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Herbst

.

 

Erinnerungen

Als Knabe kannte ich den Mond noch nicht.
Ich nannt' ihn eine weiße Marmorscheibe,
Ich meint', er sei ein glänzend heller Spiegel,
Der durch der blauen Wolken Säume flöge.
Auch sah ich wohl versteckt die Mondfee winken
Und sah des Cassiabaumes dichtes Laubwerk.
Der weiße Hase stieß im Mörser Kräuter
Des ew'gen Lebens. Wer sie wohl bekommt?
Dann kam die böse Kröte angekrochen
Und fraß die helle Scheibe tückisch auf. –
War einst ein Schütze, schoß neun Sonnenvögel,
Da war die Welt gereinigt und in Ruhe.
Doch dort die Frau im Mond betört dich nur. –-
Laß ab, laß ab, und blicke nicht nach ihr! –
Warum doch schleicht sich leise dieses Sehnen
Ins Herze mir und füllt das Aug' mit Tränen?

Li Tai Be

 

Die Mondfee

An den Perlmutterwänden bricht
Sich matter schon der Kerze Flimmern.
Die Milchstraß' sinkt am Himmel sacht,
Des Morgens Sterne bleicher schimmern.

Wie muß der Mondfee leid es werden,
Daß sie geraubt unsterblich Leben:
Das blaue Meer, der dunkle Himmel
Sie einsam Nacht für Nacht umgeben.

Li Schang Yin

 

Herbst im Gebirge

Es hat in den Bergen geregnet,
Herbstabend liegt in den Lüften,
Der Mond scheint durch die Föhren,
Der Bergquell rauscht in den Klüften,

Der Bambus regt seine Blätter,
Ein Mädchen streifte sie sacht,
Die Lotosblumen zittern,
Ein Fischerkahn fährt durch die Nacht.

Des üppigen Frühlings Gedränge,
Wie ist es geworden so alt!
Doch magst in den Bergen du finden
Verborgenen Aufenthalt.

Wang We

 

Die durchwachte Nacht

Der Bambus wiegt sich im Winde,
Das Mondlicht fließt durchs Gestein.
Es fliegt in der Milchstraße Schimmer
Einsam eine Wildgans hinein.

Ich denke des Wiedersehens,
Da ist es mit Schlafen vorbei.
Und während ich singe vor Freuden,
Ertönt schon der Elstern Geschrei.

Han Yi

.

Herbstmond bei glattem See

 

Herbstgedanken

Es glänzt der Mond im Dämmerschein,
Das Heimchen zirpt im Mauerspalt,
Die Weltenuhr zeigt Winters Nahn,
Die Sterne glitzern fern und kalt.

Der weiße Tau die Wiese netzt,
Das Jahr dem End entgegenflieht,
Die Herbstzikade schwirrt im Baum,
Die dunkle Schwalbe heimwärts zieht.

Einst hatt' ich einen Gesellen traut,
Doch als ihn aufwärts führt das Glück,
Da ließ er mich im Winkel stehn
Und sieht nicht mehr nach mir zurück.

Volkslied Han-Zeit

 

Das Lied

Dort droben steht ein hohes Haus,
Das ragt zu den schwebenden Wolken auf,
Die Fenstergitter glänzen bunt,
Drei Marmortreppen führen hinauf.

Oben zur Laute ein Lied ertönt,
Wie klingt es so traurig und sehnsuchtsschwer!
Das Mädchen singt eine Melodie,
Als gäbe es keine Hoffnung mehr.

Der Wind trägt die reinen Klänge fort,
Doch mitten im Lied, da zögert sie jäh
Und rührt die Saiten immer aufs neu
In überströmendem Herzensweh!

Ach nicht ihr Lied mir wehe tut,
Mich drückts, daß niemand sie will verstehn.
Ich wollt, wir wären zwei Vögel
Und flögen hinauf zu den ewigen Höhn.

Volkslied Han-Zeit

 

Trennung

Wandern, wandern immerfort,
Abschied fürs Leben nahmst du von mir,
Tausend Meilen bin ich von dir
Durch des Himmels Weite getrennt.

Weg und Steg, so steil, so lang:
Wiedersehn? Wer weiß, wer weiß!
Doch der Vogel aus fernem Süd
Friert nach Sonne in Schnee und Eis.

Daß wir schieden, der Tag ist fern –
Loser wird täglich Gürtel und Kleid.
Ziehende Wolke die Sonne verhüllt,
Wandrer denkt nicht der Heimkehrzeit.

