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Eine genaue, durch Messungen unterstützte, Untersuchung über den Tastsinn und das Gemeingefühl der Haut und der Muskeln bietet deswegen ein besonderes Interesse dar, weil wir bei keinem anderen Sinnorgane Gelegenheit haben, ohne uns zu schaden, die mannigfaltigsten Experimente anzustellen und in verschiedener Hinsicht Messungen auszuführen, und weil Manches von dem, was wir auf diese Weise an der Haut beobachten, sich nachher auch auf den Gesichtssinn und auf andere Sinne, so wie auch auf das Gemeingefühl anwenden läßt.
Da alle Einwirkungen auf unseren Körper, welche Empfindungen in uns erwecken, Bewegungen sind, die in unseren Körper eindringen und eine Veränderung in unseren Nerven hervorbringen, so sollte man glauben, der Gegenstand der Empfindungen müßte uns stets in den Organen zu liegen scheinen, mittelst deren wir empfinden. Dieses scheint uns auch bei vielen Empfindungen der Fall zu sein. Wenn wir z. B. an Kopfschmerz, Augenschmerz, Ohrenzwang, Zahnschmerz oder an anderen Schmerzen leiden, so nehmen wir wahr, daß bestimmte Teile unseres Körpers schmerzen. Wir glauben da die Empfindungen zu haben, wo auf unsere Nerven eingewirkt wird. Wir unterscheiden das, was auf uns einwirkt, nicht von unseren Organen, auf welche eingewirkt wird, sondern fühlen nur die Veränderung, welche in dem Empfindungszustande unseres Körperteils hervorgebracht wird. Ist das Messer des Operateurs durch die Haut gedrungen, so wird es nicht mehr als ein Gegenstand, der mit den Teilen unseres Körpers in Berührung kommt, empfunden, sondern wir empfinden Schmerz in den verletzten Teilen.
In Teilen, die keine Sinnorgane sind, haben wir nur solche Empfindungen. Mittelst der ausgebildeten Sinnorgane dagegen empfängt der Mensch außer jenen Empfindungen noch andere, durch die er einen außerhalb des Sinnorgans befindlichen Gegenstand wahrzunehmen glaubt.
So meinen wir z. B. die Dinge in einer gewissen Entfernung von uns zu sehen, räumlich von uns getrennt, und doch ist es gewiß, daß die Kraft unserer Nerven hierbei nicht über die Oberfläche unseres Körpers hinaus reicht, und daß wir die Dinge nur dadurch sehen, daß das von ihnen ausgesendete Licht in die Nervenhaut unseres Auges eindringt und dort ein kleines Bild der sichtbaren Gegenstände entsteht. Aber von dieser Berührung unserer Nervenhaut im Auge haben wir nicht das mindeste Bewußtsein, auch dann nicht, wenn wir die größte Aufmerksamkeit darauf richten; wir sind uns dabei nicht einmal bewußt, daß wir unsere Aufmerksamkeit auf einen Teil unserer Nervenhaut im Auge richten, sondern glauben dieselbe auf einen sichtbaren Gegenstand im Raume richten zu können und richten zu müssen.
Bei allen Empfindungen müssen wir die reine Empfindung von unserer Auslegung derselben unterscheiden, die Empfindungen des Hellen und Dunkeln, und der Farben sind reine Empfindungen; daß etwas Helles, Dunkles und Farbiges entweder in uns, oder im Raume vor uns sei und eine Gestalt habe, ruhend sei, oder sich bewege, ist eine Auslegung derselben. Aber diese Auslegung assoziiert sich so sehr mit der Empfindung, daß sie von ihr unzertrennlich ist und von uns für einen Teil der Empfindung gehalten wird, während sie doch die Vorstellung ist, die wir uns von der Empfindung machen. Aber nicht nur richtige, sondern auch falsche Auslegungen der Empfindungen vermischen sich in manchen Fällen so vollkommen mit ihnen, daß man sie gar nicht davon scheiden kann, auch dann, wenn man den Irrtum und die Ursache des Irrtums erkannt hat. Allen Menschen, auch den Astronomen, scheint die aufgehende und untergehende Sonne und der aufgehende und untergehende Mond einen größeren Durchmesser zu haben, als wenn beide hoch am Himmel stehen. Diese Täuschung beruht aber bekanntlich nicht auf einer Brechung, die das Licht in der Atmosphäre erleidet und durch die ein größeres Bild in unserem Auge auf der Nervenhaut entsteht, vielmehr ist der Gesichtswinkel, unter welchem wir diese Himmelskörper in den beiden Fällen sehen, wie die Messung beweist, genau derselbe, sondern sie beruht auf einer falschen Auslegung, die ein Jeder durch die Umstände genötigt wird zu machen, so daß wohl noch Niemand sich davon freigehalten hat, und sie ist so unzertrennlich mit dem Anblicke des aufgehenden Mondes und der aufgehenden Sonne verbunden, daß wir sie von dem, was wir empfinden, nicht zu unterscheiden vermögen. Wir glauben unmittelbar wahrzunehmen, daß die aufgehende Sonne und der aufgehende Mond einen größeren Durchmesser haben, als wenn sie hoch am Himmel stehen. Aber wir sind uns nicht einmal des Grundes bewußt, der uns zu dieser falschen Auslegung unserer Empfindungen verleitet. Er liegt darin, daß uns die aufgehende Sonne und der aufgehende Mond weiter von uns entfernt zu sein scheinen, als wenn sie hoch am Himmel stehen. Denn Körper, welche unter demselben Gesichtswinkel gesehen werden, erscheinen uns größer, wenn wir sie für entfernter halten, und umgekehrt. Daß wir aber jene Himmelskörper, wenn sie am Horizonte stehen, für entfernter halten, als wenn sie sich hoch am Himmel befinden, hängt damit zusammen, daß uns das Himmelsgewölbe nicht wie eine halbe Hohlkugel, sondern wie ein kleineres Segment einer Hohlkugel, also etwa wie ein sehr gewölbtes Uhrglas erscheint. Davon kann sich Jeder leicht überzeugen, wenn er sich zu dem Himmelsgewölbe, das er über sich sieht, ein zweites nach unten gekrümmtes Gewölbe von derselben Gestalt hinzu denkt, wo er dann leicht bemerken wird, daß beide zusammen nicht eine Kugel, sondern eine Linse bilden. Scheint uns nun das Himmelsgewölbe keine Halbkugel, sondern ein kleineres Segment einer Kugel zu sein, so scheint uns die Entfernung des Zenits kleiner zu sein als die bis zum Horizonte. Hier entsteht nun freilich wieder die neue Frage, warum das Himmelsgewölbe uns ein kleineres Segment der Kugel zu sein scheint. Viele entfernte Gegenstände, über deren Größe wir unterrichtet sind, projizieren sich auf den Horizont. Hierdurch belehren wir uns davon, daß der dem Horizonte nahe Teil des Himmels sehr weit entfernt sei, während es uns bei der Schätzung der Entfernung des Zenits an solchen Anhaltungspunkten fehlt. Auch kann der Umstand etwas dazu beitragen, daß alle Körper desto nebliger erscheinen, je entfernter sie sind, daß wir daher gewohnt sind, neblig erscheinende Körper für entfernter zu halten, und daß Sonne und Mond desto nebliger erscheinen, je näher sie am Horizonte stehen.
Wir machen aber nicht nur beim Sehen die Erfahrung, daß wir den auf uns gemachten Eindruck da nicht zu empfinden glauben, wo er unsere Nerven trifft, ihn vielmehr aus einem von uns entfernten Teile des Raums herleiten, und dort den auf uns wirkenden Körper wahrzunehmen glauben; sondern dasselbe ereignet sich auch bei der Wahrnehmung des Drucks mittelst der Tastorgane. Die Haare sind völlig unempfindliche Hornfäden, welche verbrennen können, ohne daß wir eine Empfindung davon haben, die aber wie Sonden eine ihnen mitgeteilte Bewegung oder einen Druck bis zu den empfindlichen Teilen in der Haut fortleiten können, an denen sie angewachsen sind. Wird nun der Bart, z. B. der Backenbart, leise berührt, so glauben wir den auf die Barthaare ausgeübten Druck nicht im Innern unserer Haut zu empfinden, an den empfindlichen Teilen, wohin er durch die Hornfäden fortgepflanzt wird und auf unsere Nerven wirkt, sondern wir glauben den Druck in einiger Entfernung von unserer Haut zu empfinden, in der sich die berührten Teile der Haare befinden. Dieselbe Bemerkung machen wir bei den Zähnen. Die harten Teile der Zähne sind unempfindlich. Man kann Stücke davon abfeilen, ohne einen Schmerz zu erregen. Nur die nervenreiche Haut, welche die Zahnwurzeln umgibt und in den Zahnzellen der Kinnlade befestigt ist und der Zahnkeim, der die kleine Höhle im Zahne ausfüllt, sind empfindlich. Bringen wir nun ein Holzstäbchen zwischen die Zähne und betasten es mit denselben, so glauben wir das Stäbchen zwischen den Zähnen zu fühlen, wir meinen den Widerstand, den es uns leistet, an der Oberfläche der Zähne zu fühlen, wo wir doch, da sie ohne Nerven ist, gar nicht empfinden können. Wir haben aber nicht die mindeste Empfindung vom Drucke an der in der Zahnzelle verborgenen Oberfläche der Zahnwurzel, wohin sich wirklich der Druck zu der die Zahnwurzel umgebenden nervenreichen Haut fortpflanzt, und daselbst auf die Nerven wirkt.
Aber nicht nur an die Oberfläche der unempfindlichen Substanzen, welche unsere Haut bedecken, versetzen wir den Ort des empfundenen Druckes, sondern auch an das Ende eines Stäbchens, das wir zwischen unsere Fingerspitze und einen Widerstand leistenden Körper, z. B. die Tischplatte, stemmen. Fechner hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß man unter diesen Umständen den Druck an zwei Orten zugleich zu empfinden glaube, da, wo das obere Ende des Stäbchens unsere Finger und da, wo das untere Ende desselben den Tisch berührt. Es scheint, als hätten wir gleichzeitig 2 Empfindungen an 2 durch die Länge des Stäbchens getrennten Orten. Ich habe die Umstände, wovon hierbei die Entstehung einer doppelten Empfindung abhängt, erörtert. Wenn man das Stäbchen an der Oberfläche des Tisches unbeweglich befestigt, indem man es anleimt, oder daselbst fest einklemmt, so fällt die zweite Empfindung, die wir am unteren Ende des Stäbchens zu haben glaubten, sogleich weg und es bleibt nur die Empfindung übrig, die wir da zu haben glaubten, wo das Stäbchen unsere Finger berührt. Könnten wir das Stäbchen unbeweglich an unsere Finger befestigen, während das untere Ende am Tische beweglich bliebe so würde die Empfindung an der Oberfläche des Fingers wegfallen, und wir würden nur den Druck da zu empfinden glauben, wo das untere Ende des Stäbchens den Tisch berührt. In der Tat, die Zähne sind solche Stäbchen, die mit ihrem einen Ende unbeweglich in der Zahnzelle befestigt sind, und hier zeigt es sich nun auch, daß wir an dem Orte, wo sie die nervenreiche Haut der Zahnzelle berühren, die sie befestigt, keinen Druck empfinden, sondern daß wir den Druck nur an der freien Oberfläche des Zahns zu empfinden glauben. Nur wenn ein Zahn in beträchtlichem Grade wackelt und sich in der Zahnzelle bewegt, hat man, wie ich mich selbst überzeugt habe, indem man ihn an einen festen Körper andrückt, 2 Empfindungen, die eine an der Oberfläche der Wurzel, die andere an der Oberfläche der Krone.
