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Was sich auf dem Hinmarsche bis zur Schlacht und nach derselben während des Waffenstillstandes, den der König mit den griechischen Soldtruppen des Cyrus geschlossen hatte, zutrug, wie dann der König und Tissaphernes das 111 Bündniß verletzten und mit der persischen Armee die griechische feindlich verfolgten – das war der Inhalt der vorigen Bücher. (Als sich nun das Heer, wie wir zuletzt gesehen haben, in einer Gegend befand, wo der Tigris wegen seiner Breite und Tiefe durchaus unüberschreitbar war, und wo man eben so wenig an seinen Ufern hinmarschiren konnte, weil die schroffen karduchischen Berge selbst über den Fluß herüberragten, so beschlossen die Heerführer, über das Gebirge zu marschiren. Von den Gefangenen hatten sie gehört, daß sie nach dem Durchzuge durch der Karduchen Land in Armenien die Quellen des Tigris finden würden, wo sie dann nach Willkür entweder über den Fluß setzen oder die Quellen desselben umgehen könnten. Sie versicherten auch, daß nicht fern von den letzteren auch der Euphrat entspringe, und ihre Aussage bestätigte sich. Bei dem Einmarsch ins Karduchische Gebiet suchten sich die Griechen der Aufmerksamkeit des Feindes zu entziehen und ihm in Besetzung der Berghöhen zuvorzukommen).Neuere Textforscher halten den eingeklammerten Abschnitt für unächt. Um die letzte Nachtwache also, als man bis zu Tagesanbruch noch so viel Zeit hatte, um in der Dunkelheit durch die Ebene zu kommen, traten die Griechen, dem erhaltenen Befehle gemäß, den Marsch an und erreichten mit Tagesanbruch das Gebirge. Chirisophus zog nun mit seinem Corps und allen leichten Truppen voran, Xenophon aber führte den Nachzug, der aus lauter Hopliten bestand; denn die Gefahr, von hinten angegriffen zu werden, während man aufwärts marschirte, war ja nicht zu vermuthen. Chirisophus erreichte den Gipfel, ehe der Feind das Geringste wahrnahm, dann zog er voraus, und die Armee folgte ihm nun, so wie sie nach und nach den Gipfel überstieg, in die Dörfer, die in den Thälern und Krümmungen der Berge lagen. Die Karduchen verließen 112 ihre Wohnungen, nahmen ihre Weiber und Kinder mit fort und flüchteten sich auf die Berge. Man fand indessen viele Lebensmittel, und die Häuser waren mit einer außerordentlichen Menge von ehernem Geschirr versehen; davon aber nahmen die Griechen nichts mit, auch ließen sie die Leute ruhig abziehen und schonten sie, in der Hoffnung, daß die Karduchen, als Feinde des Königs, sie vielleicht friedlich durch ihr Land würden ziehen lassen; Lebensmittel dagegen nahmen sie, wo Jeder sie fand; denn dazu zwang sie die Noth. Man rief die Karduchen, allein sie kamen nicht und gaben auch sonst kein Zeichen des Wohlwollens. Schon war es dunkel, als die letzten griechischen Truppen von der Höhe in die Dörfer hinabzogen – denn wegen der engen Wege hatte man mit dem Auf- und Niedersteigen bis zu den Dörfern den ganzen Tag zugebracht – da sammelte sich eine Anzahl Karduchen, griff die äußersten Linien an, tödtete einige Leute und verwundete andere mit Steinen und Pfeilen; ihrer waren indeß nur wenige, denn der Einmarsch der Griechen hatte sie überrascht. Hätten sie sich in größerer Menge zusammengezogen, so wäre man in Gefahr gewesen, einen großen Theil der Armee zu verlieren. Die Griechen brachten nun diese Nacht in den Dörfern zu; die Karduchen aber machten rings auf den Bergen Feuer und gaben sich Zeichen damit.
