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Erstes Lied. Ich. |
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Knabe, reiche mir den Becher, Reich' ihn auf die Tempelstufe, Nektar bringt dem Göttervater Der geraubte schöne Mundschenk, Und bei Bacchus' holdem Namen Denken Himmlische des Menschen, Denkt der Mensch des Himmlischen. |
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Der Knabe. |
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Herr, befiehl, ich trage süßen, Unvermischten Wein im Korbe. Aber laß bevor dich fragen, Sprich, warum so traurig immer? Einsam seh' ich und verdrossen Dich durch Haus und Tempel ziehen, Dich auf Säulentrümmern ruh'n. 64 |
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Ich. |
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Hast du nie gehört, die Menschen Sind zuweilen in Gedanken, Sorg' und Plage hat ein jeder, Hat der König wie der Sänger, Und des Sängers einzige Habe, Glaube, Kind, es ist die Leier Oefters eine schwere Last. |
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Der Knabe. |
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Wenig kann ich dich verstehen, Doch ich weiß, Gesang und Leier Sind des Menschen Lust, und können Nicht der Kummer sein des Sängers. Nein, du hast ein Liebchen ferne, Und des Abends durch Pompeji Führtest du's am Arme gern. |
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Ich. |
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Stille, stille, kleiner Schwätzer, Dort im duft'gen Abendgolde Seh' ich eine Insel schwimmen, Gieb von ihrem goldnen Weine Mir den Becher voll, und sei er Feurig wie das Herz der Männer Und wie Mädchenlippen süß. |
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Zweites Lied. |
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Suchend wandr' ich durch die Straßen, Ob ich meinen Knaben finde, Doch vom Thore bis zum Forum Hör' ich keines Menschen Athem, Nur der eignen Tritte Schall. 65 Offen steh'n mir alle Thüren, Und des Vorhofs farb'ge Säulen Winken mir in heit're Häuser, Bilder find' ich an den Wänden, Aber einen Menschen nicht. An der Ecke dort ein Brunnen! Ob er sich mit kühlem Wasser Dort erquickt und mich erwartet? Doch der Brunnen ist von Wasser Fast Jahrtausende schon leer. Ob er hier in's Bad gegangen, Sich zu stärken und zu salben? Freundlich wölben sich die Säle, Ruf' ich ihm? doch was vernehm' ich? Meiner Stimme Wiederhall. Worte hier mit rother Farbe An getünchte Wand geschrieben, Ob er sie an mich gerichtet? Nein, es hat's ein Mann geschrieben, Der zu Nero's Zeit gelebt. Wär' er nicht vielleicht im Tempel? Hier die Treppe, Säul' und Altar, Und des Gottes heil'ge Zelle; Doch es fehlt der Gott, so fehlet Auch der fromme Betende. Ob vielleicht des Forums Menge Nicht den Einzelnen verschlungen? Wohl des Säulenganges Trümmer, Platz und Rednerbühn' und Tempel, Aber Menschen seh' ich nicht. 66 Ist die Welt denn ausgestorben? Sieh', hier find' ich ihre Gräber! Wunderbar, und hier zu finden Glaub' ich seine Ruhestätte, Glaub' ich selbst mein eignes Grab. |
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Drittes Lied. |
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Nimm den Rosenkorb, o Knabe! Und an Jovis Haus vorüber Laß vom Heiligthum der Venus Unsern Schritt mit Andacht wenden; Ja, die Vorwelt nenn' ich weise, Denn der Themis an die Seite, Denn an's Forum baute sie Amathusien einen Tempel. Zwar gestürzt sind ihre Säulen, Einst der holden Fabel heilig, Und geflohen ist die Göttin Aus der langbegrabnen Zelle. Einst auch so die zücht'ge Flamme Bergend in geheimer Tiefe, Ward mir das enttäuschte Herz Nun zur trauernden Ruine. |
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Viertes Lied. |
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Rosen waren meine Freuden, Denn ich ahnte das Geheimniß, Wie Natur im Frühlingdrange Für die Liebe sie geschaffen, Sei's am reinen Spiegelquelle, Sei's im tief verschwiegnen Busche, Sei's an junger, keuscher Brust. Rosen waren meine Freuden! 67 Lob' ich sie, wenn sie des rauhen Apennins beschneiten Gipfeln Oft im Morgenglüh'n entathmen, Wenn sie duft'ge Inseln ferne Mit verliebtem Purpur schwellen, Wenn in tausend blauen Wiegen, Von der Winde Lust gebuhlt, Capri's Meere sie entäugeln? Prachtvoll mögen sie des Berges Schwarzem Krater auch entblühen, Und in Wolk' und Asch' und Nebel Ihre sanfte Röthe hauchen, Ewig will ich sie nur preisen, Wie ich sie, um Liebe flehend, Ohne Schuld, zum erstenmal Glühen sah auf Mädchenwangen. |