Wir haben hier also Gelegenheit, die Umstände näher zu untersuchen, welche uns veranlassen unsere Empfindung so auszulegen, daß wir annehmen, das entfernte Ende des Stäbchens berühre einen zweiten Widerstand leistenden Körper, und derselbe befinde sich von uns in einer bestimmten Entfernung. Wir empfinden die Berührung des Stäbchens und des Tisches am deutlichsten, wenn wir das obere Ende des Stäbchens samt dem Finger um das untere Ende des Stäbchens auf dem Tische in einem Kreisbogen bewegen. Da nun das Stäbchen in allen Lagen, in die es hierbei sukzessiv kommt, in einer gewissen Richtung Widerstand leistet, und da alle diese Richtungen den Radien des Kreisbogens entsprechen, in welchem wir unsere Finger bewegen, so urteilen wir, daß da, wo alle diese Richtungen, in welchen das Stäbchen Widerstand leistet, zusammenkommen, ein Widerstand leistender Körper befindlich sein müsse, der, weil er unbeweglich ist, von dem beweglichen Stäbchen unterschieden wird. Je mehr sich das Stäbchen und der Finger gemeinschaftlich bewegen, desto deutlicher empfinden wir, daß das Stäbchen den Tisch berührt, je mehr sich dagegen der Finger auf dem oberen Ende des Stäbchens bewegt, und je weniger das Stäbchen an der Bewegung unsers Fingers Teil nimmt, desto deutlicher empfindet man, daß unser Finger das obere Ende des Stäbchens berührt, und desto undeutlicher empfindet man die Berührung des Tisches. Hier leuchtet nun recht klar ein, wie wir das zu empfinden glauben, was wir durch ein Urteil erkennen würden, welches auf eine Vergleichung vieler Empfindungen und auf das Bewußtsein von unserer eignen Bewegung gegründet ist. Entweder ist es nun also unser Verstand, durch welchen wir unsere Empfindungen mit Berücksichtigung aller dieser Umstände auslegen, und die Auslegung beruht wirklich auf einem Urteile, d. h. auf einem synthetischen Urteile, welches schon gefällt wird, ehe wir uns durch Worte bezeichnete Begriffe gebildet haben, oder es wirkt in uns ein stellvertretender Verstand, d. h. unsere Seele wird, ohne eine Einsicht in die Verhältnisse zu haben, durch eine unbekannte Ursache bestimmt, diesen Verhältnissen gemäß sich die Empfindungen vorzustellen, gleichsam durch einen intellektuellen Instinkt. Auf gleiche Weise beruhet die Erscheinung, daß der Schall nicht im Kopfe empfunden wird, wo er unsere Gehörnerven erschüttert, sondern außerhalb unsers Kopfes, auf einem sehr zusammengesetzten Urteile. Wir machen z. B. folgende Erfahrung: bei derjenigen Stellung unsers Kopfes, wo das eine Ohr, z. B. das rechte, dem Orte, von wo der Schall ausgeht, zugekehrt und das andere Ohr von demselben abgekehrt ist, bemerken wir, daß der Schall durch das erstere viel stärker als durch das letztere gehört wird. Wenn wir nun aber unseren Kopf drehen, während der Ton auf gleiche Weise erregt wird, so nimmt die Stärke der Empfindung in dem rechten Ohre in demselben Grade mehr und mehr ab, als sie im linken Ohre zunimmt. Endlich, wenn unser Gesicht oder unser Hinterhaupt dem Orte zugekehrt ist, von wo der Schall ausgeht, so ist die Stärke der Empfindung in beiden Ohren gleich und wird von nun an, wenn man den Kopf zu drehen fortfährt, im linken Ohre stärker und im rechten Schwächer, bis endlich hinsichtlich dieser Verschiedenheit der Empfindung der höchste Grad eintritt. Die Beobachtung, daß die Drehung unseres Kopfs auf eine so gesetzmäßige Weise die Stärke der Empfindung abändert, führt uns zu der Vermutung, daß die Ursache des Schalls unverändert und an demselben Orte bleibe, und daß die Empfindung nur durch die Bewegung unseres Kopfs zu- und abnehme, und daß sich also die relative Lage der Ursache des Schalls zu unseren Ohren durch unsere Bewegung ändere. Hieraus geht hervor, daß die Ursache des Schalls, wenn sie gleichmäßig fortwirkt, nicht in uns sein könne, sondern außer uns existieren müsse, denn sonst würde sie sich zugleich mit uns bewegen, und also, während wir uns bewegen, unverändert bleiben. Alle jene Erscheinungen lassen sich im Einzelnen vollständig erklären, wenn wir annehmen, daß die Empfindung des Schalls desto stärker werde, je mehr die Öffnung unsers Ohrs nach derselben hingerichtet sei. Die Hypothese, daß eine physische Ursache des Schalls außerhalb unseres Körpers liege, bestätigt sich noch außerdem auf mannigfaltige Weise, z. B. indem wir uns dem Orte des Schalls nähern oder uns von demselben entfernen und die Empfindung dadurch verstärken oder schwächen. Auf eine ähnliche Weise überzeugen wir uns davon, daß die Ursache vieler Gerüche außerhalb unsers Körpers im Raume zu suchen sei, und nicht da, wo die Riechstoffe die Schleimhaut unserer Nase berühren. Wäre es uns unmöglich, die Geruchempfindung durch unsere Annäherung an die Quelle des Geruchs zu verstärken, und durch unsere Entfernung von derselben zu vermindern, so wie auch den Geruch durch das Einziehen von Luft in die Nase deutlicher zu machen, entbehrten wir also des Vermögens, durch unsere absichtliche Bewegung die Empfindung der Gerüche zu verstärken und zu schwächen, so würden wir die Ursache der Gerüche nur in uns selbst suchen eben so, wie wir die Ursache der Empfindungen des Schmerzes, des Ekels, des Hungers und Durstes in uns selbst suchen; dasselbe bestätigt sich auf eine interessante Weise bei der Wahrnehmung der Wärme. Die Temperatur unserer Haut kann auf eine doppelte Weise erhöht werden, durch eine vermehrte Zuführung von Wärme von innen, wenn mehr warmes Blut in die Haut strömt, und durch die vermehrte Mitteilung von Wärme von außen. In beiden Fällen fühlen wir, daß unsere Haut wärmer wird. Übt der Körper, der uns mehr Wärme von außen mitteilt, zugleich einen Druck auf unsere Haut aus, so sind wir nicht zweifelhaft, daß die Wärme von außen komme, wir fühlen dann, daß der drückende Körper warm sei. Wirkt aber die strahlende Wärme, oder die ruhige erwärmte Luft, die uns ringsum umgibt, auf uns ein, so ist es viel schwerer zu entscheiden, ob die Wärme von außen oder von innen auf uns wirke. Aber auch bei der Beurteilung dieser Empfindungen wird man durch ähnliche Betrachtungen geleitet, wie in den erwähnten Fällen. Läßt man Jemanden seine Augen schließen und nähert seinem Gesichte, bis auf die Entfernung von 1 oder 2 Zoll, einen runden glühenden Eisenstab, der etwa ⅓ Zoll im Durchmesser hat, so daß er eine senkrechte Lage vor dem senkrecht stehenden Gesichte hat, und läßt der Person dann den Kopf wiederholt nach rechts und links drehen, so empfindet sie sehr bestimmt die Lage des wärmenden Stabes in einer gewissen Entfernung vor dem Gesichte. Indem nämlich der Kopf um seine senkrechte Axe gedrehet wird, wirft der Stab seine Wärmestrahlen am stärksten auf die nächsten Teile des Gesichts, die dann bei der Drehung desselben andere und andere sind. Wäre die Wärmequelle in unserer Haut, so würde sie sich zugleich mit unserer Haut bewegen und ihren relativen Ort beibehalten. Daraus, daß gewisse, in einer senkrechten Linie gelegene, Teile der Haut viel stärker als andere erwärmt werden, und daß, wenn wir den Kopf drehen, andere und andere Teile der Haut in einer gewissen Ordnung von der Wärme affiziert werden, welche bei dem Zurückdrehen des Kopfs die umgekehrte ist, schließen wir auf eine ruhende Wärmequelle von linienförmiger Gestalt, die in einer bestimmten Entfernung vor unserem Gesichte liegt.
Daraus nun, daß man beim Sehen im Auge, beim Hören im Labyrinthe des Ohrs, beim Riechen in dem Teile der Nase, welcher der Sitz des Geruchsinns ist, keine örtliche Empfindung hat, daß man dagegen an der Oberfläche der Zähne und der Haare die diese Teile berührenden Körper zu fühlen glaubt, während es doch gewiß ist, daß die harten Teile der Zähne und die Haare völlig unempfindlich sind, daraus ferner, daß, wie Joh. Müller gezeigt hat, ein Druck, der auf einen viele Tastnerven enthaltenden Nervenstamm ausgeübt wird, einen Schmerz erzeugt, der seinen Sitz nicht bloß an der gedrückten Stelle hat, sondern auch in den oft ziemlich entfernten Teilen, zu welchen sich die gedrückten Nervenfäden erstrecken, daraus endlich, daß Krankheiten vorkommen, bei welchen heftige Schmerzen in den vom Gehirne und Rückenmarke entfernten Teilen empfunden werden, während der Ort, wo die störende Einwirkung auf die Nerven geschieht, im Rückenmarke oder im Gehirne liegt, darf man vermuten, daß wir durch die reine Empfindung ursprünglich gar nichts über den Ort wissen, wo auf den die Empfindung vermittelnden Nerven eingewirkt wird, und daß alle Empfindungen ursprünglich nur unser Bewußtsein anregende Zustände sind, welche dem Grade und der Qualität nach verschieden sein können, aber unmittelbar keine räumlichen Verhältnisse zu unserem Bewußtsein bringen, sondern nur mittelbar, durch die Anregung einer Tätigkeit unserer Seele, mittelst deren wir uns die Empfindungen vorstellen und in Zusammenhang bringen, und zu welcher wir durch eine angeborne Seelenanlage oder Seelenkraft angetrieben werden.
Die Art und Weise, wie wir bei der Auslegung unserer Empfindungen zu Werke gehen, hängt nicht ganz von unserer freien Selbstbestimmung ab, sondern wir sind durch eine unbekannte Ursache genötigt, die Empfindungen nach den Kategorien des Raums, der Zeit und der Zahl uns vorzustellen und in einen Zusammenhang zu bringen. Würde unsere freie Selbstbestimmung bei der Auslegung der Empfindungen nicht unterstützt durch diesen Zwang, so würden wir unstreitig niemals zu sinnlichen Vorstellungen gelangen. Diese Vorstellungen sind also nicht das Resultat der Erfahrung, sondern Erfahrung wird erst dadurch möglich, daß wir das Vermögen besitzen, uns die Empfindungen nach den Kategorien des Raums, der Zeit und der Zahl zu deuten. Daß wir zu jener Auslegung der Empfindungen nicht durch eine freie Tätigkeit unserer Seele gelangt sind, dessen werden wir uns bewußt, wenn wir eine andere Auslegung versuchen. Denn wir werden uns dann bewußt, daß wir die Empfindungen so auslegen müssen, und daß wir in dieser Auslegung nicht das Geringste ändern können. Wir können keine der 3 Dimensionen des Raums hinweglassen, und eben so wenig den 3 Dimensionen des Raums noch eine vierte hinzufügen. Wir können uns die ganze Körperwelt hinweg denken, aber Raum und Zeit bemühen wir uns vergeblich hinwegzudenken. Wenn man den Begriff des Instinkts allgemeiner fassen will, als es gewöhnlich geschieht. Wenn man die unbekannte Ursache von einer jeden angeborenen zweckmäßigen Tätigkeit, zu der sich die Seele nicht selbst bestimmt, Instinkt nennen will, mag sich nun diese Tätigkeit auf die Bildung von Vorstellungen, oder auf die Hervorbringung von Bewegungen beziehen; so kann man jene Seelenanlage auch als einen intellektuellen Instinkt bezeichnen. Die Tiere sind, wie es scheint, durch dieselbe unbekannte Ursache genötigt, sich die Empfindungen nach den Kategorien des Raums, der Zeit und der Zahl auszulegen, wenn sie auch unfähig sind, sich dieser Tätigkeit in abstracto bewußt zu werden, und sich also die Begriffe von Raum, Zeit und Zahl zu bilden. Es ist nicht daran zu denken, daß sie bloß reine Empfindungen hätten. Die vollkommneren Tiere geben Beweise genug, daß sie die Empfindungen, die ihnen das Auge verschafft, nicht im Auge zu haben glauben, z. B. ein Hund, indem er das ihm zugeworfene Fleisch mit dem Maule auffängt. Niemand kann daran zweifeln, daß Hunde, Katzen, Pferde das, was sie hören und riechen, nicht in sich, sondern außer sich im Raume suchen.
Wir haben uns daher in Acht zu nehmen, folgende Vorgänge in uns nicht miteinander zu verwechseln:
Damit die Vorstellung einer Empfindung zu Stande komme, muß die Aufmerksamkeit auf die vorzustellende Empfindung hingewendet werben, während die Empfindung allein auch zu Stande kommt, wenn wir unsere Aufmerksamkeit mit aller Anstrengung auf einen anderen Gegenstand richten. Empfindungen, die wir uns in den Kategorien des Raums, der Zeit und der Zahl vorgestellt haben, werden leichter im Gedächtnisse aufbewahrt, dagegen machen reine Empfindungen, die man sich nicht vorgestellt hat, keinen dauernden Eindruck und können sich daher nicht leicht assoziieren. Jeder macht die Erfahrung, daß viele Gegenstände in sein Auge fallen, während er nur die wenigen sieht, auf die er seine Aufmerksamkeit richtet, und daß, während er eifrig beschäftigt ist, so mancher Schall in sein Ohr dringt, ohne daß er ihn hört. Es fragt sich hier, ob jene Eindrucke gar nicht zum Bewußtsein gekommen sind und also nur Nervenbewegungen, aber keine Veränderung im Bewußtsein angeregt haben. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß jene Eindrücke wirklich eine Veränderung im Bewußtsein erzeugen, diese aber keine Spur hinterlassen und daher uns alsbald entschwinden. Die durch die Einwirkung auf unseren Körper angeregte Nervenbewegung kann, wenn sie stark genug ist, länger dauern als die Einwirkung, und daher können wir uns eine Empfindung bisweilen noch vorstellen, wenn die äußere Bewegung schon vorüber ist. Wir können beim Blitze eine Gegend sehen und beim elektrischen Funken einige Buchstaben lesen, ungeachtet beide nur momentan sind.
