Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Ich feiere mich selbst und singe mich selbst,
Und was ich mir herausnehme, sollst auch du dir herausnehmen,
Denn jedes Atom, das mir gehört, gehört ebensogut auch dir.
Ich feiere und lade meine Seele zu Gast;
Liege auf dem Erdboden, behaglich halte ich Rast und betrachte einen Halm vom Sommergras.
Meine Zunge, jedes Atom meines Blutes ist aus diesem Boden gebildet und aus dieser Luft;
Ich bin geboren von Eltern, die hier von ähnlichen Eltern geboren sind, und auch diese von ähnlichen Eltern;
Und so beginne ich im Alter von 37 Jahren, in vollkommener Gesundheit,
Und hoffe bis zu meinem Tode nicht aufzuhören.
Glaubensbekenntnisse und Schulen stehen im Hintergrund
Und weichen für eine Weile zurück, nach ihrem Wert geschätzt, wenn auch nimmer vergessen;
Ich nehme auf, mags zum guten oder bösen ausschlagen, lasse auf jegliche Gefahr hin reden
Natur ohne Rückhalt mit ursprünglicher Kraft.
Häuser und Räume sind erfüllt von Wohlgerüchen, die Büchergestelle sind voller Düfte;
Auch ich atme diesen süßen Wohlgeruch, kenne ihn und mag ihn gern;
Auch mich könnte diese Essenz berauschen, aber ich lasse es nicht zu.
Die Atmosphäre aber ist kein Parfüm, sie hat keinen Schmack von Essenz; sie ist geruchlos,
Doch für meinen Mund für immer ist sie ich bin in sie verliebt.
Zum Hügelhang am Wald will ich gehn, ohne Kleidung will ich sein, nackt;
Rasend bin ich danach, mit ihr in Berührung zu kommen.
Der Rauch meines eigenen Atems;
Echos, Geriesel, summendes Geflüster, Liebeswurzel, Seidenfaden, Gabelstock und Rebe,
Mein Ein- und Ausatmen, der Schlag meines Herzens, Blut und Luft, die durch meine Lungen strömen,
Der leise Geruch grüner und dürrer Blätter vom Meergestade und dunklen Seeklippen her und vom Heu in seiner Scheuer;
Der Schall der Worte, die meine Stimme ausstößt, den Windwellen hingegeben;
Einige leise Küsse, leise Umarmungen, ein Ausstrecken der Arme,
Das Spiel von Sonnenlicht und Schatten an den Bäumen, wo die schwanken Äste schaukeln,
Das Entzücken an der Einsamkeit oder an dem Brausen der Straßen, oder an Feldern und Hügelhängen hinzugehn,
Das Gefühl der Gesundheit, der trillernde Mittag und mein Gesang, wenn ich mich vom Lager erhebe und der Sonne begegne.
Hast du tausend Äcker für viel gehalten? Hast du die Erde für viel gehalten?
Hast du dir so lange Mühe gegeben, um lesen zu lernen?
Bist du so stolz darauf gewesen, den Sinn der Gedichte zu verstehen?
So bleibe diesen Tag und diese Nacht bei mir, und du sollst den Ursprung aller Gedichte erfassen,
Du sollst das Gut der Erde und der Sonne besitzen (Millionen von Sonnen bleiben noch übrig),
Du sollst Dinge fürder nicht aus zweiter oder dritter Hand nehmen, noch sollst du durch die Augen der Toten blicken, noch dich nähren von den Schemen in den Büchern,
Auch nicht durch meine Augen sollst du blicken, noch die Dinge aus meiner Hand nehmen;
Nach allen Seiten sollst du lauschen und sie durch dich selbst klären.
Ich hörte, was die Redner redeten, die Rede vom Anfang und vom Ende,
Ich aber rede nicht vom Anfang und vom Ende.
Nie gab es mehr Anfang als jetzt,
Nie mehr Jugend oder Alter als jetzt,
Und nie je wird es mehr Vollkommenheit geben als jetzt,
Oder mehr Himmel oder Hölle als jetzt.
Trieb, Trieb und Trieb,
Immer der zeugende Trieb der Welt.
Immer treten aus dem Dunkel Gleiche einander entgegen, immer Stoff und Wachstum, immer Geschlecht,
Immer eine Verknüpfung der Identität, immer Unterscheidung, immer ein zeugendes Leben.
Weiteres Mühen nützt nichts; Gelehrte und Ungelehrte fühlen, daß es so ist.
Sicher, wie die sicherste Gewißheit, lotrecht in den Säulen, wohlgefügt, fest in den Balken,
Stämmig wie ein Roß, zärtlich, stolz, elektrisch,
Ich und dies Mysterium – hier stehen wir.
Klar und rein ist meine Seele, und klar und rein ist alles, was nicht meine Seele ist.
Fehlt eins, so fehlt beides; und das Unsichtbare wird durch das Sichtbare bewiesen,
Bis auch dieses unsichtbar wird und seinerseits Beweis empfängt,
Auf das Beste hinzuweisen und es vom Schlechten zu scheiden, plagt sich Zeitalter um Zeitalter,
Ich aber kenne die vollkommene Schicklichkeit und Gelassenheit der Dinge, schweige, während man diskutiert, gehe baden und bewundere mich selbst.
Willkommen ist mir jedes Organ und jede Eigenschaft und die eines jeden fröhlichen und reinen Mannes,
Nicht ein Zoll noch ein Teilchen eines Zolles ist gemein, keines soll weniger gekannt sein als die anderen.
Ich bin zufrieden – Ich schaue, tanze, lache, singe;
Wie die umarmende und liebevolle Lagergenossin die Nacht hindurch an meiner Seite schläft und bei Tagesanbruch verstohlenen Blickes sich entfernt,
Indem sie mir Körbe mit weißen Tüchern bedeckt zurückläßt und das Haus mit ihrer Fülle bereichert;
Soll ich Annahme und Genuß verachten und sollen meine Blicke sich entrüsten,
Daß sie sich vom Schauen hinaus auf die Straße zurückwenden?
Und soll ich sogleich nachrechnen und mir einen Cent vorzeigen,
Genau den Wert von einem und genau den Wert von zweien, und welcher mehr gilt?
Beinsteller und Fragen umgeben mich,
Volk, dem ich begegne, die Nachwirkung von meinem früheren Leben her, oder von dem Bezirk und der Stadt, wo ich wohne, oder von der Nation,
Die neuesten Zeiten, Entdeckungen, Erfindungen, Gemeinschaften, Autoren, alte wie neue,
Mein Essen, Kleidung, Genossen, Aussehen, Komplimente, Pflichten,
Die wirkliche oder eingebildete Gleichgültigkeit eines Mannes oder eines Weibes, die ich liebe,
Die Erkrankung eines meiner Verwandten oder meiner selbst; Fehlschläge, oder Verlust oder Mangel an Geld, Niedergeschlagenheit oder Überschwang,
Schlachten, die Greuel des Bruderkrieges, die Aufregung über zweifelhafte Nachrichten, wechselnde Zufälle,
Die alle kommen zu mir bei Tag und Nacht und verlassen mich wieder,
Doch mein wahres Ich sind sie nicht.
Abseits von Zerren und Zausen steht, was ich bin;
Steht vergnügt, gefällig, teilnehmend, müßig, einig,
Schaut hinab, richtet sich wieder auf, oder stützt einen Arm an einem unsichtbaren, sichren Halt,
Und schaut mit zur Seite gewandtem Haupt, was da kommen will,
So zwischen wie außer der Hatz, betrachtet sie und hat sein Verwundern.
Hinter mir liegen die Tage, in denen ich mich durch Nebel hindurchschwitzte, mit Linguisten und Disputaxen.
Ich habe weder Spöttereien und Beweise, ich bin Zeuge und warte.
Ich glaube an dich, meine Seele! Das was ich sonst bin, darf sich vor dir nicht erniedrigen,
Noch darfst du vor ihm erniedrigt sein.
Strecke dich mit mir ins Gras und löse den Verschluß deiner Kehle;
Nicht Worte noch Musik oder Reim brauch' ich, keine Konvention und keinen Vortrag, selbst den besten nicht,
Bloß das Lullen mag ich, das Summen deiner Stimmbänder.
Ich gedenke, wie wir einst an solch einem hellen Sommermorgen im Freien lagen,
Wie du dein Haupt quer über meine Hüfte legtest und dich leise auf mir umkehrtest,
Und mir das Hemd beim Brustknochen öffnetest, und die Zunge in mein bloßgelegtes Herz hineintauchtest
Und langtest herauf, bis du meinen Bart fühltest, und hinab, bis du meine Füße hieltest.
Alsbald erhob sich und breitete sich um mich aus der Friede und das Wissen, das über alle Beweise der Erde geht,
Und ich weiß, daß Gottes Hand Versicherung für die meine ist,
Und ich weiß, daß der Geist Gottes der Bruder des meinen ist,
Und daß alle Männer, je geboren, auch meine Brüder sind, und die Weiber meine Schwestern und Geliebten,
Und daß eine Kielschwinne Schöpfung der Liebe ist,
Und unermeßlich Blätter straff oder welk auf den Gefilden,
Und braune Ameisen in den kleinen Gruben darunter,
Und moosiger Schorf auf dem gewundenen Zaun, aufgehäufte Steine, Hollunder, Königskerzen und Kermesbeeren.
Ein Kind sagte: Was ist das Gras? und brachte es mir mit vollen Händen;
Wie konnte ich dem Kinde Antwort geben? Ich weiß es ebensowenig.
Ich meine, es müßte die Fahne meines Herzens sein, ganz aus einem hoffnungsgrünen Stoff gewoben.
Oder ich meine, es ist des lieben Gottes Taschentuch,
Eine duftige Gabe und ein Andenken, das mit Absicht fallen gelassen wurde,
Und das in irgendeinem Zipfel den Namen seines Eigners trägt, damit wir sehen, bemerken und sagen können: Wessen?
Oder ich meine, das Gras ist selbst ein Kind, ein von der Vegetation erzeugtes Kindlein.
Oder ich meine, es ist ein gleichförmiger Hieroglyph,
Und er bedeutet: ich sprieße so in weiten wie in engen Zonen;
Wachse bei schwarzen Völkern wie bei weißen,
Kanuk, Tuckahoe, Kongreßmitglied, Boxer: alles beschenke ich, alle empfange ich aufs gleiche.
Und jetzt scheint mir das schöne unverschnittene Haar von Gräbern zu sein.
Zärtlich will ich dich behandeln, gekräuseltes Gras;
Vielleicht dringst du aus den Brüsten junger Männer hervor,
Vielleicht, hätte ich sie gekannt, würde ich sie geliebt haben;
Vielleicht kommst du von alten Leuten oder von Säuglingen, die zu bald von dem Schoß ihrer Mütter genommen wurden;
Und nun bist du hier Mutterschoß.
Dies Gras ist sehr dunkel, wenn es von den weißen Häuptern alter Mütter kommt,
Dunkler auch als die farblosen Bärte alter Männer,
Dunkel, wenn es aus dem blaßroten Gaumen eines Mundes hervorsprießt.
Oh, endlich versteh' ich, daß es viele redende Zungen sind,
Und ich verstehe, daß sie nicht umsonst aus Gaumen hervorkommen!
Ich möchte, ich wäre imstande, diese Hinweise auf die toten jungen Männer und Frauen auszudeuten.
Und die Hinweise auf die alten Männer und Mütter und auf die Säuglinge, die zu früh von ihrem Schoß genommen wurden.
Was meinst du ist aus den jungen und alten Männern geworden?
Und was meinst du ist aus den Weibern und Kindern geworden?
Sie sind irgendwo am Leben und befinden sich wohl;
Der geringste Sproß zeigt, daß es in Wirklichkeit keinen Tod gibt.
Und wenn es dennoch einen gibt, so leitet er das Leben vorwärts, und lauert nicht am Ende, um ihm Einhalt zu tun,
Und würde in dem Augenblick aufhören, wo Leben erscheint.
Alles geht vorwärts und nach außen, nichts verfällt;
Und das Sterben ist etwas andres als je einer gedacht, und glückseliger.
Hat jemand gemeint, es sei ein Glück, geboren zu werden?
Ich eile, ihm oder ihr zu zeigen, daß es ebenso ein Glück ist, zu sterben, und ich weiß das.
Ich gehe über den Tod hinaus mit den Sterbenden und über die Geburt mit dem eben gebadeten Säugling, und bin nicht zwischen meinem Hut und meinen Stiefeln beschlossen.
Ich gehe mannigfache Dinge durch: nicht zwei sind sich gleich und jedes einzige ist gut;
Erde gut und Gestirne gut, und alles was zu ihnen gehört, gut.
Ich bin nicht eine Erde und nicht ein Zubehör einer Erde,
Ich bin der Genosse und der Gefährte der Menschen, alle ebenso unsterblich und unermeßlich wie ich,
(Sie wissen nicht wie unsterblich, ich aber weiß es).
Jede Art besteht für sich und ist ihr Eigen; mir die meine: Mann und Weib.
Mir die, welche Knaben gewesen sind und Frauen lieben,
Mir der Mann, der stolz ist und fühlt, wie es schmerzt, geringgeschätzt zu werden.
Mir das Liebchen und die alte Jungfer; mir Mutter und die Mutter von Müttern;
Mir Lippen, die gelächelt haben, Augen, die Tränen vergossen haben,
Mir Kinder und Erzeuger von Kindern.
Fort mit den Hüllen! Vor mir seid ihr nicht schuldbehaftet, nicht alt und abgedankt;
Ich blicke durch feines Tuch und durch Gingham, ob ihr wollt oder nicht,
Bin zugegen: zaghaft, eroberungssüchtig, unermüdlich und nicht abzuschütteln.
Das kleine Kind schläft in seiner Wiege;
Ich lüpfe das Flortuch und schaue lange, und behutsam scheuch' ich die Fliegen mit meiner Hand.
Der Knabe und das rotbäckige Mädchen wenden sich die Flanke des bebuschten Hügels hinauf,
Von seinem Gipfel aus nehme ich sie wahr.
Der Selbstmörder liegt auf dem blutbefleckten Boden der Schlafstube hingestreckt,
Ich nehme den Leichnam wahr mit seinen blutgetränkten Haaren, sehe, wo die Pistole hingefallen ist.
Das Geschwätz des Pflasters, die Radreifen der Wagen, Geschlürf der Stiefelsohlen, Gespräch der Promenierenden;
Der schwere Omnibus, der Kutscher mit seiner Daumenfrage; der Klang der Pferdehufe auf dem Granitboden;
Schneeschlitten, das Geklingel, Jauchzen und Scherze, Schneeballwürfe,
Die Hochrufe für die Lieblinge des Volkes, die Wut des erregten Pöbels,
Das Klappen der verhängten Sänfte, darin ein Kranker, der ins Hospital gebracht wird;
Das Zusammentreffen der Feinde, der plötzliche Fluch, Schläge und Sturz;
Die aufgeregte Menschenmenge, der Polizeimann mit seinen Abzeichen, der sich eilig einen Weg in die Mitte des Haufens bahnt;
Die empfindungslosen Steine, die so manch' ein Echo empfangen und zurückgeben;
Was für ein Stöhnen von Überfütterten oder Halbverhungerten, die von Sonnenstich oder von Ohnmächten betroffen hinfallen;
Welche Schreie von Weibern, die es unvermutet überkommen und die nach Hause eilen, um Kinder in die Welt zu setzen;
Welche lebendige und welche begrabene Sprache bebt hier unaufhörlich, welches Geheul, nur vom Anstand zurückgehalten?
