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III. Scenen aus dem Hussiten-Kriege und aus dem Leben Friedrichs des Streitbaren, Churfürsten und Herzogs zu Sachsen, Landgrafen in Thüringen und Markgrafen zu Meißen etc.

(Handlung: vom Jahre 1421 bis 1428.)
Erzählt von A. Textor.

Johannes Huß war im Jahre nach Chr. Geb. 1415 zu Costnitz in Schwaben, des ihm gegebenen sichern Geleits ohngeachtet, wegen seiner Lehre zum Tode verurtheilt und auf einem Scheiterhaufen grausam verbrannt worden. Dieß war die Ursache des sogenannten Hussiten-Krieges, jenes grausamen und verheerenden Bürger- und Religionskampfs, der über Böhmen und Sachsen so zerstörend einherschritt, und fast in allen Städten und Dörfern dieser Länder die blutigen Spuren ungeheuerer Gräuel zurück ließ.

Eine zusammenhängende Darstellung dieses Krieges würde unendlich viele Schreckens-Scenen, aber auch hier und da größere einzelne Heldenthaten darstellen, als es die Helden-Bücher der alten Heroenzeit vermochten. Hier mögen nur einige Handlungen von Hochherzigkeit und Seelengröße, welche auf die vaterländische Geschichte einen ausgezeichneten Einfluß hatten, ausgehoben seyn.

*

Friedrich der Streitbare, der wackere Sachsenfürst, hatte am Tage Augustini, den 19. Aug. 1421, die Hussiten in den Ebenen von

Brix

(einer schönen und reichen Stadt des nördlichen Böhmens) geschlagen. 2000 Hussiten waren auf dem Schlachtfelde unter der Schärfe des Schwerdts gefallen; an 1000 wurden gefangen und – so war es die wilde Sitte jener Zeit – zum Schrecken für die Rebellen hingerichtet.

Derselbe Fürst hatte auch mit heldenmuthiger Ausdauer und Geistesgegenwart die belagerte Festung Carlstein in Böhmen, in deren Schlosse die höchst kostbare Königl. Böhmische Krone, nebst den Reichs-Insignien und andern großen Schätzen, aufbewahrt war, unter furchtbaren Beschwernissen behauptet, und befand sich nun bei seinem Freunde, dem Kaiser Sigismund, zu Ofen im Ungerland: als die Hussiten, die ihn, rache-glühend, in grimmiger Wuth haßten, in grauenvollen Horden die Stadt Außig umschlossen, und von da in mehreren einzelnen Heeres-Abtheilungen über Tetzschen und Obergrund aus den böhmischen Gebirgen hervor drangen, und das ganze Meißner Land zu überschwemmen bedrohten. Wo sie nur hinkamen, war Gräuel und Verwüstung. Sie wütheten, wie losgekoppelte Rüden, die das scheue Wild verfolgen, welches des Waldes Schlupf-Winkel sucht. Oft stellt es sich zum Kampfe der Verzweiflung; sie aber überwinden durch ihre wachsende Menge, und schlagen, durch des Jägers Ruf hitziger gemacht, die klappenden Zähne in des Thieres Weichen. So verfolgten die Schaaren der Hussiten blutgierig die unschuldigen Bewohner an den Meißnischen Gränzen, und die Hirten seines Hochlandes. Hochland, Elb-Hochland, itzt sächs. Schweitz genannt, umfaßt die Aemter Pirna, Hohenstein und Lohmen. Jene flüchteten, nach vergeblichem Widerstand, in schauervolle Felsengründe; und die weit umschauenden Höhen des rauhen (itzt zur Gräfl. Thunischen Herrschaft Tetzschen gehörigen, in Böhmen gelegenen) Schneebergs, so wie die des Pfaffen- und Zschirnsteins, die stillen Thäler von Elend, und die Felsenhöhlen des in tausend ernsten Naturschönheiten prangenden Bilaer Grundes füllen sich mit Geflüchteten. Ihnen folgen Böhmens Wüthrige auf dem Fuße nach, und nun sehen alle jene heiligen Felsen dieses und des (nunmehr sogenannten) Oberhütten-Grundes erschreckend den Kampf der Verzweiflung, das gegenseitige Niedermetzeln der Gefangenen, Mord der Kinder, Entehrung und Mord von Frauen und Jungfrauen; und die einzelnen Hütten des Grundes gehen in Rauch und Flammen durch des Feindes untergelegtes Feuer auf.