Ich kann, während ich die Schläge einer Uhr zähle, auch die Gestalt der Lichtflamme sehen und die Gestalt eines Körpers fühlen, den ich in der Hand halte, und es scheint hiernach, daß man zu gleicher Zeit verschiedene Empfindungen sich vorstellen könne. Ein solcher Versuch reicht aber nicht aus das zu beweisen, denn es läßt sich denken, daß unsere Aufmerksamkeit in den Zwischenzeiten zwischen den Pendelschlägen auf die Lichtflamme, und dann wieder auf die Gestalt des fühlbaren Körpers gerichtet werde, und dieses Hin- und Herwenden der Aufmerksamkeit so schnell und so oft wiederholt werde, daß es uns vorkommt, als stellten wir uns gleichzeitig und ohne Unterbrechung alle diese 3 Empfindungen vor. Wie wenig Zeit zur Vorstellung einer Empfindung nötig ist, sieht man bei geübten Korrektoren, welche die zu korrigierenden Druckbogen ziemlich schnell lesen und doch sich jeden Buchstaben genau genug vorstellen, um auf die vorhandenen Fehler aufmerksam zu werden. Beim Sehen kann ich beweisen, daß der Teil der Nervenhaut des Auges, mit dem wir deutlich sehen, nur etwa ⅓ Linie groß ist. Wir müssen daher unser Auge von einem Teile zum anderen wenden, damit sich nach und nach jeder Teil eines größeren Gegenstandes auf dieser kleinen sehr empfindlichen Stelle der Nervenhaut abbilde. Dessen ungeachtet glauben wir gleichzeitig Körper zu übersehen, die sich auf einmal gar nicht auf jener Stelle der Nervenhaut abbilden können. Was wir sukzessiv vollbringen, glauben wir gleichzeitig auszuführen; die genaueren Untersuchungen von BesselBessel, astronomische Beobachtungen. VIII. Abteilung. Königsberg, 1823. Einleitung. Der Unterschied zeigte sich zwischen Bessel und anderen Beobachtern bis etwas über 1 Sekunde. - Struve, Expedition chronométrique exécutée en 1843 entre Poulkova et Altona, St. Petersbourg 1844, Pag. 29. Bei den hier mitgeteilten Beobachtungen geht der Unterschied nicht über 3/10 einer Sekunde. scheinen im Gegenteile zu beweisen, daß man sich nicht völlig gleichzeitig eine Gesichtsempfindung und eine Gehörsempfindung vorstellen könne. Bei den mit dem Passageinstrumente auszuführenden Beobachtungen kommt es darauf an, daß der Astronom zweimal die Entfernung eines Sterns von einem im Fernrohre ausgespannten Faden schätzt, vor welchem der Stern vorbeigeht und bestimmt, wie weit der Stern vom Faden entfernt war beim ersten Pendelschlag der Uhr, ehe er den Faden erreicht hatte, und wie weit beim zweiten Pendelschlage, nachdem er den Faden passiert hatte. Hierbei zeigt es sich nun, daß die Beobachtungen auch der geübtesten Beobachter nicht unbeträchtlich von einander abweichen, weil, wie Bessel behauptet, der eine erst den Pendelschlag hört, und dann die Entfernung sieht, der andere dagegen erst die Entfernung des Sterns von den Fäden sieht, und dann den Pendelschlag hört.
Bessel's Annahme scheint durch folgende von mir gemachte Beobachtung bestätigt zu werden, welche zu beweisen scheint, daß man nicht vermag, sich zwei verschiedene Gehörempfindungen, von welchen die eine im rechten, die andere im linken Ohre entsteht, in ihren Zeitverhältnissen gleichzeitig vorzustellen. Wenn ich zwei Taschenuhren, deren Schlag nicht genau dieselbe Geschwindigkeit hat, nahe vor ein Ohr halte, so daß ihr Schlag nur mittelst dieses Ohrs und nicht durch das andere gehört wird, so unterscheide ich die Perioden, wo die Schläge beider Uhren zusammenfallen, von den Perioden, wo die Schläge der einen Uhr zwischen die Schläge der anderen fallen, und kann sie als einen sich wiederholenden Rhytmus auffassen. Halte ich dagegen vor jedes Ohr eine Uhr, so nehme ich zwar wahr, daß die eine geschwinder schlägt als die andere, bin aber nicht im Stande, jenen sich wiederholenden Rhytmus aufzufassen, und der Schlag beider Uhren macht daher einen ganz anderen Eindruck, als im ersten Falle. Aus demselben Grunde ist man verhindert den Herzschlag zu hören und zugleich den Pulsschlag zu fühlen.
Aber nicht vermittelst aller Teile unseres Körpers, sondern nur vermittelst der Sinnorgane bekommen wir Empfindungen, die wir so auszulegen vermögen, daß wir die auf uns einwirkenden Dinge von unseren empfindlichen Teilen unterscheiden und sie als Objekte wahrnehmen, welche unsere Organe berühren, oder sogar durch größere Strecken des Raums von ihnen getrennt sind. Mit der einen Hand können wir die andere, mit der Zungenspitze können wir die Zähne, und umgekehrt mit den Zähnen die Zungenspitze in unserem Munde befühlen, und als äußere Gegenstände wahrnehmen. Auf gleiche Weise würden wir viele im Inneren unsers Körpers gelegene Teile durch die benachbarten Teile, welche auf sie drücken und sich dabei bewegen, befühlen können, und eine Kenntnis von der Gestalt und Lage derselben erlangen, wenn die inneren Teile mit den Einrichtungen des Tastorgans versehen wären.
Aber unsere Sinnorgane sind nicht nach Innen, sondern nach Außen gerichtet, damit die Seele die Eindrücke der äußeren Welt empfinge, wobei sie sehr gestört werden würde, wenn die Vorgänge in unserem Inneren immerfort ihre Aufmerksamkeit auf sich zögen. Ein Darm berührt den anderen und reibt sich an ihm, die Lungen reiben sich an der die Brusthöhe überziehenden Haut der Pleura, ein Muskel drückt auf den anderen und reibt sich an ihm, aber wir haben keine Empfindung davon. Es ist schon oben bemerkt worden, daß wir das Zwerchfell, diese große gekrümmte muskulöse Haut, welche die Bauchhöhle von der Brusthöhle trennt, willkürlich bewegen, und dadurch die großen und schweren Organe, den Magen, die Leber und die Milz mit großer Kraft in die Bauchhöhle hinabdrücken können, so daß sich die nachgebenden Wände des Bauchs anspannen, z. B. beim Einatmen oder bei der Anstrengung zum Stuhlgange, und daß wir dessen ungeachtet mit der größten Aufmerksamkeit nichts von der Existenz des Magens, der Leber und Milz wahrnehmen und gar nicht fühlen, daß irgend etwas unserem Zwerchfelle gegenüber liegt. Wir fühlen in der Tat nur, daß wir bald eine größere, bald eine geringere Anstrengung machen, und empfinden zugleich die zunehmende Anspannung der Haut des Unterleibes, welche durch die herabgedrückten Unterleibsorgane hervorgebracht wird. Und doch ist das Zwerchfell nicht unempfindlich. Wir können darin heftige rheumatische Schmerzen bekommen und haben auch eine Empfindung von dem Grade der Anstrengung, mit welcher wir dasselbe bewegen, aber keine von dem Drucke, den es erleidet, wir haben überhaupt keine Empfindung in demselben, wodurch wir uns eine Vorstellung von seiner Gestalt und Lage bilden könnten. So Mancher, der keine anatomischen Kenntnisse besitzt, befindet sich in dem Irrtume, das Zwerchfell dränge beim Einatmen die Teile in der Brust in die Höhe, während es dann bekanntlich im Gegenteile die Organe in der Unterleibshöhle abwärts drängt.
Worin liegt nun die Ursache, daß das Empfindungsvermögen nur in manchen Teilen so ausgebildet werden kann, daß wir Objekte wahrnehmen, und daß es in anderen Teilen bei der größten Mühe und Aufmerksamkeit unmöglich ist, so daß wir daselbst nur eine Veränderung unsers eignen Empfindungszustandes fühlen?
Die Ursache liegt darin, daß die letzteren Teile so eingerichtet sind, daß daselbst weder die eigne Bewegung unseres Körpers, noch die Bewegung der zu empfindenden Objekte eine hinreichend bemerkbare Abänderung der Empfindung hervorbringt. Die Bewegung unserer Organe, so wie die der zu empfindenden Objekte, kann aber auf eine doppelte Weise eine Abänderung der Empfindung hervorbringen, dadurch, daß die Empfindung stärker und schwächer wird, und dadurch, daß zu Folge der Bewegung andere und andere Teile des empfindlichen Organs auf eine von uns unterscheidbare Weise affiziert werden. In Teilen, wobei das nicht der Fall ist, gelingt es nicht, die Empfindungen so auszulegen, daß man Objekte wahrnimmt. Das Zwerchfell z. B. kann zwar absichtlich bewegt werden, aber es fehlen ihm die Einrichtungen, wodurch die verschiedenen Grade des Widerstands (Drucks), die es bei seiner mehr oder weniger kraftvollen Bewegung erleidet, unterschieden werden können, so wie auch die Einrichtungen, wodurch unterschieden werden kann, ob dieser oder jener Teil des Zwerchfells einen Druck erleidet.
Damit aber die Eindrücke, welche benachbarte Teile eines Organs treffen, nicht dieselbe Empfindung, sondern mehrere unterscheidbare Empfindungen hervorbringen, ist eine besondere Einrichtung des empfindlichen Teils nötig, und eben so erfordert es eine besondere Einrichtung desselben, damit schon schwache Eindrücke so deutlich empfunden werden, daß man viele verschiedene Grade der Stärke derselben unterscheiden könne.
Wir machen die Bemerkung, daß die Sinnorgane bei gleicher Oberfläche viel zahlreichere Nervenfäden besitzen als andere Teile, und haben Ursache zu vermuten, daß die Nervenfäden derjenigen Sinnorgane, welche außer den besonderen Empfindungen, die sie uns verschaffen, der Sitz eines feineren Ortsinns sind, so geordnet sind, daß die Ordnung der peripherischen Enden derjenigen Ordnung in gewissem Grade entspricht, die sie an ihrer zentralen Endigung haben, während die Nervenfäden in den Stämmen dieser Nerven in keiner bestimmten Ordnung liegen und daher nicht immer denselben Weg nehmen. Nur die dem Willen unterworfenen Muskeln stehen den Sinnorganen, hinsichtlich der großen Zahl der Nervenfäden, die sie besitzen, zur Seite, aber hier sind es nicht die Empfindungsnerven, sondern die Bewegungsnerven, welche so zahlreich sind. Denkt man sich alle Muskelnerven, alle Nerven der mit Tastsinn versehenen Haut, und die anderen Sinnesnerven für das Gesicht, für das Gehör, für den Geschmack und für den Geruch hinweg, so bleiben für alle übrigen empfindlichen Teile außerordentlich wenig Nerven übrig. Je dichter gedrängt die Fäden der Empfindungsnerven in den Tastorganen liegen, desto mehr können die Empfindungen schon auf kleinen Teilen dieser Organe lokal unterschieden werden. An den Fingerspitzen und an der Zungenspitze, welche dichter gedrängte Nervenfäden besitzen, können z. B. die Eindrücke schon auf so kleinen Teilen des Organs lokal unterschieden werden, auf welchen sie auf dem Arme oder auf dem Rücken, wo die Nervenfäden weitläufiger sind, nicht unterschieden werden können. Ziemlich kraftvolle Bewegungen der schweren Körper sind erforderlich, um mittelst der Tastorgane eine Empfindung zu erregen, viele weniger kraftvolle Bewegungen der schweren Körper bringen im Gehörorgane die Empfindung des Schalls hervor, nur in dem Auge können die äußerst schwachen und schnell wiederholten Bewegungen des imponderablen Lichtäthers, welche die Ursache des Lichts sind, eine Empfindung erwecken, die doch den leichtesten Körper, z. B. ein Sonnenstäubchen, nicht in eine merkliche Bewegung versetzen können. Je schwächer die Bewegungen sind, die noch einen merklichen Eindruck hervorbringen sollen, desto dichter liegen die äußeren Enden der Empfindungsnerven. Zwischen den Enden der Tastnerven ist viel unempfindlicher Stoff; an den Orten, wo sich die Gehörnerven im Labyrinthe des Gehörorgans endigen, liegen die Nervenfäden sehr dicht, am dichtesten mögen sie an der empfindlichsten Stelle der Nervenhaut, in der Augenachse des Auges liegen.
Aus den oben mitgeteilten Erfahrungen geht hervor, daß die in uns erweckte Vorstellung der Bewegung und die Unterscheidung, ob unsere Organe ruhen und die zu empfindenden Körper sich bewegen, oder ob die zu empfindenden Körper ruhen und unsere Organe sich bewegen, uns veranlassen, unser Subjekt von den Objekten, oder was dasselbe ist, die die Empfindung vermittelnden Organe von den auf sie wirkenden Körpern als räumlich getrennte Dinge zu unterscheiden. Wo daher die eigne Bewegung unserer Organe, oder die Bewegung der zu empfindenden Objekte keine hinreichend bemerkbare Abänderung der Empfindung hervorbringt, gelingt es uns nicht, auch bei der größten Aufmerksamkeit, die Objekte von unseren empfindlichen Teilen zu unterscheiden.
