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11

O'Hara hörte ungeduldig dem schnellen Stakkato der italienischen Unterhaltung zu. Sein Selbstbewußtsein war etwas geschwunden. Ein- oder zweimal versuchte er zwar, zu Wort zu kommen, aber die beiden anderen achteten überhaupt nicht auf ihn.

»Sagen Sie mal, bin ich hier eigentlich völlig überflüssig?« fragte er schließlich vorwurfsvoll. »Sie scheinen keinen großen Wert auf mich zu legen! Anständig behandeln Sie mich wirklich nicht, Tony.«

Er erntete nur einen gleichgültigen^ Seitenblick und wurde immer ärgerlicher. Nach fünf Minuten riß ihm die Geduld, und er begann, so laut er konnte, zu fluchen.

Angelo drehte sich um und sah ihn eisig an.

»Warum schreien Sie denn so? Haben Sie vielleicht Sehnsucht nach Ihrer Frau? Die wartet unten auf Sie!«

O'Hara grinste selbstzufrieden. Er war auf Mary sehr stolz und prahlte gerne ein wenig mit ihr.

»Ihre Frau?« fragte Tony unerwartet freundlich. »Sie haben eine Frau?«

O'Haras Lächeln wurde immer selbstgefälliger.

»Aber natürlich, und sogar eine sehr hübsche! Haben Sie sie denn noch nicht gesehen?«

Niemand wußte besser als er, daß die beiden einander noch nicht begegnet waren. Er hatte eine solche Begegnung bis jetzt tunlichst vermieden, denn er kannte ganz genau den Ruf Perellis als passionierter Schürzenjäger.

»Nein, ich kenne sie noch nicht«, entgegnete Tony liebenswürdig. »Sie ist also sehr hübsch?«

O'Hara nickte grinsend. Dann machte er aber einen großen Fehler – er stellte ein Frage, die ihm schon lange auf der Zunge lag.

»Sagen Sie mal, Tony, warum haben Sie sich eigentlich ausgerechnet eine Gelbe ausgesucht?«

Sofort verschwand das Lächeln aus Perellis Zügen. Sein Gesicht rötete sich leicht, und seine Augen glitzerten gefährlich.

»Würden Sie sich vielleicht etwas gewählter ausdrücken – oder soll ich Ihnen erst beibringen lassen, wie man sich benimmt?«

O'Hara hörte die Drohung in Perellis Ton und lenkte hastig ein.

»So habe ich es doch nicht gemeint. Selbstverständlich wollte ich Minn Lee nicht beleidigen – ich finde sie im Gegenteil außerordentlich hübsch.«

Perelli lächelte bereits wieder. Für Komplimente, und klangen sie auch noch so unglaubwürdig, war er stets empfänglich.

»Natürlich – sie sieht recht gut aus. Aber sicher nicht so gut wie Ihre Frau? Bringen Sie sie doch einmal her«, meinte Tony.

O'Hara zögerte. Warum wollte Perelli unbedingt Mary kennenlernen? Er war in der letzten Zeit doch merkwürdig beständig geworden und hatte ganz im Gegensatz zu früher niemals den Wunsch nach Abwechslung geäußert. Auf jeden Fall wollte er Tony warnen.

»Vergessen Sie aber nicht – ich bin ziemlich eifersüchtig.«

»So muß es sein«, entgegnete Tony. »Also bringen Sie Ihre Frau bitte her. Ich bin direkt neugierig auf sie.« Er drehte sich halb um. »Ich gehe jetzt.«

O'Hara packte ihn am Arm.

»Einen Moment. Ich bringe sie her – aber keine Dummheiten, Tony!«

Er sah seinen Chef herausfordernd an.

»Warum denn so ängstlich? Sie können ganz beruhigt sein.«

Perelli freute sich. Er fühlte sich durch Cons Unsicherheit, in der er eine Bestätigung seines Erfolgs bei Frauen sah, geradezu geschmeichelt.