*

Auf einer andern Seite brechen der Hussiten rächende Schaaren über Peterswaldau, Höllendorf und Gottleube nach Sachsen.

Hier besetzen vierzehn Bürger, Bewohner des Städtchens Gottleube und des nachbarlichen, noch in einzelnen Wohnungen bestehenden

Berg-Gießhübels

einen Engpaß, stellen sich wohlbewaffnet dem Feinde muthig entgegen, und fallen bis auf den letzten Mann, im Kampf der Verzweiflung und des Todes kämpfend; – aber ihr Zweck ist erreicht: Frauen, Kinder und Greise erhielten Zeit, sich unter des vesten Schlosses

Kuckukstein zu Liebstadt

Schutz zu flüchten, wo ein edler Rittersmann, Rudolph von Bünau, befehligte, dessen Hausfrau Luitgardis Das Leben dieses wahrhaft edlen und hochherzigen Weibes ist in einem bei Conrad Diller in Pirna erschienenen Romane besonders beschrieben., eine geborne Fräulein Carlowitz, den Hülflosen, mit mütterlicher Sorgfalt und Milde, Pflege und Unterhalt gab.

Die Selbstaufopferung dieser Bürger-Helden machte die Barbaren zittern, daß sie für itzt von dieser Seite an ein weiteres Vordringen nicht dachten.

Den Gefallnen wurde die Bewunderung der Mitwelt, Verehrung und Dank der Nachkommen. Zu ihrer Ehre wurde ihren Patronen, den 14 himmlischen Nothhelfern, eine Capelle errichtet. Diese ist zwar längst in Trümmer zerfallen; noch aber nennt ein Fels ohnweit Gießhübel und Friedrichsthal Friedrichsthal, ein Freiherrlich Leyserisches Gut, ist durch sein Georgen-Bad (Gießhübler Bad) berühmt. Diese Curanstalt ist sowohl durch die anerkannten Heilkräfte ihrer Mineral-Quellen, als seit dem Jahre 1823 durch ihre musterhaft gute innere Einrichtung, Anlagen und Verschönerungen ihrer Umgebungen, eine der vorzüglichsten und in jeder Hinsicht empfehlungswerthesten in Sachsen.
Diese neueren Anlagen verdankt sie ihrem dermaligen Besitzer, dem Herrn General Freiherrn von Leyser, welcher gewiß auch den Felsen der 14 Nothhelfer durch irgend eine sinnreiche Inschrift verherrlichen wird.
diesen Namen, und bewahrt ihn den späten Enkeln.

*

Furcht und Entsetzen aber war über das ganze Meißnerland gekommen; denn abwesend war seines treuen Volkes Fürst und Herr, und in der Berathung seiner Ritter, Vasallen und Mannen mangelte Einheit und fester Entschluß, ohne welche nie eine große und gemeinnützige That vollbracht werden kann. Alle waren eines guten und weisen Raths bedürftig, und er wurde ihnen.

Die Gemahlin Friedrichs des Streitbaren,

Churfürstin Katharina,

Herzogs Heinrichs zu Lüneburg Tochter, belebte Aller Herzen mit Muth und Hoffnung. Ihr Aufruf, der aus dem Herzen zu den Herzen gieng, brachte in Eil ein Heer von 30,000 Mann zusammen. Die Churfürstin, als eine weise und umsichtige Landesmutter, bestätigte und setzte über selbiges tapfere Feld-Hauptleute und Anführer. Es waren aber diese Ehrenmänner: Ernst, Graf von Gleichen, Graf Friedrich Beichling, Graf Protz von Querfurth, sämmtlich Thüringer, Friedrich, Graf von Thun, ein Böhme, Heinrich, Herr zu Schönburg-Hartenstein, Hanns von Schönberg, Rudolph von Bunaw, Dietrich Pack, Carl Apel und Friedrich Busse, Meißnerländer. Das Heer sammelte sich in der Gegend der freien und treuen

Berg-Hauptstadt Freiberg,

und viele ihrer wackern Bürger und Bergknappen, welche nie fehlten, wo das Vaterland in Gefahr war; nicht minder mehrere bereits Haus und Hof, Weib und Kind besitzende Bürger von Siebenlehn, Oederan und des durch die Tapferkeit seiner Mannen in der Vorzeit so ausgezeichneten

Mitweyde,

nahmen freiwillig, auf Gottes Schutz und Hülfe bauend, unter dem Befreiungs-Heere Dienste.

Itzt stund es Schlacht-gerüstet im Lager, und nun kam die edle Frau Churfürstin selbst, es zum Entscheidungskampfe anzufeuern und zu beleben.