Eine Abänderung der Empfindung durch jene Bewegungen wird hervorgebracht, wenn Eindrücke, die sonst völlig gleich sind, sich unterscheiden lassen, weil sie auf 2 verschiedene Teile unsers Körpers gemacht werden. Hierzu ist erforderlich, daß die beiden Teile ihre Empfindlichkeit nicht einem und demselben elementaren Nervenfaden verdanken. Damit dieses Ortgefühl noch mehr vervollkommnet werde und ein Ortsinn entstehe, scheint eine besondere Einrichtung im Nervensysteme erforderlich zu sein, die darin besteht, daß das empfindliche Organ in kleine neben einander liegende Abteilungen (Gefühlkreise) geteilt ist, von welchen jede einen besonderen Nervenfaden bekommt, der getrennt von anderen Nervenfäden bis zum Gehirne läuft. Zugleich darf man vermuten, daß die von jenen Abteilungen ausgehenden Nervenfäden in einer ähnlichen Ordnung im Gehirne, als in dem empfindlichen Organe neben einander liegen. Manche Erscheinungen, die man bei der durch einen Bluterguß im Gehirne entstehenden halbseitigen Lähmung beobachtet, deuten darauf hin. Das Ortgefühl in unvollkommenem Zustande finden wir nicht nur in allen Sinnorganen, sondern auch in Teilen, die nur Gemeingefühl besitzen. Einen ausgebildeten Ortssinn finden wir aber nur in den Gesicht- und Tastorganen, und zwar bei weitem am vollkommensten im Gesichtsorgane. Meine weiter unten mitzuteilenden Versuche und Messungen haben bewiesen, daß der Ortsinn in den verschiedenen Teilen der Haut selbst wieder in sehr verschiedenem Grade ausgebildet ist, so daß er an der Zungenspitze mehr als 50 mal feiner ist, als auf unseren Rücken oder auf der Mitte des Oberarms und Oberschenkels. Auch im Auge ist derselbe da, wo die Augenachse die Nervenhaut schneidet, sehr viel feiner als an den Teilen derselben, die von der Augenachse entfernter sind, und zwar desto unvollkommener und stumpfer, je entfernter die Teile der Nervenhaut von jenem mit dem schärfsten Ortsinne versehenen Teile derselben sind. Im Gehörorgane ist das Ortgefühl so unvollkommen, daß man nur unterscheiden kann, ob der Eindruck auf das rechte oder auf das linke Ohr gemacht wird, nicht aber, ob er den Gehörnerven in der Schnecke oder im Vestibulum trifft. Das Geschmackorgan ist zugleich Tastorgan, und hat als solches einen feinen Ortsinn, nicht aber als Geschmackorgan. Das Ortgefühl kommt in unvollkommnem Grade auch Teilen zu, die vom sympathischen Nerven ihre Nerven erhalten, z. B. der Milz, der Leber, den Nieren u. s. w. Der Ortsinn scheint desto feiner zu sein, je kleiner die neben einander liegenden Abteilungen des Sinnorgans sind, von welchen jede ihren besonderen Nervenfaden hat, und also je dichter gedrängt die peripherischen Enden der Nervenfäden nebeneinander liegen, die isoliert zum Gehirne gehen. Mit den Augen und Tastorganen, die allein der Sitz eines ausgebildeten Ortsinns sind, unterscheiden wir auch unstreitig die zu empfindenden Objekte zuerst und am deutlichsten von uns selbst, als räumlich von uns geschiedene Dinge. Nachdem wir, unterstützt durch diese Sinne, eine Vorstellung von der Bewegung bekommen haben, und uns ferner der Bewegungen bewußt worden sind, die wir selbst hervorbringen, haben wir auch das Gehörorgan und Geruchorgan so mit Absicht bewegen gelernt, daß wir auch den Schall und die Gerüche als Objekte von uns selbst zu unterscheiden vermögen. Wären wir wie eine Auster angewachsen und unbeweglich, und könnten wir die Geruchempfindungen nicht verstärken und schwächen, indem wir uns der Quelle der Gerüche zuwenden und von ihr abwenden, oder indem wir die Gerüche durch Einatmen schneller einziehen, oder durch Unterlassen des Einatmens einzudringen verhindern, so würden wir die Gerüche nur für Veränderungen unseres Empfindungszustandes halten, keineswegs für Objekte.
Die Empfindungen, welche wir mittelst des Gesicht- und Tastsinns empfangen, sind also im Raume scharf begrenzt, wir können auf der Haut 2 Eindrücke noch deutlich unterscheiden, auch wenn sie auf 2 einander ziemlich nahe gelegene Teile der Haut gemacht werden und sonst völlig gleich sind. Indem wir nur mit unserem Finger unsere Haut berühren und denselben oft auf der Haut fortbewegen, lernen wir einerseits die Lage der kleinen Abteilungen der Haut kennen, in welchen wir die Eindrücke unterscheiden können, wir machen die Erfahrung, welche von diesen kleinen Abteilungen der Haut neben einander liegen, und welche durch andere Abteilungen von einander getrennt sind; andererseits werden wir uns bewußt, welche Anstrengung des Willens erforderlich ist, um den Finger so zu bewegen, daß er dieselben Abteilungen der Haut in derselben Aufeinanderfolge berühre, und so lernen wir unseren Finger absichtlich bewegen, indem wir die Bahn, die derselbe auf der Haut beschreibt, empfinden. Durch den Ortsinn in unserer Haut lernen wir die Bewegung unserer Glieder kennen, und durch die von unserem Willen abhängende Bewegung der Glieder lernen wir unsere Haut kennen und orientieren uns auf derselben. Beide Fähigkeiten, von Anfang äußerst beschränkt, vervollkommnen sich gegenseitig durcheinander. Nachdem wir uns über die Lage der kleinen Abteilungen der Haut unterrichtet haben, können wir, auch ohne unsere Tastorgane zu bewegen, die Gestalt eines Körpers fühlen, der unsere Hohlhand berührt, z. B. den kreisförmigen Querschnitt einer zylindrischen Blechröhre, und eben so den vierseitigen oder dreiseitigen Querschnitt einer vierseitigen oder dreiseitigen Blechröhre. Aus der Lage der gedrückten Teile unserer Haut können wir auf die Lage der drückenden Teile des uns berührenden Körpers schließen, aus der Druckfigur auf unserer Haut folgern wir die Figur des drückenden Körpers. Da die Einrichtungen für den Ortsinn auf der Mitte der Nervenhaut des Auges mehr als 100 mal feiner sind als auf dem Teile der Haut, der am feinsten empfindet, so lernen wir frühzeitig das Auge absichtlich bewegen und die Lage der daselbst so äußerst dicht liegenden empfindlichen Punkte kennen. Wir lernen die Augen so richten, daß sich die Gegenstände, auf die wir aufmerksam sind, auf der Mitte der Nervenhaut abbilden, die den feinsten Ortsinn hat, und wo wir die Dinge am schärfsten sehen. Hierdurch erfolgt von selbst, daß sich die Augen so einstellen, daß sich die verlängerten Augenachsen auf dem zu sehenden Gegenstande kreuzen. Wir lernen den Unterschied, ob sich die Bilder auf unserer Nervenhaut bewegen, weil unser Auge sich bewegt, oder weil die sichtbaren Dinge sich bewegen, während unser Auge ruht. Aus der Lichtfigur auf der Nervenhaut des Auges schließen wir auf die Figur des Licht ausschickenden Körpers.
Die Empfindungen, die uns die Sinnorgane verschaffen, zeichnen sich aber auch dadurch aus, daß sie in der Zeit sehr scharf begrenzt sind, d. h. daß sie augenblicklich mit der Einwirkung auf das Sinnorgan entstehen, und nicht viel länger fortdauern als die Einwirkung. Das ist mit vielen anderen Empfindungen nicht der Fall. Alle Schmerzen dauern länger fort als die Einwirkung, die sie verursachen, die Empfindung in der Nase, die das Niesen zur Folge hat, der Kitzel an der Lippe, die man mit einem kleinen Körper leise berührt, der Schauder, wenn man mit der Fahne einer Feder leise über den nackten Rücken streicht, dauern alle länger fort als die Einwirkung, und manche von diesen Empfindungen entstehen nicht augenblicklich bei der Einwirkung.
Das Gehörorgan steht darin, daß die Empfindungen, die es uns verschafft, in der Zeit sehr scharf begrenzt sind, unter allen Sinnorganen oben an. Aber auch das Auge und der Tastsinn leisten darin viel. Man sieht leicht ein, um wie viel untauglicher die Haut und das Auge sein würden, uns die Vorstellung der Bewegung zu verschaffen, wenn der auf einen empfindlichen Punkt gemachte Eindruck längere Zeit fortdauerte, und daher die sukzessiv auf nebeneinander liegende Teile gemachten Eindrücke als gleichzeitige erschienen. Beim Auge ist das bei einer sehr schnellen Bewegung einer glühenden Kohle im Kreise im Finstern der Fall, und in der Tat, es wird dann auch die Bewegung der Kohle nicht wahrgenommen, sondern wir sehen einen ruhenden leuchtenden Kreis.
Die Empfindungen, die uns die Sinnorgane verschaffen, zeichnen sich ferner dadurch sehr aus, daß sehr schwache Einwirkungen auf dieselben, die nicht im mindesten verletzend sind, doch sehr deutlich empfunden werden, so daß wir viele Grade der Empfindungen ganz bestimmt unterscheiden und sogar abmessen, und unzählige qualitative Verschiedenheiten wahrnehmen können. Wie unzählige Verschiedenheiten in der Qualität und Stärke der Farbe, der Töne, der Geruch- und Geschmackempfindungen nehmen wir wahr! Hierdurch wird es unter anderen möglich, die kleinen Veränderungen in der Stärke der Empfindung zu unterscheiden, die dadurch entstehen, daß wir uns dem Gegenstande nähern oder uns von demselben entfernen, oder unser Sinnorgan ihm zuwenden oder von ihm abkehren.
Wir unterscheiden allerdings auch bei den Gemeingefühlen Grade, z. B. bei den Schmerzen, aber wie unvollkommen, wenn wir sie mit den zahlreichen Temperaturgraden oder den Graden des Drucks vergleichen, die wir durch den Tastsinn beobachten und gleichsam abmessen. Wenn ein warmer Körper keinen Schmerz erregt, können wir, wie unten bewiesen werden wird, einen Temperaturunterschied deutlich wahrnehmen, der nur 0,º3C oder 0,º2C beträgt; wenn aber die Temperatur des warmen Körpers Schmerz erregt, so ist an eine solche feine Unterscheidung der Grade nicht mehr zu denken. Wir können dann sogar sehr grobe Unterschiede nicht mehr bemerken. Man hat auch qualitativ verschiedene Schmerzen unterschieden und von brennenden, drückenden, bohrenden, schneidenden und vielen anderen Schmerzen gesprochen. Allein es ist noch sehr zu bezweifeln, ob es qualitativ verschiedene Schmerzen gibt, und ob nicht alle Verschiedenheiten derselben auf der verschiedenen Stärke, Ausdehnung und Dauer der Schmerzen beruhen. Die Zahnschmerzen, welche Kälte, Wärme und Druck bei entblößtem Zahnkeime verursachen, sind nicht qualitativ verschieden. Es ist derselbe Schmerz. Viel kommt bei den verschiedenen Arten des Schmerzes und überhaupt des Gemeingefühls darauf an, ob der Ort des Schmerzes eine kleine oder große Ausdehnung hat, ob die Empfindung abwechselnd an vielen unterscheidbaren Orten entsteht, sehr kurz dauert und sich schnell wiederholt, z. B. wie das prickeln heim Einschlafen der Glieder, oder ob er lange dauert und dabei allmälig zu- und abnimmt. So viel ist gewiß, daß die qualitativen Unterschiede der Schmerzen und anderer Gemeingefühlsempfindungen viel weniger zahlreich sind als die der Sinnesempfindungen.
Sehr wichtig ist es, daß die Eindrücke, welche die Sinnesempfindungen erwecken, nicht nur an sich sehr schwach sind, sondern daß auch an den Sinnorganen hin und wieder besondere Einrichtungen getroffen sind, welche verhindern, daß dieselben in der Stärke ein gewisses Maß überschreiten.
Die Heftigkeit vieler Empfindungen, die uns das Gemeingefühl verschafft, bewirkt, daß die Seele gehindert wird, so ruhig Reflexionen über dieselben zu machen, wie erforderlich ist, um die Empfindungen auf Objekte zu beziehen. Vielmehr wird die Aufmerksamkeit der Seele durch Schmerzen mit Gewalt auf ihren eignen leidenden Zustand und auf den ihres Körpers gerichtet, und dadurch bewirkt, daß die Empfindungen nicht die Tätigkeit des Erkenntnisvermögens, sondern des Begehrungsvermögens erwecken, so daß wir angetrieben werden, uns durch instinktartige oder absichtliche Bewegungen dem Schmerz zu entziehen.
