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Seelenlosigkeit des Weibes. Geschichte dieser Erkenntnis. Das Weib gänzlich ungenial. Keine männlichen Frauen im strengen Sinne. Unbegriffliche Natur des Weibes, aus dem Mangel des Ich zu erklären. Korrektur der Henidentheorie. Weibliches Denken. Begriff und Objekt. Die Freiheit des Objektes. Begriff und Urteil. Wesen des Urteils. Das Weib und die Wahrheit als Richtschnur des Denkens. Der Satz vom Grunde und sein Verhältnis zum Satz der Identität. Amoralität, nicht Antimoralität des Weibes. Das Weib und das Einsamkeitsproblem. Verschmolzenheit, nicht Gesellschaft. Weibliches Mitleid und weibliche Schamhaftigkeit. Das Ich der Frauen. Weibliche Eitelkeit. Mangel an Eigenwert. Gedächtnis für Huldigungen. Selbstbeobachtung und Reue. Gerechtigkeit und Neid. Name und Eigentum. Beeinflußbarkeit. – Radikale Differenz zwischen männlichem und weiblichem Geistesleben. Psychologie ohne und mit Seele. Psychologie eine Wissenschaft? Freiheit und Gesetzlichkeit. Die Grundbegriffe der Psychologie transzendenter Natur. Psyche und Psychologie. Die Hilflosigkeit der seelenlosen Psychologie. Wo »Spaltungen der Persönlichkeit« allein möglich sind. Psychophysischer Parallelismus und Wechselwirkung. Problem der Wirkung psychischer Sexualcharaktere des Mannes auf das Weib.
Es ist an der Zeit, zu der eigentlichen Aufgabe der Untersuchung zurückzukehren, um zu sehen, wie weit deren Lösung durch die längeren Einschiebungen gefördert worden ist, die oft ziemlich weit von ihr abzuführen schienen.
Die Konsequenzen der entwickelten Grundsätze sind für eine Psychologie der Geschlechter so radikale, daß, auch wer zu den bisherigen Ableitungen seine Zustimmung gegeben hätte, vor diesen Folgerungen zurückscheuen dürfte. Es ist noch nicht der Ort, die Gründe dieser Scheu zu analysieren; aber um die nun aufzustellende These gegen alle Einwände, die aus ihr fließen werden, zu schützen, soll sie in diesem Abschnitt noch in ausgiebigster Weise durch zwingende Argumente vollständig gesichert werden.
Worum es sich handelt, ist in Kürze dieses. Es wurde gefunden, daß das logische und das ethische Phänomen, beide im Begriffe der Wahrheit zum höchsten Werte sich zusammenschließend, zur Annahme eines intelligiblen Ich oder einer Seele, als eines Seienden von höchster, hyperempirischer Realität, zwingen. Bei einem Wesen, dem, wie W, das logische und das ethische Phänomen mangeln, entfällt auch der Grund, jene Annahme zu machen. Das vollkommen weibliche Wesen kennt weder den logischen noch den moralischen Imperativ, und das Wort Gesetz, das Wort Pflicht, Pflicht gegen sich selbst, ist das Wort, das ihm am fremdesten klingt. Also ist der Schluß vollkommen berechtigt, daß ihm auch die übersinnliche Persönlichkeit fehlt.
Das absolute Weib hat kein Ich.
Dies ist, in gewisser Beziehung, ein Abschluß der Betrachtung, ein Letztes, wozu alle Analyse des Weibes führt. Und wenn auch diese Erkenntnis, so kurz und bündig ausgesprochen, hart und unduldsam, paradox und von allzu schroffer Neuheit scheint: es ist, in einer solchen Sache, von vornherein kaum wahrscheinlich, daß der Verfasser der erste sei, welcher zu dieser Anschauung gelangt ist; wenn er auch selbständig wieder zu ihr den Weg finden mußte, um das Treffende der früheren ähnlichen Aussagen zu begreifen.
Die Chinesen sprechen seit ältester Zeit dem Weibe eine eigene Seele ab. Fragt man einen Chinesen nach der Zahl seiner Kinder, so zählt er nur die Knaben, und hat er bloß Töchter, so erklärt er, kinderlos zu sein. Vgl. auch Prediger Salomo 7, 29: »Unter Tausenden habe ich einen Menschen gefunden, aber kein Weib habe ich unter allen gefunden.« Aus einem ähnlichen Grund hat wohl Mohammed die Frauen vom Paradiese ausgeschlossen, und die unwürdige Stellung, welche das weibliche Geschlecht in den Ländern islamitischer Religion einnimmt, hiedurch mitverschuldet.
Von den Philosophen ist hier vor allem Aristoteles zu nennen. Für ihn ist das männliche Prinzip bei der Zeugung das formende, aktive, der Logos, das weibliche vertritt die passive Materie. Erwägt man nun, wie für Aristoteles Seele mit Form, Entelechie, Urbewegendem zusammenfällt, so ist klar, wie sehr er sich der hier ausgesprochenen Ansicht nähert, obwohl seine Anschauung nur dort zutage tritt, wo er vom Akte der Befruchtung redet; während ihm sonst mit fast allen Griechen außer Euripides es gemeinsam zu sein scheint, daß er über die Frauen selbst nicht nachdenkt, und deshalb nirgends ein Standpunkt in bezug auf die Eigenschaften des Weibes überhaupt (nicht nur in Ansehung seiner Rolle beim Begattungsakte) von ihm eingenommen wird.
Unter den Kirchenvätern scheinen besonders Tertullian und Origenes sehr niedrig vom Weibe gedacht zu haben; indes Augustinus schon durch das innige Verhältnis zu seiner Mutter davon hat abgehalten werden müssen, die Ansichten jener zu teilen. In der Renaissance ist die Aristotelische Ansicht wieder mehrfach aufgenommen worden, z. B. von Jean Wier (1518-1588). Damals scheint man diese überhaupt, gefühlsmäßig und intuitiv, besser verstanden und nicht bloß als Kuriosum betrachtet zu haben, wie das in der heutigen Wissenschaft üblich ist, die freilich noch zu anderen Verbeugungen vor der Aristotelischen Anthropologie sich einmal gewiß wird bequemen müssen.
In den letzten Jahrzehnten haben dieselbe Erkenntnis Henrik Ibsen (mit den Gestalten der Anitra, Rita und Irene) und August Strindberg (»Gläubiger«) ausgesprochen. Am populärsten aber ist der Gedanke von der Seelenlosigkeit des Weibes durch das wundervolle Märchen Fouqués geworden, dessen Stoff dieser Romantiker aus dem, von ihm eifrig studierten, Paracelsus geschöpft hat, und durch E. T. A. Hoffmann, Girschner und Albert Lortzing, welche es in Musik gesetzt haben. Undine, die seelenlose Undine, ist die platonische Idee des Weibes. Trotz aller Bisexualität kommt ihr die Wirklichkeit meist sehr nahe. Die verbreitete Rede: »das Weib hat keinen Charakter« meint im Grunde auch nichts anderes. Persönlichkeit und Individualität, (intelligibles) Ich und Seele, Wille und (intelligibler) Charakter – dies alles bezeichnet ein und dasselbe, das im Bereiche des Menschen nur M zukommt und W fehlt.
Da aber die Seele des Menschen der Mikrokosmus ist, und bedeutende Menschen solche, welche durchaus mit Seele leben, d. h. in denen die ganze Welt lebendig ist, so muß W absolut ungenial veranlagt sein. Der Mann hat alles in sich, und mag nur, nach den Worten Picos von Mirandola, dies oder jenes in sich besonders begünstigen. Er kann zur höchsten Höhe hinaufgelangen und aufs tiefste entarten, er kann zum Tiere, zur Pflanze, er kann auch zum Weibe werden, und darum gibt es weibliche, weibische Männer.
Aber die Frau kann nie zum Manne werden. Hier ist also die wichtigste Einschränkung an den Aufstellungen des ersten Teiles dieser Schrift vorzunehmen. Während mir eine große Anzahl von Männern bekannt ist, die psychisch fast vollständig, und nicht etwa zur Hälfte nur, Weib sind, habe ich zwar schon sehr viele Frauen gesehen mit männlichen Zügen, aber noch nie auch nur eine einzige Frau, die nicht doch im Grunde Weib gewesen wäre, wenn auch diese Weiblichkeit unter einer Menge verkleidender Hüllen vor dem Blicke der Person selbst, nicht nur der anderen, oft genug sich verbarg. Man ist (vgl. Kap. 1 des zweiten Teiles) entweder Mann oder Weib, so viel man auch von beiden Geschlechtern Eigentümlichkeiten haben mag, und dieses Sein, das Problem der Untersuchung von Anfang an, bestimmt sich jetzt nach dem Verhältnis eines Menschen zur Ethik und zur Logik; aber während es anatomische Männer gibt, die psychologisch Weiber sind, gibt es keine Personen, die körperlich Weiber und doch psychisch Männer sind; wenn sie auch in noch so vielen äußerlichen Beziehungen einen männlichen Aspekt gewähren, und einen unweiblichen Eindruck hervorbringen.
Darum aber läßt sich mit Sicherheit nun folgende abschließende Antwort auf die Frage nach der Begabung der Geschlechter geben: es gibt wohl Weiber mit genialen Zügen, aber es gibt kein weibliches Genie, hat nie ein solches gegeben (auch nicht unter den Mannweibern, welche die Geschichte nennt und von denen der erste Teil sprach) und kann nie ein solches geben. Wer prinzipiell in solchen Dingen der Laxheit huldigen und den Begriff der Genialität so sehr auftun und erweitern wollte, daß die Frauen unter ihm auch nur ein Fleckchen Raumes fänden, der würde diesen Begriff damit bereits zerstört haben. Wenn überhaupt ein Begriff von Genialität in Strenge und Einheitlichkeit gewonnen und gewahrt werden soll und kann, so sind, wie ich glaube, keine anderen Definitionen von ihm möglich als die hier entwickelten. Wie könnte nach diesen ein seelenloses Wesen Genie haben? Genialität ist identisch mit Tiefe; und man versuche nur, tief und Weib wie Attribut und Substantiv miteinander zu verbinden: ein jeder hört den Widerspruch. Ein weiblicher Genius ist demnach eine contradictio in adjecto; denn Genialität war ja nur gesteigerte, voll entfaltete, höhere, allgemein bewußte Männlichkeit. Der geniale Mensch hat, wie alles, auch das Weib völlig in sich; aber das Weib selbst ist nur ein Teil im Weltall, und der Teil kann nicht das Ganze, Weiblichkeit also nicht Genialität in sich schließen. Die Genielosigkeit des Weibes folgt unabwendbar daraus, daß das Weib keine Monade und somit kein Spiegel des Universums ist. Es wäre an und für sich ein leichtes, nun die Schöpfungen der berühmtesten Frauen vorzunehmen und hier an einigen Beispielen zu zeigen, wie wenig irgendwo da von Genie die Rede sein kann. Aber zu einer so langwierig historisch-philologischen, quellenmäßigen Arbeit, die ohne Pedanterie schwer ausführbar gewesen wäre und zudem von jedermann, dem sie Vergnügen bereitete, leicht selbst besorgt werden könnte, mochte ich mich nicht entschließen.
Zum Nachweise der Seelenlosigkeit des Weibes aber vereinigt sich der größte Teil alles dessen, was etwa in den vorigen Kapiteln zu ermitteln sollte gelungen sein. Das dritte Kapitel zunächst hat gezeigt, daß die Frau in Heniden, der Mann in gegliederten Inhalten lebt, daß das weibliche Geschlecht ein weniger bewußtes Leben führt als das männliche. Bewußtsein ist aber ein erkenntnistheoretischer und zugleich der psychologische Fundamentalbegriff. Erkenntnistheoretisches Bewußtsein und Besitz eines kontinuierlichen Ich, transzendentales Subjekt und Seele sind vertauschbare Wechselbegriffe. Jedes Ich ist nur in der Weise, daß es sich selbst fühlt, sich seiner in seinen Denkinhalten bewußt wird; alles Sein ist Bewußtsein. Aber es ist jetzt zu jener Theorie von den Heniden eine wichtige Erläuterung hinzuzufügen. Die artikulierten Denkinhalte des Mannes sind nicht einfach die auseinandergefalteten und geformten weiblichen, sie sind nicht bloß aktuell, was jene potentiell waren; sondern es steckt in ihnen von allem Anfang an noch ein qualitativ anderes. Die psychischen Inhalte des Mannes sind, selbst schon im ersten Henidenstadium, das sie stets zu überwinden trachten, bereits zur Begrifflichkeit angelegt, und vielleicht tendiert selbst alle Empfindung des Mannes von einem sehr frühen Stadium an zum Begriffe. Das Weib selbst ist durchaus unbegrifflich veranlagt, in seinem Wahrnehmen wie in seinem Denken.
