Ernst Heinrich Weber
Der Tastsinn und das Gemeingefühl
Ernst Heinrich Weber

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Das Gemeingefühl der Haut und der andern Tastorgane.

Schmerz durch Wärme und Kälte.

Um die wichtige Lehre von der Natur des Schmerzes aufzuklären, muß man die Umstände recht genau untersuchen, unter welchen Wärme, Kälte, Druck und Zug Schmerz erregen, und wie andererseits auch durch die längere Dauer einer ununterbrochenen sonst mäßigen Muskeltätigkeit Schmerz entstehe. In diesen Fällen kann man den Übergang der Tastempfindungen der Wärme, Kälte und des Drucks in Schmerz, und den Übergang der Empfindung des Grades der Anstrengung der Muskeln in Ermüdung und der Ermüdung in Schmerz beobachten, und die Größe der Einflüsse durch Messung bestimmen, welche Schmerz erzeugen.

Man darf den Schmerz, den man empfindet, wenn man eine Hand in heißes Wasser taucht, nicht für eine Tastempfindung halten, die nur durch ihre Stärke von der Tastempfindung einer mäßigen Wärme verschieden wäre. Der Schmerz, der durch Wärme und Kälte entsteht, ist von der Empfindung der Wärme und Kälte sehr verschieden. Ist derselbe nicht heftig, so empfindet man zugleich auch die Wärme oder Kälte, die ihn verursacht und kann dann den durch Wärme entstehenden Schmerz von dem, welcher durch Kälte hervorgebracht wird, unterscheiden. Ist er aber heftig, z. B. wenn Wärme oder Kälte auf den entblößten Zahnkeim wirken, so ist es dieselbe Empfindung, sie mag durch Wärme oder Kälte verursacht werden.

Daß der Schmerz, der durch Wärme und Kälte entsteht, auf einem anderen Vorgange beruht, als die Empfindung von Wärme und Kälte, wird noch durch folgende Umstände bestätigt: von dem Augenblicke an, wo Wärme und Kälte Schmerz hervorbringen, wird das Vermögen, durch den Tastsinn der affizierten Teile Wärme oder Kälte zu empfinden, für einige Zeit geschwächt oder sogar ganz aufgehoben. Ich habe schon oben davon gehandelt, daß durch eine gewisse Wärme oder Kälte das Leitungsvermögen der Nerven beschränkt oder sogar aufgehoben werde. Zieht man die Hand, wenn man in heißem Wasser Brennen empfindet, sogleich heraus und berührt damit einen kalten Körper oder taucht sie sehr schnell auf einen Moment in kühles Wasser, so empfindet man die Kälte des letzteren nicht. Wiederholt man dieses Eintauchen in kühles Wasser mehrmals und sehr schnell hintereinander, so beobachtet man, wie allmählig das Vermögen, Kälte zu fühlen, zurückkehrt, so daß man beim dritten Eintauchen eine schwache Kälteempfindung hat, die beim vierten und fünften Eintauchen immer stärker und deutlicher wird.

Der entstehende Schmerz zeichnet sich aber auch dadurch vor der Tastempfindung der Wärme oder Kälte aus, daß die Empfindung des Schmerzes sich auf eine größere Region unseres Körpers auszubreiten scheint, und daß also der Ort der Empfindung nicht so bestimmt begrenzt ist, als der Ort der Tastempfindung einer mäßigen Wärme oder Kälte. Man sieht das am deutlichsten, wenn man durch Kälte Schmerz erregt. Taucht man z. B. die ganze Hand in eine große Menge Wasser, das eine Temperatur von +5° R., (6°,2 C.) hat, so lange ein, bis Schmerz entsteht, so beschränkt derselbe sich nicht auf den eingetauchten Teil, sondern erstreckt sich bis zur Mitte des Unterarms. Dieser Umstand ist wichtig. Ich glaube nicht annehmen zu dürfen, daß sich hierbei die Kälte unmittelbar bis zur Mitte des Unterarms verbreite und daselbst Schmerz errege, sondern vermute, daß die Kälte, während die peripherischen Enden der Tastnerven durch dieselbe betäubt werden, bis zu den Nervenstämmen eindringe, und durch die zahlreichen Fäden derselben einen Eindruck auf das Gehirn mache, der sich nicht bloß auf die Orte beschränkt, wo sich jene Fäden im Gehirn endigen, sondern sich auch benachbarten Teilen des Gehirns mitteilt. Diese in der Nachbarschaft erregte Empfindung versetzen wir dann in unserer Vorstellung in den Unterarm. Man findet, wie schon bemerkt worden ist, auch in anderen Fällen, wo Schmerz entsteht, daß er nicht auf den Ort beschränkt ist, auf den die Schmerz erregende Ursache wirkt.

Schmerz scheint also durch Wärme oder Kälte dann zu entstehen, wenn die einwirkende Ursache einen so starken Eindruck auf das Gehirn macht, daß sich dieser Eindruck im Gehirne weiter verbreitet. Daß der Eindruck auf das Gehirn eine solche Stärke erreicht, hängt von 5 Umständen ab:

  1. von dem höheren oder geringeren Grade der auf uns wirkenden Wärme oder Kälte, denn der Schmerz entsteht desto schneller und ist desto größer, je höher oder niedriger der Temperaturgrad;
  2. von der längeren oder kürzeren Zeit, während welcher wir der Wärme oder Kälte ausgesetzt sind, denn je länger wir ihnen ausgesetzt sind, desto mehr nehmen unsere Organe die warme oder kalte Temperatur an, und desto tiefer dringt sie in das Innere unserer Organe ein und wirkt dann nicht bloß auf die peripherischen Enden der Nerven, sondern ergreift auch die Stämme der Nerven und macht dann durch die zahlreichen Fäden derselben Eindrücke auf das Gehirn, die sich zu einem sehr heftigen Eindruck summieren;
  3. von der größeren oder geringeren Empfindlichkeit des der Wärme und Kälte ausgesetzten Teils; so empfinden wir z. B. viel schneller und stärker Schmerz, wenn wir die Zungenspitze, als wenn wir einen Finger in dasselbe heiße Wasser eintauchen;
  4. von der Größe der Oberfläche des empfindlichen Teils, welcher dem Einflusse der Wärme und Kälte ausgesetzt ist, denn je größer diese Oberfläche ist, desto mehr Nervenfäden empfangen gleichzeitig den Eindruck der Wärme oder Kälte, und diese vielen Eindrücke summieren sich im Gehirne zu einem einzigen starken Eindrucke, der so heftig werden kann, daß er sich daselbst weiter ausbreitet und dadurch Schmerz erregt;
  5. und endlich von der geringeren oder größeren Dicke der durch ihr schlechtes Wärmeleitungsvermögen schützenden Decke der Oberhaut, die bekanntlich an verschiedenen Teilen der Haut sehr verschieden ist, denn je dünner die Oberhaut ist, desto schneller können Wärme und Kälte bis zu den empfindlichen Teilen eindringen.

Was zuerst den Grad der Wärme und Kälte betrifft, welcher erforderlich ist, damit Gemeingefühlempfindungen und sogar Schmerz entstehen, so scheint derselbe Grad, welcher die Nerven, wenn er einige Zeit auf sie einwirkt, in ihrem Leitungsvermögen beschränkt oder sie sogar dessen auf einige Zeit beraubt, auch Empfindungen des Gemeingefühls zu erwecken, die bis zum Schmerze steigen, wenn sie heftig werden.

Eine Temperatur von 39° R., wenn sie hinreichend lange auf unsere Organe einwirkt, schwächt noch das Leitungsvermögen und ungefähr derselbe Grad ist es auch, der auch noch die Gemeingefühlsempfindungen und einen mäßigen Schmerz hervorrufen kann. Meine Versuche sind nicht ausreichend, um zu bestimmen, welcher Grad der Kälte noch das Leitungsvermögen der Nerven merklich schwäche, ich kann nur so viel sagen, daß eine Temperatur von 9° R. und von 10° R. diese Wirkung noch hervorbringt, wenn das Wasser lange genug einwirkt, und der eingetauchte Teil groß ist.

