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Entdeckungen Bouvet de Lozier's in den südlichen Meeren. – Surville. – Das Land der Arsaciden. – Die Ereignisse im Hafen Praslin. – Ankunft an der Küste von Neuseeland. – Surville's Tod. – Marion's Entdeckungen im antarktischen Meere. – Das Blutbad auf Neuseeland. – Kerguelen in Island und in den südlichen Ländern. – Die Uhren-Fahrten: Fleurieu und Verdun de la Crenne.
Der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gehört eine Entdeckung an, welche auf die Fortschritte der Geographie von hochwichtigem Einfluß werden sollte. Einem Schiffskapitän der Indischen Compagnie, Jean Baptiste Charles Bouvet de Lozier, ließ der ungeheure leere Raum rings um den Südpol, den die Geographen »Terra australis incognita« nannten, keine Ruhe; je länger, je mehr erwachte in ihm das ehrgeizige Bestreben, jene unbekannten Länder wirklich zu entdecken. Lange Zeit blieben seine Bemühungen ohne Erfolg; im Jahre 1738 schenkte ihm die Direktion der Gesellschaft endlich Gehör in der Hoffnung, ihrer Handelsthätigkeit damit neue Gebiete zu eröffnen.
Unter dem Befehle Bouvet de Lozier's liefen am 19. Juli 1738 zwei kleine, zweckentsprechend ausgerüstete Fregatten, die »Aigle« und die »Marie«, von Brest aus. Einen Monat lang lagen sie bei der Insel St. Katharina, nahe der Küste Brasiliens, vor Anker und gingen am 13. November, einen südöstlichen Kurs steuernd, wieder in See.
Am 26. November überfiel die beiden Fregatten ein so dichter Nebel, daß sie sich nur durch zeitweilig gelöste Kanonenschüsse bei einander zu halten vermochten, wobei es notwendig wurde, wiederholt die Fahrtrichtung zu ändern, so daß ein Zusammenstoß jeden Augenblick zu befürchten stand. So unmöglich es erschien, nahm dieser Nebel am 5. December doch noch weiter zu, so daß man einmal auf der »Aigle« Alles, was auf der »Marie« vorging, deutlich hören, das Schiff selbst aber nicht im mindesten wahrnehmen konnte. Im Wasser trieben viele See-Eichen und darüber flatterten Schaaren von hühnerartigen Vögeln, welche sich niemals weit vom Lande entfernen.
»Am 15. December«, sagt Fabre in seinem Werke über die Bouvet'sche Reise, »bemerkte man unter 48° 50' südlicher Breite (nebenbei bemerkt, die Breite von Paris im Norden des Aequators) und 7° östlicher Länge von Teneriffa, zwischen fünf und sechs Uhr des Morgens einen gewaltigen Eisberg; später noch mehrere andere, umgeben von Eisschollen jeder Form und Größe. Die Fregatte ›Marie‹ signalisirte die drohende Gefahr und drehte eiligst bei. Bouvet, den dieses, das Zusammenhalten der beiden Schiffe gefährdende Manöver sehr beunruhigte, ließ auf der ›Aigle‹ alle Leinwand beisetzen und gab, dicht an Bord der ›Marie‹ vorüberfahrend, seine Absicht kund, trotz dieser Hindernisse nach Süden weiter zu segeln. Zur Beruhigung der erschrockenen Mannschaft sagte er, daß man die Begegnung von Eisbergen eher als ein günstiges Vorzeichen zu betrachten habe, da dieses auf die Nähe eines Landes hindeutete.«
Wiederum schlug man also einen südlichen Kurs ein, und bald wurde Bouvet's Ausdauer durch Auffindung eines Landes belohnt, das er »Cap Circoncision« nannte. Dasselbe war sehr hoch, mit Schnee bedeckt und von Eismassen umgürtet, welche es unmöglich machten, näher als sieben bis acht Meilen von der Küste heranzukommen. Es schien von Norden nach Süden eine Ausdehnung von vier bis fünf Meilen zu haben.
»Man bestimmte die Lage dieses Landes, sagt Fabre, nach den Karten Pitergos', deren sich Bouvet bediente, zu 54° südlicher Breite und 26 bis 27° östlicher Länge von Teneriffa (= 5° 30' bis 6° 30' östlich von Paris).«
Bouvet hätte das vor ihm liegende Land gern näher in Augenschein genommen und wenigstens mit Booten das Ufer zu erreichen gesucht, dichter Nebel und widrige Winde vereitelten aber ein derartiges Unternehmen, und er mußte sich begnügen, dasselbe aus der Ferne zu beobachten.
»Am 3. Januar 1739, meldet Bouvet in seinem Berichte an die Compagnie, gewannen wir die während der letzten Tage eingebüßte Distanz wieder, und vermochten gegen vier Uhr Nachmittags, bei minder bedecktem Himmel, das Land schärfer zu erkennen; die in ihrer ganzen Ausdehnung ziemlich steile Küste bildete mehrere Buchten: der Gipfel der Berge lag in Schnee verhüllt, doch schienen die Abhänge derselben bewaldet.«
Nach wiederholten fruchtlosen Versuchen, an's Ufer zu kommen, mußte Bouvet diese Absicht aufgeben. Seine Matrosen waren erschöpft von den Strapazen, entmuthigt und vom Skorbut entkräftet. Die »Marie« ward also nach der Isle de France entsendet, während die »Aigle« nach dem Cap der Guten Hoffnung steuerte, das sie am 28. Februar erreichte.
»Wir haben,« sagt Bouvet in dem schon citirten Berichte, »auf unbekannten Meeren zwölf- bis fünfzehnhundert Meilen zurückgelegt. Fast siebzig Tage lang litten wir durch einen gleichbleibenden, dichten Nebel. Vierzig Tage lang kreuzten wir zwischen dem Eise, beinahe täglich von Hagelschauern und Schneefällen überschüttet. Häufig waren Deck und Segelwerk dick mit Schnee bedeckt. Wanten und Tauwerk starrten in einer Eiskruste. Am 10. Januar gelang es nicht einmal, das kleine Marssegel zu streichen. Die Kälte war für meine nur mangelhaft bekleideten Leute, welche aus warmen Ländern herstammten, gar zu streng. Mehrere erfroren dabei die Hände oder die Füße. Und dennoch mußten wir immer manövriren, brassen oder Segel beisetzen und mindestens einmal täglich sondiren. Ein Matrose der ›Aigle‹ fiel, als er die Raa des kleinen Marssegels herabgelassen hatte, von der Kälte überwältigt in das Marssegel des Fockmastes, so daß wir ihn mittelst eines Jölltaues herunterholen mußten und viele Mühe hatten, ihn wieder zu erwärmen. Anderen brachen die Thränen aus den Augen, wenn sie die Sondenleine aufholten. Trotzdem befanden wir uns damals in der besten Jahreszeit, und ich gab mir übrigens alle Mühe, der Mannschaft nach Kräften jede mögliche Erleichterung zu gewähren.«
Selbstverständlich konnte ein so geringfügiges Resultat die Indische Compagnie zu weiteren Unternehmungen in jenen Gegenden nicht anspornen. Ohne nennenswerthe Vortheile zu bieten, drohten sie vielmehr Schiffen und Menschen mit dem Verderben. Immerhin bildete Bouvet's Entdeckung den ersten erschütternden Schlag gegen den Glauben an das Vorhandensein eines südlichen Festlandes. Ein Beispiel war gegeben, dem mehrere Seefahrer, darunter zwei Franzosen, bald folgen sollten. Wir erwähnten obiger, sonst wenig bekannt gewordener Expedition nur deshalb mit einigen Worten, um dem Manne eine Anerkennung zu zollen, der als Pionnier für die Südpolfahrten zu betrachten ist, und dem der Ruhm zukommt, dem großen englischen Seefahrer James Cook den Weg vorgezeichnet zu haben.
Ein anderer Kapitän der Indischen Compagnie, der sich früher in manchem Treffen mit den Engländern ausgezeichnet hatte, Jean François Marie de Surville, sollte dreißig Jahre später in Oceanien werthvollere Entdeckungen machen und fast gleichzeitig mit Cook das früher von Tasman entdeckte und von diesem Staatenland getaufte Gebiet wieder auffinden. Das geschah aber unter folgenden Umständen:
Die Herren Law und Chevalier, zwei Administratoren in Französisch-Indien, hatten beschlossen, auf eigene Kosten ein Schiff zu Handelszwecken in den südlichen Meeren auszurüsten. Sie gewannen Surville für ihre Absichten und sendeten ihn nach Frankreich, um bei der Compagnie die nothwendige Erlaubniß zu ihrem Vorhaben auszuwirken und die Fertigstellung des betreffenden Schiffes zu überwachen. Die »St. Jean Baptiste« wurde hierauf in Nantes ausgerüstet und außer einem Lebensmittel-Vorrath für drei Jahre mit Allem versehen, was für eine so weite und lange Reise nothwendig und wünschenswerth zu sein schien. Hierauf begab sich Surville zunächst nach Indien, wo Law ihm vierundzwanzig eingeborne Soldaten zutheilte. Am 3. März 1769 lief die »St. Jean Baptiste« aus der Bai von Angely aus und besuchte nach und nach Masulipatam, Yanaon und Pondichery zum Zweck der Vervollständigung ihrer Ladung.
Am 2. Juni verließ Surville die letztgenannte Stadt und begab sich nach den Philippinen. Er ankerte am 20. August bei den Bashers- oder Baschy-Inseln, ein Name, den ihnen Dampier beigelegt hat und der dem eines berauschenden Getränkes entspricht, das die Insulaner aus dem Safte des Zuckerrohres, in welchem man gewisse schwarze Körner mehrere Tage über liegen läßt, herzustellen wissen.
Auf diesen Inseln waren früher mehrere Matrosen Dampier's desertirt, jeder hatte von den Bewohnern eine Frau, ein Stück Land und Ackergeräthe erhalten. In Erinnerung hieran wollten drei Matrosen der »St. Jean Baptiste« diesem Beispiele folgen. Surville war aber nicht der Mann dazu, den Bestand seiner Besatzung so ruhig zerbröckeln zu lassen. Er ließ also sechsundzwanzig Indianer ergreifen, die er bis zur Zurückführung seiner Leute als Geißeln behalten wollte.
»Unter diesen an den Händen leicht gefesselten Indianern,« sagt Crozet in seinem Berichte über Surville's Reise, »waren einige verwegen genug, sich trotz der Fesseln in's Meer zu stürzen, und es gelang ihnen auch, zum höchsten Erstaunen der Mannschaft, bis zu den Piroguen ihrer Stammesgenossen zu schwimmen, welche sich so weit entfernt hielten, daß sie von dem Schiffe nichts zu fürchten hatten.«
Man suchte den Wilden begreiflich zu machen, daß gegen sie nur deshalb in dieser Weise verfahren worden sei, um ihre Kameraden zur Wiederauslieferung der drei Deserteure zu bestimmen. Da sie durch Zeichen zu verstehen gaben, daß sie verständen, um was es sich handle, wurden Alle freigelassen bis auf sechs, die man aus anderen Gründen am Lande gefangen hatte. Die Eile, mit der sie das Schiff verließen und sich in ihre Piroguen stürzten, ließ kaum vermuthen, daß sie zurückkehren würden. Desto größer war das Erstaunen, als man sie nach einiger Zeit mit Freudengeschrei wiederkommen sah. Natürlich glaubte Jedermann, daß sie dem Commandanten die drei Deserteure wieder zuführten. Wirklich stiegen sie an Bord und legten – drei gebundene, geknebelte und geschnürte Schweine nieder.
Surville fand diesen Scherz, wenn es einer sein sollte, sehr am unrechten Platze; erzürnt jagte er die Eingebornen fort, welche in ihre Piroguen sprangen und auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Vierundzwanzig Stunden später verließ die »St. Jean Baptiste« die Bashers und führte als Ersatz der Deserteure drei gefangene Indianer mit weg.
Nach langer, südöstlicher Fahrt entdeckte man am 7. October Land unter 6° 56' südlicher Breite und 151° 30' östlicher Länge von Paris, dem man den Namen »Insel de la Première-Vue« beilegte.
»Bis zum 13. Oktober segelte man längs der Küste desselben hin, an welchem Tage man einen, gegen alle Winde geschützten, von einer Menge kleiner Inseln gebildeten Hafen auffand, der den Namen »Port Praslin« erhielt; dieser liegt unter 7° 25' südlicher Breite und 151° 55' östlicher Länge von Paris.«
Beim Einfahren in diesen Hafen bemerkten die Franzosen einige mit Lanzen bewaffnete Indianer, welche eine Art Schild auf dem Rücken trugen. Bald wurde die »St. Jean Baptiste« von vielen Piroguen mit einer Menge Eingeborner umringt, die nichts Gutes im Schilde zu führen schienen, doch gelang es, sie von Feindseligkeiten abzuhalten. Etwa dreißig der Kühnsten kletterten an Bord und betrachteten mit großer Aufmerksamkeit Alles, was sie hier fanden. Diesem Beispiele wollten darauf so viele Andere folgen, daß man Mühe hatte, sich ihrer zu erwehren, um bei dem durch Krankheit stark verminderten Bestand an Mannschaft nicht eine zu große Anzahl Eingeborner auf einmal zuzulassen.
Trotz des ihnen zu Theil gewordenen freundlichen Empfanges schienen sich die Wilden doch nicht für sicher zu halten, wenigstens legten sie durch ihr Verhalten stets ein entschiedenes Mißtrauen an den Tag. Bei der geringsten unerwarteten Bewegung auf dem Schiffe sprangen sie in ihre Piroguen oder unmittelbar in's Meer. Nur ein Einziger trat etwas vertrauensvoller auf. Surville ließ ihm einige Geschenke überreichen. Der Indianer stattete seine Erkenntlichkeit dafür dadurch ab, daß er durch Geberden eine Stelle im Grunde der Bai bezeichnete, wo man Wasser finden könne.
Der Commandant gab darauf hin Befehl, die Boote klar zu machen, deren Führung er seinem zweiten Offizier, Namens Labbé, anvertraute.
»Die Wilden schienen nur auf die Abfahrt der Boote vom Schiffe zu warten,« sagt Fleurieu in seinen »Entdeckungen der Franzosen«, »denn jene hatten kaum abgestoßen, als ihnen auch schon alle Piroguen nachfolgten. Eine der letzteren schien die übrigen zu führen; es war diejenige, in welcher sich der Indianer befand, der Surville über die Lage eines Wasserplatzes unterrichtete. Im Hintertheile derselben stand ein Mann aufrecht mit belaubten Zweigen in den Händen, die er in Kopfhöhe hielt und tactmäßig hin und her schwenkte. In der Mitte der nämlichen Pirogue stand auch noch ein junger Mann, gestützt auf einen langen Spieß, mit ruhig-ernster Würde aufrecht. Seine Ohren und Nasenscheidewand waren mit rothen Blumen geschmückt und das Haar weiß gepudert.«
Gewisse auffällige Bewegungen erweckten indeß bald den Verdacht der Franzosen, welche sahen, daß sie in eine Art Sackgasse gelockt werden sollten, in der sich, den Versicherungen der Wilden nach, ein Süßwasserquell befände. Trotz des Drängens der Eingebornen hütete sich Labbé doch, seine Boote bei nur zwei bis drei Fuß Wasser über schlammigem Grunde weiter vorwärts gehen zu lassen. Er sendete zur näheren Untersuchung vielmehr nur einen Korporal mit vier Mann voraus. Diese kehrten sehr bald mit der Meldung zurück, daß sie statt der vorgeblichen Quelle nur einen Morast gefunden hätten, in dem man bis zum Gürtel einsinke. Offenbar planten die Wilden also einen Verrath. Labbé ließ ihnen jedoch nicht merken, daß er ihre Absicht durchschaut habe, sondern begehrte von ihnen nur die Nachweisung eines Wasserplatzes.
Die Eingebornen führten die Boote hierauf nach einer drei Meilen entfernten Stelle, von der aus man die Schiffe nicht sehen konnte. Noch einmal wurde der Korporal mit einigen Leuten an das Land gesendet; er fand daselbst aber eine sehr dürftige Quelle, die kaum zur Stillung des Durstes für ihn und seine wenigen Begleiter ausreichte. Während seiner Abwesenheit versuchten die Eingebornen auf jede Weise, Labbé zum Betreten des Landes zu bewegen, indem sie auf den Ueberfluß an Cocosnüssen und anderen Früchten hinwiesen, während sie sich sogar des Stoggers oder Bootshakens der Schaluppe zu bemächtigen suchten.
»Ueber 250 Insulaner, heißt es in dem Berichte, ausgerüstet mit Lanzen von sechs bis sieben Fuß Länge, mit hölzernen Keulen, Bogen und Steinen versehen, manche davon durch Schilde gedeckt, waren am Strande versammelt und beobachteten die Bewegungen der Boote. Als das kleine, aus fünf Mann bestehende Detachement wieder vom Ufer abstoßen wollte, sprangen die Wilden auf dasselbe zu, verwundeten einen Soldaten durch Keulenschläge, den Korporal durch einen Lanzenstich und die Anderen auf verschiedene Weise. Labbé selbst trafen zwei Pfeile in die Schenkel und ein Stein an den Fuß. Jetzt gab man Feuer auf die Verräther. Schon die erste Salve machte sie erstarren, vorzüglich weil die in ganz kurzer Entfernung abgegebenen Schüsse eine verheerende Wirkung hervorbrachten. Dadurch gewann man Zeit, ein zweites Mal zu laden und zu feuern, wodurch die Gegner in die Flucht getrieben wurden und wobei sie der Tod ihres Häuptlings noch mehr zur Eile zu drängen schien. Labbé selbst hatte diesen nämlich daraus erkannt, daß er von den Kriegern getrennt stand, die Hände gen Himmel erhob und wie zur Anfeuerung der Krieger an seine Brust schlug; Labbé zielte und streckte ihn durch einen glücklichen Schuß nieder. Die Wilden schleppten ihre Verwundeten mit hinweg, ließen aber zwischen dreißig und vierzig Todte am Platze. Jetzt gingen die Franzosen an's Land, sammelten die da und dort verstreuten Waffen der Feinde, verbrannten die vorgefundenen Piroguen und nahmen nur eine derselben im Schlepptau mit.«
Surville wünschte indessen lebhaft, einen Eingebornen in seine Gewalt zu bringen der ihm als Führer dienen und, nach gewonnener Einsicht in die Ueberlegenheit europäischer Waffen, seine Landsleute bestimmen könnte, gegen die Franzosen nichts weiter zu unternehmen. Zur Erreichung dieses Zweckes verfiel er auf ein etwas ungewöhnliches Mittel. Er besetzte nämlich die angebrachte Pirogue mit zwei Neger-Matrosen, denen man die Köpfe weiß gepudert und eine Kleidung angelegt hatte, welche die Eingebornen leicht irre führen mußte.
Wirklich ruderte bald eine Pirogue auf die »St. Jean Baptiste« zu, deren Insassen sich, als sie Zwei der Ihrigen scheinbar im Tauschhandel mit dem Schiffe sahen, nur noch argloser näherten. Als die Franzosen das Gelingen ihres Planes gesichert glaubten, schickten sie zwei Boote zum Einfangen der Wilden ab. Diese witterten Unheil und entflohen, wobei sie bald offenbar an Distanz gewannen, so daß ihre Verfolger sich entschlossen zu feuern, um sie zum Anhalten zu zwingen. Einer der Eingebornen fiel auf der Stelle und brachte die Pirogue, als er in's Wasser stürzte, zum Kentern, während der Andere, ein Bursche von vierzehn bis fünfzehn Jahren, schwimmend den Strand zu erreichen suchte.
»Endlich erhascht, vertheidigte er sich heldenmüthig und verwundete noch Die mit den Zähnen, welche ihn zu bändigen suchten. An Händen und Füßen gebunden, brachte man ihn nach dem Schiffe. Hier stellte er sich eine volle Stunde lang todt; als man ihn aber aufrecht hinsetzte und er, seiner Rolle getreu, sofort umfiel, bemerkte man recht wohl seine Bemühung, mit der Schulter eher als mit dem Kopfe auf das Verdeck aufzuschlagen. Als er seiner Rolle müde wurde, öffnete er die Augen, und verlangte, da er die Mannschaft essen sah, nach Schiffszwieback, den er, seinen ausdrucksvollen Zeichen nach, mit größtem Appetit verzehrte. Aber auch jetzt sorgte man dafür, ihn soweit gefesselt zu halten, daß er nicht unversehens in's Meer springen konnte.«
Im Laufe der Nacht war man genöthigt, die andrängenden Piroguen, welche das Schiff überrumpeln wollten, mit Gewehrschüssen zu vertreiben. Am folgenden Tage nahm man den jungen Eingebornen mit in ein Boot und brachte ihn nach einem Eilande, das seitdem den Namen »Insel de l'Aiguade« erhielt. Kaum hatte jener das Land betreten, als man noch rechtzeitig bemerkte, daß es ihm gelungen war, seine Fesseln mit einer scharfrandigen Muschelschale fast vollständig zu zerschneiden.
Der junge Wilde wurde später auf einem anderen Wege wieder nach dem Ufer des Meeres geführt, warf sich aber, als er bemerkte, daß man ihn wieder mit einschiffen wollte, zu Boden und wälzte sich heulend und die Zähne in den Sand eindrückend umher.
Die Matrosen entdeckten nach mancher vergeblichen Bemühung eine reichliche Quelle, an der sie Wasser fassen und Holz holen konnten. Ein in der Nähe stehender Baum, den man fällte, schien geeignet zum Färben, denn Meerwasser nahm von ihm eine blutrothe Farbe an. Man kochte versuchsweise dessen Rinde aus, und auch Baumwolle, welche in den Absud getaucht wurde, färbte sich darin schön roth.
Etwas Palmenkohl, sehr schmackhafte Austern und andere genießbare Muscheln lieferten der Mannschaft recht werthvolle Nahrungsmittel. Auf der »St. Jean Baptiste« befanden sich eben ziemlich viele Skorbutkranke. Surville hatte gehofft, daß diese Rast ihre Wiederherstellung beschleunigen sollte; der sechs volle Tage anhaltende starke Regen verschlimmerte dagegen deren Zustand eher noch weiter, so daß drei derselben vor der Wiederabfahrt mit Tode abgingen.
Der Ankerplatz erhielt den Namen der »Praslin-Hafen«, und die große Insel oder der Archipel, zu dem er gehört, wegen der Falschheit der Bewohner den des »Landes der Arsaciden«.
»Der Praslin-Hafen,« sagt Fleurieu, »würde einer der besten der Welt sein, wenn er nur einen günstigeren Ankergrund besäße. Er ist fast kreisrund, mindestens wenn man ihm die von der Haltestelle der »St. Jean Baptiste« aus sichtbaren Inseln hinzurechnet . . . Der bösartige Charakter der Stämme, welche in dieser Gegend hausen, gestattete es leider nicht, in das Landesinnere etwas weiter vorzudringen, so daß sich die Beschreibung auf die Strecken längs der Seeküste beschränken muß. Angebauten Boden fand man nirgends, weder am Strande, den die Boote bis zum Grunde des Hafens passirten, noch auf der, mehrfach in ihrer ganzen Ausdehnung untersuchten Insel de l'Aiguade.«
Das sind die ganzen, ziemlich oberflächlichen Nachrichten, welche Surville theils selbst sammelte und theils durch seine Leute erhielt. Vervollständigt wurden dieselben nach manchen Seiten durch den gefangenen jungen Eingebornen, Namens Lova-Salega, der sich für die Erlernung einer fremden Sprache sehr gut beanlagt erwies.
Nach den Aussagen desselben erzeugte die Insel viel Palmenkohl, Cocosnüsse und verschiedene Mandelfrüchte; ebenso gediehen daselbst der wilde Kaffeebaum, der Ebenholzbaum, der »Tacamaca«, nebst anderen harz- resp. gummireichen Baumarten, ferner die Banane, das Zuckerrohr, die Yamswurzel, der Anis, und endlich eine, von den Urbewohnern »Binao« genannte Pflanze, deren Früchte bei denselben die Stelle des Brotes vertraten. In den Wäldern lebten ganze Schwärme von Kakadus, Lauris, Holztauben und Amseln, letztere etwas größer als unsere europäische Gattung. In sumpfigen Niederungen tummelten sich Curlis, See-Lerchen, verschiedene Schnepfenarten und Enten umher. An Vierfüßlern ernährte die Insel dagegen nur Ziegen und halbwilde Schweine.