Das Prinzip aller Begrifflichkeit sind die logischen Axiome, und diese fehlen den Frauen; ihnen ist nicht das Prinzip der Identität Richtschnur, welches allein dem Begriff seine eindeutige Bestimmtheit verleihen kann, und sie machen sich nicht das principium contradictionis zur Norm, das einzig ihn, als völlig selbständigen, gegen alle anderen möglichen und wirklichen Dinge abgrenzt. Dieser Mangel an begrifflicher Bestimmtheit alles weiblichen Denkens ermöglicht jene »Sensitivität« der Frauen, die vagen Assoziationen ein schrankenloses Recht einräumt, und so häufig ganz fernliegende Dinge zum Vergleich heranzieht. Auch die Frauen mit dem besten und am wenigsten begrenzten Gedächtnis kommen über diese Manier der Synästhesien nie hinaus. Gesetzt z. B., durch irgend ein Wort fühlten sie sich an eine bestimmte Farbe, durch einen Menschen an eine bestimmte Speise erinnert – wie das wirklich bei Frauen oft genug vorkommt: in solchem Falle geben sie sich mit ihrer subjektiven Assoziation vollständig zufrieden, sie suchen weder zu ergründen, warum ihnen gerade dieser Vergleich eingefallen, inwiefern er wirklich durch die tatsächlichen Verhältnisse nahegelegt sei, noch trachten sie weiter und eifriger über ihren Eindruck von dem Worte, von dem Menschen ins Klare zu kommen. Diese Genügsamkeit und Selbstzufriedenheit hängt mit dem zusammen, was früher als intellektuelle Gewissenlosigkeit des Weibes bezeichnet wurde, und gleich weiter unten nochmals zur Sprache kommen und in seinem Konnex mit dem Mangel an Begrifflichkeit erläutert werden soll. Jenes Schwelgen in rein gefühlsmäßigen Anklängen, jener Verzicht auf Begrifflichkeit und auf Begreiflichkeit, jenes Sich wiegen ohne Streben nach irgend einer Tiefe charakterisiert den schillernden Stil so vieler moderner Schriftsteller und Maler als einen eminent weiblichen. Männliches Denken scheidet sich von allem weiblichen grundsätzlich durch das Bedürfnis nach sicheren Formen, und so ist auch jede »Stimmungskunst« immer notwendig eine formlose »Kunst«.
Die psychischen Inhalte des Mannes können aus diesen Gründen nie einfach Heniden des Weibes in bloßer Weiterentwicklung, in »expliziter« Form sein. Das Denken des Weibes ist ein Gleiten und ein Huschen zwischen den Dingen hindurch, ein Nippen von ihren obersten Flächen, denen der Mann, der »in der Wesen Tiefe trachtet«, oft gar keine Beachtung schenkt, es ist ein Kosten und ein Naschen, ein Tasten, kein Ergreifen des Richtigen. Darum, weil das Denken des Weibes vornehmlich eine Art Schmecken ist, bleibt auch Geschmack, im weitesten Sinne, die vornehmste weibliche Eigenschaft, das Höchste, was eine Frau selbständig erreichen und worin sie es bis zu einer gewissen Vollendung bringen kann. Geschmack erfordert eine Beschränkung des Interesses auf Oberflächen, er geht auf den Zusammenklang des Ganzen, und verweilt nie bei scharf herausgehobenen Teilen. Wenn eine Frau einen Mann »versteht« – über Möglichkeit und Unmöglichkeit solchen Verstehens wird noch zu handeln sein –, so schmeckt sie sozusagen – so geschmacklos gerade dieser Ausdruck sein mag – nach, was er ihr vorgedacht hat. Da es auf ihrer Seite hiebei eben nicht zu scharfer Unterscheidung kommen kann, so ist klar, daß an ein Verständnis von ihr selbst oft wird geglaubt werden, wo nur höchst vage Analogien in der Empfindung vorhanden sind. Als maßgebend für die Inkongruenzen ist hiebei vor allem anzusehen, daß die Denkinhalte des Mannes nicht auf derselben Linie und nicht etwa nur auf ihr weiter vorgerückt liegen als die des Weibes, sondern daß es zwei Reihen sind, welche auf die gleichen Objekte sich erstrecken, eine begriffliche männliche und eine unbegriffliche weibliche, und eine im Verstehen ausgesagte Identifikation demnach nicht nur zwischen einem entwickelten, differenzierten, späteren und einem noch chaotischen, ungegliederten, früheren Inhalt derselben Reihe erfolgen kann (wie im Falle des Ausdruckes, S. 149); sondern daß gerade im Verstehen zwischen Mann und Weib ein begrifflicher Gedanke der einen Reihe einem unbegrifflichen »Gefühle«, einer »Henide«, in der anderen gleichgesetzt wird.
Die unbegriffliche Natur des Weibes ist aber, nicht minder als seine geringere Bewußtheit, ein Beweis dafür, daß es kein Ich besitzt. Denn erst der Begriff schafft den bloßen Empfindungskomplex zum Objekt um, er macht ihn unabhängig davon, ob ich ihn empfinde oder nicht. Das Dasein des Empfindungskomplexes ist immer vom Willen des Menschen abhängig: dieser schließt das Auge, er verstopft das Ohr und sieht und hört schon nicht mehr, er berauscht sich oder sucht den Schlaf, und vergißt. Erst der Begriff emanzipiert von der ewig subjektiven, ewig psychologisch-relativen Tatsache des Empfindens, er schafft die Dinge. Durch seine begriffliche Funktion stellt sich der Intellekt selbsttätig ein Objekt gegenüber; und umgekehrt kann nur, wo eine begriffliche Funktion da ist, von Subjekt und Objekt gesprochen werden, nur dort sind beide voneinander unterscheidbar; in jedem anderen Falle ist nur ein Haufe ähnlicher und unähnlicher Bilder vorhanden, die ineinander ohne jede Regel und Ordnung verschwimmen und übergehen. Der Begriff schafft also die frei in der Luft schwebenden Impressionen zu Gegenständen um, er zeugt aus der Empfindung ein Objekt, dem das Subjekt gegenübertritt, einen Feind, an dem es seine Kräfte mißt. So ist der Begriff konstitutiv für alle Realität; nicht als ob der Gegenstand selbst nur so weit Realität besäße, als er Anteil hätte an einer jenseits der Erfahrung in einem τόπος νοητός liegenden Idee und nur eine unvollkommene Projektion, ein stets mißlungenes Abbild dieser darstellte: sondern umgekehrt, insofern sich auf irgend etwas die begriffliche Funktion unseres Intellektes erstreckt, insofern und nur insofern wird es zum realen Ding. Der Begriff ist das » transzendentale Objekt« der Kantschen Vernunftkritik, als welches aber stets nur einem transzendentalen Subjekte korrespondiert. Denn nur aus dem Subjekte stammt jene rätselhafte objektivierende Funktion, die jenen Kantschen »Gegenstand X«, auf den alle Erkenntnis sich erst richtet, selbst hervorbringt, und die ja als identisch mit den logischen Axiomen erkannt wurde, in welchen wieder nur das Dasein des Subjektes zum Ausdruck gelangt. Das principium contradictionis nämlich grenzt den Begriff ab gegen alles, was nicht er selbst ist; das principium identitatis ermöglicht seine Betrachtung, als ob er allein auf der Welt wäre. Ich kann nie von einem rohen Empfindungskomplexe sagen, daß er sich selbst gleich sei; in dem Augenblick, wo ich das Urteil der Identität auf ihn anwende, ist er bereits begrifflich geworden. So verleiht erst der Begriff allem Wahrnehmungsgebilde und allem Gedankengespinst seine Würde und seine Strenge: der Begriff befreit jeden Inhalt, indem er ihn bindet. Es gibt eine Freiheit des Objektes nicht minder als eine Freiheit des Subjektes; beide korrespondieren miteinander. Und hier abermals wird offenbar, wie alle Freiheit Selbstbindung ist, in der Logik wie in der Ethik. Frei wird der Mensch allein, indem er selbst das Gesetz wird: nur so entgeht er der Heteronomie, der Bestimmung durch anderes und durch andere, die unausbleiblich an jede Willkür geknüpft ist. Deshalb ist auch die begriffliche Funktion eine Selbstehrung des Menschen; er ehrt sich, indem er seinem Objekte die Freiheit gibt und es verselbständigt, als den allgemeingültigen Gegenstand der Erkenntnis, auf den rekurriert wird, wo immer zwei Männer über eine Sache streiten mögen. – Nur die Frau steht nie Dingen gegenüber, sie springt mit ihnen und in ihnen mit sich nach Belieben um: sie kann dem Objekte keine Freiheit schenken, da sie selbst keine hat.
Die Verselbständigung der Empfindung im Begriffe ist aber nicht sowohl eine Loslösung vom Subjekte, als eine Loslösung von der Subjektivität. Der Begriff ist vielmehr eben das, worüber ich denke, schreibe und spreche. Darin liegt der Glaube, daß ich nichtsdestoweniger noch in einer Beziehung zu ihm stehe, und dieser Glaube ist das Wesen des Urteils. Wenn die immanenten Psychologisten, Hume, Huxley, Mach, Avenarius, sich mit dem Begriffe noch so abzufinden suchten, daß sie ihn mit der Allgemeinvorstellung identifizierten, und zwischen logischem und psychologischem Begriffe keine Unterscheidung mehr trafen: so ist es hingegen sehr bezeichnend, daß sie das Urteil einfach ignorieren, ja tun müssen, als ob es nicht da wäre. Sie können, von ihrem Standpunkt aus, für das allem Empfindungsmonismus Fremde, das im Urteils akte enthalten ist, keinerlei Verständnis sich gestatten. Im Urteil liegt Anerkennung oder Verwerfung, Billigung oder Mißbilligung bestimmter Dinge, und der Maßstab dieser Billigung – die Idee der Wahrheit – kann nicht selbst in den Wahrnehmungskomplexen gelegen sein, die beurteilt werden. Für wen es nichts als Empfindungen gibt, für den sind notwendig alle Empfindungen gleichwertig, die Aussichten der einen nicht größer als die der anderen, Baustein einer realen Welt zu werden. So vernichtet gerade der Empirismus die Wirklichkeit der Erfahrung, und entpuppt sich der Positivismus trotz des »solid« und »reell« klingenden Titels seiner Firma als der wahre Nihilismus – wie so manches der Ehrbarkeit volle geschäftliche Unternehmen als ein schwindelhafter Luftbau. Der Gedanke eines Maßes der Erfahrung, der Wahrheitsgedanke, kann nicht schon in der Erfahrung gelegen sein. In jedem Urteil aber liegt gerade dieser Anspruch auf Wahrheit, es erhebt implicite, auch wenn es mit noch so vielen, subjektiv einschränkenden, Zusätzen versehen wird, die Forderung seiner objektiven Gültigkeit eben in der restringierten Form, die ihm sein Urheber gab. Wer etwas in der Weise eines Urteils ausspricht, wird so behandelt, als verlangte er die allgemeine Anerkennung für das, was er sagt; und erklärt er, daß ihm diese Hoffnung ferngelegen sei, so wird er mit Recht zu hören bekommen, daß er sich eines Mißbrauches der Urteilsform schuldig gemacht habe. Demnach ist es richtig, daß in der urteilenden Funktion der Anspruch auf Erkenntnis, das heißt auf die Wahrheit des Geurteilten, gelegen sei.