Verhaftungen von Verbrechern, Beleidigungen, ehebrecherische Anträge, angenommen oder zurückgewiesen mit aufgeworfener Lippe;
Ich achte auf dies, auf seinen Anblick oder Widerhall – ich komme und gehe.
Breit stehen die Tore der Dorfscheune offen und warten.
Das geerntete Heu belastet den langsam gezogenen Wagen.
Das klare Licht spielt über das Durcheinander von Braungrau und Grün,
Die Haufen sind aufgepackt, daß die Ladung sich überbiegt.
Ich bin zugegen, ich helfe; ich kam an, oben auf die Ladung hingestreckt.
Ich fühlte ihre sanften Stöße, ein Bein über das andere gelegt.
Ich springe vom Querbalken und fasse den Klee und das Thimoteusgras,
Und wälze mich kopfüber und verwirre mein Haar mit Hälmchen.
Einsam jage ich in ferner Gebirgswildnis,
Wandere und staune über meine eigene Behendigkeit und Munterkeit.
Am späten Nachmittag suche ich mir eine sichere Stelle aus zum Übernachten,
Zünde ein Feuer und brate das frischerlegte Wild,
Und falle dann in Schlaf auf der Blätterstreu, meinen Hund und mein Gewehr zur Seite.
Das Yankee-Klipperschiff ist unter seinen Oberbramsegeln; es durchschneidet Gefunkel und Schaum,
Meinem Blick versinkt das Land, ich lehne über den Bug und jauchze fröhlich vom Verdeck herab.
Die Schiffer und Muschelgräber machten sich auf in der Frühe und warteten auf mich;
Ich steckte mir die Hosen in die Stiefel, ging mit ihnen und hatte einen vergnügten Tag;
Du hättest an diesem Tag bei uns sein sollen um den Fischkessel herum.
Ich sah die Hochzeit des Trappers unter freiem Himmel im fernen Westen, die Braut war eine Rote;
Ihr Vater und seine Freunde saßen in der Nähe mit untergeschlagenen Beinen und rauchten schweigend; sie hatten Mokassins an den Füßen und dicke weiße Wolldecken hingen von ihren Schultern herab;
Auf einem kleinen Bühel lag der Trapper hingestreckt; er war fast ganz in Pelz gekleidet; sein üppiger Bart und seine Locken schirmten seinen Hals; er hielt seine Braut bei der Hand;
Sie hatte lange Augenwimpern; barhäuptig war sie; ihr starkes und schlichtes Haar fiel auf ihre üppigen Glieder bis zu den Füßen hinab.
Der entlaufene Sklave kam an mein Haus und hielt draußen an.
Ich hörte seine Bewegungen an dem Krachen des Reisighaufens;
Durch die offene Tür gewahrte ich ihn, erschöpft und kraftlos;
Und ich ging zu ihm hin, wo er auf dem Holzklotz saß, führte ihn hinein und munterte ihn auf,
Brachte Wasser herbei und füllte eine Wanne für seinen schweißigen Leib und seine wunden Füße,
Gab ihm ein Gelaß, das sich nach dem meinen hin öffnete und gab ihm ein paar grobe saubere Kleidungsstücke;
Noch ganz deutlich erinnere ich mich an seine rollenden Augen und seine Unbeholfenheit;
Erinnere mich, wie ich Pflaster auf die Blasen an seinem Hals und seinen Fußknöcheln legte.
Eine Woche verweilte er bei mir, bis er wiederhergestellt war und nordwärts weiterzog.
Bei Tisch saß er neben mir – meine Flinte lehnte in der Ecke.
Achtundzwanzig junge Männer baden am Gestade,
Achtundzwanzig junge Männer und alle so freundschaftlich.
Und achtundzwanzig Jahre weiblichen Lebens, alle so einsam.
Sie ist Eignerin des hübschen Hauses da, am Uferhang;
Schön und reich gekleidet lauert sie hinter den Fenstervorhängen.
Welcher von den jungen Männern gefällt ihr am besten?
Ach, ihrer der unansehnlichste ist für sie schön.
Wohin willst du, meine Dame? denn ich sehe dich.
Du plätscherst da im Wasser und stehst doch mäuschenstill in deinem Zimmer.
Tanzend und lachend lief die neunundzwanzigste Badende den Strand hinab;
Die andren sahen sie nicht; sie aber sah sie und war ihnen zugetan.
Die Bärte der jungen Männer glitzerten vor Naß, es rann von ihrem langen Haar herab,
Kleine Bächlein liefen über die Leiber.
Und auch eine unsichtbare Hand strich über ihre Leiber,
Bebend glitt sie an ihren Schläfen und Rippen herab.
Die jungen Männer schwimmen auf ihren Rücken; ihre weißen Leiber wölben sich in der Sonne; sie fragen nicht, wer sie da festhält;
Sie wissen nicht, wer da so keucht und sich in schwebend geneigten Bogen niederbeugt;
Sie ahnen nicht, wen sie mit Wasserstrahlen bespritzen.
Der Fleischerjunge legt seine Arbeitskleider ab, oder wetzt sein Messer in seinem Stand am Markt;
Ich bummle in der Nähe herum, habe mein Vergnügen an seiner Schlagfertigkeit und an seinem Shuffle und Breakdown.
Zwei komische Tänze.
Grobschmiede mit rußigen behaarten Brüsten stehen um den Amboß herum;
Jeder hält seinen Stahlhammer, alle sind sie in Bereitschaft; das Feuer macht eine mächtige Hitze,
Von der mit Asche bestaubten Schwelle aus verfolge ich ihre Bewegungen.
Von oben herab schwingen die Hämmer, langsam, sicher;
Sie hasten nicht, jeder schlägt auf seine Stelle.
Der Neger hält die Zügel seines Viergespanns, der Klotz schwenkt unten an der aufgeknüpften Kette;
Der Neger, der den langen Lastwagen des Steinbruchs fährt; fest und hochgewachsen steht er, auf das Bein gestützt, auf dem Holm;
Sein blaues Hemd läßt den vollen Hals und die Brust frei und hängt über seinen Gürtel;
Sein Blick ist gelassen und gebieterisch; er schlägt die Hutkrempe aus dem Gesicht zurück,
Das Sonnenlicht fällt auf sein krauses Haar und auf seinen Schnurrbart, fällt auf das glänzende Schwarz seiner schönen Glieder.
Ich betrachte den malerischen Riesen und liebe ihn; doch ich halte mich dabei nicht auf,
Ich gehe auch mit dem Gespann.
Ich liebe das Leben, wo immer es sich regt, ob ich mich rückwärts oder vorwärts wende,
Nach Nischen hin, die abseits liegen und erst neu errichtet sind; niemand und nichts lasse ich aus;
Alles nehme ich auf für mich und mein Lied.
Ochsen, die ihr mit Joch und Kette rasselt oder unter schattigem Laubdach haltet: was verrät dieser Ausdruck da in euren Augen?
Es erscheint mir bedeutungsvoller als alles Gedruckte, das ich je im Leben las.
Mein Schritt scheucht den Waldenterich und seine Ente auf meinen weiten, tagelangen Streifzügen;
Zusammen stiegen sie auf, kreisen mit langsamem Flug.
Ich glaube an diese beiden beflügelten Zweckmäßigkeiten da,
Anerkenne Rot, Gelb, Weiß, die in mir spielen,
Halte Grün, Violett und die Federbuschkrone für absichtlich;
Und ich nenne weiter etwa die Schildkröte nicht unnütz, weil sie nicht irgendetwas anderes ist.
Die Elster in den Wäldern hat die Tonleiter nicht gelernt, doch trillert sie hübsch genug für mich;
Und der Anblick der braunen Stute beschämt mich und treibt die Albernheiten aus mir aus.
Der Waldenterich lenkt seinen Flug durch die kühle Nacht.
Ya-honk schreit er, und es klingt zu mir hernieder wie eine Einladung.
Die Neunmalklugen mögen es für bedeutungslos halten, ich aber, der ich aufmerksam hinlausche,
Finde, daß er da oben am winterlichen Himmel seinen Zweck und Platz hat.
Das spitzhufige Mustier des Nordens, die Katze auf der Hausschwelle, die Sumpfmeise, der Präriehund,
Die Jungen der grunzenden Sau, wenn sie an ihren Zitzen zerren,
Die Brut der Truthenne und sie selbst mit ihren halbausgebreiteten Flügeln,
In ihnen und in mir selbst erblicke ich das eine alte Gesetz.
Der Druck meines Fußes auf den Erdboden verursacht hundertfältige Wirkungen,
Sie spotten all meiner Mühe sie aufzuzählen.
Ich bin verliebt in das Leben im Freien.
In Männer, die zwischen dem Vieh leben, oder denen der Ruch von Meer und Wald anhaftet,
In Schiffsbauer und Steuerleute, in die, welche Äxte schwingen und Schlägel oder die Pferde treiben,
Woche für Woche kann ich mit ihnen essen und schlafen.
Was am gewöhnlichsten ist, am wohlfeilsten, nächsten, leichtesten, das bin ich;
Ich, der ich mein Glück versuche und meine Habe verschwende gegen ungeheuren Umsatz,
Der ich mich schmücke, um mich dem ersten, besten hinzugeben, der mich annehmen will,
Und der ich vom Himmel nicht fordere, daß er um meinetwillen herunterkommt,
Sondern, der ich ihn ewig ausstreue mit freier Hand.
Die klare Altstimme ertönt im Orgelchor;
Der Zimmermann richtet seine Planke, die Stimme des Hobels pfeift ihr wildaufsteigendes Gelispel;
Die verheirateten und unverheirateten Kinder fahren nach Hause zum Danksagungsmahl;
Der Lotse ergreift die Königs-Spake und kielholt mit kräftigem Arm;
Der Maat steht auf Anstand im Walfischboot, Lanze und Harpune sind in Bereitschaft;
Der Entenjäger geht mit leisen, vorsichtigen Schritten;
Die Geistlichen empfangen, die Hände gekreuzt, am Altar die Weihe;
Die Spinnerin schreitet zurück und nach vorn beim Summen des großen Rades;
Der Farmer hält beim Barrierenzaun an, wenn er Feiertags umherschweift, und schaut nach Hafer und Roggen;
Der Irrsinnige – ein unheilbarer Fall – wird endlich ins Asyl gebracht,
(Nimmermehr wird er schlafen wie vordem in der Wiege in seiner Mutter Schlafstube),
Der Buchdrucker mit grauem Kopf und hageren Kinnbacken arbeitet an seinem Schriftkasten,
Er dreht sein Priemchen um, während die Schrift ihm vor den Augen schwimmt.
Die verunstalteten Glieder werden auf den Operationstisch gebunden,
Was abgenommen wird, fällt schrecklich in einen Eimer;
Der Quadrone wird auf dem Auktionspodium verkauft, der Säufer nickt beim Ofen in der Kneipe;
Der Maschinist streift sich die Hemdärmel auf; der Polizist macht seinen Rundgang; der Torwächter achtet auf die Passanten;
Der junge Mann lenkt den Paketwagen, (ich liebe ihn, wennschon ich ihn nicht kenne);
Der Mischling bindet sich die leichten Schuhe an, um sich in der Rennbahn zu messen;
Das Truthahnschießen im Westen lockt alt und jung herbei, diese stützen sich auf ihre Flinten, andre sitzen auf Holzklötzen.
Der Schütze tritt aus der Menge hervor, nimmt Stellung und legt an;
Die Gruppen der neuangekommenen Einwanderer bedecken Werft und Damm;
Die Wollköpfe hacken ein Zuckerfeld, und der Aufseher beobachtet sie vom Sattel aus;
Im Ballsaal tönt das Signalhorn, die Herren eilen zu ihren Damen, und die Tänzer verneigen sich voreinander;
Der Jüngling liegt wach auf dem Holzdachboden und horcht auf die Musik des Regens;
Der Vielfraßfänger setzt Fallen an dem Bach, der den Huron füllen hilft;
Die Indianerfrau, in ihren gelbgesäumten Mantel gehüllt, bietet Mokassins und Perlentaschen zum Kauf aus;
Der Kunstkenner streift durch die Ausstellungsgalerien mit gekniffenen Augen und biegt sich zur Seite;
Wenn die Deckarbeiter das Dampfboot festmachen, so wird das Brett für die aussteigenden Passagiere gelegt;
Die junge Schwester hält die Wolldecke, während die ältere Schwester sie in einen Knäuel zusammenwickelt und ab und zu eines Knotens halber Halt macht;
Die Ehefrau von einem Jahr erholt sich wieder und ist selig, daß sie vor einer Woche ihr erstes Kind geboren hat;
Das sauberhaarige Yankeemädchen arbeitet an seiner Nähmaschine oder in der Fabrik oder in der Mühle;
Der Pfiasterarbeiter lehnt auf seiner zweihenkligen Ramme; der Bleistift des Reporters fliegt eifrig über das Notizbuch hin; der Schildmaler malt Buchstaben in Blau und Gold;
Der Kanalknecht trabt auf dem Seilpfad; der Buchhalter rechnet an seinem Pult; der Schuhmacher wichst seinen Faden;
Der Dirigent gibt den Takt an für seine Kapelle und alle Spieler folgen ihm;
Das Kind wird getauft; der Konvertit legt sein erstes Bekenntnis ab;
Die Regatta breitet sich über die Bucht aus; die Wettfahrt hat begonnen (wie die weißen Segel blitzen!);
Der Viehtreiber, der seine Herde bewacht, ruft denen zu, die sich verlaufen wollen;
Der Hausierer schwitzt mit seinem bepackten Rücken, (der Käufer knausert um den ungeraden Cent);
Die Braut entfaltet ihr weißes Kleid, der Minutenzeiger auf der Uhr rückt langsam vor;
Der Opiumesser lehnt zurück mit starrem Haupt und halbgeöffnetem Mund;
Die Prostituierte schleppt ihren Shawl am Boden, ihr Hut baumelt auf ihrem betrunkenen, finnigen Nacken,
Die Menge lacht über ihre gemeinen Flüche, die Männer spotten ihrer und winken einander zu;
(Unglückliche! Ich lache nicht über deine Flüche und spotte deiner nicht),
Der Präsident hält Kabinettsrat und ist von seinen Ministern umgeben;
Auf der Piazza wandeln drei Matronen, würdig und freundschaftlich, Arm in Arm;
Die Mannschaft des Fischerbootes packt Schicht auf Schicht von Steinbutten in den Kielraum;
Der Missourier durchkreuzt die Ebenen und schafft Waren und Vieh fort;
Der Kondukteur macht die Runde durch den Zug und lenkt durch Klimpern mit dem Kleingeld die Aufmerksamkeit auf sich;
Die Zimmerleute legen Dielen; die Klempner verzinnen das Dach; die Maurer rufen nach Mörtel;
In Reihe hintereinander schreiten die Arbeiter voran und schultern ihre Tröge;
Die Jahreszeiten gehen in ihrer Reihe hin, und die zahllose Menschenmasse versammelt sich, es ist der vierte des 7. Monats, (was für ein Salutschießen von Kanonen und Kleingewehr!)