»Die Bewohner des Praslin-Hafens,« sagt Fleurieu auf Grund handschriftlicher Mittheilungen, »sind von mittlerer Größe, aber muskulös und stark. Sie scheinen – wohl zu beachten! – nicht ein und desselben Ursprungs zu sein, da die Einen vollkommen schwarze, Andere kupferbraune Hautfarbe haben. Das Haar der ersteren ist kraus, aber fein und weich, die Stirn niedrig, die Augen liegen etwas tief und das Gesicht läuft nach unten spitzig aus mit nur schwachem Bartwuchs am Kinn; ihre ganze Erscheinung trägt den Stempel der Wildheit. Viele der Kupferfarbigen haben dagegen schlichtes Haar, das sie rings um den Kopf bis in die Höhe der Ohren zu verschneiden pflegen. Doch tragen es Einige kurzgeschoren wie ein eng anliegendes Käppchen auf dem Scheitel, während sie sich rings um diese Stelle mit einem zugeschärften Steine zu scheeren lieben und darunter nur einen zollbreiten Kreis von Haaren stehen lassen. Haar und Augenbrauen pudern sie sich übrigens mit einer Art Kalkmehl, so daß diese fast gelbgefärbt erscheinen.«
Männer und Weiber gehen vollkommen nackt, doch macht diese Sitte beiweitem nicht den abstoßenden Eindruck, als wenn etwa ein Europäer unbekleidet umherliefe, denn Gesicht, Arme und überhaupt fast alle Theile des Körpers werden tätowirt mit allerlei Zeichnungen, die nicht selten einen eigenthümlichen Geschmack verrathen. Die Ohren durchbohren sie ebenso wie die Nasenscheidewand, deren Knorpel unter dem Gewichte der daran gehängten Gegenstände häufig über die Oberlippe herabgezogen erscheint.
Der gebräuchlichste Schmuck der Einwohner des Praslin-Hafens besteht in einem Rosenkranz aus Menschenzähnen. Man schloß schon daraus auf die unter ihnen herrschende Sitte der Anthropophagie, obwohl dieselbe Mode häufiger bei Völkerschaften angetroffen wurde, welche dem Kannibalismus bestimmt nicht huldigten; Lova's verlegene Antworten aber, als man ihn wegen eines halb gerösteten Menschenkopfes fragte, den Bougainville seiner Zeit auf der Insel Choiseul fand, lassen über das Vorkommen dieses abscheulichen Gebrauches leider keinen Zweifel.
Am 21. October, das heißt nach neuntägigem Aufenthalte, verließ die »St. Jean Baptiste« den Praslin-Hafen. Während der nächstfolgenden Tage blieb stets ein hohes, gebirgiges Land in Sicht. Am 2. November entdeckte Surville eine Insel, welche den Namen »Insel der Widerwärtigkeiten« erhielt, weil hier ungünstige Winde drei volle Tage lang die Fahrt des Schiffes hemmten.
Diese Insel bot einen herrlichen Anblick. Sie war sorgsam angebaut und wahrscheinlich stark bevölkert, wenigstens nach der großen Menge Piroguen zu urtheilen, welche die »St. Jean Baptiste« unaufhörlich umschwärmten.
Die Eingebornen konnte man nur mit Mühe dazu bewegen, an Bord zu kommen. Endlich kletterte ein Häuptling derselben auf das Deck. Da war es seine erste Sorge, sich die Koppelriemen eines Matrosen anzueignen, zu deren Rückgabe er sich nur schwierig verstand. Darauf lief er nach dem Hintertheil des Schiffes und holte die weiße Flagge herab, welche ihm besonders zu gefallen schien. Auch diese vermochte man ihm nur mit Mühe wieder zu entwinden. Endlich erkletterte er den Mastkorb des Besans, betrachtete von dem erhöhten Standpunkte aus das ganze Schiff und sprang, als er wieder herabgestiegen, lustig umher; dann wendete er sich an seine, in den Piroguen zurückgebliebenen Stammesgenossen und lud diese durch Worte und sonderbare, aber bezeichnende Geberden ein, ihm nachzufolgen.
Ein Dutzend derselben entschlossen sich zu dem Wagstücke. Diese ähnelten zwar den Bewohnern des Praslin-Hafens, redeten aber eine andere Sprache und konnten sich Lova-Salega nicht verständlich machen. An Bord verweilten sie nicht lange; denn als der Eine eine erhaschte Flasche in's Meer geworfen und der Commandant seine Mißbilligung darüber zu erkennen gegeben hatte, beeilten sich Alle, wieder in ihre Piroguen zu gelangen.
Das Bild des Landes erschien so lachend und die Skorbutischen bedurften einer Erholung so dringend, daß Surville eine Schaluppe an's Ufer sendete, um zu sehen, wie sich die Bewohner dabei benehmen würden.
Kaum war die Schaluppe abgestoßen, als sie auch schon von mehreren, mit Bewaffneten bemannten Booten umringt wurde, so daß es, um schlimmeren Kämpfen vorzubeugen, nothwendig wurde, die Angreifenden mittelst einiger Flintenschüsse zu vertreiben. Während der Nacht versuchte eine ganze Flottille, sich nach der »St. Jean Baptiste« heranzuschleichen; geleitet von einem gewissen Gefühle von Menschlichkeit, wartete Surville jedoch nicht, bis die Eingebornen ganz nahe herankamen, sondern jagte sie durch eine zeitig abgegebene Kartätschenladung in die Flucht.
Da sich eine Landung als ganz unthunlich erwies, stach Surville wieder in See und entdeckte nun nach einander die Inseln der drei Schwestern, des Golfes und die der Errettung, die letzten der Gruppe.
Der Archipel, durch den Surville kam, war kein anderer als der der Salomons-Inseln, deren erste Entdeckung durch Mendana wir schon früher geschildert haben. Der geschickte Seemann hatte 140 Meilen Küste sorgfältig aufgenommen und in die Karten eingetragen, außerdem auch noch eine Reihe von vierzehn sehr interessanten Ansichten der Uferlandschaften geliefert.
Um jeden Preis mußte nun Surville aber, wenn er seine Mannschaft nicht decimirt sehen wollte, ein Land zu erreichen suchen, wo er seine Kranken ausschiffen und ihnen frische Nahrungsmittel zukommen lassen konnte. Er entschloß sich also dafür, nach Neuseeland zu segeln, das seit Tasman noch Niemand wieder besucht hatte.
Am 12. December 1769 bekam Surville unter 35° 37' südlicher Breite dessen Küsten in Sicht und ging fünf Tage später in einer von ihm »Bai Lauriston« genannten Bucht vor Anker. In deren Grunde befand sich noch ein kleinerer Landeinschnitt, der zu Ehren eines der Gönner und Beförderer der Expedition den Namen »Chevalier« erhielt. Wir bemerken hierbei, daß Kapitän Cook, seit Anfang October mit der Erforschung dieses Landes beschäftigt, einige Tage vor der Lauriston-Bai verweilte, ohne das französische Schiff wahrzunehmen.
Während der Rast in der Chevalier-Bucht wurde Surville von einem furchtbaren Sturme befallen, der ihm den Untergang drohte; die Matrosen vertrauten aber so sicher auf seine seemännische Erfahrung, daß sie nicht einen Augenblick den Kopf verloren und alle Befehle ihres Kapitäns mit bewundernswerther Kaltblütigkeit ausführten, deren einzige Zeugen leider nur die Neuseeländer waren.
Die Schaluppe, welche die Kranken an's Ufer beförderte, gewann nicht einmal die Zeit, zum Schiffe zurückzukehren, als das Unwetter losbrach, das dieselbe in eine andere, die später so genannte »Bucht der Zuflucht« hineintrieb. Matrosen und Kranke fanden eine sehr wohlwollende Aufnahme bei einem Häuptling, Namens Naginui, der ihnen seine Hütte überließ und sie mit allen, während ihres Aufenthaltes nur beizutreibenden Erfrischungen fast überhäufte.
Eine der hinter der »St. Jean Baptiste« geschleppten Pinassen wurde von den Wogen entführt. Surville bemerkte, daß sie in der Bucht der Zuflucht gestrandet war. Als er sie wieder holen lassen wollte, fand sich davon nur noch eine Leine derselben; das Boot hatten die Eingebornen heimlich weggeschafft. Umsonst suchte man darnach längs des Ufers; keine Spur desselben fand sich wieder. Surville gedachte diesen Diebstahl nicht unbestraft hingehen zu lassen; er veranlaßte also einige neben ihren Piroguen stehende Indianer, zu ihm zu kommen. Der Eine derselben, der wirklich herbeilief, ward ergriffen und an Bord gebracht. Die Anderen retteten sich durch die Flucht.
»Man bemächtigte sich einer Pirogue,« sagt Crozet, »verbrannte die übrigen, legte Feuer an die Wohnhütten und begab sich wieder auf das Schiff zurück. Der eingefangene Indianer wurde von dem Arzte als der Häuptling wiedererkannt, der ihnen während des Sturmes so edelmüthige Hilfe geleistet hatte; es war der unglückliche Naginui, der nach seinen so erfolgreichen Liebesdiensten gewiß nicht im Geringsten glaubte, eine solche Behandlung zu erfahren, als er Surville's einladenden Zeichen Folge gab.«
Nahe der Insel Juan Fernandez ging derselbe am 14. März 1770 mit Tode ab.
Die Beobachtungen des französischen Seefahrers über Bewohner und Erzeugnisse Neuseelands übergehen wir hier mit Stillschweigen, weil sie mit denen Cook's vollkommen übereinstimmen.
In der Ueberzeugung, daß er sich auch hier die nothwendigen Lebensmittel nicht werde beschaffen können, lichtete Surville nach einigen Tagen auf's Neue die Anker und hielt einen Kurs zwischen dem 27. und 28. Grade südlicher Breite ein; der Skorbut aber, der tagtäglich neue Verheerungen anrichtete, nöthigte ihn nun, so schnell als möglich Peru aufzusuchen. Er erblickte dessen Küste zuerst am 5. April 1770, und ging drei Tage später, vor der Barre von Chilca, am Einlaufe nach Callao vor Anker.
In seinem Eifer, an das Land zu kommen und für seine Kranken Hilfe zu suchen, entsendete Surville Niemanden zur Begrüßung des Statthalters. Unglücklicherweise wurde sein Boot von den, an der Barre sich brechenden Wellen umgeschlagen und nur ein einziger Matrose daraus vermochte sich zu retten. Surville und alle Uebrigen ertranken.
So fand der erfahrene und geschickte Seemann, viel zu früh für die Wissenschaft und sein Vaterland, denen er gewiß noch ersprießliche Dienste geleistet hätte, ein trauriges Ende. Die »St. Jean Baptiste« wurde vor Lima durch die unendlichen Zollplackereien der Spanier »drei volle Jahre« zurückbehalten. Die Führung derselben übernahm Labbé, der sie am 23. August 1773 nach Lorient zurückbrachte. –
Wie wir schon früher erzählten, hatte Bougainville einen Tahitier, Namens Auturu, nach Europa mitgenommen. Als dieser den Wunsch zu erkennen gab, nach seiner Heimat zurückzukehren, sendete ihn die französische Regierung nach Isle de France mit dem Auftrage an die Verwaltungsbehörde dieser Kolonie, ihm die Rückkehr nach Tahiti thunlichst zu erleichtern.
Ein Officier der Kriegsmarine, Marion-Dufresne, ergriff begierig diese Gelegenheit, Poivre, dem Intendanten der Inseln de France und de Bourbon, vorzuschlagen, er erbiete sich, den jungen Auturu auf seine Kosten und auf einem ihm selbst gehörigen Fahrzeuge nach Tahiti zu befördern. Er bat nur darum, daß ein Schiff der Regierung ihm als Begleitung beigegeben und zu den Kosten der ersten Ausrüstung staatlicherseits ein Vorschuß geleistet werden möge.
Nikolaus Thomas Marion-Dufresne, geboren zu St. Malo am 22. December 1729, war sehr jung in die Marine eingetreten. Am 16. October 1746 zum Fregatten-Lieutenant ernannt, bekleidete er jener Zeit die Stellung eines Brander-Kapitäns. Er hatte zwar überall mit Auszeichnung, aber nirgends mit so vielem Glücke gedient als in den Meeren Indiens.
Die Mission, zu deren Ausführung er sich erbot, benutzte er nur als Vorwand zu einer, in den oceanischen Meeren beabsichtigten Entdeckungsreise. Seine Vorschläge fanden die Billigung Poivre's, eines intelligenten und fortschrittsfreundlichen Beamten, der ihm genaue Instructionen für die Nachforschungen einhändigte, die er in der südlichen Halbkugel vorhatte. Damals war Cook's Beweis von dem Nichtvorhandensein eines südlichen Festlandes noch nicht bekannt.
Poivre wünschte nun lebhaft, die nördlichen Theile dieses Continents entdeckt zu sehen, da er sie für benachbart den französischen Besitzungen hielt und dort ein gemäßigteres Klima anzutreffen hoffte. Ebenso glaubte er, daselbst geeignetes Holz zum Schiffbau und überhaupt viele Hilfsmittel zu finden, die er jetzt mit großen Unkosten aus dem Vaterlande beziehen mußte, vielleicht existirte dort auch ein sicherer Hafen zum Schutze für die Schiffe gegen die Orkane, welche die Inseln de France und de Bourbon fast periodisch verheeren. Zufällig hatte auch der Hof eben einen Schiffslieutenant, de Kerguelen, in diese unerforschten Meere auf Entdeckungen ausgeschickt. Marion's Expedition, die einen anderen Weg als jene einschlagen sollte, konnte also der Lösung des größten Problems jener Zeit nur förderlich sein.
Am 18. October 1771 gingen die »Mascarin«, geführt von Marion, und die »Marquis de Castries«, unter dem Befehl des Schiffsfähnrichs Ritter Du Clesmeur, unter Segel. Sie liefen zuerst Bourbon an und nahmen daselbst Auturu auf, der leider den Keim zu den Pocken in sich trug, den er schon auf Isle de France in sich aufgenommen hatte. Da seine Krankheit hier zum Ausbruch kam, mußte man Bourbon eiligst verlassen, um die Bevölkerung selbst nicht anzustecken. Die beiden Schiffe begaben sich also nach dem Fort Dauphin an der Küste von Madagascar, um den Verlauf der Krankheit vor der Landung am Cap abzuwarten, wo noch weiterer Proviant eingenommen werden sollte. Der junge Auturu erlag bald seinen Leiden.
Der Gedanke, nun nach Isle de France zurückzukehren, die Schiffe abzutakeln und die Fahrt aufzugeben, kam Marion gar nicht in den Sinn. Da er sich jetzt nach keiner Seite mehr beschränkt fühlte, faßte er sein eigentliches Ziel, sich durch eine kühne Reise auszuzeichnen, nur desto mehr in's Auge und wußte auch in seinen Leuten den Enthusiasmus, der ihn beseelte, anzufachen.
Er steuerte also nach dem Cap der Guten Hoffnung, wo es binnen wenigen Tagen gelang, den für eine Reise von achtzehn Monaten erforderlichen Proviant herbeizuschaffen.
Von hier aus schlug man sofort eine Richtung nach den von Bouvet de Lozier im Jahre 1739 entdeckten Ländern ein, die man östlich von dem Meridian von Madagascar zu suchen hatte.
Vom 28. December 1771, an welchem Tage die Schiffe das Cap verließen, bis zum 11. Januar kam etwas Bemerkenswerthes auf der Fahrt nicht vor. Man überzeugte sich kurz vorher durch Aufnahme der Breitenposition unter 20° 43' östlicher Länge von Paris, daß man sich (40° bis 41° der Breite) unter der Parallele jener Inseln befinden müsse, welche in Van Keulen's Karten unter den Namen »Dina« und »Marvezen« eingetragen sind, während sie auf den französischen Karten fehlten.
Obwohl ganze Schwärme von Landvögeln die Nachbarschaft dieser Inseln zu bestätigen schienen, hielt sich Marion hier doch nicht weiter auf, um das eigentliche Ziel seiner Aufmerksamkeit, die Auffindung des südlichen Continents, nicht aus den Augen zu verlieren.
Am 11. Januar, also in der Zeit des Sommers dieser Gegenden, segelte man unter 45° 43' südlicher Breite, nichtsdestoweniger herrschte, bei fortwährenden Schneefällen, eine ganz empfindliche Kälte. Zwei Tage später entdeckte Marion unter dichtem Nebel, dem ein feiner Sprühregen folgte, ein Land, das sich in der Richtung Westsüdwest zu Ostnordost vier bis fünf Meilen hin ausdehnte. Die Sonde ergab bei vierundzwanzig Faden Tiefe einen grobsandigen, mit Korallen untermischten Grund. Diesem Lande folgte man, bis es hinter den Schiffen lag, das heißt, etwa sechs bis sieben Meilen weit. Es schien sehr hoch und gebirgig zu sein und erhielt den Namen »Land der Hoffnung«, eine Bezeichnung, welche Marion's Sehnsucht, einen südlichen Kontinent zu erreichen, deutlich genug kennzeichnet. Dieselbe Insel taufte Cook übrigens vier Jahre später »Prinz Eduards-Insel«.
Im Norden derselben lag noch ein anderes Land.
»Ich bemerkte,« sagt Crozet, der Verfasser der Reisebeschreibung Marion's, »als wir neben dieser Insel hinsegelten, an deren nordöstlichem Theile eine geräumige Bucht und dieser gegenüber auf dem Lande eine große Höhle. In der Umgebung der letzteren zeigte sich eine Menge weißlicher Flecken, die man aus der Ferne als von einer Schafheerde herrührend ansehen konnte. Bei genügender Zeit hätten wir gegenüber jener Höhle gewiß einen recht guten Ankerplatz gefunden. Ich glaubte daselbst auch einen von den Bergen herabstürzenden Wasserfall zu erkennen. Beim weiteren Umschiffen der Insel fanden wir auch noch drei, zu derselben gehörige Eilande, zwei davon innerhalb einer anderen tiefen Einbuchtung der Insel, das dritte an deren nördlichster Spitze. Sie erschien im Uebrigen unfruchtbar, sieben bis acht Meilen im Umfange groß, ohne Vegetation und das Ufer gefahrlos. Marion nannte sie die »Insel der Höhle«.
Diese beiden Landstücke liegen unter 45° 45' südlicher Breite und 34° 31' östlich von Paris, einen halben Grad seitwärts von Bouvet's Kurse. Am folgenden Tage nahm man eine etwa sechs Meilen lange, mit Grün bedeckte Küstenstrecke des Landes der Hoffnung näher in Augenschein. Die beschneiten Berggipfel stiegen zu ansehnlicher Höhe empor. Man beschäftigte sich eben mit der Aufsuchung eines geeigneten Ankerplatzes, als die beiden Schiffe während des Sondirens mit einander collidirten und sich gegenseitig nicht unerheblich beschädigten. Die Ausbesserung derselben nahm drei volle Tage in Anspruch. Das bis dahin ziemlich günstige Wetter schlug nun um und der Wind wurde heftiger, so daß man genöthigt war, unter dem sechsundvierzigsten Breitengrade weiterzusegeln.
Am 24. Januar kam wiederum Land in Sicht.
»Zunächst schien uns dasselbe zwei Inseln zu bilden, sagt Crozet; ich entwarf davon eine Zeichnung von acht Meilen Entfernung aus gesehen; bald erkannte man diese aber als zwei Vorgebirge, welche in der Ferne durch Landmassen verbunden waren. Sie liegen übrigens unter 45° 5' südlicher Breite und 42° östlicher Länge von Paris. Marion nannte sie die »Kalten Inseln«.
Obwohl man während der Nacht nur wenig Weg zurücklegte, konnte man dieselben am nächsten Tage doch nicht wieder auffinden. Da meldete die »Castries« wieder Land in Sicht, das zehn bis zwölf Meilen im Ostsüdosten von dem Schiffe lag. Ein dichter Nebel aber, der nicht weniger als zwölf Stunden andauerte, der unaufhörliche Regen und die lebhafte, für die unzulänglich bekleidete Mannschaft sehr empfindliche Kälte verhinderten eine weitere Annäherung als auf sechs bis sieben Meilen.
Am nächsten Tage sah man diese Küste noch einmal, ebenso wie ein weiteres Land, das den Namen »Dürre Insel« erhielt, heutzutage aber als »Insel Crozet« bekannt ist. Endlich gelang es nun Marion, ein Boot auszusetzen, mit dem er Crozet zur Besitznahme der größeren der beiden Inseln entsendete, welche unter 46° 30' südlicher Breite und 43° östlicher Länge von Paris liegt.
»Marion nannte dieselbe ›Insel der Besitznahme‹. (Jetzt bezeichnet man sie als »Insel Marion«.) Es war das die sechste Insel, die wir in dieser südlichen Gegend entdeckten . . . Ich erreichte auf derselben bald eine Anhöhe, von der aus noch Schnee an den Thalgeländen zu sehen war; der Erdboden schien ziemlich dürr und nur mit feinem, schwachem Graswuchs bedeckt . . . Einen Baum oder Strauch konnte ich nirgends wahrnehmen . . . Diese, der fortwährenden Einwirkung stürmischer Westwinde ausgesetzte Insel scheint, da jene wohl das ganze Jahr über vorherrschen, so gut wie unbewohnbar zu sein. Ich fand hier nur Seewölfe, Pinguine, Captauben, Taucherenten und überhaupt alle jene Vogelarten, welchen man bei Umschiffung des Caps der Guten Hoffnung auf offenem Meere begegnet. Offenbar hatten die Thiere noch nie einen Menschen gesehen, denn sie zeigten sich so wenig scheu, daß man sie mit der Hand fangen konnte. Die Weibchen der Vögel blieben ruhig brütend auf den Eiern sitzen; andere fütterten die Jungen; die Seewölfe sprangen und spielten weiter ohne alle Furcht und als ob wir gar nicht vorhanden wären.«
Marion folgte also dem 46. und 47. Breitengrade mitten durch einen so intensiven Nebel, daß man kaum von einem Ende des Schiffes bis zum anderen sehen konnte und in kurzen Zwischenräumen Kanonenschüsse abfeuern mußte, um einander nicht zu verlieren.
Am 2. Februar befanden sich die beiden Fahrzeuge unter 47° 22' östlicher Länge, d. h. 1° 18' von dem Lande entfernt, das die königlichen Fluten, die »Fortune« und »Gros-Ventre«, unter dem Befehle de Kerguelen's und St. Allouarn's am 13. desselben Monats entdeckten. Ohne den der »Castries« zugestoßenen Unfall hätte Marion jene gewiß hier getroffen.
Als er den 90. Grad östlich von dem Meridiane von Paris erreicht, änderte Marion seinen Kurs und steuerte auf Van-Diemens-Land zu. Die Ueberfahrt verlief ganz glücklich und die beiden Fahrzeuge gingen in der Friedrich-Heinrichs-Bai vor Anker.
Sofort wurden die Boote klar gemacht, mit denen sich eine starke Abtheilung an's Land begab, wo man etwa dreißig Eingeborne antraf, während die Umgebung, nach der Anzahl der beobachteten Feuer oder Rauchsäulen zu urtheilen, nur schwach bevölkert sein konnte.
»Die Bewohner des Landes,« sagt Crozet, »zeigten sich sehr entgegenkommend; sie trugen Holz zu einer Art Scheiterhaufen zusammen. Dann boten sie den neuen Ankömmlingen je ein Stück dürres angezündetes Holz an und bedeuteten sie durch Zeichen, den Scheiterhaufen in Brand zu setzen. Ohne den Sinn dieser Ceremonie zu verstehen, that man doch ihren Willen. Die Wilden zeigten über unsere Ankunft keine besondere Verwunderung und blieben mit ihren Frauen und Kindern ohne weitere Zeichen der Freundschaft oder Feindschaft in unserer Nähe. Männer und Frauen waren von mittlerer Größe; einzelne Frauen trugen ihre Kinder mit Binsenseilen gebunden auf dem Rücken. Die Männer waren alle mit zugespitzten Stangen und einigen Steinen bewaffnet, die uns scharf wie das Eisen der Aexte zu sein schienen.
Wir versuchten sie durch kleine Geschenke zuthunlicher zu machen; sie wiesen aber Alles, was man ihnen anbot, verächtlich zurück, selbst Eisen, Spiegel, Taschentücher und Leinwandstücke. Man zeigte ihnen darauf mehrere, von den Schiffen herbeigebrachte Hühner und Enten, um begreiflich zu machen, daß man von ihnen kaufen wolle. Sie nahmen zwar die ihnen scheinbar unbekannten Thiere, schleuderten sie aber gleich zornig wieder weg.«
Schon eine Stunde lang bemühte man sich vergeblich, die Freundschaft der Wilden zu gewinnen, als Marion und du Clesmeur ebenfalls an's Land kamen. Auch diesen wurde ein brennendes Stück Holz angeboten, und sie zündeten, in der Ueberzeugung, damit einen gewünschten Freundschaftsbeweis zu geben, einen anderen kleinen Scheiterhaufen an. Damit täuschten sie sich jedoch gewaltig, denn die Wilden wichen sofort zurück und schleuderten eine Menge Steine über die Franzosen, deren zwei Commandanten selbst dabei verwundet wurden. Als Antwort feuerte man einige Flintenschüsse auf die Angreifer und schiffte sich wieder ein.
Bei Gelegenheit eines wiederholten Landungsversuches, dem sich die Wilden sehr entschlossen widersetzten, mußte man ihren Angriff durch eine Gewehrsalve beantworten, welche mehrere verwundete und einen tödtete. Darauf gingen die Leute an's Land und verfolgten die Eingebornen, die keinen ferneren Widerstand zu leisten wagten.
