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Bei einer Untersuchung des ursprünglichen Standes der Menschen scheint die Frage: »wo die ersten Menschen hergekommen,« nicht ganz überflüssig zu seyn. Rousseau hat (wir wissen nicht warum) nicht für gut befunden, ihrer zu erwähnen. Man kann diese Unterlassung nicht damit rechtfertigen, daß dieser Umstand durch die Offenbarung ins Klare gesetzt sey. Denn aus diesem Grunde hätte sich Rousseau seine ganze Untersuchung ersparen können, und überhaupt 174 bewies man vor neun hundert Jahren aus diesem Grunde, »daß man über gar nichts philosophiren müsse, was der Mühe werth ist.« – Es ist das nämliche weise Argument, kraft dessen der saracenische Kalif Omar die Bibliotheken zu Alexandria, als diese Hauptstadt Aegyptens in seine Gewalt fiel, zum Feuer verurtheilt haben soll.Der Kalif Omar soll, als er die Bibliothek zu Alexandria verbrennen lassen, gesagt haben; Entweder stimmt das, was diese Bücher enthalten, mit dem Koran überein, und dann brauchen wir sie nicht, oder es widerspricht dem Koran, und dann ist's schädlich! – man verbrenne also! – Wenn es erlaubt ist, über den ursprünglichen Stand des Menschen zu philosophiren, so muß sich diese Freiheit auch auf seinen Ursprung selbst erstrecken; es ist für Eines so viel Grund als für das Andere.
Gesetzt nun, wir wollten – welches sehr weit von uns entfernt ist – die Gefälligkeit für die alten Priester zu MemphisS. den Timäus des Plato. W. so weit treiben und alle die Ueberschwemmungen und Ausbrennungen des Erdbodens, von denen sie Nachrichten zu haben vorgaben, für wahr annehmen; ja, gesetzt, wir wollten den Ursprung der Menschen so weit hinaus setzen, als die fabelhaften Japaner, so würden wir doch nicht umhin können, endlich einige anzunehmen, welche die ersten gewesen wären. Eine Reihe, die keinen Anfang hat, mag, wenn man will, aus metaphysischen Gründen eben so möglich seyn, als eine unendlich theilbare Materie; aber gewiß ist, daß sie, wie sehr viele andere transcendentale Dinge, den Fehler hat, daß sie unvorstellbar ist.
Diese Ersten also, woher kamen sie?
Sind sie aus dem Monde herabgefallen?
Oder, wie Manko-Kapak, der Orpheus der Peruvianer, aus der Sonne herab gestiegen?
Oder, nach der gemeinen Meinung der Alten, aus dem Boden hervor gewachsen?Diod. Sicul. L. I. c. 10. W.
Oder sind sie, nach der sinnreichen Hypothese des Philosophen AnaximanderPlutarch. Symposiac. L. VIII. c. 8. W., aus einer Art von Fischen hervor gekrochen?
175 Oder hat vielleicht die Natur, wie Lucrez uns glauben machen willLucret. L. V. W., erst eine Menge Versuche machen müssen, bis es ihr endlich gelungen, einen vollständigen Menschen herauszubringen?
Wahrhaftig, meine Herren Manko-Kapak, Demokritus, Anaximander, Lucrez, und wie ihr alle heißt, es möchte sich wohl nicht der Mühe verlohnen, zu untersuchen, welcher von euch die lächerlichste Meinung habe; – aber, was ihr Alle zugeben müßt, ist: »daß nur derjenige den Namen des ersten Menschen verdienen kann, welcher – der erste Mensch war; das ist, bei dem sich zuerst die vollständige Anlage Alles dessen befunden, was den wesentlichen Unterschied unserer Gattung von den übrigen Geschöpfen ausmacht.« Und wenn wir einmal so weit einig sind, so werden wir, denke ich, kein Orakel entscheiden lassen müssen: »ob die Natur (wenn anders Verstand und Absicht in ihren Wirkungen ist) nicht wenigstens ein Paar solcher Menschen, welches die Gattung zu vermehren geschickt war, habe hervorbringen müssen?«
Nun läßt sich wohl nichts Anderes denken, als daß der erste Zustand dieser Protoplasten, wie vollkommen wir auch ihre Organisation voraussetzen, wenig besser als eine Art von Kindheit seyn konnte; es wäre denn, daß wir ihnen angeborne Kenntnisse leihen wollten, wozu wenigstens die blose Vernunft ihre Stimme nicht gibt. Alles bis auf ihren eigenen Leib war ihnen fremd und unbegreiflich. Verschlungen in die Unermeßlichkeit der Natur, hatten sie ohne Zweifel einige Zeit vonnöthen, um sich aus der ersten Betäubung so vieler auf sie zusammen drängender Eindrücke zu erholen. Allein Aufmerksamkeit und Uebung mußten sie bald den Gebrauch ihres Körpers und der übrigen Dinge, welche zu Mitteln ihrer Erhaltung und ihres Vergnügens bestimmt schienen, 176 kennen lehren, und es brauchte – wenn wir uns nicht zur Kurzweil Schwierigkeiten erschaffen wollen, welche in der Natur nirgends sind – weder Jahrtausende noch Jahrhunderte dazu.