Die Jahreszeiten gehen hin in ihrer Reihe, und der Pflüger pflügt, der Mäher mäht, und das Winterkorn fällt in den Erdboden;
Auf den Seen lauert der Hechtfischer und wartet bei dem Loch auf der hartgefrorenen Fläche;
Die Baumstümpfe stehen dicht rund um die Lichtung, der Kolonist haut tief mit der Axt;
Flachbootleute legen sich zur Dämmerzeit beim Wollbaumgehölz fest und bei den Pekanbäumen;
Waschbärjäger streifen durch das Rotflußgebiet, oder durch das vom Tenessee bewässerte oder das von Arkansas;
Fackeln leuchten durch das Dunkel, das auf dem Chattahooche oder auf Altamahaw liegt;
Patriarchen sitzen beim Abendbrot von Söhnen, Enkeln und Urenkeln umgeben;
Hinter Lehmwänden, in Leinwandzelten rasten Jäger und Trapper nach des Tages Jagdwerk;
Stadt und Land, die schlafen;
Die Lebenden schlafen ihre Zeit und die Toten die ihre;
Der bejahrte Ehemann schläft bei seinem Weib und der junge bei dem seinen;
Diese alle drängen sich in mich hinein, und ich dränge mich hinaus zu ihnen.
Und was es besagt, einer von ihnen zu sein: mehr oder weniger bin ich es,
Und aus einem und allen von ihnen webe ich diesen Gesang von mir selbst.
Ich bin so gut ein Greis wie ein Jüngling, ein Tor wie ein Weiser,
Ohne Rücksicht auf andere, stets voll Rücksicht auf andre;
Mütterlich so gut wie väterlich, Kind so gut wie Mann,
Angefüllt mit grobem Stoff, und angefüllt mit feinem Stoff,
Ein Angehöriger der Nation von vielen Nationen, die geringste gleich der größten;
Ein Sohn des Südens so gut wie des Nordens, ein Plantagenbesitzer nonchalant und gastfreundlich, wohne ich unten am Oconee;
Ein Yankee schlage ich meine eigenen Wege ein, gewandt im Handel, meine Glieder die behendesten auf der Erde und die sehnigsten;
Ein Bewohner von Kentucky durchstreife ich das Elkhorntal in Rehfellgamaschen, ein Louisianer oder Georgier,
Ein Bootsmann über Seen, Buchten und an Küsten entlang, ein Hoosier, Badger, Buckeye;
Spitznamen für die Bewohner von Indiana, Wisconsin und Ohio.
Zu Hause in kanadischen Schneeschuhen oder draußen im Busch, oder mit den Fischern von Newfoundland,
Zu Hause auf der Eisbootflotte segle und laviere ich mit den andern,
Zu Hause auf den Hügeln von Vermont oder in den Wäldern von Maine, oder in einer Feldhütte in Texas,
Gefährte von Kaliforniern, Gefährte der freien Nordwestleute (deren hohe Gestalt ich liebe),
Gefährte von Flößern und Kohlenträgern, Gefährte von allen, die die Hand reichen und zu Trank und Speise einladen,
Ein Schüler mit den Einfältigsten und ein Lehrer der Gedankenreichsten;
Ein Novize, der eben erst beginnt und doch erfahren in Myriaden von Jahren,
Von jeder Farbe bin ich und jedem Stand, von jedem Rang und jeder Religion,
Farmer, Handwerker, Künstler, Edelmann, Matrose, Quäker,
Gefangener, Zierbengel, Raufbold, Rechtsanwalt, Arzt, Priester.
Alles bestehe ich besser als meine eigene Vielfältigkeit;
Atme die Luft, doch lasse genug davon über,
Und bin nicht aufgeblasen und bin da, wohin ich gehöre.
(Motte und Fischlaich sind an ihrem Platz,
Die helle Sonne, die ich sehe und die dunklen, die ich nicht sehe, sind an ihrem Platz,
Das Betastbare ist an seinem Platz und das Unbetastbare an dem seinen.)
Dies sind in Wahrheit die Gedanken aller Menschen in allen Zeitaltern und Ländern, sie rührten ursprünglich nicht von mir her.
Sind sie nicht die deinen ebensogut wie die meinen, so sind sie nichts oder so gut wie nichts;
Sind sie nicht das Rätsel oder die Lösung des Rätsels, so sind sie nichts;
Sind sie nicht ebenso nah wie fern, so sind sie nichts.
Das ist das Gras, das überall wächst, wo es Land und wo es Wasser gibt;
Dies ist die gemeinsame Atmosphäre, in der die Erdkugel sich badet.
Mit gewaltiger Musik komme ich, mit Zinken und Trommeln;
Ich spiele nicht bloß Märsche für anerkannte Sieger, ich spiele auch Märsche für Besiegte und Erschlagene.
Hast du gehört, daß es gut sei, einen Sieg zu gewinnen?
Ich sage, es ist ebenso gut zu fallen; Schlachten werden in demselben Sinn verloren, wie sie gewonnen werden.
Ich trommle und trommle zu für die Toten;
Ich setze an und blase für sie ein Lautestes und Fröhlichstes.
Vivat für die, denen es fehlschlug!
Und für die, deren Schlachtschiffe auf der See sanken!
Und für die, die selber in der See ertranken!
Und alle Generale, die Schlachten verloren, und alle edlen, besiegten Helden!
Und den zahllosen unbekannten Helden gleich dem größten, die man kennt!
Dies ist das für alle auf's Gleiche gerichtete Mahl; dies ist das Fleisch für den natürlichen Hunger;
Für die Bösen ist es so gut wie für die Rechtschaffenen; ich treffe Vereinbarungen mit allen;
Ich dulde nicht, daß eine einzige Person geringgeschätzt oder übergangen werde.
Die Ausgehaltene, der Schmarotzer, der Dieb sind hiermit geladen;
Der dicklippige Sklave geladen, der Venerische geladen;
Es soll kein Unterschied zwischen ihnen und den übrigen sein.
Dies ist der Druck einer schüchternen Hand, dies das Wehen und Duften des Haares;
Dies ist die Berührung meiner Lippen mit den deinen, dies das Flüstern der Sehnsucht;
Dies die ferne Tiefe und Höhe, die mein eigenes Gefühl widerspiegelt,
Das gedankentiefe Einswerden und die Wiederablösung meiner selbst.
Meinst du, ich hätte irgendeinen tieferen Vorsatz?
Wohl, ich habe einen; die Regenschauer des vierten Monates haben einen und der Glimmer an der Seite des Felsens hat einen.
Meinst du, ich möchte Erstaunen erregen?
Erregt das Tageslicht Erstaunen? Oder das früherwachte Rotschwänzchen, das durch den Wald zwitschert?
Errege ich mehr Erstaunen als sie?
In dieser Stunde sage ich vertrauliche Dinge;
Ich möchte sie nicht jedermann sagen: aber dir will ich sie sagen.
Wer geht da? Gierig, grob, mystisch, nackt?
Wie kommt es, daß ich Kraft ziehe aus dem Rindfleisch, das ich esse?
Was mag wohl ein Mann sein? Was bin ich? Was bist du?
Allem, was ich als das Meinige bezeichne, sollst du ein Deiniges gegenübersetzen,
Sonst wäre es verlorene Zeit, mir zuzuhören.
Ich winsle nicht mit dem Allerweltsgewinsel,
Daß die Monate leere Räume wären, und der Boden nichts als Schlamm und Kot.
Winseln und Zukreuzkriechen mischt in die Pulver für Kranke, laßt die Anpassung den Vettern vierten Grades;
Ich trage meinen Hut wie's mir gefällt, drinnen oder draußen.
Weshalb muß ich beten? Weshalb muß ich verehren und zeremoniös sein?
Nachdem ich die Erdschichten durchforscht und analysiert habe auf ein Haar, Gelehrte zu Rate gezogen und genaue Berechnung angestellt habe,
Finde ich doch kein süßeres Fett als das, was auf meinen eigenen Knochen sitzt.
In allem Volk seh' ich mich selbst, keiner ist mehr und keiner um ein Gerstenkorn geringer als die anderen,
Und das Gute oder Schlimme, das ich von mir selbst sage, sage ich von ihnen.
Ich weiß, daß ich fest und gesund bin,
Nach mir hin streben und laufen zusammen beständig alle Dinge des Universums,
Alle sind an mich geschrieben und ich muß erforschen, was ihre Schrift bedeutet.
Ich weiß, daß ich unsterblich bin,
Ich weiß, dieser mein Kreislauf kann von eines Zimmermanns Zirkel nicht umspannt werden,
Ich weiß, daß ich nicht vergehen werde wie der Feuerkreis, den ein Kind mit einem Stück brennenden Holzes in die Nacht zeichnet.
Ich weiß, daß ich erhaben bin;
Ich bemühe meinen Geist nicht, sich selbst zu rechtfertigen, oder sich verständlich zu machen,
Ich sehe, daß sich die Urgesetze niemals entschuldigen,
(Ich meine, ich betrage mich am Ende nicht hochmütiger als die Wasserwaage, nach der ich den Grund meines Hauses lege.)
Ich existiere, wie ich bin, das genügt.
Wenn kein anderer in aller Welt mich gewahrt, so sitz' ich da in Zufriedenheit,
Und wenn jeder und alle mich gewahren, so sitz' ich da in Zufriedenheit.
Eine Welt ist meiner gewahr, und zwar die für mich bei weitem umfangreichste, und die bin ich selbst;
Und ob ich zu den Meinigen hingelange heute, oder in zehntausend oder in zehn Millionen Jahren,
So kann ich es mit Freuden jetzt hinnehmen, und mit gleicher Freude kann ich auch warten.
Die Stätte, wo ich stehe, ist gefügt und verzapft in Granit;
Ich lache über das, was ihr Auflösung nennt,
Und ich kenne die Fülle der Zeit.
Ich bin der Dichter des Leibes und ich bin der Dichter der Seele;
Die Seligkeiten des Himmels sind bei mir, und bei mir sind die Qualen der Hölle.
Jene veredle und vermehre ich in mir, diese übertrage ich in neue Zungen.
Ich bin der Dichter des Weibes gleicherweise wie der des Mannes,
Und ich sage, es ist ebenso erhaben ein Weib wie ein Mann zu sein;
Und ich sage: daß es nichts Erhabeneres gibt als die Mutter des Menschen.
Ich singe den Sang der Aufgeblasenheit und des Stolzes;
Wir haben uns gedrückt und entschuldigt genug.
Ich zeige, daß Größe nur Entwicklungsstadium ist.
Hast du die andern überholt? Bist du Präsident?
Es ist ein Geringes; sie werden alle weiter gelangen als bis dahin und noch darüber hinaus.
Ich bin der, der mit der milden, heraufsteigenden Nacht wandelt;
Ich rufe der Erde zu und dem Meer, dem von der Nacht halbumfangenen:
Drücke dich fest an mich, o Nacht, mit bloßen Brüsten – drücke dich fest an mich, magnetische, nährende Nacht,
Nacht der Südwinde! – Nacht der wenigen großen Sterne!
Stille, nickende Nacht! – Wilde nackte Sommernacht!
Lächle, o üppige, kühl angehauchte Erde!
Erde der schlummernden, verschwimmenden Bäume!
Erde nach Sonnenuntergang! Erde der nebelverhüllten Berghäupter!
Erde mit dem gläsernen Guß des Vollmondes;, mit sanftem blauem Schimmer bedeckt!
Erde des Glanzes und Dunkels, die die Flut des Stromes flecken!
Erde der klaren grauen Wolken, breiter und klarer um meinetwillen!
Allumarmende Erde! Reiche, in Apfelblüten prangende Erde!
Lächle, denn dein Geliebter naht!,
Verschenkerin, du hast mir Liebe gegeben – so gebe auch ich dir Liebe!
O unaussprechliche, leidenschaftliche Liebe!
Und du, Meer! Auch dir ergebe ich mich – ich ernte, was du meinst;
Vom Gestade gewahre ich deine einladend gekrümmten Finger.
Ich glaube, du willst dich nicht eher zurückziehen, als bis du mit mir in Berührung gekommen bist.
Laß uns einen Gang miteinander machen; ich entkleide mich; führe mich hurtig außer Sicht des Landes!
Bette mich sanft; wiege mich im wogigen Taumel;
Überschütte mich mit zärtlicher Feuchte – ich kann es dir entgelten.
Meer der langgedehnten Grundwogen;
Meer, das mit breiten, zuckenden Zügen atmet;
Meer, mit deiner lebendigen Salzflut, mit deinen ungeschaufelten, doch stets bereiten Gräbern;
Heulendes, sturmtosendes, wetterwendisches und liebliches Meer;
Du und ich, wir sind eins; auch ich habe eine Phase und alle Phasen.
Ein Teil ich von Ebb' und Flut; Lobpreiser von Haß und Versöhnung;
Lobpreiser von Freunden und solcher, die Arm in Arm schlafen.
Ich bin, der Sympathie verkündet,
(Sollte ich meine Inventarliste von den Gegenständen des Hauses aufstellen und das Haus, das sie trägt, auslassen?)
Ich bin nicht allein der Dichter der Rechtschaffenheit: ich weigere mich nicht, ebenso der Dichter der Gottlosigkeit zu sein.
Was für ein Geschwätz da von Tugend und Laster?
Übel regt mich an und Verbesserung des Übels regt mich an; gleichmütig steh' ich da.
Mein Gang ist nicht der eines Tadlers oder eines Verwerfenden;
Allem, was gewachsen ist, feuchte ich die Wurzeln.
Fürchtest du etwa Skropheln aus der nie erschlaffenden Fruchtbarkeit?
Meinst du, daß die himmlischen Gesetze noch zu überarbeiten oder zu berichtigen wären?
Ich halte die eine Seite für ein Gegengewicht und halte die entgegengesetzte Seite für ein Gegengewicht;
Und ich halte die sanfte Lehre für eine ebenso treue Hilfe als die starke Lehre;
Und finde in den Gedanken und Taten der Gegenwart unser Aufwachen und unsern ersten Anfang.
Die Minute, die in diesem Augenblick von den vergangenen Dezillionen her zu mir kommt:
Es gibt nichts Besseres als sie und als den Augenblick.
Was in der Vergangenheit Tüchtiges geleistet wurde oder in der Gegenwart Tüchtiges geleistet wird, ist nicht so sehr ein Wunder;
Ein Wunder ist nur und immer, wie es möglich ist, daß es einen gemeinen oder einen ungläubigen Menschen geben kann.
Endlose Entfaltung von Worten der Zeitalter!
Mein aber ein Wort der Moderne: das Wort En Masse.
Ein Wort des Glaubens, der nimmer trügt;
Hier oder fortan: es ist mir völlig gleich; unbedingt glaube ich an Zeit.
Sie allein ist ohne Riß; sie allein rundet und vervollständigt alles;
Dies mystische, verwirrende Wunder allein vervollständigt alles.
Ich glaube an Wirklichkeit und wage nicht, sie zu beanstanden.
Und schärfe vor allem und nach allem Materialismus ein.
Hoch die positive Wissenschaft! Lang lebe die exakte Demonstration!
Man hole Mauerpfeffer gemischt mit Zeder- und Fliederzweigen;
Hier ist der Lexikograph, hier der Chemiker, hier, der eine Grammatik aus den alten Papyrusinschriften zusammenstellt;
Hier die Seeleute, die das Schiff durch gefahrvolle unbekannte Meere steuern;
Hier ist der Geolog; hier ist der mit dem Skalpell arbeitet; und hier ist der Mathematiker.
Meine Herren! Euch gebühren allzeit die höchsten Ehren!
Eure Tatsachen sind nützlich, doch sind sie noch nicht meine Wohnung.
Durch sie hindurch trete ich erst in eine Abteilung meiner Wohnung ein.