Jetzt wurden sofort zwei Abtheilungen beordert, die eine einen Wasserplatz zu suchen, die andere, um geeignete Bäume zum Ersatz des Mastwerkes der »Castries« ausfindig zu machen. Sechs Tage vergingen unter fruchtlosem Suchen. Für die Wissenschaft ging diese Zeit jedoch nicht nutzlos verloren, denn man machte hier viele interessante Beobachtungen.
»Aus den beträchtlichen Anhäufungen von Muschelschalen, die sich da und dort fanden,« sagt Crozet, »schlossen wir, daß die gewöhnliche Nahrung der Wilden aus Mies-, Stock-, Chienmuscheln und ähnlichen Schalenthieren bestehen möge.«
Erscheint es nicht auffallend, nahe Neuseeland die an den skandinavischen Küsten so gewöhnlichen Haufen von Küchenabfällen (in Dänemark »Kjökkenmöddings« genannt) wiederzufinden, denen wir auch bei dem Isthmus von Panama begegneten? Ist der Mensch nicht überall derselbe und bestimmen ihn die nämlichen Bedürfnisse nicht stets zu dem nämlichen Verfahren?
Da er sich überzeugte, daß es nur Zeitvergeudung wäre, hier noch länger nach Wasser oder nach geeignetem Holze zu suchen, um die »Castries« wieder frisch zu bemasten und den Rumpf der »Mascarin« auszubessern, der manche undichte Stellen hatte, so segelte Marion am 10. März nach Neuseeland ab, das er erst vierzehn Tage später erreichte.
Entdeckt im Jahre 1642 von Tasman und wiederbesucht von Cook und Surville im Jahre 1772, wurde dieses Land schon allgemach bekannter.
Die beiden Schiffe wollten in der Nähe des Mont Egmont landen, das Ufer war an der betreffenden Stelle aber so steil, daß Marion nach der offenen See zurückkehrte und sich dem Lande erst am 31. März unter 36° 30' der Breite wieder näherte. Er hielt sich nun längs der Küste und segelte trotz widriger Winde an derselben nach Norden hinauf bis zu den Drei Königs-Inseln. Auch hier gelang es ihm nicht zu landen. Er mußte also nach der Hauptinsel zurückkehren und warf nahe beim Cap Maria-Van-Diemen, dem nördlichsten Ausläufer Neuseelands, Anker. Der Meeresgrund erwies sich hier, wie man bald bemerkte, nicht günstig, Marion hielt sich deshalb auch nicht auf und unterbrach seine Fahrt, nach mehreren vergeblichen Versuchen, erst am 11. Mai in der Bai der Inseln Cook's wieder.
Auf einer dieser Inseln, wo sich Wasser und Holz vorfanden, wurden nun Zelte aufgeschlagen und die Kranken, durch eine starke Abtheilung Bewaffneter geschützt, darin untergebracht. Die Eingebornen kamen sofort an Bord, einzelne übernachteten sogar daselbst, und der Tauschhandel begann, erleichtert durch ein tahitisches Wörterbuch, bald im großen Maßstabe.
»Ich bemerkte,« sagt Crozet, »unter den seit den ersten Tagen an Bord gekommenen Wilden zu meinem Erstaunen drei verschiedene Stämme, von denen der eine, aller Wahrscheinlichkeit nach der der wirklichen Urbewohner, weißen, ins Gelbliche spielenden Teint hatte. Die Zugehörigen dieses Stammes sind die größten der Bewohner; ihr Körper mißt gewöhnlich 5 Fuß und 9 bis 10 Zoll, ihre Haare sind glatt und schlicht; Andere haben dunklere Hautfarbe, etwas gekräuseltes Haar und geringere Größe; die Kleinsten endlich sind wollhaarige Neger mit breit entwickelter Brust. Die erstgenannten haben sehr wenig, die Neger sehr starken Bartwuchs.«
Die Richtigkeit dieser merkwürdigen Beobachtung sollte später volle Bestätigung finden.
Es erscheint unnütz, sich hier ausführlicher über die Sitten der Neuseeländer, über ihre befestigten Dörfer, von welchen Marion eine sehr eingehende Beschreibung liefert, über Waffen, Bekleidung und Nahrung derselben zu verbreiten, diese Details sind unseren Lesern schon aus den Reisen Cook's u. A. bekannt.
Die Franzosen hatten drei Lagerposten auf dem Lande: den der Kranken auf der Insel Matuaro; einen zweiten auf der Hauptinsel, der als Sammelstelle, Niederlage und als Verbindungsglied für den Dritten, nämlich den der Zimmerleute diente, der zwei Meilen weiter, mitten im Walde errichtet war. Verlockt durch das freundschaftliche Benehmen der Wilden, unternahmen einzelne Leute von der Besatzung sehr ausgedehnte Ausflüge in das Landesinnere und hatten sich überall eines wirklich herzlichen Empfanges zu erfreuen. Dadurch nahm das gute Vertrauen so sehr zu, daß Marion, trotz Crozet's Widerspruch, befahl, die an's Land gehenden Schaluppen und Boote nicht mehr zu bewaffnen. Gewiß die unverzeihlichste Unklugheit in einem Lande, wo Tasman die erste Stelle, die er seinerzeit anlief, doch nicht ohne Ursache die »Bai der Mörder« nannte, und wo Cook Anthropophagen antraf und bald selbst umgebracht worden wäre!
Am 8. Juni ging Marion persönlich an's Land und wurde mit ganz außergewöhnlichen Freundschaftsbezeugungen empfangen. Man rief ihn zum Oberhäuptling des Landes aus und die Eingebornen steckten ihm vier weiße Blumen als Zeichen der Souveränität in's Haar. Vier Tage später ging Marion wiederum an's Land, mit zwei jungen Officieren, de Vaudricourt und Le Houx, einem Volontär, dem Rüstmeister und einigen Matrosen, zusammen siebzehn Mann.
Abends kehrte Niemand nach dem Schiffe zurück, ohne daß das Jemand beunruhigt hätte, da man die fast aufdringliche Gastfreundschaft der Wilden kannte. Man nahm vielmehr an, Marion werde gleich auf dem Lande geschlafen haben, um am nächsten Tage den Arbeitsplatz der Zimmerleute bequemer besuchen zu können.
Am 13. Juni lief die Schaluppe der »Castries« aus, um den Tagesbedarf an Holz und Wasser zu holen. Da sah man um neun Uhr einen Mann auf die Schiffe zuschwimmen: man sandte ihm eine Jolle zu Hilfe. Es war einer der Leute aus der Schaluppe, der allein bei der Niedermetzelung seiner Kameraden entkommen war. Er hatte zwei Lanzenstiche in der Seite und verschiedene Spuren erlittener Mißhandlung am Körper.
Seiner Erzählung nach erwiesen sich die Eingebornen bei Annäherung der Schaluppe ebenso freundlich wie immer und trugen sogar die Matrosen, welche sich nicht durchnässen wollten, auf den Schultern an's Ufer. Als letztere sich aber zum Einsammeln von Holz zerstreut hatten, erschienen die Eingebornen, bewaffnet mit Lanzen, Stöcken und Keulen, in großer Anzahl wieder und stürzten sich je Sechs bis Sieben auf einen Matrosen. Ihn selbst überfielen nur zwei Männer, die ihm einige Lanzenstiche beibrachten, und denen er nur deshalb glücklicher Weise entfliehen konnte, weil er sich in der Nähe des Meeres befand, wo ihn ein Gebüsch von weiterer Verfolgung schützte. Von da aus sah er die Hinmordung aller seiner Kameraden mit an. Die Wilden hatten die Leichen sofort der Kleidung beraubt, denselben die Bauchhöhle aufgeschlitzt und begannen sie eben zu zerstückeln, als er geräuschlos sein Versteck verließ und in der Hoffnung, sein Schiff schwimmend wieder zu erreichen, trotz Erschöpfung in's Wasser sprang.
Hatten die sechzehn Mann, welche Marion begleiteten und von denen bis jetzt jede Nachricht fehlte, dasselbe Schicksal erlitten? Das war leider anzunehmen. Jedenfalls galt es jetzt, keine Minute zu verlieren und Alles aufzubieten, um die drei Posten auf dem Lande zu retten.
Chevalier du Clesmeur übernahm die Ausführung der nöthigen Maßregeln, und nur seiner Energie ist es zu verdanken, daß das Unheil nicht noch größere Dimensionen annahm.
Sofort wurde die Schaluppe der »Mascarin« ausgerüstet und zur Aufsuchung der Schaluppe Marion's und dessen Begleitbootes ausgesendet mit dem Auftrag, alle Posten dem entferntesten, wo Masten und Raaen hergestellt wurden, zu Hilfe zu senden. Unterwegs sah man auf dem Ufer, nahe dem Dorfe Tacoury's, die beiden vermißten Boote, umringt und geplündert von Wilden, welche die Matrosen umgebracht hatten.
Ohne sich durch die Wiederwegnahme der Fahrzeuge aufzuhalten, spannte der Officier alle Kräfte seiner Leute an, um möglichst schnell nach dem Zimmerplatze zu gelangen. Dieser war zum Glück noch von einem Angriffe verschont geblieben. Natürlich wurden die Arbeiten sofort eingestellt, Werkzeuge und Waffen gesammelt, die Flinten scharf geladen und die Gegenstände, welche man nicht mitnehmen konnte, unter den Trümmern der in Brand gesetzten Baracke begraben.
Nun erfolgte der Rückzug mitten durch mehrere Haufen Wilder, die immer die unseligen Worte riefen: »Tacouri mate Marion!« (Tacouri hat Marion erschlagen!) So zog man zwei Meilen weit hin, ohne daß ein Angriff auf die aus sechzig Mann bestehende Abtheilung erfolgt wäre.
Erst als man in die Nähe der Schaluppe kam, drängten die Wilden heran. Crozet ließ nun zuerst die mit Packeten belasteten Matrosen einsteigen und machte den Wilden, indem er auf der Erde eine Linie zog, verständlich, daß Jeder, der es wagen würde, diese zu überschreiten, dem sicheren Tode entgegengehe. Dann erfolgte der Befehl zum Einsteigen, und es war gewiß ein merkwürdiges Schauspiel, die Tausende von Wilden widerspruchslos gehorchen zu sehen, trotz ihres Verlangens, sich auf eine sicher geglaubte Beute zu stürzen, die sie sich jetzt entgehen sahen.
Crozet schiffte sich zuletzt ein. Kaum hatte er den Fuß in das Boot gesetzt, als ein wüstes Kriegsgeschrei erschallte und Wurfspieße und Steine von allen Seiten herbeiflogen. Die Wilden gingen nun zu offenen Feindseligkeiten über und wateten sogar in's Wasser, um ihren Gegnern besser beizukommen. Crozet sah sich endlich gezwungen, den Bethörten das Uebergewicht seiner Waffen fühlbar zu machen, und ließ Feuer geben. Als die Neuseeländer ihre Kameraden todt oder verwundet zusammenbrechen sahen, scheinbar ohne von einer Waffe berührt worden zu sein, hielten sie stutzend inne. Sicherlich wären Alle im nächsten Umkreise getödtet worden, wenn Crozet nicht selbst dem Blutbade ein Ziel setzte.
Die Kranken wurden ohne Unfall an Bord zurückgebracht und die verstärkte und jetzt doppelt vorsichtige Wache bei denselben nicht weiter belästigt.
Am nächsten Tage versuchten die Eingebornen, die auf der Insel Matuaro ein ansehnliches Dorf besaßen, doch wieder, die Matrosen am Einholen des nöthigen Wassers und Holzes zu hindern. Diese drangen aber mit gefälltem Bajonett auf die Wilden ein und vertrieben dieselben bis nach dem erwähnten Dorfe, wohin sie sich zurückzogen. Da vernahm man die Stimme der Häuptlinge, die sie zum Kampfe reizten. In Pistolenschußweite von dem Eingange des Dorfes eröffnete man nun das Feuer, als dessen erste Opfer die Häuptlinge fielen. Darüber erschrocken, ergriffen die Eingebornen die Flucht. Man streckte noch etwa fünfzig zu Boden, jagte die Uebrigen in's Meer und legte das Dorf in Asche.
Es war natürlich gar nicht daran zu denken, die schönen Maste aus Cedernstämmen, deren Fällung so viele Mühe gemacht hatte, nach dem Strande zu schaffen, und man mußte sich zur Vervollständigung des Mastwerkes damit begnügen, einzelne, auf den Schiffen vorhandene Holzstücke möglichst haltbar zu vereinigen. Die Beschaffung des für die Weiterreise unumgänglichen Vorrathes von siebenhundert Tonnen Wasser und siebzig Klaftern Brennholz nahm, da man nur noch über eine einzige Schaluppe verfügte, einen vollen Monat in Anspruch.
Noch immer hatte man aber über das Schicksal Marion's und der ihn begleitenden Leute keine volle Aufklärung. Zur Erlangung einer solchen begab sich zunächst eine starke, wohl bewaffnete Abtheilung nach dem Dorfe Tacouri's.
Dasselbe erwies sich verlassen. Nur einige schwächliche Greise, die ihren fliehenden Landsleuten gewiß nicht zu folgen vermochten, saßen da und dort vor den Hütten. Man versuchte sie zu fangen. Da stieß einer derselben, ohne sich lange zu besinnen, mit dem Wurfspieß, den er in der Hand hielt, nach einem Soldaten. Man bestrafte ihn dafür mit dem Tode, ließ aber die anderen unbehelligt in ihrem Dorfe. Alle Wohnungen wurden nun sorgfältig durchsucht. In der Küche Tacouri's fand sich ein erst vor wenig Tagen gerösteter Menschenkopf mit noch einigen Fleischresten, an denen man den Eindruck von Zähnen sah; ferner, an einem hölzernen Bratspieß befestigt, ein zu drei Viertheilen aufgezehrter Oberschenkel.
In einer anderen Hütte fand man ein Hemd, das als ein dem unglücklichen Marion gehöriges erkannt wurde. Der Halstheil desselben war ganz blutig und zeigte drei oder vier, an den Rändern ebenfalls blutbefleckte Löcher. In verschiedenen anderen Häusern entdeckte man noch einen Theil der Kleider und die Pistolen des jungen de Vaudricourt, der seinen Commandanten begleitet hatte, ferner mehrere Waffen aus dem zweiten Boote und einen Haufen Fetzen von den Jacken der unglücklichen Matrosen.
Jetzt war kein längerer Zweifel möglich. Ueber den Tod der Opfer wurde ein Protokoll aufgesetzt, und Du Clesmeur suchte sich aus Marion's Papieren über dessen weitere Reiseziele zu unterrichten, fand aber nichts als die von dem Statthalter auf Isle de France herrührenden Instructionen.
Das versammelte Officiercorps entschied sich, angesichts des kläglichen Zustandes der Fahrzeuge, dahin, von der Aufsuchung unbekannter Länder abzusehen, erst nach den Inseln Rotterdam und Amsterdam, dann nach den Mariannen und den Philippinen zu segeln, wo man die eingenommene Ladung vor der Rückkehr nach Isle de France veräußern zu können hoffte.
Am 14. Juli verließ Du Clesmeur den von ihm sogenannten »Hafen des Verrathes« und die Schiffe steuerten nach den Inseln Amsterdam und Rotterdam zu, an denen sie, etwas nördlich von ihnen, am 6. August vorüberkamen. Glücklicher Weise begünstigte diese Fahrt das herrlichste Wetter, denn der Skorbut hatte unter den Matrosen so sehr gewüthet, daß nur noch wenige derselben dienstfähig waren.
Am 20. September wurde endlich die Insel Guaham, die größte der Mariannen, erreicht, an der man doch erst sieben Tage später vor Anker gehen konnte.
Der von Crozet verfaßte Bericht enthält eine sehr schätzbare und eingehende Schilderung dieser Insel, wie ihrer Erzeugnisse und Bewohner. Wir geben hier daraus nur folgenden, ebenso kurzen wie bezeichnenden Passus wieder:
»Die Insel Guaham,« heißt es, »erschien uns wie ein irdisches Paradies; die Luft hier ist erquickend, das Wasser ausgezeichnet, Gemüse und Früchte sind vortrefflich, Rinder-, Ziegen- und Schweineheerden unzählbar; alle Arten Geflügel vermehren sich sehr stark.«
Unter den Erzeugnissen hebt Crozet die »Rima« besonders hervor, deren Frucht eßbar wird, wenn sie ihre volle Ausbildung erlangt hat, aber noch grün ist.
»In diesem Zustande,« sagt er, »ernten sie die Eingebornen zum Verspeisen; sie beseitigen die rauhe Schale und schneiden sie wie Brot in Stücke. Zum Zweck des Aufbewahrens schneiden sie daraus runde Scheiben und lassen diese, in Form sehr dünner Brotkuchen, an der Sonne oder am Feuer dörren. Dieser Naturzwieback behält seine nährende Eigenschaft mehrere Jahre lang und jedenfalls weit länger als unser bester Schiffszwieback.«
Vom Hafen von Agana aus segelte Crozet nach den Philippinen, wo er bei Cavite, in der Bai von Manilla, vor Anker ging. Hier trennten sich nun die »Castries« und die »Mascarin«, um einzeln nach Isle de France zurückzukehren. –
Einige Jahre früher schon hatte ein kühner Officier der Kriegsmarine, der Chevalier Jacques Raymond de Giron de Grenier, der wohl auch dem glänzenden Siebengestirn berühmter Männer, den Chazelle, Borda, Fleurieu, Du Maitz de Grimpo, Chabert und Verdun de la Grenne zugezählt zu werden verdiente, die sich so eifrig für alle Fortschritte der Schifffahrt und Erdkunde bemühten, seine Muße während des Aufenthaltes auf Isle de France dazu benutzt, die benachbarten Meere zu durchforschen. Mit der Corvette »Heure Du Berger« unternahm er eine recht erfolgreiche Kreuzfahrt, bei der er die Positionen des Saint Brandon-Riffes, der Saya de Malha-Bank berichtigte, in den Seschellen die Inseln St. Michel, Rocquepire, Agalega eingehend erforschte und die Karte der Inseln Adu und Diego Garcia verbesserte. Unter Berücksichtigung des sich gegenseitig bedingenden Verhältnisses zwischen den Meeresströmungen und den Monsune (Jahreszeiten-Winden) brachte er einen kürzeren und sichereren Weg von Isle de France nach Indien in Vorschlag. Die Ersparniß an demselben sollte achthundert (See-)Meilen betragen; die Sache schien einer ernsten Untersuchung nicht unwerth.
Als der Marine-Minister bei der See-Akademie für de Grenier's Vorschlag eine günstige Stimmung fand, beschloß er die Prüfung desselben einem See-Officier zu übertragen, der mit derartigen Arbeiten vertraut war.
Seine Wahl fiel auf Yves Joseph de Kerguelen. Während der beiden, in den Jahren 1767 und 1768 zur Hebung und zum Schutze des Stockfischfanges nach den Küsten von Island unternommenen Fahrten hatte dieser Seemann Skizzen einer großen Anzahl von Häfen und Rheden aufgenommen, viele astronomische Beobachtungen gesammelt, die Karte von Island berichtigt und über das bis dahin nur wenig bekannte Land eine Fülle genauer und interessanter Beobachtungen aufgezeichnet. Ihm verdankte man die erste eingehende und verläßliche Schilderung der »Geyser«, jener Quellen heißen Wassers, welche manchmal ziemlich hoch aufsteigen, die merkwürdigen Nachrichten über das Vorkommen fossilen Holzes und damit den Beweis, daß das jetzt jedes Baumwuchses entbehrende Island in vorgeschichtlicher Zeit mit ungeheueren Wäldern bedeckt gewesen sein muß.
Gleichzeitig veröffentlichte Kerguelen damals viele noch unbekannte Einzelheiten über Sitten und Gebräuche der Bewohner.
»Die Frauen,« sagte er, »tragen Röcke, Leibchen und Schürzen aus einem in Island selbst gefertigten und ›Wadmel‹ genannten Stoffe. (Noch heute in Skandinavien als ›Vadmal‹, das ist etwa: selbstgefertigter Fries, bekannt); über das Leibchen ziehen sie einen sehr weiten Rock, ähnlich dem der Jesuiten, der aber nicht so weit herabreicht wie die Unterkleider, welche er noch sehen läßt. Dieser Ueberrock ist von verschiedener Farbe, meist jedoch einfach schwarz; man nennt ihn ›Hempe‹. Er wird mit Sammetband oder anderem Ausputz verziert . . . Ihre Haartracht gleicht einer Pyramide oder einem zwei bis drei Fuß hohen Zuckerbrote. Sie flechten sich dabei ein großes Taschentuch von grobem Leinengewebe ein, welches genügende Steifigkeit besitzt und, von einem feineren bedeckt, die oben erwähnte Form hervorbringt . . .«
Endlich verstand jener Officier sehr wichtige Nachrichten über Dänemark, die Lappen, die Samojeden zu sammeln und beschrieb auch die Archipele der Färöer, der Orcaden und der Shetlands-Inseln, welche er genau untersuchte.
Betraut mit der Erprobung des von Grenier vorgeschlagenen Seeweges, ging Kerguelen den Minister um die Erlaubniß an, mit dem ihm zu übergebenden Schiffe gleichzeitig die Wiederaufsuchung der von Bouvet de Lozier im Jahre 1739 entdeckten südlichen Länder versuchen zu dürfen.
Der Abbé Terray, der Nachfolger des Herzogs von Praslin, übergab ihm das Commando des Schiffes »Le Berryer«, das von Lorient Lebensmittel für vierzehn Monate, dreihundert Mann Besatzung und einige für Isle de France bestimmte Munition mitnahm. Der Abbé Rochon begleitete dabei Kerguelen, um die astronomischen Beobachtungen zu leiten.
Gleich nach seiner Ankunft bei Isle de France, am 20. August 1771, vertauschte Kerguelen die »Berryer« gegen die Flute »Fortune«, mit der noch die kleine Flute »Gros-Ventre« von sechzehn Kanonen mit hundert Mann Besatzung unter dem Befehle de Saint Allouarn's vereinigt wurde.
Sobald die beiden Schiffe segelfertig waren, fuhr Kerguelen ab und steuerte nördlich nach dem Archipel der Mahe-Inseln. Während eines wüthenden Sturmes ergaben da die Sondirungen der »Fortune« eine bedrohlich abnehmende Wassertiefe von dreißig auf neunzehn, siebzehn und vierzehn Faden. Nun ließ man einen Anker fallen, der in erwünschter Weise eingriff und auch das ganze Unwetter über aushielt.
»Der kommende Tag befreite uns endlich aus dieser unerquicklichen Lage,« schreibt Kerguelen, »da wir weder Land noch Felsen sahen. Die ›Gros-Ventre‹ trieb drei Meilen von uns unter dem Winde. Sie konnte gar nicht begreifen, daß ich vor Anker lag, da der rollende Donner und die flammenden Blitze das Erkennen oder Hören aller meiner Signale verhindert hatte . . . Es giebt wohl in der That auch kein Beispiel dafür, daß ein Schiff während einer stürmischen Nacht auf offenem Meere an einer unbekannten Bank geankert hätte. Ich machte mich wieder frei, um sondirend weiter zu treiben. Lange Zeit fand ich vierzehn, dann zwanzig, fünf- und achtundzwanzig Faden Wasser. Plötzlich verlor sich der Grund gänzlich, der Beweis, daß wir nur über einen Berggipfel schwammen. Diese neue Bank, welche ich die ›Bank der Fortune‹ nannte, erstreckt sich von Nordwest nach Südost unter 7° 16' südlicher Breite und 55° 50' östlicher Länge.«
Die »Fortune« und »Gros-Ventre« segelten nun bis zum fünften Breitengrade der von Chevalier de Grenier empfohlenen Route hinauf. Die beiden Befehlshaber überzeugten sich, daß die Winde zu jener Jahreszeit stets aus Osten wehten, sie erreichten die Maladiven und passirten Ceylon von der Pointe de Galles bis zur Trinquemalay-Bucht. Bei der Rückkehr war der Monsun umgeschlagen. Die vorherrschenden Winde kamen, der Voraussage de Grenier's entsprechend, jetzt aus Westen und Südwesten. Der von diesem vorgeschlagene Weg bot also unzweifelhafte Vortheile. Die Erfahrung hat diese auch fernerhin so vielfach bestätigt, daß man dort überhaupt keinen anderen mehr einschlägt.
Am 8. December nach Isle der France zurückgekehrt, beschleunigte Kerguelen die Vorbereitungen zu seiner weiteren Reise derart, daß er schon am 12. Januar 1772 die Anker lichten konnte. Er steuerte geraden Weges nach Süden, denn wenn er in dieser Richtung Land entdeckte, mußte ja das nächstgelegene für die alte französische Kolonie am werthvollsten sein.
