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I. Georg Schmidt, des Fürstensohnes, Herzog Alberts, Retter, und die Errichtung des im Jahr 1822 an dem Fürstenbrunnen bei Raschau gesetzten Monuments.

Erzählt von A. Textor.

Dignum laude virum Musa velat mori.

Horat.

1.

Höchst verschieden ist die jetzige Ansicht des Ober-Erzgebirges von der in der frühern Zeit, und namentlich in der Mitte des XV. Jahrhunderts. Alle Nachrichten aus der Vorzeit sind darin mit einander einig, daß die Erdfläche dieser Provinz damals höchst rauh, so wie zum Bewohnen für wilde Thiere geschickter, als für Menschen gewesen sey; und nur das allmälige Auslichten der Wälder hat das Klima gemildert. Dicke Wälder bedeckten sie in jener Zeit zum größten Theil, und in Sümpfe versanken der Weidmann und der Wanderer, wenn sie es wagten, diese Wälder, mit den Waffen in der Hand, zu durchstreifen. Und die Bären, Wölfe, Luchse etc., von denen uns der alte Lehmann in seinem historischen Schauplatz des Ober-Erzgebirges so viel erzählt, sind verschwunden; ja selbst das nützliche Speise-Wildpret wird mit jedem Jahre seltener.

Zwar hatte das Nieder-Erzgebirge ebenfalls noch große Wälder; doch war es minder rauh, als das obere, und aus jenen ragte schon die reiche Metropole des Erzgebirges, das herrliche Freiberg, hervor. In der prächtigen Alten-Zelle ruh'ten bereits mehrerer sächsischer Fürsten sterbliche Hüllen. Auch das ehrwürdige Chemnitz, Mittweide, berühmt durch den Heldensinn und die männigliche Tapferkeit seiner Bürger, Oederan, Frankenberg und noch mehrere andere Städte standen zu jener Zeit in ihrer schönsten Blüthe; ja Chemnitz hatte eine Zeit lang selbst die Reichsfreiheit genossen, sie aber späterhin wieder mit der Rückkehr zum sächsischen Fürstenhause vertauscht. Der Bergbau hatte in Freiberg und andern Städten des niedern Gebirges dem Menschengeschlecht bereits große Summen gespendet, als im Obergebirge erst hier und da die Hand des fleißigen Bergmanns schürfte.

Zwar zählte das alte Schlettau (Sletin) schon Jahrhunderte seit seiner Entstehung; Geyer, Ehrenfriedersdorf, Thum, Zwönitz und Wolkenstein aber waren durch ihren Bergbau nicht längst erst ins Daseyn getreten; doch hatte das Warmbad bei dem letztern schon länger seine Heilkräfte den Kranken geboten. In diesem Bade befindet sich ohnweit der Pfanne, wo das Wasser seine nöthige Wärme erhält, die Jahrzahl 1385 unterhalb eines an der Wand angebrachten Crucifixes. Die dabei befindliche Inschrift aber ist auf jeden Fall von jüngerer Hand. A. d. V. Weit früher aber verdankten Eibenstock (Zjbanstoc) und Zschopau (Czopowe), so wie das alte Walddorf Fronau (Fronowe) ihren Ursprung den Zügen der alten Wenden; und auch ihren Bergen wurden durch menschlichen Fleiß und Beharrlichkeit die Schätze der Erde entrungen.

Im schönen neuerbauten Clostertempel zu Grünhayn sangen seit zwei Jahrhunderten fromme Väter ihre Hymnen zum Preiße des Ewigen, vermischt mit den Vigilien, dem Andenken der Brüder geweiht, die einst an jenem Schreckenstage S. Rom. Sag. I &ec Band. Meister Jahn. am Altare des Herrn unter den Schwerdtern der Hussiten gefallen waren. Das von diesen Fanatikern gleichfalls ganz verwüstete Quedlenburg aber, jetzt Elterlein genannt, lag noch in seinen Ruinen, und auf desselben Stelle brachte der Reisende, hatte er den fürchterlichen, mit wilden Thieren erfüllten Wald, von Böhmen her, zurückgelegt, an einem Altärlein dem Allgütigen seinen Dank. Mit dieser Stadt theilte Schwarzenberg gleiches Loos, und begann so eben erst, sich nebst seiner alten Burg aus den Ruinen zu erheben.

Noch hatte Romners Fuß den rauhen Forst, welcher Schneebergs greises Haupt bedeckte, nicht durchwandert, und nur im Thale suchte man mühsam das nützliche Eisen zu gewinnen. S. Rom. Sag. II &ec Bd. Sebastian Romner etc.

Die Schätze des Schreckenbergs lagen unentdeckt in der Erde Schoos: denn Nietzelt und Sturz hatten noch nicht geschürft; und von dem Reichthum des himmlischen Heeres hatte man keine Ahnung. Nur der Bielberg spendete durch den Briccius seine reichen Kupfervorräthe dem bergmännischen Fleiße zum Lohn; und in dem Buchenwalde, welcher späterhin dem gewerbfleißigen Katharinenberg (Buchholz) seinen Beinamen gab, wurde das Zinn durch Seiffen gewonnen.

Sparsam bildeten Gruppen von Waldhütten die alten Dörfer Geyers- oder Häuersdorf, Fronau, Königswalde, Sehma, Cranzahl, Crottendorf u. n. a. Borgkwalde (Burgwalde), welches an dem südwestlichen Theile des Bielbergs lag, wurde im Hussitenkriege durch eine ihrer streifenden Rotten zerstört, und war schon in der Mitte des XV. Jahrhunderts nicht mehr. In dem Stadtprivilegio Annabergs vom J. 1497 wird unter den Verleihungen auch des wuesten Witzstorfes, Borgkwalde genannth, ausdrücklich gedacht. A d. V., während mehrere der Städte und Dörfer, die jetzt Tausenden von fleißigen Menschen Wohnung, Nahrung und Unterhalt gewähren, noch nicht ins Daseyn getreten waren. Eine treffende Schilderung vom damaligen Zustande des Lebens und Treibens im Gebirge ist uns durch einen alten, als Augenzeuge sprechenden, Reisenden hinterlassen worden, welcher uns berichtet:

»Man siehet hier nichts, als Berge, Wälder, Sümpfe und Felsen. Welches elende Leben muß in diesem Lande der Bären, Wölfe, wilden Schweine, Hirsche etc. seyn? Nicht alle Jahr kann das spärliche Getraide geerndet werden, und nur durch anhaltendes Wachen kann es der Landmann den Zähnen der wilden Thiere entreißen.«

Und alles dieses hat sich auf den Wink des allmächtigen Herrn der Welten seit jener Zeit fast ganz umgewandelt.