Dieser Anspruch auf Erkenntnis besagt nicht mehr und nicht weniger, als daß das Subjekt über das Objekt zu urteilen, darüber Richtiges auszusagen vermöge. Die Objekte, über die geurteilt wird, sind Begriffe: der Begriff ist der Gegenstand der Erkenntnis. Der Begriff stellte dem Subjekt ein Objekt gegenüber; durch das Urteil wird wiederum die Möglichkeit einer Verbindung und Verwandtschaft zwischen ihnen behauptet. Denn die Wahrheitsforderung heißt so viel, daß das Subjekt über das Objekt auch richtig urteilen könne; und so liegt in der Urteilsfunktion der Beweis eines Zusammenhanges zwischen dem Ich und dem All, ja der Möglichkeit ihrer vollen Einheit; denn diese Einheit, und nichts anderes, nicht die Übereinstimmung, sondern die Identität von Sein und Denken ist Wahrheit; nie eine dem Menschen als Menschen je erreichbare Tatsache Von der also nicht eine Philosophie ausgehen darf, zu der sie nur als zu einer letzten Grenzmarkung gelangen soll., immer nur eine ewige Forderung. Die Freiheit des Subjektes und die Freiheit des Objektes sind am Ende doch die eine Freiheit. So ist das Urteilsvermögen, in der Voraussetzung, die ihm am allgemeinsten zugrunde liegt, der Voraussetzung, daß der Mensch über alles zu urteilen vermöge, nur der trockene logische Ausdruck der Theorie von der Seele des Menschen als des Mikrokosmus. Und die viel verhandelte Frage, was vorhergehe, Begriff oder Urteil, wird wohl dahin entschieden werden müssen, daß keinem von beiden eine Priorität vor dem anderen zukomme, vielmehr beide einander notwendig bedingen. Denn alle Erkenntnis geht auf einen Gegenstand, Erkennen aber vollzieht sich in der Form des Urteilens und sein Gegenstand ist der Begriff. Die begriffliche Funktion hat Subjekt und Objekt gespalten, und jenes einsam gemacht: wie alle Liebe, so sucht damit sogleich auch die Sehnsucht des Erkenntnistriebes das Entzweite wieder zu einen.
Fehlt einem Wesen, wie dem echten Weibe, die begriffliche, so mangelt ihm deshalb notgedrungen gleichzeitig die urteilende Tätigkeit. Man wird diese Behauptung eine lächerliche Paradoxie nennen, weil ja doch die Frauen genug sprechen (wenigstens hat sich niemand über das Gegenteil beklagt), und alles Sprechen Ausdruck von Urteilen sei. Aber eben dieses letztere ist nicht richtig. Der Lügner z. B., den man gegen die tiefere Bedeutung des Urteilsphänomens gewöhnlich ins Feld führt, urteilt gar nicht (es gibt eine »innere Urteilsform« Der Ausdruck stammt von Dr. Wilh. Jerusalem. wie eine »innere Sprachform«), indem er eben, lügend, an das, was er sagt, gar nicht den Maßstab der Wahrheit anlegt; und, wenn er für die Lüge auch noch so allgemeine Anerkennung erzwingen will, eben seine eigene Person hievon ausnimmt und damit die objektive Gültigkeit dahin ist. Wer sich hingegen selbst belügt, fragt vor dem inneren Forum seine Gedanken nicht nach ihren Rechtsgründen, würde sich aber wohl hüten, sie vor einem äußeren zu vertreten. Es kann also jemand die äußere sprachliche Form des Urteils sehr wohl wahren, ohne seiner inneren Bedingung gerecht geworden zu sein. Diese innere Bedingung ist aufrichtige Anerkennung der Idee der Wahrheit als obersten Richters über alle Aussagen, und herzliches Begehren, vor diesem Richter mit jedem Ausspruche, den man tue, bestehen zu können. Man steht aber zur Idee der Wahrheit in einem Verhältnis überhaupt und ein für alle Male, und nur aus einem solchen kann Wahrhaftigkeit sowohl den Menschen, als den Dingen, als auch sich selbst gegenüber fließen. Darum ist die eben getroffene Einteilung in Lüge vor sich und Lüge vor anderen falsch, und wer subjektiv verlogen ist, wie das von der Frau bereits hervorgehoben wurde und noch sehr ausführlich auseinandergesetzt werden wird, der kann auch kein Interesse an der objektiven Wahrheit besitzen. Das Weib hat keinen Eifer für die Wahrheit – darum ist es nicht ernst –, darum nimmt es auch keinen Anteil an Gedanken. Es gibt eine Menge weiblicher Schriftstellerinnen, aber Gedanken vermißt man in allem, was weibliche Künstler je geschaffen haben, und so gering ist diese Liebe zur (objektiven) Wahrheit, daß sie Gedanken meist nicht einmal zu borgen der Mühe wert finden.
Kein Weib hat wirkliches Interesse für die Wissenschaft, sie mag es sich selbst und noch so vielen braven Männern, aber schlechten Psychologen, vorlügen. Man kann sicher sein, daß, wo immer eine Frau irgend etwas nicht ganz Unerhebliches in wissenschaftlichen Dingen selbständig geleistet hat (Sophie Germain, Mary Somerville etc.), dahinter stets ein Mann sich verbirgt, dem sie auf diese Weise näherzukommen trachtete; und viel allgemeiner als für den Mann das »Cherchez la femme« gilt für die Frauen ein »Cherchez 1'homme«.
Bedeutendere Leistungen hat es aber selbst auf dem Gebiete der Wissenschaft von weiblicher Seite nie gegeben. Denn die Fähigkeit zur Wahrheit stammt nur aus dem Willen zur Wahrheit, und ist stets diesem in ihrer Stärke angemessen.
Darum ist auch der Wirklichkeitssinn der Frauen, so oft auch das Gegenteil behauptet worden ist, viel geringer als jener der Männer. Ihnen ordnet sich die Erkenntnis stets einem fremden Zwecke unter, und wenn die Absicht auf diesen intensiv genug ist, dann mögen die Frauen sehr scharf und unbeirrt blicken; was Wahrheit an sich und um ihrer selbst willen für einen Wert haben solle, wird eine Frau nie und nimmer einzusehen imstande sein. Wo also Täuschung seinen (oft unbewußten) Wünschen entgegenkommt, dort wird das Weib gänzlich unkritisch, und verliert jede Kontrolle über die Realität. Daraus erklärt sich der feste Glaube so mancher Frauen, von sexuellen Attacken bedroht worden zu sein, daraus die ungemeine Häufigkeit der Halluzinationen des Tastsinnes beim weiblichen Geschlechte, von deren intensivem Realitätscharakter der Mann nicht leicht eine Vorstellung sich bilden mag; denn die Phantasie des Weibes ist Irrtum und Lüge, die Phantasie des Mannes hingegen, als Künstlers oder Philosophen, erst höhere Wahrheit.
Der Wahrheitsgedanke aber liegt allem, was den Namen Urteil verdient, zugrunde. Urteilen ist die Form alles Erkennens, und Denken selbst heißt nichts anderes als urteilen. Die Norm des Urteils ist der Satz vom Grunde, gleichwie die Sätze vom Widerspruch und von der Identität den Begriff (als die Norm der Essenz) konstituieren. Daß die Frau den Satz vom Grunde nicht anerkennt, darauf wurde schon hingewiesen. Alles Denken ist Ordnen des Mannigfaltigen zur Einheit; im Satz vom Grunde, der die Berechtigung jedes Urteils von einem logischen Erkenntnisgrunde abhängig macht, liegt der Gedanke der Einheitsfunktion unseres Denkens mit Bezug auf die Mannigfaltigkeit, und trotz derselben; indes die drei anderen logischen Axiome nur ein Ausdruck des Seins der Einheit selbst ohne Beziehung auf eine Mannigfaltigkeit sind. Beide sind darum nicht aufeinander zurückzuführen, vielmehr ist darin, daß sie zweierlei sind, der formallogische Ausdruck des Dualismus in der Welt, der Existenz einer Vielheit neben der Einheit zu erblicken. Jedenfalls hatte Leibniz recht, als er beide unterschied, und jede Theorie, die dem Weibe die Logik abspricht, muß nicht nur vom Satz des Widerspruches (und der Identität), der sich auf den Begriff bezieht, sondern ebenso vom Satz des Grundes, unter dessen Gewalt das Urteil steht, nachweisen, daß es ihn nicht begreife und ihm sich nicht beuge. In der intellektuellen Gewissenlosigkeit der Frau liegt dieser Nachweis. Hat einmal ein Weib einen theoretischen Einfall, so verfolgt es ihn nicht weiter, es bringt ihn nicht in Beziehung zu anderem, es denkt nicht nach. Deshalb kann es am wenigsten einen weiblichen Philosophen geben: es fehlt die Ausdauer, die Zähigkeit, die Beharrlichkeit des Denkens und alle Motive zu diesem, und daß eine Frau an Problemen litte, davon kann zuallerletzt die Rede sein. Man schweige nur von den Weibern, denen nicht zu helfen ist. Der problematische Mann will erkennen, das problematische Weib will doch nur erkannt werden.
Ein psychologischer Beweis für die Männlichkeit der Urteilsfunktion ist dieser, daß das Urteilen vom Weibe als männlich empfunden wird, und wie ein (tertiärer) Sexualcharakter anziehend auf dasselbe wirkt. Die Frau verlangt vom Manne stets bestimmte Überzeugungen, die sie übernehme; für den Zweifler im Manne geht ihr jegliches Verständnis, welcher Art immer, ab. Auch erwartet sie stets, daß der Mann rede, und die Rede des Mannes ist ihr ein Zeichen von Männlichkeit. Den Frauen ist zwar die Gabe der Sprache, aber nicht so die der Rede verliehen, eine Frau konversiert (kokettiert) oder schnattert, aber sie redet nicht. Am gefährlichsten aber ist sie, wenn sie stumm ist: denn der Mann ist nur allzu geneigt, Stummheit für Schweigen zu nehmen.
So ist nicht nur von den logischen Normen, sondern auch von den Funktionen, welche durch diese Grundsätze geregelt werden, von der begrifflichen und der urteilenden Tätigkeit, bewiesen, daß W ihrer entbehrt. Da aber die Begrifflichkeit ihrem Wesen nach darin besteht, einem Subjekt sein Objekt gegenüberzustellen, und im Urteilen die Urverwandtschaft und tiefste Wesenseinheit des Subjektes mit seinem Objekte zum Ausdruck kommt, so muß der Frau abermals der Besitz eines Subjektes aberkannt werden.
An den Nachweis der Alogizität des absoluten Weibes hat sich der Nachweis seiner Amoralität im einzelnen zu schließen. Die tiefe Verlogenheit des Weibes, welche aus dem Mangel eines Verhältnisses zur Idee der Wahrheit, wie zu den Werten überhaupt, freilich schon hier sich ergibt, muß noch so eingehend Gegenstand der Besprechung werden, daß hier zunächst andere Momente hervorgekehrt sein sollen. Es gilt dabei unausgesetzt einen besonderen Scharfsinn und eine große Vorsicht; denn es gibt so unendlich viele Imitationen des Ethischen, ja so täuschende Kopien der Moral, daß die Sittlichkeit der Frauen wohl von vielen stets höher als die der Männer wird gewertet werden. Ich habe schon die Notwendigkeit der Distinktion zwischen a moralischem und antimoralischem Verhalten betont, und wiederhole, daß nur von ersterem, welches eben gar keinen Sinn für die Moral und gar keine Richtung mit Bezug auf dieselbe involviert, beim echten Weibe die Rede sein kann. Es ist eine aus der Kriminalstatistik wie aus dem täglichen Leben wohlbekannte Tatsache, daß von Frauen unvergleichlich weniger Verbrechen begangen werden als von Männern. Auf diese Tatsache berufen sich denn auch immer die geschäftigen Apologeten der Sittenreinheit des Weibes.
Aber bei der Entscheidung der Frage nach der weiblichen Sittlichkeit kommt es nicht darauf an, ob jemand objektiv gegen die Idee gesündigt hat; sondern nur darauf, ob er einen subjektiven Wesenskern hat, der in ein Verhältnis zur Idee treten konnte, und dessen Wert er in Frage stellte, als er fehlte. Gewiß wird der Verbrecher mit seinen verbrecherischen Trieben geboren, aber nichtsdestoweniger fühlt er selbst, trotz aller Theorien von der »moral insanity«, daß er durch seine Tat seinen Wert und sein Recht auf das Leben verwirkt hat; denn es gibt nur feige Verbrecher, und keinen, dessen Stolz und Selbstbewußtsein durch die böse Tat erhöht und nicht vermindert worden wäre, keinen, der es übernähme, sie zu rechtfertigen.