*

In würdevoller Majestät und Herz-erobernder Schönheit trat sie, ihren ältesten Prinzen, den nachmaligen

Churfürsten Friedrich den Sanftmüthigen

an der Hand leitend, und den jüngern, den in der Zukunft seinem Bruder so furchtbar werdenden

Herzog Wilhelm,

der damals noch Säugling war, in dem Arm am Mutter-Busen tragend, hochherzigen Muthes ins Lager.

Alle Ritter und Mannen neigten vor ihr die glänzenden Waffen, schlugen an die tönenden Schilde, und aus tausend Stimmen scholl ihr ein helles Lebe hoch! ein herzliches Glückauf! entgegen.

Die Churfürstin, die Liebe des Volkes sehend, das vielleicht bald dem Tode im Kampf entgegen schritt, vergoß Thränen der Wehmuth, öffnete ihren Mund und sprach:

»Die der Prüfung ist über uns gekommen; Palästen und Hütten droht die Flamme der Verheerung. Laßt uns fest stehen in Treu' und Glauben, in Beharrlichkeit und Muth. Thüringer und Meißner! durch Gottes Schickung itzt zu einem Brudervolk vereinigt! vertheidigt die Söhne eures Landesherrn. Seid der Schutz ihres schwachen Alters. Schirmt Altar und Kirche, schirmt Haus und Heerd gegen den versöhnungslosen Feind, und unsere Tugend trete versöhnend zwischen uns und den, der uns der Prüfung und des Leidens Tage sandte, daß wir stark befunden wurden im Glauben und der Zuversicht.

Mein Gebet wird Euch begleiten, edle Herren und Ritter, wackre Bürger, und ehrenveste Bergknappen! Ich und noch andere edle Frauen werden die heimkehrenden Verwundeten mit Liebe pflegen, und treue Mütter der Waisen derer seyn, die im Kampfe der Entscheidung fallen.«

So sprach die Churfürstin. Ihre Worte giengen den Kriegern durch die Seele. Thränen der Rührung benetzten die blanken Schilde, und Jeder that sich selbst das Gelübde: treu zu seyn bis in den Tod. Hierauf wurde im Lager ein feierliches Hochamt gehalten, und nun zog unter schmetterndem Trompetenruf das Heer, bereit zum Siegen oder Sterben, der Stunde der Entscheidung entgegen. Die Chur-Fürstin aber verblieb für itzt zu Freiberg, wohl wissend, daß der Muth der Bürger dieser Stadt eine eherne Mauer der Liebe und Treue um sie zöge. – Die Feinde weichen den vordringenden Schaaren, und ziehn sich über die Gebirge nach Böhmen zurück. Auf dem Fuße folgt ihnen unermüdet Graf Gleichen, und dringt in den beschwerlichsten Märschen durch unwegsame und verwüstete Fluren über Gottleube, die Zwiesel, die Hermsdorfer und Rosenthaler Gründe in Böhmen mit seinem Heere ein, sich dort mit andern Hülfstruppen vereinend.

*

Nach unsäglichen Beschwernissen treffen sie das Hussitische Hauptheer am Fuße des hohen Gränzgebirges, ohnweit Außig, beim Dorfe Preslitz. Es war selbiges durch die bisherige Beute bis zur Wuth kampflustig und aufs beste kampfgerüstet, hatte auch der Speise und des Tranks im Ueberfluß, während die Meißner müde, erschöpft und abgehungert waren. Sie ziehen, die Reiterei an der Spitze, Tapferkeit athmend, still heran, einer für den andern zu streiten fest entschlossen. Noch einmal denkt ihr Herz der theuern Heimath, denkt der Frauen, die sie hier vertheidigen, der Kinder, die sie schirmen sollen; es erhebt sich nun lauter klopfend zu dem Gott, der ihnen beistehen wird in den Gefahren des Kampfs und des Todes, – und itzt, als die das Feindes-Heer wie ein Wall umziehende feste Wagenburg kaum einen Steinwurf vor ihnen steht, itzt gebeut der Feldherr den Angriff. Trommeln und Trommeten rufen, der Staub wirbelt unter ihren Füßen auf, blendet ihre Augen, und sie stehen unter lautem Schlachtrufe an den rasselnden Ketten, die der Feind um sein Lager zog. Einer solchen Wagenburg erwähnt die Geschichte ausdrücklich.