Mächtige Wälder sind durch menschliche Kraft unter der Axt gefallen, und auf ihrem Boden wächst das Brod-gebende Getreide herrlich und schön.

Unnennbare Schätze hat die Hand des Bergmanns aus den Tiefen der Erde gefördert. Tausende wurden durch sie herbeigelockt, und die Beschwerlichkeit des rauhen Bodens und Klimas nicht achtend, stiegen neue Städte und Dörfer gleichsam aus der Erde hervor, und füllten sich mit fleißigen Menschen. Von ihnen wurden Schneeberg und Annaberg hochberühmt. Demohngeachtet aber ist des Bergbaus Segen noch immer nicht versiegt, und schenkt in jedem Jahre noch dem Vaterlande große Summen, gewährt Tausenden Nahrung und den Genuß der Freuden dieses Lebens. Ja, noch immer ist der Bergbau eins der köstlichsten Geschenke aus der segnenden Hand des guten Vaters im Himmel, und nicht zu berechnen ist, was er bewirkt. Ueber die damalige Beschaffenheit des Erzgebirges, seiner Städte und Dörfer, ist die Berg-Chronik nachzulesen, welche als Auszug und Fortsetzung des Albinus 1822 in Annaberg bei Freyer erschien.

2.

Noch war aber der größte Theil des Erzgebirges in seiner wilden Urgestalt, und hohe Forste umgaben die wenigen Städte und Dörfer seines obern Theils, von welchen auch mehrere durch die Hussiten zerstört und ihrer Einwohner beraubt worden waren; da glaubte sich der Ritter Kunz von Kauffungen Es bedarf fast keiner weitern Bemerkung, daß nicht die Geschichte des Prinzenraubes der eigentliche Gegenstand dieser Erzählung sey – denn diese hat schon unser Engelhardt unübertreffbar erzählt –, sondern aus derselben nur das, was den Köhler Schmidt und seine Rettung des entführten Fürstensohnes betrifft, desgleichen auch das, was noch in unsern Tagen dankbar zur Erinnerung an dieses biedern Patrioten Edelthat geschah; und daß die in diesen Beitrag aufgenommene kurze Erzählung des Prinzenraubes selbst nur der Verständlichkeit wegen ihren Platz erhalten habe. A. d. V. – lange

Zeit hindurch ein treuer Diener seines Herrn, des sanftmüthigen Friedrichs – von diesem dadurch tief gekränkt, daß er die Apel Bitzthum'schen, in Meissen liegenden Güter, welche er anstatt seiner in Thüringen liegenden, von den Feinden aber eingenommenen und zerstörten Burgen und Dörfer von dem Kurfürsten zum Unterpfande erhalten hatte, jetzt nach dem Frieden wieder gegen die seinigen vertauschen sollte, da, wie schon erwähnt, diese zerstört, jene aber wohl erhalten worden waren. Doch würde sich dieses wohl noch haben beseitigen lassen, da Kunz des Kurfürsten Gnade besaß. Er hatte aber, was als unwidersprechlich erscheinen dürfte, bedeutende Feinde am Hofe, welche die Heftigkeit des Ritters bestens benutzten, um diesen aus des Kurfürsten Gunst zu bringen. Es gelang ihnen, und ihr tapfrer Gegner fiel, durch seine Temperamentshitze und die aus solcher hervorgegangenen Drohungen, wirklich in Ungnade; er suchte sich nun durch die Entführung der beiden Söhne des Kurfürsten, Ernst und Albert, zu rächen. Er suchte Einverstandne im Schlosse, und fand sie um so leichter, da er noch kurz vorher Schloßhauptmann zu Altenburg gewesen war. Von diesen nennt uns die Geschichte nur den Einen, Hans Schwalbe, Gehülfen des Schloßkochs, und durch diesen gelang es ihm – da er in der Nacht vom 7.-8. Juli des J. 1455 mit einer Anzahl bewaffneter Gehülfen in dem Walde bei Altenburg erschien – durch das Küchenfenster mit noch einigen seiner Verbündeten in das Schloß zu kommen; und er führte sein Vorhaben auch um so leichter aus, als in jenen Zeiten die Fürsten-Schlösser noch nicht so wie jetzt mit starken Leibwachen besetzt waren, und der Kurfürst auch die noch vorhandenen Reißigen, so wie den größten Theil der Hofhaltung, mit sich nach Leipzig genommen hatte, und nur ein alter Trabant, Namens Asmus, am Thore die Wache hielt. Der zurückgebliebene männliche Theil der Hofhaltung aber befand sich bei einem Gastmahle, welches der Canzler in seinem Hause in der Stadt gab. Asmus wurde durch einige Krüge Wein, die man ihm aus falscher Freundschaft reichte, in Schlaf gebracht, und nun stieg Kunz ungehindert zum Küchenfenster herein, und vollbrachte die That. Die Kurfürstin aber war mit ihren Frauen durch Anwürfe von außen in ihren Zimmern eingeschlossen, und es konnte also die angstvolle Mutter für ihre Kinder weiter nichts thun, als daß sie Kunzen durch ein Fenster flehentlich bat, ihrer Kinder zu schonen – sie selbst werde seine Vertreterin bei dem Kurfürsten seyn. Aber der Entführer, der seinen Plan schon ganz gelungen glaubte, achtete nicht der so hart geängsteten Mutter Bitten und Flehen, und jagte mit dem Prinzen Albert davon; da er dann den ältern Prinzen Ernst seinen bei ihm befindlichen Verbündeten, den Rittern Kunz von Mosen und Wilhelm von Schönfels anvertraute, um diesen durch einen Umweg nach der ihm zugehörigen Veste Eisenberg in Böhmen zu bringen; er aber wollte auf dem geraden Wege durch die Wälder dahin.

*

Kaum hatten sich die Entführer mit ihrer Beute entfernt, als die That derselben in Altenburg bekannt wurde. Eine allgemeine Nachsetzung wurde sogleich veranstaltet – Eilboten jagten von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf mit der traurigen Mähr; und sogleich rief der Glocken weitschallender Ton die treuen Unterthanen zur Verfolgung der Räuber auf. Die zu jener Zeit so hoch-berühmte große Glocke zu Geyer wurde durch dieses Stürmen so sehr angegriffen, daß sie zersprang, auf kurfürstlichen Befehl wieder umgegossen, und diese Begebenheit auf der neuen Glocke in lateinischen Versen angemerkt.

