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Die Lectüre der von Ammer erhaltenen Briefe ließ Walter dunkel ahnen, daß es sich um Enthüllung eines mit größter Schlauheit angelegten und durchgeführten Bubenstückes handelte, allein eine Handhabe, auf die man sich stützen könne, vermochte er dennoch nicht zu entdecken. Angenommen aber auch, Andere, besser Unterrichtete, in das Leben des alten Ammer tief Eingeweihte konnten die aufgefundenen Spuren mit Glück weiter verfolgen, welche Schwierigkeiten waren vorher zu überwinden, wie viele und große Hindernisse zu beseitigen! Inzwischen konnte ja auch der Gegner seine Minen springen lassen und alle Rathschläge kluger Ueberlegung zu Schanden machen.
In einer Aufregung, die seinem besonnenen Charakter von Natur fremd war, erreichte Walter den früheren Wohnort Ammer's. Albrecht Seltner war glücklicherweise daheim. Flora, die in Folge der gewaltigen Schicksalsschläge viel gelitten hatte und seitdem fortwährend kränkelte, bestürmte den Arzt mit Fragen, die sich alle auf das Befinden der Eltern, namentlich des Vaters bezogen. Walter gab beruhigende Antworten und ließ sogleich die Bemerkung mit einfließen, daß sein diesmaliges Erscheinen eng mit der Lage der ganzen Familie zusammenhänge und daß, seiner Meinung nach, an die nächsten Schritte und Vorkehrungen sich höchst wahrscheinlich die ganze Zukunft der Ammer knüpfen werde.
Weitere in möglichster Ruhe vorgetragene Eröffnungen unterrichteten Albrecht und Flora hinlänglich, um ihnen Terrain zu einer gesicherten Operationsbasis zu geben.
Flora ward erschüttert, gerührt. Ich ahnte es immer, bester Albrecht, sagte sie, die Hände über ihrem Busen faltend. Du weißt, daß ich abrieth, daß ich dich und die Mutter zu Vertrauten machte lange zuvor, ehe der Bruder die Reise nach der neuen Welt antrat. Aber ihr redetet immer zum Besten; ihr wolltet nicht unwürdigen Verdacht hegen gegen den Mann, der, wie ihr meintet, der eigentliche Gründer unseres gemeinschaftlichen Glückes sein sollte.
Leider war dein Blick klarer, als der unsrige, sagte Albrecht. Das kam daher, daß du mit dem Herzen, wir nur mit dem Verstande den Herrnhuter beurtheilten. Uebrigens vermag ich noch jetzt allerhand Zweifel nicht ganz zu unterdrücken; denn ich kann die wahre Veranlassung seines verstockten, feindseligen Verfahrens nicht entdecken.
Der Vater weiß sie gewiß, meinte Flora. Darum verliert nur ja keine Zeit, sondern handelt rasch und vorsichtig.
Wenige Stunden später fuhr der bekannte Planwagen Ammer's, den Seltner wieder neu hatte ausbessern lassen, über den Markt der Stadt und hielt vor dem Hause des Kaufmannes Mirus. Albrecht und Walter stiegen mit schweren Herzen ab. Der Hausknecht lehnte am Fenster der Flur und verzehrte mit gesundem Appetit sein Vesperbrod. Als er den Fabrikanten gewahrte, rückte er sein Lederkäppchen und machte Anstalt, ihm entgegen zu gehen, um, wie dies gewöhnlich sein Geschäft war, die im Wagen befindlichen Waaren in Empfang zu nehmen und auf's Lager zu tragen.
Albrecht Seltner erwiderte kurz den Gruß des nicht eben übertrieben höflichen Menschen, indem er sogleich resignirt die Frage hinwarf:
Herr Mirus ist wohl verreist?
Gewesen, versetzte trocken der Knecht. Heute Morgen ist Herr Mirus wieder zu Lande. Auch Besuch hat er sich mitgebracht, und zwar einen ganz merkwürdigen.
Seltner überhörte die letzten Worte und fragte, ob der Kaufmann zu sprechen sei? Er habe Eile und müsse sogleich mit demselben reden.