Der männliche Verbrecher hat ebenso von Geburt an ein Verhältnis zur Idee des Wertes wie jener andere Mann, dem die verbrecherischen Triebe, die den ersten beherrschen, fast völlig mangeln. Das Weib hingegen behauptet oft im vollen Rechte zu sein, wenn es die denkbar größte Gemeinheit begangen hat; während der echte Verbrecher stumpfsinnig auf alle Vorwürfe schweigt, kann eine Frau empört ihrer Verwunderung und Entrüstung darüber Ausdruck geben, daß man ihr gutes Recht, so oder so zu handeln, in Zweifel ziehe. Frauen sind überzeugt von ihrem »Rechte«, ohne je über sich zu Gericht gesessen zu sein. Der Verbrecher geht zwar auch nie in sich, aber er behauptet auch nie sein Recht; er geht vielmehr dem Gedanken des Rechtes hastig aus dem Wege, weil es ihn an seine Schuld erinnern könnte: und hier liegt auch der Beweis, daß er ein Verhältnis zur Idee hatte, und nur an seine Untreue gegen sein besseres Selbst nicht erinnert werden will. Kein Verbrecher hat noch wirklich geglaubt, daß ihm Unrecht geschehen sei durch die Strafe Der Verbrecher fühlt sich sogar dann in seiner Weise schuldig, wenn er gerade nichts Übles getan hat. Er ist stets von anderen auf den Vorwurf des Betruges, des Diebstahls usw. gefaßt, auch wenn er die Tat gar nicht begangen hat: weil er sich ihrer fähig weiß. Er fühlt sich darum auch stets ertappt, wenn irgend ein anderer Missetäter festgenommen wird.; die Frau hingegen ist überzeugt von der Böswilligkeit ihrer Ankläger; und, wenn sie nicht will, kann ihr niemand beweisen, daß sie Unrecht getan habe. Wenn ihr jemand zuredet, so kommt es freilich oft vor, daß sie in Tränen ausbricht, um Verzeihung bittet und »ihr Unrecht einsieht«, ja wirklich glaubt, dieses Unrecht aufrichtig zu fühlen; aber immer nur, wenn sie dazu Lust empfunden hat; denn diese Auflösung im Weinen bereitet ihr stets ein gewisses wollüstiges Vergnügen. Der Verbrecher ist verstockt, er läßt sich nicht im Nu umdrehen, wie der scheinbare Trotz einer Frau in ein ebenso scheinbares Schuldgefühl sich verkehren läßt, wenn der Ankläger sie entsprechend zu behandeln versteht. Die einsame Pein der Schuld, die am Bette weinend sitzt und vergehen möchte vor Scham über den Makel, mit dem sie sich beladen hat, die kennt kein Weib, und eine scheinbare Ausnahme (die Büßerin, die den Leib kasteiende Betschwester) wird später ebenfalls zeigen, daß eine Frau stets nur zu zweien sich sündhaft fühlt.
Ich behaupte also nicht, daß die Frau böse, antimoralisch ist; ich behaupte, daß sie vielmehr böse gar nie sein kann; sie ist nur amoralisch, gemein.
Das weibliche Mitleid und die weibliche Schamhaftigkeit sind die beiden anderen Phänomene, auf welche der Schätzer weiblicher Tugend insgemein sich beruft. Speziell die weibliche Güte, das weibliche Mitgefühl haben zu der schönen Sage von der Psyche des Weibes den meisten Anlaß gegeben, und das letzte Argument alles Glaubens an die höhere Sittlichkeit der Frau ist die Frau als Krankenpflegerin, als barmherzige Schwester. Ich erwähne diesen Punkt ungern und hätte ihn nicht berührt, bin aber durch einen Einwand, der mir mündlich gemacht wurde, und dem voraussichtlich weitere folgen werden, hiezu gezwungen.
Es ist kurzsichtig, wenn man die Krankenpflege der Frauen für einen Beweis ihres Mitleids hält, indem vielmehr gerade das Gegenteil aus ihr folgt. Denn der Mann könnte die Schmerzen des Kranken nie mitansehen, er müßte unter ihnen so leiden, daß er völlig aufgerieben würde, und wartende Pflege des Patienten wäre ihm ganz unmöglich. Wer Krankenschwestern beobachtet, nimmt mit Erstaunen wahr, daß diese gleichmütig und »sanft« bleiben, selbst unter den furchtbarsten Krämpfen eines Sterbenden; und so ist es gut; denn der Mann, der Qualen und Tod nicht mitmachen kann, wäre dem Kranken ein schlechter Pfleger. Der Mann würde die Qualen lindern, den Tod aufhalten, mit einem Worte, er würde helfen wollen; wo nicht zu helfen ist, da ist kein Platz für ihn, da kann allein die Pflege in ihr Recht treten, und für diese eignet sich nur das Weib. Man ist aber völlig im Unrecht, wenn man die Tätigkeit der Frauen auf diesem Ressort anders als vom utilitaristischen Standpunkt schätzen zu können glaubt.
Dazu tritt noch, daß für die Frau das Problem von Einsamkeit und Gesellschaft gar nicht existiert. Sie schickt sich gerade deshalb besonders gut zur Gesellschafterin (Vorleserin, Krankenpflegerin), weil sie nie aus einer Einsamkeit heraustritt in eine Mehrsamkeit. Dem Manne wird Einsamkeit und Mehrsamkeit immer irgendwie Problem, wenn auch oft nur eine von beiden zur Möglichkeit. Die Frau verläßt keine Einsamkeit, um den Kranken zu pflegen, wie sie es tun müßte, auf daß ihre Tat mit Recht sittlich könnte genannt werden; denn eine Frau ist nie einsam, sie kennt nicht die Liebe zur Einsamkeit und nicht die Furcht vor ihr. Die Frau lebt stets, auch wenn sie allein ist, in einem Zustande der Verschmolzenheit mit allen Menschen, die sie kennt: ein Beweis, daß sie keine Monade ist, denn alle Monaden haben Grenzen. Die Frauen sind ihrer Natur nach unbegrenzt, aber nicht unbegrenzt wie der Genius, dessen Grenzen mit denen der Welt zusammenfallen; sondern sie trennt nie etwas Wirkliches von der Natur oder von den Menschen. Weil die Frau den zweiten Menschen gar nicht als besonderes Wesen empfindet, deshalb leidet sie nie unter ihren Nächsten, und nur deshalb kann sie stets allen Menschen sich überlegen fühlen.
Dieses Verschmolzensein ist etwas durchaus Sexuelles, und dementsprechend äußert sich alles weibliche Mitleid in körperlicher Annäherung an das bemitleidete Wesen, es ist tierische Zärtlichkeit, es muß streicheln und trösten. Wieder nur ein Beweis für das Fehlen jenes harten Striches, der stets zwischen Persönlichkeit und Persönlichkeit gezogen ist! Die Frau ehrt nicht den Schmerz des Nebenmenschen durch Schweigen, sie glaubt ihn durch Zureden aufheben zu können: so sehr fühlt sie sich mit ihm verbunden, als natürliches, nicht als geistiges Wesen.
Das verschmolzene Leben, eine der wichtigsten und am tiefsten führenden Tatsachen des weiblichen Daseins, ist auch der Grund der Rührseligkeit aller Frauen, jener gemeinen Willigkeit und Leichtigkeit und Schamlosigkeit des Tränenergusses. Nicht umsonst kennt man nur Klageweiber, und achtet einen in Gesellschaft weinenden Mann nicht sehr hoch. Wenn jemand weint, so weint die Frau mit, wie sie stets mitlacht, wenn ein anderer, außer über sie selbst, lacht: und damit ist ein guter Teil des weiblichen Mitleidens auch bereits erschöpft.
Nur das Weib jammert so recht andere Menschen an, weint sie an und verlangt ihr Mitleid. Hierin liegt einer der stärksten Beweise der psychischen Schamlosigkeit des Weibes. Die Frau provoziert das Mitleid der Fremden, um mit diesen weinen und sich selbst so noch mehr bedauern zu können, als sie es bereits tat. Ja, es ist nicht zu viel behauptet, daß das Weib, auch wenn es allein weint, stets mitweine mit anderen, denen es in Gedanken sein Leid klagt, wodurch es selbst sehr heftig gerührt wird. »Mitleid mit sich selbst« ist eine eminent weibliche Eigenschaft: die Frau stellt sich zuerst in eine Reihe mit den anderen, macht sich zum Objekt des Mitleidens anderer, und beginnt nun, tief ergriffen, mit ihnen über sich, »die Arme«, mitzuweinen. Aus diesem Grunde schämt sich der Mann vielleicht keiner anderen Regung so sehr, als wenn er sich auf einem Impulse zu diesem sogenannten »Mitleid mit sich selbst« ertappt, in dem das Subjekt tatsächlich Objekt wird.
Das weibliche Mitleid, an das selbst Schopenhauer geglaubt hat, ist ein Schluchzen und Heulen überhaupt, beim geringsten Anlaß, ohne die schwächste Bemühung, aus Scham die Regung zu unterdrücken; denn wie alles wahre Leiden, so müßte auch wahres Mitleiden, sofern es eben wirklich Leiden wäre, schamhaft sein; ja kein Leid kann so schamhaft sein wie das Mitleid und die Liebe, weil diese beiden am stärksten die unübersteigbaren Grenzen jeder Individualität zum Bewußtsein bringen. Von der Liebe und ihrer Schamhaftigkeit kann erst später gehandelt werden; im Mitleid aber, im echten männlichen Mitleiden, liegt immer Beschämung, Schuldbewußtsein, weil es mir nicht so schlecht geht wie diesem, weil ich nicht er, sondern ein von ihm, auch durch äußerliche Umstände, getrenntes Wesen bin. Das männliche Mitleid ist das über sich selbst errötende principium individuationis; darum ist alles weibliche Mitleid zudringlich, das männliche versteckt sich.
Was es mit der Schamhaftigkeit der Frauen für eine Bewandtnis habe, das ist hierin zum Teil schon ausgesprochen; zum Teil kann es ebenfalls erst später, mit dem Thema der Hysterie zusammen, abgehandelt werden. Wie man angesichts des naiven Eifers, mit dem alle Frauen, wo die gesellschaftliche Konvention es nur gestattet, ihre Dekolletage betreiben, noch an einer angebornen inneren Schamhaftigkeit als der Tugend des weiblichen Geschlechtes festhalten könne, ist nicht einzusehen: man ist entweder schamhaft oder man ist es nicht, und das ist keine Schamhaftigkeit, die man in gewissen Augenblicken regelmäßig spazieren schickt.
Der absolute Beweis für die Schamlosigkeit der Frauen (und ein Hinweis darauf, woher die Forderung der Schamhaftigkeit wohl eigentlich stammen mag, welcher die Frauen äußerlich oft so peinlich nachkommen) liegt jedoch darin, daß Frauen untereinander sich immer ungescheut völlig entblößen, während Männer voreinander stets ihre Nacktheit zu bedecken suchen. Wenn Frauen allein sind, werden eifrige Vergleiche zwischen den körperlichen Reizen der einzelnen angestellt, und oft alle Anwesenden einer genauen und eingehenden Visitierung unterzogen, die nicht ohne Lüsternheit erfolgt, weil stets der Wert, den der Mann auf diesen oder jenen Vorzug legen werde, unbewußt der Hauptgesichtspunkt bleibt. Der einzelne Mann hat kein Interesse für die Nacktheit des zweiten Mannes, während jede Frau auch die andere Frau in Gedanken stets entkleidet, und eben hiedurch die allgemeine interindividuelle Schamlosigkeit des Geschlechtes beweist. Dem Manne ist es peinlich und unangenehm, sich die Sexualität seines Nebenmannes zu vergegenwärtigen; die Frau sucht sofort in Gedanken die geschlechtlichen Beziehungen auf, in denen eine zweite Frau stehen mag, sobald sie diese nur kennenlernt; ja sie wertet die andere immer ausschließlich nach dem »Verhältnis«.
Ich komme hierauf noch sehr ausführlich zurück; indessen trifft die Darstellung nun zum ersten Male mit jenem Punkte wieder zusammen, der im zweiten Kapitel dieses Teiles besprochen wurde. Wessen man sich schämt, dessen muß man sich bewußt sein, und wie zur Bewußtheit, so ist auch zum Schamgefühl stets Differenzierung vonnöten. Die Frau, die nur sexuell ist, kann asexuell zu sein scheinen, weil sie die Sexualität selbst ist, und hier nicht die Geschlechtlichkeit körperlich und psychisch, räumlich und zeitlich sich abhebt wie beim Manne; die Frau, die stets schamlos ist, kann den Eindruck der Schamhaftigkeit machen, weil es bei ihr keine Scham zu verletzen gibt. Und so ist die Frau auch nie nackt oder stets nackt, wie man es haben will: nie nackt, weil sie nie zum echten Gefühle einer Nacktheit wirklich gelangt; stets nackt, weil ihr eben das andere fehlt, das vorhanden sein müßte, um ihr je zum Bewußtsein zu bringen, daß sie (objektiv) nackt ist, und so ein innerer Impuls zur Bedeckung werden könnte. Daß man auch unter Kleidern nackt sein kann, ist freilich etwas, das blödem Blicke nicht einleuchtet, aber es wäre ein schlimmes Zeugnis, das ein Psychologe sich ausstellte, wenn er aus der Tatsache des Gewandes schon auf den geringsten Mangel an Nacktheit schließen wollte. Und eine Frau ist objektiv stets nackt, selbst unter der Krinoline und dem Mieder. Der Einwände, welche hiegegen, und der Gründe, welche für die Schamhaftigkeit des Weibes immer wieder werden geltend gemacht werden, ist diese Untersuchung durchaus gewärtig; auf sie kommt ihr zwölftes Kapitel zu sprechen.
