
(Zieht sich zurück.)
Iris, verschleiert. Crespo
Iris.
Wohl wär' alles eingeleitet,
Nur, wie in Fadrique's Hände
Alles kommt? – Hier muß er seyn!
Niemand ist ja in der Stadt,
Der um diese Stunde nicht
Hier die schöne Welt betrachtet.
Ha, dort kommt er eben! – Nein!
's ist ein Mann, den ich nicht kenne.
Wer er sey, sehr ungelegen
Kommt er eben jetzt hierher!
Crespo
(nahet sich).
Schöne Dame! – Zwar verwegen
Wird's Euch scheinen, daß Euch wer,
Den Ihr nie gesehn –
Iris
(sich abwendend).
Verzeiht!
Crespo
(für sich).
Ich bin in Verlegenheit!
Muthig, Crespo!
(Laut.) Seht in mir
Einen reichen Cavalier,
Welchen Ranges, sagt dieß Zeichen,
Ich bin ein so alter Christ,
Als in diesen Königreichen
Seit der Schöpfung einer ist.
Meine Güter unermeßlich,
Liegen bei – bei –
Iris
(für sich).
Ist er toll?
Crespo.
Manchmal bin ich so vergeßlich
Nun, gleichviel! –
Iris
(für sich).
Fürwahr, ich soll
Diese Stimme kennen!
Crespo.
Laßt
Einen Blick auf dieses Leibes
Edle Bildung fallen, und
Sicher werdet Ihr gestehen,
Daß Ihr schon in Eurem Leben
Schlechtere Gestalt gesehen.
Wie! – Ihr staunt? – Ihr blickt mit Huld
Auf mich armen Teufel hin? –
Nämlich – arm, wenn Ihr mich meiden
Heißt so holden Reiz. – O Wonne
Aller Wonnen! – Ja, ich lieb' Euch!
Bei dem Stern, den ich hier trage,
Schwör' ich, Ihr seyd meine Sonne!
Iris.
Nein, nun reißt mir die Geduld!
(Sie schlägt den Schleier zurück.)
Unverschämter Bursche! sage,
Kennst du mich?
Crespo.
Wie? – Donna Iris!
O unseliges Verhängnis;!
Kaum daß ich, mein Glück zu gründen,
Nur den ersten Schritt gemacht,
Muß ich – wer hätt' es gedacht?
Meine vor'ge Herrschaft finden!
Habt Erbarmen! – Gnade – Schonet!
Iris.
Wie kommst du in diese Kleider?
Crespo.
Eben bracht' ich sie vom Schneider;
Sie gehören meinem Herrn,
Und gekauft hab' ich den Stern.
Iris.
Wem hast du gedient, seit ich
Fort dich schickte?
Crespo.
Nur allein
Meinem Gotte; seit der Herr,
Dem ich doch so treu ergeben,
Mich davon gejagt.
Iris.
Wie hieß er?
Crespo.
Don Fadrique von Fuentes.
Iris.
Don Fadrique? –
Crespo.
Don Fuentes.
Diesen Morgen hat er eben
Meinen Abschied mir ertheilt.
Aus Verzweiflung warf ich mich
Hier in dieß Gewand und dachte,
Wie so Mancher in der Welt
Schon sein Glück durch Kleider machte,
Der ein armer Tropf wie ich.
Aber ach! mir ist hienieden,
Wenn nicht Ihr Euch mein erbarmet,
Wie ich seh', kein Heil beschieden.
Iris.
Sonderbar! Fast scheint es, dir
Sey von dem Geschick bestimmt,
Einem von uns Zwei'n zu dienen,
Don Fadrique oder mir;
Denn jag' ich dich fort, so nimmt
Er dich auf, und wieder ich,
Jagt er dich davon. – Wohlan!
Willst du Treue mir geloben.
Mag's drum sehn.
Crespo.
Stellt mich auf Proben,
Und Ihr sollt zufrieden seyn,
Ja, bei Gott! wär' nicht der Wein,
Und die Würfel nicht und Zofen,
Würde nirgends in der Welt
Eine bess're Haut getroffen.
Iris.
Einen Auftrag kann ich gleich
Zur Bestellung dir ertheilen.
Dieses Bild und diese Zeilen
Spiel' in Don Fadrique's Hände;
Doch so wohlbedacht und schlau,
Daß auch nicht die kleinste Spur
Ihm verrathe, wer die Frau,
Die ihm Brief und Bildniß sende.
Crespo.
Das ist schwerer, als Ihr meint!
Denn der edle Ritter, wißt,
Hat so seine Art zu fragen,
Daß es so gar leicht nicht ist,
Ihm die Antwort abzuschlagen.
Iris.
Das ist deine Sorge, Freund!
Kurz und gut! Verräthst du mich,
Bist du deines Diensts entlassen,
Eh' du kamst; wirst du genau
Das vollziehn, was ich befahl,
Sollen morgen zehn Dublonen
Dich für deine Mühe lohnen.
Nun bedenk'! du hast die Wahl!
Crespo.
Ist gewählt! Laßt mich zu Füßen,
Gnäd'ge Frau, die Hand Euch küssen
Im voraus! – Zählt ganz auf mich!
Iris.
Ha, da ist er selbst! Ich gehe.
(Sie eilt fort.)
Crespo.
Ei, verflucht! Mir ungelegen
Kommt er jetzt! Wenn er mich sähe! –
Besser ist es, daß auch ich
Schnell ihm aus dem Wege gehe!