Am 1. Februar schienen zahlreiche Vogelschwärme auf die Nachbarschaft von Land hinzudeuten. Auf das eben herrschende Schneewetter folgten jetzt Hagelschauer. Man hatte gleichzeitig mit schlechtem Wetter, widrigem Winde und grober See zu kämpfen. Das erste Land kam am 12. in Sicht. Am nächsten Tag sah man ein zweites und bald darauf ein ziemlich hohes Vorgebirge. Als die Sonne am folgenden Tage Morgens um sieben Uhr die Wolken zerstreute, erkannte man deutlich eine sich auf fünfundzwanzig Meilen erstreckende Küstenlinie. Die Schiffe befanden sich da unter 49° 40' südlicher Breite und 61° 10' östlicher Länge.
Leider folgte jetzt nur ein Sturm auf den anderen und die Fahrzeuge hatten große Mühe, sich nicht an der Küste festhalten zu lassen. Kerguelen wurde, als er eben ein Boot zum Zwecke eines Landungsversuches abcommandirt hatte, von heftigen Strömungen weit nach Norden verschlagen.
»Als ich mich vom Lande so weit entfernt sah,« berichtet Kerguelen, »überlegten wir, was nun zu thun sei; in Anbetracht des Zustandes meines Mastwerkes mußte ich mir sagen, daß ich nicht genügende Segel führen könne, um mich sicher von der Küste frei zu halten, an der uns, wegen Mangels einer Schaluppe zur Auslegung der Anker, die ernstlichsten Gefahren bedrohten; daß es bei der nebeligen Witterung so gut wie unmöglich sein werde, die »Gros-Ventre« wieder aufzufinden, von der ich schon seit mehreren Tagen getrennt war, zumal da der Wind sehr häufig wechselte und wir einen tüchtigen Sturm abgewettert hatten . . . Diese Betrachtungen und dazu die Ueberzeugung, daß die »Gros-Ventre« ein vortreffliches Schiff und für sieben Monate mit Lebensmittel versehen sei, bestimmten mich, nach Isle de France zurückzukehren, wo ich am 16. März eintraf.«
Glücklicher Weise war auch der »Gros-Ventre« kein Unfall zugestoßen. Ihr Boot konnte zu derselben wieder zurückgelangen. De Boisguehennene, der an's Land gegangen war, hatte unter Beachtung aller herkömmlichen Formalitäten von demselben Besitz genommen und ein Protokoll darüber in einer Flasche zurückgelassen, welche Kapitän Cook im Jahre 1776 wieder auffand.
Kerguelen kehrte nach Frankreich zurück, wo der Erfolg seiner Reise ihm nicht wenig Feinde erworben hatte. Ihre Gehässigkeit gegen ihn nahm nur noch mehr zu, als er am 1. Januar 1772 vom Könige zum Schiffskapitän und Ritter des heiligen Ludwig ernannt wurde. Bald verbreiteten sich die schmählichsten Verleumdungen, welche sich sogar bis zu der Beschuldigung erhoben, er habe die begleitende »Gros-Ventre« absichtlich zu Grunde gehen lassen, um allein die Belohnung für jene Entdeckungen zu genießen, die er mit de Saint Allouarn gemacht hatte.
All' dieses Geschrei verhallte jedoch spurlos bei dem Minister, der Kerguelen vielmehr die Leitung einer zweiten Expedition anvertraute. Das Vollschiff »Roland« und die Fregatte »l'Oiseau« verließen Brest unter dem Befehle de Saux de Rosnevet's am 26. März 1772.
Nach dem Cap gekommen, sah Kerguelen sich genöthigt, vierzig Tage lang still zu liegen. Die ganze Mannschaft war in Folge der Feuchtigkeit des neuen Schiffes an putridem Fieber erkrankt.
»Es erscheint das um so begründeter,« heißt es in dem Berichte, »weil alle trockenen Gemüse, wie Erbsen, Bohnen, Schminkbohnen und Linsen, in den Vorrathskammern des Raumes ebenso verdorben waren, wie der Reis und ein Theil des Zwiebacks; die Gemüse hatten sich im Schiffsraume fast in einen Misthaufen umgewandelt, der Alles verpestete; auch wimmelte es in denselben von einer Masse weißer Würmer . . .«
Am 11. Juli verließ die »Roland« das Cap, wurde aber gleich darauf von einem furchtbaren Sturme heimgesucht, der ihr zwei Marsstengen, einen Fock, den kleinen Fockmast und den Besan kostete. Endlich erreichte man mit Nothmasten Isle de France.
An Stelle des Roches' und Poivre's, der eifrigen Beförderer der ersten Expedition, waren hier inzwischen de Ternay und der Intendant Maillard getreten. Die letzteren schienen es sich geradezu zur Aufgabe zu machen, der Ausführung der Aufträge Kerguelen's alle nur erdenkbaren Hindernisse zu bereiten. Sie lieferten ihm z. B. weder frische Nahrungsmittel, deren die Mannschaft so nothwendig bedurfte, und suchten ihm auch das nöthige Holz vorzuenthalten, das zum Ersatz der verlorenen Maste gebraucht wurde; dazu traten sie ihm für dreiundvierzig im Hospital zurückbleibende Matrosen nur lauter bestrafte und unzuverlässige Soldaten ab, deren sie sich sehnsüchtig zu entledigen trachteten. Eine unter solchen Verhältnissen unternommene Fahrt nach den Südseeländern konnte wohl schwerlich ein gutes Ende nehmen. Leider sollte das zur traurigen Wahrheit werden!
Am 5. Januar bekam Kerguelen die schon während seiner ersten Reise entdeckten Länder wieder zu Gesicht und besuchte bis zum 16. mehrere Punkte derselben, wie die Inseln de Croy, Réunion und Roland, welche seinen Messungen nach eine Küstenausdehnung von achtzig Meilen besaßen. Die Witterung blieb stets sehr ungünstig; dichte Nebel, Schnee, Hagelschauer und heftige Windstöße wechselten mit einander ab. Am 21. konnten sich die Schiffe nur durch zeitweilig gelöste Kanonenschüsse in der nöthigen Nähe erhalten. Am nämlichen Tage wurde die Kälte so streng, daß mehrere Matrosen auf dem Verdeck bewußtlos zusammenbrachen . . .
»Die Officiere,« so berichtet Kerguelen, »erklärten, daß die bisherige tägliche Ration an Schiffszwieback unzureichend sei und die Besatzung ohne Vermehrung derselben bei diesem kalten, dunstigen Wetter nicht ausdauern könne. Ich legte also der Ration für jeden Mann täglich vier Unzen Zwieback zu.«
Am 8. Januar 1774 vereinigte sich die »Roland« wieder mit der Fregatte vor der Insel Réunion. De Rosnevet machte dabei die Mittheilung, daß er einen Ankerplatz oder eine Bucht hinter dem Cap der Franzosen gefunden und am 6. ein Boot zum Sondiren ausgesendet habe, wobei seine Leute an's Land gegangen wären, von demselben Besitz ergriffen und auch mehrere Pinguine und einen Seelöwen erlegt hätten.
Aber auch diesmal hinderte Kerguelen die tiefe Erschöpfung seiner Mannschaft, die schlechte Qualität der Nahrungsmittel und der klägliche Zustand der Schiffe selbst, diesen verlassenen Archipel eingehender zu untersuchen. Er mußte leider umkehren. Statt aber nach Isle de France zurückzusegeln, steuerte er nach der Bai von Antogil bei Madagaskar. Es war ihm bekannt, daß er daselbst Citronen, Limonien, Ananas und andere antiskorbutischen Mittel ebenso wie an frischem Fleisch Ueberfluß finden werde.
Ein Abenteurer mit ziemlich merkwürdiger Lebensgeschichte, Beniowski, hatte hier zu Gunsten Frankreichs eine Niederlassung gegründet, der es freilich selbst am Nothwendigsten fehlte. Kerguelen lieferte ihm Feldlafetten, Ziegelsteine, eiserne Werkzeuge, Hemden und Decken und ließ durch seine eigenen Zimmerer ein Lebensmittel-Magazin errichten.
Fünfunddreißig Mann von der Besatzung der »Roland« waren schon mit Tode abgegangen, seit er die südlichen Länder verließ. Hätte sich Kerguelen nur noch acht Tage hier aufgehalten, so wären gewiß hundert Mann davon umgekommen.
Bei seiner Rückkehr nach Frankreich erntete Kerguelen für alle die muthig ertragenen Strapazen nichts als Haß und niedrige Verleumdung, die Erbitterung gegen ihn war so groß, daß einer seiner Officiere selbst nicht vor der Veröffentlichung einer Denkschrift zurückscheute, in der Alles vom ungünstigsten Gesichtspunkte aus angesehen und Kerguelen allein für den Mißerfolg verantwortlich gemacht wurde. Wenn Letzterer auch nicht vollkommen freizusprechen ist, so halten wir doch das kriegsgerichtliche Urtheil, das ihn von seiner Stelle entließ und mit Gefängniß im Schlosse von Saumur bestrafte, für entschieden ungerecht. Auch die Regierung erkannte diese Verurtheilung als zu hart und mehr von persönlicher Gereiztheit als von lauterer Gerechtigkeit dictirt, denn Kerguelen erhielt schon wenige Monate später seine Freiheit wieder. Die schlimmste ihm beigemessene Beschuldigung bestand in dem angeblichen Verlassen eines Bootes in den südlichen Ländern, dessen Mannschaft nur durch die unvermuthete, zufällige Rückkehr der »Fortune« gerettet wurde. Aber auch die Sache scheint böswillig entstellt worden zu sein, denn man kennt einen Brief eines dabei zurückgelassenen Officiers, des späteren Vice-Admirals de Rosily, in dem dieser darum ersucht, wieder unter Kerguelen's Kommando dienen zu dürfen.
Als Quelle für die Darstellung dieser beiden Reisen diente uns in der Hauptsache Kerguelen's eigene, während der Gefangenschaft verfaßte Verteidigungsschrift, welche, in Folge eines von der Regierung sehr bald erlassenen Verbotes derselben, jetzt nur sehr selten vorkommt.
Wir haben nun noch diejenigen Expeditionen zu erwähnen, welche ohne Vermehrung der bisherigen Entdeckungen doch deshalb hochwichtig geworden sind, weil sie sowohl zur Berichtigung der Karten und zu den Fortschritten in der Schifffahrtskunde und Geographie wesentlich beitrugen, als auch vorzüglich ein lang gesuchtes Problem, die Bestimmung der geographischen Länge auf offener See, seiner Lösung entgegenführten.
Zur Lagenbestimmung eines gegebenen Punktes bedarf es der Kenntniß der Breite, d. i. nördlichen oder südlichen Abstandes vom Aequator, und der Länge, d. i. seiner östlichen oder westlichen Entfernung von einem bekannten Meridiane.
Um die Position eines Schiffes zu bestimmen, besaß man jener Zeit nur das Log, das, in's Meer ausgeworfen, die Strecke maß, welche jenes in einer halben Minute zurückgelegt hatte; darnach schätzte man auch die jedesmalige Schnelligkeit der Fahrt ab; das Log bleibt aber keineswegs ganz unbeweglich und die Schnelligkeit eines Schiffes nicht immer dieselbe. Schon hierin liegen also zwei sehr in's Gewicht fallende Fehlerquellen.
Der gesegelte Kurs wurde nach der Boussole oder dem Compaß bestimmt. Nun weiß aber Jedermann, daß der Compaß wechselnden Abweichungen unterworfen ist und ein Schiff nicht immer die von ihm angegebene Richtung wirklich steuert; es ist aber niemals leicht, den Werth dieser Abweichung richtig abzuschätzen.
Nach Erkennung dieser Mängel handelte es sich also darum, eine verläßlichere Methode zu finden.
Mit Hadley's Octanten gelang es wohl, die Breite bis auf die Minute, d. h. bis auf eine Drittelmeile, genau zu messen; man durfte aber noch gar nicht daran denken, die Länge mit ähnlicher Zuverlässigkeit bestimmen zu wollen.
Das wäre leicht gewesen, wenn es gelang, die verschiedenen Erscheinungen der Magnetnadel-Abweichung auf einfache, unveränderliche Gesetze zurückzuführen. Dazu fehlte jedoch jede Unterlage. Man wußte zwar, daß in den indischen Meeren, zwischen Bourbon, Madagaskar und Rodriguez, eine Abweichung von vier Graden in der Richtung der Magnetnadel ungefähr einem Längenunterschied von fünf Graden entsprach; dagegen war auch bekannt, daß die Declination der Magnetnadel an ein und demselben Orte Veränderungen unterlag, deren Ursachen man nicht zu ergründen vermochte.
»Eine Declination von zwölf Graden, von Norden nach Westen, entsprach vor zwanzig Jahren,« schrieb Verdun de la Crenne im Jahre 1778, »unter einer gewissen Breite einer Länge von 61° westlich von Paris; es ist leicht möglich, daß die Declination sich seit diesen zwanzig Jahren um zwei Grad verändert hat, was einen Irrthum von zweiundeinhalb Grad oder nahezu fünfzig Seemeilen in der Länge ergäbe, den man auf Grund dieser Abweichung herausrechnen würde.«
Wenn man die Zeit auf dem Schiffe kennt, d. h. die richtige Stunde für den Meridian, auf dem sich das Schiff im Moment der Beobachtung befindet, und man kennt gleichzeitig ebenso die Tagesstunde des Hafens, von dem man abfuhr oder die eines bekannten Meridians, so ergiebt der Unterschied der Stunden auch diejenige der beiden betreffenden Meridiane, da jede Stunde Unterschied fünfzehn Längengraden entspricht. Das Problem der genauen Längenbestimmung fällt zuletzt also damit zusammen, wissen zu können, welche Zeit es über einem gegebenen Meridiane in jedem Augenblicke ist.
Hierzu erschien es als nöthig, eine Taschen- oder Wanduhr zu besitzen, welche bei jedem Zustande des Meeres und jedem Wechsel der Temperatur einen vollkommenen isochronischen Gang behielt.
Nach dieser Seite hin waren schon vielerlei Versuche angestellt worden. Im 16. Jahrhundert hatten Besson, im 17. Huyghens und später Sully, Harrison, Dutertre, Gallonde, Rivas, Le Roy und Ferdinand Berthoud die Lösung dieses Problems versucht oder arbeiteten noch an derselben.
Ueberzeugt von der Wichtigkeit eines solchen vollkommenen Instrumentes, hatten die englische und die französische Regierung hohe Belohnungen dafür ausgesetzt und auch die Akademie der Wissenschaften eröffnete ein förmliches Preisausschreiben. Im Jahre 1765 lieferte Le Roy zwei Uhren zur Prüfung ein, während der im Auftrage des Königs arbeitende Berthoud noch von der Bewerbung zurückstehen mußte. Le Roy's Uhren bestanden tadellos alle Proben, die man auf dem Lande mit ihnen anstellte. Jetzt galt es zu prüfen, ob sie sich auf dem Meere ebenso gut bewähren würden.
Zu diesem Zwecke ließ der Marquis von Courtanvaux die leichte Fregatte »l'Aurore« auf seine Kosten ausrüsten. Le Roy meinte aber selbst, daß eine Seereise, die mit Einschluß des Aufenthaltes in Calais, Dunkirchen, Rotterdam, Amsterdam und Boulogne vom 25. Mai bis 29. August gedauert hatte, viel zu kurz sei, und wünschte deshalb eine zweite Probe. Nun brachte man seine Uhren auf die Fregatte »l'Enjouée«, welche von Havre abfuhr, bei Saint-Pierre, nahe Neufundland, dann bei Sale in Afrika, ferner in Cadix vor Anker ging und nach vier und einem halben Monat dauernder Seefahrt nach Brest zurückkehrte. Diese Prüfung vollzog sich also, bei wechselndem Zustande des Meeres, in sehr verschiedenen Breiten. Wenn Le Roy's Uhrenconstruction sich hierbei bewährte, so verdiente sie den Preis. Dieser wurde derselben auch zu Theil.
Die Akademie wußte indeß, daß sich noch andere Künstler mit den nämlichen Versuchen beschäftigten und aus mancherlei Gründen bei der Preisbewerbung noch nicht hatten auftreten können. Sie schrieb für dieselbe Aufgabe also im Jahre 1771 noch einmal einen Preis aus und verdoppelte diesen gar im Jahre 1773.
F. Berthoud glaubte nun alle wünschenwerthe Vollkommenheit erreicht zu haben, doch fehlte seiner Uhr noch die Erprobung auf einer weiten Reise.
In den letzten Monaten des Jahres 1768 wurde in Rochefort eine Fregatte von 18 Kanonen, die »Isis«, in Dienst gestellt, deren Führung Chevalier d'Eveux de Fleurieu, später bekannt unter dem Namen Claret de Fleurieu, übernahm. Damals noch Schiffsfähnrich, war derselbe trotz seiner dreißig Jahre, doch schon ein hervorragender Gelehrter. Wir hatten schon Gelegenheit, seinen Namen zu erwähnen, und werden ihm später noch wiederholt begegnen. Damals hatte der, für die Mechanik eingenommene Fleurieu sich an Berthoud's Arbeiten betheiligt; um jeden Verdacht einer Voreingenommenheit seinerseits abzulenken, übertrug er die Beobachtung der ihm anvertrauten Uhr gleichzeitig mehreren begleitenden Officieren.
Nach der Abfahrt im November 1768 ankerte die »Isis« nach und nach in Cadix, bei den Canarien, in Gorée, an den Inseln des Grünen Vorgebirges, bei Martinique, St. Domingo, Neufundland, den Canarien und Cadix, und kehrte am 31. Oktober 1769 nach der Insel Aix zurück.
In kalten, heißen und gemäßigten Klimaten waren die Uhren jeder Temperatur ausgesetzt gewesen und hatten auch die stärkste Wellenbewegung während der rauhen Jahreszeit ausgehalten.
In Folge dieser mit Ehren bestandenen Probe erhielt Berthoud ein Patent und die Stelle eines Inspektors der See-Uhren.
Die erwähnte Probefahrt lieferte aber auch noch andere, uns näher berührende Resultate. Fleurieu hatte viele astronomische Beobachtungen und hydrographische Aufnahmen ausgeführt, die ihn berechtigten, auf Grund eigener Erkenntniß die gebräuchlichen Karten jener Zeit zu be-, aber auch zu verurtheilen.
»Ich habe mich lange gesträubt,« schreibt er in seinem Reiseberichte, »die Karten des Depots einer eingehenden Kritik zu unterziehen, und wollte mich darauf beschränken, auf die neuen Messungen hinzuweisen, nach denen jene verbessert werden könnten; ihre Fehler sind aber so zahlreich und gefährlich, daß es ein Vergehen gegen alle Seefahrer wäre, wenn ich ihnen diese wichtigen Mittheilungen vorenthielte . . .«
Weiter kritisirt er mit gutem Grunde die Karten eines seiner Zeit sehr angesehenen Geographen.
»Ich lasse mich nicht darauf ein,« sagt er, »hier auf alle in Bellin's Karten gefundenen Fehler hinzuweisen, denn diese sind unzählig. Zum Beweise der Nothwendigkeit der von mir unternommenen Arbeit begnüge ich mich, nur die hervorzuheben, welche von allgemeinem Interesse sind, ob man z. B. die Lage gewisser Orte auf seinen Karten vergleicht mit der, die sie haben sollten, ›wenn Bellin die zu verschiedenen Zeiten veröffentlichten astronomischen Beobachtungen hätte benutzen wollen‹, oder die Lage anderer betrachtet, die wir erst durch eigene Messungen festgestellt haben.«
Er schließt dann mit der Aufzählung eines langen Verzeichnisses der fehlerhaften Lagenangaben der besuchtesten Küstenpunkte Europas, Afrikas und Amerikas mit folgenden bezeichnenden Worten:
»Berücksichtigt man die vielen Fehler, auf welche ich in Bellin's Karten hingewiesen habe, so fühlt man sich unwillkürlich zu einer zwar niederschlagenden, aber doch nicht zu vernachlässigenden Betrachtung gedrängt. Wenn nämlich die Karten, welche die bekanntesten Theile der Erdkugel wiedergeben und über die die meisten Beobachtungen vorhanden sind, so wenig verläßlich erscheinen, was sollen wir dann von den Karten erwarten, welche das nach sehr dehnbaren Schätzungen und oft ungegründeten Schlußfolgerungen entworfene Bild wenig besuchter Inseln und Küstenstrecken darstellen?«
Bisher hatte man die Uhren einzeln und durch verschiedene Beobachter prüfen lassen. Jetzt handelte es sich darum, sie gleichzeitig denselben Proben zu unterwerfen und zu sehen, welche diese siegreich bestehen würden. Zu diesem Zwecke wurde in Brest die Fregatte »la Flora« ausgerüstet und deren Kommando einem ausgezeichneten Officier, Verdun de la Crenne, übertragen, der im Jahre 1786 zum Geschwaderchef emporstieg. Bei dieser Probefahrt wurden Cadix, Madeira, die Salvagen, Teneriffa, Gorée, Martinique, Guadeloupe, Domingo, die meisten der kleinen Antillen, Saint-Pierre, Neufundland, Island, das man nur mit Mühe auffand, die Färöer, Dänemark und Dünkirchen berührt. Der von Verdun de la Crenne darüber erstattete Bericht ist, wie der Fleurieu's, überreich an Berichtigungen jeder Art. Man sieht daraus, mit welcher Sorgfalt und Regelmäßigkeit die Sondirungen wiederholt und die Küsten aufgenommen wurden. Dabei begegnet man aber auch, was dem Bericht Fleurieu's abgeht, einer Schilderung der besuchtesten Länder und Betrachtungen über die Sitten und Gebräuche der verschiedenen Länder.
Unter den in zwei starken Quartbänden zerstreuten Mittheilungen verdienen besonders die über die Canarien und ihre Ureinwohner, über die Sereren und die Yolofs, über Island und den dänischen Staat ebenso Beachtung, wie Verduns noch heute vollgiltigen Bemerkungen über den Meridian der Insel Ferro.
»Es ist das die Mittagslinie der westlichsten dieser Inseln,« sagt er, »die Ptolemäus als den ersten Meridian erwählte . . . Ohne Zweifel hätte er als solchen leicht den von Alexandrien bestimmen können; der große Mann sah aber ein, daß eine solche Wahl für sein Land von keinerlei reellem Werth sein könne; Rom und noch andere Städte würden ihm gewiß diese eingebildete Ehre streitig zu machen suchen; und wenn dann gar jeder Geograph, jeder Verfasser einer Reisebeschreibung willkürlich irgend einen Meridian als den ersten angenommen hätte, so mußte das bei jedem Leser nur Verlegenheiten und die größte Verwirrung zur Folge haben . . .«
Man sieht, daß Verdun diese Frage von höherem Gesichtspunkte betrachtete, den alle vorurtheilsfreien Leser noch heute theilen. Es ist das ein Grund mehr, ihm unsere Sympathie zu sichern.
Wir schließen dieses Thema mit den Worten des genannten Autors: »Die Uhren bestanden die Probe sehr gut; sie hatten Hitze und Kälte, Unbewegtheit und Stöße – sowohl die vom Schiffe selbst, als es bei Antigoa strandete, wie die vom Abfeuern der Geschütze – ausgehalten; mit einem Worte, sie entsprachen den an sie gestellten Erwartungen, verdienen also das volle Vertrauen der Seefahrer und eignen sich vortrefflich zur Bestimmung der geographischen Länge auf offenem Meere.«
Die Lösung des Problems war gefunden.
Expedition Lapérouse's. – Die Insel St. Katharina. – Conception. – Die Sandwichs-Inseln. – Entdeckung der Küste Amerikas. – Der Hafen der Franzosen. – Verlust zweier Fahrzeuge. – Monterey und die Indianer Kaliforniens. – Aufenthalt in Macao. – Cavite und Manilla. – Unterwegs nach China und Japan. – Formosa. – Die Insel Quelpaert. – Die Küste der Tatarei. – Die Bai von Ternay. – Die Tataren von Saghalien. – Die Orotchys. – Die Lapérouse-Straße – Ball auf Kamtschatka. – Der Archipel der Schiffer. – Ermordung de Langle's und mehrerer seiner Begleiter. – Botany-Bai. – Ausbleiben aller Nachrichten von der Expedition. – d'Entrecasteaux wird zur Aufsuchung Lapérouse's entsendet. – Falsche Nachrichten. – Der Kanal d'Entrecasteaux. – Die Küste von Neu-Caledonien. – Das Land der Arsaciden. – Die Eingebornen von Buka. – Aufenthalt im Carteret-Hafen. – Die Admiralitäts-Inseln. – Aufenthalt in Amboine. – Das Leuwin-Land. – Nuyts'-Land. – Aufenthalt in Tasmanien. – Festlichkeiten auf den Inseln der Freunde. – Einzelheiten von dem Besuche Lapérouse's in Tonga-Tabu. – Aufenthalt in Balade. – Spuren von der Fahrt Lapérouse's nach Neu-Caledonien. – Banikoro. – Trauriges Ende der Expedition.
Die Reise Cook's war kaum nach dem Tode des großen Seefahrers bekannt geworden, als sich die französische Regierung bemühte, die Muße zu benutzen, welche der eben geschlossene Friede ihrer Flotte gewährte. Unter den Officieren erhob sich ein endloser Wettstreit; alle schienen neidisch auf die Erfolge zu sein, die ihre alten Rivalen, die Engländer, auf einem anderen Schauplatz errungen hatten. Die Frage, wem man das Commando einer so wichtigen Expedition anvertrauen solle, machte nur deshalb Schwierigkeiten, weil zu viele Personen vorhanden waren, deren Verdienste sie zur Anwartschaft auf ein solches Ehrenamt berechtigten.