Wenn wir eine Hand in mäßig heißes Wasser eintauchen, so ist die Empfindung beim Eintauchen lebhaft und nimmt alsbald ab, hierauf nimmt sie aber allmählig wieder zu und wächst bis zum Schmerze, der endlich einen Grad erreicht, der uns nötigt, die Hand herauszuziehen. Je geringer die Hitze ist, desto länger dauert es, ehe der Schmerz entsteht. Da die Kälte, welche das Wasser annehmen kann, nur 0° beträgt, so hat man Zeit genug, zu beobachten, wie die Empfindung, welche auch hier anfangs am lebhaftesten ist, abnimmt, endlich aber wieder zunimmt und nach einiger Zeit bis zum Schmerz steigt, denn hier dauert es immer längere Zeit, ehe der Schmerz entsteht und derselbe erreicht niemals den Grad, daß man ihn nicht ertragen könnte. Dem Schmerz gehen in beiden Fällen andere Gemeingefühlempfindungen voraus. In der Hand, die man in warmes Wasser von etwa 40 ½° oder 41° R. eintaucht, fühlt man eine Spannung oder Fülle, es entsteht in ihr eine Unruhe, welche von dem heftigeren pulsieren der kleinen Arterien und von einem Zittern herzurühren scheint, in das einzelne Muskelbündel geraten. Dasselbe Zittern beobachtet man in der Zungenspitze, wenn man sie eintaucht. Auch starke Kälte bringt es hervor.

Als ich 2 ½ Minute lang den Mittelfinger der einen Hand in Wasser eintauchte, dessen Temperatur 40°,5 R. war, während ich den der anderen in Wasser eintauchte, dessen Temperatur +9° R. betrug, war anfangs die Empfindung der Kälte stärker als die der Wärme, nach einer Anzahl von Sekunden waren beide Empfindungen gleich stark, hierauf aber wuchs die Empfindung der Wärme, bis ein Schmerz zu entstehen anfing und ein Klopfen im Finger wahrgenommen wurde; als ich nun beide Finger an einander legte und jeden mit dem anderen befühlte, konnte ich weder die Wärme des erwärmten Fingers mit dem kalten, noch die Kälte des erkälteten Fingers mit dem warmen Finger fühlen, denn das Empfindungsvermögen beider Finger war abgestumpft, ich fühlte daher weder Kälte noch Wärme. Waren die Temperaturen des Wassers +30°,5 R. und +9° R., so fühlte ich, als sie nach 10 Minuten einander berührten, Kälte, denn der erkältete Finger war in seinem Empfindungsvermögen abgestumpft und konnte keine Empfindung der Wärme des Fingers verschaffen, den er betastete, der erwärmte Finger dagegen war es nicht und mittelst des letzteren fühlte ich die Kälte des erkälteten Fingers. Waren die Temperaturen des Wassers +41° R. und +19° R. und wurde die rechte Hand der einen, die linke Hand der anderen Temperatur ausgesetzt, so fing das Wasser nach einiger Zeit an, eine Empfindung von Brennen zu erregen, nach 28 Sekunden war diese Empfindung so stark, daß sie Schmerz verursachte; brachte man nun beide Hände mit einander in Berührung, so fühlte man mit der mäßig erkälteten Hand die warme Temperatur der stark erwärmten Hand, aber man konnte nicht umgekehrt die Kälte der erkälteten Hand mittelst der erwärmten Hand empfinden; denn das Empfindungs- und Leitungsvermögen der Nerven derselben waren geschwächt oder aufgehoben.

Wasser, welches die Wärme des Bluts um 20° R. übersteigt, verursacht in einem eingetauchten Gliede eines Fingers schon in 4 bis 6 Sekunden einen sehr heftigen, unerträglichen Schmerz, dagegen erregt Wasser, welches um 20° R. kälter ist, als das Blut, nach langer Berührung nur ein Gefühl von Erstarrung, aber keinen beträchtlichen Schmerz; sogar ein Brei von Schnee und Wasser, dessen Temperatur 0° R. ist und der also fast um 30° R. kälter ist als das menschliche Blut, erregt nur in langer Zeit einen mäßigen Schmerz, den man sehr gut ertragen kann. Wärme führt daher schneller Schmerz herbei und erregt einen stärkeren Schmerz als Kälte.

Daß auf die Entstehung von Schmerz die Größe der Oberfläche der Haut, welche der warmen oder kalten Temperatur ausgesetzt wird, Einfluß hat, sieht man aus folgenden Versuchen. Wenn ein Fingerglied beliebig lange in Wasser eingetaucht wurde, welches eine Temperatur von +39° R. (48°,7 C.) hatte, empfand ich keinen merklichen Schmerz, sondern hatte nur Gemeingefühlempfindungen, die sich ohne Unbehagen ertragen ließen, wohl aber entstand Schmerz, wenn die ganze Hand in dasselbe eingetaucht wurde. Ebenso empfand ich, wenn ein Fingerglied in Wasser eingetaucht wurde, welches eine kalte Temperatur von +5° R. (6°,2 C.) hatte, keinen Schmerz, wohl aber, wenn die ganze Hand in dasselbe eingetaucht wurde.

Um den Einfluß genauer zu ermitteln, welchen die Zeit auf die Entstehung des Schmerzes hat, die erforderlich ist, damit Wärme und Kälte tiefer in den Körper eindringen und die Nervenstämme ergreifen, ließ ich einen Beobachter das letzte Glied des Zeigefingers in heißes Wasser eintauchen und beobachtete die Zahl der Sekunden, bis der Schmerz bei ihm so hoch gestiegen war, daß er den Finger aus dem Wasser zu ziehen genötigt war. War das Wasser nicht sehr heiß, so empfand er einige Zeit gar keinen Schmerz, sondern derselbe trat erst nach einer Anzahl Sekunden ein. Es ergab sich, daß das Fingerglied eine desto längere Zeit dem heißen Wasser ausgesetzt werden konnte, je niedriger die Temperatur desselben war.

Grad der Wärme [°R] Zahl der Sekunden, bis der Schmerz nötigte, das Fingerglied aus dem Wasser zu ziehen. Grad der Wärme [°R] Zahl der Sekunden, bis der Schmerz so groß wurde ...
45 ¾° 11 52° 3
45 ½° 13 ½ 51° 4
44 ½° 14 50 ⅓° 4 ½
44 ½° 14 49 ⅔° 5 ¼
44° 21 49° 5 ¼
43 ½° 20 48° 7
42 ½° 23 47 ⅔° 7
41 ½° nicht herausgezogen 47° 9

Als ich solche Versuche an mir selbst machen ließ, fand ich, daß der Finger durch öfteres Eintauchen in heißes Wasser unempfindlicher wird gegen den Eindruck der Temperaturen, und daß es daher besser sei, wenn man mit den Fingern wechselt und das letzte Glied von verschiedenen Fingern eintaucht.

Grad der Wärme [°R] Zahl der Sekunden, bis der Schmerz nötigte, das Fingerglied aus dem Wasser zu ziehen. Grad der Wärme [°R] Zahl der Sekunden, bis der Schmerz so groß wurde ...
57° 3 ½ 56° 2 ½
53° 4 ½ 55º 3 ½
52° 4 54º 3 ½
51° 5 53º 4
50 4 52º 4
49 8 51º 5
48 5 ½ 50º 5

Fünfzehn Jahre später machte ich abermals solche Beobachtungen an mir selbst, ohne die früheren vorher nachzusehen.

Grad der Wärme [°R] Zahl der Sekunden, bis der Schmerz nötigte, das Fingerglied aus dem Wasser zu ziehen. Grad der Wärme [°R] Zahl der Sekunden, bis der Schmerz so groß wurde
70° 1 ½ bis 2 53° 7
68° 3 52° 7
66° 3 51° 8
63° 3 50° 9
62° 3 49° 10
60° 4 bis 5 48° 12
59° 4 bis 5 47° 14
58° 5 46° 17
55° 6 45° 23
54° 6 44° 28

Bei Versuchen, die bei einem anderen Beobachter mit dem letzten Fingergliede angestellt wurden, ergab sich, daß der Schmerz ein wenig früher eintrat, wenn ein Fingerglied der linken Hand eingetaucht wurde, als wenn es mit einem Fingergliede der rechten Hand geschah, vermutlich, weil die Oberhaut an der härtere Arbeiten verrichtenden rechten Hand etwas dicker ist als an der linken.

  Fingerglied der rechten Hand.   Fingerglied der linken Hand.
Wärmegrad. Sekunden. Wärmegrad. Sekunden.
59° R 4 - 5 59° R 4
55° R 6 55° R 5
52° R 6 52° R 5 ½

Wurde die Zungenspitze in heißes Wasser eingetaucht, so entstand der Grad des Schmerzes, der mich nötigte, die Zunge zurückzuziehen, schneller als beim Finger.

Wärmegrad Sekunden Wärmegrad Sekunden
50° R. 2 42° R. 18
48° R. 4 42° R. 17
47° R. 4 41° R. 49
46° R. 6 43° R. 12
45° R. 7 42° R. 18
44° R. 8

Aus den mitgeteilten Versuchen erhellet, 1) daß ein Glied der heißen Temperatur des Wassers desto länger ausgesetzt werden mußte, damit die Empfindung von Schmerz entstände, je niedriger die Temperatur des heißen Wassers war, 2) daß bei weniger heißem Wasser, wo es 10 bis 28 Sekunden dauerte, ehe Schmerz entstand, schon 1° R. oder ½° R., um welchen das Wasser wärmer oder kälter war, einen beträchtlichen Unterschied in der Zeit hervorbrachte, welche erforderlich war, damit Schmerz entstände, während, wenn das Wasser sehr heiß war, 1° R. keinen merklichen Unterschied hervorbrachte, 3) daß das Glied unempfindlicher wurde gegen heiße Temperaturen, wenn es vorher sehr heißen ausgesetzt worden war.