Sehnsucht nach dir macht müd und alt;
Jahre und Monde fliegen vorbei, –
Laß! Gib's auf! Sprich nicht mehr davon!
Iß und trink und mach dich frei. –

Volkslied Han-Zeit

 

In der Ferne

Wie glänzt der lichte Mond so silberweiß!
Durch meines Bettes Vorhang dringt sein milder Schein
Und trifft mich wachend an, von Sehnsucht schwer.
Ich stehe auf und wandle in das Licht hinein –
Wohl heißt es, Reisen sei so schön und frei,
Doch schöner ist, des Wiedersehns sich freun;
Denn in der Ferne irr' ich einsam nur,
Und meines Herzens Sinnen trage ich allein. –
Ich blicke in die weite Nacht hinaus,
Dann kehr' ich seufzend zu dem Lager wieder –
Die heißen Tränen steigen mir auf
Und fallen auf meine Kleider nieder.

Volkslied Han-Zeit

 

Im Gefangenenlager

Hinter den fernen Gebirgen
Dehnt sich der Sand wie Schnee,
Vor dem Gefangenenlager
Wie Reif scheint der Mond aus der Höh'.

Und ferne Flötentöne
Hat der Wind herübergebracht –
Die rufen der Krieger Sehnen
Heimwärts die ganze Nacht.

Li Yi

 

Gruß in die Ferne

Im Flusse ist Lotos,
Im Weiher sind Blumen –
Viel duftende Blumen,
Die wollt' ich dir senden
Ins ferne Land.

Ich denk' an die Heimat,
Durchspähe die Wege –
Die endlosen Wege,
Die endlosen Meere
Nach deiner Hand.

Im Herzen vereint,
Auf Erden geschieden –
So grausam geschieden:
Das klage ich – bis an
Des Lebens Rand.

Volkslied Han-Zeit

 

Einsamkeit

Die Marmorstufen weiß vom Taue leuchten.
Die Nacht ist spät, das Kleid beginnt zu feuchten. –
Mit dem kristallnen Vorhang schließt sie nun ihr Zimmer.
Da schaut den Herbstmond sie im Perlenschimmer.

Li Tai Be

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Die Abendglocke von der Südwand

 

Die Chrysanthemen

In später Pracht erblühn die Chrysanthemen,
Ich pflücke sie, vom Perlentau benetzt.
Um ihre Reinheit in mich aufzunehmen,
Hab' einsam ich zum Wein mich hingesetzt.

Die Sonne sinkt, die Tiere gehn zur Ruhe,
Die Vögel sammeln sich im stillen Wald. –
Fern liegt die Welt mit ihrer Unrast Kummer,
Das Leben fand ich, wo der Wahn verhallt.

Tau Yüan Ming

 

Mondgedanken

Über dem Meere steigt
Silbern spiegelnd der Mond auf,
Nahes und Fernes
Einend in seligem Schaun.

Liebendes Suchen
Strebt durch die Weiten der Nacht hin,
Stunde auf Stunde
Steiget der Sehnsucht Gewalt.

Kerze verglimmet,
Aber die Fülle der Lichtflut
Lockt mich noch einmal
Fort in den feuchtenden Tau.

Ach könnt' ich schenken
Dir von der Fülle des Lichtes, –
Einsam zum Lager
Kehr' ich und träume von dir.

Dschang Giu Ling

 

Nachteinsamkeit

O Einsamkeit der Nacht, wie weh tust du!
Die Kerze lösch' ich, such' im Schlafe Ruh.
Doch, ach, der sehnsuchtsvolle Mondenschein
Schleicht sich herüber, mir ins Bett hinein.

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Mondspiegel zwischen den drei Seepagoden

 

Erste Fahrt zur Roten Wand

Su Dung Po machte einst im Herbst
Mit einem Freunde eine Kahnfahrt zu der Roten Wand.
Leis kam der kühle Wind geflossen
Und kräuselte nur leicht die Wasserwellen.
Da hob er seinen Becher
Und trank dem Freunde zu.
Sie sangen nun zusammen
So manches Lied
Vom Mondenschein und schönen Mädchen. –
Nach einer kleinen Weile kam der Mond
Im Osten hinter fernen Hügeln vor,
Und schwankend grüßt sein Abbild aus dem Wasser.
Am Ufer glänzte weißer Tau,
Und fern am Horizont
Verschwamm des Wassers Schimmer in den Himmel.
Sie ließen nun ihr Schifflein treiben,
Wohin es wollte in der ungeheuren Wasserflut.
Da ward die Seele weit, als schwebte sie
Auf Windes Flügeln, unbekümmert, wo das Ziel der Fahrt.
Sie schwang sich auf in sel'ge Höhn,
Als ließe sie die Welt zurück
Und wandle still in sel'ger Geister Mitte.

