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Du Tausendfache, die du bist und nicht ...

 

Widmung

Du Tausendfache, die du bist und nicht!
Du Taggestalt, du letztes Nachtgesicht!
Du, die ich oft in vielen Frauen weiß,
Und die erkannt flieht den Erscheinungskreis!
Die in so mancher schweren Herbergsnacht
Das Haus, das selbst mich faßt, treu überdacht.
Die tags auf Straßen mir vorüberfliegt,
Und nachts im Antlitz eines Krüppels liegt!
Die fern mir sitzt im goldnen Strandcafé,
Und die in Logen ich verschwinden seh!
Die mich auf manchem aufgelösten Ball
Bestürzt mit ihres Daseins Wasserfall!
Vom Tag verbannt, im Traume doppelt nah,
Traumloser Nacht, im lustigen Mittag da!
Die ich nicht fassen kann, weil du nicht bist.
Und die mich faßt, wenn dich mein Herz vergißt!
Du mir Geschick zu schwerem Zweck bestimmt,
Daß ziellos mein Gefühl kein Ende nimmt.
So jauchz' ich jetzt, weil sie dich nicht bezwingt,
Daß durch das Ganze meine Liebe dringt.
So jauchz' ich jetzt, daß, der dich doch nicht kennt,
Dich jeder Schmerz mit einem Namen nennt.
Daß diese Brust, bei jedem Schlag und Stich
– Die dich nie hielt – noch flüstert: 's ist für dich!
Daß du mich schufst zu allerletztem Sein,
Der ich in grenzenlosen Nächten mich allein
Durch alle Betten dieser Erde wein'!

 

Die Unverlassene

(Der Besuch aus dem Elysium)

Es kommt die eine neue Nacht.
Du bist von Ferne aufgewacht,
Und neben dir ist Schnarchen schwer.
Und ach vom Gitterbettchen her
Ein Weinen klein und unbewußt.
Da schlägst du deine Decke um,
Nimmst ohne Glück und stumm
Das Kind an deine Brust.

Wenn mühsam Tag sich näherdrängt
Und dich in Erdenlos verfängt,
Wird Schoß und Lippe wissensschwer,
Und kennt dein Fuß kein Schweben mehr,
Wächst dir ums Aug' der dunkle Strich,
Gedenke und erinnere dich,
Daß jener Bot' aus besserer Welt
Dich seltsam in der Seele hält!

Weißt du, weißt du den Abendgang,
Wo noch dein Wesen glitt und sprang?
Wer fühlte einst im Elternhaus,
Wer dich in Ewigkeit voraus?
Wenn du dich einsam meinst,
Wer kannte schon den Schmerzenston,
In wessen Kehle brannte schon
Das Weinen, das du jetzt weinst?!

 

Die Alternde

Dies Lachen! Weh mir, wie kam's um deinen Mund?
Was lebt in deinen Wangen enttäuscht und neu?
Tanz verließ deine Glieder ungetreu.
Hart und bitter gehst du durch diese Stund.
Was ist uns, sprich, vorbei?

Mädchen, die unbekümmerte Wolke ist hin,
Mädchen, ist hin, die dich trug.
Dein Gehn ist nicht mehr Glorienflug.
Aus deinen Augen spitzt Wissen und Sinn
Um Jammer, Haß und Betrug.

Kind, deine Schönheit von anderer Welt,
Wo ist sie? Erde hat sich gerächt!
Weh tiefe Augenränder! Hier quält sich das dürftge Geschlecht,
Mühselig vor Hebel und Rad gestellt,
Verdirbt dich und macht dich schlecht.

Deine Wimpern kennen die Frage nun
Nach Kindern, die elend und barfuß gehn.
Du kannst alles halten, mußt alles tun,
Du fliehst nichts, nichts flieht dich,
Du wirst es verstehn.
Du bist nicht mehr göttlich!
– Wir können dich ansehn.

Wohin ist unser Traum?
Da du beladen von Himmel vorübergingst,
Sterngang im Kleidschwung fingst.
Wer wurde alt? Nun sprichst du gar
Ernsthaft mit breiter Frauenschar,
Kennst Zahlen und Namen genau.
Wohin ist unser Traum?
Mir ist, als wärst du grau.

 

Als mich dein Wandeln an den Tod verzückte

Als mich dein Dasein tränenwärts entrückte,
Und ich durch dich ins Unermessne schwärmte,
Erlebten diesen Tag nicht Abgehärmte,
Mühselig millionen Unterdrückte?