Um auch über den Schmerz einige Versuche anzustellen, welchen Körper, deren Temperatur unter 0° ist, verursachen, wendete ich folgendes Verfahren an. Ich tauchte einen sehr großen eisernen Schlüssel, dessen solider Zylinder ein abgerundetes Ende hatte, dessen Durchmesser 4 Paris. Linien betrug, in Quecksilber von - 4°,2 R. bis - 2°,1 R. ein, bis er die Temperatur desselben angenommen hatte. Da sich in der Nähe jenes Endes der sehr große Bart befand, so behielt das Ende einige Zeit seine sehr niedrige Temperatur ziemlich bei, wenn es mit der Haut in Berührung gehracht wurde. An manchen Teilen des Gesichts, z. B. unter dem Jochbeine und am Mundwinkel, entstand ein stechender Schmerz, der dem Brennen ähnlich war, an manchen anderen Stellen war er nicht stechend oder brennend, aber doch vom Gefühle der Kälte verschieden, nirgends war er so heftig, daß man ihn nicht hatte ertragen können. An manchen Teilen des Kopfs und Gesichts und an sehr vielen Teilen des übrigen Körpers entstand gar kein Schmerz. Der Schmerz schien da zu entstehen, wo entweder die Haut sehr empfindlich und die Oberhaut zugleich dünn war, oder auch da, wo ein Empfindungsnerven enthaltender Nervenstamm nahe unter der Haut lag. Sehr merkwürdig war die große Verschiedenheit vieler ganz nahe nebeneinander liegenden Teile der Haut; oft entstand in dem einen Teile bei der Berührung Schmerz, in dem benachbarten keiner. Man darf vermuten, daß diese Verschiedenheit daher rührte, daß die Kälte auf die an einzelnen Orten unter der Haut liegenden Stämme der Empfindungsnerven einwirkte. Übrigens scheinen auch die unbekannten Organe, die zur Empfindung der Wärme dienen mögen, nicht gleichmäßig in der Haut verteilt zu sein.

Zahl d. Versuche. Temperatur des Schlüssels Teil des Körpers, mit d.d. Schlüssel in Berührung gebracht wurde. Ob Schmerz entstand oder nicht.
1 4°,2 R. Stirn, Mittellinie über der Nasenwurzel (Glabella). Starkes Kältegefühl, aber kein ausgesprochener sich ausbreitender Schmerz.
2 - 3°,2 R. Stirn, 5,3 Linien von der Mittellinie dicht über d. arcus supraciliaris, rechte Seite Kein Schmerz, obwohl d. Schlüssel über 1 Minute mit seinem abgerundeten Ende angedrückt wurde.
3 - 3°2, R. Stirn, 6 Linien von der Mittellinie, 7 Linien über der Mitte des margo supraorbitalis, rechte Seite. Schwacher Schmerz. Ich fühlte daselbst die Arterie pulsieren.
4 - 3°,2 R. Stirn, 11 Linien von der Mittellinie, rechte Seite. Schon nach 10 Sekunden fing der Schmerz an, nach 20 Sekunden war er sehr merklich. Ich fühlte daselbst eine Arterie pulsieren.
5 - 4°,0 R. Stirn, 11 Linien von der Mittellinie links, 6,5 Linien über dem Margo supraorbitalis. Schon nach 8 Sekunden entstand Schmerz, der in die Augenhöhle hineinzog.
6 - 3°,7 R. Stirn, rechts in der Gegend, wo d. Zweige des N. supraorbitalis u. supratrochlearis liegen. In 14 Sekunden Schmerz.
7 - 4° R. Stirn über dem äußeren Teile der Orbita, 2 Zoll 2 Linien von der Mittellinie, 5,5 Linien höher, als der höchste Teil des Margo supraorbitalis. Ziemlich heftiger Schmerz.
8 - 3°,7 R Oberes Augenlid. Nach 8 Sekunden Schmerz, der schwingender und lokaler war als auf der Conjunctiva,die den Augapfel überzieht.
9 - 2°,9 R. Gesicht unter dem Jochbeine. Empfindung stechend, dem Brennen ähnlich.
10 - 2°,1 R. Mundwinkel. Empfindungen nach einigen Sek. Stechend, dem Brennen ähnlich.
11 - 2°,6 R. Ohrläppchen. Kein Schmerz.
12 - 2°,6 R. Zungenspitze. Schmerz, dem ähnlich, wie wenn man sich d. Zunge verbrannt hat.
13 - 4°,0 R. Mittelster linker Schneidezahn der oberen Kinnlade, der völlig gesund war. Nach 2 Sekunden leiser Schmerz, der sich nicht verstärkte; die Empfindung der Kälte dauerte nach Wegnahme des Schlüssels lange fort.
14 - 3°,9 R. Harter Gaumen hinter den Schneidezähnen. Kein Schmerz.
15 - 3°,9 R. Harter Gaumen, hinterer Teil, in der Gegend der Spina nasalis posterior. Kein Schmerz.
16 - 3°,2 R. Harter Gaumen, hinterer Teil, vor d. Hamulus pterygoideus. Es entsteht schnell Schmerz (vermutlich wegen d. Nähe d. Äste des N. pterygo-palatinus.)
17 - 2°,6 R. Arm, zwischen condylus internus und Olecranon, wo der N. ulnaris nahe unter der Haut liegt. Anfangs entsteht nur eine schwache Kälteempfindung, nach 11 Sekunden fängt die Empfindung an zuzunehmen und allmälig schmerzhaft zu werden, d. Schmerz erreicht zwischen 40 und 50 Sek. einen hohen Grad. Der Schmerz nimmt einen Teil des Unterarms mit ein.
18 - 2°,4 R. Am äußeren Teile des Olecranon. Auch hier entsteht Schmerz.
19 - 2°,6 R. Unterarm, fast in der Mitte auf dem Extensor digitorum communis. Mäßiger Schmerz.
20 - 2°,4 R. Kniescheibe. Kein Schmerz.
21 - 3°,7 R. Unterschenkel, rechter, unter der Sehne des Biceps, wo der N. peronaeus nahe unter der Haut liegt; der Schlüssel wurde mit der Länge seines Zylinders angedrückt. Schmerz, der auch einen Teil des Unterschenkels, aber nicht den Fuß einzunehmen schien.

Schmerz in der Haut durch Druck und Zug.

Ähnliche Untersuchungen, wie die über die Entstehung von Schmerz durch Temperaturänderungen, lassen sich nun auch anstellen, über die Entstehung von Schmerz durch Druck und Zug. Es wird sich z. B. durch solche Versuche bestimmen lassen, welches Gewicht auf einen Quadratzoll unserer durch Knochen unterstützten Haut wirken müsse, damit die Tastempfindung des Drucks in eine Empfindung des Schmerzes übergehe. Ebenso wird man durch Versuche finden können, welchen Einfluß es hat, wenn ein Gewicht an 4, 8, oder 16 Haaren aufgehangen wird, und wie groß das Gewicht sein müsse, um in diesen verschiedenen Fällen Schmerz durch Zug zu erregen.

Die Schmerzen, die durch Druck entstehen, z. B. durch enge Schuhe und Stiefeln, die auf Hühneraugen drücken, gehören zu den heftigeren und dauernderen Schmerzen, die in der Haut vorkommen. Eiter, der unter harten Teilen keinen Ausweg findet, verursacht auch heftigen Schmerz, der sogleich aufhört, wenn der Eiter einen Ausweg findet.

Weniger belehrend sind die Beobachtungen, die man über die Entstehung von Schmerz durch Zerschneidung der Haut mit scharfen Messern, durch Zerquetschen derselben und durch die zerstörende Wirkung von Kali causticum und anderen Ätzmitteln, so wie durch das glühende Eisen machen kann, Einwirkungen, welche eine mechanische oder chemische Zerstörung der Haut und ihrer Nerven hervorbringen.