Verboten hat mir's der Herr nicht, Jemand, der nach ihm fragt, zu ihm zu lassen. Wenn Sie also Geschäfte mit Herrn Mirus haben, so verfügen Sie sich nur hinauf in seine Stube.
Mirus war nicht allein. Auf dem Sopha oder Kanapee, wie man dies altväterische und bereits sehr abgenutzte Möbel richtiger nannte, saß ein großer hagerer Mann, dessen Antlitz dem am Fenster stehenden Kaufmanne zugekehrt war, als Seltner in Begleitung Walter's eintrat. Das Geräusch der wieder in's Schloß fallenden Thür veranlaßte den Sitzenden sich umzukehren, und mit unheimlichem Erstaunen blickte Seltner in die harten, tiefgefurchten Züge des einäugigen Advocaten. Walter, der diese Persönlichkeit nicht kannte, fragte seinen Begleiter, dessen Unruhe er bemerkte, leise, wer der Einäugige sei, erhielt jedoch keine Antwort, da Mirus, die Eintretenden erkennend, ungewöhnlich freundlich ihnen entgegenging und Beiden die Hand reichte.
Bringen Sie mir schon die neuen Tischzeuge? sagte Mirus zu Seltner. Da haben Sie tüchtig arbeiten lassen. Ich erwartete Sie vierzehn Tage später.
So lange werden Sie sich wohl auch gedulden müssen, Herr Mirus, erwiderte Seltner. Heute komme ich ohne Waaren, aber dennoch in Geschäften und zwar in sehr dringenden. Ich weiß nicht, ob es erlaubt ist, in Beisein eines Dritten über eine Angelegenheit zu sprechen, die meine Familie betrifft?
Herr, ich muß Ihr sagen, fiel Mirus hier ein, der Mann, den ich gegenwärtig in meinem Haus beherberge, ist Ihnen, denk' ich, wohl bekannt. Advocat Block hat seiner Zeit Ihrem Herrn Schwiegervater redlich gedient, aber wenig Dank dafür gehabt. Jetzt ist er zur Stelle und es wäre wohl möglich, daß er noch einmal mit seinen Kenntnissen einem alten Bekannten einen Dienst erweisen könnte. Kommen Sie also, was ich stark vermuthe, schon aus Ihrer Begleitung, im Auftrage meines sehr ehrenwerthen Geschäftsfreundes, so dürfen Sie ohne Umschweif reden. Sie sehen hier nur Freunde, nicht Gegner Ihrer Familie.
Nicht jedem Andern würde Seltner auf diese einfache Zusage hin unbedingtes Vertrauen geschenkt haben, allein Mirus war eine so durch und durch redliche, so ohne allen Makel dastehende Persönlichkeit, daß ein Wort von ihm mehr galt, als die Unterschrift manches Andern. Seltner glaubte daher nicht bloß, einen Freund Ammer's vor sich zu sehen, er wußte in diesem Augenblicke bereits, daß sowohl der Kaufmann wie der Advocat der Familie gewonnen waren, die vor gänzlichem Ruin zu retten und vor den Verfolgungen versteckter Gegner fernerhin zu schützen, er selbst gekommen.
Wenn dies der Fall ist, sagte er, so gehen unsere Wege allerdings zusammen. Ja, Herr Mirus, fuhr er fort, wir Beide sind im Begriff, nach Freunden auszuspähen, da mein Schwiegervater Nachrichten von größter Wichtigkeit erhalten hat. Zeigen Sie dem Herrn das Schreiben des Grafen, sprach er, zu Walter gewandt; es wird Ihnen, Herr Mirus, mehr Aufschluß geben, als eine lange, mündliche Auseinandersetzung, in der manches Wesentliche vergessen werden könnte.
Walter überreichte dem Kaufmann Graf Alban's Brief. Mirus trat wieder an's Fenster, denn es dämmerte bereits, die Freunde aber nahmen dem Advocaten gegenüber Platz, der bis jetzt noch kein Wort gesprochen hatte. Er fixirte Beide nur scharf mit seinem einen stechenden Auge, und sah überdies aus wie ein Mensch, der von Nichts weder angenehm noch unangenehm erregt werden kann.