Die Wahl des Ministeriums fiel auf Jean François Golpau de Lapérouse, der sich durch hervorragende militärische Dienste schnell zum Grade eines Schiffskapitäns emporgeschwungen hatte. Während des letzten Krieges war er beauftragt gewesen, die englischen Niederlassungen an der Hudsons-Bai zu zerstören, und entledigte sich damals dieser Mission mit gleichviel militärischem wie seemännischem Geschick, während er die Gebote der Menschlichkeit mit den Anforderungen der Nothwendigkeit glücklich zu vereinigen wußte. Als zweiter Officier ward ihm de Langle beigegeben, der ihn schon bei dem Zuge nach der Hudsons-Bai getreu und wirksam zur Seite gestanden hatte.
Auf den beiden Fregatten »Astrolabe« und »Boussole« wurde ein zahlreicher Generalstab mit eingeschifft. Auf der letzteren befanden sich Lapérouse selbst, ferner Clonard, als Führer des Schiffes, der Ingenieur Monneron, der Geograph Bernizet, der Chirurg Rollin, der Astronom Lepaute-Dagelet von der Akademie der Wissenschaften, der Physiker Lamanon, die Zeichner Duché de Vanzy und Prevost der Jüngere, der Botaniker Collignon und der Uhrmacher Guery. Auf der »Astrolabe« fuhren, außer dem Commandanten de Langle, der Lieutenant de Monti, der während der Expedition zum Schiffskapitän avancirte, und der berühmte Monge, der sich zum Heil für die Wissenschaft am 29. August 1785 in Teneriffa wieder ausschiffte.
Die Akademie der Wissenschaften und die Gesellschaft der Medicin in Paris hatten dem Marine-Ministerium Schriftstücke überreicht, in welchen sie die Aufmerksamkeit der Reisenden nach gewissen Punkten hinzulenken suchten. Fleurieu, jener Zeit Director der Häfen und Seearsenale, endlich, hatte eigenhändig die für die Fahrt bestimmten Karten entworfen und mit einem ganzen Bande gelehrter Anmerkungen, sowie mit Auszügen der Resultate aller Reisen seit der Zeit des Columbus begleitet.
Die beiden Fahrzeuge führten eine reichliche Menge Tauschobjecte mit sich, dabei ungeheuere Vorräthe an Lebensmitteln und Effecten aller Art, sowie zwei gedeckte Boote von je zwanzig Tonnen Gehalt, zwei Biscaya'sche Schaluppen, außer Masten und Segel und Takellage zum Ersatz u. s. w.
Am 1. August 1785 gingen die beiden Fregatten unter Segel und dreizehn Tage später bei Madeira vor Anker. Die Franzosen fanden hier seitens des englischen Statthalters eine höchst zuvorkommende und freundliche Aufnahme, welche sie ungemein erfreute. Am 19. lag Lapérouse vor Teneriffa.
»Die verschiedenen Beobachtungen von Fleurieu, Verdun und Borda über die Inseln Madeira, Salvages und Teneriffa,« sagt er, »lassen nach keiner Seite hin zu wünschen übrig. Die von uns angestellten beziehen sich deshalb nur auf die Berichtigung unserer Instrumente . . .«
Dieser abgerissene Satz beweist, daß Lapérouse der Mann war, den Arbeiten seiner Vorgänger alle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, eine Annahme, die wir später noch öfters bestätigt finden werden.
Während die Astronomen die Zeit damit ausfüllten, den Gang der astronomischen Uhren zu beobachten, unternahmen die Naturforscher in Begleitung mehrerer Officiere einen Ausflug nach dem Pic (von Teneriffa) und brachten mehrere merkwürdige Pflanzen von demselben mit. Monneron gelang es auch, diesen Berggipfel mit größerer Genauigkeit zu messen, als seine Vorgänger Herberdeen, Feuillée, Bouguer, Verdun und Borda, welche dessen Höhe zu zweitausendvierhundertneun, zweitausendzweihundertdreizehn, zweitausendeinhundert, respective tausendneunhundertvier Toisen bestimmten. Leider ist diese Arbeit, die aller Ungewißheit über jenen Punkt ein Ende bereitet hätte, niemals nach Frankreich gekommen.
Am 16. October kamen die Inseln oder vielmehr die Felsen von Martin-Vas in Sicht. Lapérouse bestimmte deren Lage und segelte darauf nächsten Weges nach der Insel Trinidad, die nur neun Meilen im Westen lag. In der Hoffnung, daselbst Wasser, Holz, vielleicht auch einige Nahrungsmittel zu finden, sandte der Befehlshaber der Expedition ein Boot mit einem Officier an's Land. Letzterer verhandelte mit dem portugiesischen Gouverneur, dessen Truppenmacht aus nahe zweihundert Mann bestand, von denen nur fünfzehn eine wirkliche Uniform trugen, während die Uebrigen nur in Hemden gingen. Der Platz litt aber selbst Mangel an Allem und die Franzosen mußten umkehren, ohne etwas erhalten zu haben.
Nach vergeblicher Aufsuchung der Insel Ascension steuerte die Expedition nach der Insel St. Katharina, an der Küste von Brasilien.
»Nach sechsundneunzigtägiger Seefahrt,« heißt es in dem vom General Millel-Mureau veröffentlichten Berichte, »hatten wir nicht einen einzigen Kranken; weder der Wechsel des Klima, noch die Regen und Nebel erschütterten die Gesundheit unserer Leute, da wir stets Nahrungsmittel von bester Qualität besaßen. Ich vernachlässigte keine der Vorsichtsmaßregeln, welche Erfahrung und Klugheit vorschrieben; so sorgten wir unter Anderem vorzüglich dafür, unsere Mannschaft in heiterer Stimmung zu erhalten, und ließen sie, wenn es die Witterung irgend erlaubte, jeden Abend von acht bis zehn Uhr auf dem Decke tanzen.
»Die Insel St. Katharina – auf welche wir noch mehrere Male zurückzukommen Gelegenheit haben – erstreckt sich von 27° 19' bis 27° 49' südlicher Breite; ihr Durchmesser von Osten nach Westen beträgt nur zwei Meilen; von dem Festlande ist sie an der engsten Stelle nur durch einen Kanal von zweihundert Toisen Durchmesser getrennt. Am Eingang dieser engen Wasserstraße liegt die Stadt Nostra-Señora-Del-Destero, der Hauptort der Statthalterschaft, in dem auch der Gouverneur residirt; er zählt höchstens dreitausend Seelen in ungefähr vierhundert Häusern, und bietet einen recht hübschen Anblick. Nach dem Berichte Frézier's diente diese Insel im Jahre 1712 vielen Landstreichern, die sich aus verschiedenen Theilen Brasiliens hierher flüchteten, als Aufenthaltsort; diese waren Portugal nur dem Namen nach unterworfen und erkannten überhaupt keine Obrigkeit an. Der Boden der Insel ist so außerordentlich fruchtbar, daß jene ohne Beistand der benachbarten Kolonien leicht Unterhalt finden konnten. Alle Schiffe, welche bei ihnen anliefen, versorgten die Bewohner auch, im Austausch gegen Lebensmittel, stets nur mit Kleidungsstücken und Hemden, die ihnen gänzlich fehlten.«
Diese Insel ist wirklich ausnehmend fruchtbar, und ihr Boden würde sich gewiß zur Cultur des Zuckerrohres eignen; die Armuth der Einwohner hindert diese aber, die nöthigen Waaren einzukaufen.
Die französischen Schiffe fanden hier Alles, was sie brauchten, und die Officiere wurden von den portugiesischen Beamten sehr wohlwollend empfangen.
»Folgende Thatsache erscheint geeignet, eine Vorstellung von der Gastfreundschaft dieses guten Volkes zu geben: in einer Bucht, wo ich Holz schlagen ließ,« sagte Lapérouse, »war ein Boot von der Brandung umgeworfen worden; die Einwohner, welche behilflich waren, dasselbe zu retten, zwangen fast unsere schiffbrüchigen Matrosen, sich in ihr Bett zu legen, während sie sich selbst mit Matten begnügten, die sie auf dem Boden der Zimmer ausbreiteten. Einige Tage später brachten sie Segel, Masten, Schiffshaken und die Flagge des Bootes nach meinem Schiffe, für sie lauter werthvolle Gegenstände, die ihnen für ihre Piroguen von großem Nutzen gewesen wären.«
Am 19. November lichteten die »Boussole« und »Astrolabe« die Anker und segelten in der Richtung nach dem Cap Horn ab. Nach Ueberstehung eines heftigen Sturmes, bei dem sich die Fregatten sehr gut bewährten, und nach vierzigtägiger vergeblicher Aufsuchung der von dem Franzosen François Antoine de la Roche entdeckten Insel Grande, welche Kapitän Cook Georgien taufte, passirte Lapérouse die Lemaire-Straße. Da ihn der Wind, trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit, ungemein begünstigte, verzichtete er auf einen Besuch der Bai des guten Erfolges und beeilte sich lieber, das Cap Horn zu umschiffen, um eine möglicher Weise eintretende Verzögerung zu vermeiden, welche seine Schiffe leicht in Gefahr bringen und die Mannschaft nutzlos anstrengen mußte.
Auch das freundliche Auftreten der Feuerländer, der Ueberfluß an Walfischen, deren Ruhe hier noch Niemand gestört hatte, wie die unzähligen Schaaren von Albatrossen und Sturmvögeln, vermochten seinen Entschluß nicht zu ändern. Das Cap Horn wurde unter günstigeren Umständen umschifft, als man hoffen zu dürfen glaubte. Schon am 9. Februar befand sich die Expedition gegenüber dem Ausgange der Magelhaens-Straße und am 24. ging sie im Hafen Conception vor Anker, dem Lapérouse wegen des drohenden Mangels an Nahrungsmitteln jenem vom Juan-Fernandez den Vorzug gab. Der vortreffliche Gesundheitszustand der Besatzung verwunderte den spanischen Commandanten nicht wenig. Vielleicht noch niemals war ein Fahrzeug nach Umschiffung des Cap Horn ohne Kranke nach Chile gekommen und jetzt befand sich auf beiden Fregatten nicht ein einziger.
Die im Jahre 1751 durch ein Erdbeben zerstörte Stadt hatte man am Ufer des Flusses Biobio, drei Meilen vom Strande entfernt, wieder aufgebaut. Die nur ein Stockwerk hohen Häuser gaben Conception eine ziemlich beträchtliche Ausdehnung, während es doch kaum 10.000 Einwohner zählte. Die Bai derselben ist eine der bequemsten der Welt; das ruhige Meer darin hat fast gar keine Strömung.
Dieser Theil Chiles zeichnet sich durch eine wahrhaft wunderbare Ergiebigkeit des Bodens aus. Getreide liefert hier den sechzigfachen Ertrag, der Wein gedeiht ebenso über alle Maßen und auf den Feldern tummeln sich zahllose Heerden, die sich mit erstaunlicher Schnelligkeit vermehren.
Trotz dieser günstigen Verhältnisse machte das Land doch, in Folge des jener Zeit herrschenden Prohibitiv-Systems, nicht die geringsten Fortschritte. Chile, das mit seinen Erzeugnissen halb Europa hätte ernähren, mit seiner Wolle alle Fabriken Englands und Frankreichs versehen und ungeheuere Mengen Fleisches in gesalzenem Zustand hätte verwerthen können, trieb so gut wie gar keinen Handel. Dabei erreichten auch die Einfuhrzölle eine ganz außerordentliche Höhe, weshalb das Leben daselbst ein sehr theures war. Ein Mittelstand, entsprechend unserer heutigen Bourgoisie, existirte überhaupt nicht. Die Bevölkerung zerfiel nur in zwei Classen, in Reiche und Arme, wie aus Folgendem hervorgeht:
»Die Kleidung der Frauen besteht aus einem faltigen Rocke aus jenen alten Gold- und Silberstoffen, die man ehedem in Lyon erzeugte. Diese übrigens nur bei gewissen Gelegenheiten benutzten Röcke erben wie Diamanten in den Familien fort und gehen von den Großmüttern auf die Enkelinnen über. Eine solche Kleidung können sich nur Wenige verschaffen; die Anderen wissen kaum, wie sie ihre Blöße decken sollen.«
Wir begleiten Lapérouse nicht bis in die Details seiner enthusiastischen Aufnahme und übergehen die Beschreibungen der Bälle und Toiletten, welche ihn keinen Augenblick den eigentlichen Zweck seiner Reise aus den Augen verlieren ließen. Bisher war die Expedition nur in bekannten Gegenden gesegelt, welche schon manches europäische Schiff besucht hatte. Es wurde hohe Zeit, ein dankbareres Feld aufzusuchen. So lichtete man am 15. März die Anker und am 9. April liefen die beiden Fregatten nach glücklicher Seefahrt in die Cook-Bai an der Osterinsel ein.
Lapérouse führt an, daß Hodges, der Maler, der den großen englischen Seehelden begleitete, die Physiognomie der Insulaner hier sehr falsch wiedergegeben habe. Sie ist im Allgemeinen nicht unangenehm, entbehrt dagegen jedes eigenthümlichen Charakters.
Das ist übrigens nicht der einzige Punkt, in dem der französische Seefahrer mit Kapitän Cook nicht übereinstimmt. Er hält z. B. die berühmten Statuen, von denen einer seiner Maler eine interessante Abbildung lieferte, für das Werk der damals lebenden Generation, die er auf etwa zweitausend Seelen schätzte. Ihm schien der vollständige Mangel an Bäumen und, als nothwendige Folge davon, an Wasseransammlungen und Bächen von der sinnlosen Ausbeutung der Wälder seitens der früheren Bevölkerung herzurühren. So lange er hier verweilte, lief Alles ziemlich friedlich ab. Diebstähle kamen zwar häufig genug vor; die Franzosen hielten sich aber, angesichts ihres kurzen Aufenthaltes, nicht für verpflichtet, der Bevölkerung der Insel richtige Begriffe über das Eigenthum beizubringen.
Von der Osterinsel aus folgte Lapérouse ungefähr demselben Wege wie Cook, als dieser von Tahiti nach der amerikanischen Küste steuerte; er hielt sich aber gegen hundert Meilen weiter im Westen. Lapérouse schmeichelte sich, in dieser wenig bekannten Partie des Pacifischen Oceans irgend eine Entdeckung machen zu können, und hatte demjenigen Matrosen, der zuerst Land sehen würde, eine Belohnung zugesichert.
Am 29. Mai erreichte man den Havaï-Archipel.
Die See-Chronometer erwiesen sich nun von größtem Vortheil bezüglich der Berichtigung jeder sonst nur abgeschätzten Entfernung. So fand Lapérouse bei der Ankunft an den Sandwichs-Inseln einen Unterschied von fünf Längengraden zwischen der abgeschätzten und der beobachteten Länge. Ohne jene Uhren würde er diese Inselgruppe um fünf Grade weiter nach Osten verlegt haben. Hieraus erklärt sich auch, daß die von den Spaniern, wie von Mendona, Quires und Anderen entdeckten Inseln alle der Küste Amerikas vorgeblich viel näher liegen sollten, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Er schloß daraus auch auf das Vorhandensein der von den Spaniern la Mesa, los Majos und la Dispeaciada genannten Gruppe. Man hat umsomehr Ursache, diese Gruppe für nichts Anderes als die Sandwichs-Inseln anzusehen, als Mesa in der spanischen Sprache so viel wie Tisch bedeutet und Kapitän King den von den Ureinwohnern Mauna-Loa genannten Berg mit einer Hochebene, einem »Tafel-Land« vergleicht. Auch ohne Rücksichtnahme auf diese mehr spekulativen Gründe, hatte er die Stelle, wo los Majos liegen sollte, direct gekreuzt, ohne eine Spur von Land zu finden.
»Der Anblick von Mowen,« sagt Lapérouse, »ist wahrhaft entzückend . . . In herrlichen Fällen sahen wir das Wasser vom Gipfel der Berge herabstürzen und nach Bewässerung der indischen Anpflanzungen nach dem Meere hinabeilen. Die Wohnungen liegen in so großer Anzahl bei einander, daß ein einziges Dorf einen Raum von vier bis fünf Meilen einnimmt. Alle Hütten drängen sich jedoch am Gestade des Meeres zusammen, an das die Berge so nahe herantreten, daß das bewohnbare Land nur eine Tiefe von einer halben Meile zu haben scheint. Man muß selbst Seemann und in der Lage gewesen sein, sich unter diesen glühenden Himmelsstrichen mit einer Flasche Wasser täglich zu begnügen, um unsere Gefühle zu verstehen. Die Bäume auf der Höhe, das saftige Grün, die Bananen in der Nähe der Ansiedlungen – Alles erfüllte uns mit unbeschreiblicher Freude; an der Küste brandete das Meer aber so heftig, daß wir, neue Tantalusse – zunächst darauf beschränkt blieben, mit den Augen zu genießen, was wir nicht im Stande waren zu erlangen.«
Kaum gingen die beiden Fregatten vor Anker, als sie von einer Menge Eingeborner in Piroguen umringt wurden, auf denen jene Schweine, Pataten, Bananen, Taro und dergleichen mehr zuführten. Sehr geschickt im Handeln, legten sie den größten Werth auf kreisförmige Stücke alten Eisens. Schon die Kenntniß des Eisens und seiner Verwendung, die sie Cook nicht verdankten, ist ein neuer Beweis für die Beziehungen, welche diese Völker ehedem mit den Spaniern unterhielten, denen jedenfalls die ersten Entdeckungen dieses Archipels zuzuschreiben sind.
Lapérouse fand selbst die herzlichste Aufnahme, trotz des militärischen Apparates, mit dem er sich umgeben zu müssen geglaubt hatte. Obgleich die Franzosen die Ersten waren, welche an der Insel Mowen an's Land gingen, sah Lapérouse doch von der Besitzergreifung derselben ab.
»Das Verfahren der Europäer ist in dieser Beziehung ein wahrhaft lächerliches. Alle Denkenden können gewiß nur mit Bedauern sehen, daß Menschen, einzig deshalb, weil sie Kanonen und Bajonette besitzen, sechzigtausend ihres Gleichen für gar nichts achten; daß sie ohne Rücksicht auf die heiligsten Rechte, ein Land sofort als ihr Besitzthum betrachten, das dessen Bewohner mit ihrem Schweiße befruchtet haben und das seit Jahrhunderten schon die Vorfahren derselben in seinem Schooße birgt.«
Lapérouse läßt sich auf Einzelheiten über die Bewohner der Sandwichs-Inseln nicht weiter ein. Er verweilte hier nur wenige Stunden, während die Engländer vier Monate daselbst zubrachten. Er verweist hierüber einfach auf den Bericht Cook's.
Während des sehr kurzen Aufenthaltes kaufte man noch mehr als hundert Schweine, Matten, Früchte, eine Pirogue mit Auslegern, allerlei kleine Gegenstände aus Federn oder Muscheln und schöne mit rothen Federn geschmückte Mützen ein.
Lapérouse's Instructionen schrieben ihm vor, die Küste Amerikas zu untersuchen, von der ein Theil, bis zum St. Elias-Berge, höchstens mit Ausnahme des Hafens von Nootka, außer von Cook noch von Niemand eingehender erforscht worden war.
Er erreichte jene am 23. Juni unter der Breite von sechzig Grad und entdeckte inmitten einer langen, schneebedeckten Gebirgskette Behring's St. Eliasberg. Nachdem er die Küste eine Strecke weit gefolgt, entsendete Lapérouse drei Boote unter Führung eines seiner Officiere, de Monti mit Namen, nahe gegen das Land, wo Letzterer dabei einen geräumigen Meerbusen entdeckte, dem er seinen Namen gab. Immer segelte man nur in möglichster Nähe der Küste hin und vollendete eine Menge einzelner Aufnahmen derselben, welche in ununterbrochener Aufeinanderfolge bis zu einem bedeutenden Strome reichen, der den Namen Behring-Strom erhielt. Aller Wahrscheinlichkeit nach war das derselbe, den Cook ebenso getauft hatte.
Am 2. Juli wurde unter 58° 36' der Breite und 140° 31' der Länge ein Einschnitt in das Festland entdeckt, der eine prächtige Bai zu bilden schien. Sofort sendete man unter dem Befehl de Pierrevert's, de Flassan's und Boutervillier's einige Boote ab, um dieselbe näher zu untersuchen. Da der Bericht dieser Officiere sehr günstig lautete, segelte die Fregatte nach dem Eingang der Bai heran; da ward aber die »Astrolabe« von einer heftigen Strömung zurückgeworfen und die »Boussole« mußte ihr folgen. Um sechs Uhr Morgens näherten sich die Schiffe, nach einer unter Segel verbrachten Nacht, dem Eingange auf's Neue.
»Um sieben Uhr Morgens aber,« heißt es in dem Bericht, »als wir eben einfahren wollten, sprang der Wind nach Westnordwest und nach Nordwest ein Viertel-West um, so daß wir brassen mußten. Glücklicher Weise trug die Strömung unsere Schiffe in die Bucht hinein, wobei wir freilich vor deren Felsen an der Ostspitze kaum in halber Pistolenschußweite vorüber kamen. Im Innern der Ausbuchtung ging ich bei dreiundeinhalb Faden Wasser und felsigem Grunde eine halbe Kabellänge vom Ufer vor Anker. Die ›Astrolabe‹ hatte bei derselben Wassertiefe Anker geworfen. Während meiner dreißigjährigen Seereisen sah ich niemals zwei Schiffe in so gefahrdrohender Lage . . . Unsere Lage wäre nicht so besonders beunruhigend gewesen, wenn wir nicht auf einem felsigen Boden, der sich auch nach allen Seiten mehrere Kabellängen weit ausdehnte, geankert hätten, was dem Bericht Flassen's und Boutervillier's allerdings völlig widerspricht. Da war aber keine Zeit zu Ueberlegungen, es handelte sich nur darum, diesen gefährlichen Grund möglichst bald zu verlassen, wobei die kräftige Strömung nicht wenig Hindernisse bot . . .«
Lapérouse gelang das endlich, Dank seiner geschickten Schiffsführung.
Kaum in die Bai eingelaufen, wurden die Schiffe übrigens von zahlreichen, mit Wilden bemannten Piroguen umringt. Von allen Tauschgegenständen, die man ihnen für Fische, Otter- und andere Felle anbot, gaben dieselben dem Eisen den Vorzug. Die Anzahl der Eingebornen nahm mit jedem Tage zu und wurde endlich, wenn auch nicht gefährlich, doch ziemlich unbequem.
Lapérouse hatte auf einer Insel der Bai ein Observatorium errichtet und Zelte für die Segelmacher und die Schmiede aufschlagen lassen.
Trotz der sorgfältigsten Bewachung gelang es einigen Eingebornen, welche wie Schlangen auf dem Bauche herankrochen und dabei kaum ein Blättchen in Bewegung setzten, doch, uns verschiedene Gegenstände zu stehlen. Zuletzt wurden sie so kühn, während der Nacht in das Zelt einzudringen, in dem de Lauriston und Darbaud als Wächter des Observatoriums schliefen, wobei sie eine mit Silber beschlagene Flinte und die Kleidungsstücke dieser beiden Officiere raubten, welche dieselben aus Vorsicht unter ihrem Kopfkissen verborgen hatten. Ein Wachposten von zwölf Mann bemerkte weder die Diebe, noch wachten die beiden Officiere aus dem Schlafe auf.
Die für den Aufenthalt in dem »Hafen der Franzosen« bestimmte Zeit neigte sich inzwischen zu Ende. Die Sondirungsarbeiten, Küstenaufnahmen, Plänezeichnungen und astronomischen Beobachtungen waren nahezu fertig. Vor der definitiven Abfahrt wollte Lapérouse indeß auch den Grund der Bai genau in Augenschein nehmen. Er vermuthete daselbst die Ausmündung eines größeren Flusses, der es ihm gestatten würde, in das Innere des Landes vorzudringen. Am Ende der Sackgasse, in die er sich hineinwagte, traf Lapérouse indeß nichts als ausgedehnte Gletschermassen, welche bis zum Gipfel des Berges Beau-Temps hinauf reichten.
Bisher hatte die Expedition weder ein Unfall betroffen noch Krankheit bedroht.
»Wir sahen uns selbst,« sagt Lapérouse, »für die glücklichsten Seefahrer an, die so weit von Europa weggekommen waren, ohne einen einzigen Kranken, einen einzigen Fall von Skorbut zu haben. Gerade da sollte uns jedoch ein größeres und völlig unerwartetes Unglück treffen.«
Auf der von Monneron und Bernizet entworfenen Karte des Hafens der Franzosen waren nur noch die Ergebnisse der Sondirungen nachzutragen, womit mehrere Officiere betraut wurden. Unter dem Befehl d'Escures', de Marchainville's und Boutin's liefen zu diesem Zwecke drei Boote aus. Lapérouse, der vorzüglich d'Escures' waghalsigen Uebereifer schon von früher her kannte, empfahl denselben noch besonders, stets mit größter Vorsicht zu Werke zu gehen und die Sondirungen der Einfahrt nur dann vorzunehmen, wenn das Meer daselbst nicht heftiger brandete.