Der Akt des Zerschneidens erregt Schmerz, nicht der Zustand des Zerschnittenseins, bevor in Folge desselben Entzündung entsteht, die durch die Veränderungen, die sie hervorbringt, Schmerz erregen kann. Geht die Zerstörung sehr schnell vor sich, wie bei Schußwunden, so kann der Schmerz so gering sein, daß der Verletzte bisweilen selbst nicht weiß, daß er verletzt ist. Manche Einwirkungen, welche Schmerz hervorrufen, berauben die Nerven, die sie treffen, nach einiger Zeit ihres Empfindungsvermögens, z. B. die Wärme, die Kälte und der Druck. Ein fortdauernder Schmerz scheint indessen bei solchen Einwirkungen dadurch möglich zu sein, daß die Schmerz erregende Ursache tiefer und immer tiefer in den Körper eindringt und dabei andere und andere Teile der Nerven ergreift, oder indem die Einwirkung und mit ihr der Schmerz von Zeit zu Zeit etwas nachläßt, und während dessen das Leitungsvermögen der Nerven sich wiederherstellt.

Schmerz durch Elektrizität.

Da der galvanische Strom beim Schließen und Öffnen der Kette nicht nur auf die Bewegungsnerven einwirkt, und das wirksamste Mittel ist, um Muskelzusammenziehung zu erregen, sondern auch auf Empfindungsnerven, z. B. auf die Sehnerven, so sollte man glauben, daß durch die gleichzeitige Einwirkung desselben auf die Empfindungsnerven auch sehr heftige Schmerzen entstehen müßten. Nun sind zwar die Empfindungen, welche die Elektrizität und der galvanische Strom erzeugen, unangenehm, aber bei weitem weniger schmerzhaft, als man erwarten sollte, wenn man den heftigen Krampf damit vergleicht, den sie in den Muskeln hervorrufen, z. B. wenn ein dauernder Starrkrampf in den Beugemuskeln entsteht, der uns die Hand zu öffnen hindert. Wir haben oben gesehen, daß die Kälte, wenn der Ellenbogen in einen Brei von Wasser und Eis eingetaucht wird, bis zu dem Stamme des Nervus ulnaris eindringt. Da dieser Nerv sowohl zahlreiche Empfindungsnerven als auch zahlreiche Bewegungsnerven enthält und die Kälte zu beiden in gleichem Maße hindringt, so ist es interessant, daß die Einwirkung der Kälte auf die Bewegungsnerven sehr unbeträchtlich ist, während sowohl ein ziemlich heftiger Schmerz als auch eine Betäubung des Empfindungsvermögens entsteht. Wärme und Kälte scheinen daher leichter Schmerz, elektrische Ströme leichter Muskelzusammenziehung zu erregen.

Schauder und Kitzel in der Haut.

Wenn man manche Teile der Haut, z. B. die Haut des Rückens, mit der Fahne einer Feder leise streicht, so fühlt man nicht nur die Berührung, sondern, nachdem die Berührung vorüber ist, einen Schauder, d. h. eine Empfindung, die einige Zeit fortdauert und nicht nur in den berührten Teilen zu sein scheint, sondern sich auch auf andere Teile ausbreitet, die nicht berührt wurden und die, indem sie einen Teil der Haut verläßt, einen benachbarten ergreift und auf diese Weise sich fort zu bewegen scheint. Man sagt daher, es überlaufe uns ein Schauder. Da die Nerven an ihren peripherischen Enden nicht so untereinander kommunizieren, daß sich der Eindruck daselbst von einen Nerven auf den anderen fortpflanzen kann, so darf man vermuten, daß der zum Gehirn fortgepflanzte Eindruck sich dort auf benachbarte Teile des Gehirns ausbreite und daß die Seele sich nur vorstelle, daß die hierdurch entstehenden Empfindungen von Teilen der Haut herkämen, die in der Nachbarschaft der berührten Teile der Haut liegen. Es ist hierbei bemerkenswert, daß der Schauder nicht im Augenblicke der Berührung eintritt, sondern zu seiner Entstehung und Ausbreitung einer merklichen Zeit bedarf, während doch sonst die einfache Fortpflanzung der Empfindungen so schnell zu erfolgen scheint, daß wir keinen Zeitverlust dabei bemerken. Es verhält sich hier, wie bei der Reflexion der Eindrücke von den Empfindungsnerven auf die Bewegungsnerven, denn bei dieser vergeht auch eine wahrnehmbare Zeit. Streicht man mit dem Nagel des Daumens die Mitte des Rückgrats und übt dabei zugleich einen beträchtlichen Druck aus, so erregt man den Schauder auch, wenn der Mensch bekleidet ist. Zugleich ziehen sich bisweilen die Rückenmuskeln, welche das Rückgrat ausstrecken, zusammen. Ein ähnlicher Schauder entsteht durch die Berührung mancher Teile der Haut mit einem kalten Körper; hier nennt man den Schauder ein Frösteln, wiewohl nicht daran zu denken ist, daß die Ausbreitung der Kälte auf der Haut die ausreichende Ursache der sich ausbreitenden Empfindung sei, die noch fortdauert, nachdem die Berührung schon aufgehört hat. Ohne alle vorausgehende Einwirkung auf die Haut entsteht ein solches Frösteln bei Eiterungen und in Fiebern, zumal in der Frostperiode des kalten Fiebers, wo bisweilen zugleich auch manche Muskeln mit ergriffen werden. Hier scheinen andere Einflüsse eine Bewegung im Nervenzentrum zu erregen, welche die Seele so deutet, daß sie die Empfindung in die Haut verlegt.

Eine leise Berührung mit den Spitzen der Fasern einer Feder an den Lippen, am Rande der Nasenlöcher und in der Umgegend im Gesichte erregt bekanntlich einen eigentümlichen Kitzel. Auch hier dauert die Empfindung nicht nur fort, nachdem die Berührung vorüber ist, sondern wird bisweilen sogar dann noch stärker, wechselt ihren Ort und erweckt das instinktartige Verlangen, daselbst die Haut zu kratzen oder zu reiben. Etwas Ähnliches beobachtet man, wenn man die Schleimhaut der Nase leise reizt. Hier liegt die Ursache, warum der Kitzel noch zunimmt und endlich bis zum Niesen führt, darin, daß durch den Reiz die Ausführungsgänge der Schleimdrüsen zur Zusammenziehung angeregt werden, ihren Inhalt heraustreiben und daß durch den Kitzel, den dieser wieder hervorbringt, die Reizung sich erneuert. Etwas Ähnliches ereignet sich vielleicht auch in der Haut, hinsichtlich der Ausführungsgänge der Hautdrüsen. Der Gehörgang ist nicht geeignet zum Kitzel, aber sehr empfindlich gegen die Berührung kalter Körper; das Letztere ist bei der Schleimhaut der Nase nicht der Fall. Die heftige Empfindung, welche fremde Körper erregen, die mit der inneren Oberfläche der Augenlider in Berührung kommen, scheint auch ein sehr heftiger Kitzel zu sein, der aber leicht bis zum Schmerz steigt. Auch dieser erweckt das Ausfließen der Tränen. Der Teil der Konjunktiva, der die Sclerotica und die Hornhaut überzieht, ist nicht sehr empfindlich und dem Kitzel nicht unterworfen; man kann ihn ohne Kitzel oder Schmerz zu empfinden, berühren. Unter Wasser kann man die Augen öffnen, ohne eine unangenehme Empfindung davon zu haben, und sogar Salzwasser bringt nur am inneren Augenwinkel, an den Punctis lacrymalibus, einen kleinen Reiz hervor. Dagegen erregen Dämpfe von schwefliger Säure und von Ammoniak eine heftige Empfindung, die aber nicht ein Kitzel genannt werden kann. Die zahlreichen Härchen der Haut können die Fortpflanzung der leisen Eindrücke in das Innere der Haut und zu den Drüsen befördern, indessen ist ihre Gegenwart zur Entstehung des Kitzels nicht unumgänglich nötig, da auch in manchen haarlosen Teilen der Haut Kitzel entstehen kann, z. B. im Hohlfuß, in der Hohlhand und auf dem Gaumen.

Warum nur gewisse Teile der Haut und der Schleimhaut kitzlich sind, und manche andere dicht dabei gelegene gar nicht oder nur in geringem Grade, ist schwer zu erklären. Die Lippen, die Haut und Schleimhaut am Eingange in die Nase, die Haut des harten Gaumens nahe hinter den oberen Schneidezähnen, die Haut des Hohlfußes, die Haut in der Achselhöhle sind es bei mir vorzüglich. Die Teile, welche des Kitzels fähig sind, sind nicht immer mit einem sehr feinen Tastgefühle versehen, z. B. die Schleimhaut am Eingange der Nase.

Gemeingefühlempfindungen, die durch die Blutbewegung, durch die Absonderung von Säften aus dem Blute und durch den Prozeß der Ernährung in der Haut entstehen.

Daß die Empfindungen, welche die Bewegung des Bluts und die anderen so eben angeführten Ursachen hervorbringen, zu der Klasse der Gemeingefühlempfindungen gehören müssen, und nicht zu den Empfindungen, durch die man ein Objekt wahrzunehmen glaubt, leuchtet von selbst ein. Denn wenn die Empfindung erregende Ursache gleichzeitig auf die kleinsten Teile der Substanz wirkt, aus welcher die Haut besteht, so fällt alle Veranlassung für die Seele weg, die entstehenden Empfindungen so auszulegen, als ob sie von einem, von dem empfindlichen Organe zu unterscheidenden Körper (Objekte) veranlaßt würden. Wir können unter solchen Verhältnissen nur unseren veränderten Empfindungszustand wahrnehmen.