Es gibt überhaupt viererlei Verhältnisse, unter welchen wir die Empfindungen nicht auf äußere Objekte beziehen können, und sie also zu den Gemeingefühlsempfindungen rechnen:
Damit sehr verschiedene in der Natur existierende Bewegungen spezifisch verschiedene Empfindungen verursachen können, und damit so zahlreiche Grade der Stärke der Empfindungen deutlich unterschieden und abgemessen werden können, müssen, wie aus dem Vorhergehenden erhellt, an den peripherischen Enden der Nerven besondere Organe, Sinnorgane, angebracht sein, die durch jene verschiedenartigen Bewegungen, den verschiedenen Graden der Stärke entsprechend, in Bewegung gesetzt werden, und mit den Nerven in einer solchen Verbindung stehen, daß sie durch die Bewegung, in die sie geraten, eine entsprechende Veränderung in letzteren verursachen. Viele Bewegungen in der Natur werden schon deswegen nicht empfunden, weil es an den peripherischen Enden der Nerven an geeigneten Sinnorganen fehlt. So sind wir fortwährend den magnetischen Einflüssen der Erde ausgesetzt, die tägliche Veränderungen erleiden. Die magnetischen Gewitter gehen aber an uns vorüber, ohne daß wir das Geringste davon merken. Eben so würden die elektrischen Gewitter an uns unbemerkt vorübergehen, wenn wir nicht einige Nebenerscheinungen der Elektrizität durch Auge und Ohr wahrnähmen. Ganz anders würde es sich verhalten, wenn an den peripherischen Enden mancher Nerven magnetisierbare Körper so angebracht wären, daß sie durch den Magnetismus der Erde in Bewegung gesetzt würden, und daß sie dadurch eine Veränderung in den Nerven hervorbringen könnten. Wir würden dann die Himmelsrichtungen durch ein Gefühl unterscheiden. Die an den peripherischen Enden der Sehnerven angebrachten Sinnorgane sind so eingerichtet, daß sie die Lichtschwingungen konzentrieren und ihnen die passende Richtung geben, und dadurch eine Veränderung in den peripherischen Enden des Sehnerven hervorbringen, welche die Empfindungen von Licht und Farbe erzeugt. Aber diese können nur durch die transversalen, nicht durch die longitudinalen Schwingungen des Lichtäthers gerührt werden, und sind nicht so eingerichtet, daß die in den Augapfel eindringenden Schallschwingungen eine solche Veränderung im Sehnerven hervorbringen können, daß dadurch eine Empfindung entstünde. Denn wenn ich eine tönende Stimmgabel mit dem Ende ihres Stiels an meinen Augapfel bringe, so muß sich die Schwingung durch den ganzen Augapfel fortpflanzen. Man fühlt zwar dann das Beben mit der Haut der Augenlider, aber die Nervenhaut des Auges und der Sehnerv werden dadurch nicht so affiziert, daß irgend eine Empfindung entsteht, weder eine Lichtempfindung, noch eine Schallempfindung, noch eine Tastempfindung, noch endlich ein Schmerz, und dasselbe scheint auch von anderen Sinnorganen zu gelten: jedes derselben ist nur geeignet, von einer gewissen Klasse von Bewegungen gerührt zu werden. Daß hierbei wirklich den an den Enden der Nerven angebrachten Sinnwerkzeugen an dem Erfolge ein wichtiger Anteil zuzuschreiben sei, sieht man daraus, daß die Tastnerven ohne die an ihnen angebrachten Sinnorgane uns nicht die Empfindung von Druck und Wärme und Kälte, und daß die Gehörnerven, ohne die an den Enden derselben angebrachten Sinnwerkzeuge uns nicht die Empfindung des Schalls verschaffen können. Daran, daß wir Geschmacks- und Geruchempfindungen haben könnten, wenn der Stamm des Geschmacknerven oder des Geruchnerven mit Geschmackstoffen und Geruchstoffen unmittelbar in Berührung käme, wird wohl Niemand denken, und eben so wenig hat man das Recht zu vermuten, daß konzentriertes Licht, wenn es auf die frische Schnittfläche des Sehnerven eines lebenden Tiers fiele, Lichtempfindung erzeugen würde. Man hat keine Gelegenheit bei lebenden Menschen solche Versuche anzustellen. Bei den Tastnerven dagegen hat man diese Gelegenheit. Man kann die Wärme und Kälte so tief in den Körper eindringen lassen, daß sie bis zu den oberflächlich unter der Haut liegenden Stämmen der Tastnerven kommen. Man kann ferner Versuche an Teilen der Haut machen, wo die Tastorgane durch eine heftige und zugleich ausgedehnte Verbrennung zerstört worden waren. Meine weiter unten ausführlich mitzuteilenden Versuche hierüber beweisen, daß man in beiden Fällen die eigentümliche Empfindung von Wärme und Kälte nicht hat, wenn Wärme und Kälte die Stämmchen der Tastnerven unmittelbar affizieren. Wenn ich nämlich die Spitze des Ellbogens in eiskaltes Wasser, z. B. in einen Brei aus Schnee und Wasser tauche, so empfinde ich mittelst der Nervenfäden, die sich in dem eingetauchten Teile der Haut endigen, Kälte. Ungefähr nach 16 Sekunden dringt aber die Kälte bis zu dem mehr unter der Haut liegenden Nervus ulnaris, der dichtgedrängte Tastnerven in großer Zahl enthält, und affiziert denselben unmittelbar, ohne daß die an den Enden der Tastnerven angebrachten Einrichtungen die Einwirkung vermitteln. Man sollte vermuten, daß von dem Augenblicke an, wo die Kälte die Fäden des Nervus ulnaris erreicht, die Empfindung davon lebhafter werden würde, weil nun viel mehr Nervenfäden von ihr gleichzeitig affiziert werden als zuvor. Das ist aber nicht der Fall, sondern von dem Augenblicke an, wo der Nervenstamm unmittelbar von der Kälte affiziert wird, empfinden wir einen Schmerz, der mit der Empfindung der Kälte keine Ähnlichkeit hat und nicht auf den affizierten Teil beschränkt ist, sondern auch einen Teil des Unterarms und der Hand einzunehmen scheint. Wenn er längere Zeit gedauert hat, so schlafen diejenigen Finger und derjenige Teil der Hand, zu welcher sich der Nervus ulnaris verbreitet, ein. Es schien mir wünschenswert, den Versuch auch mit schwachen Graden der Kälte, die keinen Schmerz verursachen, anzustellen, und auf eine solche Weise, daß die mit dem Tastsinn versehene Haut nicht zugleich affiziert würde. Dieses kann man durch kalte Klystiere erreichen. Denn der Mastdarm und die Flexura iliaca, wenn sie mit kaltem Wasser erfüllt und ausgedehnt werden, liegen den großen vorderen Ästen der Kreuznerven, und das Colon sinistrum liegt manchen Hautästen der Lendennerven so nahe, daß diese Nerven eine beträchtliche Temperaturveränderung erleiden müssen.
Dieser Versuch wurde bei zwei guten Beobachtern und an mir selbst angestellt. Der eine von ihnen hatte ungefähr 21 Unzen oder 360 Gramme Wasser, von einer Temperatur von + 15º R (18,2 C), durch ein Klystier erhalten, das Wasser erregte am After, als es eindrang und als es später wieder abging, ein starkes Gefühl von Kälte. Im Inneren des Bauchs aber, oder in der Beckenhöhle, hatte der Beobachter kein Gefühl von Kälte, sogar dann nicht, als ihm bei einem zweiten Versuche Wasser von + 6º R (7º,5 C) beigebracht wurde. Dasselbe beobachtete an sich der zweite Beobachter, als ihm Wasser, welches die Stubentemperatur hatte, beigebracht wurde. Ich selbst fühlte, als ich durch ein Klystier ungefähr 14 Unzen (420 Gramme) Wasser, von der Temperatur von + 15º R (18,2 C), aufnahm, und ebenso als dasselbe wieder abging, eine starke Kälte am After, und glaubte, als sich die Gedärme damit füllten, im Bauche einige Bewegung zu fühlen und eine sehr schwache fast unmerkliche Empfindung von Kälte zu haben, die allmälig nach der Mitte des Bauchs fortzuschreiten schien. Als ich aber bei einem zweiten Versuche dieselbe Menge noch kälteres Wasser von + 6º R (7º,5 C) aufnahm, hatte ich kein deutliches Gefühl von Kälte, wohl aber glaubte ich ein schwaches Gefühl zu haben, das ich so deutete, als ob es von dem Einströmen des Wassers in die Gedärme entstanden sein könne. Nachdem einige Zeit vergangen war, glaubte ich eine schwache Kälte wahrzunehmen und zwar mehr in der Gegend der vorderen Bauchwand als in der des Rückens. Da diese Spur der Kälte von dem an der Bauchwand anliegenden Colon bis zur äußeren Haut gedrungen sein, und daselbst mittelst der Tastorgane der Haut einen Eindruck auf die Enden der Tastnerven gemacht haben konnte, so wurde, um eine solche Vermutung zu bestätigen oder zu widerlegen, ein Thermometer auf den Teil der Bauchwand gelegt, welcher inwendig mit dem Colon sinistrum in Berührung ist, und hierauf mit Kleidungsstücken bedeckt. Es stieg in längerer Zeit nur bis auf + 27º R (33º C), während es an demselben Orte am folgenden Tage bis auf + 28º R (35º C) stieg. Es schien also in der Tat so, als ob die Haut an jenem Teile der Bauchwand um 1 ºR abgekühlt worden.
So viel ist gewiß, daß, wenn die erwähnten großen Nervenstämme, die so unzählige Tastnerven einschließen, fähig wären, ohne Beihilfe von Tastorganen den Eindruck der Kälte aufzunehmen und uns die Empfindung der Kälte zu verschaffen, eine starke Kälte hatte empfunden werden müssen. Es bestätigen daher die mitgeteilten Versuche den Satz, daß die Kälte, wenn sie unmittelbar auf die Nervenstamme einwirkt, nicht die Empfindung der Kälte hervorbringt. Wenn ich gleichzeitig die Haut und den Nervus ulnaris am Condylus internus ossis brachii bei mir selbst gleichmäßig drücke, so empfinde ich mittelst der in der Haut am Ellenbogen eindringenden Tastnerven Druck, aber mittelst des Stammes des Nervus ulnaris empfinde ich entweder gar nichts, oder, wenn der Druck einen gewissen Grad erreicht, Schmerz, der nicht die mindeste Ähnlichkeit mit der Empfindung des Drucks hat, sondern wie Zahnschmerz ein eigentümlicher Nervenschmerz ist, der sich an der Volarseite der Ulna herab bis zur Hand und sogar bis zu dem kleinen Finger zu erstrecken scheint. Also auch die Empfindung des Drucks und die Unterscheidung der so verschiedenen Grade desselben scheint nur möglich zu sein, wenn der Druck zunächst auf die Tastorgane und durch sie auf die Enden der Tastnerven wirkt, nicht aber, wenn die Tastnerven unmittelbar gedrückt werden. Wie oft müßten wir, wenn es sich anders verhielte, eine lebhafte Empfindung von Druck haben, da der Fall, daß ein Nervenstamm zufälligerweise in mäßigem Grade gedrückt wird, nicht selten vorkommt. Wenn ein starker Druck nicht plötzlich anfängt, so fühlen wir nicht einmal Schmerz, sondern das Glied schläft ein.
Ich werde weiter unten ausführlich die Experimente anführen, welche ich bei Patienten angestellt habe, deren Haut in beträchtlichen Strecken durch eine sehr heftige Verbrennung und durch die darauf folgende Eiterung zerstört worden war, und sich zum Teil wieder gebildet hatte. Sie führten zu dem Resultate, daß die Patienten mit den Teilen der Haut, deren Tastorgane zerstört und nicht vollkommen reproduziert worden waren, Wärme und Kälte nicht unterscheiden konnten. Daß große Narben der Haut, die nicht die Textur und die Farbe der Haut wieder bekommen haben, unfähig zum Tasten sind, dennoch aber unter Umständen leicht schmerzen, unter welchen in der gesunden Haut keine Schmerzen entstehen, ist eine bekannte Tatsache, die sich auch bei einigen von den erwähnten Patienten bestätigte. Einer von ihnen klagte über Schmerzen in der Narbe, die bisweilen durch den Witterungswechsel entstanden. Diese Erfahrungen erklären sich dadurch, daß zum Fühlen der Wärme und Kälte erfordert wird, daß die Ausdehnung und Zusammenziehung, welche Wärme und Kälte hervorbringen, zunächst auf die in der Lederhaut liegenden, uns freilich noch nicht bekannten, mikroskopischen Tastorgane und durch sie auf die Enden der Tastnerven wirken. Treffen Wärme und Kälte die Nerven unmittelbar, so entsteht entweder gar keine Empfindung oder Schmerz. Bei dem Geruchsorgane kann schon eine kleine Veränderung, die das Flimmerepithelium der Schleimhaut erleidet, auf kurze Zeit den Verlust der Fähigkeit zum Riechen herbeiführen.
Ich habe durch Experimente bewiesen, daß man einem Menschen, der so auf dem Rücken liegt, daß die Nasenlöcher aufwärts gerichtet sind, Wasser durch ein Nasenloch in die Nase gießen und auf diese Weise beide Nasenhöhlen damit erfüllen kann, ohne daß das Wasser in den Schlund herabfließt. Unter diesen Umständen scheint sich nach Dzondi der arcus pharyngo - palatinus mittelst der in ihm liegenden Muskelfasern zusammenzuziehen, und den Ausgang aus dem obersten, hinter den Choanis narium gelegenen, Teile des Schundes in den mittleren Teil desselben zu verschließen. Das Wasser tritt daher, nachdem es den obersten Teil des Schundes angefüllt hat, in die Choana narium der anderen Nasenhöhle hinauf, bis endlich beide Nasenhöhlen voll sind und das Wasser an beiden Nasenlöchern überläuft. Das Wasser mag nun die Temperatur des Bluts haben oder nicht, so hat der erwähnte Versuch jedesmal den Erfolg, die Fähigkeit zu riechen, nach Entfernung des Wassers, auf kurze Zeit, z. B. auf ½ Minute und länger zu vernichten, so daß man weder Kölnisches Wasser, noch reine Essigsäure, noch Ammoniak riecht. Ich erkläre mir diesen merkwürdigen Erfolg so: die mit Cilien besetzten Epitheliumzellen leisten unstreitig beim Riechen wichtige Dienste. Die Zellen des Zylinderepithelium besitzen nämlich nach meinen Versuchen eine ungemeine Kraft, Wasser einzusaugen und verlieren dieselbe auf einige Zeit, wenn sie mit reinem Wasser in Berührung gekommen sind und sich damit erfüllt haben. Hierdurch werden sie unstreitig auf einige Zeit ungeeignet, diejenige Einsaugung zu bewirken, welche nötig ist, damit die Riechstoffe auf die Nerven wirken können.
Es fehlt noch an genauen Beobachtungen darüber, ob nach dem Auslaufen des Glaskörpers aus dem Augapfel und nach dem Auslaufen des Wassers des knöchernen Labyrinths (wenn der Steigbügel aus der Fenestra ovalis herausgerissen wird) augenblicklich das Vermögen, Licht und Schall zu empfinden, verloren geht, man weiß nur, daß beide Verletzungen Blindheit und Taubheit herbeiführen. Bei der erwähnten Eröffnung der Fenestra ovalis wird aber der Gehörnerv selbst gar nicht verletzt. Da nun der Schall bekanntlich auf einem doppelten Wege zu dem Gehörnerven gelangen kann, durch die Luft des Gehörgangs und durch die Kopfknochen, so muß man schließen, daß die Taubheit in jenem Falle dadurch entsteht, daß durch das Ausfließen des Labyrinthwassers eine von den wesentlichen Einrichtungen vernichtet wird, welche die Übertragung des Schalleindrucks auf den Gehörnerven möglich machen. Das Trommelfell kann zerstört und sogar der Hammer kann aus seiner Lage gerissen werden, ohne daß Taubheit eintritt, denn diese Hilfswerkzeuge vervollkommnen nur das Gehör. Man hört dann noch immer durch die Kopfknochen. Wenn man singt oder spricht und zugleich seine Hand auf den Scheitel legt, so fühlt man den Scheitel durch die Schallschwingungen erbeben. Der Schall dringt daher auf vielen Wegen durch die Knochen bis zu dem Gehörnerven und erschüttert ihn, aber diese Schwingungen bewirken ohne die Vermittelung der wesentlichen Hilfswerkzeuge keine Empfindung von Schall.
