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Epilog

Dreizehntes Bild

Vor der Kirche Las Capuchinas zu Queretaro. Geräumiger Platz. Im Hintergrund eine Mauer von buntbewegten Menschen, die sich mit dem Rücken zum Zuschauer von einer zur anderen Bühnenseite hinzieht. Die Bewohner von Queretaro erwarten den Einzug des Präsidenten, der gekommen ist, den Leichnam Maximilians zu sehen. Über die Köpfe des Volks ragen die roten Fähnchenlanzen der supremos poderes, der republikanischen Garde, die des Präsidenten Straße frei halten. Der Lärm der Menge, das Geschrei der Verkäufer, Witzbolde und Zeitungskolporteure schallt gedämpft.

Der Vordergrund ist ganz ausgestorben. Rechts ein verfallenes palastartiges Haus, zu dessen Portal einige Stufen emporführen. Brennender Tag.

Prinzessin Salm und Herzfeld kommen von links.

Herzfeld: Geben Sie mir Ihren Revolver, Fürstin!

Prinzessin Salm: Ich will mich in der Kirche zu ihm drängen, und wenn er vor dem Sarg des Kaisers steht, schieße ich!

Herzfeld: Das sind hysterische Phantasien!

Prinzessin Salm: Soll Juarez leben?

Herzfeld: Geben Sie! Er entwindet ihr die Waffe.

Prinzessin Salm: Und Sie sind der Freund Maximilians.

Herzfeld: Er würde diesen Unsinn verabscheuen. Hilft ihm Ihre Rache und nützt es ihm etwas, daß man Sie lynchen wird?

Prinzessin Salm: Herzfeld! Sie sind überaus vernünftig. Ich nicht! Unerträglich, daß alles so ruhig weitergehn soll! Ein Mensch ist gestorben wie ein Gott. Nein! Gott hatte im Tode Frauen und Jünger um sich. Maximilian aber ist der einsamste Tote auf der weiten Welt. Soll ihm kein Totenrecht werden? Sein Requiem!? Die Katastrophe! Juarez stürzt über seinem Sarg zusammen. Und ich ... Lassen Sie mich!

Herzfeld: Ruhe, gnädige Frau! Fühlen Sie nicht, daß der Kaiser und wir Fremde sind! Wir haben kein Recht auf Leidenschaften in diesem Land.

Prinzessin Salm: Und was geschieht?

Herzfeld: Man wird Ihren Mann freilassen. Sie kehren nach Nordamerika zurück.

Prinzessin Salm: Ich soll wieder ein gewöhnliches Leben anfangen?

Herzfeld: Ihr Leben, Madame, wird niemals gewöhnlich sein. Ich aber will mich nach Europa durchbetteln, und in Österreich nehme ich Stellung in einem Amt.

Prinzessin Salm: Akten schreiben?

Herzfeld traurig: Halten Sie das für so leicht?

Prinzessin Salm: Ah! Glauben Sie nicht, daß ich den Kaiser geliebt habe. Ich sah ihn ja so selten. Er hat mich nicht bemerkt. Was hätte ich auch von ihm wollen?! Etwas ganz anderes war es, etwas Herrliches! Herzfeld! Ein Leben liegt hinter mir, und den Menschen habe ich ausgekostet. Immer dasselbe: Körper- und Interessenbrunst, dazu ein kleiner Privat-Wahnsinn bei jedem. Einer hübsch, der andere häßlich. Das ist alles!

Aber auf einmal steht ein Wesen da, gutgläubig, kindlich, schön, verklärt! Frühlingsgeruch einer Seele! Aller Schmutz schmilzt vor ihm weg. Er verzaubert und erhöht durch sein Dasein! Ich ... Unterbricht sich. Ach, wie soll ich wieder leben? Und mit wem?

Dr. Basch kommt von rechts.

Herzfeld: Basch! Endlich!

Dr. Basch: Herzfeld. Sie umarmen einander erschüttert.

Herzfeld da Basch reden will: Schweige!

Dr. Basch: Du hast recht! Pause. Es war kein Tod der erzogenen Haltung. Maximilian ist im Sterben ein großer Mensch gewesen!

Herzfeld: Für wen diese Größe!? Wofür dieser Tod!?