Durch einen Senfteig, den wir uns auf die Haut legen, vermehrt sich die Menge des Bluts in dem gereizten Teile der Haut, und zugleich entsteht die Empfindung von Wärme und von Brennen.

Durch Hautausschläge können Empfindungen von Jucken, Brennen, und zahlreiche andere Modifikationen der Gemeingefühlempfindungen entstehen. Daß bei weit verbreiteten Hautausschlägen kein heftiger Schmerz entsteht, ist wohl dem Umstande zuzuschreiben, daß die Zerstörungen, die die Hautausschläge in der Haut anrichten, sehr allmälig entstehen.

Der Schmerz, welchen Brennnesseln und der Stich der Bienen, Wespen und anderer Insekten hervorbringt, rührt wohl hauptsächlich von einem reizenden Safte her, der in die Wunden eingeflößt wird, und sich daselbst ausbreitet, sonst wäre wohl die Stärke des Schmerzes und seine längere Dauer bei einer so kleinen Verletzung kaum zu begreifen.

Das Gemeingefühl der Muskeln.

BichatBichat, Allgemeine Anatomie, übersetzt von Pfaff. Leipzig, 1803. Teil II. Seite 212. sagt: "die tierische Empfindlichkeit ist in den Muskeln im gewöhnlichen Zustand sehr dunkel. Bei Amputationen und bei Versuchen an lebenden Tieren der Quere nach durchschnitten, erregen sie keine sehr merkliche unangenehme Empfindung. Nur wenn ein Nervenfaden getroffen wird, äußert sich ein merklicher Schmerz, das eigentümliche Gewebe der Muskeln selbst ist nur wenig empfindlich. Gewisse Reizmittel verursachen gleichfalls keinen merklichen Schmerz. Indessen sind die Muskeln der Sitz einer eigentümlichen Empfindung, der der Müdigkeit nach wiederholten Zusammenziehungen." Es ist für die Erkenntnis von der Natur des Schmerzes und des Gemeingefühls überhaupt sehr belehrend, daß viele Einflüsse, die in anderen Teilen heftigen Schmerz verursachen, in den Muskeln unwirksam sind, und daß andere Erscheinungen dennoch eine sehr große Empfindlichkeit der Muskeln beweisen.

Hierher gehören der Schmerz, der durch starke Ermüdung in ihnen entsteht, der ungeheure Schmerz, der mit manchem tonischen Krampfe, z. B. mit dem Wadenkrampfe verbunden ist, der rheumatische Schmerz, der oft plötzlich eintritt und sich wiederholt, sobald der leidende Muskel in Zusammenziehung gerät. Vor allen gehört aber hierher das feine Gefühl, welches die durch den Willen hervorgebrachte Zusammenziehung mancher dem Willen unterworfener Muskeln begleitet, wodurch wir die Anstrengung fühlen, die wir mit den Muskeln machen und den Widerstand sehr genau messen, der uns dabei geleistet wird.

Auch die Bewegungen mancher organischer Muskeln sind mit schmerzhaften Empfindungen verbunden, z. B. die des Uterus, die man daher Wehen, dolores, nennt, die des Mastdarms beim Tenesmus und die der Gedärme beim Bauchkneipen. Ich halte es für wahrscheinlich, daß die heftige Zusammenziehung der Muskelfasern des ganz leeren Magens, wobei seine Höhle verschwindet, mit Empfindung verbunden ist, die einen Teil der Empfindung aus macht, die wir mit dem Namen Hunger bezeichnen. Auch das Gefühl des Übelseins beim Erbrechen, der Drang zum Stuhlgange, sowie das eigentümliche Gefühl beim Durchfalle sind wohl für Empfindungen zu halten, welche die heftige peristaltische und antiperistaltische Bewegung begleiten, ebenso scheinen manche Schmerzen, die das Herz verursacht, ihre Ursachen in Bewegungen desselben zu haben, die mit Empfindung verbunden sind und es ist mir sehr wahrscheinlich, daß das Wollustgefühl beim Ergusse des Samens mit den Bewegungen verbunden sei, in welche die von mir nachgewiesenen Muskelfasern der Samenblase und der Prostata dann geraten. Sowie die Muskeln nächst den Sinnorganen und namentlich auch nächst der Haut zu den nervenreichsten Teilen unseres Körpers gehören, so gehören sie auch zu denen, welche das feinste Gemeingefühl haben, aber nur für gewisse Einflüsse.

Um den allmäligen Übergang des Gefühls der Anstrengung in Ermüdung und der Ermüdung in Schmerz zu beobachten, kann man versuchen, wie lange man den Unterarm und Oberarm in mäßig gestreckter, horizontaler Lage erhoben halten kann. Es wird das nach der Größe der Muskelkraft und dem Grade der Ausstreckung des Arms, und je nachdem die Lage des Arms sich der horizontalen mehr oder weniger nähert, bei verschiedenen Menschen sehr verschiedenen sein. Bei mir begann der Schmerz ungefähr nach 300 Sekunden, er nahm von da an sehr allmälig zu, so daß ich den Arm noch 600 Sekunden und also im Ganzen 900 Sekunden (eine Viertelstunde) erhoben hielt, und ihn, wie ich glaube, noch längere Zeit hätte erhoben halten können. Indessen fing ich zuletzt an, schon ein wenig Zittern der Muskeln zu bemerken. Hob ich bei diesem hohen Grade von Ermüdung den Arm wiederholt noch höher, so vermehrte sich der Schmerz während der Zusammenziehung der ermüdeten Muskeln nicht, wohl aber nachher. Ich stellte mir während der Anstrengung den Zustand der Ruhe sehr angenehm vor, allein ich irrte mich. Zwar war ich dadurch erleichtert, daß ich nun meinen Willen nicht mehr anzustrengen brauchte, sondern mich leidend verhielt, aber der Schmerz dauerte in gleichem Grade fort, und sogar nach 2 Stunden war er noch nicht ganz vergangen. Er war auch dann vorhanden, wenn ich mich hinlegte und das ganze Glied möglichst ruhen ließ. Bei diesem Versuche fand kein gewaltsamer Druck auf die Muskeln und Nerven und keine übermäßige Ausdehnung der Muskeln statt. Es war nur die Dauer der Zusammenziehung, die unstreitig bei der unzureichenden Ernährung eine Mischungsveränderung in den Muskeln und ihren Nerven hervorbrachte und dadurch den Schmerz verursachte, ebenso wie in anderen Fällen durch eine in den Teilen unseres Körpers hervorgebrachte Mischungsveränderung Schmerz erzeugt wird, denn die Muskelzusammenziehung scheint, wie das Losschießen eines Gewehrs, von einem chemischen Prozesse begleitet zu werden. Nach Berzelius und LiebigLiebig, Annalen der Chemie und Physik. B. 62 Heft 3 befindet sich in den Muskeln Milchsäure, entweder frei, oder als saures milchsaures Salz, zugleich scheint sich nach den Versuchen von BunzenBunzen, Beitrag zu einer künftigen Physiologie. Kopenhagen 1805. p. 117 armierte die Nerven und Muskeln des Unterschenkels einer soeben getöteten Kuh und sahe bei Schließung der Kette das in die Muskelsubstanz gesteckte Thermometer um mehrere Linien steigen. an kaltblütigen Wärme zu entwickeln.Becquerel und Breschet an warmblütigen Tieren und nach den von Helmholz. Helmholz in Müllers Archiv 1848. Heft 2. Die Milchsäure ist vielleicht ein Zerstörungsprodukt.

Der Schmerz schien nur in denjenigen Muskeln seinen Sitz zu haben, welche zur Erhebung des Oberarms und Unterarms gebraucht wurden. Die Fingermuskeln z. B. nahmen daran keinen Teil und konnten auch nachher bewegt werden ohne Schmerz zu erregen, dagegen brachte die Hebung des Oberarms und Unterarms, nachdem das Glied geruht hatte, Schmerz hervor. Die Entstehung des Schmerzes durch eine mäßige aber ununterbrochene und lange fortgesetzte Tätigkeit der Muskeln, ohne den Einfluß irgend einer anderen Einwirkung, welche Schmerz erregen konnte und die lange Fortdauer des Schmerzes, nachdem die Muskeln wieder in Ruhe versetzt waren, sprechen sehr dafür, daß die Ursache jenes Schmerzes in einer Mischungsveränderung zu suchen sei, welche die Muskeln bei einer so lange fortgesetzten Tätigkeit erlitten, und welche nur allmälig durch Ernährung wieder verschwinden konnte. Bekanntlich ist die große Veränderung, welche mit dem Fleische bei einer zu lang dauernden und zu heftigen Anstrengung vor sich geht, bei zu Tode gehetztem Wilde sogar durch das äußere Ansehn des Fleisches und durch den Geschmack desselben zu erkennen.