Mit Tagesanbruch kamen die Heerführer und Hauptleute der Griechen zusammen und beschlossen, von dem Zugvieh nur das nothwendigste und stärkste mitzunehmen, und auch alle die erst in der letzten Zeit gemachten Kriegsgefangenen zu entlassen, denn die Menge des Zugviehs und der Gefangenen hielt den Marsch auf, ihre starke Bedeckung konnte zum Gefecht nicht gebraucht werden, und bei der großen Menschenzahl mußte man noch einmal so viel Proviant anschaffen und fortbringen. Dieser Beschluß wurde daher öffentlich bekannt gemacht. Nach dem Frühstück wurde der Marsch fortgesetzt, und die Heerführer 113 standen in einem Engwege, wo sie Alles, was nicht dem Befehle gemäß, zurückgelassen worden war, wegnahmen. Die Soldaten waren gehorsam gewesen, nur hie und da hatten Manche einen schönen Knaben oder ein hübsches Weib aus Liebe zurückbehalten. Auf dem Marsche dieses Tages hatte man bald Gefecht, bald wieder Ruhe. Am folgenden Tage trat schlimmes Wetter ein, aber dennoch mußte der Marsch wegen Mangel an Lebensmitteln fortgesetzt werden. Chirisophus führte den Zug, und Xenophon commandirte den Nachtrab. Die Feinde setzten den Truppen heftig zu, und da die Pässe enge war, so warfen und schleuderten sie ganz aus der Nähe; die Griechen, genöthigt auf sie loszugehen und dann wieder sich zurückzuziehen, konnten nur langsam vorrücken, ja oft mußte Xenophon, wenn die Feinde ihn stark drängten, die Armee halten lassen. Chirisophus, der sonst auf Verlangen immer Halt machte, that es das eine Mal nicht, sondern rückte schnell weiter und commandirte, ihm zu folgen, woraus man schließen konnte, daß ihn irgend ein dringender Umstand dazu nöthigte: man hatte aber keine Zeit, über die Ursache dieser Eilfertigkeit Nachricht einzuziehen, und so erhielt der Marsch bei dem Nachzuge das Ansehn der Flucht. Bei dieser Gelegenheit blieb der brave Kleonymus aus Lakonien, dem ein Pfeil durch Schild und Lederpanzer in die Rippen fuhr und der Arkadier Basias, der durch den Kopf geschossen wurde. Bei der Ankunft im Nachtquartiere ging Xenophon augenblicklich, so wie er war, zum Chirisophus und beklagte sich über ihn, daß er durch sein Forteilen sie genöthigt habe, fliehend zu fechten. »So haben wir, fuhr er fort, zwei brave Männer verloren, die wir weder mitnehmen noch begraben konnten.« »Sieh dir einmal,« erwiederte Chirisophus, »die Berge an, wie unersteiglich sie 114 alle sind, der steile Weg, den du hier siehst, ist der einzige, und diesen hat, wie du sehen kannst, eine sehr zahlreiche Mannschaft besetzt, die den Zugang zum Gipfel bewacht. Deshalb wartete ich nicht auf dich, sondern eilte, um, wo möglich, den Feinden in der Besetzung der Bergspitze zuvorzukommen, denn die Wegweiser bei uns versichern, daß es keinen andern Weg gibt.« »Ich habe zwei Männer bei mir,« sagte Xenophon, »denn da uns die Leute sehr zusetzten, stellten wir einen Hinterhalt, der uns Luft machte, einige von ihnen erlegten wir, andere suchten wir eben deswegen, um uns ihrer, da sie mit der Gegend bekannt sind, als Wegweiser zu bedienen, lebendig zu fangen.«
Die Männer wurden sogleich herzugebracht und jeder besonders gefragt, ob er nicht außer dem vor Augen liegenden Wege noch einen andern wüßte. Der Eine sagte, trotz aller Drohungen, die man anwendete, nichts, und als er endlich ganz untaugliche Dinge vorbrachte, so wurde er vor den Augen des Andern niedergemacht. Der Letztere äußerte nun, sein Gefährte habe sich deswegen so unwissend gestellt, weil er dort eine verheirathete Tochter habe: er aber wollte sie einen Weg führen, wo auch das Zugvieh fortkommen würde. Auf die Frage, ob dieser Weg irgendwo schwer zu passiren sei, antwortete er: man würde auf eine Anhöhe stoßen, die man schlechterdings vorher besetzen müsse, um vorbeikommen zu können. Es wurde hierauf beschlossen, die Hauptleute der Peltasten und Hopliten zu versammeln, die gegenwärtige Lage zu schildern und anzufragen, wer von ihnen so muthig sei, an dieser Unternehmung freiwillig Theil zu nehmen. Es meldeten sich von den Hopliten zwei Arkadier, Aristonymus aus Methydrion und Agasias aus Stymphalia. Der Letztere entzweite sich darüber mit einem andern Arkadier, dem Kallimachus aus Parrhasia. »Ich will,« sagte Agasias, »mit den Freiwilligen aus der ganzen Armee, die mir folgen wollen, marschiren. Und ich weiß gewiß, daß viele junge 115 Mannschaft sich melden wird, wenn ich anführe.« Die Heerführer fragten nun, wer von den Befehlshabern der Schleudrer und Bogenschützen den Zug mitzumachen wünschte. Da bot sich Aristeas aus Chios an, ein Mann, der bei solchen Gelegenheiten der Armee oft sehr nützliche Dienste leistete.