Die Eindrücke, welche die Nerven, unterstützt durch gewisse Hilfswerkzeuge, oder ohne solche Hilfswerkzeuge empfangen, scheinen durch die Nervenfäden nach dem Zentrum des animalen Nervensystems hin fortgepflanzt werden zu müssen, damit sie zum Bewußtsein gelangen. Hiermit soll nicht gesagt sein, daß nur das Gehirn der Sitz der Seele sei, und daß die in den Sinnesnerven entstehenden Veränderungen keinen Einfluß auf das Bewußtsein äußerten, sondern nur, daß die Eindrücke ohne eine Fortpflanzung zum Gehirne nicht zum Bewußtsein kommen. Es versteht sich von selbst, daß wir uns unter dieser Fortpflanzung nicht eine Bewegung, wie die des Drucks, der Wärme, des Lichts, des Schalls und der Gerüche zu denken haben. Eine solche Annahme lassen die physikalischen Eigenschaften der Nerven nicht zu. Vielmehr müssen wir annehmen, daß in den Nerven eine Bewegung von eigentümlicher Art durch sehr verschiedene Einflüsse angeregt werden könne, die sehr vieler Modifikationen fähig ist und die wir im Bewußtsein als Wärmeempfindungen, Druckempfindungen, Lichtempfindungen, Schallempfindungen u. s. w. auffassen. Es ist wahrscheinlich, daß die Eindrücke der Wärme, der Kälte und des Druckes durch dieselben Fäden der Tastnerven zum Gehirne fortgepflanzt werden, dennoch sind die Empfindungen, die diese Eindrücke erregen, sehr verschieden. Auf gleiche Weise können auch die Empfindungen des Lichts, des Schalls und der Gerüche durch dieselbe Klasse von Bewegungen hervorgerufen werden, denn es reicht vielleicht schon aus, daß die Bewegungen sich schneller oder langsamer wiederholen, damit dadurch Empfindungen von sehr verschiedener Art erregt werden.
Den spezifisch verschiedenen Sinnesnerven ist hierbei nicht ein spezifisch verschiedenes Leitungsvermögen zuzuschreiben. Man hat keinen genügenden Grund anzunehmen, daß die Nerven eines besonderen Sinnes ein eigentümliches Leitungsvermögen besäßen, vielmehr darf man wohl vermuten, daß der Vorgang, wodurch diese Leitung vollbracht wird, nicht nur in allen Empfindungsnerven, sondern auch in den animalischen Bewegungsnerven, im Wesentlichen derselbe sei. Denn die Fäden der Bewegungsnerven und Tastnerven lassen sich durch das Mikroskop nicht unterscheiden, die Substanz der verschiedenen Nerven bietet, abgesehen von den Häuten, in welchen sie eingeschlossen ist, auch keine wesentlichen Unterschiede dar, das würde aber der Fall sein, wenn die Leitung der Eindrücke in verschiedenen Nerven auf eine andere Weise erfolgte. Ferner regen dieselben Einwirkungen (mechanische Verletzungen durch Stöße und Stiche, chemische Verletzungen durch Hitze oder ätzende Körper und der elektrische Stoß), welche in den Tastnerven eine Tätigkeit anregen, auch in den Bewegungsnerven, wenn sie Stämme derselben treffen, eine Tätigkeit an. Daß diese Tätigkeit hier Bewegung der Muskeln und dort Schmerz zur Folge hat, liegt vielleicht nur darin, daß die peripherischen Enden der Tastnerven nicht mit den Muskeln, und daß die zentralen Enden der Muskelnerven nicht mit Teilen des Gehirns in Verbindung stehen, in welchen eine Übertragung der in den Nerven angeregten Tätigkeit auf das Bewußtsein möglich ist. Dieselben Einflüsse, welche das Leitungsvermögen der Bewegungsnerven unterbrechen, unterbrechen es auch bei den Tastnerven, also z. B. die Durchschneidung der Nerven, ein starker Druck auf dieselben oder eine beträchtliche Dehnung, endlich, wie ich durch die sogleich mitzuteilenden Experimente zeigen werde, bei den warmblütigen Tieren die einen gewissen Grad erreichende Erwärmung und Erkältung der Nerven. Ist nun schon kein hinreichender Grund da, bei den Bewegungsnerven und Tastnerven ein Leitungsvermögen anzunehmen, das auf einem verschiedenen Vorgange in den Nerven beruhte, so ist noch weit weniger glaublich, daß es bei den verschiedenen Empfindungsnerven verschieden sein sollte; denn daß manche Empfindungsnerven dünne Fäden mit dünnen Hüllen haben, andere dickere Fäden mit dickeren Hüllen, kann uns nicht zu einer solchen Annahme berechtigen. Daß der Geruchnerv, der Sehnerv und der Gehörnerv, wenn sie mechanisch verletzt werden, nach Magendie's Versuchen, keinen Schmerz zu erregen scheinen, daß dagegen ein Stoß auf's Auge die Empfindung von Feuer, und der Druck auf dasselbe, nach Purkinje, die Empfindung von wechselnden Licht- und Farbenfiguren hervorruft, dürfte wohl aus der Beschaffenheit des Hirnteils, in welchem sich diese Nerven endigen, und nicht aus einem verschiedenen Leitungsvermögen zu erklären sein.
Das Leitungsvermögen der Nerven wird, wenn die selben gedrückt oder bis zu einem gewissen Grade erwärmt oder erkältet werden, geschwächt - und sogar aufgehoben. Es ist bekannt, daß die Durchschneidung eines Nervenstammes uns erstens der Fähigkeit beraubt, diejenigen Muskeln durch unseren Willen zu bewegen, die ihre Nerven nur von dem peripherischen Stücke des durchschnittenen Nerven bekommen, und die folglich nun nicht mehr durch Nervenfaden mit dem Gehirne in Verbindung stehen, und daß dieselbe auch zweitens verhindert, daß ein Eindruck auf die Teile, die nur von dem peripherischen Stücke des durchschnittenen Nerven ihre Nervenfäden bekommen, eine Empfindung errege. Dasselbe ist auch der Fall, wenn ein Nerv durch einen umgelegten Faden so zusammengeschnürt wird, daß man in ihm dadurch eine dauernde Veränderung, z. B. eine Zerquetschung, hervorbringt. GalenGalen, De administratione anat. lib. VIII. cap. 8. ed. Kühn. Tom. II p. 669, ed. Charter. Tom. IV. p. 174, ed. Basil. Tom. I. p. 187 erzählt, daß es ihm gelungen sei, bei Schweinen einen lockeren dicken Faden, oder einen wollenen Faden so um die Nerven zu legen, mit einer Schleife zu versehen, und dann die Nerven so mäßig zusammenzuschnüren, daß das Tier zwar plötzlich seiner Stimme beraubt wurde, aber zum Erstaunen der Zuschauer auch die Stimme sogleich wieder bekam, als die Schleife wieder gelöst wurde. Wenn aber die Nerven mit einem umgelegten leinenen Strange zu fest geschnürt wurden, so wurden sie zerquetscht, wenn der Strang steif war, und zerschnitten, wenn er zu dünn war. Dem ValsalvaValsalva de aure humana. c. 5, § 8. Siehe Tissots Schriften. III. §.183. und Morgagni wollte es bei Hunden nicht gelingen, die Zusammenschnürung so einzurichten, daß die Verrichtungen des peripherischen Stücks des nervus vagus durch den Druck unterbrochen, und nach der Entfernung des Fadens sogleich wieder hergestellt wurden. FontanaFelix Fontana's Beobachtungen und Versuche über die Natur der tierischen Körper, übers. v. Hebenstreit, Leipzig 1785, S. 138. bemerkt, daß, um eine künstliche Lähmung eines Muskels hervorzubringen, der Nerv mit großer Kraft zusammengedrückt werden müsse, so daß kaum die ganze Kraft seines Daumens und Zeigefingers ausgereicht haben, um einen hinlänglichen Druck hervorzubringen, obgleich die Nerven bloß lagen und die Versuche an sehr kleinen Tieren, z. B. an Fröschen, angestellt wurden. Waren die Nerven von weichen Teilen bedeckt, z. B. die Zwerchfellnerven einer jungen Katze vom Mittelfelle, so mußte die drückende Kraft um außerordentlich viel vermehrt werden. Man muß sich, sagt Fontana, hei allen diesen Versuchen wohl in Acht nehmen, die Nerven nicht zwischen den Fingern oder andern zum Druck gebrauchten Körpern zu zermalmen, weil sie in diesem Falle durch Zerstörung ihres Gewebes mit einem Male die Fähigkeit verlieren, den Muskel in Bewegung zu setzen, dieselbe aber auch nachher nicht wieder bekommen. Fontana hat hieraus geschlossen, daß der Fall, wo im lebenden Körper die Funktion des peripherischen Stücks eines Nerven durch einen auf seinen Stamm ausgeübten Druck aufgehoben würde, wohl nicht leicht vorkommen möchte. Indessen hat Joh. MüllerJoh. Müller. Handbuch der Physiologe. B. I. S. 590, 4. Aufl. 1843. E. H. Weber. (Über den Einfluß der Erwärmung und Erkältung der Nerven auf ihr Leitungsvermögen, siehe Berichte über die Verhandlungen der Königl. Sächs. Gesellschaft d. Wissenschaften, Leipzig 1847, S. 175 durch Experimente gezeigt, daß man durch einen längere Zeit fortdauernden Druck, den man auf den Stamm eines Arm- oder Schenkelnerven wirken läßt, die Empfindung von Prickeln, von Nadelstichen und überhaupt vom Einschlafen in demjenigen Teile des Gliedes bewirken könne, zu welchem das peripherische Stück des gedrückten Nervenstammes Nervenfäden schickt, und ich selbst habe über die vollkommnere oder unvollkommnere Unterbrechung der Leitung der Nerven durch Druck und durch Kälte und Wärme eine Reihe von Experimenten gemacht. Wenn ich den nervus ulnaris am condylus internus ossis brachii bei mir selbst gleichmäßig drückte, so empfand ich mittelst der an der Haut des Ellenbogens endigenden Tastnerven den Druck an der richtigen Stelle, an der er statt findet. Hierauf entstand aber außerdem ein eigentümlicher Schmerz, der nicht auf den Ort beschränkt war, wo gedrückt wurde, und der nichts mit dem Gefühle des Drucks gemein hatte, sondern wie Zahnschmerz ein eigentümlicher Nervenschmerz war. Er erstreckte sich an der Volarseite der Ulna herab bis in das Handgelenk, und sogar bis an den Metacarpusknochen des fünften Fingers und weiter. Durch einen geringen aber langdauernden Druck auf gewisse Teile des Arms konnte ich, ohne daß ein merklicher Schmerz an dem gedrückten Teile entstand, das Einschlafen derjenigen Teile der Haut bewirken, zu welchen sich die gedrückten Nerven begeben, so daß in dem einen Falle die Teile, welche vom Nervus ulnaris in einem andern die, welche vom Nervus medianus ihre Nerven bekommen, vom Zustande des Eingeschlafenseins ergriffen wurden, wobei sich sogar die Größe des Gebiets jedes dieser Nerven wahrnehmen ließ; der Zustand des Eingeschlafenseins nahm sogleich dem Grade nach ab, wenn der Druck auf den Nervenstamm aufhörte, und verschwand in kurzer Zeit ganz. Wer die Stellung der Glieder noch nicht kennt, wodurch man das Einschlafen des Nervus ulnaris oder medianus, oder beider zugleich herbeiführen kann, der braucht nur die Gelegenheit zu benutzen, seine Glieder, wenn sie ihm zufälliger Weise einschlafen, zu beobachten, um das Vorgetragene bestätigen zu können. Der Zustand des Einschlafens der Glieder hat übrigens verschiedene Grade. Im höchsten Grade ist man weder fähig die Muskeln zu bewegen, die von den eingeschlafenen Nerven allein mit Zweigen versehen werden, noch Wärme, Kälte und Druck zu empfinden. Bei diesem höchsten Grade kann die Unempfindlichkeit so weit gehen, daß man seinen eigenen Arm, indem man ihn im Finstern mit der anderen Hand anfaßt, für ein fremdes Glied hält, was z. B. mein Bruder, Eduard Weber, einmal an sich selbst beobachtet hat. Ehe es aber zu diesem Grade kommt, beobachtet man Zustände eines unvollkommenen Eingeschlafenseins der Glieder. Hierbei verursacht die Berührung der eingeschlafenen Finger oder der Hohlhand eine Empfindung, welche von der Tastempfindung sehr verschieden ist. Die Empfindung ist nämlich nicht auf die berührte Stelle beschränkt, sondern breitet sich über eine größere Strecke des eingeschlafenen Teiles aus. Sie verschwindet auch nicht im Momente, wo die Berührung aufhört, sondern dauert auch nachher längere Zeit fort und wechselt dabei ihren Ort, indem sie andere und andere Teilchen der Haut abwechselnd ergreift, die wie von innen her mit unzähligen Nadelspitzen leise berührt zu werden scheinen, und dadurch die Empfindung von einer bebenden Bewegung in den Teilchen der Haut des eingeschlafenen Glieds hervorrufen. Dadurch, daß man an unvollkommen eingeschlafenen Gliedern zu gleicher Zeit in vielen Punkten der Haut Empfindungen zu haben glaubt, geschieht es, daß man den Umfang und die Grenzen der Glieder deutlicher zu fühlen glaubt, während sie nicht berührt werden, als es an nicht eingeschlafenen Gliedern der Fall ist. Bisweilen entsteht auch ein subjektives Gefühl von Wärme in der eingeschlafenen Hand, niemals aber, so viel ich weiß, das der Kälte. Wie ist es aber zu erklären, daß in diesem Zustande das Gemeingefühl der Haut uns so zahlreiche Empfindungen verschafft, während der Tastsinn abgestumpft und zum Teil unterdrückt ist, und woher kommt es, daß eine Berührung des eingeschlafenen Fingers, die nur einen Augenblick dauert, längere Zeit hindurch durch eine Art Nachwirkung Empfindungen hervorrufen kann, die ihren Ort wiederholt zu wechseln scheinen? Ich nehme an, daß im Zustande des unvollkommnen Eingeschlafenseins durch den Druck nicht alle Fäden der Tastnerven, die im nervus ulnaris oder medianus eingeschlossen sind, unfähig zur Fortpflanzung der Eindrücke werden, daß es aber dann, wenn nur manche Fäden dazu geeignet, viele benachbarte dagegen dazu ungeeignet sind, nicht zu einer Tastempfindung kommen könne. Hiermit verbinde ich die Vermutung, daß die in den Nerven durch Berührung entstehende Bewegung dazu beitragen kann, daß manche gedrückt gewesenen Fäden für die Fortpflanzung sich wieder öffnen, und daß diese Eröffnung selbst mit einer Empfindung verbunden sei, die wir das Ameisenlaufen oder Prickeln nennen. Diese Bemerkungen sind auch in medizinisch-praktischer Hinsicht von Interesse, da bei der Entstehung der halbseitigen Lähmung, Hemiplegie, durch einen Druck auf die Nerven in der Nähe ihrer Endigung im Gehirne ähnliche Erscheinungen beobachtet werden, wie bei dem Einschlafen der Glieder, nämlich Abstumpfung des Tastsinns, mit einer gewissen Erregung mancher Äußerungen des Gemeingefühls.