Hier steht der Hussiten eiserne Schaar; sie führt außer Schwerdt, Bogen und Lanze, Streitkolben mit eisernen Nägeln, mit Haken beschlagene Dreschflegel Ein solcher Dreschflegel ist noch in der Rüst- und Waffen-Kammer des Duxer Schlosses zu sehen., Aexte, Gabeln und Sensen an Stangen befestigt, eiserne Haken und Fangleinen, mit denen sie die Reiter von den Pferden ziehen; und Fußangeln Fußangeln sind Stachelnuß-förmige eiserne Haken, die auf die Erde geworfen werden, und den Pferden, weil immer ein Stachel nach aussen geht, in den Huf stechen. Auf dem Töplitzer Schloßberge sind dergleichen noch zu sehen. werden den Tritten der herannahenden Feinde verderblich. Die vordern Glieder der Böhmen decken sich mit ihren Schildern, indeß die hintern einen Hagel von Pfeilen auf die Andringenden senden. Die Meißner reißen den Hussiten die Schilder mit ihren Hellebarden vom Leibe; doch unter ihnen selbst wüthen die tödtenden Geschosse; Viele fallen, die Erde wird schlüpfrig vom Blut, und die Nachdringenden müssen über zuckende Verwundete, über im Todeskampf röchelnde Brüder, über die Leichname der Gefallnen sich den Weg bahnen.

Endlich ist die Kette durchbrochen, die Wagenburg gesprengt; das Fußvolk dringt stürmend ein, findet aber in der Mitte des Vierecks den erbittertsten Widerstand, und erliegt, da es Staub und Wind gegen sich hat, den ungewohnten mörderlichen Waffen der Feinde.

Itzt wagt die Meißnische Reiterei, die an diesem Orte wegen der vorgezogenen Ketten nicht eindringen konnte, von einer andern Seite, die durch die Wagenburg minder befestigt schien, durch feindliche Bogenschützen aber desto mehr vertheidigt war, einen neuen kühnen Angriff. Ein Herr von Schönburg führt dießmal den Vortrab. Folgt mir! ruft er seinen fünf ihn umgebenden Söhnen zu.

*

Sie stürmen mit vorgehaltenen Lanzen kühnen Muthes an; – doch die Kraft der Rosse sinkt, ehe sie den Feind erreichen; denn hinterlistig hatte dieser hier im Staube Fußangeln verborgen, welche sich in der Pferde harten Huf einschlagen, den Thieren unsäglichen Schmerz verursachen, und ihren Lauf hemmen. Mit ängstlichem Wiehern bäumen die Rosse, und überschlagen sich. Itzt stürzt der Feind selbst, durch den hitzigen Podskalsky Der Podskalsky-Wein wächst auf einer Felshöhe bei Außig, und ist der feurigste und berauschendste unter den edlen böhmischen Weinen. berauscht, mordlustig hervor, und Haken und Fangleinen reißen die Reiter vom Roß, und Blut und Gehirn entquillt den Wunden edler Meißner, die des Feindes Kolben, Schwerdter und scharfe Streit-Axt schlugen. Vom Rosse abgesprungen kämpft Schönburg. Das Schild, welchem in grauer Vorzeit des Ahnherrn Blut sein Kleinod Siehe romantische Sagen des Erzgeb. I &ec Theil. »Das Wappenschild der Schönburge.« gab, deckt die treue Brust, und wie der erhabne Ahnherr für Karls des Großen Ehre um den Sieg des Kreutzes unter den heidnischen Völkern focht: so focht, so fiel hier ein Held unter den Helden, der Tapfere. Um ihn lagen fünf seiner ritterlichen Söhne. Vergebens hatten sie es versucht, mit dem eignen Leib den Vater zu decken; vergebens vor- und rückwärts Leichen-Haufen wild andringender Feinde um sich gethürmt; – unbesiegt sterben sie den schönen Heldentod in treuer Ritterpflicht und Kindesliebe.

