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Doch eh' zu so erhabner Liebe
Die Seele leicht genug sich fühlt,
Befreyt Theophron sie vorher von jedem Triebe,
Der thierisch im Morast des groben Stoffes wühlt.
»Und hier ist's«, fährt er fort, »wo unsre Afterweisen
Ein falsches Licht verführt. Die guten Leute preisen
Uns ihre Apathie als ein Geheimniß an,
Das uns zu mehr als Göttern machen kann.
Nach ihnen soll der Weise alles meiden
Was Aug' und Ohr ersetzt; so kleine Kinderfreuden
Sind ihm zu tändelhaft; stets in sich selbst gekehrt
Beweist er sich allein durch das was er entbehrt
Die Größe seines Glücks, fühlt nichts, um nichts zu leiden,
Und – irret sehr. Das Schöne kann allein
Der Gegenstand von unsrer Liebe seyn;
Die große Kunst ist nur, vom Stoff es abzuscheiden.
Der Weise fühlt. Dieß bleibt ihm stets gemein
Mit allen andern Erdensöhnen:
Doch diese stürzen sich, vom körperlichen Schönen
Geblendet, in den Schlamm der Sinnlichkeit hinein,
Indessen wir daran, als einem Wiederschein,
Ins Urbild selbst zu schauen uns gewöhnen.
Dieß ist's, was ein Adept in allem Schönen sieht,
Was in der Sonn' ihm strahlt und in der Rose blüht.
Der Sinnensklave klebt, wie Vögel an der Stange,
An einem Lilienhals, an einer Rosenwange;
Der Weise sieht und liebt im Schönen der Natur
Vom Unvergänglichen die abgedruckte Spur.
Der Seele Fittich wächst in diesen geist'gen Strahlen,
Die, aus dem Ursprungsquell des Lichts
Ergossen, die Natur bis an den Rand des Nichts
Mit fern nachahmenden nicht eignen Farben mahlen.
Sie wächst, entfaltet sich, wagt immer höhern Flug,
Und trinkt aus reinern Wollustbächen;
Ihr thut nichts Sterbliches genug,
Ja, Götterlust kann einen Durst nicht schwächen
Den nur die Quelle stillt. So, meine Freunde, wird,
Was andre Sterbliche, aus Mangel
Der höhern Scheidekunst, gleich einer Flieg' am Angel,
Zu süßem Untergange kirrt,
So wird es für den ächten Weisen
Ein Flügelpferd zu überird'schen Reisen.
Auch die Musik, so roh und mangelhaft
Sie unterm Monde bleibt – denn, ihrer Zauberkraft
Sich recht vollkommen zu belehren,
Muß man, wie Scipio, die Sphären
(Zum wenigsten im Traume) singen hören –
Auch die Musik bezähmt die wilde Leidenschaft,
Verfeinert das Gefühl, und schwellt die Seelenflügel;
Sie stillt den Kummer, heilt die Milzsucht aus dem Grund,
Und wirkt (zumahl aus einem schönen Mund)
Mehr Wunderding' als Salomonis Siegel.«
Hier kann Kleanth nicht länger ruhn,
Er muß, vom Wahrheitsdrang gezwungen,
Der Schwärmerey des Mannes Einhalt thun;
Denn alles was Theophron uns gesungen,
War, seinem Urtheil nach, vollkommnen Aberwitz.
Schon richtet er auf seinem Polstersitz,
Den rechten Arm entblößt, die Stirn in stolzen Falten,
Sich drohend auf, und hat, noch eh' er spricht,
Den leichten Sieg bereits erhalten;
Als ihn ein Auftritt unterbricht,
Auf den das weise Paar sich nicht gefaßt gehalten.
Der Sahl eröffnet sich und eine Nymphe tritt
Herein, das Haupt mit einem Korb beladen,
Den Busen leicht verhüllt, und gleich den Oreaden
So hoch geschürzt, daß jeder schnelle Schritt
Den schlanken Fuß bis an die feinsten Waden
Und oft sogar ein Knie von Wachs entdeckt,
Das eilend wieder sich im dünnen Flor versteckt.
Nicht schöner mahlt die Heben und Auroren
Alban, der, wie ihr wißt, so gerne Nymphen mahlt.
Mit einem Wort, sie war so auserkohren,
Daß unser Theosoph (beym ersten Blick verloren
Im Wiederschein, der ihm entgegen strahlt)
Die Düfte nicht empfindt, die aus dem Korbe steigen,
Und die Kleanth mit Mund und Nase in sich schlürft.
Musarion, die sich den Ausgang schon entwirft,
Winkt ihrem Freund ein Pythagor'sches Schweigen,
Indeß den Korb die schöne Sklavin leert,
Und mit sechs großen Nektarkrügen,
(Genug von einem Faun den Weindurst zu besiegen)
Mit Früchten und Konfekt den runden Tisch beschwert.
»Die Herren (spricht hierauf die Schöne) haben beide
Mich wechselsweise, so wie jeder sprach, bekehrt:
Wie sehr ich auch das Glück der Apathie beneide,
So däucht mich doch die geist'ge Augenweide,
Die uns Theophron zeigt, nicht minder wünschenswerth.