Dies alles hängt damit zusammen, was das Wort Ich für die Frau denn eigentlich immer bedeutet. Wenn man eine Frau fragt, was sie unter ihrem Ich verstehe, so vermag sie nichts anderes sich darunter vorzustellen als ihren Körper. Ihr Äußeres, das ist das Ich der Frauen. Machs »Zeichnung des Ich« in seinen »Antimetaphysischen Vorbemerkungen« stellt also ganz richtig das Ich des vollkommenen Weibes dar. Wenn E. Krause sagt, die Selbstanschauung Ich sei ohne weiteres ausführbar, so ist das nicht so ganz lächerlich, wie Mach unter der Zustimmung vieler anderer glaubt, denen gerade diese »scherzhafte Illustration des philosophischen ›Viel Lärm um nichts‹« in den Büchern Machs am besten gefallen zu haben scheint.
Das Ich der Frauen begründet auch die spezifische Eitelkeit der Frauen. Männliche Eitelkeit ist eine Emanation des Willens zum Wert, und ihre objektive Äußerungsform, Empfindlichkeit, das Bedürfnis, die Erreichbarkeit des Wertes von niemand in Frage gestellt zu sehen. Was dem Manne Wert und Zeitlosigkeit gibt, ist einzig und allein Persönlichkeit. Dieser höchste Wert, der nicht ein Preis ist, weil an seine Stelle, nach den Worten Kantens, nicht »auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden« kann, sondern der »über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet«, ist die Würde des Mannes. Die Frauen haben, trotz Schiller, keine Würde – die Dame wurde ja nur erfunden, um diesen Mangel auszufüllen –, und ihre Eitelkeit wird sich danach richten, was ihnen ihr höchster Wert ist; das heißt, sie wird auf die Festhaltung, Steigerung und Anerkennung körperlicher Schönheit gehen. Die Eitelkeit von W ist somit einerseits ein gewisses, nur ihr eigenes, selbst dem (männlich) schönsten Manne Nota bene: Viele sogenannte »schöne Männer« sind halbe Weiber. fremdes Behagen am eigenen Leibe: eine Freude, die sich, selbst beim häßlichsten Mädchen, sowohl bei der Selbstbetastung, als bei der Selbstbetrachtung im Spiegel, als auch bei vielen Organempfindungen einzustellen scheint; aber schon hier macht sich mit voller Stärke und mit dem erregendsten Vorgefühl der Gedanke an den Mann geltend, dem diese Reize einst gehören sollen, und beweist wiederum, wie das Weib zwar allein, aber nie einsam sein kann. Anderseits also ist die weibliche Eitelkeit Bedürfnis, den Körper bewundert oder vielmehr begehrt, vom sexuell erregten Manne begehrt zu fühlen.
Dieses Bedürfnis ist so stark, daß es wirklich viele Weiber gibt, denen diese Bewunderung, begehrlich von seiten des Mannes, neiderfüllt von seiten der Geschlechtsgenossinnen, zum Leben vollkommen genügt; sie kommen damit aus, andere Bedürfnisse haben sie kaum.
Die weibliche Eitelkeit ist also stete Rücksicht auf andere, die Frauen leben nur im Gedanken an die anderen. Und auch die Empfindlichkeit des Weibes bezieht sich auf diesen nämlichen Punkt. Nie wird eine Frau vergessen, daß ein anderer sie häßlich gefunden hat; allein nämlich findet ein Weib sich nie häßlich, sondern stets nur minderwertig, und auch das nur, indem es an die Triumphe denkt, welche andere Frauen bei den Männern über sie davongetragen haben. Es gibt kein Weib, das sich nicht noch schön und begehrenswert fände, wenn es sich im Spiegel betrachtet; der Frau wird nie, gleich dem Manne, eigene Häßlichkeit zur schmerzvollen Realität, sondern sie sucht bis ans Ende sich und die anderen darüber hinwegzutäuschen.
Woher kann nun die weibliche Art der Eitelkeit einzig stammen? Sie fällt zusammen mit dem Mangel des intelligiblen Ich, des stets und absolut positiv Bewerteten, sie erklärt sich aus dem Fehlen eines Eigenwertes. Da sie keinen Eigenwert für sich selbst und vor sich selbst haben, trachten sie Objekt der Wertung anderer zu werden, durch Begehrung und Bewunderung von deren Seite, einen Wert für Fremde, vor Fremden zu gewinnen. Das einzige, was absoluten, unendlichen Wert auf der Welt hat, ist Seele. »Ihr seid besser denn viele Sperlinge« hat darum Christus die Menschen wieder gelehrt. Die Frau indessen wertet sich nicht danach, wie weit sie ihrer Persönlichkeit treu, wie weit sie frei gewesen ist; jedes Wesen aber, das ein Ich besitzt, kann sich nur so und nicht anders werten. Wenn also die echte Frau, wie dies ganz ohne Zweifel wirklich zutrifft, sich selbst immer und ausnahmslos stets nur so hoch einschätzt wie den Mann, der sie gewählt hat; wenn sie nur durch den Gatten oder Geliebten Wert erhält und eben darum nicht nur sozial und materiell, sondern ihrer tiefsten Wesenheit nach auf die Ehe gestellt ist: so kann sie eben keinen Wert an sich selbst besitzen, es fehlt ihr der Eigenwert der menschlichen Persönlichkeit. Die Frauen leiten ihren Wert immer von anderen Dingen ab, von ihrem Geld und Gut, der Zahl und Pracht ihrer Kleider, dem Rang ihrer Loge im Theater, von ihren Kindern, vor allem aber von ihrem Bewunderer, von ihrem Manne; und worauf sich eine Frau im Streit mit der anderen immer zuletzt beruft, und womit sie die andere wirklich am tiefsten zu treffen und am sichersten zu demütigen weiß, das ist die höhere soziale Stellung, der größere Reichtum, das Ansehen und die Titel, aber auch das Mehr an Jugendfrische und die zahlreicheren Verehrerinnen ihres Mannes; während es einem Manne, und zwar in erster Linie von ihm selbst, zur höchsten Schande angerechnet wird, wenn er sich auf irgend ein Fremdes beruft, und nicht seinen Wert an sich verteidigt gegen alle Angriffe auf denselben.
Dafür, daß W keine Seele hat, ist folgendes ein weiterer Beweis. Während (ganz nach Goethes bekanntem Rezept) W durch Nichtbeachtung von Seiten des Mannes ungemein gereizt wird, auch auf ihn Eindruck zu machen – liegt doch der ganze Sinn und Wert ihres Lebens nur in dieser Fähigkeit –, wird für M das Weib, das ihn unfreundlich und unhöflich behandelt, eo ipso schon antipathisch. Nichts macht M so glücklich, als wenn ihn ein Mädchen liebt; selbst wenn sie ihn nicht von Anbeginn gefesselt hat, ist dann die Gefahr, Feuer zu fangen, für ihn sehr groß. Für W ist die Liebe eines Mannes, der ihr nicht gefällt, nur eine Befriedigung ihrer Eitelkeit, oder eine Beunruhigung und Aufscheuchung schlummernder Wünsche. Die Frau erhebt stets gleichmäßig einen Anspruch auf alle Männer, die es auf der Welt gibt. Ähnliches gilt auch von freundschaftlicher Zuneigung innerhalb desselben Geschlechtes, in der ja doch immer etwas Sexualität steckt.
Das Verhalten der empirisch allein gegebenen Zwischenstufen ist in solchem Falle nach ihrer Stellung zwischen M und W besonders zu bestimmen. Also, um auch in diesem Teile ein Beispiel für eine solche Anwendung zu geben: während jedes Lächeln auf dem Munde eines Mädchens M leicht entzückt und entflammt, beachten weibliche Männer wirklich oft nur solche Weiber und Männer, die sich um sie nicht kümmern, fast ganz wie W einen Bewunderer, dessen sie sicher zu sein glaubt, der ihren Eigenwert also nicht mehr steigern kann, sofort stehen läßt. Weshalb ja die Frauen auch nur der Mann anzieht und sie auch nur dem Manne in der Ehe treu bleiben, der noch bei anderen Frauen Glück hat als bei ihnen: denn sie können ihm keinen neuen Wert geben und ihr Urteil dem aller anderen entgegensetzen. Beim echten Manne verhält es sich gerade umgekehrt.
Die Schamlosigkeit wie die Herzlosigkeit des Weibes kommt darin zum Ausdruck, daß es, und wie es davon sprechen kann, daß es geliebt wird. Der Mann fühlt sich beschämt, wenn er geliebt wird, weil er damit beschenkt, passiv, gefesselt, statt Geber, aktiv, frei ist, und weil er weiß, daß er als Ganzes Liebe nie vollständig verdient; und über nichts wird er denn so tief schweigen wie hierüber, auch wenn er zu dem Mädchen selbst nicht in ein intimeres Verhältnis getreten ist, so daß er fürchten müßte, sie durch hierauf bezügliche Äußerungen bloßzustellen. Das Weib rühmt sich dessen, daß es geliebt wird, es prahlt damit vor anderen Frauen, um von diesen beneidet zu werden. Die Frau empfindet die Neigung eines Menschen zu ihr nicht, wie der Mann, als eine Schätzung ihres wirklichen Wertes, als ein tieferes Verständnis für ihr Wesen; sondern sie empfindet diese Neigung als die Verleihung eines Wertes, den sie sonst nicht hätte, als die Gabe einer Existenz und einer Essenz, die ihr hiemit erst wird, und mit welcher sie vor anderen sich legitimiert.
Daraus erklärt sich auch das unglaubliche, einem früheren Abschnitt Problem gewordene Gedächtnis der Frauen für Komplimente, selbst wenn ihnen diese in frühester Jugend gemacht wurden. Durch Komplimente nämlich erhalten sie erst Wert, und darum verlangen die Frauen vom Manne, daß er » galant« sei. Die Galanterie ist die billigste Form der Veräußerung von Wert an die Frau, und so wenig sie den Mann kostet, so schwer wiegt sie für das Weib, das eine Huldigung nie vergißt, und bis ins späteste Alter von den fadesten Schmeicheleien zehrt. Man erinnert sich nur an das, was für den Menschen einen Wert besitzt; und wenn dem so ist, mag man erwägen, was es besagt, daß die Frauen gerade für Komplimente das ausgesuchteste Gedächtnis besitzen. Sie sind etwas, das den Frauen Wert nur darum verleihen kann, weil diese keinen urwüchsigen Maßstab des Wertes kennen, keinen absoluten Wert in sich fühlen, der alles verschmäht außer sich selbst. Und so liefert selbst das Phänomen der Courtoisie, der »Ritterlichkeit«, den Beweis, daß die Frauen keine Seele besitzen, ja, daß der Mann eben dann, wenn er gegen das Weib galant ist, ihm am wenigsten Seele, am wenigsten Eigenwert zuschreibt, und es am tiefsten gerade dort mißachtet und herabwürdigt, wo es selbst am höchsten sich gehoben fühlt. – –
Wie amoralisch das Weib ist, kann man daraus ersehen, daß ihm sofort entschwindet, was es Unsittliches getan hat; und daß es vom Manne, wenn dieser die Erziehung des Weibes sich angelegen sein läßt, immer wieder daran erinnert werden muß: dann allerdings kann es momentan vermöge der eigentümlichen Art der weiblichen Verlogenheit wirklich einzusehen glauben, daß es ein Unrecht begangen habe, und so sich und den Mann täuschen. Der Mann dagegen hat für nichts ein so tiefes Gedächtnis wie für die Punkte, in denen er schuldig geworden ist. Hier offenbart sich das Gedächtnis wiederum als ein eminent moralisches Phänomen. Vergeben und Vergessen, nicht Vergeben und Verstehen, sind eines. Wer sich der Lüge erinnert, wirft sie sich auch vor. Daß das Weib sich seine Gemeinheit nicht verübelt, kommt damit überein, daß es sich ihrer nie wirklich bewußt wird – hat es doch kein Verhältnis zur sittlichen Idee – und sie vergißt. Darum ist es ganz begreiflich, wenn es sie leugnet. Man hält die Frauen, weil bei ihnen das Ethische gar nicht problematisch wird, törichterweise für unschuldig, ja man hält sie für sittlicher als den Mann: es kommt das aber nur daher, daß sie noch gar nicht wissen, was unsittlich ist. Denn auch die Unschuld des Kindes kann kein Verdienst sein, nur die Unschuld des Greises wäre eines – und die gibt es nicht.