Meine Worte erinnern weniger an wägbare Eigenschaften:
Sie erinnern mehr an das unaussprechliche Leben, und an die Freiheit und die Erlösung,
Und sie machen wenig Umstände mit Zwittern und Kastraten, sondern begünstigen völlig ausgerüstete Männer und Weiber;
Sie schlagen die Trommel des Aufstandes, verweilen bei Flüchtlingen und solchen, die sich verschwören und konspirieren.
Walt Whitman, ein Kosmos, Manhattans Sohn;
Stürmisch, fleischlich, sinnlich, essend, trinkend und zeugend;
Kein Empfindler, der sich über Männer und Weiber stellt oder sich von ihnen absondert,
Nicht mehr bescheiden als unbescheiden.
Schraubt die Schlösser von den Türen!
Löst die Türen selbst von ihren Pfosten!
Wer einen andern erniedrigt, der erniedrigt mich;
Und alles, was getan und gesagt wird, fällt schließlich auf mich zurück.
Endlos durchwogt mich der Hauch des Geistes, der Strom und Zeiger.
Uralte Losung sprech' ich aus; ich gebe das Zeichen der Demokratie.
Bei Gott! Ich werde nichts annehmen, woran nicht ein jeder andre auch sein Part haben kann unter den gleichen Bedingungen.
Manche lange verstummten Stimmen gehen durch mich durch;
Stimmen endloser Generationen von Gefangenen und Sklaven;
Stimmen von Kranken und Verzweifelnden, von Dieben und Krüppeln;
Stimmen von Kreisläuften der Vorbereitung und des Wachstums;
Stimmen der Fäden, die die Gestirne miteinander verknüpfen, von Mutterleib und Zeugungsstoff;
Und von den Rechten derer, die von andern unterdrückt wurden,
Der Mißgestalteten, der Albernen, Flachen, Närrischen, Verachteten,
Der Nebel in der Luft, der Käfer, die Kügelchen aus Dung rollen.
Durch mich gehen verbotene Stimmen;
Stimmen von Geschlechtern und Begierden; verschleierte Stimmen und ich, der den Schleier wegzieht;
Unzüchtige Stimmen, die durch mich erhellt und verklärt werden.
Ich presse mir nicht die Finger auf den Mund;
Ich halte die Eingeweide für ebenso kostbar wie Kopf und Herz;
Die Begattung halte ich für nicht anstößiger als den Tod,
Ich glaube an das Fleisch und die Begierden,
Gesicht, Gehör, Gefühl sind Wunder,
Und jeder Teil und Zipfel von mir ist ein Wunder.
Göttlich bin ich innen und außen und heilig mach' ich, was immer ich berühre oder was mich berührt.
Der Duft dieser Achselhöhlen ist ein Duft, feiner als Gebet,
Dieses Haupt mehr als Kirchen, Bibeln und alle Glaubensbekenntnisse.
Wenn ich ein Ding mehr verehre als ein anderes, so soll es mein Körper sein von oben bis unten, oder irgendein Teil von ihm.
Lichte Gestalt, du, sollst es sein!
Stärke männlicher Jugend, du sollst es sein!
Was immer mir zum Wohl gereicht, das soll es sein!
Du mein kostbares Blut! Du milchweißer Strom, bleicher Ausfluß meines Lebens!
Brust, die sich an andre Brüste preßt, du sollst es sein!
Mein Hirn, deine geheimen Windungen sollen es sein!
Wurzel des wasserbespülten Kalmus! Scheue Teichschnepfe! Nest mit den geschützten Doppeleiern, ihr sollt es sein!
Saft, der vom Ahorn trieft; kräftige Weizenfaser: ihr sollt es sein!
Reichspendende Sonne, du sollst es sein!
Dünste, die ihr mein Gesicht beleuchtet und beschattet: ihr sollt es sein!
Ihr, feuchte Bäche und Tauniederschläge sollt es sein!
Ihr Winde, deren sanftkitzelnde Genitalien über mich hinstreicheln, ihr sollt es sein!
Breitwinklige Felder, Steineichenzweige, die meine gewundenen Pfade liebevoll beschatten: ihr sollt es sein!
Hände, die ich ergriffen; Lippen, die ich geküßt; Sterblicher, den je ich berührt: ihr sollt es sein!
Ich bin in mich selbst verliebt, – alles und jeder Teil ist da so köstlich.
Ein jeder Augenblick und alles was geschieht, macht mich beben vor Freude.
Ich kann nicht sagen, wie meine Fußknöchel sich drehen, noch was der Ursprung meines leisesten Wunsches;
Noch die Ursache der Freundschaft, die von mir ausströmt, noch die Ursache der Freundschaft, die ich empfange.
Wenn ich meine Treppe hinansteige, mach' ich halt und überlege, ob das Wirklichkeit ist.
Ein Morgenschimmer an meinem Fenster befriedigt mich mehr, als die Metaphysik der Bücher.
Den Tagesanbruch zu schauen!
Der erste Lichtstreifen macht die ungeheure, mondlichte Schattenwelt verbleichen;
Wie erquickt die Morgenluft meinen Gaumen!
Sprossen der erwachenden Welt – still erheben sie sich mit unschuldigem Frohlocken, frisch schießen sie hervor;
Schräg schnellen sie hin, in die Höhen und in die Tiefen.
Etwas Unsichtbares richtet lüsterne Zacken empor,
Meere von glänzendem Saft überfluten den Himmel.
Der Himmel, der bei der Erde verweilt, bei der täglich neugeschlossenen Vereinigung;
Die Herausforderung, die sich in diesem Augenblick vom Osten her erhebt,
Der höhnende Spott: Siehe denn, ob du dich behauptest!
Mit seiner schrecklichen, blendenden Helle, wie schnell würde der Sonnenaufgang mich töten,
Könnte ich nicht jetzt und allezeit Sonnenaufgang aus mir selbst entsenden.
Auch wir steigen auf, blendend und furchtbar wie die Sonne;
Unser eigenes Ich fanden wir, o meine Seele, in der stillen Frische des Taganbruches.
Meine Stimme geht nach dem aus, was meine Augen nicht erreichen können;
Mit einer Wendung meiner Zunge umfasse ich Welten und Massen von Welten.
Die Sprache ist die Zwillingsschwester meines Gesichtes! sie ist außerstande sich selbst zu ermessen;
Unaufhörlich reizt sie mich, spottet und sagt:
Welt, du enthältst doch genug, warum gibst du es denn nicht von dir?
Komm nur! Ich lasse mich nicht necken, du hältst zu viel vom Ausdruck;
Weißt du nicht, Sprache, wie die Knospen unter dir gefaltet sind?
Sie harren im Dunkel, vor'm Frost geschützt;
Es weicht der Schmutz vor meinem prophetischen Geschrei;
Ich lege Ursachen unter, um sie schließlich im Gleichgewicht zu halten,
Mein Wissen, meine lebendigen Bestandteile, die mit der Bedeutung aller Dinge Schritt halten,
Glückseligkeit (wer immer mich hört, Mann oder Weib, mache sich unverzüglich auf, sie zu suchen).
Mein höchstes Verdienst verweigere ich euch; ich verweigere das, was ich wirklich bin, aus mir herauszusetzen;
Umfasse Welten, aber suche nicht, mich zu umfassen.
Ich bedränge dich schon gehörig, wenn ich bloß nach dir hinblicke.
Schrift und Rede beweist mich nicht;
Alle Beweisfülle und alles übrige trag' ich in meinem Antlitz,
Mit dem Schweigen meiner Lippen setze ich den Zweifler in völlige Verwirrung.
Jetzt will ich nichts tun als lauschen,
Damit das, was ich höre, in diesem Lied erwachse, daß es sie durch diese Klänge bereichere.
Ich höre Jubellieder von Vögeln, Knistern des Weizens in seinem Wachstum, Schwatzen von Flammen, Knacken von Reisig, mit dem ich mein Mahl koche,
Ich höre den Ton, den ich liebe, den Ton der menschlichen Stimme;
Ich höre alle Töne ineinanderfließen, verbunden, verschmolzen oder in ihrer Aufeinanderfolge;
Laute der Stadt und Laute von außerhalb der Stadt, Laute von Tag und Nacht;
Das muntere Plaudern junger Liebender miteinander; das schallende Lachen der Handwerker bei ihren Mahlzeiten;
Den rauhen Zornlaut zerrissener Freundschaft; die schwachen Laute der Kranken;
Den Richter, der mit den Händen sein Pult preßt, während seine bleichen Lippen das Todesurteil verkünden;
Das Hoiho! der Packer, die auf den Werften die Schiffe ausladen; den Kehrreim derer, welche Anker lichten;
Das Läuten der Sturmglocken, den Feuerruf, das Klirren der heranstürmenden Feuerspritzen und Schlauchwagen mit warnendem Geläut und bunten Lichtern;
Die Dampfpfeife, das dumpfe Rollen des Zuges herannahender Waggons;
Den Trauermarsch an der Spitze des Vereins gespielt, der zu Zwei und Zwei marschiert,
(Sie gehen und geleiten eine Leiche, die Fahnenspitzen sind mit schwarzem Flor umwunden).
Ich höre das Cello (es ist des Jünglings Herzensklage);
Ich höre das Klapphorn; schnell dringen seine Töne an mein Ohr,
Mit wildsüßen Stößen erschüttern sie mir Bauch und Brust.
Ich höre den Chor, eine große Oper.
Ach! Das heiß' ich Musik! – Das stimmt zu mir!
Eine Tenorstimme, groß und frisch wie die Schöpfung, erfüllt mich;
Es strömt aus der bogenförmigen Mundwölbung und erfüllt mich ganz.
Ich höre die gut ausgebildete Sopranstimme (was für eine Wirkung geht von ihr aus!)
Das Orchester wirbelt mich weiter als Uranus fliegt,
Es entlockt mir solche Glut des Gefühls, ich ahnte nicht, daß ich sie vermöchte;
Es wiegt mich mit Wogen; ich plätschere mit bloßen Füßen; sie werden von den sanften Wellen bespült;
Ich werde von scharfem und zornigem Hagel geschnitten, der Atem geht mir aus;
In honigsüßes Morphin fühl' ich mich getaucht; meine Kehle wird geschnürt von Schlingen des Todes;
Schließlich tauch ich wieder empor, um das Rätsel der Rätsel zu fühlen,
Und das nennen wir: Sein.
Sein in irgendeiner Gestalt: was ist es?
(Wir gehen, jeder von sich aus, in die Runde und wieder in die Runde, und immer wieder kommen wir darauf zurück);
Wenn weiter keine Stufe der Entwicklung vorläge, so wäre die Seemuschel in ihrer empfindungslosen Schale ausreichend;
Meine Schale ist nicht unempfindlich;
Ich bin bedeckt mit schnellen Leitern, ob ich gehe oder stehe;
Sie erfassen jeden Gegenstand, um ihn ohne Schaden durch mich hindurchzuleiten.
Ich brauche mich bloß zu bewegen, zu drücken, mit den Fingern zu tasten und ich bin glücklich;
Meinen Leib mit dem eines anderen in Berührung zu bringen, ist schon so viel, wie ich aushalten kann.
Ist dies denn eine Berührung? die mich zu einer neuen Wesenheit bebend hinzieht?
Flammen und Äther, die auf meine Adern losstürmen;
Verräterische Spitze, die von mir sich ausstreckt und wächst, ihnen zu helfen;
Mein Fleisch und mein Blut, die Blitzstrahlen schießen, um das zu treffen, was kaum von mir besonders verschieden ist;
Von allen Seiten wollüstige Reize, die meine Glieder straffen;
Die aus meines Herzens Euter den letzten zurückgehaltenen Tropfen pressen;
Die sich gegen mich schamlos benehmen und meine Weigerung nicht beachten;
Und wie mit Vorsatz meines Besten mich berauben;
Die meine Kleider aufknöpfen und meinen bloßen Leib umfassen;
Die meine Verwirrung täuschen mit dem Frieden von Sonnenlicht und Wiesengrün,
Und meine andern Sinne unzüchtig von mir wegschleppen,
Bestechen sie, mit der Berührung einen Bund zu schließen, davonzulaufen und an meinen Rändern zu weiden,
Keine Rücksicht, keine Acht auf das Sinken meiner Kraft oder auf meinen Zorn,
Sondern sie holen die übrige Herde herbei, daß sie sich eine Weile ergötzen,
Dann alle miteinander auf einem Vorland stehen, um meiner zu spotten.
Die Wachen verlassen jeden andern Teil von mir,
Ohnmächtig haben sie mich einem roten Räuber preisgegeben,
Alle kommen sie zu dem Vorland, um gegen mich zu zeugen und sich gegen mich einander beizustehen.
Preisgegeben bin ich von Verrätern;
Ich rede Unsinn, habe meinen Verstand verloren; ich selbst und niemand anders ist der größte Verräter;
Ich selber zuerst ging auf das Vorland, meine eigenen Hände haben mich dorthin geführt.
Du schurkische Berührung! Was hast du vor? Der Atem stickt mir in der Kehle.
Schließ auf deine Fluttore! Du bist mir zu stark.
Blinde, liebevolle, ringende Berührung! Verhüllte, verkappte, scharfzahnige Berührung!
Hat es dir so weh getan, mich zu lassen?
Der Trennung auf der Ferse folgt die Ankunft, beständige Bezahlung beständigen Darlehens.
Reichlich strömt der Regen, reichlicher ist nachher der Ersatz.
Sprossen schlagen Wurzeln und mehren sich, stehen am Zaun, fruchtbar und triebkräftig,
Landschaften werden entworfen, kräftige, volle, goldene.
Alle Wahrheiten warten in allen Dingen;
Weder beschleunigen sie ihre eigene Befreiung, noch widerstehen sie ihr.
Sie bedürfen nicht der Zange des Geburtshelfers.
Das Unbedeutende ist mir ebenso wichtig wie irgend etwas andres,
(Was ist unbedeutender oder bedeutender als eine Berührung?)
Niemals überzeugen Logik und Predigten;
Der feuchte Nachttau dringt tiefer in meine Seele ein.
(Einzig, was einem jeden Mann und einem jeden Weibe sich bestätigt, ist so;
Einzig, was niemand leugnet, ist so.)
Eine Minute und ein Tropfen von mir beruhigen mein Gehirn.
Ich glaube, daß die feuchten Schollen zu Liebenden und Leuchten werden sollen;
Und ein Auszug der Auszüge ist das Fleisch eines Mannes oder Weibes,
Und ein Gipfel und eine Blume auf ihm ist die Empfindung, die sie füreinander hegen;
Und ohne Ende haben sie aus dieser Lehre Äste zu treiben, die allmächtig wird,
Und bis alle und jeder uns Wonne bereiten und wir ihnen.
Ich glaube, daß ein Grashalm nicht geringer ist als ein Tageslauf der Gestirne;
Und die Ameise ist ebenso vollkommen, ein Sandkorn und des Zaunkönigs Ei.
Und die Baumkröte ist ein Meisterstück vor dem Auge des Allerhöchsten;
Und die Brombeerranken könnten die Hallen des Himmels schmücken;
Und das schmälste Gelenkband meiner Hand verspottet jede Maschinerie;
Und die mit gesenktem Haupt kauende Kuh übertrifft jedes Bildwerk;
Und eine Maus ist Wunders genug, um Sextillionen von Ungläubigen wanken zu machen.
Ich finde, mein Körper enthält Gneis, Kohlen, langfasriges Moos, Früchte, Ähren, eßbare Wurzeln.
Und ich bin über und über mit einer Stukkatur von Vierfüßlern und Vögeln bedeckt;
Und ich habe aus guten Gründen zurückgelassen, was hinter mir liegt,
Kann aber jegliches, wenn ich es wünsche, wieder zurückrufen.
