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Diese Blüthe von Glückseligkeit dauerte – so lange sie konnte, sagt unser Autor. Es war, nachdem sie etliche Wochen beisammen gewesen waren, unmöglich, daß ihnen noch eben so hätte zu Muthe seyn sollen, wie damals, da sie sich zum ersten Mal sahen.
Die Freude des Jünglings wurde gelassener; er konnte sich wieder mit etwas Anderem als seinem Mädchen beschäftigen; er schwatzte sogar wieder mit seinen Papagaien; ja, unser Autor sagt, daß es Tage gegeben, wo er vonnöthen gehabt habe, durch die sanften Liebkosungen seiner jungen Freundin aus dieser Schläfrigkeit erweckt zu werden, in welche unsre Seele zu fallen pflegt, wenn wir nicht wissen, was wir mit uns selbst anfangen sollen.
289 Alles dieß ist in der Natur, sagt Tlantlaquakapatli. Sie liebten sich darum nicht weniger herzlich, weil diese Trunkenheit der ersten Liebe und des ersten Genusses aufgehört hatte. Ihre Liebe zog sich nach und nach aus den Sinnen in das Herz zurück. Das bloße Vergnügen, bei einander zu seyn, sich anzusehen oder Hand in Hand durch Haine und Gefilde zu irren, war ihnen für ganze Tage genug.
Unvermerkt konnten sie auch kleine Entfernungen ertragen; die Freude, wenn sie sich wieder fanden, hielt sie schadlos: sie hatte etwas von dem Entzücken des Augenblicks, da sie sich zum ersten Mal fanden; ihre Umarmungen waren desto feuriger, je länger die Abwesenheit gedauert hatte.
Aber, daß sie sich aus diesen Erfahrungen die allgemeinen Regeln hätten abziehen sollen, welche St. Evremond und Ninon l'EnclosSt. Evremond (geb. 1613 zu St. Denis-le-Guast, gest. 1703 zu London) gehört ohne Zweifel zu den feinsten Beobachtern des menschlichen und besonders des weiblichen Herzens. Man sehe besonders seine Aufsätze Les charmes de l'amitié und l'amitié sans amitié. – Ninon de l'Enclos, diese Aspasia der neueren Zeit, St. Evremonds Freundin, hat in ihrem Brief einen Schatz der feinsten Bemerkungen mitgetheilt. den Liebenden geben, das war ihre Sache noch nicht. Die Natur, der Instinct, das Herz that Alles bei ihnen; die Vernunft beinahe nichts.
Aus dieser Sympathie ihrer Sinne und Herzen, aus der unvergeßlichen Erinnerung, wie glücklich sie einander gemacht hatten, aus dem Vergnügen, welches sie noch immer eines am andern fanden, aus der Gewohnheit, mit einander zu leben und sich wechselsweise Hülfe zu leisten – bildete sich (sagt unser Philosoph) diese Identification, welche macht, daß wir den geliebten Gegenstand als einen wesentlichen Theil von uns selbst eben so herzlich, aber auch eben so ruhig und mechanisch lieben, als uns selbst, und, »daß es uns eben so unmöglich wird, uns ohne diesen geliebten Gegenstand, als ohne uns selbst zu denken.« – Ein Zustand, der in gewissem 290 Sinne der höchste Grad der Liebe ist, aber natürlicher Weise auch eine gewisse Unvollkommenheit mit sich führt, deren wahre Quelle gemeiniglich mißkannt wird; – nämlich, »daß es in diesem Zustande eben so leicht wird, über einem neuen Gegenstande den alten zu vergessen, als wir bei jedem lebhaftern Eindruck äußerlicher Objecte uns selbst zu vergessen pflegen, so lieb wir uns auch haben.«