Um sechs Uhr Morgens stießen die Boote ab, allem Anschein nach mehr zu einer Spazierfahrt als zu dienstlichen Zwecken, wobei man unter lauschigen Bäumen zu jagen und zu frühstücken hoffte.
»Um zehn Uhr Vormittags,« sagt Lapérouse, »sah ich unser kleinstes Boot zurückkehren. Etwas erstaunt, weil ich es so zeitig nicht erwartete, fragte ich Boutin, noch bevor er an Bord stieg, ob etwas Neues vorgefallen sei. Ich befürchtete zuerst einen Ueberfall der Wilden. Boutin's Gesichtsausdruck schien mir auch nichts Gutes zu versprechen, denn seine Züge waren von Schmerz entstellt.
»Er berichtete mir über einen schrecklichen Schiffbruch, dessen Zeuge er gewesen und dem er nur selbst entgangen war, weil er Ueberlegung genug behielt, gegenüber der drohenden Gefahr keinerlei Vorsichtsmaßregeln außer Acht zu lassen. Während er nämlich dem ersten Führer folgte, gerieth er mitten in die Brandung an der Einfahrt, durch welche bei der Ebbe das Wasser mit der Schnelligkeit von drei bis vier Meilen in der Stunde hinausströmte. Da fiel es ihm ein, sein Boot, um es vor dem Eindringen der Wellen zu schützen, umdrehen zu lassen, wobei ihn die Strömung immer rückwärts trieb, während er den Wogen das Vordertheil zukehrte.
»Bald sah er die Brandung vor sich und befand sich also im offenen Meere, während von den anderen Booten nichts zu sehen war. Mehr auf die Rettung seiner Kameraden als auf seine eigene Bedacht nehmend, wagte er sich noch einmal in die Brandung, um vielleicht Jemand retten zu können. Trotz redlichsten Bemühens wurde er jedoch von dem Ebbestrom zurückgetrieben. Er stieg sogar auf die Schultern eines Matrosen, um eine größere Fläche übersehen zu können – vergeblich, Alles war verschlungen worden – Boutin kehrte in der Zwischenzeit zwischen Ebbe und Fluth, bei ruhigem Wasser zurück.
»Da der Seegang weniger hoch war, hegte der Officier noch immer einige Hoffnung für das biscaysche Boot der ›Astrolabe‹, da er nur das unsrige hatte untergehen sehen. De Marchainville befand sich zur Zeit des Unglücks nur eine Viertelmeile von der betreffenden Stelle entfernt, in ebenso ruhigem Wasser wie in dem besten Hafen; der junge Officier eilte, getrieben durch einen etwas unklugen Edelmuth, da eine Hilfeleistung unter den gegebenen Umständen ganz unmöglich war, ohne der Gefahr zu achten, dem anderen Boote nach, drang in die furchtbare Brandung ein und kam darin, ein Opfer seines Muthes und des Ungehorsams gegen die Befehle des Chefs, ebenfalls um's Leben.
»Bald erschien dann de Langle bei mir an Bord, vom Schmerz ebenso überwältigt als ich selbst, und berichtete mit thränenden Augen, daß das Unglück noch weit größer wäre, als ich glaubte. Seit der Abfahrt hatte er es sich zum unverletzlichen Gesetz gemacht, die beiden Brüder La Borde-Marchainville und La Borde-Boutervilliers, niemals gleichzeitig zu einem Dienste zu verwenden, und nur bei dieser Gelegenheit ihrem Wunsche nachgegeben, zusammen fahren und jagen zu dürfen, denn wir Alle sahen den Ausflug der Boote mehr als eine Spazierfahrt an, bei der jene so sicher wären, wie bei schönem Wetter im Hafen von Brest.«
Sofort wurden andere Boote zur Aufsuchung der Schiffbrüchigen ausgesendet und den Eingebornen Belohnungen versprochen, wenn es ihnen gelänge, Einen oder den Anderen zu retten; mit der Rückkehr dieser Schaluppen schwand auch die letzte Hoffnung . . . Alle hatten einen jämmerlichen Tod gefunden.
Achtzehn Tage nach dieser Katastrophe verließen die Fregatten den Hafen der Franzosen. In der Mitte der Bai, auf der Insel, welche aus jener Veranlassung den Namen des »Cenotaphiums« erhielt, ließ Lapérouse noch ein Denkmal zur Erinnerung an die Verunglückten errichten.
Auf demselben las man folgende Inschrift:
»Am Eingange zu diesem Hafen kamen einundzwanzig brave Seeleute um!
Wer Ihr auch seid, mischt Eure Thränen mit den unseren.«
Am Fuße des Monumentes wurde eine Flasche mit dem Berichte über das traurige Ereigniß eingegraben.
Der Hafen der Franzosen, gelegen unter 58° 37' nördlicher Breite und 139° 50' westlicher Länge, bietet unleugbare Vortheile, freilich auch sehr bedeutende Schwierigkeiten, wozu vorzüglich die starke Strömung im Fahrwasser desselben zu zählen ist.
Das Klima ist weit milder als das in der unter gleicher Breite gelegenen Hudsons-Bai; auch die Vegetation entwickelt sich hier weit üppiger. Fichten von sechs Fuß Durchmesser und hundertvierzig Fuß Höhe sind hier keine Seltenheiten; Sellerie, Sauerampher, verschiedene Bohnen, wilde Erbsen, Wegwart und Rachenblumen findet man allerwegen neben einer großen Menge Gemüsepflanzen, welche zur Erhaltung der Gesundheit der Mannschaft nicht wenig beitrugen.
Das Meer lieferte Lachse, Forellen, Zwergdorsche und Schollen in Ueberfluß.
In den Wäldern der Nachbarschaft hausen braune und schwarze Bären, Luchse, Hermeline, Marder, Fehs, Eichhörnchen, Biber, Murmelthiere, Füchse, Elennthiere und Steinböcke; das kostbarste Pelzwerk stammt von den Seeottern, den Seewölfen und Seebären.
»Wenn diese Gegend,« sagt Lapérouse, »bezüglich des Pflanzen- und Thierreiches auch nicht allein steht, so bietet sie doch gewiß einen Anblick ohne Gleichen und ich glaube kaum, daß die tiefen Thäler der Alpen oder Pyrenäen eben so großartige und pittoreske Bilder aufzuweisen haben; ja, sie verdiente gewiß den Besuch aller Naturfreunde, wenn sie nur nicht am äußersten Ende der Erde läge.«
Lapérouse's Aufzeichnungen über die Eingebornen verdienen gleichfalls der Vergessenheit entrissen zu werden.
»In ihren Piroguen schwärmten stets Indianer um unsere Fregatten herum; sie ruderten meist zwei bis drei Stunden hier- und dorthin, bevor sie sich zum Verkauf einiger Fische oder weniger Otternfelle entschlossen; dabei ergriffen sie jede Gelegenheit, uns zu bestehlen; jedes Stück Eisen, welches nicht gar zu sehr befestigt war, rissen sie los und suchten unsere Aufmerksamkeit auf jede Weise zu täuschen. Ich ließ die hervorragenderen Persönlichkeiten derselben zu mir an Bord kommen und überhäufte sie mit Geschenken; dieselben Leute aber, die ich mit solcher Auszeichnung behandelte, schämten sich nicht, einen Nagel oder ein altes Beinkleid zu stehlen. Wenn sie einen heiteren und freundlichen Gesichtsausdruck annahmen, konnte ich sicher sein, daß sie sich heimlich etwas angeeignet hatten, und häufig stellte ich mich absichtlich, als habe ich nichts bemerkt.«
Die Frauen spalten sich die Unterlippe in der ganzen Breite der Kinnlade; in dieser Oeffnung tragen sie eine Art henkellosen Holzknopf, der sich an das Zahnfleisch stützt und »dem die gespaltene Oberlippe an der Außenseite als Kranz dient, so daß der Theil unter dem Munde oft zwei bis drei Zoll weit hervorragt«.
Das unbeabsichtigte längere Verweilen Lapérouse's im Hafen der Franzosen verhinderte ihn, sich an anderen Punkten aufzuhalten und die übrigen Einbuchtungen der Küste näher zu untersuchen, denn er mußte auf jeden Fall im Monat Februar in China eintreffen, um im Laufe des folgenden Sommers die Küsten der Tatarei zu erforschen.
Er berührte also nur vorübergehend den Eingang zum Croß-Sund, an dessen Seiten sich hohe, schneebedeckte Berge erhoben, die Bai der Insel Cook's, das Cap Enganno, ein niedriges Land, das weit in das Meer hinausreicht und den Berg St. Hyacinthe – Cook' Berg und Cap Edgecumbe – trägt, die Einfahrt nach Norfolk, wo im nächsten Jahre der Engländer Dixon ankerte, die Häfen Necker und Guibert, das Cap Tschirikow, die Inseln de la Croyère, die ihren Namen von dem Bruder des berühmten Geographen Delisle, dem Begleiter Tschirikow's, erhielten, die Inseln San Carlos, die Bai La Touche und das Cap Hector.
Alle hier angeführten Ländertheile sollten, nach Lapérouse's Meinung, einen großen Archipel bilden, und er ging hierin nicht fehl, denn sie gehören alle zu den Archipelen Georg's III., Prince de Gallas' und der Königin Charlotte-Inseln, deren südlichsten Punkt das genannte Cap Hector bildet.
Die schon vorgeschrittene Jahreszeit und die kurze, ihm noch zu Gebote stehende Frist, gestatteten Lapérouse nicht, diese Reihe von Ländern näher in Augenschein zu nehmen, sein Instinct täuschte ihn aber nicht, als er dieselben für eine Reihe von Inseln ansah und nicht für ein Festland, dessen einzelne Ausläufer er berührt hätte.
Von dem Cap Fleurieu aus, der äußersten Spitze einer hohen Insel, traf Lapérouse auf mehrere Inselgruppen, welche er die Sartinen nannte, und segelte nun längs der Küste weiter bis zur Einfahrt von Nootka, die er am 25. August erreichte. Er besuchte hierauf einzelne Theile des Festlandes, von dem Cook sich hatte entfernt halten müssen und an dessen Stelle seine Karten eine Lücke zeigen. Die Fahrt verlief nur unter schwierigen Verhältnissen in Folge der Strömungen, welche hier sehr schnell sind und noch auf fünf Meilen vom Lande bei günstigem Winde kaum gestatten, drei Knoten in der Stunde zurückzulegen.
Am 5. September entdeckte die Expedition, etwa eine Meile vom Cap Blank entfernt, neun kleine Inseln, denen der Commandant den Namen die Necker-Inseln gab. Immer herrschte ein dicker Nebel, welcher die Schiffe manchmal zwang, sich wieder vom Lande zu entfernen, um nicht auf ein Eiland oder eine Klippe zu stoßen, deren Vorhandensein sich durch kein Anzeichen verrieth. Die schlechte Witterung hielt an bis zur Bai Monterey, wo Lapérouse zwei spanische Schiffe antraf.
In der Bai Monterey wimmelte es jener Zeit von Walfischen und das Meer erschien geradezu bedeckt von Pelikanen, die überhaupt an der ganzen Küste Kaliforniens sehr häufig vorkommen. Eine Besatzung von 200 Berittenen genügte hier, um eine Bevölkerung von 50.000 Indianern, welche in diesem Theile Amerikas als Nomaden leben, im Zaume zu halten. Diese im Allgemeinen kleinen und schwächlichen Indianer besitzen offenbar nicht die gleiche Liebe zur Unabhängigkeit wie ihre Stammverwandten im Norden, und wußten, ebenso wie jene, von Kunst und Industrie so gut wie nichts.
»Die Eingebornen,« heißt es in dem Berichte, »sind sehr geschickte Bogenschützen; sie erlegten vor unseren Augen selbst die kleinsten Vögel; dabei gehen sie freilich mit einer wahrhaft unbeschreiblichen Geduld zu Werke; sie verbergen sich und schleichen auf irgend eine Weise an ihre Beute heran, auf die sie höchstens in einer Entfernung von fünfzehn Schritt schießen.
»Noch wunderbarer erschien uns die Art und Weise, wie sie größeres Wild zu jagen wissen. So sahen wir z. B. einen Indianer mit einem Hirschkopfe auf dem seinigen und auf allen Vieren gehen, der das Laub abzuweiden schien und seine Rolle so ausgezeichnet spielte, daß unsere Jäger bei dreißig Schritt Entfernung ihn für ein Thier gehalten und Feuer gegeben hätten, wenn sie den Zusammenhang nicht vorher kannten. So nähern sich jene einer Heerde Hirsche bis auf ganz kurze Entfernung und tödten das Wild dann mit Pfeilen.«
Lapérouse entwarf nachher eine sehr eingehende Schilderung des Presidio de Loretto und der kalifornischen Mission; diese Nachrichten von blos historischem Werthe lassen wir hier jedoch unberücksichtigt. In unseren Rahmen paßt eher, was er über die Fruchtbarkeit des Landes mittheilt.
»Die Ernten an Mais, Gerste, Weizen und Erbsen,« sagt er, »können höchstens mit denen von Chile verglichen werden; unsere Ackerbauer Europas vermögen sich gewiß gar keine Vorstellung von der Ertragsfähigkeit des Bodens zu machen; so liefert der Weizen z. B. das siebzigste bis achtzigste Korn; die Extreme schwanken zwischen sechzig und hundert.«
Am 22. September stachen die beiden Fregatten wieder in See, nachdem sie sich seitens des spanischen Statthalters und der Missionäre des besten Empfanges zu erfreuen gehabt hatten. Sie nahmen dabei reiche Vorräthe jeder Art mit, die ihnen bei der langen Ueberfahrt nach Macao von größtem Nutzen sein sollten.
Der Theil des Oceans, über den die Franzosen segelten, war nahezu unbekannt. Seit langer Zeit schon befuhren zwar die Spanier denselben, ließen aber in Folge einer höchst eifersüchtigen Politik ihre Entdeckungen und Beobachtungen in demselben nicht bekannt werden. Lapérouse beabsichtigte übrigens einen westlichen Kurs bis zum 28. Grade der Breite zu steuern, wo nach Angabe der Geographen die Insel Nuestra-Señora de la Gorta liegen sollte.
Vergeblich suchte er nach dieser während eines langen Kreuzzuges, wobei ungünstige Winde die Geduld der Seefahrer häufig auf eine sehr harte Probe stellten.
»Unser Segel- und Takelwerk,« sagt er, »zeigte uns täglich, daß wir schon sechzehn volle Monate auf See waren; immer und immer wieder zerrissen verschiedene Taue, und die Segelmacher konnten kaum fertig werden, die völlig abgenutzte Leinwand wenigstens in brauchbarem Zustande zu erhalten!«
Am 5. November wurde eine kleine Insel oder vielmehr ein vereinzelter Felsen von 500 Toisen Länge entdeckt, auf dem nicht ein einziger Baum wuchs, während ihn eine dicke Schicht Guano bedeckte. Er lag unter 23° 34' nördlicher Breite und 166° 52' westlicher Länge von Paris.
Das Meer war ganz ruhig und die Nacht sehr schön. Plötzlich bemerkte man um halb ein Uhr des Nachts, kaum zwei Kabellängen vor der »Boussole« eine Klippenreihe. Das Wasser um die Schiffe machte nicht das geringste Geräusch und brandete nur an verschiedenen entfernteren Stellen. Sofort drehte man nach Backbord bei; dieses Manöver nahm aber doch einige Zeit in Anspruch und das Fahrzeug befand sich kaum noch eine Kabellänge von den Felsen, als es noch glücklich wendete.
»Wir entgingen damit der schlimmsten Gefahr,« sagt Lapérouse, »die einen Seemann nur bedrohen kann, und ich muß meiner Mannschaft das Lob ertheilen, daß sie mir auf das Wort gehorchte und jeden Befehl auf das sorgsamste ausführte. Der kleinste Mißgriff in den Manövern, die wir vornehmen mußten, um uns von den Klippen zu entfernen, hätte ohne Zweifel den Untergang herbeigeführt.«
Da diese Untiefe noch nicht bekannt war, ließ man es sich angelegen sein, sie näher zu untersuchen, damit andere Seefahrer nicht in die nämliche Gefahr geriethen. Lapérouse entzog sich dieser Verpflichtung nicht und nannte sie dann die »Untiefe der französischen Fregatten«.
Am 14. December kamen die »Boussole« und die »Astrolabe« in Sicht der Mariannen, wo man nur auf der Vulkan-Insel Assomption an's Land ging; die Lavaströme haben hier tiefe Schluchten und Abgründe gebildet, an deren Rande einige verkrüppelte Cocosbäume stehen, mit Lianen und wenigen anderen Pflanzen dazwischen. Kaum hundert Toisen kam man in einer Stunde vorwärts. Aus- und Einschiffung gestalteten sich gleich schwierig, und die hundert Cocosnüsse, Muscheln und unbekannten Bananen, welche die Naturforscher mit zurückbrachten, wogen die Gefahren nicht auf, denen man sich deshalb ausgesetzt hatte.
Es war unmöglich, sich in diesem Archipel noch länger aufzuhalten, wenn man die Küste Chinas erreichen wollte, bevor die dort etwa befindlichen Schiffe abgingen, welche eine Uebersicht der Arbeiten der Expedition an der Küste Amerikas und einen Bericht über die Fahrt bis Macao mitnehmen sollten. Nachdem er die Lage der Bashees bestimmt, ohne bei denselben zu verweilen, bekam Lapérouse am 1. Januar 1787 das Gestade von China in Sicht und ankerte am folgenden Tage auf der Rhede von Macao.
Hier fand Lapérouse eine kleine französische Flotte unter dem Befehle des Schiffsfähnrich de Richery, welcher beauftragt war, zum Schutze des Handels an den östlichen Küsten zu kreuzen. Die Stadt Macao ist zu bekannt, als daß wir uns mit Lapérouse hier aufhalten sollten, um sie näher zu beschreiben. Die Plackereien aller Art, mit denen die Chinesen Tag für Tag die Europäer belästigten, und die wiederholten Demüthigungen, denen diese in Folge eines, auf der einen Seite ebenso tyrannischen, wie auf der anderen Seite lässigen Regierungssystems ausgesetzt waren, erregten den lebhaften Unwillen des französischen Befehlshabers und gaben ihm den dringenden Wunsch ein, daß einmal eine internationale Expedition jener unerträglichen Lage ein Ende bereiten möge.
Die durch die Expedition von der Küste Amerikas mitgebrachten Pelzwaaren wurden in Macao für 10.000 Piaster verkauft. Der Ertrag sollte später unter die Mannschaften vertheilt werden, und der Vorstand der dortigen schwedischen Handels-Gesellschaft übernahm es, denselben nach der Isle de France zu befördern. Den armen Leuten sollte leider nichts davon zugute kommen.
Von Macao aus begaben sich die Schiffe am 5. Februar nach Manilla, passirten die auf den Karten unrichtig eingetragenen Sandbänke von Pratas, Bulinao, Mansilog und Marivelle, und mußten im Hafen von Marivelle vor Anker gehen, um günstigere Winde oder Strömungen abzuwarten. Obwohl Marivelle von Cavite nur eine Meile unter dem Winde liegt, brauchten sie doch drei Tage, um letztgenannten Hafen zu erreichen.
»Hier fanden sich,« lautet der Bericht, »verschiedene Baulichkeiten vor, in denen wir unsere Segel ausbessern, Fleisch einpökeln, Boote bauen, die Naturforscher unterbringen und unsere Geographen einrichten konnten; der freundliche Commandant überließ uns sein eigenes Haus, um dasselbe als Observatorium zu benützen. Wir genossen einer so vollständigen Freiheit, als verweilten wir im eigenen Lande, und fanden auf dem Markte und in den Arsenalen alle Hilfsmittel, wie in den besten Häfen Europas.«
Cavite, die zweite Stadt der Philippinen und der Hauptort der gleichnamigen Provinz, war damals übrigens nur ein kleines Dorf, in dem sich andere Spanier als dienstthuende Officiere und Verwaltungsbeamte nicht aufhielten; doch wenn die Stadt auch nur das Bild eines Trümmerhaufens bot, so lag das doch ganz anders mit dem Hafen, wo die Fregatten alle wünschenswerthen Hilfsmittel fanden. Schon am Tage seiner Ankunft stattete Lapérouse, in Begleitung de Langlé's und der ersten Officiere, dem Gouverneur einen Besuch ab, indem er sich mittelst Bootes nach Manilla begab.
»Die Umgebungen von Manilla,« sagt er, »sind wahrhaft reizend; ein herrlicher Fluß schlängelt sich durch dieselben hin und theilt sich in mehrere Arme, deren zwei größte nach der ungefähr sieben Meilen im Innern liegenden berühmten Lagune oder dem See von Bay hinführen. Die Ränder dieser Wasserfläche schmücken über hundert Indianerdörfer, die in einer höchst fruchtbaren Landschaft verstreut liegen.
»Manilla selbst, erbaut am Ufer der gleichnamigen Bai von fünfundzwanzig Meilen Umfang, liegt an der Mündung eines Flusses, der bis zu dem See hinauf, aus dem er entstammt, schiffbar ist. Vielleicht kann sich keine Stadt der Erde, der vortheilhaften Lage nach, mit dieser vergleichen. Nahrungsmittel finden sich hier in Ueberfluß und folglich zu sehr niedrigen Preisen; dagegen sind Kleidungsstücke, europäische Schmuckwaaren und Möbel auffallend theuer. Der Mangel an Gewerbefleiß, die hohen Zölle und mannigfache andere Belästigungen des Handels bringen es auch ferner mit sich, daß man die Erzeugnisse und Waaren Indiens und Chinas hier ebenso theuer bezahlen muß wie in Europa, und daß diese Kolonie, obgleich sie dem Fiscus an Zöllen jährlich 800.000 Piaster einbringt, Spanien jedes Jahr doch noch 1,500.000 Pfund kostet, welche von Mexiko aus hierher gesendet werden. Die ungeheuren Besitzungen der Spanier in Amerika haben die Regierung offenbar verhindert, den Philippinen die nöthige Aufmerksamkeit zuzuwenden. Sie liegen noch vielfach brach und unausgenützt, während sie doch einer starken Bevölkerung Unterhalt gewähren könnten.
»Ich glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn ich sage, daß eine große Nation, die nur die Philippinen besäße und denselben eine zweckmäßige Verwaltung zu Theil werden ließe, ohne das Gefühl des Neides auf alle europäischen Niederlassungen in Afrika und Amerika blicken könnte.«
Am 9. April, nach dem Eintreffen d'Entrecasteaux' von Macao, der trotz Gegen-Monsuns von Isle de France kam und nachdem man von der Fregatte »La Subtile« Nachrichten aus der Heimat und eine Verstärkung von acht Matrosen nebst zwei Officieren, den Seefähnrich Guyet und den Marineaufseher Le Gobien, erhalten hatte, segelten die beiden Schiffe nach der Küste Chinas ab.
Am 21. bekam Lapérouse Formosa in Sicht und steuerte sofort in die Wasserstraße ein, welche jene Insel von dem Festlande trennt. Er entdeckte hier eine bisher noch unbekannte gefährliche Sandbank und nahm dieselbe ihrer Form und Lage nach sorgfältig auf. Bald darauf kam er vor der Bai eines alten holländischen Forts, Zeland, vorüber, an der auch Taywan, die Hauptstadt der Insel, gelegen ist.
Da der ungünstige Monsun die Fahrt durch den Kanal von Formosa verhinderte, beschloß Lapérouse, im Osten der Insel hinzugehen. Er berichtigte dabei die Position der Pescadoren-Inseln, einer Ansammlung von Felsen der verschiedensten Formen, untersuchte die kleine Insel Baeol-Tabaco-Nina, an der noch kein Seefahrer gelandet war, fuhr längs des Ufers von Kimu hin, das zum Königreich Likeu gehört und dessen Bewohner weder Chinesen noch Japanesen sind, sondern die Mitte zwischen beiden Völkern zu halten scheinen, und bekam auch die Inseln Hoa-Pinsu und Tiaoyu-su zu Gesicht, welche zu dem, nur aus den Briefen eines Jesuiten, des Pater Gabriel, bekannten Archipel von Likeu gerechnet werden.
Jetzt durchpflügte die Fregatte schon das ostchinesische Meer und steuerte auf den Eingang des Kanals zwischen China und Japan zu. Hier litt Lapérouse unter ebenso dichten Nebeln, wechselnden und heftigen Strömungen wie in der Nähe der Küste Labradors.
Der erste in seinem Wege gelegene interessante Punkt vor dem Eingang in den sogenannten Golf von Japan war die Insel Quelpaert, den Europäern bekannt durch den hier im Jahre 1635 stattgefundenen Schiffbruch Sparrow-Hawk's. Lapérouse bestimmte zunächst die Lage der Südspitze und nahm das Ufer derselben in einer Ausdehnung von zwölf Meilen mit größter Sorgfalt auf.