Mirus nahm während der Lectüre des Briefes mehrmals eine Prise aus seiner goldenen Dose, die er stets mit sich führte. Endlich schlug er das umfangreiche Schreiben zusammen und gab es Walter wieder zurück.
Herr, ich muß Ihr sagen, sprach er, den Deckel seiner Dose auf- und zuklappend, es harmonirt dies sehr genau mit meinen eigenen Erkundigungen. Ich denke deßhalb, es wird nunmehr Zeit sein, gemeinsam zu handeln, damit Unschuldige nicht in Elend gerathen und weniger Strafbare doch mit milder Buße davon kommen.
Mein Herr Advocat und lieber Freund, fuhr Mirus fort, sich jetzt ausschließlich an Block wendend, wir haben in früheren Jahren uns gehaßt, weil ein Dritter sich zwischen uns schob und wir uns demnach gegenseitig verkennen mußten. Wie leicht es ist, den ehrlichsten Mann zu verdächtigen, wie ein Windhauch ein zur Unzeit verwehtes Papier, ein durch Zufall abgedrehter Knopf auf das Haupt auch eines Ehrenmannes schmählichen Verdacht ohne jeglichen Grund häufen kann, davon wissen Sie mehr als wir Andern zu erzählen. Allein der Gerechte hat niemals Ursache sich zu fürchten. Das haben Sie ebenfalls erfahren. Und hätte Sie damals nicht die schwere Prüfung getroffen, wer weiß, ob Sie nicht heute noch mein feindseligster Gegner und der eifrigste Anwalt eines Mannes wären, der aus persönlicher Rache und kleinlichem Haß so großes Unglück über so Viele gebracht hat. Ich bin also der Meinung, daß selbst ungerechte Prüfungen in unsern Augen nothwendig sind zur Durchführung göttlicher wie menschlicher Gerechtigkeit auf Erden. Ich könnte ordentlich vergnügt sein und gegen meine Lebensordnung verstoßen, weil ich gewahr werde, daß sich jetzt Alles vereinigt, um einen Bösewicht am Kragen zu packen. Herr, ich muß Ihr sagen, der Tag, wo der Wimmer baumelt, wird für mich ein Festtag sein.
Block lächelte spöttisch. Er baumelt nicht, Herr Mirus, sagte er trocken. Die Verbrechen dieses Schlaukopfes können durch weltliche Gerichte nicht bestraft werden.
Wissen Sie das so gewiß, Herr Advocat?
So gewiß, mein Herr Mirus, daß ich keine Feder ansetzen würde, um gegen den Herrnhuter zu processiren. Was ich Ihnen schon früher gesagt habe, wiederhole ich jetzt. Ist es Ihr Wunsch und Wille, den Mann, der Ihrem Freunde und dessen ganzer Familie unter der Maske treuester, hingebendster Freundschaft so unglaublich viel Böses zugefügt hat, zu strafen, so können Sie nur sogenannte moralische Mittel gegen ihn anwenden. Mein unmaßgeblicher Rath wäre: zwicken Sie sein Gewissen! Man sagt, Gewissensbisse seien schmerzhafter als jede körperliche Tortur. Die Tortur ist schon längst in civilisirten Staaten abgeschafft, ich wüßte mich aber nicht zu erinnern, daß unsere humane Gesetzgebung es verbiete, Jemand, den man haßt, den man strafen und vernichten will, durch geistige Martern langsam zu Tode zu quälen. Ich glaube also, es ist dies, weil eben nicht verboten, gesetzlich erlaubt, und da es nur auf die Methode ankommt, die man dazu wählen will, so ist man auch nicht verhindert, eine scheinbar humane der inhumanen vorzuziehen. Haben Sie nicht gehört, meine Herren, daß schon Menschen zu Tode gestreichelt worden sind? Herr Wimmer ist ein sanfter Mann gewesen sein ganzes Leben lang, was also hindert Sie, Sanftmuth mit Sanftmuth zu vergelten, und den ewig Bruderliebe Lächelnden ganz sanft, aber ohne Unterbrechung zu streicheln, bis er lachend die Seele aushaucht?
Block lachte ebenfalls, während er sein einziges Auge fragend von Einem auf den Andern gleiten ließ.