An diese Erfahrungen über den Einfluß des Drucks auf das Leitungsvermögen der Nerven, schließen sich die von mir schon oben erwähnten Erfahrungen an, daß die Einwirkung der Kälte auf den nervus ulnaris, die dadurch herbeigeführt wird, daß wir den Ellenbogen längere Zeit in einen Brei, aus zerstoßenem Eise und Wasser, eintauchen, ähnliche Wirkungen hervorbringt, als der Druck. Beim Eintauchen empfindet man zuerst, mittelst der in der Haut des Ellenbogens endigenden Nerven (Ästen des cutaneus internus minor), die Berührung des kalten Körpers. Ungefähr nach 16 Sekunden fängt der Nervenstamm des nervus ulnaris, der hier nicht von Muskeln bedeckt ist, sondern unmittelbar unter der Haut und fascia liegt, an, von der Kälte angegriffen zu werden. Es entsteht ein eigentümlicher Schmerz, der die Volarseite des Unterarms nach der Ulna zu, des Handgelenks, den Ballen des kleinen Fingers und den kleinen Finger selbst, einnimmt. Dieser Schmerz ist von der Empfindung von Kälte ganz verschieden und hat mit ihr keine Ähnlichkeit. Wüßte man nicht, daß man den Arm in kaltes Wasser eintauche, und fühlte man nicht die Kälte in der Haut des Ellenbogens, so würde man nicht erraten, daß die Kälte die Ursache jenes Schmerzes sei. Bei fortdauernder Kälte nimmt dieser Schmerz bis zu einem gewissen Zeitpunkte beträchtlich zu, und es gehört einige Willenskraft dazu ihn zu ertragen. Man glaubt zu fühlen, man könne den fünften Finger nicht so frei wie sonst bewegen, obgleich man es wirklich noch vermag, der Finger scheint eingeschlafen zu sein. Endlich aber vermindert sich der Schmerz wieder, ungeachtet die auf den Ellenbogen wirkende Kälte dieselbe bleibt. Die höhere Temperatur eines Metallstücks und die niedere eines Eisstücks konnte am fünften Finger nur schwach und langsam empfunden werden. Auch auf den vierten Finger und sogar auf den dritten schien die Kälte, dem Gefühle nach zu urteilen, eine Einwirkung gehabt zu haben. Am Daumen dagegen schien das Empfindungsvermögen ganz ungeschwächt zu sein. Als ungefähr 12 Minuten, seit der Einwirkung der Kälte, vergangen waren, traten im fünften und vierten Finger Zuckungen ein, und auch in Muskeln des Unterarms und der Hand wurden sie bemerkt.
Ich brauche wohl nicht besonders zu bemerken, daß das sehr geringe Wärmeleitungsvermögen der Substanz des Arms die Annahme nicht gestattet, daß hierbei eine wirkliche Fortleitung der Kälte vom Ellenbogen zur Hand stattfinde. Vielmehr hängen die hier wahrgenommenen Erscheinungen lediglich davon ab, daß der Nervenstamm des Nervus ulnaris am Ellenbogen erkältet wird, und daß wir die Schmerzen, die dadurch entstehen, so deuten, als ob sie in den Enden derjenigen Nervenfäden ihren Sitz hätten, die doch viel höher oben, da wo sie am Ellenbogen vorbeigehen, erkältet werden.
Ich habe durch eine andere Reihe von Versuchen bewiesen, daß die Tastnerven der Finger, der Zunge, der Lippen und anderer Teile, wenn sie 1 oder 2 Minuten lang in warmes Wasser getaucht werden, das eine Temperatur von 41º R (51,2 C) oder (52º,5 C) hat, die Fähigkeit auf einige Zeit verlieren, uns Empfindungen von Wärme und Kälte zu verschaffen. Auch die Fähigkeit zu tasten und den Druck zu empfinden stumpft sich dadurch ab, verschwindet aber, wenn die Einwirkung nur so kurze Zeit fortgesetzt wird, nicht gänzlich. Es entsteht während des Eintauchens ein Schmerz, der indessen nicht so heftig ist, daß man ihn nicht ertragen könnte. Hierauf nimmt der Schmerz ab und die Finger geraten in einen Zustand, den ich mit dem Eingeschlafensein vergleichen muß. Dieselbe Erfahrung macht man, wenn man die Finger in einen aus verstoßenem Eise und Wasser gemachten Brei 1 Minute lang oder noch länger eintaucht, mit dem Unterschiede, daß hierbei der Schmerz nicht so bald seinen Höhepunkt erreicht, sondern sich 2 Minuten hindurch fortwährend vermehrt.
Aber nicht nur die Tastnerven, sondern auch die Geschmacknerven verlieren durch Erkältung und Erwärmung auf einige Zeit die Fähigkeit, uns Empfindungen zu verschaffen. Wenn man die Zungenspitze in ein mit warmem Wasser gefülltes Gefäß, das eine Temperatur von 41º bis 42º R (51º,2-52º,5 C), eintaucht und eine halbe Minute oder eine Minute darin erhält, und sie dann sogleich mit Sirup oder Zuckerpulver in Berührung bringt, so schmeckt man nichts und bemerkt zugleich, daß auch der Tastsinn der Zunge, der durch seine Feinheit sonst alle anderen Teile übertrifft, so unvollkommen geworden ist, daß sich die Zungenspitze in einem Zustande des Eingeschlafenseins befindet. Erst nach 6 Sekunden und sogar später erhält sie die Fähigkeit zu empfinden wieder. Die nämliche Erfahrung macht man nun auch, wenn man die Zunge ½ Minute oder 1 Minute oder länger in einen aus zerstoßenem Eise und Wasser gemachten Brei taucht. Hierbei tritt ein Schmerz ein, der mit dem, den das heiße Wasser erregte, große Ähnlichkeit hat. Diese Versuche habe ich bei mehreren Menschen gemacht und der Erfolg ist immer derselbe gewesen.
Von der besonderen Einrichtung der Teile des Gehirns, in welche die verschiedenen Sinnesnerven übergehen, scheint die spezifische Verschiedenheit der Empfindungen auch mit abzuhängen. Was in den Nerven, im Gehirne und in unserer Seele vorgehe, indem die in unseren Nervenfäden angeregten Bewegungen eine Veränderung in unserem Bewußtsein hervorbringen, und dadurch Empfindung hervorrufen, wird wohl immer ein Rätsel bleiben. Wer Materialist ist, wird entweder anzunehmen geneigt sein, daß unsere Seele kein selbstständig existierendes Wesen sei, sondern, daß die Tätigkeiten, die wir der Seele zuschreiben, ganz und gar aus den Bewegungen des Mechanismus unseres Körpers resultieren, oder daß die Seele selbst ein Bewegliches sei, das durch die, mittelst der Nerven entstandenen, Bewegungen selbst in Bewegung gesetzt werde. Mich spricht der Gedanke mehr an, daß die Seele eine von den noch gänzlich unbekannten Ursachen der Kräfte sei. Die Gesetze der Wechselwirkung der Körper müssen selbst eine Ursache haben. Da es nun eine Tatsache ist, daß wir durch unseren Willen Bewegung in unserem Körper hervorbringen, und da wir uns bewußt sind, daß wir Bewegung anfangen können, so sind wir veranlaßt anzunehmen, daß unsere Seele durch ihren Willen eine Wechselwirkung der Moleculen ihres Körpers, und namentlich der Nervensubstanz im Gehirne hervorbringen könne, die sich vielleicht durch Anziehung oder Abstoßung äußert. Bedenkt man nun, daß die Seele vieles tut ohne sich dessen im Einzelnen bewußt zu sein, zumal wenn sie es tut ohne sich selbst dazu zu bestimmen, sondern weil sie von Natur dazu genötigt ist; so kann man sich vorstellen, daß die Seele, ohne es zu wissen, fortwährend auf die Moleculen ihres Seelenorgans bewegende Kräfte ausübe, und den Gleichgewichtszustand derselben erhalten helfe, indem sie z. B. nach bestimmten Naturgesetzen die wechselseitige Anziehung und Abstoßung der Moleculen verstärkt oder vermindert. So oft nun die Moleculen des Seelenorgans durch die fortgepflanzten Bewegungen in den Nerven aus ihrer Lage gerückt würden, würde sich auch nach vorausbestimmten Regeln die Tätigkeit der Seele ändern. Das unklare Bewußtsein dieser sich schnell wiederholenden Änderungen der eignen Tätigkeit der Seele ist es vielleicht, was wir Empfindung nennen. Es gehen indessen diese Betrachtungen über die Grenzen der Erfahrung hinaus, so daß es unmöglich ist, sie durch Beobachtungen und Versuche zu prüfen, daher ich bei ihnen weiter nicht verweilen und auf sie auch nichts bauen will.
Von dem Baue der verschiedenen Hirnteile, zu welchen sich die verschiedenen Sinnesnerven begeben, hängt es unstreitig mit ab, daß die durch die Sinneseindrücke veranlaßten Bewegungen entweder auf eine besondere Weise oder gar nicht von unserer Seele aufgefaßt werden. Ein Stoß auf's Auge bringt eine Lichtempfindung hervor, und ein Druck auf's Auge bewirkt, nach Purkinje's Untersuchungen, daß wir Licht- und Farbenfiguren zu sehen glauben, die sich allmählig verändern und umgestalten. Auch der elektrische Stoß wird, wenn er das Auge trifft, als Licht empfunden, wenn sich auch durch denselben kein für Andere aus der Entfernung sichtbares Licht entwickelt, dagegen verursacht der gleichförmige elektrische oder galvanische Strom weder Lichtempfindung noch irgend eine andere Empfindung. Wenn ich einen kalten metallenen Körper, z. B. das Ende eines großen schweren Schlüssels, der eine Temperatur von 0º R oder sogar von - 4º R hatte, so lange an den Augapfel im äußeren Augenwinkel hielt, während das Auge einwärts gedrehet war, bis die Kälte bis zur Nervenhaut gedrungen sein mußte, so entstand weder die Empfindung der Kälte noch die von Licht oder Finsternis, sondern ein Schmerz, der nicht in der Conjunctiva, sondern entweder in den Ciliarnerven der Choroidea, oder in der Nervenhaut seinen Ursprung hatte. Nach Magendie'sMagendie, Journal de Physiologie exp. Paris 1825. T. IV. p. 180 et 310-314. Verrsuchen bringt die mechanische Verletzung der Nervenhaut des Auges, die durch die Berührung mit einem harten Körper, durch Nadelstiche oder durch ihre Zerreißung hervorgebracht wird, bei Säugetieren, Amphibien und Fischen keinen Schmerz hervor, und diese Schmerzlosigkeit will er auch beim Menschen, bei Gelegenheit der Niederdrückung der Kristalllinse, beobachtet haben. Vögel dagegen bewegten sich, so oft er ihre Nervenhaut mit der Spitze seines Instruments berührte, und zugleich verengte sich deutlich die Pupille. Es wird hiervon weiter unten in der Lehre vom Gemeingefühle ausführlicher die Rede sein. Auf gleiche Weise glaubt er bei Tieren gefunden zu haben, daß die Verletzung des Stamms des Geruchsnerven und Gehörnerven in der Schädelhöhle, keinen Schmerz erzeuge, während bei denselben Tieren bei derselben Operation die Verletzung des fünften Paars sehr schmerzhaft war. Wenn es sich bestätigt, daß die mechanische Verletzung an jenen drei Nerven keinen Schmerz hervorruft, so hängt es vielleicht davon ab, daß die Teile des Gehirns, mit welchen sie zusammenhängen, unfähig sind, Schmerz zu verursachen, denn auch die unmittelbare Verletzung vieler Teile des Gehirns ist bekanntlich schmerzlos. Vielleicht ist aber auch eine besondere Organisation der Hüllen der Elementarfäden nötig, damit die mechanischen Verletzungen derselben Empfindung und namentlich Schmerz erregen können, und vielleicht existiert diese Organisation nur bei den mit zwei Konturen umgebenen Elementarfäden, und also bei den Tastnerven und Geschmacksnerven, nicht aber bei den Sehnerven und Geruchnerven, und bei den dünnen Fasern des Gehirns. Man darf, wie mir scheint, den Einfluß der Zentralorgane, mit welchen die inneren Enden der Nerven in Verbindung stehen, auf die Entstehung spezifisch verschiedener Empfindungen nicht allzuhoch, und den Einfluß der Hilfsorgane an den äußeren Enden der Nerven nicht zu gering anschlagen. Ich kann mich noch nicht davon überzeugen, daß jener Einfluß schon allein so groß sei, daß der elektrische Stoß durch das Auge als Licht, durch das Ohr als Schall, durch die Zunge als Geschmack, durch die Nase als Geruch, und durch die Haut als Schlag empfunden werde, und daß also eine und dieselbe Ursache in jedem Sinne eine eigentümliche Empfindung erwecke, die der Eigentümlichkeit des Sinnes entspräche; ferner, daß sehr verschiedenartige Einwirkungen, wenn sie auf denselben Sinn erfolgten, alle eine ähnliche Empfindung verursachten, so daß z. B. die Empfindung von Licht nicht nur durch die Einwirkung des Lichts, sondern auch durch den mechanischen Stoß, durch den elektrischen Stoß und durch die chemische Einwirkung des Bluts auf die Nervenhaut, auf den Sehnerven und auf das dem Gesichtssinne angehörende Zentralorgan entstände. Verhielte es sich so, so müßte die Struktur der verschiedenen Zentralorgane der mannigfaltigen Sinne so verschieden sein, daß uns die Verschiedenheit auffallend wäre, was nicht der Fall ist. Allerdings wühlt der nämliche Wind hier das Meer auf, während er dort durch eine Spalte pfeift oder eine Aeolsharfe tönen macht, und an einem dritten Orte ein Anemometer in Bewegung setzt und dadurch Figuren zeichnet, durch die er seine eigene Bewegung einregistriert, allein damit die nämliche Ursache so verschiedene Wirkungen hervorbringe, sind sehr verschiedenartige Körper nötig, auf die er wirken kann.