Vergebens Eile und Scheu,
Vergebens sendet das Plutonische Gestirn seine alte Glut meinem Nahen entgegen;
Vergebens zieht sich das Mastodon hinter seine eigenen, staubgewordenen Knochen zurück,
Vergebens stehen die Gegenstände meilenweit voneinander ab und nehmen mannigfaltige Gestalten an,
Vergebens senkt der Ozean sich in Höhlen und lauern die großen Ungeheuer in der Tiefe,
Vergebens ist der Bussard im Firmament zu Hause,
Vergebens gleitet die Schlange zwischen Schlingpflanzen und Holzklötzen,
Vergebens strebt der Elch in die innersten Gründe der Wälder,
Vergebens segelt der Scheermesserschnäbler fern gegen Nord nach Labrador,
Schnell bin ich hinterher; ich steige nach, hinauf zum Nest in der Felsenritze.
Ich meine, ich könnte mich zu den Tieren wenden und mit ihnen leben; sie sind so ruhig und selbständig;
Ich stehe und betrachte sie lange und lange.
Sie schwitzen und wimmern nicht über ihre Lage,
Sie liegen nicht im Dunkel und weinen über ihre Sünden,
Sie machen mich nicht elend durch Erörterungen über ihre Pflichten Gott gegenüber;
Kein einziges ist unzufrieden; kein einziges besessen von der Manie nach Besitz;
Kein einziges kniet vor einem andern, oder vor einem seinesgleichen, der vor Tausenden von Jahren lebte,
Kein einziges ist respektabel oder unglücklich auf der ganzen Erde.
So zeigen sie ihre Beziehungen zu mir, und ich erkenne sie;
Sie bringen mir Zeichen von mir selbst und beweisen klar und deutlich ihr Eigentumsrecht daran.
Ich staune, woher sie diese Zeichen haben!
Bin ich vor ungeheuren Zeiträumen dort vorbeigegangen und habe sie nachlässig fallen lassen?
Ich selber, der vorrückte, damals, und jetzt und ewig?
Um immer größeren Besitz zu sammeln und eilig zu erschauen?
Unendlich- und von mannigfacher Art, alledem gleich und mitten darunter?
Nicht zu hochmütig gegen« die, die mir ein Erinnerungszeichen darreichen.
Hier suche ich mir einen aus, den ich liebe und gehe nun brüderlich mit ihm gleichen Weg.
Einen schönen starken Hengst, lebhaft und empfänglich für meine Liebkosungen;
Das Haupt hoch in der Stirn, breit zwischen den Ohren,
Die Glieder glänzend und flink, der Schweif streift den Boden,
Die Augen voll funkelnder Bosheit, feingeschnitten die Ohren, geschmeidig in der Bewegung.
Seine Nüstern blähen sich, wenn meine Fersen ihn umschließen,
Seine wohlgebauten Glieder zittern vor Lust, wenn wir im Kreise herumstürmen.
Nur für eine Minute will ich dich benutzen, Hengst, und dich dann wieder freigeben.
Wozu brauche ich deine Sprünge, da ich dich doch selber im Galopp überholen kann?
Selbst wenn ich sitze oder stehe, komme ich ja doch schneller vorwärts als du.
Raum und Zeit! Jetzt sehe ich, es ist wahr, was ich bereits erriet;
Was ich erriet, als ich da müßig im Gras lag,
Was ich erriet, als ich allein lag in meinem Bette,
Und noch einmal erriet, als ich am Meeresgestade wandelte unter den erblassenden Sternen der Frühe.
Meine Bande und mein Ballast fallen von mir ab, meine Ellbogen ruhen in Meerbuchten,
An Gebirgen streif ich hin, meine Handflächen bedecken Kontinente,
Ich gehe mit meinem Traum.
Unter den viereckigen Stadthäusern lagere ich, in Blockhäusern mit Holzhändlern;
Chausseegleise wandre ich hin, die trockene Schlucht entlang und dem Bette des Bächleins;
Ich jäte meinen Zwiebelacker, die Reihen der Karotten und Pastinaken, durchquere die Savannen, verfolge den Pfad in den Wäldern;
Messe Land, grabe nach Gold, umschneide die Bäume auf einem neuangekauften Gut;
Vom heißen Sand bis auf die Fußknöchel verbrannt, schleppe ich mein Boot den flachen Fluß hinab,
Wo auf dem Ast mir zu Häupten der Panther hin und her geht, wo der Rehbock wütend den Jäger angeht;
Wo die Klapperschlange ihre schlappe Länge auf einem Felsen sonnt, wo der Otter Fische frißt,
Wo der Alligator in seinem zähen Warzenpanzer am Abfluß des Sees schläft;
Wo der schwarze Bär nach Wurzeln und Honig sucht, wo der Biber den Schlamm patscht mit seinem ruderförmigen Schwanze;
Über sprossendes Zuckerrohr, über gelbblühende Baumwollstauden, über den Reis in seinem feuchten, tiefen Feld;
Über das spitzgieblige Farmerhaus mit seinem gezackten First und den schlanken Wassergüssen von der Rinne herab;
Über die Dattelpflaumen des Westens, über den langblättrigen Mais, über den zierlichen blaublumigen Flachs,
Über den weißen und braunen Buchweizen, ein Summer und Brummer da mit den anderen,
Über das grauliche Grün des Roggens, wie er da webt und wogt im Winde;
Berge ersteig' ich; ziehe mich vorsichtig hinauf, indem ich mich an niedrigen, rauhen Ästen festhalte;
Ich verfolge den im Grase ausgetretenen Pfad und schlage mich durch das Laubwerk des Dickichts,
Wo die Wachtel zwischen Wald und Weizenacker schlägt,
Wo an den Abenden des siebenten Monats die Fledermaus flattert, wo der große Goldkäfer durch das Dunkel hastet,
Wo das Bächlein unter den Wurzeln des alten Baumes hervorkommt und der Wiese zufließt,
Wo das Vieh steht und sich mit zuckender Bewegung der Haut die Fliegen abschüttelt;
Bin, wo das Käsetuch in der Küche hängt, wo die Feuerböcke sich über den Herdstein spreizen, wo die Spinngewebe wie Festons von den Balken hängen;
Wo die Hüttenhämmer krachen, wo die Druckerpresse ihre Zylinder wirbelt,
Überall, wo das Menschenherz mit furchtbaren Wehen unter den Rippen hämmert,
Wo der birnenförmige Ballon hoch oben in den Lüften schwebt, (ich selber schwebe in ihm und schaue ruhig hinab),
Wo der Rettungskarren an der Schleife gezogen wird; da wo die Hitze gelbgrüne Eier im Sande ausbrütet;
Wo das Walfischweibchen mit seinem Kalbe schwimmt, ohne es je zu verlassen;
Wo das Dampfschiff seine lange Rauchfahne hinter sich herzieht;
Wo des Haifischs Flosse wie ein schwarzer Span aus dem Wasser schneidet,
Wo die halbverbrannte Brigg auf unbekannten Strömungen fährt,
Wo Muscheln sich am schlüpfrigen Deck ansetzen; wo die Toten unten im Raum verfaulen;
Wo das Sternenbanner an der Spitze der Regimenter getragen wird;
Es nähert sich Manhattan auf seinem langgestreckten Eiland;
Unter dem Niagara, während mir der Wasserfall wie ein Schleier über das Gesicht fällt;
Auf einer Türtreppe draußen; auf dem Aufsteigeblock aus hartem Holz;
Auf der Rennbahn; oder ich ergötze mich bei einem Picknick, oder am Tanz oder an einem guten Ballspiel;
In Männergesellschaften mit groben Spässen, ironischer Ausgelassenheit, Bullentänzen, Saufen, Gelichter;
An der Apfelweinpresse, wo ich die Süße des braunen Breies koste, indem ich den Saft durch einen Strohhalm sauge;
Bei Musterungen, Strandpartien, Wohltätigkeitsvereinen, beim Maishülsefest, beim Richtefest,
Bin, wo die Spottdrossel ihre köstlichen Triller erschallen läßt, ihr Kichern, ihr Schreien, ihr Schluchzen;
Wo der Heustapel im Scheunenhof steht, wo die dürren Halme umherliegen, und wo die Zuchtkuh im Schuppen wartet;
Wo der Stier hervortritt, um sein männliches Werk zu verrichten, wo die Stute auf den Hengst wartet, wo der Hahn die Henne tritt,
Wo die Färse weidet, wo die Gänse mit kurzem Ruck ihr Futter abrupfen,
Wo die Abendschatten sich über die endlose, einsame Prärie breiten,
Wo die Büffelherden über die Quadratmeilen nah und fern eine kriechende Decke bilden;
Wo der Kolibri schimmert, bin ich, wo der Hals des langlebigen Schwanes sich biegt und windet,
Wo die Lachmöve über das Meergestade hinschießt, wo sie ihr fast menschliches Lachen lacht,
Wo auf einer grauen Holzbank im Garten die Bienenkörbe sich reihen, im hohen Unkraut halb verborgen;
Wo die Halsband-Rebhühner im Kreis schlafend auf dem Boden sitzen, die Köpfe nach außen gerichtet;
Und da, wo die Leichenwagen durch das Bogentor des Friedhofs fahren,
Wo zur Winterzeit die Wölfe in den Schneewüsten bellen und zwischen Bäumen mit Eiszapfen behangen;
Wo der gelbgekrönte Reiher nächtens zum Sumpfrand kommt und kleine Krebse fischt;
Bin, wo das Plätschern der Schwimmenden und Tauchenden die heiße Mittagsstunde kühlt,
Wo die Zikade ihre chromatische Pfeife auf dem Walnußbaum über dem Brunnen übt;
Ich wandere durch kleine Felder mit Zitronen und Gurken mit silbergeäderten Blättern,
Durch die Salzlecke oder das Orangental, oder unter spitzgipfligen Fichten;
Durch die Turnhalle, durch den mit Vorhängen geschmückten Saal, durch das Büro und die öffentliche Halle;
Habe meine Freude am Einheimischen und habe meine Freude am Fremdländischen, habe Freude an alt und neu,
Am schlichten Weib, wie an der Schönheit;
An der Quäkerin, wenn sie ihre Haube aufbindet und mit ihrer melodischen Stimme zu sprechen beginnt;
Am Chorlied in der weißgetünchten Kirche,
An den ernsten Worten des schwitzenden Methodisten-Predigers, tief ergriffen beim Feldgottesdienst;
Blicke in die Ladenfenster am Broadway den ganzen Vormittag und plätte meine Nase am dicken Spiegelglas
Und wandere an demselben Nachmittag, das Gesicht den Wolken zugewandt, oder einen Feldweg hin oder die Küste entlang;
Meine Arme schlingen sich rechts und links um ein paar Freunde, und ich in der Mitte;
Kehre heim mit dem schweigsamen, braunwangigen Waldknaben (hinter mir reitet er in der Abenddämmerung),
Weitab von den Ansiedlungen prüfe ich die Wildfährte, oder die Spur des Mokassins.
Reiche bei einem Hospitalbett einem Fieberkranken die Limonade;
Stehe, wenn alles still ist, bei einer eingesargten Leiche und betrachte sie forschend bei einer Kerze;
Bin auf der Fahrt nach jeglichen Häfen, zu tauschen und zu wagen,
Brause hin mit dem modernen Pöbel, ungestüm und wankelmütig wie nur einer;
Heftig gegen den, den ich hasse; in meiner Wut bereit ihn niederzustechen;
Einsam zur Mittnachtszeit in meinem Hinterhof; lange schweifen meine Gedanken fern von mir,
Wandeln über die alten Hügel von Judäa, der holde, gütige Gott an meiner Seite;
Schweifen durch den Raum, durch den Himmel und die Gestirne,
Schweifen zwischen den sieben Satelliten und der Milchstraße und dem Durchmesser von achtzigtausend Meilen;
Schweifen mit geschwänzten Meteoren, schleudern Feuerbälle wie sie;
Ich trage das wachsende Kind, das seine eigene schwangere Mutter in ihrem Bauch trägt;
Stürme, genieße, spinne Pläne, liebe, warne,
Verenge mich, erweitere mich, erscheine und verschwinde,
Betrete bei Tag und Nacht solche Pfade.
Ich betrete die Gärten der Sphären und betrachte ihre Früchte,
Betrachte Quintillionen, die reif und Quintillionen, die noch grün sind.
Ich fliege diese Flüge einer ausströmenden und einsaugenden Seele;
Meine Fahrt geht tief unter die Messungen des Bleilots.
Ich versorge mich von dem Körperlichen und dem Unkörperlichen,
Keine Wache vermag mich zurückzuweisen, kein Gesetz mich zu binden.
Nur eine kleine Weile laß ich mein Schiff vor Anker liegen,
Beständig kreuzen meine Boote oder kehren zu mir zurück mit ihren Berichten.
Ich gehe auf die Jagd nach Polarpelzen und Seehunden, mit einer eisenbeschlagenen Stange überspringe ich Eisspalten, oder klammere mich an die blauen, spröden Zacken.
Ich klettere auf den Topp;
Spät in der Nacht nehme ich meinen Platz im Krähenneste;
Wir segeln auf dem Polarmeer, es ist reichlich hell;
Durch die klare Atmosphäre erschaue ich ringsum wundersame Schönheit;
Ungeheure Eismassen treiben an mir vorbei und ich an ihnen, nach allen Seiten hin ist die Gegend frei zu überschauen;
Weißgipflige Berge zeigen sich in der Ferne, ich lasse meine Phantasie zu ihnen hinschweifen.
Wir nähern uns irgendeinem großen Schlachtfeld, wo wir bald eine Schlacht schlagen werden;
Behutsam, leise paschen wir uns durch die mächtige Vorpostenkette des Lagers,
Oder wir ziehen durch die Vorstädte in eine große verwüstete Stadt ein,
Die Blöcke und die verfallene Architektur ist mehr als alle lebenden Städte der Erdkugel.
Ich bin ein Freischärler, ich biwakiere bei den Wachtfeuern des hereinbrechenden Feindes;
Ich werfe den Bräutigam aus dem Bett und bleibe selber bei der Braut,
Die ganze Nacht hindurch presse ich sie an meine Schenkel und Lippen.
Meine Stimme ist eines Weibes Stimme, ist der Schrei an meinem Treppengeländer;
Sie bringen mir meines Mannes Körper herauf, triefend.
Ich verstehe die großen Herzen der Helden,
Die Tapferkeit der gegenwärtigen Zeiten und aller Zeiten;
Wie der Schiffskapitän das wimmelnde, steuerlose Wrack des Dampfschiffes sah, das der Tod auf und ab durch den Sturm jagte;
Wie er fest zugriff und nicht einen Zoll breit wich und treu war bei Tag und Nacht,
Und mit Kreide große Buchstaben auf ein Brett schrieb: »Seid guten Mutes, wir verlassen euch nicht!«
Wie er ihnen folgte und mit ihnen drei Tage lang lavierte und nicht abstand,
Wie er schließlich die umhertreibende Mannschaft rettete;
Der Anblick der verschmachteten Weiber in ihren schlaffhängenden Röcken; wie man sie auf Booten wegholte von dem Rand ihrer fertigen Gräber,
Die stummen Kinder mit gealterten Zügen und die krampfhaft sich aufrichtenden Kranken und die scharflippigen Männer mit bartverwilderten Gesichtern;
All das nehm' ich auf, es bekommt mir wohl; ich habe es gern, es wird mein.