Herr, ich muß Ihr sagen, versetzte Mirus, obwohl ich mich zum Christenthum bekenne, möchte ich einen Feind doch nicht mit sammetnen Handschuhen an der Gurgel packen. Aber lassen wir das vorerst. Mir will es wichtiger scheinen, zu hören, was uns die Herren da mitzutheilen oder vorzuschlagen haben.
Walter ergriff jetzt das Wort und trug Ammer's Bitte in Bezug auf Fürchtegott vor.
Recht, sagte Block. Das ist ein Geschäft für unsern Freund, welches er vortrefflich versteht. Wollen Sie Ihren Liebling, den Wimmer, nicht todt streicheln, was mir ziemlich einerlei ist, so gehen Sie vorläufig dem Stadtrichter um den Bart, damit er Ihnen erlaubt, in das Gesicht des armen übertölpelten Jungen zu sehen.
Seltner verdroß zwar diese wegwerfende Manier des Advocaten, über einen in mancherlei Fährnissen geprüften Mann zu sprechen, er hielt aber an sich, um den, je nach Umständen sehr brauchbaren Mann nicht zu erzürnen. Ohnehin kannte er ja die Redeweise des Rechtsgelehrten von früherher und wußte, daß er Niemand ungeneckt lassen konnte, selbst wenn er es gut meinte.
Während Mirus unentschlossen im Zimmer auf- und abschritt und dabei häufig eine Prise nahm, sprach der Advocat zu Seltner:
Wie geht's Eurem Papa, junger Mann? Und was macht die kleine Frau? Ich mochte sie verteufelt gern leiden in ihren Klötzelpantoffeln, und hätt' ich mich nicht geschämt, ihre Patschhand in's Gesicht zu kriegen, wär' ich dreist genug gewesen, ihr einmal in Euerm Beisein die frischen Lippen zu küssen. O, es gab 'mal eine Zeit, wo ich Glück hatte bei den Weibern. Das ist aber lange her, und später rissen sie aus vor mir, als hätte mich der Gottseibeiuns zu seinem Schleppenträger ernannt. Na, also wie geht's der Frau Liebsten?
Seltner antwortete ruhig, aber kühl. Block lachte und kniff sein Auge zu.
Dummer Kerl! sprach er. Nimmt mir einen schlechten Witz richtig übel. Bitte demüthigst um Vergebung! Er nahm seine hohe Sammetmütze ab und verbeugte sich tief vor dem Fabrikanten. Wißt Ihr, daß Ihr der Klügste von Allen gewesen seid? fuhr er dann fort. Euch kann der Teufel und seine Großmutter nichts anhaben, wenn auch ganz Weltenburg in den Schooß der Erde oder, was ganz dasselbe ist, in den Magen heißhungriger Gläubiger hinabsinkt. Von Euch allein können die Ammer gerettet werden.
Jetzt trat Mirus zu Block.
Herr Advocat, sagte er, ich hab' mir die Sache reiflich überlegt, und ich denk', so wird es gehen. Wimmer ist zwar sehr schlau, aber stärker noch als seine Schlauheit ist die Lust in ihm, sich an dem Kummer des Gestürzten zu weiden. Wie wär's, wenn wir ihn einlüden, ihm was vorspiegelten, damit er sich stehenden Fußes aufmachte und hieher käme? Dann machten Sie einen sanften Versuch mit Ihrer Streichelmethode und streichelten ihn vollends nach Weltenburg.
Meinen Sie? erwiderte Block. Ich werd' es aber schwerlich thun. Meine Liebhaberei war es nie, für Andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Man verbrennt sich oft genug die Pfoten auch ohne das.
Herr, ich muß Ihr sagen, fiel Mirus ein, als ich vor so und so vielen Jahren Ihnen die Riegel des Gefängnisses öffnete, dachte ich nicht so.
Das war Ihre Sache, mein Herr Mirus. Es muß Jeder wissen, was er thut, und ich, ich kenne die Rechte!
Eben deßhalb kommt es Ihnen zu, energischer anzutreten, als wir Laien.