*

Der Curiosität wegen wollen wir diese Denkmale alter Dichtkunst so wieder geben, wie sie uns Melzer in seiner Hist. Schneeberg. S. 1189. aufbewahrt hat. » Oben um die Glocke herum ist zu lesen gewesen:

Filiolos Kurt abripiebat Saxonis. Ergo
Redditionem aes Christi pie memorat.

Unten herumb aber ist dieser Gedächtniß-Vers zu lesen gewesen:

Aufugiente Ducum plagiario rupta, sed almi
Ensiferi sumptu sum reparata Patris.

MCCCCLVI.

Ueberall vertheilten sich nun Bewaffnete auf die Straßen, und es ist sehr zweifelhaft, ob der kühne Kunz, der niemand weiter bei sich hatte, als seinen treuen Knappen Schweinitz, seiner genauen Wegekenntniß ungeachtet, unentdeckt bis in die Gegend von Grünhayn gekommen seyn würde, wenn derselbe nicht (nach der allgemeinen Sage) den Pferden die Hufeisen hätte verkehrt aufschlagen lassen, wodurch eine für Kunzen sehr vortheilhafte Täuschung der Nachsetzenden bewirkt wurde.

3.

Im Städtchen Grünhayn wohnte ein armer Köhler, der den Namen Georg Schmidt führte, ein biedrer rechtlicher Mann, welcher gewissermaßen das war, was bei den Innungen der Meister ist. Er trieb das Kohlenbrennen mit mehreren Gehülfen, unter welchen er strenge Ordnung hielt; wegen dieser Strenge aber, und weil seine Fäuste, gebrauchte er sie als Strafinstrument gegen die Ungehorsamen, gar derb auffielen, ward er sehr gefürchtet, und trug den Namen Meister Baccalari bei seinen Genossen davon. Und diesen Mann aus geringem Stande hatte die Vorsehung zum Retter des geraubten Prinzen erkoren.

*

Am achten Tage des Heumonds, und also am Tage nach jener Nacht, wo Kunz und seine Helfer die Prinzen entführten, saß dieser Köhler Schmidt am Rande einer Quelle, die man jetzt unter dem Namen des Fürstenbrunnen kennt, und verzehrte sein frugales Mittagsmahl, zu welchem er der Quelle silberhelles Wasser trank. – Neben ihm ruhte sein treuer Hund. Heiß brannte die Mittagssonne; da hörte er im stillen Walde plötzlich menschliche Stimmen und eines Knaben flehentliches Bitten, ihm noch etwas Rast und Nahrung zu gönnen. Rauhe Männerstimmen verweigerten ihm beides, und trieben zur hastigen Eile.

Schmidt hatte am frühen Morgen vorher seinen verwais'ten Bruderssohn, Urban Schmidt, einen derben Knaben, nach Geyer geschickt, um Brod, Salz, und noch mehr dergleichen unentbehrliche Lebensbedürfnisse zu holen. Dieser brachte seinem Vetter und den andern Köhlern die Nachricht mit, daß in Altenburg ein großer Raub vom Feinde geschehen, und in Geyer vom Sturmschlagen die große Glocke zersprungen sey, und daß daselbst die Bergleute allesammt mit ihren Parden In frühern Zeiten steckte der Bergmann zur Zeit der Gefahr eine vierellige Stange in die bergmännische Parde, und die Hellebarde war fertig. Mit dieser zog er unter den Befehlen seiner Obern gegen den Feind aus, und bekämpfte ihn tapfer. A. d. V. bewaffnet ausgerückt wären, um die Räuber zu fangen. Dieses fiel dem Köhler jetzt wieder bei. Er nahm seinen Schürbaum in die Faust, machte sich nebst seinem Hunde auf, und gieng unerschrocken nach dem Orte hin, woher die Stimmen erschollen waren. Hier fand er nun zwei stattlich gewappnete Männer von wildem Ansehen, mit einem Knaben, welcher Erdbeeren suchte, und davon ablassen sollte. Eine innere Stimme sprach in dem Herannahenden, daß dieses wohl die Räuber seyn könnten. Furchtlos nähert er sich ihnen; mit ihm sein treuer Hund.

»Wer seyd ihr? und wer ist dieser Knabe?« rief er ihnen barsch entgegen, und ihre Antwort gnügte ihm nicht. Ein Wortwechsel, rauh, wie die, so ihn führten, entspann sich nunmehr und ergrimmte die Streitenden. Da sprang plötzlich der hochherzige Knabe zu dem Köhler hin. » Ich bin der geraubte Sohn deines Kurfürsten, und dieß sind meine Räuber. Befreie mich aus ihren Händen, und mein Vater wird dir's reichlich vergelten«, spricht er, und schmiegt sich an den Retter an. Doch noch während dieser Rede sprang Schweinitz, einer der Beiden, mit gezogenem Schwerdte herbei, hieb grimmig nach des Prinzen Haupte, und – traf auf den Schürbaum des Köhlers, welchen dieser im Moment des Hiebes demselben parirend entgegen schwang, und nun mit einem gewaltigen Schlage den Gewappneten darnieder schmetterte. Der Hund ergriff den Gefallenen nun bei der Gurgel, und hielt ihn an der Erde fest.

Noch war aber ein anderer und furchtbarerer Feind in Kunzen zu bekämpfen. Aber schon begann die Hand des Allmächtigen zu wirken. Zwischen ihm und dem Köhler stand dichtes Dornengestrüppe, durch welches er hindurch mußte, wenn er den Geraubten wieder in seine Hände bekommen wollte. Doch konnte er auch sein Roß nicht lassen, und zog es am Zügel hinter sich her. Er verwickelte sich aber mit seiner Feldbinde und seinen langen Rittersporen in diesem Gestrüppe, strauchelte, fiel, und in diesem Augenblicke schlug des Köhlers Schürbaum krachend auf ihn nieder. Diesem ersten Streiche aber folgten nun die andern so dicht und schnell, daß Kunz bald unter ihnen geendet haben würde, hätte nicht der befreiete Fürstensohn für seines Räubers Leben bei dem ergrimmten Köhler gebeten.