»Es ist kaum möglich,« sagt er, »eine Insel zu finden, die einen herrlicheren Anblick böte; in der Mitte derselben erhebt sich ein Pic von etwa 3000 Toisen Höhe, den man schon in einer Entfernung von achtzehn bis zwanzig Meilen wahrnimmt und der ohne Zweifel den Wasserbehälter der Insel darstellt; der Boden senkt sich in sanftem Abhange bis zum Meere hinab, von dem aus die Hütten der Einwohner amphitheatralisch über einander zu liegen scheinen. Das Land ist bis zu bedeutender Höhe hinauf angebaut, mit Hilfe unserer Fernröhre erkannten wir die Begrenzungen der Felder, welche durch ihre starke Zerstückelung auf eine dichte Bevölkerung hinwiesen. Die verschiedenen Farben der cultivirten Strecken verliehen der Insel dabei ein noch reizvolleres Aussehen.«
Die Bestimmungen der Länge und Breite konnten hier unter den günstigsten Umständen vorgenommen werden, was deshalb desto werthvoller erscheint, weil noch kein europäisches Schiff diese Gegend besucht hatte, welche auf unseren Weltkarten nur nach den von den Jesuiten veröffentlichten chinesischen und japanesischen Karten eingetragen war.
Am 25. Mai liefen die Fregatten in die Meerenge von Korea ein, die sehr genau aufgenommen wurde und in der man jede halbe Stunde eine Tieflothung vornahm.
Da es die Umstände gestatteten, sich sehr nahe der Küste zu halten, konnte man leicht verschiedene Befestigungen wahrnehmen, die nach europäischer Art errichtet waren.
Am 27. entdeckte man eine Insel, welche noch auf keiner Karte verzeichnet stand und etwa zwanzig Meilen von der Küste Koreas entfernt zu liegen schien. Sie erhielt den Namen »Dapelet-Insel«.
Jetzt schlug man einen Kurs nach Japan ein, dem man sich des ungünstigen Windes wegen nur sehr langsam nähern konnte. Am 6. Juni erreichte man indeß das Cap Noto und die Insel Jootsi-Sima.
»Das Cap Noto, an der Küste von Japan,« sagt Lapérouse, »ist ein Punkt, den wir der Aufmerksamkeit der Geographen empfehlen; in Verbindung mit dem durch Kapitän King bestimmten Cap Nabo an der Ostseite ergiebt dasselbe die Breite des Reiches in seinem nördlichen Theile. Unsere Aufnahmen werden aber der Erdkunde einen noch wichtigeren Dienst leisten, denn sie lehren die Breite des tatarischen Meeres kennen, über welches ich zu segeln beschloß.«
Am 11. Juni kam Lapérouse in Sicht der Küste der Tatarei; er landete genau an der Grenze zwischen Korea und der Mandschurei. Die Berge in der Nachbarschaft schienen sechs- bis siebenhundert Toisen hoch zu sein und auf ihren Gipfeln lag eine geringe Menge Schnee. Von Wohnstätten war keine Spur zu entdecken. Auf einer Küstenstrecke von vierzig Meilen begegnete die Expedition nicht einem einzigen Flusse, doch hätte man gern hier einmal Halt gemacht, um den Naturforschern und Lithologen Gelegenheit zu geben, ihre Sammlungen zu bereichern.
»Bis zum 14. Juni verlief die Küste nach Ost ein Viertel Nord; mit 44° befanden wir uns übrigens unter der Breite, wo nach Angabe der Geographen die Tessoy-Straße liegen soll, doch segelten wir um fünf Grad westlicher als die für jene Straße angegebene Länge; diese fünf Grade müssen also der Tatarei abgerechnet und dem Kanal, der dieselbe von den Inseln im Norden trennt, hinzugefügt werden.«
Seitdem die Fregatten der genannten Küste folgten, entdeckte man niemals eine Spur von Bewohntsein derselben: keine einzige Pirogue stieß vom Ufer: das Land schien trotz seines Reichthums an prächtigen Bäumen und üppiger Vegetation auch nicht einen Bewohner zu haben.
Am 23. Juni gingen die »Boussole« und die »Astrolabe« unter 45° 13' nördlicher Breite und 135° 9' östlicher Länge in einer Bai vor Anker.
Letztere erhielt den Namen Ternay-Bai.
»Wir brannten vor Ungeduld, schreibt Lapérouse, das Land kennen zu lernen, mit dem sich unsere Einbildungskraft seit der Abreise aus Frankreich beschäftigt hatte; es war das ja der einzige Theil der Erdkugel, der der unermüdlichen Thätigkeit des Kapitän Cook entgangen war, und wir verdanken vielleicht nur dem traurigen Ereigniß, das seinen Tagen ein Ziel setzte, den kleinen Vortheil, hier als die Ersten gelandet zu sein.
Fünf kleinere Buchten bilden den Umkreis dieser Rhede (der Ternay-Bai), die von einander durch baumbedeckte Hügel getrennt sind. Auch der schönste Frühling in Frankreich vermöchte wohl nicht einen so lebhaften und wechselvollen Farbenschmuck hervorzubringen . . . Vor der Absendung unserer Boote richteten wir die Fernrohre nach dem Ufer, konnten daselbst aber nichts als Hirschen und Bären wahrnehmen, welche friedlich am Strande des Meeres weideten. Dieser Anblick steigerte nur die Ungeduld meiner Leute, das Land zu betreten . . . Der Erdboden selbst erschien mit den nämlichen Pflanzen bedeckt, die auch in unseren Klimaten wachsen, doch schmückte sie ein frischeres Grün und standen die meisten in voller Blüthe.
Bei jedem Schritte traf man auf Rosen, gelbe und rothe Lilien, Maiblümchen und alle unsere gewöhnlichen Wasserblumen. Fichten krönten die Gipfel der Berge; Eichen zeigten sich halbwegs von der Küste, nahmen aber an Größe und Stärke mit der Annäherung an den Strand mehr und mehr ab. Neben den Ufern der Flüsse und Bäche erhoben sich Weiden, Birken und Ahornbäume, und am Rande der ausgedehnten Wälder sah man blühende Apfel- und Azerolienbäume, nebst ganzen Dickichten von Nußbäumen, an denen sich eben die Früchte bildeten.«
Bei Gelegenheit eines zum Zwecke des Fischens unternommenen Ausfluges fanden die Franzosen auch ein tatarisches Grab. Die Neugierde spornte sie an, dasselbe zu öffnen und sie entdeckten darin zwei nebeneinander liegende Skelete. Den Kopf derselben bedeckte ein Taffetmützchen, der Körper war in ein Bärenfell eingenäht; am Gürtel hingen verschiedene chinesische Münzen und Schmucksachen aus Kupfer. Daneben lagen auch etwa zehn silberne Armbänder, eine eiserne Axt, ein Messer und andere kleinere Gegenstände, darunter ein blaues Nankingsäckchen mit Reis.
Am 27. des Morgens verließ Lapérouse diese einsame Bai, nachdem er mehrere Münzen und eine Inschrift mit der Bezeichnung des Datums seiner Anwesenheit hinterlassen hatte.
In einiger Entfernung fingen die Boote über achttausend Stockfische, die man sofort einsalzte, und brachten dabei auch eine große Menge eßbarer Muscheln mit prächtiger Perlmutterschale vom Grunde des Meeres herauf.
Nachdem er in der Suffren-Bai unter 57° 51' nördlicher Breite und 137° 25' östlicher Länge gerastet, entdeckte Lapérouse am 6. Juli eine Insel, welche nur Saghalien sein konnte. Die Küste derselben schien ebenso bewaldet wie die der Tatarei. Im Innern erhoben sich ansehnliche Berge, deren höchster den Namen Pic Lamanon erhielt. Da man Rauchsäulen und Hütten wahrnahm, begaben sich de Langle und einige Officiere an's Land. Die Bewohner desselben waren offenbar erst vor ganz kurzer Zeit entflohen, denn die Asche auf ihren Feuerstätten war noch nicht erkaltet.
Eben als die Seefahrer sich nach Zurücklassung einiger Geschenke für die Eingebornen wieder einschiffen wollten, setzte eine Pirogue sieben Männer an's Land, welche keineswegs erschreckt schienen.
»Unter dieser Anzahl,« heißt es in dem Bericht, »befanden sich zwei Greise mit langem, weißem Barte, bekleidet mit einem aus Rindenstoffe hergestellten Schurz, wie sie auf Madagaskar gebräuchlich sind. Zwei von den Insulanern hatten blaue, gefütterte Nankingröcke von ganz ähnlicher Form wie die der Chinesen an. Andere trugen nur ein langes Kleid, das, mittels eines Gürtels und mehrerer kleiner Knöpfe schließend, jede weitere Unterkleidung unnöthig machte. Ihr Kopf war fast ganz kahl und nur bei Zweien oder Dreien von einem Streifen Bärenfell umschlossen; Scheitel und Gesicht hatten sie rasirt, nur die Haare des Hinterkopfes flochten sie, aber auf andere Weise als die Chinesen, in einen acht bis zwölf Zoll langen, »Pentsec« genannten Zopf zusammen. Alle trugen Stiefeln von Seehundsfell mit zierlichen, nach chinesischer Mode gearbeiteten Füßen.
»Ihre Waffen bestanden aus Lanzen, Bogen und eisenbeschlagenen Pfeilen. Der letzte der Insulaner, dem die Uebrigen mit allen Zeichen der Ehrerbietung begegneten, litt scheinbar schwer an den Augen. Seine Stirn bedeckte eine Art Lichtschirm zum Abhalten der grellen Sonnenstrahlen. Diese Wilden zeichneten sich durch ein ernstes, würdevolles und zutrauliches Auftreten vortheilhaft aus.«
De Langle lud sie zum folgenden Tage zu einem Zusammentreffen ein. Lapérouse und die meisten Officiere wollten dabei erscheinen. Von den Tataren erhielt man bei dieser Gelegenheit sehr wichtige Nachrichten, welche Lapérouse bestimmten, seine Fahrt weiter nach Norden auszudehnen.
»Es gelang uns, ihnen verständlich zu machen,« sagt er, »daß sie uns die Gestalt ihres Landes und dessen der Mandschuh beschreiben möchten. Einer der Greise erhob sich und zeichnete mit dem Ende seiner Pfeife nach Westen hin die Küste der Tatarei, welche ziemlich genau von Norden nach Süden verlief. Nach der Ostküste zu, jener gerade gegenüber, entwarf er die Grenzen seiner Insel und gab durch Auflegen mit der Hand auf die Brust zu verstehen, daß das sein Land sei. Zwischen der Tatarei und seiner Insel hatte er eine Meerenge freigelassen und deutete, auf die vom Ufer aus sichtbaren Schiffe zeigend, darauf hin, daß man durch dieselben segeln könne. Südlich von seiner Insel zeichnete er auch noch eine andere, wiederum mit einer engen und seiner Meinung nach für unsere Fahrzeuge schiffbaren Wasserstraße.
»Er bewies zwar einen großen Scharfsinn, uns zu verstehen, doch immer noch weniger als ein anderer, etwa dreißigjähriger Insulaner, der, als er sah, daß die Figuren im Sande sich leicht verwischten, einen Bleistift und Papier zur Hand nahm. Er zeichnete darauf seine Insel, die er Thola nannte, und deutete auch durch einen Strich den kleinen Fluß an, an dessen Ufer wir uns befanden, und den er, von Norden nach Süden gerechnet, an die obere Grenze des unteren Drittels verlegte.
»Dann entwarf er ein Bild der Mandschurei, ließ dabei ebenso wie der Greis eine Meerenge frei und fügte zu unserem Erstaunen auch den Fluß Saghalien hinzu, dessen Namen die Insulaner fast genau so wie wir aussprachen; die Mündung dieses Flusses verlegte er ein wenig südlicher von der Nordspitze seiner Insel . . .
»Wir wünschten nun weiter zu erfahren, ob jene Meerenge ziemlich breit sei, und bemühten uns, ihm das zu erkennen zu geben; er begriff uns, und indem er beide Hände perpendikulär und parallel zwei bis drei Zoll weit nebeneinander hielt, gab er uns zu verstehen, daß er damit die Breite des kleinen Flusses bezeichne; weiter auseinanderweichend wollte er damit die Breite des Saghalien andeuten; und als er sie denn ganz weit von einander entfernte, sollte das den Durchmesser der Meerenge darstellen, die sein Land von der Tatarei schied . . .
»De Langle und wir hielten es für wichtig genug, uns zu überzeugen, ob die Insel, neben welcher wir hinfuhren, dieselbe sei, welche die Geographen Saghalien nannten, ohne deren Ausdehnung nach Süden zu muthmaßen. Ich gab also Befehl, Alles bereit zu machen, um am nächsten Morgen absegeln zu können. Die uns als Ankerplatz dienende Bai erhielt den Namen »Langle-Bai«, zu Ehren des Kapitäns, der sie entdeckte und hier zuerst den Fuß an's Land setzte.«
In einer anderen Bucht derselben Küste, welche man Estang-Bai taufte, landeten unsere Boote in der Nähe von einem Dutzend Hütten. Diese waren größer als alle bisher gesehenen und auch in zwei Räume getheilt. Der hintere derselben enthielt den Herd und eine rund umlaufende Bank: der andere war vollständig leer und diente wahrscheinlich dazu, Fremde zu empfangen. Die Frauen hatten sich beim Erblicken der Franzosen geflüchtet. Zwei derselben wurden jedoch erhascht und, während man sich Mühe gab, sie zu beruhigen, sorgsam abgezeichnet. Ihr etwas ungewöhnlicher Gesichtsausdruck erschien doch nicht unangenehm; ihre Augen waren klein, die Lippen dick und die Oberlippe gemalt oder tätowirt.
Langle fand die männlichen Bewohner versammelt um vier, mit geräuchertem Fisch beladene Barken, die sie in's Wasser schaffen halfen. Es waren Mandschus von den Ufern des Saghalienflusses. An einer versteckten Insel gewahrte man auch einen von fünfzehn bis zwanzig, je mit einem Bärenkopfe geschmückten Pfählen umschlossenen Kreis. Man nahm früheren Erfahrungen nach mit gutem Grunde an, daß diese Trophäen bestimmt seien, die Erinnerung an einen siegreichen Kampf mit jenen Raubthieren wachzuhalten.
An dieser Küste fischte man eine große Menge Kabeljau und in der Mündung eines Flusses ungemein viel Lachse.
Nach Besichtigung der La Jonquière-Bai, warf Lapérouse in der Castries-Bucht wieder Anker. Sein Wasservorrath ging zu Ende und Holz besaß er fast gar nicht mehr. Je weiter er in den Kanal zwischen Saghalien und dem Festlande vordrang, desto seichter wurde dieser. In der Ueberzeugung, daß er die Nordspitze letztgenannter Insel nicht werde umsegeln und nur durch die, weit südlicher gelegene Sanghar-Straße wieder auf sein Wasser gelangen könne, beschloß Lapérouse in der Castries-Bai nur fünf Tage, d. h. die unbedingt nothwendige Zeit zur Vervollständigung seiner Provisionen zu verweilen.
Er errichtete also auf einer kleinen Insel ein Observatorium, während die Zimmerleute Holz fällten und die Matrosen die Wasserfässer besorgten.
»Jede Hütte der Insulaner, welche sich selbst Orotchys nennen,« heißt es im Bericht, »war mit einer Einrichtung zum Trocknen der Lachse versehen, die nach drei- bis viertägiger Räucherung über dem Herde der Wohnung hier auf einem Gestelle von Ruthen den Strahlen der Sonne ausgesetzt blieben: die mit dieser Operation betrauten Frauen tragen die Fische, wenn der Rauch sie durchdrungen, in's Freie, wo dieselben die Härte des Holzes annehmen.
»In demselben Flusse wie wir fischten auch jene mit Netzen und kleinen Wurfspießen, und wir sahen sie mit widerlicher Gier die Schnauzen, Kiemen, kleinen Knochen und nicht selten die ganze Haut des Lachses, die sie mit großer Gewandtheit abzuziehen verstehen, gleich roh verschlingen, wenigstens saugten sie den Schleim von diesen Theilen ab, wie wir etwa eine Auster genießen. Die meisten Fische gelangten nur abgehäutet nach den Wohnungen, außer wenn der Fang sehr reichlich ausfiel; dann verzehrten die Frauen mit nicht geringerer Begierde und in wahrhaft widerlicher Weise die schleimigen Theile der Fische, welche sie für die größten Leckerbissen ansehen.
»Dieses Volk ist abscheulich unreinlich und riecht entsetzlich; daneben sind die Leute von sehr schwächlicher Constitution und ihr Gesichtsausdruck möglichst weit von dem entfernt, was wir unter schön verstehen. Ihre mittlere Größe erreicht kaum vier Fuß zehn Zoll; ihr Körper ist hager, die Stimme schwach und scharf, wie eine Kinderstimme. Sie haben hervorspringende Backenknochen, kleine, triefende und schiefgeschlitzte Augen; einen breiten Mund, abgeplattete Nase, ein kurzes, fast bartloses Kinn und olivenfarbige, von Oel und Rauch scheinbar gefirnißte Haut. Die Haare lassen sie wachsen und tragen sie etwa wie wir. Die Frauen lieben es, sie auf die Schultern herabfallen zu lassen und die im Obigen gegebene Schilderung paßt ebenso gut auf diese wie auf die Männer, von denen man sie nur schwer unterscheiden könnte, wenn nicht eine kleine Abweichung in der Kleidung das Geschlecht verriethe. Uebrigens sind diese keinerlei schwerer Arbeit, so wie die Indianerweiber Amerikas, unterworfen, welche ihre Züge hätte entstellen können, wenn die Natur sie nur ein wenig freigebiger ausgestattet hätte.
»Ihre Hauptbeschäftigung besteht nur in dem Zuschneiden und Nähen der Kleidung, der Beförderung der Fische zum Trocknen und der Sorge für die Kinder, welche sie bis zum Alter von drei bis vier Jahren säugen. Ich erstaunte nicht wenig, als ich einen Knaben von diesem Alter sah, der erst einen Bogen spannte, mit einem Pfeile recht gut schoß, einen Hund mit dem Stocke strafte und dann an die Brust seiner Mutter eilte, um daselbst die Stelle eines Kindes von fünf bis sechs Monaten einzunehmen, das auf den Knieen derselben eingeschlafen war.«
Lapérouse erhielt von den Bitchys und den Orotchys ganz ähnliche Nachrichten wie die früheren. Aus denselben ging hervor, daß das Nordende von Saghalien mit dem Festlande nur durch eine Art Sandbank zusammenhänge, auf der Strandpflanzen wuchsen, und Wasser kaum angetroffen werde. Diese übereinstimmenden Angaben mußten ihm jeden Zweifel über deren Richtigkeit benehmen, zumal da er schon jetzt in dem Kanal kaum noch sechs Faden Wasser vorfand. Er hatte also nur noch die eine Aufgabe, die Südspitze von Saghalien genau aufzunehmen, die er nur bis zur de Langle-Bai unter 47° 49' kannte.
Am 2. August verließen die »Boussole« und die »Astrolabe« die Castries-Bai, steuerten nach Süden, entdeckten nach einander die Insel Monneron, den Pic de Langle, umschifften die Südspitze Saghaliens, die man als Cap Coillon bezeichnet, und fuhren in die Meerenge zwischen Oku-Jesso, d. i. die Lapérouse-Straße, ein. Hier verweilte man an einer der geographisch wichtigsten Punkte, welche die Schifffahrer jener Zeit ihren Nachfolgern zu bestimmen übrig gelassen hatten. Bisher lauteten die Mittheilungen über diese Gegend fast ganz beliebig, für Sanson z. B. bildete Korea eine Insel, während Jesso, Oku-Jesso und Kamtschatka gar nicht existiren; bei G. Delisle heißen Jesso und Oku-Jesso nur eine einzige Insel in der Meerenge von Sanghar; Buache in seinen geographischen Betrachtungen sagt endlich: »Nachdem Jesso erst nach Osten, dann nach dem Süden, hierauf nach Westen, und endlich nach Norden verlegt worden war . . .«
Hier herrscht, wie man sieht, ein offenbares Chaos, dem die Arbeiten der französischen Expedition ein Ende machen sollten.
Am Cap Coillon trat Lapérouse in einige Beziehungen zu den Ureinwohnern, welche er für weit schöner und gewerbthätiger, aber für minder gutmüthige Menschen erklärt als die Orotchys der Castries-Bai.
»Sie haben,« sagt er, »einen sehr wichtigen, in dem Kanal der Tatarei unbekannten Handelsgegenstand, dessen Austausche sie alle ihre Schätze verdanken, das ist der Walfischthran, von dem sie ungeheuere Mengen erzeugen. Dabei verfahren sie freilich wenig sparsam; ihre Methode besteht einfach darin, das Fleisch der Wale in Stücke zu schneiden und in freier Luft an abhängigen Stellen unter den Strahlen der Sonne verfaulen zu lassen. Das dabei herabfließende Oel, der Thran, wird in Gefäßen aus Baumrinde oder in Schläuchen aus Seewolfshaut aufgefangen.«
An dem Cap Aniva der Holländer vorbei, segelten die Fregatten längs der Besitzungen der Compagnie, einem dürren, baumlosen Lande ohne Einwohner, und bekamen bald die Kurilen in Sicht. Dann passirten sie zwischen den Inseln Marikan und der Vier Brüder hindurch und gaben dieser Wasserstraße, der schönsten zwischen den Kurilen, den Namen des Kanals der Boudeuse.
Am 3. September erblickte man das Gestade von Kamtschatka, eine trostlose Gegend, wo das Auge nur ungern und fast mit Entsetzen auf den gewaltigen Felsmassen ruht, welche der Schnee schon Anfangs September bedeckte, und die wohl noch nie eine blühende Vegetation gesehen haben.
Drei Tage später gelangte man nach der Bai von Avatscha oder St. Peter und Paul.
Die Astronomen begannen sofort ihre Beobachtungen und die Naturforscher erklommen unter großen Beschwerden und Gefahren einen gegen acht Meilen im Inneren gelegenen Vulkan, während die, mit Arbeiten an Bord nicht beschäftigte Mannschaft der Jagd oder dem Fischfang nachging. Der Freundlichkeit des Gouverneurs verdankte man auch mannigfache Vergnügungen.
»Er lud uns,« sagt Lapérouse, »zu einem Balle ein, den er zu Ehren unserer Anwesenheit allen Frauen, sowohl den Kamtschadalinnen als den Russinnen von St. Peter und Paul, geben wollte. Was der dabei versammelten Gesellschaft an Zahl abging, das ersetzte doch deren Originalität. Dreizehn in Seide gekleidete Frauen, darunter zehn Kamtschadalinnen mit großen Gesichtern, kleinen Augen und platten Nasen saßen auf den Bänken rings um den Festraum. Die Kamtschadalinnen, ebenso wie die Russinnen trugen seidene Taschentücher um den Kopf, etwa wie die Mulattenweiber der französischen Kolonie . . . Man eröffnete den Reigen mit russischen Tänzen von ansprechender Melodie; sie ähnelten dem allgemein bekannten Kosakentanze. Darauf folgten kamtschadalische Tänze, welche freilich nur mit denen der Verzückten an dem berühmten Grabe des heiligen Medard zu vergleichen sind. Die Tänzer dieses Theils von Asien gebrauchen nur die Arme und die Schultern, die Beine selbst fast gar nicht. Durch ihre anstrengenden, fast krampfhaften Bewegungen erregen die kamtschadalischen Tänzerinnen bei dem Zuschauer eine wirklich peinliche Empfindung; dazu tragen noch mehr die Schmerzensschreie derselben bei, mit denen sie, als einzige Musik, ihre Bewegungen begleiten. Sie erschöpfen sich übrigens damit so sehr, daß sie von Schweiß triefen und auf die Erde niedersinken, ohne sich mehr erheben zu können. Die reichlichen Ausdünstungen ihrer Körper erfüllten den Raum mit einem starken Geruch nach Fischthran, an den europäische Nasen doch zu wenig gewöhnt sind, um daran Gefallen zu finden.«
Der Ball erlitt eine Unterbrechung durch die Ankunft eines Couriers aus Okotsch. Die von ihm mitgebrachten Nachrichten lauteten für Alle günstig, vorzüglich aber für Lapérouse, der seine Ernennung zum Geschwaderchef erhielt.
Während ihres hiesigen Aufenthaltes fanden die Seefahrer das Grab Louis Delisle de la Croyère's wieder, eines Mitgliedes der Akademie, der auf der Rückkehr von einer, auf Befehl des Czaren unternommenen Expedition zur Aufnahme der Küsten Amerikas im Jahre 1741 in Kamtschatka verstarb. Seine Landsleute schmückten das Grab mit einer Kupferplatte mit Inschrift und erwiesen dieselbe Ehre auch dem Kapitän Clerke, dem zweiten Officier und Nachfolger Cook's.