Die Entscheidung dieser Streitfrage ist so wichtig, daß es nötig ist, die zu berücksichtigenden Fakta speziell ins Auge zu fassen.
Wenn Jemand in's Gesicht geschlagen wird, so kann es geschehen, daß er denselben Schlag durch den Tastsinn als einen Stoß, durch den Gehörsinn als einen Schall und durch den Gesichtssinn als einen Funken wahrnehme. Aber ein Schlag auf die Zunge bringt keinen Geschmack, ein Druck auf die Schleimhaut der Nase keinen Geruch hervor, und derselbe Schlag verursacht vielerlei Arten von Bewegungen, er komprimiert die Haut, erregt in der Luft und in den festen Teilen unsers Kopfs Schallwellen, und er wirkt auch bis auf die Imponderabilien, denn durch einen Schlag kann den Körpern Licht und Wärme ausgepreßt werden. Wenn wir nun den von dem Schlage verursachten Druck durch den Tastsinn, die von ihm hervorgebrachten Schallwellen durch das Gehörorgan, und die bei dem Stoße aufs Auge in der Nervenhaut erregte Bewegung der Imponderabilien als Licht empfinden, so muß das vielleicht zum Teil den Hilfswerkzeugen zugeschrieben werden, die an den peripherischen Enden der verschiedenen Sinnesnerven angebracht, und die von der Art sind, daß ein mechanischer Druck keine Einwirkung auf die Sehnerven, wohl aber auf die Tastnerven, Schallwellen keinen Eindruck auf die Sehnerven und Tastnerven, wohl aber auf den Gehörnerven, Schwingungen des Äthers keinen Eindruck auf die Tast- und Gehörnerven, wohl aber auf den Sehnerven machen, und die Empfindung von Licht erregen können, wenn sie auch viel zu schwach sind, um auf andere Personen aus der Entfernung denselben Eindruck machen zu können. Hierdurch würde zugleich erklärt sein, warum ein Schlag auf die Zunge und ein Druck auf die Schleimheit der Nase keinen Geschmack und keinen Geruch erregen, nämlich weil der Schlag unter den hier obwaltenden Verhältnissen keine chemische Wirkung hervorbringt.
Mit der Einwirkung der Elektrizität auf manche Sinnorgane verhält es sich bestimmt ebenso. Wenn wir uns einem mit Elektrizität geladenen Conductor nähern, so haben wir im Gesichte das Gefühl, als berührten uns Spinnwebenfäden. Das Überspringen des elektrischen Funkens auf unsere Haut und die Entladung einer Leydner Flasche oder einer Volta'schen Säule durch unsere Glieder bringt die Empfindung eines Stichs oder Schlags hervor. Aber die Elektrizität des Conductors bewirkt, daß sich die Haare erheben und sträuben, und da das auch bei den feinen Härchen in der Haut des Gesichts der Fall ist, so mag wohl jene Empfindung durch diese Bewegung der Härchen entstehen. Der Funke der Leydner Flasche drängt die Luft auseinander und erregt dadurch Schall, durchbohrt auf eine sichtbare Weise feste Körper und bringt also mechanische Wirkungen hervor, und durch diese kann er auf den Tastsinn wirken. Über das Gehör machte VoltaVolta, in Philos. Transact. 1800. Vol. II. p. 405 sq. folgende Beobachtung: Er schloß eine Säule von 30 bis 40 Lagen durch 2 stumpfe metallene Sonden, die er in die Ohren steckte und dann mit den Enden der Säule in Berührung brachte, und empfand im Augenblicke, wo er die Kette schloß, eine Erschütterung durch den Kopf, auf welche bald ein schwer zu beschreibender Schall oder ein Geräusch erfolgte, das er mit dem Knistern beim Kochen eines zähen Teigs verglich, und das ununterbrochen fortdauerte, so lange die Kette geschlossen blieb, aber nicht stärker wurde. RitterRitter, siehe J. Müllers Handbuch der Physiologie. Koblenz 1837, Bd. II. S. 253., der so manches beobachtet hat, was sich nicht bestätigt hat, erzählt, er habe bei der Schließung der Kette den Ton g wahrgenommen. Mein Bruder, Eduard Weber, füllte seine beiden Gehörgänge mit Wasser an und brachte nun in sie 2 Metallstäbchen ein, durch die er eine Kette schloß, in welcher durch Induktion zweier sehr großer Magnete ein starker Strom, unter besonders günstigen Verhältnissen erregt wurde. Er empfand, so oft die Induktion geschah, Licht, das quer durch den Kopf zu gehen schien, nahm aber keinen Ton und überhaupt keinen Schall wahr. HeydenreichHeydenreich, in Florieps Notizen. 1848, Bd. VIII. S 34. gibt an, er habe 2 dicke Bleidrähte tief in den äußeren Gehörgang geschoben. Aber das schwirrende Summen und Brausen, welches stoßweise entstanden sei, wenn er mittelst der Drähte eine Säule geschlossen habe, sei dem ähnlich gewesen, welches auch dann entstanden, wenn keine Säule damit in Verbindung war. Es scheint daher nicht so, als ob der elektrische oder galvanische Stoß unmittelbar durch seine Einwirkung auf den Gehörnerven die Empfindung eines Schalls erregen könnte. Mittelbar kann er es unstreitig, denn wenn er z. B. die Muskeln der Gehörknöchelchen zur Zusammenziehung reizt, so muß das Trommelfell erschüttert und es kann dann ein Schall empfunden werden, den freilich kein Anderer hören kann. Was den Geschmack betrifft, so entdeckte Volta: daß zwei verschiedenartige Metalle, gehörig angebracht, auf der Spitze der Zunge einen sehr bemerkbaren Geschmack erregen, und daß dieser Geschmack offenbar sauer sei, wenn die Zungenspitze sich am Zink befindet, alkalisch, wenn sie mit dem andern Metalle berührt wird. In letzterem Falle war der Geschmack minder stark, aber scharf und unangenehm, und er dauerte in beiden Fällen mehrere Sekunden und nahm sogar zu, wenn die Metalle in wirklicher Berührung blieben. Schon, daß der Geschmack nicht bloß während der Schließung und Öffnung der Kette, sondern auch während sie geschlossen blieb, empfunden wurde, beweist, daß hier nicht eine unmittelbare Einwirkung des galvanischen Stroms auf den Geschmacknerven die Ursache der Empfindung sei, denn der gleichmäßige Strom bringt durch die Empfindungsnerven keine Empfindung, und durch die Bewegungsnerven keine Bewegung der Muskeln hervor. Wir wissen aber, daß ein gleichmäßiger galvanischer Strom die im Speichel befindlichen Salze zersetzen kann, und daß die frei werdende Säure nach dem Zinkpole, das frei werdende Alkali nach dem Kupferpole gezogen wird. Berührt man mit dem einen Schließungsdrahte die untere Oberfläche der Zunge, die nur mit einem sehr unempfindlichen Geschmackssinne begabt ist, mit dem anderen Schließungsdrahte aber die obere Oberfläche derselben, die mit einem sehr empfindlichen Geschmacksinne versehen ist, so wird immer derjenige Stoff geschmeckt werden, der an dem Pole sich entwickelt, welcher mit der oberen Oberfläche der Zunge in Berührung ist. Heydenreich bestätigte diese schon von anderen, z. B. von Valentin, gegebene Erklärung durch folgenden Versuch. Er brachte die Drähte einer aus 10 Plattenpaaren bestehenden Volta'schen Säule nicht unmittelbar an die Zunge, sondern umwickelte den Draht des positiven Pols mit blauem Lackmuspapier, das er mit destilliertem Wasser anfeuchtete und den Draht des negativen Pols mit gerötetem Lackmuspapier: während nun der saure Geschmack empfunden wurde, wurde zugleich das blaue Lackmuspapier blässer; daß es sich rötete, verhinderte die alkalische Beschaffenheit der Mundflüssigkeit. Das rote Lackmuspapier aber wurde schnell blau und zwar viel schneller, als wenn die galvanische Säule nicht geschlossen war, wo es in längerer Zeit durch die schwache Alkaleszenz der Säfte des Mundes allerdings auch blau, aber schwächer blau wurde. Den von Joh. MüllerJ. Müller, Handbuch der Physiologie. 3. Aufl. B. I. S. 629. B. II. S. 493. Handwörterbuch der Physiologie. Bd. III. Abt. 2. angeführten Versuch Pfaffs fand er nicht bestätigt. Denn als er einen zinnernen, mit Lauge gefüllten, Becher mit den Händen umfaßte und die Zunge in die Lauge tauchte, schmeckte er keinen sauren Geschmack, sondern einen alkalischen.
Bekannt ist der phosphorige Geruch, den die Reibungselektrizität im Geruchorgane erregt. Volta versuchte vergebens durch den durch die Nasenhöhle geleiteten galvanischen Strom eine Geruchempfindung hervorzurufen. Er empfand bei der Schließung und Öffnung der Kette nur ein mehr oder weniger schmerzhaftes Kneipen, oder eine bald mehr bald minder sich verbreitende Erschütterung. Was jenen angeblichen phosphorigen Geruch betrifft, so wissen wir durch Schönbein's Entdeckung, daß er von einem eigentümlichen Körper, dem Ozon herrührt, der sich unter dem Einflusse der Reibungselektrizität bildet, und so ist es denn also auch hier gewiß, daß jener Geruch nicht der unmittelbaren elektrischen Einwirkung auf die Nerven zuzuschreiben ist.
Es bleibt daher nur noch die Einwirkung der Elektrizität auf das Auge übrig, die nicht so sehr in Verwunderung setzt, da wahrscheinlich Licht, Wärme und Elektrizität Erscheinungen sind, die alle auf Bewegungen des Lichtäthers beruhen. Nicht zu leugnen ist es aber, daß dennoch die Lichterscheinungen bei einem auf das Auge geschehenden Stoße und bei einem einige Zeit dauernden Drucke, und vielleicht auch bei der Durchschneidung des Sehnerven, so wie die Phantasmen bei krankhafter Affektion des Gehirns oder der Nervenhaut des Auges, sehr unsere fernere Aufmerksamkeit verdienen.
Ohne die Mitwirkung des Gehirns, oder vielleicht auch eines Teiles des Rückenmarks, gelangt keine Empfindung zum Bewußtsein, entsteht keine Erinnerung, kann sich der Wille nicht durch Bewegung der Muskeln äußern, sind wir nicht fähig zu denken, nicht einmal die Überleitung eines auf einen Empfindungsnerven hervorgebrachten Eindrucks auf die Bewegungsnerven geschieht im animalischen Teile des Nervensystems in den Nerven unmittelbar, sondern nur im Gehirne und Rückenmarke. Wenn man also auch keinen ausreichenden Grund hat, das Gehirn und Rückenmark ausschließlich für den Sitz der Seele zu halten, so enthält doch dieses Zentrum des Nervensystems die Werkzeuge, ohne welche wir uns der Einwirkungen, die auf die Seele geschehen, nicht bewußt werden, und ohne welche die Seele nicht auf den Körper wirken zu können scheint. Mit dieser Vorstellung von der Wichtigkeit des Zentrum, des animalischen Nervensystems, stimmen folgende Tatsachen überein: