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Anmerkungen

Epistola: in carcere et Vinculus

Vorbemerkung. Seit dem Jahre 1891 war Oscar Wilde (16. Okt. 1854 – 30. Nov. 1900) mit Lord Alfred Douglas (geb. 1870), dem jüngsten Sohne des Marquis of Queensberry, bekannt. Der Verkehr zwischen dem jungen Aristokraten und dem als Ästheten weidlich verspotteten, erst durch seine Gesellschaftskomödien kurz darauf populär gewordenen Dichter nahm bald freundschaftliche Formen an. Da Wilde, unbekümmert um landläufige Moralbegriffe, seinen Ruf aufs Spiel setzte, suchte der Marquis mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln diesem Umgang ein Ende zu bereiten. Hierbei begegnete er auf beiden Seiten hartnäckigem Widerstand, der schließlich zum offnen Bruch zwischen Vater und Sohn führte. Sehr wählerisch ging der Marquis nicht zu Werke: er provozierte einen heftigen Auftritt in Wildes Wohnung und plante bei der ersten Aufführung der Komödie »The Importance of being Earnest« im St. James's Theatre einen Skandal, der im letzten Augenblick noch verhindert werden konnte. Vierzehn Tage später (am 28. Februar 1895) ließ er durch den Portier des Albemarle-Club in London Oscar Wilde eine Visitenkarte überreichen, auf der ein unflätiges Schimpfwort stand. In den ersten Tagen des März strengte Wilde daraufhin eine Beleidigungsklage gegen den Vater seines Freundes an. Sie kam schon am 3. April zur Verhandlung. Der vom Marquis of Queensberry angebotene Beweis der Wahrheit wurde durch die dreitägige Verhandlung als erbracht angesehn, der Beklagte freigesprochen und der Kläger zur Tragung der Kosten verurteilt. Noch am selben Abend des 5. April wurde Oscar Wilde verhaftet. Die Hauptverhandlung gegen ihn begann am 30. April und wurde am 1. Mai vertagt, weil sich die Geschworenen über die Schuldfrage nicht zu einigen vermochten. Gegen eine Kaution von zweitausendfünfhundert Pfund Sterling wurde der Angeklagte aus der Haft entlassen, worin er einen Wink hätte sehn können, daß den Behörden seine Flucht erwünscht sei. Aber er blieb, weil es sich nicht mit seinem Ideal vom Gentleman vertrug, unter solchen Umständen zu fliehn, und wohl auch, weil er bis zuletzt glaubte, daß ihm nichts geschehn könne – er blieb, ›to face the music‹, wie sich sein Bruder Willy ausdrückte. Das Ergebnis war, daß er am 25. Mai 1895 von dem Central Criminal Court zu zwei Jahren ›hard labour‹ verurteilt wurde.

Auch bei Oscar Wilde kamen die Leiden »wie einzelne Späher nicht, nein, in Geschwadern«. Seine Verhaftung, die einen Ausbruch der Volkswut in ganz England entfachte, war das Signal dazu, daß seine erfolgreichen Theaterstücke schleunigst vom Spielplan abgesetzt, seine Bücher aus dem Handel zurückgezogen wurden. So versiegten alsbald seine Einnahmequellen, und zu allem andern Unglück brach auch noch der Bankrott über ihn herein. Während seiner Gefängniszeit mußte er zweimal vor dem Konkursgericht erscheinen (vgl. S. 11).

 

 

Noch einige Daten aus Oscar Wildes späterem Leben.

Bald nach seiner Ankunft in Frankreich schrieb er den Brief über den »Fall des Wärters Martin«, der am 28. Mai 1897 in der Londoner Zeitung »The Daily Chronicle« erschien. Im Sommer und Herbst dieses Jahres war er mit der Vollendung der »Ballad of Reading Gaol« beschäftigt, die zu Anfang des folgenden Jahres bei Leonard Smithers in London erschien. Im Oktober 1897 siedelte er dann, weil er die Einsamkeit nicht länger ertragen konnte, zu Lord Alfred Douglas nach Neapel über, wo er bis Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres blieb. In sehr reduzierten Verhältnissen kehrte er nach Paris zurück. Schrieb dort einen zweiten Brief an die »Daily Chronicle« über die Zustände in englischen Gefängnissen, der am 24. März unter dem Titel »Don't read this if you want to be happy to-day« erschien. Im Frühling 1899 ging er nach Südfrankreich (Nizza) und machte im selben Jahre noch eine Schweizer Reise. Die Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 entzückte ihn; besonders Rodins Skulpturen. Er starb am 30. November 1900 im Hôtel d'Alsace zu Paris, 13 Rue des Beaux-Arts, nachdem er kurz vor dem Ende noch zum Katholizismus übergetreten war. Sein Grab ist in Bagneux.


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