Die übrige Reiterei will itzt zu Hülfe eilen, – da stürmt aus bergendem Hinterhalt eine neue Schaar Feinde auf sie ein; sie wird umringt, und die Edelsten sinken unter der Feinde Schwerdt. Am Feldherrn-Stabe, an der Purpurbinde um die schimmernde Rüstung und dem hohen Reigerstutz auf dem goldnen Helm, den die Grafenkrone umschlang, erkennt der wachsame Feind den Ober-Feldherrn des meißnisch-thüringischen Heers, den Grafen Gleichen. Auf ihn richten sich alle Geschosse, und er sinkt, von Pfeilen durchbohrt, in vielfacher Todes-Wunde, und haucht den edlen Geist aus. Hirtenlos ist nun das Heer, seine Kraft ist gebrochen; die Hussiten benutzen den Augenblick des für sie entscheidenden Kriegs-Glücks. Sie trennen durch kriegskundige Wendung ihrer Schaaren die Meißner von ihren Hülfsvölkern – und zum Schlachten wird die Männerschlacht. Raublustig wenden die Hussiten zuerst alle ihre Macht auf die ritterlichen Reiter; theuer verkaufen diese ihr Leben, thürmen um sich feindliche Leichen-Haufen, – fallen aber durch der Feinde Uebermacht fast sämmtlich. Nun erst würgen Hussens Rache-Schaaren unter dem Fußvolk; Mann gegen Mann kämpfend, entscheidet auch hier die Uebermacht, und die einbrechende Nacht sieht das grauenvollste Schlacht-Feld. Erschlagen, nicht geschlagen, sind die Tapfern, sind des Meißner Heers Führer; und wie einst in grauer Heroenzeit des alten Griechenlands Leonidas Schaar gefallen war, so lagen Bürger und Mannen, mit Wunden auf der Brust, auf dem verhängnißvollen Schlachtfelde. Nur einem kleinen Theile gelang es, sich durchzuschlagen, und die vaterländischen Gränzen wieder zu gewinnen. –

Auch der Feinde Heer hatte gewaltig gelitten, auch von ihm waren tausend und abermal tausend des blutigen Tages Opfer geworden; auch seine kühnsten Feldherren waren theils verwundet, theils gefallen.

Unter den gebliebnen Meißnischen Anführern und Helden dieses verhängnißvollen Tags nennt die Geschichte, nach v. Birkens Ausgabe, den Grafen Gleichen, den Grafen Thun, Ein und Zwanzig aus dem Stamme Köckeritz, den Herrn zu Schönburg mit Fünf Söhnen, (der 6te lag daheim noch in der Wiege,) mehrere Schönberge, Vicedoms, Bünaws und Einsiedel. Ein Conrad von Einsiedel ward gefangen, in die Türkei als Sklave verkauft, und 30 Jahr darnach vor Belgrad wieder gefunden. Unsägliche Leiden hatten ihn ganz unkenntlich gemacht. Ueberhaupt sollen in dieser Schlacht, welche man gewöhnlich die große Hussiten-Schlacht bei Außig nennt, 14 Grafen, 4 Freiherren, mehr als Hundert Ritter und adelige Vasallen aus dem Thüringer und Meißner Lande, und 9000 tapfere Kämpfer auf dem Platze geblieben seyn. Die Freib. Chronik nennt 14 Grafen, 12 Edelleute, über 100 Ritter, und 200 Freib. Bürger. Wer zählte die Verwundeten? Der hinterlaßnen Waisen nahm sich die Frau Churfürstin, als eine wahre Landesmutter, mit Liebe und treuer Sorgfalt an.

Politische Folge der Schlacht bei Außig war die Eroberung der Stadt

Außig,

welche der Feind im Sturm eroberte, auswürgte, einäscherte. In späterer Zeit setzte man hier einen Baum, welcher noch auf der Stelle steht, wo Graf Gleichen, Schönburg und noch 5 andere Meißner Feld-Hauptleute den Frieden des Grabes schlummern sollen. Dieser Baum ist ohngefähr 1½ Stunden von dem neu-errichteten Culmer Monument entfernt. Es wurde nachmals, (um diese Erzählung mit des wackern Historiographen Sigismund von Birken eignen Worten, die er in der Darstellung des Königl. Poln. Chur- und Fürstl. Sächs. Helden-Saales pag. 16 u. f. ausspricht, zu vollenden) auf der Wahlstatt eine Capelle gebauet an einem Bächlein, das mit Blute der Erschlagenen soll geflossen haben. Meißen hatte hierauf die Ueberwindere sofort zu Gästen bekommen, wenn sie nicht, durch diesen Kampf zu sehr geschwächt, vor Pilsen, das sie ein Jahr lang vergebens belagert, sich verweilt hätten. Die Schlacht ist den 15. (andere wollen, den 25.) Julii 1426 an einem Sambstag (Sonnabend) geschehen.

*

Churfürst Friedrich ward über die Nachricht von dieser Niederlage so voll Kummers, daß er bei seiner Rückkehr ins Vaterland sich nicht wieder erholen konnte, und zum Grab reif wurde.