So tranken sie einander zu
Und freuten sich des Abends.
Am Rand des Schiffs gelehnt,
Schlug Su Dung Po sich selbst den Takt und sang:
      »Ruder, ach, so rein
      Tropft von euch der Mondenschein!
      Fern, fern, ach, mein Herz
      Sehnend denkt der Liebsten mein!« –

Der Freund zog seine Flöte nun hervor
Und mischte ihre Töne in das Lied.
So schmelzend klang ihr Laut,
So voll von herber Sehnsucht, schluchzend, klagend.
Der Nachhall spann sich weich und lange weiter
Als wie ein feiner seidner Faden.
Aus der Tiefe kamen da die Fische
Und Wassertiere stumm empor
Und sprangen aus der Flut herauf, den fremden Tönen nach.
Und manche Frau im kleinen Schifferkahn
Begann zu schluchzen wie von unnennbarem Weh ergriffen.

Auch Su Dung Po trat eine Träne in das Auge.
Doch faßte er sich bald
Und fragte seinen Freund: »Warum nur?«

Doch jener sprach:
»Ich mußte an den Helden Tsau Mong De gedenken.
Solch eine Nacht wohl war es, als er sang:
      ›Des Mondes Schein verdrängt die Sterne,
      Und fern nach Süden fliegt ein Rabe.‹
Dort drüben sieht man Hankou ferne dämmern,
Und hier im Osten liegt Wu Tschang.
Dort drängen sich in fernen Ketten
Die Berge an den Fluß heran.
Hier war's, wo jene Kämpfe stattgefunden,
In denen Tsau Mong De das Ende seiner Macht erlebte.
Wie mächtig war er doch gewesen!
Er hatte siegreich seiner Feinde Stadt genommen
Und war mit stolzer Flotte dann den Strom herabgefahren:
Auf tausend Meilen drängt' sich Schiff an Schiff,
Und seiner Fahnen Menge deckte fast den Himmel zu.
So stand er da und hob den Becher,
Als er im Strom daher fuhr,
Und sang sein Lied mit quergefällter Lanze.
Er war ein Held, der größte seiner Zeit – –
Und heut, wo ist er hin?

Was soll da erst aus unsereinem werden,
Die wir dem Leben fern am Strome fischen oder jagen,
Die mit dem Fisch und Krebs zusammen leben
Und die dem Hirsch und Reh Genossen sind?
So lassen wir das Schifflein auf den Wellen gleiten,
Gleich wie ein dürres Blatt,
Und trinken so einander zu,
Den Eintagsfliegen gleich,
Die einen Augenblick im Lichte
Hier zwischen Erd' und Himmel schweben,
Wie Tropfen im unendlich weiten Meer.
Das macht das Herz mir schwer,
Daß unser Leben nur so kurz ist,
Indes der Strom die Wellen endlos nach dem Meere wälzt. –
Ja könnten wir mit sel'gen Geistern höher schweben
Und mit dem lichten Mond ein ewig Leben führen!
Doch ach, wir wissen's ja:
Uns ist's versagt. – –
So hab' ich denn des Herzens Klage
Den traurigen Winden anvertraut.«

Der andre sprach:
»Verstehst du nicht,
Was uns das Wasser an geheimem Sinn erschließt
Und dort der lichte Mond?
Da fließt es hin und immerfort,
Und doch erschöpft sich's nicht.
Der Mond, er ist bald voll, bald leer,
Und doch wird er nie größer oder kleiner.
Wenn auf den Wandel hin du schaust:
So kann der Himmel selbst und auch die Erde
Nicht einen Augenblick im Sein verharren.
Doch wenn aufs Sein du schaust,
So wirst du finden,
Daß wie die Welt das Ich auch ewig ist.
Was bedarf es da der Schwermut?
Und ferner:
In dieser ganzen Welt
Hat jedes Ding auch seinen Herrn.
Was mir nicht zugehört,
Das nehme ich nicht an,
Und wär' es auch ein Härchen nur.
Allein der reine Hauch auf diesem Strome,
Der lichte Mond in jenen Bergen,
Er wird zum Tone, wenn mein Ohr ihn aufnimmt,
Und wenn mein Aug' ihn trifft,
Wird er zur Lichterscheinung.
Und dies Erleben
Von Aug' und Ohr ist frei und unerschöpflich.
Das ist das ew'ge Vorratshaus von Gottes Welt.
Das bleibt uns beiden zum Genusse offen.«

Da heiterten des Freundes Mienen sich,
Und lachend spülte er den Becher und goß wieder ein.
So zechten wir noch lange fort,
Bis unser Vorrat aufgezehrt,
Da ließen wir die Teller und die Becher stehn.
Und in dem Schiffe lehnten wir uns aneinander,
Und eh' wir's merkten, ward's im Osten helle. –

Su Dung Po


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