Aber auch schon ein paar Augenblicke früher, und als des Köhlers erste Streiche auf den wilden Schweinitz fielen, erschien, von dem Geschrei und dem Getümmel der Streitenden herbei gelockt, des Köhlers Weib. Kaum sah sie ihren Mann im Kampfe mit einem Bewaffneten, und einen andern auf ihn andringen, als sie sogleich, mit dem Kohlenzschörper an die Axt, das gewöhnliche Waldnothzeichen Der Zschörper ist ein starkes Messer, und dieses an die Axt geschlagen giebt einen Schall, den man in der Stille des Waldes weit hören kann; und auf dieses Zeichen, welches aber nur zur Zeit einer eintretenden Noth, und wenn ein Köhler die Hülfe seiner Genossen nöthig hat, geschehen darf, eilt jeder, der es hört, zur Hülfe herbei; und es ist unter den Köhlern streng verboten, sich dieses Zeichens auch bei andern Gelegenheiten zu bedienen. A. d. V. der Köhler gab, und mit heller Stimme um Hülfe rief. In Kurzem eilten die Köhler von mehreren Seiten her dem Gefecht zu, und in einem Augenblicke waren die beiden Besiegten entwaffnet, gefangen und gefesselt. Vergebens bot jetzt Kunz dem Köhler große Summen für seine Loslassung; dieses Biedermannes freies Herz und edler Sinn verschmähete stolz diese Bestechung, und Kunz blieb Gefangener.

4.

Den geretteten Fürstensohn führte man nun mit großen Freuden in den nahe gelegenen Kohlkram (Köhlerhütte), wo er mit Brod, Erdbeeren und Wasser sich erquickte, und von dem harten Trabe wieder etwas ruhete. Dann aber begleitete man den Geretteten, so wie die beiden Gefangenen, im Triumphe zu dem Abte nach Grünhayn, welcher nun den Geretteten unter zahlreicher Bedeckung der Klosterknechte und Köhler zu seinen Eltern bringen ließ. Kunzen und seine Begleiter aber schaffte man von Grünhayn nach Zwickau und von da nach Freiberg, wo ersterer schon am 14. Juli mit dem Schwerdte hingerichtet wurde. Schweinitz aber empfieng seine Todesstrafe zu Zwickau durch das Rad.

Mit herzlicher, unverstellter Freude empfieng der Kurfürst des Sohnes Retter und seine Begleiter. Anmerkung. Ein wahrer Triumph war es, welchen der tapfere Schmidt mit seinen Gefährten beim Einzug in Altenburg feierte. Die Einwohner dieser immer so edelmüthigen Stadt kamen mit freudigen Herzen und in großer Anzahl den Annähernden entgegen, und den Köhler ehrten sie alle hoch, als des geliebten Fürstensohns Befreier; ja Viele küßten ihm die rußigen Hände. Und so zog die ganze Menge jubelnd auf das Schloß. Dieser Jubel wurde aber nach zwei Tagen verdoppelt, als die Nachricht von der Befreiung des ältern Prinzen Ernst ankam, welchen seine Räuber freiwillig ausgeliefert hatten. A. d. V. Es hat aber auch in Wahrheit dieser Fürst hohe Ursache dazu; denn fieng der Schürbaum dieses Unerschrocknen nicht den Hieb auf, der dem Kopfe Alberts galt, so war dieser geliebte Sohn seines Vaters jetzt nicht mehr, und der Freudentag des Wiedersehens wäre ein Tag des Jammers geworden. Auch war es keine Kleinigkeit für einen Einzelnen, nur mit einem starken keulenartigen Stück Holz bewaffnet, und weder durch Panzer noch Schild gedeckt, sich mit zwei Schwerbewaffneten und der Waffen Kundigen in einen solchen Kampf auf Leben und Tod einzulassen. Alles dieses erwog der edle Fürst in seinem Herzen wohl, und es stimmte ihn immer mehr zu hoher Dankbarkeit. Die Ueberlieferung hat uns noch eine Redensart aufbewahrt, welche der Köhler in dieser Unterredung mit seinem Fürsten gebrauchte. Es wunderte sich nämlich der Kurfürst, wie er mit diesem stets so tapfern Ritter habe fertig werden können. Der Köhler aber antwortete ganz unbefangen, indem er voll Begeisterung den Schürbaum in die Höhe schwang: » Ja! Herr! Ich habe den Kunzen mit diesem meinem Schürbaum weidlich getrillt.« Aus welchen Worten der Kurfürst sogleich Gelegenheit nahm, dieses braven Retters Namen in den Namen Triller umzuwandeln.

Doch es sollte dieser Fürst an demselben Tage auch noch die Erfahrung machen, daß selbst unter dem Rußkittel des Köhlers ein Herz mit hohen Gesinnungen schlagen könne; denn als er ihn aufforderte, sich für die Rettung des geliebten Sohnes aus Todesgefahr und Gefangenschaft bei ihm eine Gnade auszubitten, so schlug er dieses großmüthige Anerbieten mit dem Beifügen aus: »daß er weiter nichts gethan, als seine Pflicht erfüllt habe;« und Mancher, der sich gewiß nicht zweimal würde dazu haben auffordern lassen, wunderte sich im Stillen gewaltig über dieses Mannes Einfalt. Doch der Kurfürst blickte die Herren sämmtlich sehr ernsthaft an. – Und als nun ferner der dankbare fürstliche Vater nicht abließ, den Retter seines Sohnes freundlich zu bitten, ihm doch zu sagen, womit er ihm seine Dankbarkeit beweisen könne: da bat der biederherzige Köhler endlich, stockend und verschämt, um freies Holz zum Kohlenbrennen im Grünhayner Walde. Den Kurfürsten befremdete diese so geringfügige Bitte; der Bittende aber deutete diese Befremdung dahin, daß er wohl zu viel gebeten haben möchte, und nahm sogleich seine Bitte wieder zurück. Ein zweiter ernster Blick auf die Umgebung erfolgte; und nun machte er dem treuen Unterthan nicht allein die Gewährung seiner Bitte bekannt, sondern er fügte zum Gebetenen auch noch ein beträchtliches Freigut in dem nahe bei Zwickau liegenden Dorfe Ebersbach, nebst jährlichen vier Zwickauer Scheffeln Getreide hinzu. Jenes Freigut entfremdeten langwierige und verderbliche Kriege der Trillerischen Familie wieder; das Korn aber erhält heutiges Tages noch jedesmal der älteste männliche Zweig dieses Geschlechts aus dem Rentamte zu Zwickau, und noch im Jahre 1803 war Meister Johann Samuel Triller, Bürger und Tuchmacher in Saalfeld, dieser Empfänger. Von der weiblichen Linie aber sind die Königschen, Mühle'schen und Richterschen Familien zu Crottendorf, Scheibenberg und Bärenstein (im Erzgebirge) als ächte Abstämmlinge dieses braven tapfern Mannes übrig.

In der Folge nahm der Kurfürst diesen Triller an seinen Hof, wo er (noch immer dankbar geliebt von dem Fürsten und seinem Hause, besonders aber von Albert) seine letzten Tage lebte, und endlich in hohem Alter sanft entschlief.

5.

Die Nachkömmlinge dieses Gefeierten wurden durch seine Heldenthat berühmt, und einer von denselben, ein gewisser Caspar Triller, welcher auch eine Genealogie des Trillerschen Geschlechts (bis 1612 fortgeführt) hinterlassen hat, wurde nebst seinem Bruder Michael am 28. Januar 1592 vom Kaiser Rudolph II. in den Adelstand erhoben, und erhielt ein Wappen, dessen heraldische Bestandtheile auf jene wichtige Begebenheit anspielen, und in Schreiters Kritik der Geschichte des Prinzenraubes Seite 105 ff. ausführlich beschrieben zu finden sind.

Mehrere Schriften über diese wichtige Begebenheit erhielten in den folgenden Zeiten ihr Daseyn, um ihr Andenken nicht vergehen zu lassen. Unter den frühern zeichnet sich Dr. Daniel Wilhelm Trillers sächsischer Prinzenraub (in Versen) schon deswegen vortheilhaft aus, weil der Dichter ein Mitglied des Trillerschen Geschlechts war, und also auch sein Werk mit wenig-bekannten Familien-Nachrichten verschönern konnte. Unter den neuern aber hat die in Engelhardt's Denkwürdigkeiten aus der sächsischen Geschichte Bd. 1. enthaltene Erzählung dieser wichtigen Begebenheit entschiedene Vorzüge; so wie des ehemaligen Pfarrers zu Elterlein, M. Christoph Schreiter, hinterlassenes kritisches Werk: die Geschichte des Prinzenraubes Leipzig, 1804. bei P. G. Kummer, 260 S., in dieser Hinsicht nichts zu wünschen übrig läßt.

6.

Und so unterließen die dankbaren Nachkommen im sächsischen Vaterlande nichts, was die Erinnerung an diese Begebenheit lebendig erhalten konnte. In Schriften wurde sie fortgepflanzt, und in Schauspielen von der frühern Zeit an bis auf unsere Tage dargestellt. Eben so wurde sie ein Gegenstand des Volksgesangs, und es ist durch des ehemaligen Bürgermeisters zu Zwickau, Dr. Erasmus Stella, Pleissenländische Chronik Wahrscheinlich wurde sie in den ersten funfzehn Jahren des XVI. Jahrhunderts vollendet, und blieb Manuscript. A. d. V. ein altes Berglied oder sogenannter Bergreigen aufbewahrt, und, durch spätere Schriftsteller aus ihm entlehnt, bis zu uns gekommen. Dieses Berglied war zu seiner Zeit ein allbeliebter Volksgesang, und er wurde besonders in diesem Gebirge gehört, wo er von den Cithern der Bergsänger begleitet wurde, als sich der Bergbau auf einmal so gewaltig erhob. Er möge daher als poetische Antiquität hier seinen Platz finden.

1.

Wir wölln ein Liedel heben an,
Was sich hat angespunnen,
Wies im Pleißnerland gar schlecht war bestallt,
Als seinm jungen Försten geschach groß Gewalt,
Durch den Cunzen von Cauffungen
ja Cauffungen.

2.

Der Adler hat uff dem Fels gebawt
Ein schönes Nest mit Jungen,
Und wie er einst war geflogen aus,
Holete ein Geyer die jungen Vögel draus,
Drauf wards Nest leer gefungen,
ja gefungen.

3.

Wo der Geyer uff dem Dache sitzt,
Do trügen die Küchlein selten,
Es war, mein Werle, ein seltsam Narrenspiel,
Welcher Fürst seinen Räthen getraut so viel,
Muß oft der Herr selbst entgelten,
ja entgelten.

4.

Altenborg du bist zwar eine feine Stadt,
Dich thät er mit Untrew meynen,
Da in dir waren alle Hofleut rauschend voll,
Quam Cunze mit Lettern und Buben toll
Und holte die Fürsten so kleine,
ja kleine.

5.

Was blast dich Cunz vor Unlust an,
Daß du ins Schloß h'nein steigest,
Und stielst die zarten Herren raus,
Als der Churfürst nicht eben was zu Haus
Die zarten Försten-Zweige,
ja Zweige.

6.

Es war wol alß ein Wonderding
Wie sich das Land bereget,
Was da uff alle Straßen waren vor Leut
Die den Räubern nachfolgeten in Zeyt,
Als wibbelt, kribbelt sich beweget,
ja beweget.

7.

Im Walde dort worde Cunz ertappt,
Do wolt he Beeren naschen,
Were he in der Hast sacken fort gerethen,
Das öm die Köhler nit geleppischt hetten,
Hett he kunt verpaschen,
ja verpaschen.

8.

Abe se worden äm wede abgejagt,
Und Cunz mit synen Gesellen,
Uff Grünhayn in unsers Herrn Apts Gewalt
Gebracht, und darnach uff Zwicka gehalt,
Und musten sich lan prellen,
ja prellen.

9.

Davon fiel ab gar mancher Kopf,
Und keiner der gefangen,
Kam aus der Haft so ganzbeinigt davon,
Schwerd, Rad, Zang und Strick, die warn ihr
Lohn,
Man sah die Römper hangen,
ja hangen.

10.

So gehts wer wider die Oberkeit
Sich unbesonnen empöret,
Wer es nit meynt, der schau an Cunzen,
Sein Kopf thut in Freiberg herausser schmunzen
Und jedermann davon lehret,
ja lehret.

11.

Gott thu dem frommen Churförsten alles Guths
Und last die jongen Herren
In keyn Feinds Hand mer also kummen
Geb auch der Frow Churförstin viel Frommen
Daß sie sich in Ruhe ernähren,
ja ernähren.

Ob nun aber gleich in allen diesen Schriften, Schauspielen und Liedern die Treue und der Heldenmuth von des geraubten Fürstensohnes Retter gefeiert und hochgepriesen wurde, so fehlte doch noch eins, und dieses war nichts Anderes, als die Errichtung eines Monuments auf dem Platze, wo einst Treue und Biedersinn den geraubten Fürstensohn aus seines Räubers Händen rettete, und dabei selbst das eigne Leben nicht schonte, um ihn zu befreien und in der trostlosen Aeltern Arme zu führen.

Man hat eine Sage, daß in der Vorzeit dreimal ein solches Denkmal habe errichtet werden sollen, aber jedesmal sey diese Errichtung durch eingetretene Hindernisse wieder verschoben worden.

Das erstemal soll der Fundgrübner Caspar Klinger (Miterbauer der Bergstadt Scheibenberg), welcher nach der Begebenheit des Prinzenraubes (aber viele Jahre später) eine Schmelzhütte am Fuße des Fürstenbergs anlegte und ein Schönburgischer Unterthan war, die Errichtung eines solchen Denkmals auf der Stelle, wo der Prinz befreit worden war, und welche man damals noch genau kannte, da die Kinder der Befreier größtentheils noch lebten, beabsichtigt haben, sey aber durch eingetretene Hindernisse, und bei einem abermaligen Versuche durch sein Ableben davon abgehalten worden.

Und als im Jahr 1755 diese merkwürdige Begebenheit bei Gelegenheit ihres dritten Säcularfestes von einigen Patrioten wieder zur Sprache gebracht wurde, dachte man von neuem an die Errichtung eines solchen Denkmals; aber der kurz darauf ausbrechende siebenjährige Krieg mit seinen Drangsalen vereitelte auch dieses Unternehmen.

Späterhin, ohngefähr in der ersten Hälfte der achtziger Jahre, wurde es von dem damaligen Landshauptmann Grafen von Solms zu Sachsenfeld, einem hochherzigen, wohlthätigen Herrn, so wie von dem Justiz-Beamten Dietrich zu Grünhayn, der malen Commissionsrath und Amtmann zu Morizburg, dem Kreisamtmann Just in Schwarzenberg und noch andern patriotischen Männern aufs Neue in thätige Anregung gebracht, dieser Befreiungsgeschichte ein solches Denkmal zu setzen; allein durch Solmsens Tod, die Versetzung der Beamten und andere Hindernisse wurde dieses Unternehmen abermals vereitelt.

7.

Durch diese Unterlassung und mehrmalige Vereitelung des Vorhabens, auf der Stelle, wo der junge Fürst aus seines Räubers Händen befreiet wurde, ein Monument zu setzen, ist es nun aber endlich ungewiß geworden, auf welcher Stelle am Fürstenberge die Befreiung Alberts eigentlich geschehen sey? Am wahrscheinlichsten bleibt immer folgende Meinung:

Am Fuße des Fürstenbergs liegt ein schönes Thal, in welchem sich ein Bach, der Oswaldsbach genannt, hinschlängelt, und welches zugleich die Ruinen der Oswaldskirche enthält, welche man in der gewöhnlichen Volkssprache nur die Duselskirche nennt, und das Jahr 1515 als ihr Erbauungsjahr angiebt. Diese Kirche wurde von dem schon gedachten Fundgrübner Caspar Klinger erbaut, als er jene Schmelzhütte anlegte, welche der sogenannten Hayde bei Raschau das Daseyn gab; jedoch fällt ihre Entstehung wenigstens 50 Jahre später, als der Prinzenraub, und im Jahr 1516 wurde sie von dem Abte Gregor zu Grünhayn eingeweih't. Das Thal also, in welchem Kunz das Ziel seiner Thaten fand, war zu jener Zeit noch sehr einsam, und nur sehr wenige Köhlerhütten befanden sich in der Nähe der Meiler.

*

Höchst wahrscheinlich ist es: daß die Befreiung Alberts in der Nähe der drei Meilerstätten geschah, welche sich den schon gedachten Ruinen der Oswaldskirche gegenüber an der Grünhayner Straße am Eingange in den Wald befinden.

Und diese Wahrscheinlichkeit gewinnt an Gewißheit, wenn, nach der Aussage des im J. 1813 als achtzigjähriger ehrenwerther Greis verstorbenen Unterförsters Muth, sich unter den Forstbedienten zu Elterlein, Grünhayn etc. eine Ueberlieferung vom Dienstinhaber auf den Nachfolger erhalten haben soll: » daß in dieser (vorhin angegebenen) Gegend die Befreiung des Prinzen Albert durch den Köhler geschehen sey,« und man dabei annimmt, daß Forstbedienten und Köhler in vielfachen Verhältnissen und Beziehungen mit einander stehen, und demnach die Letztern die Stelle, wo die Befreiung geschah, am richtigsten bezeichnen und durch diese Ueberlieferung auf die Nachwelt bringen konnten.

8.

Doch was die frühern Zeiten nicht zu bewirken vermochten, ward in diesen Tagen in die Wirklichkeit übergetragen, und dem K. S. Finanz-Procurator etc. Lindner in Schwarzenberg war es vorbehalten, den wiederholten ersten Anlaß zu diesem abermaligen, nunmehr gelungenen Unternehmen zu geben. Schon im J. 1821 wurde der Vorschlag zu einem solchen Monument an den Kreishauptmann, Freiherrn von Fischer, eingereicht, und zugleich mit von dem Superint. Lommatzsch zu Annaberg, Kreisamtmann Löwe zu Schwarzenberg, Justizamtmann Philippi in Grünhayn, dem Bergcommissionsrath Nitzsche zu Erla, und noch andern patriotischen Männern thätigst unterstützt. Dieser Vorschlag wurde auch von dem Kreishauptmann so aufgenommen, wie es nicht anders von demselben erwartet werden konnte. Nunmehr traf man Veranstaltungen, die zu Errichtung dieses Entzwecks nöthigen Kosten zu sammeln, und es trugen auch die dazu aufgeforderten Erzgebirger, trotz der sie hart drückenden, so sehr nahrlosen Zeit, nach Möglichkeit dazu bei, und hatten bald die Freude, das Andenken einer so denkwürdigen Begebenheit durch ein ihrer würdiges Monument erneuert zu sehen.

Das Denkmal selbst ist eine Pyramide aus Granit (ohne Postament 8 Ellen hoch), und an derselben ist eine ansehnliche, im Guß sehr gelungene Tafel von Eisen (ein patriotisches Geschenk des Bergcommissionsraths Nitzsche zu Erla), auf welcher in erhabener, gut vergoldeter Schrift folgendes enthalten ist:

Fürstenbrunn.

 

Den 8. Julii 1455 wurde hier
Prinz Albrecht
,
Ahnherr des Königl. Sächß. Fürstenhauses, durch Georg Schmidt, hernach Triller genannt, aus Kunzens von Kauffungen Gefangenschaft befreit.

 

Den 8. Julii 1822.

Das Postament dieser Pyramide erhält in einer gewölbten Nische das Bassin des Fürstenbrunnens, in welches das Wasser aus einer Druse fließt, und ist aus Blöcken von braunrothem Thoneisenstein, in welchem verschiedene Krystallisationen zu schauen sind, gefertigt; das Bassin selbst aber besteht aus einem einzigen Granitblock aus Aue. Das Ganze ist 13 Ellen hoch, hat ein sehr gefälliges Ansehn, und den durch seine Werke im Gebirge rühmlichst bekannten Lohß in Schlettau zum Baumeister, welcher das Denkmal, nach fünfwöchentlicher Arbeit, am 7. Juli 1822 vollkommen zu Stande brachte, wo es am südöstlichen Abhange des Fürstenberges aufgestellt wurde.

9.

Und so erschien er denn endlich, der schöne Tag der Weihe, an welchem sich Tausende eine schon vor langer Zeit geschehene Begebenheit noch einmal recht lebhaft vergegenwärtigen, und dabei den Manen eines braven Mannes ein dankbares Opfer der ehrenvollsten Erinnerung bringen wollten. Er war erschienen, der Tag, an welchem einst vor dreihundert und sieben und sechzig Jahren ein biedrer hochherziger Mann sehr niedrigen Standes, von Unterthanentreue und Liebe zu dem Landesfürsten und seinem Hause beseelt, welche das Herz auch zu den größten Thaten erheben kann, sich nicht scheuete, sein Leben im Kampfe für den Sohn seines geliebten Fürsten zu wagen, und durch die Befreiung desselben aus Räubers Händen die Freude wieder an die Stelle des Jammers zu setzen, mit welchem die Frevelthat eines adeligen Ritters aus altem Geschlecht die Herzen der fürstlichen Aeltern zerriß. Und diese Betrachtungen zeitigten in jedem Herzen den festen Entschluß, stets im Menschen den Menschen zu achten, und nie einen der Mitgeschaffenen deshalb verächtlich anzusehen, weil er vom blinden Glücke nur wenig begünstigt wurde. Nun aber zur Beschreibung des Festes selbst!

Vom frühen Morgen an wallten von allen Seiten her lange Züge von Theilnehmern des Festes herbei, und lebendig wurde der zum Denkmale führende Wald, so daß man unmittelbar vor dem Anfange der Feierlichkeit die Menge der Anwesenden auf 15-20,000 schätzte. Die Bürger-Schützen-Compagnien mehrerer benachbarter Städte rückten mit ihrer Musik und fliegenden Fahnen heran, und es gewährte ein eigenes Gefühl, bald hie, bald da die sich nähernde Musik zu hören, und ein Corps nach dem andern auf dem Platze ankommen und sich aufstellen zu sehen. Unter diesen befanden sich auch 3 Abtheilungen Bergleute aus den Bergamts-Revieren Schneeberg, Annaberg und Johanngeorgenstadt, ohngefähr 230 an der Zahl, mit ihren Fahnen und Berghautboisten, welche feierlich daher zogen, und sich zur Bildung eines Halbkreises um die Pyramide aufstellten, innerhalb dessen 8 Fahnen weheten. Nicht lange vor dem Anfang der Feierlichkeit traf das Officier-Corps des Regiments Prinz Friedrich August von Zwickau und Schneeberg in Begleitung von 36 Hautboisten ein. Um Ein Uhr donnerten einige aufgestellte Kanonen in das Thal hinab, und bald darauf erschallten die Glocken in den umliegenden Orten, zu gleicher Zeit aber auch durch das ganze Gebirge. Einst vor dreihundert sieben und sechzig Jahren riefen sie zur Verfolgung der Räuber die treuen Unterthanen auf; diesesmal aber läuteten sie zum Feste des Dankes gegen Gott, der in jener Zeit ein großes Unglück von unserm Vaterlande gnädig abwendete.

Jetzt traf der Kreishauptmann Freiherr v. Fischer mit den beiden Amtshauptleuten v. Biedermann und v. Zezschwitz, sowie der Superint. M. Lommatzsch aus Annaberg, und mehrere der Beamten ein. Ein lieblicher Verein von weiß gekleideten und mit grünen Kränzen geschmückten Jungfrauen zierte gleichfalls dieses Fest, und bestreute die Stufen des Denkmals mit Blumen. Immer mehr nahete sich die Ordnung des Festes ihrem Ziele, und mehr durch eignes Gefühl, als durch Gewalt, wurde sie bald vollendet.

Endlich begann die Feierlichkeit selbst. – Es ertönte mit starker musicalischer Begleitung ein vom Rector Lang in Schwarzenberg gedichtetes Lied, von tausend Stimmen gesungen.

Seyd uns gegrüßt, der grauen Vorzeit Tage!
Euch suchet unser Blick!
Gesang, ertöne – zu der Vorwelt trage
Begeisternd uns zurück.

Hier ist es, wo, des Vaters Schloß entrissen,
Auf Kunzens Räuberflucht
Der Fürstensohn, gequält von Hungerbissen,
Des Waldes Beere sucht.

Prinz Albert hier, umringt von Todes-Schrecken,
Dem wackern Schmidt sich naht,
Und leise Worte schüchtern ihm entdecken
Die grause Frevelthat.

Hier ist's, wo dem Geraubten, ach! so bange
Der Stahl des Mordes blitzt,
Und ihn mit hochgeschwungner ruß'ger Stange
Des Köhlers Arm beschützt.

Die Glocken stürmen – und das Köhler-Zeichen
Ruft Hülfe laut umher,
Und es erliegt nun unter Trillers Streichen
Die Räuberbande schwer.

Gerettet ist der Fürstensohn. Die Quelle
Labt nun den Durst'gen hier;
Sie quilt uns heut noch unversiegt und helle –
Sie segnen heute wir.

Ein Denkmal soll die große That erneuen
Den Söhnen künftiger Zeit,
Und Alberts Enkel, dem Gerechten, weihen
Es wir aus Dankbarkeit.

Nach Beendigung dieses Liedes betrat der Superintendent M. Lommatzsch, Ritter des Civil-Verdienst-Ordens, die mit Blumen bestreuete erste Stufe des mit Blumenguirlanden behangenen Denkmals. Ihm zur Rechten war die mit Eichenlaub gezierte Büste unsers guten Landesvaters aufgestellt. Der hochwürdige Redner hielt eine kurze, aber gediegener Worte volle Rede, bei welcher es sehr zu bedauern war, daß sie, wegen des bei einer solchen großen Volksmenge unvermeidlichen Geräusches, und ungeachtet der Anstrengung des mit einer sonoren Stimme und sehr deutlichen Aussprache begabten Lommatzsch, dennoch nur von den zunächst Stehenden ganz verstanden werden konnte. Eine Stelle aus derselben, welche die Worte der Weihe enthält, und die Herzen der Zuhörer besonders ansprach, finde hier ihre Stelle:

»Einen Altar des Vaterlandes erblicken wir in diesem Denkmal, um welchen versammelt wir vor Gott nicht blos des bisher uns und unserm Vaterlande geschenkten Guten in dankbarer Rührung uns erinnern, und Gottes fernern Segen für den König, für das gesammte Erlauchte Königliche Haus und für das Vaterland erflehen, sondern auch den Bund der Treue auf das feierlichste erneuern, der uns mit dem Könige und seinem erlauchten Hause, so wie mit dem Vaterlande auf das Innigste und Heiligste verbindet. Und so weihen denn wir das hier errichtete Denkmal mit allen den geistigen Erhebungen, die ein redliches Volk bei einer solchen Veranlassung ehren, und dem wahren Wohle des Vaterlandes gelten etc.«

Ganz besonders ergreifend aber war es, als der Redner das Ehrengedächtniß des so lange schon entschlafenen, seinem Fürsten unverbrüchlich treuen Biedermannes Georg Schmidt auf folgende herzliche Weise feierte:

»Und so sprechen wir denn heute auf diesem Platze in feierlicher Rührung vor Gott Deinen Namen aus, würdiger Biedermann, Du redlicher Köhler, Georg Schmidt, von Deinem Kurfürsten nachher Triller genannt, der Du einst hier durch Gottes Gnade der Befreier eines denkwürdigen sächsischen Fürsten wurdest. Ehre sey Deinem Andenken, Du längst in dem Herrn Entschlafner! Heil der That, die Du verrichtetest! – Auf der Stätte aber, wo die im Schweiße Deines Angesichts vor beinahe vierhundert Jahren in dieser Gegend ehrlich und redlich Deinen Unterhalt Dir erworben hast, ruhe Gottes bleibender Segen.«

Man kann wohl kühn behaupten, daß Keiner, der diese Rede hörte, ungerührt blieb. Möchte sie doch hie und da zum ernsten Nachdenken führen.

*

Die Worte der Weihe waren feierlich gesprochen, und mit ihnen die Rede beendiget; da ertönten die Harmonien der Instrumente von Neuem, und begleiteten das dazu gedichtete vaterländische Lied:

Einer.

Ein Gaudeamus soll uns heut vereinen
In Gottes heiliger Natur;
Denn hier in dieses Waldes düstern Hainen
Fand Albert einst der Gottheit Spur.

Chor.

Als Denkmal von Sachsens Vergangenheit
Sey dieser Stein dem Leben geweiht.

Einer.

Der treue Sachse blickt noch mit Entzücken
Zurück in jene graue Zeit,
Wo Trillers Arm von seines Räubers Tücken
Den hohen Sprößling hat befreit.

Chor.

Als Denkmal der Rührung und Dankbarkeit
Sey unser Herz, o Fürst! Dir geweiht.

Einer.

Wie heißt Dein Zweig in Seinen Silberhaaren,
Der Sachsen Vater und ihr Glück?

Chor.

Wie heißt der König, der Glückliche schafft,
Rechtlichkeit übet mit Jugendkraft? –

Einer.

Nennt ihn ja Vater unsers Vaterlandes,
Der Seinen Gott im Busen trägt! –
Der, eingedenk des hohen Völker-Bandes,
Das Recht auf ächter Wage wägt!

Chor.

Ja, Treu' und Ehrfurcht dem einzigen Mann,
Der aller Sachsen Treue gewann.

Einer.

Da, wo der Ahnen schaffendes Bemühen
In edler Thaten Kraft sich gleich, –
Da schwindet nie aus hohen Dynastien
Der Herrscher Glorie und Ihr Reich.

Chor.

Fest stehe der große Brüder-Verein,
Den Eichen gleich, im heiligen Hain.

In ein Lebehoch, welches nunmehr der Kreishauptmann dem guten Landesvater Friedrich August darbrachte, fiel die ganze Menge der Anwesenden ein, und es glich dem Brausen des Meeres. Nun aber erfolgte eine Scene, die nur gedacht und gefühlt, nicht aber beschrieben werden kann. ES sprach nämlich der Kreishauptmann gewichtige Worte zu der tief schweigenden Menge, und veranlaßte sie, dem allgeliebten Landesvater den Schwur der Treue zu erneuern. Es geschah allgemein und tiefgefühlt. Vollbracht war der Schwur der Tausende, die da versammelt waren; und die von den so zahlreichen Musikern in einem Chor ausgeführte Melodie des herrlichen Liedes: Den König segne Gott, unterbrach die abermals eingetretene Stille. Sie gab nur den Ton an; denn in einem Augenblicke sang es die ganze Versammlung im Chor, und mit innigem Gefühl.

*

Das Glückauf dem allgeliebten Könige und seinem ganzen Hause! welches der Bergmeister von Zedtwitz aus Annaberg ausbrachte, und das von den sämmtlichen Bergleuten und andern Theilnehmern des Festes mit Herzlichkeit wiederholt wurde, machte mit den einfallenden Harmonien der Hautboisten den Beschluß der ganzen Feierlichkeit.

Nun zerstreuete sich allgemach die Volksmenge, um sich nach Möglichkeit Erfrischungen zu verschaffen, und sich sonst zu vergnügen. Bis an den späten Abend weilten Tausende auf dem Platze einig und friedlich bei einander, und Viele erlustigten sich in einer großen, zunächst dem Brunnen errichteten Bude durch die Freuden des Tanzes.

So endigte sich denn ein Fest, welches ein Volksfest der edelsten Art genannt werden kann; und abgetragen ist nun dem Andenken einer Begebenheit, wo sich Jammer und Herzeleid eines ganzen Volks unverhofft in Freude verkehrte, die Schuld, womit wir nur zu lange in Rest geblieben waren. Waltete auch wirklich noch ein Zweifel ob, daß dieser Ort die Befreiungs-Stätte des Prinzen sey, so wird er doch nun und immerdar als ein Monument der innigsten Verehrung gegen ein herzlichst geliebtes Regentenhaus und wahrer Vaterlandsliebe glänzen, und das Monument der schönste Schmuck dieser Waldgegend seyn, welche die Industrie wackerer Männer, insbesondere des H. Köhler zu Beyerfeld, durch Anlegung wichtiger Hüttenwerke belebte.


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