Ich bin der Mann; ich litt; ich war dabei.
Die Weltverachtung und Ruhe der Märtyrer.
Die Mutter von vordem, als Hexe verdammt, verbrannt mit dürrem Holz, während die Kinder zuschauten;
Der gehetzte Sklave, der vom Laufen ermattet am Zaun lehnt, blutend, mit Schweiß bedeckt,
Die Stiche, die seine Beine und seinen Hals wie Nadeln stechen; die mörderischen Rehposten und Kugeln;
All das fühl' ich oder bin ich.
Ich bin der gehetzte Sklave; ich winde mich unter dem Biß der Hunde,
Hölle und Verzweiflung sind über mich hereingebrochen; es knallen und knallen die Schützen,
Ich klammere mich an die Zaunpfähle; mein Blut trieft, verdünnt durch den Schweiß meiner Haut;
Ich falle auf Unkraut und Steine nieder,
Die Reiter spornen ihre sträubenden Rosse an, holen sie dicht an mich heran,
Schreien Spott in meine schwindelnden Ohren und hauen mir mit ihren Reitpeitschen heftig über den Schädel.
Qualen sind einer meiner Kleiderwechsel;
Ich frage den Verwundeten nicht, wie er sich fühlt, ich werde selbst der Verwundete;
Meine Wunden werden brandig, während ich auf den Stock gelehnt, beobachte.
Ich bin der zerquetschte Feuerwehrmann mit zerbrochenem Brustbein,
Stürzende Mauern begruben mich unter ihren Trümmern;
Hitze und Qualm atme ich ein, ich hörte die gellenden Rufe meiner Kameraden,
Hörte das ferne Picken ihrer Radehacken und Schaufeln,
Sie haben die Balken weggeräumt, sanft ziehen sie mich hervor.
In meinem roten Hemd liege ich in der Nachtluft, tiefes Schweigen herrschte um meinetwillen,
Schmerzfrei lieg' ich nach allem da; erschöpft, aber nicht eben unglücklich,
Weiß und schön sind die Gesichter, die mich umgeben, die Häupter sind von den Feuerkappen entblößt.
Die knieende Schar schwindet mir langsam mit dem Licht der Fackeln.
Entfernte und Tote leben wieder auf;
Sie sind wie das Zifferblatt oder bewegen sich wie meine Zeiger; ich selbst bin die Uhr.
Ich bin ein alter Artillerist; ich erzähle von dem Bombardement einer Festung,
Noch einmal bin ich dort.
Noch einmal der lange Trommelwirbel,
Noch einmal die Kanonen und Mörser der Feinde,
Noch einmal dröhnen meine Ohren von der Antwort unsrer Kanonen.
Ich nehme teil; sehe und höre alles;
Die Schreie, Flüche, das Gebrüll, den Beifall für wohlgezielte Schüsse;
Den Ambulanzwagen, der langsam vorüberfährt und seine rote Traufe hinter sich herzieht;
Die Arbeiter, welche Beschädigungen untersuchen und unerläßliche Reparaturen machen,
Das Fallen der Granaten durch das zerschmetterte Dach, ihr fächerförmiges Platzen;
Das Sausen von Gliedern, Köpfen, Steinen, Holz, Eisen, hoch in der Luft.
Wieder gurgelt der Mund meines sterbenden Generals, wütend schwenkt er mit der Hand,
Durch geronnenes Blut keucht er: »Denkt nicht an mich – denkt – an die Schanzen!«
Jetzt erzähl' ich, was ich von Texas wußte in meiner frühen Jugend,
(Nicht von dem Fall Alamos erzähl' ich,
Nicht ein einziger entkam, um von dem Fall Alamos zu berichten,
Die Hundertundfünfzig sind noch stumm in Alamo).
Es ist die Geschichte von der kaltblütigen Niedermetzelung von 412 jungen Leuten.
Auf dem Rückzug hatten sie ein Viereck gebildet mit ihrem Gepäckzeug als Brustwehr;
Draußen neunhundert Seelen umzingelnder Feinde, neunmal stärker als sie; das war der Preis, den sie im voraus nahmen.
Ihr Oberst war verwundet, ihre Munition war verschossen,
Sie verhandelten um eine ehrenvolle Kapitulation, empfingen Schrift und Siegel, legten ihre Waffen nieder und marschierten als Kriegsgefangene zurück.
Sie waren die Blüte des Jägervolkes,
Unvergleichlich im Reiten, Schießen, Singen, Schmausen und Werben;
Hochgewachsen, feurig, freigebig, schön, stolz und freundlich,
Bärtig, sonnengebräunt, in ihre freie Jägertracht gekleidet,
Nicht ein einziger über dreißig alt,
Am Morgen des zweiten Sonntags wurden sie in Rotten hinausgeführt und niedergemetzelt; es war ein lieblicher Frühsommer.
Das Werk begann um fünf Uhr und war zu Ende um acht Uhr.
Keiner gehorchte dem Befehl zu knieen;
Einige machten einen wilden und vergeblichen Anlauf, einige standen starr und aufrecht;
Wenige fielen sogleich, in die Schläfe oder ins Herz getroffen; Lebendige und Tote lagen durcheinander;
Die Verstümmelten und Verwundeten wühlten im Schmutz, die frisch Ankommenden sahen sie so;
Ein paar Halbgetötete suchten beiseite zu kriechen;
Sie wurden mit Bajonetten abgetan oder mit dem Gewehrkolben niedergeschlagen;
Ein Jüngling, noch nicht siebzehn Jahre alt, packte seinen Mörder, bis zwei andere kamen, ihn zu befreien,
Allen dreien wurde die Kleidung herabgerissen und sie wurden befleckt mit des Jünglings Blut.
Um elf Uhr fing man an, die Leichen zu verbrennen.
Das ist die Geschichte von der Niedermetzelung der 412 Jünglinge.
Möchtest du von einer Seeschlacht aus der alten Zeit hören?
Möchtest du erfahren, wer gewonnen hat beim Licht des Mondes und der Sterne?
Höre diese lange Geschichte, wie sie mir meiner Großmutter Vater, der Seemann, erzählt hat.
Unser Feind war keine Memme in seinem Schiff, kann ich dich versichern (erzählte er);
Sein war die rauhe englische Tapferkeit, und es gibt keine zähere und treuere, noch hat es eine gegeben oder wird es eine geben;
Als der Abend hereinbrach, kam er heran und gab uns eine mörderische Breitseite.
Wir legten uns dicht an ihn, die Rahen verwickelten sich ineinander, die Kanonen stießen zusammen,
Mein Kapitän band mit eigener Hand fest an.
Wir hatten einige achtzehnpfündige Kugeln unter Wasser bekommen,
Auf unserm untersten Kanonendeck waren beim ersten Feuern zwei große Geschütze geplatzt, die alles ringsherum töteten und nach oben zersprengten.
Kampf bei Sonnenuntergang, Kampf in der Dunkelheit.
Zehn Uhr nachts, bei Aufgang des Vollmondes; unsre Lecke nahmen zu, fünf Fuß Wasser berichtet;
Der Kommandant gibt die Gefangenen im Hinterraum frei, um ihnen Gelegenheit zu geben, sich selbst zu retten.
Der Weg vom und zum Pulvermagazin ist jetzt durch Wachen gesperrt.
Man sieht so viele fremde Gesichter; man weiß nicht, wem zu trauen ist.
Unsre Fregatte fängt Feuer.
Die andern fragen, ob wir Quartier verlangen.
Ob unsre Flagge gestrichen und der Kampf zu Ende ist.
Nun lache ich zufrieden; denn ich höre die Stimme meines kleinen Kapitäns:
»Es ist nicht gestrichen,« ruft er gelassen, »wir fangen unsrerseits eben erst das Gefecht an!«
Bloß drei Geschütze sind brauchbar.
Eins wird vom Kapitän selbst gegen des Feindes Hauptmast gerichtet.
Zwei, gut bedient mit Kartätsche und Traubenschuß, bringen sein Musketenfeuer zum Schweigen und klären sein Deck.
Allein die Topps unterstützen das Feuer dieser kleinen Batterie, besonders der Großtopp;
Tapfer halten sie aus durch die ganze Aktion.
Nicht einen Moment lassen sie nach;
Die Lecke steigen schnell trotz des Pumpens, das Feuer frißt gegen die Pulvermagazine hin.
Eine der Pumpen ist weggeschossen worden; wir glauben alle, daß wir sinken.
Ruhig steht der kleine Kapitän.
Er ist nicht in Eile; seine Stimme ist weder laut noch schwach.
Seine Augen leuchten heller als unsre Schlachtlaternen.
Gegen 12 Uhr, dort im Mondschein, ergeben sie sich uns.
Weit und still liegt die Mitternacht.
Zwei große Rümpfe liegen regungslos im Schoß der Finsternis.
Unser Schiff ist durchlöchert und sinkt langsam; man bereitet sich vor, um auf das eroberte hinüberzugehn.
Der Kapitän erteilt auf dem Hinterdeck, mit einem Gesicht weiß wie ein Laken, kalt seine Befehle.
Dicht bei ihm die Leiche eines Jungen, der in der Kajüte bediente.
Das tote Antlitz eines alten Matrosen mit langen weißen Haaren und sorgfältig gekräuseltem Backenbart.
Die Flammen, trotz allem, was getan wird, flackern oben und unten.
Die heiseren Stimmen der zwei oder drei Offiziere, die noch dienstfähig sind.
Unförmliche Leichenhaufen und einzelne Leichen; Fleischklümpchen an Masten und Rahen;
Zerschnittene Taue, baumelndes Takelwerk, leichte Stöße sanfter Wellen;
Schwarze, starre Geschütze; umherliegende Pulverpakete; scharfer Geruch,
Wenige große Sterne oben mit stillem, trübseligem Schimmer.
Zarte Düfte der Seeluft, Geruch nach Schilfgras und Ackerfeldern im Gestade; Aufträge Sterbender an die Überlebenden;
Gezisch von des Wundarztes Messer, die knirschenden Zähne seiner Säge;
Keuchen, Plätschern, Rieseln des Blutes; kurzer wilder Aufschrei und langes, dumpfes verhallendes Stöhnen,
So war es! So! – Unwiderruflich!
Ihr Faulenzer dort oben auf der Wache! Seht nach euren Waffen!
Sie drängen sich durch die eroberten Tore herein! Ich bin besessen!
Verkörpere in mir alle Wesen, geächtete und leidende;
Sehe mich selbst im Gefängnis in der Gestalt eines andern,
Fühle den dumpfen, ununterbrochenen Schmerz.
Meinetwegen schultern die Aufseher der Sträflinge ihre Gewehre und halten Wache;
Ich bin es, den man des Morgens herausläßt und des Nachts wieder einsperrt.
Nicht ein Meuterer wandelt mit Handschellen gefesselt ins Gefängnis, daß ich nicht selbst mit Handschellen an ihn gefesselt ihm zur Seite schritte;
(Ich bin weniger der lustige Kerl dort als vielmehr der Schweigsame, mit Schaum auf meinen zuckenden Lippen).
Nicht ein Knabe ist wegen Diebstahls verhaftet, ohne daß ich mit ihm vor Gericht ginge, gerichtet und verurteilt würde.
Nicht ein Cholera-Patient liegt in den letzten Zügen, daß nicht auch ich in den letzten Zügen läge;
Aschengrau ist mein Gesicht; meine Sehnen krümmen sich: die Leute scheuen vor mir zurück.
Bittende verkörpern sich in mir und ich in ihnen;
Ich strecke meinen Hut hin, sitze verschämt und bettle.
Genug! Genug! Genug!
Ich war in irgendeiner Betäubung. Tretet zurück!
Gebt meinem zerschlagenen Kopf ein wenig Zeit, daß ich schlummere, träume, gähne.
Ich ertappe mich auf der Grenze meines gewohnten Irrtums.
Daß ich doch die Spötter und die Beleidigungen vergessen könnte!
Daß ich doch die rinnenden Tränen vergessen könnte, und die Schläge der Keulen und Hämmer!
Daß ich doch wie ein Unbeteiligter meine eigene Kreuzigung und blutige Krönung anschauen könnte!
Ich besinne mich jetzt;
Bei der übriggebliebenen Lücke setze ich wieder ein.
Das Felsengrab vervielfältigt das, was ihm anvertraut wurde oder irgend welchem andern Grabe.
Leichen stehen auf, Wunden heilen, Fesseln gleiten von mir ab.
Ich ziehe weiter, wieder mit höchster Kraft erfüllt; ein Einzelner in einem allgemeinen, unendlichen Zug,
Im Binnenland wandern wir und am Seegestade und überschreiten alle Grenzen.
Unsre schnellen Verordnungen nehmen ihren Weg über die ganze Erde.
Blüten tragen wir auf unsern Hüten, das Wachstum von Jahrtausenden.
Meine Schüler, seid gegrüßt! Kommt herbei!
Fahrt fort mit euren Anmerkungen, euren Fragen!
Dieser freundliche und ungebundene Wilde, wer ist er?
Wartet er auf die Zivilisation, oder hat er sie hinter sich und ist ihr Meister?
Ist er einer aus Südwesten, im Freien erzogen? Ist er ein Kanadier?
Stammt er aus dem Mississippi-Gebiet? Jowa? Oregon? Kalifornien?
Aus dem Gebirge? Aus der Prärie? Dem Buschleben? Oder ein Seefahrer?
Überall, wo er hinkommt, nehmen ihn Männer und Frauen auf und verlangen nach ihm.
Sie verlangen, daß er sie gern habe, sie berühre, mit ihnen rede, bei ihnen bleibe.
Betragen frei wie Schneeflocken; Worte schlicht wie Gras; ungekämmter Kopf; Lachen und Naivität.
Langsam schreitende Füße; schlichte Gesichtszüge, schlichte Art und Äußerung.
Sie gehen in neuen Formen von seinen Fingerspitzen aus.
Sie wehen aus dem Hauch seines Körpers und Atems; gehen von seinen Blicken aus.
Prahlender Sonnenschein, ich brauche deine Beleuchtung nicht – höre auf!
Dein Licht erfaßt nur die Oberflächen; ich aber bemeistere Oberflächen und Tiefen in gleicher Weise.
Erde, du scheinst etwas von mir zu erwarten?
Sprich, alte Haube, wo fehlt's?
Mann und Weib, gern möchte ich euch sagen, wie ich euch liebe; doch ich kann's nicht.
Und ich möchte sagen, was in mir ist, und was in euch ist; doch ich kann's nicht.
Und ich möchte mein Sehnen zum Ausdruck bringen, den Herzschlag meiner Tage und Nächte.
Sieh, ich gebe weder Vorlesungen noch Almosen.
Wenn ich gebe, gebe ich mich selbst.
Du da, kraftlos mit schlotternden Knien;
Tu' deine klapprigen Kinnladen auf, bis ich dir Kraft eingeblasen habe.
Breite deine Handflächen aus und lüfte die Klappen deiner Taschen.
Ich lasse mich nicht abweisen; ich bewältige dich; ich habe Vorrat genug und kann abgeben;
Und alles, was ich habe, verschenke ich.
Ich frage nicht, wer du bist, das ist mir unwichtig.
Du kannst nichts tun und nichts sein, so umfasse ich dich dennoch.
Zum Arbeiter im Baumwollfelde oder zum Abtrittausräumer zieht's mich hin,
Ich drücke den Bruderkuß auf seine rechte Wange,
Und schwöre in meiner Seele, daß ich ihn niemals verleugnen werde.