(Indem er abgehen will, tritt Don Fadrique ihm entgegen.)
Don Fadrique. Crespo.
Fadrique.
Wenn ich störe, Cavalier,
Mögt Ihr mir geneigt verzeihen.
Nicht mit Absicht kam ich! Hier –
Seh' ich recht? – Bei meinem Leben! –
Wie? Sind dieß nicht meine Kleider?
Schurke! – Du bist's? – Unterstehen
Kannst du dich!
Fadrique.
Gleich bekenne, Kerl! – Ich spieße
Dir den Degen durch den Leib.
Crespo.
Gnäd'ger Herr! Zum Zeitvertreib
Zog ich –
Fadrique.
(nach dem Bilde greifend).
Was ist das?
Crespo.
Verzeiht!
's ist ein anvertrautes Pfand,
Und nicht wag' ich, aus der Hand
Es zu geben.
Fadrique.
Ha! Bekenne,
Willst du nicht, daß ich dieß Eisen
Gleich dir durch die Lunge renne!
Crespo.
Herr, um Gott! (Für sich.) Was fang ich an?
Wie mich aus der Schlinge ziehen?
(Laut.)
Herr, ich will es Euch nur sagen:
Diese Dame, die entfliehen
Ihr gesehen, als Ihr kamet –
Fadrique.
Nun, was stockst du?
Crespo.
Jene Dame
Ist – hat – ist – Laßt mich's Euch sagen,
's ist besonders – doch sie liebt
Mich so unbegränzt, daß eben
Als Ihr vor so schnell gekommen,
Sie mir hat zum Liebeszeichen
Dieses Bildniß hier gegeben.
Fadrique.
Wie? Du unverschämter Wicht! –
Crespo.
Aber, Herr, saht Ihr denn nicht,
Als Ihr kam't, zu ihren Füßen
Mich zum Dank die Hand ihr küssen?
Fadrique.
Mir das Bild im Augenblick!
(Er entreißt ihm Brief und Bild.)
Crespo
(für sich).
So, nun hat er's! – Die Dublonen
Sind verdient. – Bei meinem Haupt
Besser ging's, als ich geglaubt!
(Er läuft davon.)
Fadrique
(allein).
Wie schön! – Wie wunderschön! – Ich muß gestehen,
Ist treu und wahr hier von des Künstlers Hand
Dem Urbild nur sein strenges Recht geschehen,
So lebt kein schönres Weib in diesem Land!
Wer ist der Glückliche, so laßt doch sehen,
Den ihres Bildes werth die Schöne fand?
An Don Fadriqu'.« – Bin ich von Wahn getrieben?
Nein, nein! Bei Gott! Fadriqu' steht hier geschrieben.
(Er liest.)
»Ihr habt Eure Hand einer Dame dieser Stadt angetragen: hat sie auch Euer Herz, so bin ich die Unglücklichste meines Geschlechtes. – Noch läßt ein Schimmer von Hoffnung mich glauben, daß ein Irrthum und Euer Leichtsinn Euch zu ihr geführt haben. – Ist es anders, so habt Ihr das treueste Herz von Euch gestoßen und ewigem Grame preis gegeben. Lange hab' ich Euch ungekannt umschwebt, und wenn mein Mund die Empfindungen meines Herzens nicht länger verschweigt, so ist es die Verzweiflung, die sein Siegel lös't.«
»Ich bin von edler Geburt, reich und unabhängig. Wenn Don Fadrique daran gelegen ist, so wird er mich in dieser Stadt zu finden wissen. Ich bin ihm näher, als er glaubt. Dieses Bild ist mir zum Sprechen ähnlich.
Perside.«
Ja wohl ein Irrthum war's! nun wird mir's klar.
Mich trog der Schein! Nein, nein! Viola nicht,
Perside ist die unbekannte Schöne;
Die Maske nur hat mich getäuscht. – So war
Perside auch die Dame, die, verhüllt,
Dort meinen Zweikampf mit dem Fremden störte,
Und zwiefach war mit Irrthum ich erfüllt.
Was soll ich thun? – was ist nun anzufangen?
Die hat den Brief, an die er nicht geschrieben,
An eine Fremde gab ich meine Hand,
Und treue Lieb' ist ohne Lohn geblieben!
Wo führte mich mein Leichtsinn wieder hin!
Wie kann ich mich aus dieser Schlinge ziehn,
In die ich unvorsichtig bin gegangen?
(Er besieht das Bild.)
So also sieht sie aus? Dieß ihre Züge? –
Du liebes, liebes Bild! – Je mehr ich schaue,
Je wunderbarer fühl' ich mich bewegt!
Kaum daß ich selbst es mir zu nennen traue,
Was mir das Herz mit einemmal bewegt! – –
Ihr süßen Augen! wie aus eurem Blaue
Ein Strahl, aufblitzend, in die Seele schlägt!
Kann ich, gemalt, nicht euren Schein ertragen,
Wie könnte, wenn ihr lebtet, ich es wagen? –
Und doch seht ihr so traut, als sprächet ihr:
Was kannst du scheuen von so frommen Blicken?
Was Großes könnt' es schaden, wenn sie dir
Sich auch recht tief in Herz und Seele drücken?
Was, theurer Freund, was fürchtest du von mir?
Ich bin ja nur gemacht, um zu beglücken! –
So ruft mir's zu, und, trunken von Vergnügen
Denk' ich: nein, nein! dieß Antlitz kann nicht lügen!
(Der Vorhang fällt.)