Aber auch die Selbstbeobachtung ist ein durchaus Männliches – auf eine scheinbare Ausnahme, die hysterische Selbstbeobachtung mancher Frauen, kann hier noch nicht eingegangen werden –, ebenso wie das Schuldbewußtsein, die Reue; die Kasteiungen, die Frauen an sich vornehmen, diese merkwürdigen Imitationen eines echten Schuldgefühles, werden am gleichen Orte wie die weibliche Form der Selbstbeobachtung zur Sprache kommen. Das Subjekt der Selbstbeobachtung nämlich ist identisch mit dem moralisierenden: es faßt die psychischen Phänomene nur auf, indem es sie einschätzt.
Es ist ganz in der Ordnung und liegt nur auf der Linie des Positivismus, wenn Auguste Comte die Selbstbeobachtung für in sich widerspruchsvoll erklärt und sie eine »abgründliche Absurdität« nennt. Es ist ja klar, folgt aus der Enge des Bewußtseins und bedarf kaum einer besonderen Hervorhebung, daß nicht zu gleicher Zeit ein psychisches Geschehnis und noch eine besondere Wahrnehmung desselben dasein könne: erst an das »primäre« Erinnerungsbild ( Jodl) knüpft sich die Beobachtung und Wertung; es ist ein Urteil über eine Art Nachbild, das vollzogen wird. Aber innerhalb lauter gleichwertiger Phänomene könnte nie eines zum Objekte gemacht und bejaht oder verneint werden, wie dies in aller Selbstbeobachtung geschieht. Was hier alle Inhalte betrachtet, beurteilt und wertet, kann nicht in den Inhalten selbst, als ein Inhalt unter, anderen, gelegen sein. Es ist das zeitlose Ich, das die Vergangenheit zurechnet wie die Gegenwart, das jene »Einheit des Selbstbewußtseins«, jenes kontinuierliche Gedächtnis erst schafft, welches der Frau abgeht. Denn nicht das Gedächtnis, wie Mill, oder die Kontinuität, wie Mach vermutet, bringen den Glauben an ein Ich hervor, das außer diesen keine Existenz habe, sondern gerade umgekehrt wird Gedächtnis und Kontinuität, wie Pietät und Unsterblichkeitsbedürfnis, aus dem Werte des Ich heraus erzeugt, von dessen Inhalten nichts Funktion der Zeit sein, nichts der Vernichtung soll anheimgegeben werden dürfen. Erst hiemit ist auch ganz klar geworden, daß die Seele jener besondere Wert ist, der, durch Schaffung der Vergangenheit, die Zeit negiert, wie ihn das 5. Kapitel postulierte.
Hätte das Weib Eigenwert und den Willen, einen solchen gegen alle Anfechtung zu behaupten, hätte es auch nur das Bedürfnis nach Selbstachtung, so könnte es nicht neidisch sein. Wahrscheinlich sind alle Frauen neidisch; der Neid aber ist eine Eigenschaft, welche nur dort sein kann, wo jene Voraussetzungen fehlen. Auch der Neid der Mütter, wenn die Töchter anderer Frauen eher heiraten als ihre eigenen, ist ein Symptom echter Gemeinheit, und setzt, wie übrigens aller Neid, einen völligen Mangel an Gerechtigkeitsgefühl voraus. In der Idee der Gerechtigkeit, welche in der Anwendung der Idee der Wahrheit auf das Praktische besteht, berühren sich Logik und Ethik ebenso eng wie im theoretischen Wahrheitswerte selbst.
Ohne Gerechtigkeit keine Gesellschaft; der Neid hingegen ist die absolut unsoziale Eigenschaft. Das Weib ist wirklich auch vollkommen unsozial; und wenn früher mit Recht alle Gesellschaftsbildung an den Besitz einer Individualität geknüpft wurde, so liegt hier die Probe darauf vor. Für den Staat, für Politik, für gesellige Gemütlichkeit hat die Frau keinen Sinn, und weibliche Vereine, in welche Männer keinen Zutritt erhalten, pflegen nach kurzer Zeit sich aufzulösen. Die Familie endlich ist geradezu das unsoziale, und keineswegs ein soziales Gebilde; Männer, die heiraten, ziehen sich damit schon auch aus den Gesellschaften, denen sie bis dahin als Mitglieder und Teilnehmer angehörten, zurück. Dies hatte ich geschrieben, bevor die wertvollen ethnologischen Forschungen von Heinrich Schurtz veröffentlicht wurden, die an der Hand eines reichen Materials dartun, daß in den Männerbünden und nicht in der Familie die Anfänge der Gesellschaftsbildung zu suchen seien.
Pascal hat wunderbar ausgeführt, wie Gesellschaft vom Menschen nur gesucht wird, weil dieser die Einsamkeit nicht ertragen, sondern sich selbst vergessen will: auch hier sieht man die vollkommene Kongruenz zwischen der früheren Position, durch welche der Frau die Fähigkeit zur Einsamkeit abgesprochen wurde, und der jetzigen, welche ihre Ungeselligkeit behauptet.
Hätte die Frau ein Ich, so hätte sie auch einen Sinn für das Eigentum, bei sich wie bei anderen. Der Stehltrieb ist aber bei den Frauen viel entwickelter als bei den Männern: die sogenannten Kleptomanen (Diebe ohne Not) sind beinahe ausschließlich Frauen. Denn das Weib hat wohl Verständnis für Macht und für Reichtum, aber nicht für das Eigentum. Auch pflegen die kleptomanen Frauen, wenn sie ihrer Diebstähle überführt werden, sich damit zu verantworten, daß sie angeben, es sei ihnen vorgekommen, als hätte ihnen alles gehört. In Leihbibliotheken sieht man hauptsächlich Frauen aus- und eingehen, und zwar auch solche, die begütert genug wären, mehrere Büchereien zu kaufen; aber es fehlt ihnen eine größere Innigkeit des Verhältnisses zu allem, was ihnen gehört, als zu allem, das sie nur entlehnt haben. Auch hier sieht man den Zusammenhang zwischen Individualität und Sozialität deutlich hervorleuchten: wie man selbst Persönlichkeit haben muß, um fremde Persönlichkeit aufzufassen, so muß der Sinn auf Erwerbung eigenen Besitzes gerichtet sein, wenn fremde Habe nicht berührt werden soll.
Inniger noch als das Eigentum ist der
Name und ein herzliches
Verhältnis zu ihrem Namen mit jeder
Persönlichkeit notwendig gegeben. Und hier sprechen die Tatsachen so laut, daß man sich wundern muß, wie wenig diese Sprache im allgemeinen vernommen wird. Die Frauen sind nämlich durch
gar kein Band mit ihrem Namen verknüpft.
Beweisend hiefür ist allein schon, daß sie ihren Namen aufgeben und den des Mannes annehmen, den sie heiraten, ja diesen Schritt der Namensänderung an sich nie als bedeutsam empfinden, um den alten Namen nicht eine Sekunde trauern, sondern leichten Sinnes den des Mannes annehmen; wie an den Mann nicht ohne tiefen, in der Natur des Weibes gelegenen Grund (bis vor kurzem wenigstens) meist auch das Eigentum der Frau übergegangen ist. Es ist auch nichts davon zu merken, daß speziell jene Trennung sie einen Kampf kostete; im Gegenteil, schon vom Liebhaber und Kurmacher lassen sie sich den Namen geben, der
ihm gefällt. Und selbst wenn sie einem ungeliebten Mann und diesem nur mit großem Widerstreben in die Ehe folgen, es hat noch nie eine Frau gerade darüber sich beklagt, daß sie von ihrem Namen habe Abschied nehmen müssen, es läßt ihn jede und scheidet von ihm, ohne die geringste Pietät dafür zu verraten, daß
sie ehemals so hieß. Im allgemeinen
wird vielmehr die eigene Neubenennung bereits vom Liebenden ebenso
gefordert, wie der neue Familienname des Ehegatten ungeduldig, schon der Neuheit wegen,
erwartet. Der Name aber ist gedacht als ein Symbol der Individualität; nur bei den allertiefst stehenden Rassen der Erde, wie bei den Buschmännern Südafrikas, soll es keine Personennamen geben, weil das natürliche Unterscheidungsbedürfnis der Menschen voneinander nicht so weit reicht. Das Weib, das im Grund
namenlos ist
Vgl.
Klingsors Worte an
Kundry in
Wagners Parsifal, zweiter Aufzug, zu Anfang:
»Herauf! Herauf zu mir!
Dein Meister ruft
Dich Namenlose:
Ur-Teufelin! Höllenrose!
Herodias warst Du, und was noch?
Gundryggia dort, Kundry hier:
Hieher! Hieher denn, Kundry!
Zu Deinem Meister, herauf!«, ist dies, weil es, seiner Idee nach, keine
Persönlichkeit besitzt.
Damit hängt endlich noch die wichtige Beobachtung zusammen, welche zu machen man nie verfehlen wird, sobald man einmal aufmerksam geworden ist. Wenn in einen Raum, in dem ein Weib sich befindet, ein Mann tritt und sie ihn erblickt, seinen Schritt hört oder seine Anwesenheit auch nur ahnt, so wird sie sofort eine ganz andere. Ihre Miene, ihre Bewegungen ändern sich mit unglaublicher Plötzlichkeit. Sie »richtet ihre Frisur«, zieht ihre Röcke zusammen und hebt sie, oder macht sich an ihrem Kleide zu schaffen, in ihr ganzes Wesen kommt eine halb schamlose, halb ängstliche Erwartung. Man kann im Einzelfalle oft nur darüber noch im Zweifel sein, ob sie mehr errötet über ihr schamloses Lächeln, oder mehr schamlos lächelt über ihr Erröten.
Seele, Persönlichkeit, Charakter ist aber – hierin liegt eine unendlich tiefe, bleibende Einsicht Schopenhauers – identisch mit dem freien Willen oder es deckt sich wenigstens der Wille mit dem Ich insofern, als dieses in Relation zum Absoluten gedacht ist. Und fehlt den Frauen das Ich, so können sie auch keinen Willen besitzen. Nur wer keinen eigenen Willen, keinen Charakter in höherem Sinne hat, bleibt, schon durch die bloße Gegenwart eines zweiten Menschen, so leicht beeinflußbar, wie das Weib es ist, in funktioneller Abhängigkeit von dieser, statt in freier Auffassung derselben. Sie ist das beste Medium, M ihr bester Hypnotiseur. Aus diesem Grunde allein ist es unerfindlich, warum die Frauen gerade als Ärztinnen besonders viel taugen sollen; da doch einsichtigere Mediziner selbst zugeben, daß der Hauptteil dessen, was sie bis heute – und so wird es wohl bleiben – zu leisten vermögen, in der suggestiven Einwirkung auf den Kranken besteht.
Schon in der ganzen Tierreihe ist W stets leichter hypnotisierbar als M. Und wie die hypnotischen Phänomene doch mit den alltäglichsten in einer nahen Verwandtschaft stehen, erhellt aus dem Folgenden: Wie leicht wird nicht (ich habe schon gelegentlich der Frage des weiblichen Mitleids darauf hingewiesen) W durch Lachen oder Weinen »angesteckt«! Wie imponiert ihr nicht alles, was in der Zeitung steht, wie leicht fällt sie nicht dem dümmsten Aberglauben zum Opfer, wie probiert sie nicht sofort jedes Wundermittel, das ihr eine Nachbarin empfohlen hat!
Wem ein Charakter fehlt, dem gebricht es auch an Überzeugungen. Darum ist W leichtgläubig, unkritisch, ganz ohne Verständnis für den Protestantismus. Dennoch hat man, so sicher ein jeder Christ schon als Katholik oder als Protestant vor der Taufe auf die Welt kommt, kein Recht, den Katholizismus darum als weiblich anzusehen, weil er den Frauen noch immer eher zugänglich ist als der Protestantismus. Hier wäre ein anderer charakterologischer Einteilungsgrund in Betracht zu ziehen, dessen Erörterung nicht Sache dieser Schrift sein kann. – –
So ist denn ein ganz umfassender Nachweis geführt, daß W seelenlos ist, daß es kein Ich und keine Individualität, keine Persönlichkeit und keine Freiheit, keinen Charakter und keinen Willen hat. Dieses Resultat ist aber für alle Psychologie von kaum zu überschätzender Wichtigkeit. Es besagt nicht weniger, als daß die Psychologie von M und die Psychologie von W getrennt zu behandeln sind. Für W scheint eine rein empirische Darstellung des psychischen Lebens möglich, für M muß jede Psychologie nach dem Ich als dem obersten Giebel des Gebäudes in der Weise tendieren, wie Kant dies als notwendig eingesehen hatte.