Zeugungstüchtigen Frauen mache ich stärkere und flinkere Kinder,
(Heute vergieße ich den Stoff zu weit übermütigeren Freistaaten.)
Zu einem Sterbenden eile ich hin und drehe den Türknopf auf,
Schlage die Bettdecke gegen das Fußende des Bettes hin zurück,
Lasse den Arzt und Priester nach Haus gehn.
Ich packe den hinscheidenden Mann und reiße ihn mit unwiderstehlicher Willenskraft empor.
Oh Verzweifelnder! Hier ist mein Hals!
Bei Gott, du sollst nicht untergehn! Hänge dich an mich mit deiner ganzen Last.
Ich fülle dich mit mächtigem Odem, ich mache dich flott.
Jeden Raum des Hauses erfülle ich mit einer bewaffneten Macht,
Meinen Freunden, Besiegern des Grabes.
Schlafe – ich und sie halten Wache die ganze Nacht.
Nicht Zweifel, nicht Tod soll wagen, auch nur einen Finger an dich zu legen.
Ich habe dich umarmt und hinfort besitze ich dich für mich;
Und wenn du am Morgen dich erhebst, so wirst du finden, daß es sich so verhält, wie ich sage.
Ich bin es, der den Kranken Hilfe bringt, wenn sie stöhnend auf dem Rücken liegen,
Und für stramme, starke Männer bringe ich eine noch nötigere Hilfe.
Ich hörte, was über das Weltall berichtet wurde,
Hörte es und hörte es von manchem Jahrtausend.
Es ist soweit leidlich gut – doch, ist es alles?
Ich komme, vergrößere und vergleiche;
Und schon beim Ansatz überbiete ich die alten vorsichtigen Feilscher,
Indem ich selber die genauen Umrisse von Jehova annehme,
Lithographien herstelle von Kronos, Zeus, seinem Sohn, und Herkules, seinem Enkel;
Mir Skizzen kaufe von Osiris, Isis, Belus, Brahma, Buddha;
Lose in meine Mappe Manito hineinlege, Allah auf einem Blatt und einen Kupferstich des Gekreuzigten;
Mit Odin und dem scheußlichen Mexitli und jedem Idol und Abbild,
Die ich alle abschätze nach ihrem Wert und nicht um einen Deut mehr;
Indem ich zugebe, daß sie am Leben waren und ihr Tagwerk taten.
(Sie trugen Kerfe für noch nicht flügge Vögel, die jetzt selbständig sich erheben, fliegen und singen müssen.)
Ich nehme die rohen Entwürfe von Göttern an, um in mir selber vollkommenere auszuarbeiten, die ich an Männer und Frauen verschenke, denen ich begegne;
Entdecke aber ebensoviel und mehr in einem Zimmerer, der das Gebälk eines Hauses richtet,
Und stelle höhere Anforderungen für die, welche mit aufgerollten Hemdsärmeln Schlägel und Meißel handhaben;
Verwerfe besondere Offenbarungen nicht und halte ein Rauchwirbelchen oder ein Härchen auf dem Rücken meiner Hand für ebenso merkwürdig wie irgendeine Offenbarung;
Burschen, die Feuerspritzen und Strickleitern bedienen, halte ich für nicht geringer als die Götter der alten Kriege,
Und lausche ihren Stimmen, die durch das Krachen der Verwüstung schallen,
Ihre sehnigen Glieder gehen unversehrt über verkohlte Latten hin, ihre weißen Stirnen bleiben unverletzt und heil von den Flammen,
Bei des Handwerkers Weib mit dem Kind an der Brust halte ich Fürbitte für jeden Geborenen;
Drei Sensen sausen in Reihe auf dem Erntefeld; sie sind geschwungen von drei rüstigen Engeln in Hemden, die sich auf den Hüften bauschen;
Der zahnlückige, rothaarige Stallknecht: er erlöst von begangenen und zukünftigen Sünden;
All seinen Besitz verkauft er, macht sich auf zum Advokaten, um für seinen Bruder zu bezahlen und neben ihm zu sitzen, während er wegen Fälschung gerichtet wird;
Was sonst auf das Breiteste gestreut war, ist jetzt auf die Quadratrute um mich her gestreut und vermag die Quadratrute noch nicht mal zu bedecken.
Der Stier und der Käfer sind noch nicht halbgenug verehrt;
Dung und Schmutz sind bewunderungswürdiger als man sich träumen läßt;
Das Übernatürliche bedeutet nichts – ich selbst warte bloß meine Zeit ab, um selbst einer der Allmächtigen zu werden;
Es naht der Tag, da ich ebensoviel Gutes wie die Besten erreichen werde, und ebenso wunderbar sein werde.
Bei meinem Lebensklumpen! Schon werd' ich Schöpfer
Und nähere mich, jetzt und hier, dem verborgenen Schoß der Schatten.
Ein Ruf in der Mitte der Menge;
Meine eigene Stimme, volltönig, entschieden und abschließend.
Kommt, meine Kinder!
Kommt, meine Knaben und Mädchen! Meine Frauen, Hausleute und Bekannten!
Jetzt gebraucht der Spieler erst seine Kraft; sein Vorspiel auf der Rohrflöte hat er beendet.
Flottgeschriebene Akkorde, leichtgegriffene – ich fühle den Vollklang eurer Steigerung und eures Schlusses.
Der Kopf schließt sich dem Nacken an.
Es wogt Musik, doch nicht von der Orgel.
Leute umgeben mich; doch aus meinem Hause sind sie nicht.
Immer der feste, dauernde Grund;
Immer die Esser und Trinker; immer Auf- und Untergang der Sonne; immer die Atmosphäre und unaufhörliche Wellen;
Immer ich und meine Nachbarn, erquicklich, schlicht, wirklich;
Immer die alte unerklärliche Frage; immer dieser dornige Daumen, jener Hauch von Kitzel und Durst;
Immer des Plagegeistes Spottruf, bis wir entdecken, wo der Schalk sich verrät und ihn hervorholen;
Immer Liebe, immer die quellende Feuchte des Lebens;
Immer die Binde unterm Kinn und die Bahre des Todes!
Hier und dort wandelt man mit Groschen vor den Augen,
Des Bauches Gier zu stillen und schenkt rückhaltlos sein Hirn aus.
Man kauft Billette, nimmt, verkauft, doch nicht einmal geht man zum Festmahl hinein.
Viele schwitzen, pflügen, dreschen, um dann die Spreu zum Lohne zu erhalten,
Wenige Träge besitzen und sind die, welche immer den Weizen beanspruchen.
Hier ist die Stadt, und ich bin einer von ihren Bürgern;
Was immer die andern angeht, geht auch mich an; Politik, Krieg, Märkte, Zeitungen, Schulen;
Der Bürgermeister und die Räte, Banken, Tarife, Dampfschiffe, Fabriken, Aktien, Kaufläden, Grund- und persönliches Eigentum.
Die unzähligen Männchen, die da herumhüpfen in Kragen und Fräcken;
Ich weiß, wer sie sind (gewiß: sie sind weder Würmer noch Flöhe);
Ich erkenne meine Doppelgänger, der schwächste und seichteste ist ewig bei mir;
Was ich tue und sage, das erwartet auch sie;
Jeder Gedanke, der in mir zappelt, der zappelt auch in ihnen.
Ich kenne recht wohl meinen eigenen Egoismus,
Kenne meine alles verschlingenden Zeilen und darf nicht eine geringer schreiben;
Und möchte dich, wer immer du seist, an meine Seite holen.
Kein Wort der Routine ist dieser mein Sang,
Sondern jählings will er Fragen aufwerfen, will über sie hinausspringen und sie doch näher bringen;
Dies gedruckte und gebundene Buch: – doch der Buchdrucker und der Laufbursche der Druckerei?
Diese wohlgetroffenen Photographien: – aber dein Weib oder dein Freund, dicht und fest in deinem Arm?
Das schwarze, eisengepanzerte Schiff mit mächtigen Geschützen in seinen Türmen: – aber der Mut seines Kapitäns und seiner Maschinisten?
In den Häusern die Schüsseln, Eßwaren und Möbel: – doch der Wirt und die Wirtin und der Blick aus ihren Augen?
Der Himmel dort oben: – aber hier und nebenan oder über der Straße?
Die Heiligen und Weisen der Geschichte: – doch wir selbst?
Predigten, Glaubensbekenntnisse, Theologie: – doch das unerforschliche menschliche Gehirn?
Und was ist Vernunft? Was Liebe? Was Leben?
Ich verachte euch nicht, Priester aller Zeiten und über alle Erde;
Mein Glaube ist der größte und der geringste von allen.
Er schließt in sich den alten und den neuen Kult und jeden zwischen dem alten und neuen;
Ich glaube, daß ich nach 5000 Jahren wieder auf der Erde erscheinen werde.
Ich warte auf die Antwort der Orakel, verehre die Götter, grüße die Sonne;
Mache einen Fetisch aus dem ersten besten Baumstumpf, tanze die Knüttelbeschwörung im Kreise der Obi,
Helfe dem Lhama oder Brahminen die Lampen der Götterbilder putzen;
Tanze durch die Straßen in der Phallus-Prozession, verzückt und streng weile ich in den Wäldern, ein Gymnosoph,
Trinke Met aus dem Hirnschädelbecher, bewundere die Shastas und Veden, achte den Koran;
Steige auf die Teokalli, die von Stein und Messer mit Blut befleckt sind und schlage die Schlangenhauttrommel;
Akzeptiere die Evangelien, akzeptiere den Gekreuzigten und weiß ganz gewiß, daß er göttlich ist;
Ich kniee bei der Messe, oder stehe beim Gebet der Puritaner, oder sitze geduldig in einem Kirchenstuhle;
Ich tobe und schäume in der Krisis meines Wahnsinns, oder warte todähnlich, bis der Geist mich erweckt;
Ich blicke hinaus auf das Pflaster oder in das Land, oder noch über Pflaster und Land hinaus,
Und gehöre zu denen, die den Kreis der Kreise runden.
Einer von der zentripetalen oder zentrifugalen Rotte, wende ich mich um und rede wie einer, der vor einer Abreise Aufträge erteilt.
Niedergeschlagene Zweifler, trübsinnig und ausgestoßen,
Frivol, mürrisch, verdrossen, zornig, gerührt, entmutigt, atheistisch:
Einen jeden von euch kenn' ich; ich kenne das Meer von Pein, Zweifel, Verzweiflung, Unglauben.
Wie die Flossen plätschern!
Wie sie sich krümmen, schnell und blitzend, mit Zuckungen und Strahlen von Blut!
Seid ruhig, blutige Flossen der Zweifler und der mürrischen Indolenten!
Ich nehme meinen Platz unter euch so gut als unter irgendwelchen von den andern:
Die Vergangenheit ist euer, mein, aller Streben, ganz das gleiche,
Und was noch unversucht und in der Zukunft ist, ist für euch, mich, alle genau das gleiche.
Ich weiß nicht, was dies Unversuchte und Zukünftige ist:
Doch ich weiß, es wird sich zu seiner Zeit als hinreichend erweisen, es kann nicht fehlen.
Alles, was vergeht, ist in Betracht gezogen, alles, was verharrt, ist in Betracht gezogen, kein einziges kann ausgenommen sein.
Unverloren ist der Jüngling, der starb und begraben ward;
Unverloren das junge Weib, das starb und ihm an die Seite gelegt wurde;
Unverloren das Kindchen, das zur Tür hereinblickte, sich dann zurückzog und nicht mehr gesehen wurde;
Und der Greis, der zwecklos lebte, und der dies mit einer Bitterkeit empfand, die schlimmer ist als Galle;
Und der Armenhäusler, der tuberkulös ist vom Schnaps und der schlechten Krankheit;
Und die zahllosen Niedergemetzelten und Gescheiterten, und der tierische Auswurf, der Abschaum der Menschheit genannt wird;
Und die Beutel, die nur so mit offnem Maul umherschwimmen, damit Speise hineinschlüpfe;
Noch ist irgend etwas verloren auf der Erde, oder unten in den ältesten Gräbern der Erde;
Noch irgend etwas in den Myriaden von Sphären, noch die Myriaden und Aber-Myriaden ihrer Bewohner;
Noch die Gegenwart, noch der geringste Wisch, den man kennt.
Es ist Zeit, daß ich mich erkläre. – Erheben wir uns!
Das Bekannte streif ich ab,
Ich reiße alle Männer und Frauen mit mir vorwärts ins Unbekannte.
Die Uhr zeigt den Augenblick – was aber zeigt die Ewigkeit?
Bis hierher haben wir Trillionen von Wintern und Sommern erschöpft,
Es liegen noch Trillionen vor uns, und noch weitere Trillionen vor diesen.
Geburten haben uns Fülle gebracht und Mannigfaltigkeit,
Und andere Geburten werden uns Fülle bringen und Mannigfaltigkeit.
Ich nenne kein einziges größer oder kleiner;
Das, was seine Zeit und seine Stelle erfüllt, ist jedem anderen gleich.
Waren die Menschen mordgierig oder eifersüchtig gegen dich, mein Bruder, meine Schwester?
Es tut mir um dich leid; gegen mich sind sie nicht mordgierig oder eifersüchtig.
Mir gegenüber war alles sanft, ich führe keine Rechnung mit der Klage. (Was habe ich mit Klagen zu tun?)
Ich bin ein Gipfel vergangener Dinge und schließe werdende Dinge in mich ein.
Meine Füße betreten eine Höhe der Treppenhöhen,
Auf jeder Stufe Büschel von Zeitaltern, und größere Büschel zwischen den Stufen,
Alles unten richtig durchreist, und noch steig' ich und steige.
Aufstieg hinter Aufstieg verneigen sich die Phantome hinter mir;
Tief unten gewahre ich das ungeheure Urnichts; ich weiß, auch ich war da.
Ungesehen und beständig wartete ich und durchschlief die betäubenden Dünste,
Nahm mir Zeit und der stinkende Kohlenstoff tat mir keinen Schaden.
Lange ward ich in fester Umarmung gehalten – lange und lange.
Ungeheuer sind die Vorbereitungen für mich gewesen,
Treu und freundlich die Arme, die mir halfen.
Kreisläufte trugen meine Wiege, ruderten und ruderten wie muntere Bootsleute;
Um mir Platz zu machen, hielten die Sterne seitwärts in ihren Bahnen;
Sie entsandten Kräfte, um das zu bereiten, was mich tragen sollte.
Ehe ich von meiner Mutter geboren ward, leiteten mich die Zeitalter.
Mein Embryo ist niemals erstarrt gewesen, nichts vermochte ihn zu erdrücken.
Um seinetwillen zog sich der Sternennebel in eine Kugel fest zusammen.
Langsam türmte sich Schicht auf Schicht, ihm ein Ruhebett zu bereiten.
Ungeheure Pflanzen gaben ihm Nahrung.
Riesige Saurier trugen ihn in ihrem Rachen und setzten ihn sorgfältig nieder.
Alle Kräfte wurden beständig benutzt, um mich zu vervollständigen und zu entzücken;
Jetzt, auf dieser Stelle, steh' ich mit meiner rüstigen Seele.
Oh Spanne der Jugend! Stets gespannte Elastizität!
Oh Mannesalter, harmonisch blühend und voll!
Meine Geliebten ersticken mich;
Sie bedrängen meine Lippen, wimmeln in den Poren meiner Haut.
Sie stoßen mich an in den Straßen und den öffentlichen Hallen, kommen nackt zu mir in der Nacht;
Sie rufen am Tage Hallo! Vom Felsen beim Fluß, schaukeln und zwitschern über meinem Haupte,
Rufen meinen Namen von Blumenbeeten her, aus Reben und Gewirr des Unterholzes;
Lassen sich nieder auf jeden Augenblick meines Lebens,
Küssen meinen Leib mit sanften, balsamischen Küssen,
Bringen mir leise mit vollen Händen ihr Herz und geben es mir zum Eigentum.
Oh Greisenalter, das herrlich aufsteigt! Oh willkommen, unaussprechliche Anmut hinschwindender Tage!
Ein jeder Zustand verkündet nicht bloß sich selbst: er verkündet auch das, was nach ihm und aus ihm ferner werden soll.
Und das stille Dunkel verkündet ebensoviel wie irgend etwas anderes.
Ich öffne nächtens meine Dachlucke und erblicke die weit ergossenen Systeme,
Und alle, die ich sehe, multipliziert, so hoch ich rechnen kann, grenzen bloß an den Rand der ferneren Systeme.
Weiter und weiter verbreiten sie sich; mit ewigem Wachstum,
Auswärts und auswärts und ewig auswärts.
Meine Sonne hat ihre Sonne und umkreist sie gehorsam.
Sie schließt sich mit ihren Gefährten an eine Gruppe von größerem Bahnkreis,
Und noch größere Scharen folgen, die die größten der inneren Scharen zu Tüpfelchen machen.
Da gibt es keinen Stillstand, noch kann es je einen Stillstand geben.
Wenn es, du und die Welten und alles, was unter uns oder auf ihrer Oberfläche ist, in diesem Augenblick in die bleiche Flut zurück- und hinabgebracht würde, so würde das doch auf die Dauer nichts ausmachen.
Sicher würden wir wieder da heraufkommen, wo wir jetzt stehen,
Und sicher noch um so viel weitergehen, und dann weiter und noch weiter.
Ein paar Quadrillionen von Zeitaltern, ein paar Oktillionen von Quadratmeilen – das gefährdet nicht die Spannweite, noch macht es sie ungeduldig.
Sie sind bloß Teile, jedwedes ist nur ein Teil.
Blicke so weit du kannst – darüber hinaus ist grenzenloser Raum,
Zähle so hoch du kannst – rundum ist unermeßliche Zeit.
Mein Stelldichein ist festgesetzt, das ist gewiß.
Der Herr wird dort sein und warten, bis ich komme unter den richtigen Bedingungen;
Der große Kamerad, der treue Liebende, nach dem ich mich sehne; er wird dort sein.
Ich weiß, daß ich von Zeit und Raum das Beste habe, und daß ich nimmer gemessen wurde, noch je gemessen werde.
Ich wandere eine ewige Reise. (Kommt und hört alle!)
Meine Abzeichen sind ein regendichter Rock, feste Schuhe und ein Stab, im Walde geschnitten.
Keiner meiner Freunde sitzt bequem auf meinem Stuhl;
Ich habe weder Stuhl, noch Kirche, noch Philosophie.
Ich führe niemand zu Tisch, in die Bibliothek, in die Börse;
Aber einen jeden Mann und ein jedes Weib unter euch führe ich auf eine Höhe;
Meine linke Hand faßt dich rund um den Leib,
Meine rechte Hand zeigt auf Landschaften von Kontinenten und die offene Landstraße.
Nicht ich und kein einziger andrer kann die Straße für dich reisen;
Du mußt sie für dich selber reisen.
Sie ist nicht weit, sie hat keine Ausdehnung.
Vielleicht bist du auf ihr gewesen seit deiner Geburt, ohne es zu wissen.
Vielleicht ist sie überall, auf dem Wasser und auf dem Lande.
Nimm dein Pack auf den Rücken, lieber Sohn, wie ich das meine, und laß uns forteilen,
Wunderbare Städte und freie Völker werden wir unterwegs erreichen.
Wenn du müde wirst, so gib mir beide Bürden und stütze deine Hand fest auf meine Hüfte,
Und später sollst du mir den gleichen Dienst erweisen,
Denn wenn wir erst aufgebrochen sind, ruhen wir nie mehr aus.
Heute vor Sonnenaufgang bestieg ich einen Hügel und betrachtete das wimmelnde Himmelszelt,
Und ich sprach zu meiner Seele: wenn wir alle diese Welten umfassen werden, und die Freude und das Wissen jeglichen Dinges, das auf ihnen, werden wir dann gefüllt und befriedigt sein?
Und meine Seele sprach: Nein, wir ersteigen diese Höhe nur, um sie hinter uns zu lassen und darüber hinaus fortzufahren.
Du auch stellst mir Fragen, und ich höre sie;
Ich antworte, daß ich nicht antworten kann, du mußt dich selbst herausfinden.
Setze dich eine Weile, lieber Sohn;
Hier ist Zwieback zu essen und hier Milch zu trinken.
Doch sobald du schläfst und dich mit frischen Kleidern erquickst, so küß' ich dich mit einem Abschiedskuß und öffne die Tür für deinen Ausgang.
Lange genug hast du verächtliche Träume geträumt,
Nun wasch' ich dir den Schleim aus den Augen;
Du mußt dich an das Blenden des Lichtes und einen jeden Augenblick deines Lebens gewöhnen.
Lange bist du furchtsam gewatet, an eine Planke dich klammernd, dicht am Ufer hin;
Jetzt will ich, daß du ein mutiger Schwimmer werdest,
Abspringst mitten in die See, wieder auftauchst, mir zunickst, jauchzest und lachend das Wasser aus deinem Haar schüttelst.
Ich bin der Lehrer der Athleten.
Der, der mir eine breitere Brust als die meine zeigen kann, beweist nur die Breite der meinen.
Der ehrt meinen Stil am meisten, der durch ihn lernt, den Lehrer abzutun.
Der Knabe, den ich liebe, der wird ein Mann nicht durch ererbte Macht, sondern durch sein eigenes Recht,
Gottlos lieber als tugendhaft aus Anbequemung oder Furcht;
Er liebt sein Schätzchen, genießt mit Appetit seinen Braten;
Unerwiderte Liebe oder Geringschätzung schmerzen ihn schärfer als harter Stahl schneidet,
Er ist ein Meister im Reiten, Fechten, im Schießen nach der Scheibe, im Segeln, Singen und Spielen,
Er zieht Narben, Barte und pockennarbige Gesichter allen Glattgesichtern vor,
Und die Sonngebräunten denen, die sich im Schatten halten.
Ich lehre euch, mich zu verlassen – doch wer ist imstande, mich zu verlassen?
Ich folge dir von diesem Augenblick an, wer immer du sein magst.
Meine Worte jucken dir das Ohr, bis du sie verstehst.
Ich sage diese Dinge nicht um eines Dollars willen oder um mir die Zeit zu vertreiben, während ich auf ein Boot warte,
(Du bist es, der spricht, ebensogut als ich; ich bin nur deine Zunge,
Gebunden in deinem Mund, beginnt sie in meinem sich zu lösen.)
Ich schwöre, ich werde nie wieder die Liebe oder den Tod in meinem Hause erwähnen,
Und ich schwöre, ich werde mich nie mehr verdolmetschen außer zu dem Manne oder dem Weibe, das mit mir allein im Freien weilt.
Wenn du mich verstehen willst, so begib dich mit mir auf die Höhen oder an das Seegestade,
Die erste beste Mücke ist eine Erklärung, und ein Tropfen oder eine Bewegung der Wellen ist ein Schlüssel,
Der Schlaghammer, das Ruder, die Handsäge, bekräftigen meine Worte.
Kein geschlossener Raum, keine Schule kann mit mir verkehren,
Doch gemeines Volk und kleine Kinder eher als sie.
Der junge Arbeiter steht mir am nächsten, er kennt mich wohl;
Der Hinterwäldler, der seine Axt und seinen Krug mit sich nimmt, wird auch mich für den ganzen Tag mitnehmen;
Der Ackerknecht, der im Felde pflügt, fühlt sich wohl beim Klange meiner Stimme;
In segelnden Schiffen segeln auch meine Worte; ich gehe mit Fischern und Seeleuten und liebe sie.
Mein ist der Soldat im Lager und auf dem Marsch,
In der Nacht vor Beginn der Schlacht suchen viele mich auf, und ich täusche sie nicht;
In solch feierlicher Nacht (es ist vielleicht ihre letzte) suchen mich die auf, die mich kennen.
Mein Gesicht reibt sich an des Jägers Gesicht, wenn er sich allein in seiner Decke niederlegt;
Der Fuhrmann, wenn er an mich denkt, achtet nicht auf das Rütteln seines Wagens;
Die junge wie die alte Mutter verstehen mich;
Das Mädchen und die Frau lassen einen Augenblick die Nadel ruhen und vergessen, wo sie sind.
Sie und alle möchten überdenken, was ich ihnen gesagt habe.
Ich habe gesagt, die Seele sei nicht mehr als der Leib;
Und ich habe gesagt, der Leib sei nicht mehr als die Seele.
Und nichts, selbst Gott nicht, sei größer als man selbst ist.
Und wer immer eine Stunde ohne Mitgefühl wandert, der wandert zu seinem eigenen Begräbnis in sein Leichentuch gehüllt;
Und ich oder du können, ohne einen Groschen in der Tasche, das Köstlichste auf der Erde kaufen,
Um mit dem Auge aufzublicken oder eine Bohne zu zeigen in ihrer Schale, werfe ich die Gelehrsamkeit aller Zeiten über den Haufen,
Und daß es keinen Gegenstand gebe so weich, daß er nicht eine Radnabe für das kreisende Weltall abgeben könnte;
Und zu irgendeinem Manne oder einem Weibe sage ich: Laßt eure Seele ruhig und gelassen vor einer Million von Weltalls stehen.
Und ich sage den Menschen: Seid nicht neugierig nach Gott,
Denn ich, der ich doch neugierig nach allem bin, bin doch nicht neugierig nach Gott,
(Kein Wortschwall vermag den Frieden auszusprechen, in dem ich mit Gott und mit dem Tode stehe.)
Ich höre und sehe Gott in jeglichem Gegenstand, doch begreif ich Gott nicht im mindesten;
Noch begreif ich, wie es jemand geben könnte, der wunderbarer wäre als ich selbst.
Weshalb sollte ich Gott besser zu sehen wünschen als heute?
Ich sehe etwas von Gott jede Stunde von den vierundzwanzig des Tages und jeden Augenblick derselben;
Ich sehe Gott in dem Gesicht von Mann und Weib, und in meinem Antlitz im Spiegel;
Ich finde Briefe von Gott, die er auf die Straße fallen ließ, und ein jeder ist mit Gottes Namen gezeichnet;
Ich lasse sie liegen, wo sie sind, denn ich weiß, wohin ich auch gehe:
Andre werden ankommen, pünktlich, immer und ewig.
Und was dich, o Tod, betrifft; und dich, bittere Umarmung der Sterblichkeit: vergeblich suchst du mich zu erschrecken.
Zu seiner Arbeit eilt entschlossen der Geburtshelfer;
Ich sehe seine Rechte, wie sie drückt, empfängt und unterstützt;
Ich biege mich auf die Schwellen der feinen, elastischen Türen nieder,
Und bemerke die Ausfahrt, die Erleichterung und das Entweichen.
Und Leiche, was dich betrifft, so denke ich, du gibst einen guten Dünger; doch ist mir das nicht anstößig.
Ich rieche die weißen Rosen, die süßduftenden, schwellenden,
Ich greife nach den Lippen des Laubes, ich greife nach der glatten Brust der Melonen.
Und Leben, was dich betrifft, so glaub' ich, du bist das Resultat von vielen Todesfällen.
(Ohne Zweifel bin ich selbst vordem schon zehntausendmal gestorben.)
Ich höre mich dort flüstern, o Sterne des Himmels!
Oh Sonne! – Oh Gras auf Gräbern! – Oh unablässiger Übergang und Beförderung!
Wenn ihr nichts sagt, wie könnte ich was sagen?
Von dem trüben Teich, der inmitten des herbstlichen Forstes liegt,
Von dem Monde, der niedersteigt in die Abgründe der sausenden Morgendämmerung, –
Sprüht, ihr Funken des Tages und des Dunkels! – Sprüht auf den morschen Stämmen, die im Schlamm verfaulen,
Hüpft beim ächzenden Knarren der trockenen Äste.
Ich steige vom Monde aufwärts, aufwärts von der Nacht;
Ich sehe, der geisterhafte Flimmer ist eines ewigen Mittags Abglanz,
Und er mündet ins Dauernde und Zentrale, vom Ursprung des Großen und des Kleinen her.
Es gibt etwas in mir – ich weiß nicht, was es ist – aber ich weiß, es ist in mir;
Verrenkt und schweißig, – still und kühl wird dann mein Leib.
Ich schlafe. – Ich schlafe lange.
Ich kenne es nicht – es ist ohne Namen – es ist ein unausgesprochenes Wort,
Es findet sich in keinem Wörterbuch, keiner Äußerung, keinem Symbol.
Um irgend etwas dreht es sich, das mehr ist als meine Erde;
Sein Freund ist die Schöpfung, deren Umarmung mich erweckt.
Vielleicht könnte ich mehr sagen. Umrisse! Ich flehe für meine Brüder und Schwestern.
Seht ihr nicht meine Brüder und Schwestern?
Es ist nicht Chaos oder Tod – es ist Gestalt, Einheit, Bestimmung; es ist ewiges Leben – Glückseligkeit.
Vergangenheit und Gegenwart schwinden – ich habe sie gefüllt, habe sie geleert;
Und fahre fort, meine nächste Falte der Zukunft auszufüllen.
Lauscher dort oben, was hast du mir anzuvertrauen?
Schau' mir ins Gesicht, während ich die Abendkühle einatme,
(Sprich aufrichtig, es hört dich außer mir niemand, und nur eine Minute verweile ich länger.)
Wie? Ich widerspreche mir selbst?
Nun gut, so widerspreche ich mir selbst.
(Ich bin ja umfangreich, ich enthalte Massen.)
Es zieht mich zu denen, die in der Nähe sind, ich warte auf der Türschwelle.
Wer hat sein Tagewerk verrichtet? Wer wird am ersten mit seinem Abendessen fertig sein?
Wer möchte mit mir einen Gang machen?
Willst du sprechen, eh' ich fortgehe? Oder ist es bereits zu spät?
Die Falkeneule schweift vorbei und klagt mich an; sie beschwert sich über mein Plaudern und Zögern.
Ich bin auch gar nicht zahm, bin auch unübersetzbar;
Ich lasse mein barbarisches Geschrei erschallen über die Dächer der Welt.
Des Tages letzter Schimmer verweilt noch um meinetwillen.
Er legt mein Ebenbild mit andern und treu wie irgendeins auf die schattendunkle Wildnis;
Es lockt mich in Nebel und Dunkel hinein.
Ich scheide wie die Luft; ich schüttle meine weißen Locken gegen die enteilende Sonne hin;
Ich ergieße mein Fleisch in Wirbeln und lasse es hintreiben in fadigen Streifen.
Ich vermache mich dem Schmutz, um aus dem Grase, das ich liebe, emporzutreiben;
Wenn du mich wieder brauchst, so suche mich unter deinen Stiefelsohlen.
Kaum wirst du wissen, wo ich bin, oder was ich meine;
Trotz allem aber werde ich dir gut bekommen,
Und klären und kräftigen dein Blut.
Wenn du mich nicht sogleich verstehst, bleibe dennoch guten Mutes.
Findest du mich nicht an einer Stelle, so suche mich an einer andern.
Irgendwo halte ich mich auf und warte auf dich.