»Ich kann Ihnen nur sagen«, erklärte Con gedehnt, »daß es jedem ans Leder geht, der sie mir wegschnappen will.«

Tony klopfte ihm lächelnd auf die Schulter.

»Sie sind ein feiner Kerl, Con. Bestimmt verdienen Sie noch eine Menge Geld bei mir.«

Als Con O'Hara hinausging und die Tür leise hinter sich zuzog, veränderte sich Perellis Gesichtsausdruck im Nu. Er murmelte auf italienisch einiges vor sich hin, das durchaus nicht schmeichelhaft, für Con war. Dann trat er vor einen Spiegel und zog sorgfältig seine Krawatte zurecht. Als gleich darauf die Tür wieder aufging, starrte er fasziniert auf die Frau, die vor Con den Raum betrat.

Perelli war nicht sehr wählerisch in bezug auf verschiedene Frauentypen. Immerhin hatte er eine gewisse Idealvorstellung, und jetzt sah er sich einer Frau gegenüber, die seinem Phantasiebild völlig entsprach. Seine Blicke glitten über ihr blondes Haar und ihre feingeschnittenen Züge. Er hielt sie für eine Polin und hatte recht damit. Sie sah genauso aus wie die Frau, die er sich immer gewünscht hatte. Von diesem Augenblick an gab es für ihn kein anderes weibliches Geschöpf mehr als Maria Pouluski, die sich Mrs. Mary O'Hara nannte.

Er starrte sie unverwandt an und hörte wie im Traum O'Haras Stimme.

»Erlaube, daß ich dir Mr. Perelli vorstelle, Mary.«

Ihre Hand war klein und weiß, die Finger lang mit spitzen Fingernägeln. Einen Augenblick hielt Tony ihre Hand, dann verbeugte er sich und küßte sie. Selbst Marys harte Stimme beeinträchtigte seine Illusion nicht.

»Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Mr. Perelli«, begann sie.

Con sah die beiden mit gerunzelter Stirn an.

»Ja, ich erzähle oft von Ihnen – das kannst du doch bestätigen, Liebling?«

Sie fühlte sich etwas unbehaglich, als Tony schwieg, aber seine offenkundige Bewunderung schmeichelte ihr doch sehr. Sie dachte schnell und sah plötzlich Möglichkeiten, die weit über ihre kühnsten Träume hinausgingen. Con hatte oft von Tony gesprochen, aber sie konnte sich im Augenblick nur auf eines besinnen; »Der Kerl hat zehn Millionen Dollar, vielleicht auch zwanzig.« Und dieser Mann stand nun vor ihr und bewunderte sie.

»Ich würde sehr gern auch Mrs. Perelli kennenlernen sie ist eine Chinesin, nicht wahr?«

Tony lächelte.

»Nur zur Hälfte – ihre Mutter war Amerikanerin«, sagte er und nahm ihr den Mantel ab. Geringschätzig betrachtete er das billige Stück.

O'Hara wurde unruhig und schaute Perelli mit wachsendem Ärger an.

»Wir wollen jetzt lieber gehen, Mary«, sagte er laut, aber Tony achtete nicht auf ihn.

»Gefällt Ihnen Chicago?« fragte er.

»Ja, es ist eine schöne Stadt.«

»Sie sind wohl lieber hier als in New York?« Er warf wieder einen Blick auf den Mantel, der auf einem Sessel neben ihm lag. »Sie lieben sicher schöne Kleider – wie wäre es, wenn wir einmal zusammen einkaufen gingen?«

O'Hara stand unentschlossen daneben und biß sich auf die Lippen. Er wußte noch nicht richtig, was er von der Sache halten sollte.

»Vielleicht sehen wir uns auch einmal Pelzmäntel an«, fuhr Tony fort.

Sie lachte perlend und sah ihn von unten herauf an.

»Pelze, warum nicht?« Dann zeigte ihr ein Seitenblick, daß Con immer ärgerlicher wurde, und sie fuhr schnell fort: »Con hat mir erst kürzlich dieses Modell hier gekauft. Ist er nicht großzügig?«

Bis heute war sie sehr stolz auf den Mantel gewesen, aber jetzt schien er ihr plötzlich ziemlich armselig zu sein. Daran änderte auch Con O'Haras Einwurf nichts.

»Zweitausend Dollar hat er gekostet«, erklärte er großspurig.

Tony lachte.

»Zweitausend? Soviel zahle ich ja für einen Pelzkragen!«

Angelo kam in diesem Augenblick herein, und Tony machte ihm ein Zeichen, das der Ire nicht sah, weil er gerade auf die Uhr schaute.

»Schon zu spät!« Con war ein schlechter Schauspieler. »Komm, Mary, wir müssen gehen. Du weißt doch, die Verabredung ...«

»Sie werden am Telefon verlangt, Con.« Angelo war auffallend höflich.

»Ich?« fragte Con ungläubig. »Wer ist es denn? Es weiß doch niemand, daß ich hier bin ...«.

Angelo zog ihn etwas zur Seite.

»Die Polizei«, flüsterte er ihm zu. »Es klang wenigstens so. Sie wissen ja, Kelly ist auf Draht.«

O'Hara sah Mary kurz an und verließ das Zimmer.

Mary hatte verstanden. Natürlich sollte Con für einige Zeit aus ihrer Nähe gebracht werden. Die Sache entwickelte sich schneller, als sie gedacht hatte. Neugierig war sie jetzt vor allem darauf, was Tonys nächster Schachzug sein würde.

Vorerst führte er sie auf den Balkon und zeigte ihr höflich die Aussicht. Doch als sie sich gegen die Brüstung lehnte, legte er plötzlich den Arm um sie und küßte sie. Darauf war sie nicht vorbereitet.

»Sie legen sich aber mächtig ins Zeug! Wir kennen uns doch noch gar nicht richtig«, stieß sie hervor.

»Gefällt es Ihnen hier?« fragte er schnell. »Meinen Sie nicht, daß dies ein besserer Rahmen für Sie wäre?«

»Sie haben Mut«, sagte sie leise. »Wenn Con das hören würde ...«

»Con«, rief er wütend und zog sie an sich. »Es würde mir Spaß machen, so etwas in seinem Beisein zu sagen.«

Seine Stimme klang hart, und er schaute ihr gerade in die Augen.

»Sind Sie verrückt?« entgegnete sie atemlos. »Er schießt Sie auf der Stelle nieder ...«

Er lachte. Jemand hatte einmal gesagt, daß Tony Perelli zuviel Humor besäße, um wirklich gefährlich zu sein. Wenn man ihn aber genauer kannte, wußte man, daß er niemals gefährlicher war, als wenn ihn etwas belustigte.

»Wenn, ihm das gelingen würde, wäre ich allerdings verrückt!« Plötzlich ließ er sie los und zog einen hellglänzenden Brillantring vom Finger. »Hier – schenke ich Ihnen.«

Sie starrte wie hypnotisiert auf das Schmuckstück, trat aber einen Schritt zurück. Er faßte sie an der Hand und steckte ihr den Ring an.

»Behalten Sie ihn!«

»Viel Umstände machen Sie wirklich nicht! Der Stein ist übrigens entzückend.«

Sie wußte gut genug, daß er mindestens fünftausend Dollar wert war, und das strahlende kleine Ding an ihrem Mittelfinger blendete sie mehr, als sie zugeben wollte.

»Er gehört Ihnen«, wiederholte Tony. »Und ich schenke Ihnen vielleicht noch einen.«

Sie sah auf ihre Hand und ließ den Ring glitzern.

»Schön«, flüsterte sie.

»Heute abend gebe ich eine Gesellschaft«, fuhr er hastig fort, Con konnte jeden Augenblick wieder ins Zimmer kommen. »Ich lade Sie und Con ein.«

Sie machte eine letzte verzweifelte Anstrengung, um wenigstens einen Schein von Anstand zu wahren.

»Sie glauben doch nicht, daß ich mich zu irgend etwas verpflichtet fühle, wenn ich Geschenke von Ihnen annehme ...«, begann sie. Doch sie verstummte, als sie Tonys Blick begegnete.

Ein Geräusch im Raum nebenan ließ sie herumfahren.

Con trat auf den Balkon und betrachtete argwöhnisch die beiden.

»Was soll denn das bedeuten?« fragte er gedehnt. »Die Polizei wollte überhaupt nichts von mir.« Er schaute Mary finster an. »Was ist denn mit dir los?«

Seine Frage war nicht ganz unbegründet, denn ihr Gesicht hatte sich gerötet, und ihre Augen glänzten.

Mary zwang sich zu einem Lachen und streckte die Hand aus.

»Schau doch, was Mr. Perelli mir geschenkt hat.«

Er sah auf den Ring und hob dann langsam den Blick zu Perelli.

»Tatsächlich? Und wofür, wenn man fragen darf?«

»Ich gebe ihr noch zwei andere Ringe, wenn es mir Spaß macht«, erwiderte Tony. »Aber nur deshalb, weil sie Ihre Frau ist.« Er klopfte O'Hara freundschaftlich auf die Schulter. »Das ist ein großartiger Kerl, Mary. Er soll hier wohnen und mich vertreten, denn man kann sich wirklich auf ihn verlassen – und auf seine Pistole!«

O'Hara war sofort durch diese Schmeicheleien besänftigt. Die Aussicht auf schnellen Erfolg bedeutete ihm mehr als alles andere. Er zwang sich zu dem Glauben, daß er seiner Frau vertrauen konnte.

»Gut, ich bin damit einverstanden«, sagte er schnell.

Das Telefon klingelte, und Tony Perelli ging hin, um den Hörer abzunehmen. O'Hara trat rasch zu Mary.

»Ist dir der Kerl zu nahegetreten?« fragte er leise.

»Aber, Con, wo denkst du hin! Das möchte ich ihm nicht raten!«

Ihre Antwort kam so hastig, daß sich selbst Con nur halb davon überzeugen ließ.

»Dieser Perelli ist als Schürzenjäger bekannt, aber ich glaube nicht, daß du sein Typ bist. Außerdem ist er im Augenblick völlig in Minn Lee verschossen ...«

»Freut mich, das zu hören«, sagte eine leise Stimme hinter ihm, er drehte sich hastig um.

Minn Lee war hereingekommen und stand nun neben ihm. Diese Unterbrechung kam Mary sehr gelegen. Freundlich und halb bewundernd sah sie auf die kleine, graziöse Gestalt. Diese Chinesin war noch hübscher, als sie sich vorgestellt hatte.

Minn Lee war traurig. Sie hatte Tony am Telefon beobachtet und gesehen, daß er den Blick nicht von Mary wandte. Instinktiv spürte sie, daß ihr von dieser Seite Gefahr drohte.

O'Hara strahlte über Minn Lees Gegenwart. Die Situation war allmählich unerträglich geworden, und er fühlte sich jetzt sehr erleichtert.

Die beiden Frauen begrüßten sich, und Mary machte Minn Lee Komplimente über ihr Aussehen und ihr Kleid.

Minn Lee betrachtete sie ernst. Wenn sie auch alles andere mit philosophischer Gelassenheit ertragen konnte, daß jemand ihr Tonys Zuneigung rauben sollte, war zuviel. Sie klammerte sich verzweifelt an die Hoffnung, Tony wieder zur Vernunft bringen zu können.

Perelli beobachtete die beiden und fühlte sich in gehobener Stimmung. Er wußte ganz genau, daß die Feindseligkeiten eröffnet worden waren und daß er im Brennpunkt des Interesses stand.

»Finden Sie Minn Lee schön?« fragte er lächelnd und legte die Hand auf ihre Schulter. »Zeige Mary doch einmal deine Ringe, Liebling.«

Gehorsam streckte Minn Lee die Hände aus, Perelli zeigte auf die einzelnen Schmuckstücke, die Beweise seiner verschwenderischen Freigebigkeit waren. Er nannte sogar die Summen, die er dafür bezahlt hatte, und tat so, als wäre dies alles noch gar nichts.

Mary lauschte fasziniert; die hohen Beträge machten einen überwältigenden Eindruck auf sie. Sie schaute von der Chinesin zu Tony und von ihm zu dem plumpen Iren an seiner Seite. Dann dachte sie daran, daß sie nur ihre Zustimmung u geben brauchte, um alles zu haben, was ihr gefiel. Ihr Entschluß stand fast schon fest.

Con O'Hara hatte inzwischen genug von dieser Situation.

»Wir müssen jetzt gehen«, brummte er.

Tony schien sich plötzlich wieder an ihn zu erinnern.

»Ich muß noch mit Ihnen sprechen, Con. Auch mit Jimmy. Ihre Frau kann solange hier bleiben. Minn Lee, zeige doch Mrs. O'Hara einmal den Wintergarten – dort halten wir gewöhnlich unsere Gesellschaften ab«, fügte er hinzu.

»Ein andermal dann«, entgegnete der Ire trocken. »Ich sagte schon, daß wir eine Verabredung haben. Verabschiede dich, Mary!«

Einen Augenblick schien Tony nachzugeben.

»Schön, dann also auf Wiedersehn.« Er nahm Marys Hand. »Aber heute abend kommen Sie doch bestimmt?«

Sie sah zu Con hinüber, der unmerklich den Kopf schüttelte.

»Ich weiß nicht, ob es geht ...«, begann sie.

»Natürlich kommen Sie! Und Sie bleiben selbstverständlich über Nacht hier, Wir haben genügend Platz für Sie und Ihren Mann.«

Seine Worte klangen wie ein Befehl. Sie sah wieder Con an, aber der zuckte jetzt hilflos die Achseln.

»Wir wohnen nur acht Häuser weiter«, meinte sie schließlich zögernd.

Tony lächelte.

»Trotzdem werden Sie mir das Vergnügen machen.«

»Ich schlafe nicht gern in fremden Zimmern«, warf Con ein.

Perelli streifte ihn mit einem eisigen Blick.

»Immerhin haben Sie ja auch schon in Sing-Sing logiert«, entgegnete er sarkastisch.

Die Lage spitzte sich zu; Mary fühlte, daß es bald Streit geben würde. Auch Minn Lee hatte die schlimmsten Ahnungen. Sie lächelte mechanisch, als Mary auf sie zukam, und trat einen Schritt beiseite, um sie vorbeizulassen. Beide gingen auf den Balkon.

Diesen Augenblick benutzte Con O'Hara.

»Auf ein paar Worte«, sagte der Ire leise zu Tony. Seine Stimme klang so drohend, daß sich jeder außer Perelli davon hätte einschüchtern lassen.

»Kommen Sie mir nicht zu nahe«, sagte er ruhig zu Con, der auf ihn zutrat.

Er blieb stehen, aber Con kam ihm noch näher. Er war nur noch eine Handbreit von Tony entfernt.

»Wenn Sie Mary nicht in Ruhe lassen ...«

Perelli nahm seine Zigarre aus dem Mund und blies die Asche ab – dann drückte er das glühende Ende dem Iren auf die Backe. Mit einem Fluch sprang der Mann zurück.

»Ich lasse mir nicht gerne Vorschriften machen«, erklärte Perelli.

Einen Augenblick lang war Con außer sich vor Wut und zu jeder Handlung fähig – aber er sah trotzdem, daß Perelli seine rechte Hand in der Jackettasche stecken hatte. Zum erstenmal in seinem Leben fürchtete er sich.