Die Humesche (und Machsche) Ansicht, nach welcher es nur » impressions« und » thoughts« (A B C ...und α β γ ...) gibt, und die heute allgemein zur Verbannung der Psyche aus der Psychologie geführt hat, erklärt nicht nur, daß die ganze Welt ausschließlich unter dem Bilde eines Winkelspiegels, als ein Kaleidoskop zu verstehen sei; sie macht nicht nur alles zu einem Tanz der »Elemente«, sinnlos, grundlos; sie vernichtet nicht nur die Möglichkeit, einen festen Standpunkt für das Denken zu gewinnen; sie zerstört nicht nur den Wahrheitsbegriff und damit eben die Wirklichkeit, deren Philosophie sie einzig zu sein beansprucht: sie trägt auch die Hauptschuld an dem Elend der heutigen Psychologie.
Diese heutige Psychologie nennt sich mit Stolz die » Psychologie ohne Seele«, nach dem ersten, der dies Wort ausgesprochen hat, nach dem vielüberschätzten Friedrich Albert Lange. Diese Untersuchung glaubt, gezeigt zu haben, daß ohne die Annahme einer Seele den psychischen Erscheinungen gegenüber kein Auskommen zu finden ist: sowohl an den Phänomenen von M, dem eine Seele zuerkannt werden muß, als auch an den Phänomenen von W, die seelenlos ist. Unsere heutige Psychologie ist eine eminent weibliche Psychologie, und gerade darum ist die vergleichende Untersuchung der Geschlechter so besonders lehrreich, nicht zuletzt darum habe ich sie mit dieser Gründlichkeit ausgeführt; denn hier am ehesten kann offenbar werden, was zur Annahme des Ich nötigt, und wie die Konfusion von männlichem und weiblichem Seelenleben (im weitesten und tiefsten Sinne), bei dem Bestreben, eine Allgemeinpsychologie zu schaffen, als der Faktor angesehen werden darf, der am weitesten in die Irre geführt hat, wenn er auch (ja gerade weil er) gar nicht bewußt zur Geltung gebracht worden ist.
Freilich erhebt sich nun die Frage, ist von M überhaupt Psychologie als Wissenschaft möglich? Und hierauf ist vorderhand mit Nein zu antworten. Ich muß wohl darauf gefaßt sein, an die Untersuchungen der Experimentatoren verwiesen zu werden, und auch wer in dem allgemeinen Experimentalrausch nüchterner geblieben ist, wird vielleicht verwundert fragen, ob diese denn gar nicht zählten. Aber die experimentelle Psychologie hat nicht nur keinen einzigen Aufschluß über die tieferen Gründe des männlichen Seelenlebens gegeben; nicht nur kann niemand an eine mehr als sporadische Erwähnung, geschweige denn an eine systematische Verarbeitung dieser ungeheuren Zahl von Versuchsreihen denken: sondern vor allem ist, wie gezeigt wurde, ihre Methode, außen anzufangen und von da in den Kern hineinzudringen, verfehlt; und darum hat sie auch nicht eine Aufklärung über den tieferen innerlichen Zusammenhang der psychischen Phänomene gebracht. Die psychophysische Maßlehre hat überdies gerade gezeigt, wie das eigentliche Wesen der psychischen im Gegensatz zu den physischen Phänomenen darin besteht, daß die Funktionen, durch welche ihr Zusammenhang und ihr Übergehen ineinander allenfalls darstellbar wäre, auch im besten Falle unstetig und darum nicht differenzierbar geraten müßten. Mit der Stetigkeit ist aber auch die prinzipielle Möglichkeit der Erreichbarkeit des unbedingt mathematischen Ideals aller Wissenschaft dahin. Wem übrigens klar ist, daß Raum und Zeit nur durch die Psyche geschaffen werden, der wird nicht von Geometrie und Arithmetik erwarten, daß sie je ihren Schöpfer erschöpfen könnten.
Es gibt keine wissenschaftliche Psychologie vom Manne; denn im Wesen aller Psychologie liegt es, das Unableitbare ableiten zu wollen, ihr endliches Ziel müßte, deutlicher gesprochen, dieses sein, jedem Menschen seine Existenz und Essenz zu beweisen, zu deduzieren. Dann wäre aber jeder Mensch, auch seinem tiefsten Wesen nach, Folge eines Grundes, determiniert und kein Mensch dem anderen mehr, als einem Mitgliede eines Reiches der Freiheit und des unendlichen Wertes, Achtung schuldig: im Augenblick, wo ich völlig deduziert, völlig subsumiert werden könnte, hätte ich allen Wert verloren, und wäre eben seelenlos. Mit der Freiheit des Wollens wie des Denkens (denn diese muß man zu jener hinzufügen) ist die Annahme der durchgängigen Bestimmtheit unverträglich, mit welcher alle Psychologie ihr Geschäft beginnt. Wer darum an ein freies Subjekt glaubte, wie Kant und Schopenhauer, der mußte die Möglichkeit der Psychologie als Wissenschaft leugnen; wer an die Psychologie glaubte, für den konnte die Freiheit des Subjektes auch nicht eine Denkmöglichkeit mehr bleiben: so wenig für Hume als für Herbart (die zwei Begründer der modernen Psychologie).
Aus diesem Dilemma erklärt sich der traurige Stand der heutigen Psychologie in allen ihren Prinzipienfragen. Jene Bemühungen, den Willen aus der Psychologie hinauszuschaffen, jene immer wiederholten Versuche, ihn aus Empfindung und Gefühl abzuleiten, haben eigentlich ganz recht darin, daß der Wille kein empirisches Faktum ist. Der Wille ist in der Erfahrung nirgends aufzutreiben und nachzuweisen, weil er selbst die Voraussetzung jedes empirisch-psychologischen Datums ist. Versuche einer, der am Morgen gern lange schläft, sich in dem Momente zu beobachten, da er den Entschluß faßt, sich vom Bette zu erheben. Im Entschlusse liegt (wie in der Aufmerksamkeit) das ganze ungeteilte Ich, und darum fehlt die Zweiheit, die notwendig wäre, um den Willen wahrzunehmen. Ebensowenig wie das Wollen ist das Denken ein Faktum, das man in den Händen behielte, wenn man wissenschaftliche Psychologie treibt. Denken ist urteilen, aber was ist das Urteil für die innere Wahrnehmung? Nichts, es ist ein ganz Fremdes, das zu aller Rezeptivität hinzukommt, aus den Bausteinen, welche die psychologischen Fasolte und Fafners herbeigeschleppt haben, nicht abzuleiten: jeder neue Urteilsakt vernichtet von neuem die mühselige Arbeit der Empfindungsatomisten. Ebenso ist's mit dem Begriff. Kein Mensch denkt Begriffe, und doch gibt es Begriffe, wie es Urteile gibt. Und am Ende sind auch Wundts Gegner vollständig im Rechte damit, daß die Apperzeption kein empirisch-psychologisches Faktum, und kein irgendwann wahrnehmbarer Akt ist. Freilich ist Wundt tiefer als seine Bekämpfer – nur die allerflachsten Gesellen können Assoziationspsychologen sein – und es ist auch sicherlich begründet, wenn er die Apperzeption mit dem Willen und der Aufmerksamkeit zusammenbringt. Aber sie ist so wenig eine Tatsache der Erfahrung wie eben diese, so wenig wie Urteil und Begriff. Wenn trotzdem alle diese Dinge, wenn Denken und Wollen da sind, nicht hinauszubringen, und jeder Bemühung einer Analyse spottend, so handelt es sich nur um die Wahl, ob man etwas annehmen wolle, das alles psychische Leben erst möglich mache, oder nicht.
Darum sollte man dem Unfug ein Ziel setzen, von einer empirischen Apperzeption zu reden, und einsehen, wie sehr Kant recht hatte, als er nur eine transzendentale Apperzeption gelten ließ. Will man aber hinter die Erfahrung nicht zurückgehen, so bleibt nichts übrig als die unendlich ausgespreizte, armselig öde Empfindungsatomistik mit ihren Assoziationsgesetzen; oder die Psychologie wird methodisch zu einem Annex der Physiologie und Biologie, wie bei Avenarius, dessen feiner Bearbeitung eines, übrigens recht begrenzten, Stückes aus dem ganzen Seelenleben jedoch nur sehr wenige und recht unglückliche Versuche der Weiterführung gefolgt sind.
Somit hat sich, ein wirkliches Verständnis des Menschen anzubahnen, die unphilosophische Seelenkunde als völlig ungeeignet erwiesen, und keine Vertröstung auf die Zukunft vermag sichere Bürgschaft zu bieten, daß ihr dies je gelingen könne. Ein je besserer Psychologe einer ist, desto langweiliger werden ihm diese heutigen Psychologien. Denn sie steifen sich samt und sonders darauf, die Einheit, die alles psychische Geschehen erst begründet, bis zum Schluß zu ignorieren: allwo wir dann regelmäßig noch durch einen letzten Abschnitt unangenehm überrascht werden, der von der Entwicklung einer harmonischen Persönlichkeit handelt. Jene Einheit, die allein die wahre Unendlichkeit ist, wollte man aus einer größeren oder geringeren Zahl von Bestimmungsstücken aufbauen; die »Psychologie als Erfahrungswissenschaft« sollte die Bedingung aller Erfahrung aus der Erfahrung gewinnen! Das Unternehmen wird ewig fehlschlagen und ewig erneuert werden, weil die Geistesrichtung des Positivismus und Psychologismus so lange bestehen muß, als es mittelmäßige Köpfe und bequeme, nicht bis zu Ende denkende Naturen gibt. Wer, wie der Idealismus, die Psyche nicht opfern will, der muß die Psychologie preisgeben; wer die Psychologie aufrichtet, der tötet die Psyche. Alle Psychologie will das Ganze aus den Teilen ableiten und als bedingt hinstellen; alles tiefere Nachdenken erkennt, daß die Teilerscheinungen hier aus dem Ganzen als letztem Urquell fließen. So negiert die Psychologie die Psyche, und die Psyche ihrem Begriff nach jede Lehre von ihr: die Psyche negiert die Psychologie.
Diese Darstellung hat sich für die Psyche und gegen die lächerliche und jämmerliche seelenlose Psychologie entschieden. Ja, es bleibt ihr fraglich, ob Psychologie mit Seele je vereinbar, eine Wissenschaft, die Kausalgesetze und selbstgesetzte Normen des Denkens und Wollens aufsuchen will, mit der Freiheit des Denkens und Wollens überhaupt verträglich sei. Auch die Annahme einer besonderen »psychischen Kausalität« Es ist nur zu begreiflich, daß man leicht zu einer solchen Annahme verführt werden mag. Wer hat nicht z. B. in der Lektüre dieses Buches beim Übergang vom ersten zum zweiten Teil das Gefühl, daß es sich in beiden um etwas ganz anderes handle! Dort um äußerliche, hier um innere Zusammenhänge. kann vielleicht nichts daran ändern, daß die Psychologie, indem sie zuletzt ihre eigene Unmöglichkeit dartut, durch ein solches Ende den glänzendsten Beweis für das jetzt allgemein verlachte und verlästerte Recht des Freiheitsbegriffes wird erbringen müssen.
Hiemit soll aber keineswegs eine neue Ära der rationalen Psychologie ausgerufen sein. Vielmehr ist die Absicht im Anschluß an Kant die, daß die transzendentale Idee der Psyche von Anfang an als Führer beim Aufsteigen in der Reihe der Bedingungen bis zum Unbedingten zu dienen habe, durchaus nicht hingegen »in Ansehung des Hinabgehens zum Bedingten«. Nur die Versuche mußten abgelehnt werden, jenes Unbedingte aus dem Bedingten (am Schlusse eines Buches von 500 bis 1500 Seiten) hervorspringen zu lassen. Seele ist das regulative Prinzip, das aller wahrhaft psychologischen, und nicht empfindungsanalytischen, Einzelforschung vorzuschweben und diese zu leiten hat; weil sonst jede Darstellung des Seelenlebens, auch wenn sie noch so detailliert, liebevoll und verständnisinnig geschrieben ist, in ihrer Mitte gähnend ein großes schwarzes Loch aufweist.