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Fünftes Lied. Ich. |
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Wandern wir durch Feld und Vigne, Denn es dämmert schon der Abend, Und aus Weinberg und aus Gärten Kehrt der Landmann singend heim. |
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Der Knabe. |
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Folget mir nur längs dem Sarno, Hier durch's Grün der Reb' und Feige, Dort vorüber, wo die Häuschen Im Gebüsch und Weinlaub' stehn. 68 |
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Ich. |
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Aber sprich, was hör' ich schäkern, Höre laut Gelächter schallen, Halt, und dort stürzt aus der Vigne Gar ein schönes Kind hervor. |
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Er. |
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Herr, verlobt ist dieses Mädchen, Daß ihr's wißt, und hat 'nen Liebsten, Ja und seht, dort läuft der Bube Selbst dem schönen Liebchen nach. |
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Ich. |
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Aber sollt' er sich nicht schämen, Machen denn verliebte Leute Solchen Spuk und solchen Lärmen Außer Haus und außer Dach? |
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Er. |
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Herr, nur jetzt noch wird geschäkert, Ist die Hochzeit erst vorüber, Legen sie sich mit einander Stille, mäuschenstill zu Bett. |
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Sechstes Lied. Ich. |
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Gräber, am verlaßnen Wege, Gräber, les' ich eure Inschrift? Namen find' ich, fremde Namen, Leeren Schall, der ganze Mensch Ist ein leerer Name worden. |
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Er. |
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Herr, wo find' ich euch, ihr sitzet Abermal vor diesen Gräbern? Weinet ihr um eine Mutter, Weint ihr um ein Liebchen? Nein, Denn das Liebchen ist am Leben. 69 |
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Ich. |
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Aschenkrüge seh' ich stehen Hier im stillen Grabgemache, Denn der Mensch ist Staub und Asche, Und mit Asche hat der Berg Einst die Gräber auch begraben. |
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Er. |
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Welche Trauer im Gemüthe! Laß die todten, leeren Steine, Blicke nach dem goldnen Himmel, Wie er Weinlaub und Vesuv, Meer und Insel überglänzet! |
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Ich. |
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Ja, die Welt ist schön und herrlich, Und es ist nur eine Sonne, Gleich dem goldnen Sonnenstaube Schimmern wir in ihrem Glanz Und vergehn in ihrer Größe. |
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Er. |
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Nein, wie kann ich's noch verschweigen, Länger dich so finster sehen! Auf, erheitre deine Stirne, Dieses Briefchen hier, von Rom, Gebe dich zurück dem Leben. |
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Siebentes Lied. Ich. |
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Was vernehm' ich, ist vom Grabe Nicht allein die Stadt erstanden, Find' ich auch das Volk am Leben? Dort vom Thore hergezogen, Hier den Aschenhügel nieder Aus dem Weinberg kommt's herbei Mit Geräusch und mit Getümmel. 70 |
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Er. |
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Fröhlich, Herr, an diesem Tage! Denn ein muntres Fest ist heute, Und das Landvolk, es versammelt Sich zu Tanz und Scherz und Feier, Folgt dem farbigen Gedränge, Folgt dem Schall des Tamburins, Das die Straßen hin ertönet. |
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Ich. |
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Wie, noch wär' ich in Pompeji? Dort erhebt sich das Theater, Doch am alten Säulengange klappert in bacchant'schem Takte Nun zum Tanz die Castagnette, Schallet hier an Herkules' Tempelhaus die Tarantella. |
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Er. |
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Wie sie jauchzen, wie sie hüpfen, Freut euch, Herr, des Augenblickes, Und ihr lebet froh und glücklich; Seht das Brautpaar von der Vigne, Wie es sich zum Tanze schwinget, Nein, ihr widerständet nicht, Ginge Liebchen euch am Arme! 71 |