Die Empfindungen von Wärme und Kälte, ferner die Empfindungen von Druck und Zug verwandeln sich, wie wir gesehen haben, wenn sie einen gewissen Grad übersteigen, in Schmerz, und ebenso verwandelt sich die Empfindung der Anstrengung der willkürlichen Muskeln in das Gefühl der Müdigkeit und dieses in das Gefühl von Schmerz; und dieser Schmerz, ob er gleich in ganz anderen Teilen seinen Sitz hat und auf eine ganz besondere Weise entsteht, ist doch eine ganz ähnliche Empfindung als die, welche entsteht, wenn unsere Teile einen zu großen Druck oder eine zu starke Dehnung erlitten haben. Er hat nichts Spezifisches. Die Mischungsveränderung in den Muskeln und Muskelnerven, die durch eine lange fortgesetzte Anstrengung derselben hervorgebracht zu werden scheint und die ich, wie gesagt, als die Ursache des entstehenden Schmerzes ansehe, kann auch durch andere Umstände, z. B. in Fieber entstehen und bringt dann einen ähnlichen Schmerz hervor, den man oft Zerschlagenheit der Glieder nennt.

Das Gemeingefühl der Muskeln, mittelst dessen wir den Grad der Anstrengung empfinden, welcher erforderlich ist, um den uns geleisteten Widerstand zu überwinden, ist so fein, daß es uns Dienste leistet wie ein Sinn, den wir den Kraftsinn nennen könnten. Es ist oben durch Versuche dargetan worden, daß wir den Unterschied zweier Gewichte durch das Gemeingefühl der Muskeln noch bestimmter und genauer wahrnehmen, als durch den Tastsinn. Man unterscheidet noch das schwerere von dem leichteren Gewichte, wenn sich die Gewichte wie 40 zu 39 verhalten. Man könnte nun zwar behaupten, die Ursache der Empfindung der Anstrengung sei nicht in den Muskelnerven, sondern in dem Teile des Gehirns zu suchen, auf den der Wille einwirkt. In dieser Hinsicht ist es jedoch nötig, zu bemerken, daß man auch durch die Dehnung, die die Muskeln erleiden und also ohne alle Anstrengung des Willens, Gewichtsunterschiede wahrnehmen kann. Ich umgab die Handwurzel mit einem aus einem Tuche gemachten Ringe und ließ den Arm über eine Stuhllehne herabhängen, so daß er in der Achsel unterstützt war. Wurden nun an einem an dem Bande befindlichen Haken Gewichte an dem schlaff herabhängenden Arme aufgehangen, so hatte man durch die Dehnung der Muskeln eine Empfindung, mittelst deren man den Gewichtsunterschied wahrnehmen konnte, wozu freilich zugleich auch die Empfindung des Druckes beitrug, die man an dem Orte hatte, wo die Hand von dem Ringe gedrückt und der Arm von der Stuhllehne unterstützt wurde. Die Dehnung der Muskeln entstand dadurch, daß die schlaffen Bänder in den freien Gelenken der Hand und des Oberarms etwas nachgaben, so daß sich die Ansatzpunkte mancher Muskeln von einander entfernten. Es ist schon oben auseinander gesetzt worden, daß wir durch Erfahrung wissen, welche Anstrengung bestimmter Muskeln dazu gehört, damit unsere Glieder in eine gewisse Lage versetzt, und darin erhalten werden, und daß sich diese Erkenntnis mit dem Gefühle der Anstrengung so assoziiert hat, daß wir durch das letztere Gefühl in jedem Augenblicke eine Vorstellung von der Lage unserer Glieder haben, auch wenn wir dieselben nicht sehen und sie sich einander nicht berühren. Wenn ein Anderer unseren Händen und Fingern eine bestimmte Stellung gibt und wir diese Stellung erhalten, so wissen wir doch, in welcher Lage sich diese Glieder befinden. Durch das Gefühl von der Anstrengung der Muskeln erkennen wir also in jedem Augenblicke die Stellung der absichtlich bewegten Teile unsers Körpers und das mangelnde Gleichgewicht, durch sie nehmen wir sogar die Richtung sehr genau wahr, in welcher an unseren Haaren gezogen wird. Mit der Anstrengung bestimmter Muskeln, die wir bei der Hervorbringung der Töne, welche wir singen und der artikulierten Laute, die wir aussprechen, machen, assoziiert sich die Phantasievorstellung von diesen Tönen und Lauten und es gibt nichts, wodurch wir diese Phantasievorstellungen so lebhaft erwecken könnten, als indem wir die Stimm- und Sprachorgane in die Stellung bringen, bei welcher jene Töne und Laute entstehen würden, wenn wir zugleich ausatmeten. Mit der Anstrengung bestimmter Muskeln, durch welche wir gewisse Mienen hervorbringen, assoziert sich die Vorstellung von der Seelenstimmung, die uns antreibt, eine solche Miene zu machen, und daher erweckt auch umgekehrt eine gewisse Lage der Teile unseres Gesichts eine gewisse Seelenstimmung und diese verschwindet leichter, wenn die Lage jener Teile geändert wird, z. B. wenn wir mit der Hand gewisse Runzeln der Stirn glätten.

Man hat zu den Augenmuskeln, welche bekanntlich ihre Nerven von Bewegungsnerven, nämlich vom N. Oculomotorius, Trochlearis und Abducens bekommen, auch sehr dünne Äste eines Empfindungsnerven, des Ramus ophthalmicus des Trigeninus verfolgt. Auch zu andern Muskeln gehen unstreitig zugleich mit den Bewegungsnerven einige Empfindungsnerven hin, die sich durch die Anastomosen verschiedener Nerven den Bewegungsnerven beimengen. Vielleicht sind diese Empfindungsnerven die Ursache des in gewisser Hinsicht so lebhaften und feinen Gemeingefühls der Muskeln und vielleicht erklärt sich die Erscheinung, daß manche dem Willen gehorchende Muskeln, z. B. das Zwerchfell, dieses Gemeingefühl in viel geringerem Grade besitzen, dadurch, daß sie mit einer geringeren Zahl von Empfindungsnerven versehen sind. Die Annahme aber, daß das Gemeingefühl der Muskeln immer durch Nerven, die mit den Tastnerven entspringen vermittelt werde, scheint durch diejenige Art der Lähmung, welche man Anästhesie nennt, nicht bestätigt zu werden. Bei der Anästhesie verliert man in den Gliedern das Empfindungsvermögen, während das Vermögen sie willkürlich zu bewegen fortdauert. Nicht jeder Krankheitszustand, den man für Anästhesie erklärt hat, ist dafür zu halten, denn da viele Muskeln aus der Entfernung auf die Glieder wirken und z. B. die Muskeln, welche die willkürliche Bewegung der Finger bewirken, nicht an den Fingern, sondern größtenteils an dem Unterarme liegen, so können, wenn die Lähmung nicht zugleich den Unterarm ergreift, sondern nur die Hand, die Finger bewegt werden, während sie fühllos sind. Dieses ist keine wahre Anästhesie. Aber auch bei der wahren Anästhesie, wo ein großer Teil des Körpers des Tastsinns und des Vermögens Schmerz zu empfinden, ganz oder fast ganz beraubt ist, und dennoch absichtlich bewegt werden kann, dauert bisweilen das Vermögen zu gehen fort, und dieses setzt die Empfindung des mangelnden oder stattfindenden Gleichgewichts voraus, ohne welche das Balancieren des Körpers unmöglich ist.