Als er endlich sahe, daß sein Ende herbeinahete, ließ er seine zween Söhne, Friedrichen und Wilhelm, von denen der Letztere, wie schon gedacht, noch in zartem Knabenalter stund, vor sich kommen, und gesegnete sie mit einer schönen Fürst-väterlichen Vermahnung, die da werth ist, daß sie auf die Nachwelt gebracht werde, indem er damit geweissaget, und, wie die Sterbenden pflegen, ein Prophet gewesen, indem er sie von der Zweitracht und andern Schwachheiten abgemahnet, wodurch sie nachmals, der väterlichen Warnung vergessend, über sich und ihre Lande viel Ungemach gezogen.

»Liebe Söhne! (sagte er) Zeit und Stunde ist vorhanden, daß ich aus diesem sterblichen zum unsterblichen Leben abwandere. Mein Abschied fället ja unzeitig wegen des Böhmischen Kriegs. Man muß aber dem göttlichen Willen, der nie anders als gut ist, Alles heimstellen. Lasset ihr nun dieses eure Sorge seyn, daß ihr das Vaterland bei Frieden erhaltet. Und solches wird, wie ich mich berede, leicht geschehen können, wann ihr in der Furcht Gottes, auch in brüderlicher Liebe und Eintracht lebet, die Unterthanen treulich schützet, und ihr Bestes fördert. Darum vermahne ich euch mit allem Ernst, daß ihr bei dem jetzt entstandenen Glaubens-Streit frommer und gelehrter Leute Unterricht anhöret. Nehmet auch ja nicht zu Räthen an, die Ehr- und Geld-geitzig sind, und von dem Regiment sich zu bereichern begehren. Beschweret nicht die Unterthanen mit neuen Bürden und Anlagen. Wollet ihr Einen zu Wohlfahrt fördern, so thut es ohne Unterdrückung der Andern. Mit dem Adel verfahret also, daß ihr sie geneigt und euch zu Willen habet. Keine Uebelthat lasset ungerochen und ungestrafet hingehen; wo aber Hoffnung und Besserung ist, da lasset die Nachsicht und Verzeihung Platz finden. Verdienet Jemand eure Ungnade: so bedenket, daß man im Zorn Maaß halten müsse. Zu den Waffen greifet nicht eher, als wenn es die höchste Noth erfordert. Gegen eure Unterthanen erzeiget euch als Väter, und nicht als Wüttiche und Tyrannen, vor welchen die Natur selbst einen Abscheu hat. Gedenket an Markgraf Friedrichen mit der gebissenen Wange, euren Ur-Ahnen: welcher zwar gegen drei Kaisere gekrieget, aber allein, um Land und Leute zu beschirmen. Unsere Vorfahrer hatten wenig Nutzen von den vielen Kriegen, die sie führen mußten. Was aber ein muthwilliges Kriegsanheben für Schaden einführe, solches ist aus Landgraf Albrechts Beispiel zu ersehen. Darum vermahne ich euch nochmals ernstlich, daß ihr sollet einträchtig seyn, einer dem andern nachgeben und vergeben. Dieses wird euch eine Mauer seyn wider allen feindlichen Ueberzug, der nicht ferne von euch ist. Und du, mein Sohn Friedrich! verhalte dich also bei der Chur-Würde, wie du es von mir gesehen, damit du dem Reich lieb und werth seyest. Du aber, mein Sohn Wilhelm! verehre diesen deinen ältern Bruder; das wird dir zur Ehre und Bestem gereichen. Ach, liebe Söhne, fasset doch diese meine väterliche Vermahnung wohl zu Herzen und Gedächtniß, und lasset euch ja durch nichts trennen oder streitig machen! Und dieses werdet ihr mir jetzt in die Hand versprechen.«

Auf diese Rede, die er mit vielem Seufzen untermenget, ließ er sie, nachdem er jeden bei der rechten Hand gefasset, wieder abgehen, und ferner die vornehmsten Räthe und Hofdiener beruffen, denen er gleichfalls mit einer ernsthaften Rede das Land und seine Söhne zu Treuen empfahl.

Am dritten Tag hernach starb er daselbst zu Altenburg, am 4. des Monats Januarii 1428; ist auch allda begraben worden. Seine Gemahlin starb den 28. Dec. 1441 zu Grimma, und liegt zu Meißen begraben; das Gedächtniß beider aber ehrt noch segnend das dankbare Vaterland, und ihre Tugenden erbten völkerbeglückend auf späte Enkel.


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