Als wich dein Wandeln an den Tod verzückte,
War um uns Arbeit und die Erde lärmte,
Und Leere gab es, gottlos Unerwärmte,
Es lebten und es starben Niebeglückte!

Da ich von dir geschwellt war zum Entschweben,
So viele waren, die im Dumpfen stampften,
An Pulten schrumpften und vor Kesseln dampften.

Ihr Keuchenden auf Straßen und auf Flüssen!!
Gibt es kein Gleichgewicht in Welt und Leben,
Wie werd' ich diese Schuld bezahlen müssen!?

 

Die Stimme der Geliebten

In der Verzweiflung endlosem Aufeinanderdenken,
In der Voraussicht unaufhaltsamer Qual,
Ha, dieser Strahl,
Wie kam er, neu mich auszuschenken!!
Deine Stimme! Groß bin ich mit einem Mal!

Der endlos um den Tisch gelaufen.
Dem Tod ward zum gehegten Wort ...
Nun reißt mich Freude,
Ja, Schmerz und Freude reißt mich fort.

Von meinen wieder zaubrischen Fingern geht
Ein Licht, das noch auf fernsten Dächern steht.
Und um mich her, der boshafte Disput
Der Menschen wird erregt und gut.

Die Guten loben, die Alten mit treuen Runzeln
Segnen, die Bösen sind verlegen und schmunzeln.

Nun ist meine alte Macht,
Sehnsucht und Freude wieder erwacht.
Vögel ans Fenster flattern herbei,
Waller suchen mich treu,
Engel, die niederfuhren,
Im Schnee der paradiesischen Tiere unendliche Spuren,
Sie kommen die tausend Naturen,
Ich habe Kraft, sie zu versöhnen!!
– – – – –
Mystisch beginnen schon alle Möbel zu tönen.

 

Noch tanzet Bronislawa

     Entrückter leichter Himmel über dem Ort!
Du weißt von der Seebäder goldenen Fetzen,
Du weißt von Prinzen,
Und herbstlichem Halali!

Ihr Knabenbäume
Zuckt von den Schultern
Das letzte Netz, das braune!
Den Schatten werfet auf mich, –
Hier sitze ich
Und lese den übermütigen
Namen im Stein.

Nun bist du bei meiner Großmutter, Kind.
O unterirdisches Fest,
Das niemand denken will!

     Du starbst.
Und war ein Arzt im Zimmer,
Klirrten die Fläschchen im Kreis,
Schrie eine Mutter, oder
Hast du allein gehustet?
Schlugen die Türen am Gang' nicht,
Rief eine Hausfrau um Zucker,
Und trabten unten
Weiter die alten Pferde?

Wo saß ich da und sagte:
Noch tanzet Bronislawa.
Nun komm, nun komm du mein Walzer her!
Zum Hügel, du Genius kleinen Couplets,
Ihr nächtlich anbetenden Stimmen,
Und vom Klavier
Geist des schwankenden Alten!

Bist du mir ernst unter den Zypressen?
Und sagst nicht mehr
(O Stimme unberührt
Und doch betrunken):
»Pardon, mein Herr,
Wie kommen Sie mir vor?«

Um deinen engen Garten
Läuft eine Straßenmauer rund.
Draußen stehen Menschen und warten.
Buben mit stürmischen Drachen
Und Mädchen, die Kleine bewachen.
Und vor dem Tor
Verkauft der unsterbliche Greis die alten
Zuckerstangen der Kindheit.

 

Einer Chansonette
(Th. D.)

In dir beschlossen sahen wir dich gehn!
Doch sprich, mit welchem Wunder ging es zu?
Die Bühn' war du, der Walzer auch war du,
Und alles fand sein Schicksal und Geschehn

Um dein Couplet. Doch einsam war dein Stehn,
Allein dein Knix, dein Singen und die Ruh'
Des Leibs. Von dir und uns was wußtest du?
In dir beschlossen sahen wir dich gehn!

Heb' auf zur Deck' die Augen, oder zieh
Die Worte lang und bebe mit dem Knie!
Du wirst es nie, dein Dichter nie verstehn.

Doch soll's in Tränenstunden einst geschehn,
Daß sich dein Wesen, wie's im Ewigen liegt,
Als Falte mir um meine Lippe schmiegt.