Einige Fälle von Anästhesie, welche in den Med. chirurg. Transact. B. II. p. 217 und B. III. p. 90, ferner in American medical Repository B. IV. p. 225 mitgeteilt worden, findet man in Nasse, Zeitschrift für psychische Ärzte. 1822. Heft 2 gesammelt. Ein vorzüglich interessanter, dort nicht erwähnter, Fall ist von A. Reid berichtet worden. (Siehe Frorieps Notizen 1829. B. 24. p. 217.) Ich will ihn hier mitteilen: Ein gewisser Walker stürzte 1802 vom Pferde. Im Jahre 1812 bekam er einen Anfall von Erysipelas am Beine. Beide Beine wurden betäubt und zeigten sich beim Einstechen einer Stecknadel unempfindlich, der Tastsinn war gelähmt, denn Walker konnte, wenn er ein Fußbad nahm, nicht eher sagen, ob das Bad heiß oder kalt sei, bis er das Bein bis über die Mitte des Oberschenkels eingetaucht hatte. Er hatte dabei das Gefühl, als ob der Fuß mit einem Strumpfe oder Stiefel bedeckt sei, oder als ob er eingeschlafen sei. Er war aber vollkommen im Stande, den Fuß gehörig zu bewegen. Nach dem Jahre 1815 erlitt er an dem Os metatarsi der kleinen Fußzehe eine Quetschung, dieser Knochen wurde cariös und mußte weggenommen werden. Walker versicherte, daß er bei dieser Operation nicht den geringsten Grad von Schmerz empfunden habe, es sei gewesen, als habe man an einem toten Gliede operiert. Die Krankheit dehnte sich allmälig so aus, daß zur Zeit, wo Reid über ihn berichtete, das Empfindungsvermögen fast ganz an der Oberfläche des Körpers vernichtet war, während die Bewegungskraft zwar geschwächt, aber doch noch so unversehrt war, daß er seine Hände noch gebrauchen konnte, um seine Speisen zu tranchieren, um zu schreiben und um die Zügel zu halten, wenn er ritt, auch war er im Stande, eine kurze Strecke ohne Stock zu gehen. Er sagte: "Ich fühle mit nichts, als mit meinem Munde, d. h. ich bin nicht im Stande zu sagen, ob ein Gegenstand, den ich berühre, kalt oder heiß, rauh oder glatt sei." Er konnte nicht eher sagen, ob er die Zügel in den Händen habe, als bis er's sah. In den Füßen hatte er das Gefühl, als ob sie steif und schwer wären. Sein Gesicht war schwach, sein Gehör, Geschmack und Geruch dagegen waren gut. Es sind keine Versuche darüber angestellt worden, ob Walker die Lage seiner Glieder, ohne sie zu sehen, habe angeben können, Allein schon daraus, daß er gehen konnte, erhellt, daß er noch ein Gefühl von der Anstrengung der Muskeln gehabt habe. Hierauf deutet auch die Angabe hin, daß ihm die Füße steif und schwerzu sein geschienen haben. Der Tastsinn und das Gemeingefühl der Haut scheinen also gelähmt, die Muskeln dagegen des Gemeingefühls nicht ganz beraubt gewesen zu sein.

Besonderes Gemeingefühl in Teilen des Nervensystems.

Alle Empfindungen beruhen auf einer in den Nervenfäden vor sich gehende Veränderung und insofern kann man behaupten, daß es nur ein Gemeingefühl in den Teilen des Nervensystems gebe. Indessen kann man doch in manchen Fällen unterscheiden, ob die erste Veranlassung zu einer solchen Veränderung von Etwas ausgeht, was auf die peripherischen Enden unserer Nervenfäden oder auf die Stämme der Nerven oder auf die zentralen Teile des Nervensystems wirkt. Dieses zu unterscheiden, ist in medizinisch praktischer Hinsicht wichtig, aber oft sehr schwer.

Man hat Schauder, Ameisenkriechen, Eingeschlafensein oder Taubheit der Glieder, und Schmerz durch Krampf als besondere Äußerungen des Gemeingefühls des Nervensystems angesehen, und in der Tat, es deuten diese Symptome auf ein Leiden hin, welches oft nicht in den in der Haut und in den Muskeln verborgenen Nervenenden, sondern in den Nervenstämmen und im Gehirne und Rückenmarke seinen Sitz hat.

Gewiß entstehen auch viele Schmerzen auf diese Weise, daß die Schmerz erregende Ursache nicht auf die Nervenenden in den Teilen, sondern auf die Nervenstämme oder auf die Nervenfäden im Gehirne und Rückenmarke wirkt. Aber sie sind schwer von den anderen Schmerzen zu unterscheiden. Ich kann mich nicht davon überzeugen, daß der Kopfschmerz niemals in Gehirnfasern, sondern immer in den Enden derjenigen Empfindungsnerven seinen Sitz habe, welche sich zu dem Zwecke, das Gehirn empfindlich zu machen, in das Gehirn hinein verbreiteten. Die Existenz solcher Nervi nervorum ist noch nicht dargetan. Longet, welcher sich ehemals mit Magendie darüber stritt,Longet in Comptes rend. 1839. Juin. Nr. 23 p. 920. wer von ihnen durch physiologische Experimente dargetan habe, daß Empfindungsnerven aus der hinteren Wurzel der Rückenmarknerven am Ganglion spinale in die vordere Wurzel übergingen, und sich in ihr in der Richtung nach dem Rückenmarke zu verbreiteten und dadurch diese Wurzel empfindlich machten, überläßt jetzt diese Ehre ganz Herrn Magendie und will von seinen eigenen Versuchen nichts mehr wissen.Longet, Anatomie und Physiologie des Nervensystems übers. v. Hein. B. I. Leipzig 1847. p. 30 Ehemals glaubte er gefunden zu haben, daß die vordere Wurzel der Rückenmarknerven empfindlich sei, so lange die hintere nicht durchschnitten worden, daß sie aber nach deren Durchschneidung unempfindlich werde.

Gemeingefühl in den Organen, welche mit einer Schleimhaut versehen sind.

Manche Gemeingefühlempfindungen in diesen Organen sind, wie ich sie geäußert habe, wahrscheinlich mit heftigen Bewegungen ihrer Muskelfasern verknüpft, andere beruhen unstreitig auf Eindrücken, welche auf die Schleimhaut selbst gemacht werden.

Hierher gehört der Kitzel, den tropfbare Flüssigkeiten, sogar die mildesten, sowie auch alle festen Körper im Kehlkopfe hervorbringen, welcher die Verschließung der Glottis und das Husten zur Folge hat. Bei der Bronchotomie sieht man, daß diese große Reizbarkeit nur in dem Kehlkopfe und nicht in der Luftröhre existiert. Hierher ist auch zu rechnen der Ekel erregende Kitzel bei Berührung der Zungenwurzel.

Auf der Schleimhaut der Nase erregt, wie schon erwähnt worden, die Berührung fester Körper den eigentümlichen Kitzel, der zum Niesen führt, Wasser dagegen, womit man die Nase füllen kann, reizt die Schleimhaut nicht, wohl aber tut es die Kohlensäure kohlensaurer Getränke, wenn die sich entwickelnde Luft aus dem Magen aufsteigt und uns in die Nase kommt. Sie bringt dann eine sehr heftige Empfindung in der Nase, nicht aber in dem Munde hervor. Eine eigentümliche Empfindung erweckt mit Pfefferminzöl getränkter Zucker an der Zunge, am Gaumen und am Schlunde.

In der Harnröhre bemerkt man heftige Empfindungen, wenn mit dem Harne Blut oder griesartige Niederschläge vermengt sind.

Der Durst beruhet vielleicht auf einer Abänderung der auf manchen Schleimhäuten stattfindenden Sekretion, die wieder durch den Mangel an der hinreichenden Menge von Wasser im Blute entsteht; daher erregt die Aufnahme einer großen Menge Kochsalz ins Blut Durst, weil dann die gewöhnliche Menge des Blutwassers nicht mehr die erforderliche Verdünnung des Bluts hervorbringt. Auf der anderen Seite bringt das Unterlassen des Trinkens desto schneller Durst hervor, je mehr wässerige Teile man durch Ausdünstung oder Durchfälle verliert. Die Ursache, warum wir dabei das Gefühl der Trockenheit hauptsächlich im Schlunde und am Gaumen haben, liegt wohl darin, daß diese Teile eine besondere Empfindlichkeit für gewisse Einflüsse besitzen, die der Speiseröhre, dem Magen, den Gedärmen und sogar der Zunge fehlt. So wie die Conjunctiva durch schwefligsaure Dämpfe und durch Ammoniakdämpfe sehr affiziert wird, so ist es auch, wiewohl in geringerem Grade, nach meinen Versuchen am Gaumen und Rachen der Fall. Diese Teile sind mit dem Tastsinne versehen und haben zugleich eine viel dünnere Oberhaut als die Zunge. Würde die Conjunctiva nicht durch die Tränen benetzt, so würden wir vielleicht auch beim Dursten Trockenheit in den Augen empfinden. Wir fühlen zwar den Durst am meisten am Gaumen und im Schlunde, aber der Zustand, der die Empfindung hervorruft, ist unstreitig nicht bloß auf diesen Teil der Schleimhaut beschränkt.

Das Gefühl, welches nach längerem Mangel an atembarer Luft mit dem Bedürfnis des Atmens verbunden ist, hat unstreitig seinen Sitz nicht bloß in der Schleimhaut der Lunge, sondern auch im Herzen, weil mit diesem Mangel Störungen im Kreislaufe verbunden zu sein pflegen.

Das Gemeingefühl in Teilen, welche nicht reich an Nerven und an Blutgefäßen sind.