»Diesmal haben Sie noch Oberwasser«, sagte er atemlos. »Aber glauben Sie mir – ich lasse mir nicht auf der Nase herumtanzen. Es hat schon mehr als einer ins Gras gebissen, wenn er mir nicht mehr gefiel!«

Tony schüttelte überlegen lächelnd den Kopf.

»Sie sind ein Angeber«, entgegnete er ruhig. »Wenn ich jemand beseitigen will, knalle ich ihn ohne große Vorankündigung über den Haufen. Und wenn mich Ihre Frau interessiert, dann interessiert sie mich eben – verstanden? Seien Sie kein Dummkopf!« Er klopfte Con auf die Schulter. »Schließlich sind Sie ja ein ganz brauchbarer Kerl; ich werde schon für Sie sorgen.«

O'Hara hatte jetzt klaren Wein eingeschenkt erhalten. Und die Tatsache, daß Tony sein Chef war und außerdem in jeder Beziehung der Stärkere von beiden, ließ sich vorerst nicht ableugnen. Er verschob die Abrechnung auf später und zwang sich zu einem lauten Lachen.

»Soll mir auch recht sein«, sagte er und winkte Mary zu sich. »Auf Wiedersehen, Mrs. Perelli. Ich freue mich, daß Sie meine Frau kennengelernt haben.«

Er hatte jetzt das Gefühl, einen unangenehmen Augenblick glücklich überbrückt zu haben, verabschiedete sich so schnell wie möglich und verließ mit Mary das Haus.

Als sie zu Hause ankamen, telefonierte er sofort Perelli an.

»Hören Sie, Tony, wir können heute abend nicht kommen. Meine Frau fühlt sich nicht wohl.«

»Das macht nichts – ich habe einen Arzt hier«, entgegnete Tony kühl. »Bringen Sie sie nur her. Übrigens habe ich einen Auftrag für Sie. Sie müssen sofort Jimmy holen. Ich sagte sofort!«

»Hören Sie, ich ...«, versuchte O'Hara einzuwerfen, aber Perelli hatte schon aufgelegt und das Gespräch beendet.

Perelli hatte an diesem Tag viel zu tun. Immerhin konnte er damit rechnen, daß Feeneys Leute nicht sofort Vergeltungsmaßnahmen ergreifen würden, denn erst mußten die Vorbereitungen zu einem großartigen Leichenbegängnis für Shaun O'Donnell getroffen werden. Und es war ein ungeschriebenes Gesetz, daß während solcher Vorbereitungen Waffenstillstand zwischen den feindlichen Parteien herrschte.

Con war inzwischen zu dem Hotel gefahren, in dem Jimmy wohnte. Der Junge war entgegen seinen Instruktionen ausgegangen, und er traf ihn wenig später ohne Begleitung oder Schutz auf der Michigan Avenue. Es schien ihm alles gleichgültig zu sein.

Als Con ihm auf die Schulter klopfte, fuhr Jimmy nervös herum. Sein Gesicht war bleich, es zuckte um seine Mundwinkel.

»Was ist denn eigentlich los mit Ihnen?« fragte Con mit einem überlegenen Lächeln.

»Nichts – ich wollte nur ...«

»Tony will mit Ihnen sprechen. Aber so reden Sie doch, was haben Sie denn?«

»Ich weiß nicht. Wahrscheinlich bin ich müde. Ich habe nicht besonders gut geschlafen.«

Con lachte.

»Sie dürfen sich die Geschichte nicht so sehr zu Herzen nehmen«, meinte er, »sonst schnappen Sie noch über.«

Jimmy hörte ihm nicht zu. Er sah noch immer den entsetzten Blick des Mannes vor sich, auf den er geschossen hatte. Die ganze Nacht hatte ihn dieses Bild verfolgt, und er würde es wohl bis an sein Lebensende nicht mehr loswerden.


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