 

Ahnung Beatricens

Gibt's Straß' und Park wo wir im Traum uns sahn?
Hat sich aus dieser Welt mir angedrängt
Die Ahnung einer Hand, die meine fängt.
Nun da die süßen Schlafgefühle nahn?!

Bist du mir vorbestimmt, bist du ein Wahn,
Und hast dich gar zu mir herabgesenkt,
Mir vorbestimmt, doch neu schon eingeschenkt,
Eh' sich noch süß berührte unsre Bahn?

Als Kind gestorben, nun vom höhern Kreise
Gefällt's dir den Geliebten anzusehn,
Begegnest ihm im Traum auf deine Weise.

Du gönnst dich mir in Restaurants an Seen,
Im Rauch der Schenken teilst du meine Speise,
Und keines weiß, wie fern wir uns geschehn!

 

Ein Sonntagslied

Schon öffnet sich meine Chaussee, –
Breitwallend fließt sie zum Flusse,
Wo schwankende Landungsbrücken
Nach höflichen Dampfern spähn.

Am andern Ufer die Villen
Erlöschen schon langsam. Der Himmel,
Der noch in den Ästen spielte,
Entschwebt zu höherem Ort.

Die lieben und wohlbestellten
Vorgärten schmiegen sich aufwärts.
Die Häuser, wie trauliche Eltern,
Sind innerlich aufgewacht.

Die Menschen und lautlosen Wagen –
Dies alles so unschwer – ich glaube
Wir sind schon Selige, wandelnd
Im unterirdischen Tag.

Wer weiß noch von Mühsal und Denken?
Wir tragen die heiteren Farben,
Die oben zerstreuten Gefühle
Zerbrachen in ein Gefühl.

Ich kenne nicht mehr dein Gesicht.
Dein Name ging lange verloren.
Doch kräuselt dein schwebendes Wesen
Den Abend auf meinem Gefühl.


Ich fühle dich auf der Straße
Und deine Schritte im Zimmer.
Ich fühle, wie du im Theater
Ins Dunkel dein Opernglas hebst.

Dies Eingefühl, windreiche Ruhe,
Es weiß nichts von Scham und Verzichten.
Drum zieh ich durch offene Welten,
Und bin so unendlich zu Haus.

 

Das Unvergängliche

Noch immer das alte Hämmern
Unter den alten Wolken.
Treiben den alten Fluß hinab
Ewig die gleichen Zillen?

Immer noch von den Schweizer Hotels
Stürmen die großen sonnigen Fahnen.
Aufgestoßene Kindertüren
Knarren sie ewig in meinen Traum?

Die an den Tod ich liebte,
Wie ist dein altes Antlitz fremd?
Dein Gehn, dein Lachen, dein Atmen,
Nicht faßt es die alte Seele mir.

Da mich kein Baum verließ,
Ich konnte dich lassen?!
Wie sie dich morden, wie du moderst,
Dem seh' ich dumpf lustig zu.

Und doch, wenn ich grüße,
Welch totes Feuer in mir?
Was quält die alte Verbeugung
Erster Tanzstund' erstes Liebesgraun?!

 

Lesbierinnen

Wenn abends Heimkehr endlos durch die Gassen geht,
Erhebt ihr euch von eurem täglichen Gerät.
Zwei süße Näherinnen, noch vom Radgesang umspült,
Jetzt wandelt ihr, von Wind und Müdigkeit gekühlt.

Entfacht daheim, ihr Kinder, euren Samowar,
Und löst das leichte luftverspielte Haar!
Wie ruht der kleine Mond- und Lampenkreis
Auf Wand und Boden eures Zimmers weiß!

Nun gebt den Glanz der langen Glieder frei,
Umschlingt euch langsam, haltet euch ihr Zwei,
Und zu des Himmels nachtverebbtem Strahl
Schweb' eurer Küsse schwärmerische Zahl!

Für andere zieht nach Arbeits Fluch und Pein
Ein Abend blaß und aller Armut ein.
Wenn alle an zerwalkten Tischen stehn,
Euch ist bereitet Schönheit und Vergehn.

Nun geht im Haus der biedere Verräter um,
Die Nachbarinnen sind euch höhnisch stumm.
Doch ist auf jeder Lippe Tod und Rache da,
(Oh der verruchten Küsse angeklagte Kette!)
Schlaft ein,
Schlaft ein in eurem Bette!
Dem tausendfachen Geist der Liebe seid ihr nah.


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