Die Knorpel, die Knochen, die serösen Häute und namentlich auch die Synovialhäute, die Blutgefäße, die sehnigen Teile, das Bindegewebe und das Fettgewebe haben im ausgebildeten und gesunden Zustande nicht sehr dichte mit Blut sehr erfüllte Haargefäßnetze. Bei den Knorpeln, so lange sie nicht verknöchern und so lange in ihnen keine Markhöhlen entstehen, lassen sich die Blutgefäße gar nicht sichtbar machen und eben so wenig kann man Nerven zu den Knorpeln hin verfolgen. Dagegen sind die Nerven der serösen Häute und Synovialhäute, mancher sehnigen Teile, z. B. der Dura mater, der äußeren Arterienhaut, der Haut großer Venenstämme anatomisch dargestellt worden, die mittlere und innere Arterienhaut besitzen jedoch nach meinen Untersuchungen keine Haargefäße, wohl aber die Längsfaserhaut der größeren Venen.

Alle diese Teile scheinen nur im kranken Zustande fähig zu sein, uns Gemeingefühlempfindungen zu verschaffen. Unstreitig sind es hauptsächlich die Blutgefäße in ihnen, zu welchen sich die diesen Teilen angehörenden Nerven begeben, und so scheint denn auch die übermäßige Ausdehnung der Gefäße mit Blut eine Bedingung zu sein, unter welcher in ihnen Schmerz entstehen kann.

Um die Empfindlichkeit der Knorpel und Synovialhaut zu prüfen, brachte HallerHaller, de partibus c. h. sensibilibus et irritabilibus, Commentar. soc. reg. Gotting. T. II. 1752. bei einer lebenden Katze in die Gelenkhöhle des Beckens, in welcher der Oberschenkelknochen eingelenkt ist, Vitriolöl und in das Kniegelenk ein ander Mal Vitriolöl und Spießglanzbutter; er stach und brannte die Oberfläche dieser Gelenke, ohne daß die Tiere Zeichen des Schmerzes zu erkennen gaben. DörnerDörner, De gravioribus quibusdam cartilaginum mutationibus. Tubingae 1798. 8., der unter Autenrieths Leitung 34 Experimente über die Verletzung der Knorpel an lebenden Katzen gemacht hat und hierzu die Nasenscheidewand-, Ohr-, Kehlkopf-, Rippen- und Gelenkknorpel benutzt hat, erwähnt nichts davon, daß die Tiere dabei Zeichen des Schmerzes verraten hätten, außer im 25sten Experimente, wo 2 Gran Höllenstein in die Kniegelenke gebracht wurden, wodurch denn freilich die weichen Teile des Gelenks zerstört, und vielleicht auch benachbarte Teile verletzt wurden.

Die Verletzung der Arterien scheint keinen merklichen Schmerz zu erregen. HallerHaller, De partium c. h. fabrica etc. Lib. II. Sect. l. § 12. und dessen Second. mémoire sur les parties sensibles, p. 217. sah niemals, daß ein Tier durch Geschrei oder auf andere Weise Zeichen von Schmerz zu erkennen gab, wenn er eine Arterie an einer solchen Stelle, wo kein Nerv lag, mit einem Faden oder Bande zusammenschnürte und er beruft sich zugleich auf ähnliche Erfahrungen, welche Bromfield und Pouteau bei Menschen gemacht haben. Wenn dagegen Bichat, sobald er reizende Flüssigkeiten, wie Tinte, verdünnte Säuren oder Wein in die Arterien lebender Tiere spritzte, heftigen Schmerz entstehen sah, so beweist dieser Versuch nicht die Empfindlichkeit der Arterien, denn es dringen dann diese Flüssigkeiten durch die Poren der Gefäßwände in die benachbarten mit Nerven versehenen Teile ein.

Die sehnigen Teile sind im gesunden Zustande gegen äußere Reize wenig oder gar nicht empfindlich. HallerHaller, Elementa physiologiae. Lib. XXVIII. in der Vorrede. führt 39 Schriftsteller an, welche bei Menschen über die Unempfindlichkeit der Sehnen, und 18, welche hei Tieren darüber an 200 Versuche gemacht haben, er nennt ferner 25 Schriftsteller, welche über die harte Hirnhaut ähnliche Beobachtungen bei Menschen und 16 Beobachter, welche an derselben Haut bei Tieren Versuche gemacht haben. Ebenso sind die Beobachtungen über die Unempfindlichkeit der Knochenhaut sehr zahlreich, welche bekanntlich bei Amputationen ohne Schmerz abgeschabt wirdHaller, in Commentar. Gotting. 1752. T. II. p. 123. sq. Opera min. I. p. 341. und Castelli experimenta, quibus varias c. h. partes sensu carere constitit. Gottingae 1753. Sect. III.. Man hat bei allen diesen Versuchen teils eine mechanische Reizung durch Zerschneiden, Zerreißen, Zerkneipen, teils eine chemische Reizung, indem man sie brannte, mit Spießglanzbutter, Säuren und Alkalien und anderen Ätzmitteln berührte, angewendet, und mit der dura mater sogar im entzündeten Zustande Versuche gemacht. Indessen will BichatBichat, Allgemeine Anatomie übers. v. Pfaff. B. II. Abt. 1. wahrgenommen haben, daß zwar die Sehnen, Aponeurosen und Bänder gegen die chemischen und meisten mechanischen Reizmittel unempfindlich wären, daß sie aber doch sehr schmerzten, wenn sie gewaltsam ausgedehnt oder durch Drehung gewunden würden. Man beobachtet allerdings, daß bei Fußreißen angestrengte oder gedehnte Bänder heftig schmerzen.

Das Bindegewebe ist nach HallersHaller. Novi Comment. soc. reg. Gotting. T. III. p. 25., Schobingers und Zimmermanns Versuchen, die von Bichat bestätigt worden sind, im gesunden Zustande unempfindlich. Man kann es nach Bichat bei lebenden Menschen und Tieren durchschneiden, in verschiedenen Richtungen zerren und durch Luft ausdehnen, ohne Schmerz zu erregen, vorausgesetzt, daß die durch dasselbe laufenden Nerven nicht verletzt werden. Auch das Fett enthaltende Zellgewebe ist im Allgemeinen unempfindlich, indessen schien das Knochenmark bei den von DuverneyDuverney, Mem., de l' Ac. roy. des sc. de Paris. a. 1700. p. 199. und Monro bei amputierten Menschen angestellten Versuchen empfindlich, was auch Troja, Köhler und Bichat durch Versuche bei Tieren bestätigt haben. Diese Empfindlichkeit kommt aber vermutlich nicht dem Knochenmarke, sondern unstreitig den kleinen von GrosGros, in Comples rendus T. XXIII. Nr. 24. p. 1106 und in Frorieps Notizen 1847. März p. 289. beim Pferde deutlich dargestellten Nerven zu, die durch die foramina nutritia mit den Blutgefäßen eindringen und zum Teil durch das Knochenmark hindurch zu den Knochen sich zu begeben scheinen.

Die Knochen sind im gesunden Zustande unempfindlich. Bichat sagt, man könne sie zersägen, zerschneiden, klopfen und brennen, ohne einen merklichen Schmerz zu erregen. Indessen können sie wie viele andere Teile, welche im gesunden Zustande unempfindlich sind, doch im kranken Zustande schmerzhaft werden, z. B. bei venerischen und gichtischen Knochenkrankheiten.

Auch der Nabelstrang scheint unempfindlich zu sein.

Das Gemeingefühl bei Menschen und Tieren, bei Gesunden und Kranken.

Das Gemeingefühl kommt allen Tieren zu, und schon der Embryo scheint durch Gemeingefühlempfindungen veranlaßt zu werden, seine Lage im Mutterleibe zu ändern. Bei Kranken, namentlich in der Hypochondrie und Hysterie, veranlassen Einwirkungen, die oft so schwach sind, daß sie bei Gesunden unbemerkt bleiben, lebhafte Gemeingefühlempfindungen. Mit Unrecht glauben Manche, daß eine größere Erregbarkeit der Nerven die Ursache dieser Erscheinungen sei. Vielmehr scheinen die verschiedenen Verrichtungen der Organe bei solchen Kranken, wegen mancherlei Fehler und Unvollkommenheiten schon durch geringe Einwirkungen gestört zu werden, und die Störung einer Verrichtung scheint dann leicht eine neue Störung nach sich zu ziehen und dadurch Schmerz zu erregen. Eine mäßige Anstrengung der Muskeln verursacht bei solchen schwächlichen Menschen schnell Ermüdung und Schmerz, keineswegs aber deswegen, weil die Nerven erregbarer wären, sondern weil die Muskelsubstanz unbrauchbarer ist und schon nach einer kurzen Tätigkeit Veränderungen erleidet, die Ermüdung und Schmerz zur Folge haben.E. H.Weber.


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