Es ist unbegreiflich, wie Forscher, die nie einen Versuch gemacht haben, Phänomene wie Scham und Schuld, Glaube und Hoffnung, Furcht und Reue, Liebe und Haß, Sehnsucht und Einsamkeit, Eitelkeit und Empfindlichkeit, Ruhmsucht und Unsterblichkeitsbedürfnis zu analysieren, den Mut haben, über das Ich kurzerhand abzusprechen, weil sie es nicht vorfinden wie die Farbe der Orange oder den Geschmack der Lauge. Oder wie wollen Mach und Hume auch nur die Tatsache des Stiles erklären, wenn nicht aus der Individualität? Ja, weiter, die Tiere erschrecken nie, wenn sie sich im Spiegel sehen, aber kein Mensch vermöchte sein Leben in einem Spiegelzimmer zu verbringen. Oder ist auch diese Furcht, die Furcht vor dem Doppelgänger (von der bezeichnenderweise das Weib frei ist Noch hat niemand von Doppelgängerinnen gehört. Man nennt die Frauen das furchtsame Geschlecht, weil man zu wenig scheidet zwischen Angst und Furcht. Es gibt eine tiefe Furcht, die nur der Mann kennt. »biologisch«, »darwinistisch« abzuleiten? Man braucht das Wort Doppelgänger nur zu nennen, um in den meisten Männern heftiges Herzklopfen hervorzurufen. Hier hört eben alle rein empirische Psychologie notgedrungen auf, hier ist Tiefe vonnöten. Denn wie könnte man diese Dinge zurückführen auf ein früheres Stadium der Wildheit oder Tierheit und des Mangels an Sicherung durch die Zivilisation, woraus Mach die Furcht der kleinen Kinder als eine ontogenetische Reminiszenz erklären zu können glaubt! Ich habe übrigens dies nur als eine Andeutung erwähnt, um die »Immanenten« und »naiven Realisten« daran zu mahnen, daß es auch in ihnen Dinge gibt, von denen ...
Warum ist kein Mensch angenehm berührt und völlig damit einverstanden, wenn man ihn als Nietzscheaner, Herbartianer, Wagnerianer usw. einreiht? Wenn man ihn, mit einem Worte, subsumiert? Auch Ernst Mach ist es doch gewiß schon passiert, daß ihn ein oder der andere liebe Freund subsumiert hat als Positivisten, Idealisten oder irgendwie sonst. Glaubt er sich richtig beschrieben, wenn jemand sagen wollte, das Gefühl, das man bei solchen durch andere vorgenommenen Subsumtionen habe, gehe bloß auf die fast völlige Gewißheit der Einzigartigkeit des Zusammentreffens der » Elemente« in einem Menschen, es sei nur beleidigte Wahrscheinlichkeitsrechnung? Und doch hat dieses Gefühl, genau genommen, nichts von einem Nichteinverstandensein, wie sonst wohl mit irgend einer wissenschaftlichen These. Es ist auch etwas ganz anderes, und darf damit nicht verwechselt werden, wenn jemand selbst es sagt, er sei Wagnerianer. Hierin liegt im tiefsten Grunde immer eine positive Bewertung des Wagnertums, weil man selbst Wagnerianer ist. Wer aufrichtig ist, wer es sein kann, wird zugeben, daß er mit einer solchen Aussage auch eine Erhöhung Wagners vornimmt. Vom anderen Menschen fürchtet man meist, daß er das Gegenteil einer Erhöhung beabsichtige. Daher die Erscheinung, daß ein Mensch sehr viel von sich selbst sagen kann, was ihm von anderen zu hören höchst peinlich wäre, wie Cyrano von Bergerac von den tollsten Sticheleien bekennt:
»Je me les sers moi-même, avec assez de verve,
Mais je ne permets pas qu'un autre me les serve.«
Woher rührt also jenes Gefühl, das selbst tiefstehende Menschen haben? Von einem, wenn auch noch so dunklen Bewußtsein ihres Ich, ihrer Individualität, die dabei zu kurz kommt. Dieses Widerstreben ist das Urbild aller Empörung.
Es geht endlich auch nicht recht an, einen Pascal, einen Newton, einerseits höchst geniale Denker, und anderseits mit einer Menge beschränkter Vorurteile behaftet sein zu lassen, über die » wir« längst hinaus seien. Stehen wir denn wirklich auf unsere elektrischen Bahnen und empirischen Psychologien hin schon ohne weiteres um so viel höher als jene Zeit? Ist Kultur, wenn es Kulturwerte gibt, wirklich nach dem Stande der Wissenschaft, die immer nur einen sozialen, nie einen individuellen, nicht-demonstrierbaren Charakter hat, nach der Zahl der Volksbibliotheken und Laboratorien zu messen? Ist Kultur denn etwas außerhalb des Menschen, ist Kultur nicht vor allem im Menschen?
Und man mag sich noch so erhaben fühlen über einen Euler, gewiß einen der größten Mathematiker aller Zeiten, welcher einmal sagt: was er, im Augenblick, da er einen Brief schreibe, tue, das würde er genau so tun, wie wenn er im Körper eines Rhinozeros steckte. Ich will die Äußerung Eulers auch nicht schlechthin verteidigen, sie ist vielleicht charakteristisch für den Mathematiker, ein Maler hätte sie nie getan. Aber dieses Wort gar nicht zu begreifen, nicht einmal die Mühe zu seinem Verständnisse sich zu nehmen, sich über sie einfach lustig zu machen und Euler mit der »Beschränktheit seiner Zeit« zu entschuldigen, das scheint mir keineswegs gerechtfertigt.
Also, es ist, wenigstens für den Mann, auch in der Psychologie ohne den Ich-Begriff nicht dauernd auszukommen; ob mit diesem eine im Windelbandschen Sinne nomothetische Psychologie, d. h. psychologische Gesetze vereinbar sind, scheint sehr fraglich, kann aber an der Anerkennung jener Notwendigkeit nichts ändern. Vielleicht schlägt die Psychologie jene Bahn ein, die ihr ein früheres Kapitel vorzeichnen zu können glaubte, und wird theoretische Biographie. Aber gerade dann werden ihr die Grenzen aller empirischen Psychologie am ehesten zum Bewußtsein kommen.
Daß im Manne für alle Psychologie ein Ineffabile, ein Unauflösliches bleibt, damit stimmt es wunderbar überein, daß regelrechte Fälle von »duplex« oder »multiplex personality«, Verdoppelung oder Vervielfachung des »Ich«, nur bei Frauen beobachtet worden sind. Das absolute Weib ist zerlegbar: der Mann ist in alle Ewigkeit, auch durch die beste Charakterologie nicht völlig zerlegbar, geschweige denn durchs Experiment: in ihm ist ein Wesenskern, der keine Zergliederung mehr zuläßt. W ist ein Aggregat und daher dissoziierbar, spaltbar.
Deswegen ist es wahrhaft komisch und belustigend, moderne Gymnasiasten (als platonische Idee) von der Seele des Weibes, von Frauenherzen und ihren Mysterien, von der Psyche des modernen Weibes etc. reden zu hören. Es scheint auch zu dem Befähigungsnachweis eines gesuchten Akkoucheurs zu gehören, daß er an die Seele des Weibes glaube. Wenigstens hören es viele Frauen sehr gern, wenn man von ihrer Seele spricht, obwohl sie (in Henidenform) wissen, daß das Ganze ein Schwindel ist. Das Weib als die Sphinx! Ein ärgerer Unsinn ist kaum je gesagt, ein ärgerer Schwindel nie aufgeführt worden. Der Mann ist unendlich rätselhafter, unvergleichlich komplizierter. Man braucht nur auf die Gasse zu gehen: es gibt kaum ein Frauengesicht, dessen Ausdruck einem da nicht bald klar würde. Das Register des Weibes an Gefühlen, an Stimmungen ist so unendlich arm! Während gar manches männliche Antlitz lange und schwer zu raten gibt.
Schließlich werden wir hier auch einer Lösung der Frage: Parallelismus oder Wechselwirkung zwischen Seelischem und Körperlichem? nähergeführt. Für W trifft der psychologische Parallelismus, als vollständige Koordination beider Reihen, zu: mit der senilen Involution der Frau erlischt auch die Fähigkeit zu geistiger Anspannung, die ja nur im Gefolge sexueller Zwecke auftritt, und diesen dienstbar gemacht wird. Der Mann wird nie in dem Sinne völlig alt wie das Weib, und es ist die geistige Rückbildung hier durchaus nicht notwendig, sondern nur in einzelnen Fällen mit der körperlichen verknüpft; am allerwenigsten endlich ist von greisenhafter Schwäche bei jenem Menschen etwas wahrzunehmen, welcher die Männlichkeit in voller geistiger Entfaltung zeigt, beim Genie.
Nicht umsonst sind jene Philosophen, welche die strengsten Parallelisten waren, Spinoza und Fechner, auch die strengsten Deterministen. Bei M, dem freien, intelligiblen Subjekte, das sich für Gut oder für Böse nach seinem Willen entscheiden kann, ist der psychophysische Parallelismus, der eine der mechanischen genau analoge Kausalverkettung auch für alles Geistige fordern würde, auszuschließen.
So weit wäre denn die Frage, welcher prinzipielle Standpunkt in der Behandlung der Psychologie der Geschlechter einzunehmen ist, erledigt. Es erwächst dieser Ansicht jedoch wieder eine außerordentliche Schwierigkeit in einer Reihe merkwürdiger Tatsachen, die zwar für die faktische Seelenlosigkeit von W noch einmal, und zwar in geradezu entscheidender Weise, in Betracht kommen, die aber anderseits von der Darstellung auch die Erklärung eines sehr eigentümlichen Verhaltens der Frau fordern, das seltsamerweise noch kaum jemand ernstlich Problem geworden zu sein scheint.
Schon längst wurde bemerkt, wie die Klarheit des männlichen Denkens gegenüber der weiblichen Unbestimmtheit, und später wurde darauf hingewiesen, wie die Funktion der gesetzten Rede, in welcher feste logische Urteile zum Ausdruck kommen, auf die Frau wie ein Sexualcharakter des Mannes wirkt. Was aber W sexuell anreizt, muß eine Eigenschaft von M sein. Ebenso macht Unbeugsamkeit des männlichen Charakters auf die Frau sexuellen Eindruck, sie mißachtet den Mann, der einem anderen nachgibt. Man pflegt in solchen Fällen oft von sittlichem Einfluß des Weibes auf den Mann zu reden, wo doch sie nur das sexuelle Komplement in seinen komplementierenden Eigenschaften voll und ganz sich zu erhalten strebt. Die Frauen verlangen vom Manne Männlichkeit, und glauben sich zur höchsten Entrüstung und Verachtung berechtigt, wenn der Mann ihre Erwartungen in diesem Punkt enttäuscht. So wird eine Frau, auch wenn sie noch so kokett und noch so verlogen ist, in Erbitterung und Empörung geraten, wenn sie beim Manne Spuren von Koketterie oder Lügenhaftigkeit wahrnimmt. Sie mag noch so feige sein: der Mann soll Mut beweisen. Daß dies nur sexueller Egoismus ist, der sich den ungetrübten Genuß seines Komplementes zu wahren sucht, wird gewöhnlich verkannt. Und so ist denn auch aus der Erfahrung kaum ein zwingenderer Beweis für die Seelenlosigkeit des Weibes zu führen als daraus, daß die Frauen vom Manne Seele verlangen, und Güte auf sie wirken kann, obwohl sie selbst nicht wirklich gut sind. Seele ist ein Sexualcharakter, der nicht anders und zu keinem anderen Zwecke beansprucht wird als große Muskelkraft oder kitzelnde Schnurrbartspitze. Man mag sich an der Kraßheit des Ausdruckes stoßen, an der Sache ist nichts zu ändern. – Die allerstärkste Wirkung endlich übt auf die Frau der männliche Wille. Und sie hat einen merkwürdig feinen Sinn dafür, ob das »Ich will« des Mannes bloß Anstrengung und Aufgeblasenheit oder wirkliche Entschlossenheit ist. Im letzteren Falle ist der Effekt ein ganz ungeheurer.
Wie kann nun aber eine Frau, wenn sie an sich seelenlos ist, Seele beim Manne perzipieren, wie seine Moralität beurteilen, da sie selbst amoralisch ist, wie seine Charakterstärke auffassen, ohne als Person Charakter zu haben, wie seinen Willen spüren, obgleich sie doch eigenen Willen nicht besitzt?
Hiemit ist das außerordentlich schwierige Problem formuliert, vor dem die Untersuchung weiterhin noch zu bestehen haben wird.
Bevor aber seine Lösung versucht werde, müssen die errungenen Positionen nach allen Seiten hin befestigt und gegen Angriffe geschützt werden, die in den Augen mancher imstande sein könnten, sie zu erschüttern.