Dr. Basch: Glaubst Du nicht, daß jede Schönheit und jedes Opfer fortklingt und den Licht-Schatz der Welt vermehrt?

Prinzessin Salm mit leuchtenden Tränen im Auge: Ja, ich glaube es ...

Herzfeld: Ich glaube an das Vergebliche. Sieh diese schreckliche Sonne! Sie brütet den ganzen siebenfarbigen Spuk aus ... Es geht vorüber ...

Prinzessin Salm: Nein!

Dr. Basch: Armer Maximilian, dem alles mißlingen mußte, nur der Tod nicht!

Herzfeld: Sein Liebesstrahl traf keinen Gegenstand. Der Stoff seiner Gestaltungslust war Irrtum. Er träumte von Legitimität und blieb der illegitimste Mensch des Lebens. Denn legitim auf dieser Erde ist nur die zweckgeile Bestie ...

Dr. Basch: Oder der Asket der Macht, Juarez!

Prinzessin Salm: Er kommt! Hören Sie es nicht?

Herzfeld ohne Fassung: Keine Gnade?! Nirgends?! Ach, nur Vergeltung des Guten, keine??

Schwarzer Paukenwirbel und Volkes Brausen.

Prinzessin Salm erregt: Hören Sie?

Die Mauer der Menge wird immer bewegter. Rote Flaggen werden aufgezogen, die Lanzenfahnen tanzen.

Dr. Basch: Ich kann ihn nicht sehn!

Herzfeld: Ich will ihn nicht sehn!

Prinzessin Salm: Ich werde ihn sehn! Sie steigt die Stufen zur rechten Hand empor und überblickt die Menge.

Dr. Basch: Warum kommt der Mörder? Siegestrunkenheit? Neugier?

Herzfeld: Juarez tut nur das Notwendige. Dessen sei sicher. Der tote Kaiser ist ein großes Pfand der Republik. Das reaktionäre Europa wird sich demütigen müssen bis zur Schamlosigkeit.

Paukenwirbel und Lärm immer näher.

Prinzessin Salm den unsichtbaren Aufzug beobachtend: Gardisten ... Der Jefe politico mit dem Stadtkommandanten ... Jetzt die Generäle ... Alle im roten Hemd ... Escobedo führt die Gruppe ... Porfirio Diaz ist nicht darunter ... Das ist schön von Diaz!

Die Raserei der Menge wächst immer mehr.

Prinzessin Salm: Die Minister ... Und jetzt ...

Herzfeld und Dr. Basch wider Willen aufgeregt: Und jetzt? Er?

Prinzessin Salm: Nein! Ein Diener mit einem Kranz. Ein sehr amtlicher Kranz und hat eine schwarze Schleife ...

Die Menge aufheulend: Juarez!

Paukendonner auf der Szene.

Prinzessin Salm: Da! Ein kleiner alter Mensch ... Der Rock sitzt schlecht ... Er geht behutsam ...

Dr. Basch: Sein Gesicht?

Prinzessin Salm: Höflich still ... Aber er sieht niemanden ... Keiner wagt sich heran ... Ein Bannraum ist um ihn ... Herzfeld! Ich hätte es nicht können!

Der Lärm der Menge plötzlich gedämpft.

Prinzessin Salm: Auf der ersten Stufe bleibt er stehn ... Fühlt Ihr es? ... Er hebt leicht die rechte Hand ... Er spricht ... Unhörbar leise ...

Herzfeld von Bitternis übermannt: Er geht weiter! Er tritt ein! Er steht vor dem Kaiser! Kaiser? Das ist nur mehr ein Gepäckstück, um das gefeilscht werden wird. Und in drei Monaten ist alles ein gelber Zeitungsfetzen, in einem Jahr eine Anekdote, und dann ...

Prinzessin Salm tritt zu den Männern: Juarez ist der große und wahre Herr dieser Zeit! Gehn wir!

Herzfeld: Und dann: Blut, immer wieder Blut, das vergossen und vergessen wird!

Prinzessin Salm leise, als schäme sie sich, einen Augenblick lang vergessen zu haben: Maximilian ...

Die Menge paroxystisch: Juarez!

Eine Musikbande spielt die Chinaca, Mexikos rasche Revolutionshymne.

Der Vorhang fällt.

 


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