Im Gegentheil, sagte Block. Ich habe noch lange Zeit. Erst rührt ihr den Brei ein, und wenn er fertig ist, und so dick gerathen, daß ihr dran kleben bleibt, wie die Fliegen auf Leimruthen, schneid' ich euch mit dem Messer des heiligen Tertullian und Vulpian wieder los.
Herr, ich muß Ihr sagen, fuhr Mirus auf, das ist ganz und gar nicht freundschaftlich von Ihnen, das nenn' ich niederträchtig undankbar handeln!
Nur nicht hitzig, lieber Freund und Retter! sagte Block. Ich finde vielmehr, es liegt eine bodenlose Dankbarkeit meinem Verfahren zu Grunde. Oder ist's etwa nicht christlich, einen Freund aus einer bedenklichen Lage zu befreien? Und ist's nicht doppelt verdienstlich, wenn es auf eine Weise geschieht, an der man als Rechtsgelehrter seine Freude hat? Man will doch auch einen Spaß bei der Teufelei haben.
Sie sind ein wahrer –
Freund, mein Herr Mirus, fiel der Advocat ein. Und der war ich im Grunde immer, auch wenn es bisweilen nicht den Anschein hatte. Wären Sie z.B. damals Herr auf Weltenburg geworden, als ich es für den Herrnhuter erstand, so würde Wimmer nicht eher geruht haben, bis er Sie unter den Füßen gehabt und Sie wie einen Igel hätte herumkollern können.
Mirus spielte mit seiner Dose und wendete sich zu Seltner und Walter.
Wann möchten Sie den jungen Ammer sprechen? fragte er.
Uns ist jede Stunde recht, erwiderte Walter. Zeit dürfen wir wohl schon deßhalb nicht verlieren, damit Wimmer uns nicht zuvorkommt.
Geschieht nicht, warf Block ein. Leute, die sich sicher fühlen, nehmen sich Zeit und sind immer dumm. Wimmer aber ist sicher.
Also heute Abend um sieben Uhr, sprach Mirus, noch eine starke Prise nehmend und die bis dahin nicht aus seiner Hand gekommene Dose einsteckend. Um sieben Uhr pünktlich wollen Sie wieder hier sein. Ich gehe, um die Erlaubniß zu erwirken, den Gefangenen sprechen zu dürfen. Geben Sie mir die Briefe. Damit die Zeit Ihnen nicht lang werden möge, rathe ich, gehen Sie auf den Rathskeller. Dort finden Sie Zeitungen, wenn auch keine Menschen. Der Herr Advocat begleitet Sie wohl.
Nein, sagte Block trocken. Ich bleibe hier sitzen und zähle die Fliegen, die dort auf Euerm verpfuschten Portrait herumspazieren und Eure Nase beschnüffeln. Wenn's dunkel wird, gehe ich aus. Ich hab' einen Besuch zu machen. Mein ehemaliger Wirth, der sanftmüthige Candidat Still, freut sich gewiß, wenn er mich wiedersieht, und Frau Sempiterna, seine ehrbare Ehewirthin, gibt mir wahrscheinlich Gelegenheit, sie in diese meine Arme zu fassen, denn ich weiß genau, sie erschrickt sich beim Anblick dieses liebevollen Gesichtchens. Dies wird denn für mich ein hohes Gaudium sein. So sind die Rollen für uns Alle schicklich vertheilt. Spielt nun Jeder mit Liebe und Talent, so kommt 'was Tüchtiges dabei zu Stande. Also, Adieu auf Wiedersehn!
Mirus verabschiedete sich von seinem Gaste und verließ zugleich mit Seltner und Doctor Walter sein Haus.
Herr, ich muß Ihr sagen, sprach er, Beiden die Hand schüttelnd, es ist ein seltsam gearteter Gesell, dieser Advocat; dennoch sitzt ein tüchtiges Stück Ehrlichkeit in seinem versteinerten Herzen. Es macht ihm Spaß, sich recht teuflisch zu stellen, und doch hilft er zuweilen, wo jede Hilfe schon verloren schien. Unser Herrgott hat wunderliche Kostgänger.
So schieden die Freunde, der Kaufmann, um sein gegebenes Versprechen zu lösen, Seltner und Walter, um in traulichem Zwiegespräch ihr nächstes Handeln zu berathen.