Erlaubet, daß ich mich ein andermahl entscheide.
Es sey der Rest der Nacht, die mich so viel gelehrt,
Den Musen heilig und der Freude!
Nimm, Phanias, die Schal', und gieß sie aus
Der himmlisch lächelnden Cytheren;
Und du, Theophron, gieb uns einen Ohrenschmaus,
Und laß zum Saitenspiel uns deine Stimme hören.«
Das leichte philosoph'sche Mahl
Verwandelt nun (Dank sey der Oreade,
Die Hebens Dienste thut) durch unbemerkte Grade
Sich in ein kleines Bacchanal.
Zwar läßt zum Lob des unsichtbaren Schönen
Der bärtige Apoll das ganze Haus ertönen;
Allein sein Blick, der nie von Chloens Busen weicht,
Beweist, wie wenig was er fühlet
Dem was er singt, und einer Rolle gleicht,
Die auch der künstlichste Komödiant so leicht
Und ungezwungen nie, wie seine eigne, spielet.
Die lose Sklavin hilft des Weisen Lüsternheit
Durch listige Geschäftigkeit
Mit jedem Augenblick lebhafter anzufachen;
Stets ist sie um ihn her, und macht sich tausend Sachen
Mit ihm zu thun, in immer hellerm Glanz
Die Reitzungen ihm vorzuspiegeln,
Die nur zu sehr die Seel' in ihm beflügeln
Die unterm Zwerchfell thront. Ein großer Blumenkranz
Womit sie seine Stirne schmücket,
Vollendet was ihm fehlt, damit wer ihn erblicket,
Wie er den Zärtlichen und Angenehmen macht,
Fast überlaut ihm an die Nase lacht.
Wie traurig, Phanias, siehst du die schönste Nacht,
Dir ungenutzt, bey diesem Spiel verstreichen!
Er gähnt die Freundin kläglich an,
Er winkt, er seufzt: umsonst, sie folget ihrem Plan,
Und denkt vielleicht nicht weniger daran
Ihn mit dem seinen zu vergleichen.
Zu ihrer Freude bringt der schlauen Chloe Kunst
Den schlüpfrigen Pythagoräer
Dem abgeredten Ziel zusehends immer näher.
Er buhlt durch Blicke schon um ihre Gegengunst
So feyerlich, antwortet ihren Blicken
Mit so fanatischem, so komischem Entzücken,
Daß Hogarths Laune selbst kaum weiter gehen kann.
Wozu, Verführerin, bietst du den Nektarbecher
Dem Lechzenden so zaubrisch lächelnd an?
Sein Brand bedarf kein Öhl! Nimm lieber einen Fächer,
Und kühle seinen Mund und seiner Wangen Gluth!
Wohnt so viel Grausamkeit in sanften Mädchenseelen?
Glaubt ihr, ein weiser Mann sey nicht von Fleisch und Blut?
Doch Chloe weiß vermuthlich was sie thut;
Sie hat die Miene nicht, ihn unbelohnt zu quälen.
Nicht wenig stolz auf sein gefrornes Blut,
Beweist indeß mit hoch empor geworfner Nase
Kleanth, der Stoiker, bey oft gefülltem Glase,
Daß Schmerz kein Übel sey, und Sinnenlust kein Gut.
Ihm hängt, wie dort Horaz, dem trägen
Lastbaren Thiere gleich, sein Lehrling, weil er muß
Verzweiflungsvoll ein schläfrig Ohr entgegen,
Und widerspricht zuletzt aus Langweil und Verdruß.
Natürlich reitzet dieß noch mehr des Weisen Galle:
Im Eifer schenkt er sich nur desto öfter ein,
Glaubt, daß er Wasser trinkt, nicht Wein,
Und demonstriert den Aristipp, und alle
Die seiner Gattung sind, in Circens Stall hinein.
Sein Eifer für den Lieblingssatz der Halle,
Durch jeden Widerspruch und jedes Glas vermehrt,
Hat von sechs Flaschen schon die dritte ausgeleert;
Als der Planetentanz, womit der Geisterseher
Die Dame zum Beschluß ersetzt,
Ihn vollends ganz in Flammen setzt.
Nun wird nichts mehr verschont: Ägypter und Chaldäer
Erfahren seine Wuth, wie er des Weingotts Macht;
Und eh' der Tänzer noch uns von den Antipoden
Den Gott des Lichts zurück gebracht,
Fällt taumelnd sein Rival und liegt besiegt zu Boden.
Der dritte Akt des Lustspiels schließt sich nun,
Und alles sehnet sich, den Rest der Nacht zu ruhn.
Kleanth, der, wie er lag, Virgils Silenen
Nicht übel glich, (nur daß er nicht erwacht,
So sehr ihn Chloe zwickt, so laut man um ihn lacht)
Wird standsgemäß, umtanzt von beiden Schönen,
Mit Bacchischem Triumph in – einen Stall gebracht,
Und lachend wünschet man einander gute Nacht. |