»Die Bai von Avatscha,« sagt Lapérouse, »ist ohne Zweifel die schönste, bequemste und sicherste, die man nur irgendwo finden kann. Bei dem nur schmalen Eingange derselben müßten alle Schiffe unter den Kanonen eines hier zu errichtenden Forts vorüber passiren; der Ankergrund ist vortrefflich, nur etwas schlammig; zwei geräumige Häfen, der eine im Osten, der andere im Westen, könnten wohl bequem alle Schiffe der Flotten Englands und Frankreichs aufnehmen.«
Am 27. September 1787 gingen die »Boussole« und die »Astrolabe« wieder unter Segel. De Lesseps, der russische Viceconsul, der Lapérouse bisher begleitete, sollte über Land nach Frankreich reisen – eine lange, und jener Zeit nicht gefahrlose Fahrt – um dem Hofe Nachrichten von der Expedition zu überbringen.
Jetzt strebte man darnach, ein von den Spaniern im Jahre 1620 entdecktes Land wiederzufinden. Die beiden Fregatten durchkreuzten unter 37° 30' einen Raum von nahezu dreihundert Meilen, ohne eine Spur desselben wahrzunehmen, passirten zum dritten Male die Linie, kamen unter der von Byron bezeichneten Position an den Inseln der Gefahr vorüber, ohne etwas von denselben zu sehen, und erreichten am 6. October den Archipel der Schifferinseln, den Bougainville einst entdeckt hatte.
Sofort umschwärmten mehrere Piroguen die beiden Schiffe. Die an Bord kommenden Eingebornen konnten Lapérouse keine hohe Vorstellung von der Schönheit dieser Insulaner erzeugen.
»Ich sah nur zwei Frauen,« sagt er, »deren Schönheit nicht besonders anziehend war. Die jüngere, welche man etwa achtzehn Jahre alt schätzte, hatte auf dem Bein ein ekelhaftes Geschwür. Auch viele der Männer zeigten beträchtliche wunde Stellen am Körper, wohl den Anfang der Lepra, denn ich bemerkte unter ihnen zwei Individuen, deren mit Geschwüren bedeckte und eben so dicke Beine wie der Körper selbst, an dem Charakter ihres Leidens keinen Zweifel aufkommen ließen. Sie kamen uns furchtsam und unbewaffnet entgegen, und Alles ließ erkennen, daß sie ebenso friedlicher Natur sind wie etwa die Bewohner der Gesellschafts-Inseln oder der Inseln der Freunde.«
Am 9. November ging man vor der Insel Maouna vor Anker. Der nächstfolgende Sonnenaufgang versprach einen schönen Tag. Lapérouse beschloß, denselben zu einem Besuche des Landes und zum Fassen von Wasser zu benutzen, dann aber sofort wieder abzusegeln, da der Ankergrund zu schlecht war, um hier noch eine zweite Nacht zu verweilen. Nach Anordnung aller nöthigen Vorsichtsmaßregeln betrat Lapérouse das Land an derselben Stelle, wo die Matrosen Wasser holten. Kapitän de Langle begab sich nach einer kleinen, ungefähr eine Meile von dem Wasserplatz entfernten Bucht, und »dieser Spaziergang, von dem er entzückt von der Schönheit der Gegend zurückkehrte, sollte, wie man bald sehen wird, für uns die Quelle des größten Unglücks werden«.
Am Lande entwickelte sich ein ziemlich reger Handel. Männer und Frauen brachten allerhand Gegenstände, Hühner, Sittige, Schweine und Früchte zum Verkauf. Inzwischen hatte sich ein Eingeborner in eine Schaluppe geschlichen, einen hölzernen Schlägel erwischt und schlug damit ohne Grund auf einen in dem Boote sitzenden Matrosen los. Da packten ihn aber vier kräftige Jungen und warfen den Uebelthäter einfach in's Wasser.
Lapérouse begab sich, begleitet von Frauen, Kindern und Greisen, in das Innere und machte einen köstlichen Spaziergang durch eine herrliche Landschaft, welche den doppelten Vorzug der Fruchtbarkeit ohne Bodenkultur und eines Klimas bot, das jede Kleidung unnöthig erscheinen ließ.
»Brotbäume, Cocospalmen, Bananen, Goyaven und Orangen lieferten dem Volke eine gesunde und reichliche Nahrung; Hühner, Schweine und Hunde, die sich von dem Ueberfluß an Früchten nährten, verliehen den gewöhnlichen Gerichten eine angenehme Abwechslung.«
Dieser erste Besuch verlief ohne ernsthaftere Streitigkeiten, wenn auch einzelne Zänkereien vorkamen, welche jedoch, Dank der klugen Zurückhaltung der vorsichtigen Franzosen, beschränkt und ohne schwerere Folgen blieben. Lapérouse hatte schon Alles zur Abfahrt angeordnet; de Langle bestand aber darauf, noch einige Boote auszusenden, um mehr Wasser zu holen.
»Er bekannte sich nämlich zu dem System Cook's und glaubte wie dieser, daß frisches Wasser hundertmal dem vorzuziehen sei, das wir noch im Raume vorräthig hatten, und da nun einige seiner Leute Spuren von Skorbut zeigten, lag ihm gewiß mit Recht Alles daran, den Kranken jede mögliche Erleichterung zu verschaffen.«
Ein gewisses Vorgefühl hielt Lapérouse zuerst davon ab, seine Zustimmung zu geben; doch widersprach er zuletzt nicht mehr de Langle's dringenden Vorstellungen, der ihm nicht undeutlich zu verstehen gab, daß er als Commandant zuletzt doch für die Fortschritte jener Krankheit verantwortlich gemacht werden würde, daß der Landungsplatz, den er zu benutzen gedenke, sehr bequem und sicher sei und daß er (de Langle) sich selbst der Leitung der kleinen Expedition unterziehen werde, welche höchstens bis drei Uhr Nachmittags dauern könne.
»De Langle,« heißt es in dem Bericht, »war ein Mann von klarem Urtheil und hervorragenden Fähigkeiten, so daß seine Vorstellungen mehr als jedes Motiv mich bestimmten, ihm nachzugeben . . .
»Am folgenden Morgen verließen also zwei Boote unter dem Befehl Boutin's und Mouton's mit allen Skorbutischen nebst sechs bewaffneten Soldaten und einem Rüstmeister die ›Astrolabe‹, um sich de Langle anzuschließen. De Lamanon, Colinet, Beide selbst erkrankt, und Vaujuas als Reconvalescent begleiteten de Langle in seinem großen Boote. Le Gobien befehligte die Schaluppe. De la Martinière, Lavaux und ein Pater gehörten zu den dreiunddreißig, von der »Boussole« entsendeten Personen. Alles in Allem betrug die Gesellschaft einundsechzig Mann, darunter die Elite der Expedition.
»De Langle versah Alle mit Gewehren und brachte auch sechs Steinmörser in die Schaluppe. Man kann sich wohl das Erstaunen de Langle's und seiner Begleiter denken, als sie statt der geräumigen und bequemen Bucht einen von Korallen erfüllten Wassertümpel fanden, nach dem man nur durch einen gewundenen, engen Kanal mit schwerer Brandung gelangen konnte. De Langle hatte diese Bucht früher nämlich während der Fluth besucht, jetzt war auch sein erster Gedanke, lieber nach dem ersten benutzten Wasserplatz zu rudern.
»Als ihn aber die Eingebornen, unter denen er viele Frauen und Kinder bemerkte, durch Zeichen gerade hierher einluden, und diese Stelle auch überreich an Früchten und Schweinen, die jene zum Verkaufe boten, zu sein schien, setzte er vertrauensvoll die sonst stets bewahrte Klugheit aus den Augen.
»Er ließ die Wasserfässer der vier Boote an's Land schaffen, was ohne Störung vor sich ging; am Ufer selbst hielten die Soldaten gute Ordnung; sie bildeten Spalier, so daß die Träger bequem hin und her gehen konnten. Die Ruhe sollte indeß nicht lange währen; mehrere Piroguen waren nach Verkauf ihrer Producte an unser Schiff zurückgekehrt und an derselben Stelle gelandet, so daß sich die jetzt beschränkte Bucht allmälich anfüllte; statt der zweihundert Bewohner, inclusive Frauen und Kinder, die de Langle anfänglich hier getroffen, sammelten sich bis gegen drei Uhr wenigstens tausendzweihundert an.
»De Langle's Lage wurde von Minute zu Minute kritischer; mit Unterstützung de Vaujuas', Boutin's, Collinet's und Gobien's gelang es ihm zwar, das Wasser in die Boote zu schaffen; die Bai selbst lag jetzt aber nahezu trocken, und er konnte vor vier Uhr gar nicht darauf rechnen, sein Boot abstoßen zu lassen; er bestieg jedoch seine Schaluppe und ließ auch die Anderen Platz nehmen, während er selbst ganz vorn mit der Flinte in der Hand stehen blieb, jedem Anderen aber untersagte, ohne seinen Befehl Feuer zu geben.
»Sehr bald überzeugte er sich jedoch, daß er dazu gezwungen sein werde. Von verschiedenen Seiten flogen Steine auf ihn zu, und die Indianer, denen das Wasser nur bis an die Kniee reichte, umringten die Boote in kaum einer Toise Entfernung, ohne daß es den Soldaten gelang, sie weiter zurückzutreiben.
»Hätte de Langle nicht die Furcht, zu Feindseligkeiten Veranlassung zu geben und der Barbarei beschuldigt zu werden, abgehalten, so wäre es ihm gewiß möglich gewesen, mittelst einer Salve aus den Flinten und den Steinmörsern die Menge zu verjagen; er schmeichelte sich jedoch noch immer, dieselbe ohne Blutvergießen im Zaume halten zu können und wurde dadurch das Opfer seiner Humanität.
»Bald traf ein Hagel von, aus ganz geringer Entfernung geschleuderten Steinen alle Insassen der Schaluppe. De Langle gewann kaum Zeit, zwei Gewehrschüsse abzugeben, da stürzte er leider schon über Backbord aus der Schaluppe mitten unter eine Menge Indianer, die ihn sofort mit Keulenschlägen und Steinen tödteten. Als er todt war, erfrechten sie sich sogar, ihn an einen Rudernagel der Schaluppe zu hängen, wahrscheinlich um ihn später besser ausrauben zu können.
»Die Schaluppe der ›Boussole‹, unter dem Commando von Boutin, war etwa zwei Toisen von der ›Astrolabe‹ gestrandet; in dem engen Raume zwischen beiden befanden sich keine Indianer. Dadurch vermochten sich alle diejenigen Verwundeten zu retten, welche das Glück hatten, nicht nach den anderen Seiten hinauszusfallen; sie erreichten unsere Pinassen, welche glücklicher Weise flott geblieben waren, und denen es gelang, neunundvierzig von den einundsechzig Leuten der Expedition in Sicherheit zu bringen.
»Boutin hatte nämlich alle Bewegungen und Richtungen nachgeahmt, welche de Langle einschlug; er wagte auch selbst nicht eher Feuer zu geben, als bis er den Befehl dazu von dem Commandanten erhalten hatte. Begreiflicher Weise kostete bei der geringen Entfernung von vier bis fünf Schritt jeder Schuß einem Indianer das Leben, doch gewann man nicht die Zeit, noch einmal zu laden. Auch Boutin wurde von einem Stein getroffen, fiel aber wenigstens zwischen die beiden Boote hinein; Alle, welche sich nach den Pinassen hin gerettet hatten, bluteten übrigens jeder aus mehreren Wunden, meist am Kopfe. Diejenigen aber, welche das Unglück hatten, nach der Seite der Indianer hinauszustürzen, wurden sofort mit Keulenschlägen ermordet.
»Man verdankt nur der Klugheit de Vaujuas', der guten Ordnung, welche er herstellte, und der pünktlichen Ausführung seiner Befehle seitens Mouton's, der die Pinasse der ›Boussole‹ führte, die Rettung von neunundvierzig Köpfen der Expedition.
»Die Pinasse der ›Astrolabe‹ war so beladen, daß auch sie noch einmal auf Grund gerieth. Das ermunterte die Indianer, den Rückzug der Verwundeten zu beunruhigen; sie begaben sich in großer Anzahl nach den Klippen am Eingang, wo die Pinassen in einer Entfernung von zehn Fuß vorüberkommen mußten, so daß man sich genöthigt sah, den Rest der Munition gegen die Rasenden zu verfeuern, um den Durchgang zu erzwingen.«
Lapérouse empfand anfangs das sehr natürliche Verlangen, den Tod seiner unglücklichen Gefährten zu rächen. Boutin aber, der zwar seiner Wunden wegen im Bett liegen mußte, doch immer bei klaren Gedanken blieb, redete es ihm aus, indem er dem Commandanten zu bedenken gab, wie die Formation der Bai eine solche sei, daß, im Falle der Strandung eines Bootes, kein Franzose aus derselben werde entkommen können, wenn die Eingebornen es ernstlich wollten. Zwei Tage lang mußte Lapérouse vor dem Schauplatz dieses traurigen Ereignisses kreuzen, ohne daß es ihm möglich gewesen wäre, das Verlangen seiner Leute nach Rache zu befriedigen.
»Es dürfte gewiß unglaublich erscheinen,« sagt Lapérouse, »daß während dieser Zeit fünf oder sechs Piroguen von der Küste mit Schweinen, Tauben und Cocosnüssen zu uns herankamen, um Tauschgeschäfte zu treiben; ich mußte allemal meinen Zorn mühsam unterdrücken, um nicht den Befehl zu geben, die Wilden zu erschießen.«
Man sieht leicht ein, daß ein Ereigniß, das den beiden Schiffen einen Theil ihrer Officiere, viele der besten Matrosen und zwei Schaluppen kostete, auf Lapérouse's Pläne nicht ohne Einfluß bleiben konnte, denn jeder weitere kleine Unfall hätte ihn genöthigt, eine der Fregatten zu verbrennen, um nur die andere bemannen zu können. Er sah sich also genöthigt, direct nach Botany-Bai zu segeln, wobei er unterwegs die verschiedenen Inseln in Augenschein nahm und deren Lage astronomisch bestimmte.
Am 14. December erblickte man die Insel Oyolava, welche zu derselben Gruppe gehört und die Bougainville aus großer Entfernung gesehen hatte. An Schönheit, Ausdehnung, Fruchtbarkeit und Dichtigkeit der Bevölkerung kann sich Tahiti nicht mit derselben messen. Nach allen Seiten denen von Maouna ähnlich, umringten die Einwohner von Oyolava sehr bald die beiden Fregatten und boten den Seefahrern die vielfältigen Erzeugnisse ihrer Insel an. Allem Anscheine nach waren die Franzosen die Ersten, die Tauschhandel trieben mit diesen Stämmen, welche vom Eisen noch keinerlei Kenntniß hatten, denn sie zogen eine einzige werthlose Glasperle einer Axt oder einem sechs Zoll langen Nagel beiweitem vor. Von den Frauen zeigten einige eine gar nicht unangenehme Physiognomie und schlanken Wuchs; auch in ihren Blicken und Gesten verrieth sich eine gewisse Müde, während das Aussehen der Männer mehr auf Hinterlist und Wildheit schließen ließ.
Die Insel Pola, an der die Expedition am 17. December vorüberkam, gehört ebenfalls noch zu den Schifferinseln. Anscheinend war die Nachricht von der Ermordung der Franzosen schon hierher gedrungen, denn es wagte sich keine Pirogue vom Ufer in die Nähe der Schiffe.
Am 20. December sah man die Cocos- und Schouten's Verräther-Inseln. Die letztere trennt ein Kanal in zwei Hälften, dessen Vorhandensein auch jetzt Niemand bemerkt hätte, wenn die Fahrzeuge nicht sehr nahe an der Insel gesegelt wären. Einige zwanzig Piroguen brachten nach den Schiffen die schönsten Cocosnüsse, die Lapérouse jemals gesehen hatte, außerdem einige Bananen, Yamswurzeln und ein einziges kleines Schwein.
Die Cocos- und Verräther-Inseln, um 1° 13' zu weit nach Westen verlegt und von ihm als Boscaven und Keppel bezeichnet, können gleichfalls dem Schifferarchipel zugerechnet werden. Lapérouse hält die Bewohner dieses Archipels für die schönste Race Polynesiens. Groß, stark und wohlgebaut, übertreffen sie an Schönheit des Typus offenbar die der Gesellschafts-Inseln, deren Sprache der ihrigen doch ziemlich nahe zu stehen scheint. Unter anderen Verhältnissen wäre der Commandant gewiß an den Inseln Oyolava und Pola an's Land gegangen; die Aufregung unter seinen Leuten war aber noch zu groß, die Erinnerung an die Ereignisse auf Maouna zu frisch, als daß er nicht einen, unter dem nichtigsten Vorwände gesuchten blutigen Streit zu fürchten gehabt hätte, der gewiß zur grausamen Niedermetzlung der Wilden ausgeartet wäre.
»Jede uns zu Gesicht kommende Insel,« sagt er, »rief uns einen Zug von Verrätherei der Eingebornen in's Gedächtniß; an der Recreations-Insel waren die Leute Roggeween's mit Steinwürfen angegriffen worden, nicht wenig Leute Schouten's an der vor unseren Augen liegenden Verräther-Insel, im Süden von Maouna, wo uns selbst ein ähnliches Schicksal traf.
»Diese Erfahrungen veranlaßten uns zu einem veränderten Auftreten gegenüber den Wilden. Wir unterdrückten und bestraften nun alle ihre kleinen Diebstähle und Ausschreitungen mit Gewalt, bewiesen ihnen durch die Wirkung unserer Waffen, daß auch die Flucht sie nicht vor unserer Rache schützen könne, versagten ihnen die Erlaubniß, an Bord zu kommen, und bedrohten Alle mit dem Tode, die es wagen würden, gegen unsere Vorschriften zu handeln.«
Man erkennt an der Strenge dieser Maßnahmen, daß Lapérouse sehr recht daran that, jeden unnöthigen Verkehr seiner Mannschaft mit den Indianern zu verhindern. Die Gereiztheit, welche sie verrathen, wird wohl Niemand wundernehmen; dagegen verdienten die Klugheit und Menschlichkeit des Befehlshabers gewiß alle Anerkennung, der es sich versagte, an Unschuldigen Rache zu nehmen.
Von den Schiffer-Inseln steuerte man nun nach den Inseln der Freunde, welche Cook nicht vollständig zu untersuchen vermochte. Am 27. December entdeckte man die Insel Vavao, eine der größten der Gruppe, die der englische Seefahrer zu besuchen keine Gelegenheit hatte. Im Ganzen Tonga-Tabu nicht unähnlich, ist sie doch höher als jene und entbehrt auch nicht des Trinkwassers. Lapérouse erforschte mehrere Inseln dieses Archipels und trat auch in einige Beziehungen zu den Eingebornen, die ihm Lebensmittel, aber nicht in zureichender Menge zuführten, um den Verbrauch zu ersetzen. So beschloß er dann am 1. Januar 1788 nach Botany-Bai zu gehen, wobei er einen noch von keinem Seefahrer gewählten Weg einschlug.
Die von Tasman entdeckte Insel Pilstaart oder vielmehr der Felsen dieses Namens, denn dessen größte Länge übersteigt nicht eine Viertelmeile, bietet nur eine unzugängliche, steile Küste und kann höchstens den Seevögeln als Zufluchtsort dienen. Deshalb wollte auch Lapérouse, der keine Ursache hatte, hier zu verweilen, baldmöglichst nach Neu-Holland steuern; es giebt jedoch einen Factor, mit dem man damals wie heute rechnen mußte, den Wind, und dieser hielt durch seine ungünstige Richtung Lapérouse drei volle Tage lang vor Pilstaart fest.
Am 13. Januar kamen die Insel Norfolk und die beiden zugehörigen Eilande in Sicht. Als der Commandant eine Meile vom Lande den Anker fallen ließ, beabsichtigte er nur, den Boden und die Erzeugnisse der Insel von den Naturforschern untersuchen zu lassen. Am Ufer brandeten aber die Wellen so unruhig, daß sie jede Landung vereitelten, so daß es auch Cook nur unter den größten Schwierigkeiten gelungen war, das Land zu betreten.
Unter vergeblichen Versuchen verstrich ein ganzer Tag, ohne wissenschaftliche Ergebnisse zu liefern. Am folgenden Tage ging Lapérouse unter Segel. Gerade als die Fregatten in das Fahrwasser von Botany-Bai einliefen, bemerkte man eine englische Flottille. Es war die des Commodore Phillip, welche eben den Grundstein zu Bord Jackson gelegt hatte, dem Embryo jener mächtigen Kolonie, deren ausgedehnte Provinzen heute, nach kaum einem Jahrhundert, sich aller Segnungen der Civilisation und rüstigen Fortschreitens erfreuen.
Hiermit schließt Lapérouse's Journal. Man weiß aus einem, von Botany-Bai unter dem 5. Februar an den Marine-Minister gerichteten Briefe, daß er hier zwei Schaluppen zum Ersatz der bei Maouna zerstörten erbauen ließ. Alle Verwundeten, und vorzüglich Lavaux, der erste Chirurg der »Astrolabe«, der trepanirt worden war, hatten ihre Gesundheit wieder erlangt. De Clouart führte jetzt das Commando auf der »Astrolabe«, während de Monti ihn auf der »Boussole« ersetzte.
Ein zwei Tage später geschriebener Brief theilt einiges Nähere über den Weg mit, den der Befehlshaber einschlagen wollte. Lapérouse sagt darin:
»Ich werde mich nach den Inseln der Freunde begeben und Alles thun, was mir meine Vorschriften bezüglich des südlichen Theiles von Neu-Caledonien, Mendana's Insel Santa-Cruz, der Südküste des Landes der Arsaciden Surville's und des Louisiaden-Landes Bougainville's zur Pflicht machen, und hoffe darüber Aufklärung zu erlangen, ob die letztere einen Theil Guineas bildet oder davon getrennt ist. Gegen Ende Juli 1788 denke ich zwischen Neu-Guinea und Neu-Holland, und zwar durch einen anderen Kanal als Endeavour zu segeln, wenn ein solcher noch vorhanden ist. Während des Monats September und eines Theiles des Octobers will ich den Carpentaria-Golf und die ganze Westküste Neu-Hollands bis zum Van-Diemens-Land besuchen, doch in der Weise, daß ich zeitig genug nach Norden gelange, um mit Anfang December 1788 bei Isle de France einzutreffen.«
Lapérouse verfehlte nicht nur den in Obigem bestimmten Hafen, sondern es vergingen auch zwei volle Jahre ohne jede Nachricht von der Expedition.
Obwohl Frankreich damals unter einer Krisis ohnegleichen seufzte, fand das öffentliche Interesse an derselben doch durch die Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Paris, endlich von der Tribüne der Nationalversammlung herab seinen Ausdruck. Ein Beschluß vom 9. Februar 1791 empfahl dem König, ein oder mehrere Schiffe zur Aufsuchung Lapérouse's auszurüsten. Wenn man annahm, daß ein stattgefundener Schiffbruch die Expedition unterbrochen habe, so war es doch möglich, daß vielleicht noch die größte Mehrzahl der Theilnehmer am Leben war; ihnen mußte jedenfalls so schnell als möglich Hilfe gebracht werden.
Gelehrte, Naturforscher und Maler sollten diese Expedition begleiten, um dieselbe gleichzeitig für die Schifffahrt, Handel, Geographie, Künste und Wissenschaften nutzbringend zu machen. So lautet der im Vorhergehenden erwähnte Beschluß der Versammlung.
Das Commando des Geschwaders wurde dem Contre-Admiral Bruny d'Entrecasteaux anvertraut. Auf diesen Officier war die Aufmerksamkeit des Ministers durch dessen vielbesprochene Fahrt gegen den Monsun im Indischen Ocean gelenkt worden. Man übergab ihm die beiden Fluten, die »Recherche« und die »Esperance«, die letztere unter Führung des Schiffskapitäns Huon de Kermadec. Das Officierscorps der beiden Fahrzeuge zählte viele Männer, welche später zu hohem militärischen Rang gelangen sollten, wie Rossel, Villauney, Trobriand, La Grundière, Laignel und Jurien. Als Gelehrte und Fachmänner betheiligten sich: der Naturforscher La Billardière, die Astronomen Bertrand und Pierson, die Naturkundigen Ventrecal und Riche, der Hydrograph Beautemps-Beaupré und der Ingenieur Jouvency.
Die Schiffe nahmen eine reiche Auswahl von Tauschgegenständen und für achtzehn Monate Lebensmittel mit. Am 28. September verließen sie Brest und kamen am 13. October nach Teneriffa. Zu jener Zeit galt die Besteigung des berühmten Pic für eine unumgängliche Pflicht jedes Reisenden.
La Billardière sah hier eine Erscheinung wieder, die er schon früher in Kleinasien beobachtet hatte: auf der unter ihm und der Sonne gegenüberliegenden Seite zeigte sich sein Bild in den schönsten Farben des Regenbogens.
Am 23. October, d. h. nach Wiederersetzung der bis dahin verbrauchten Nahrungsmittel, wurde der Anker wiederum gelichtet, um nach dem Cap zu steuern. Während dieser Ueberfahrt machte La Billardière eine interessante Erfahrung und entdeckte, daß das Leuchten des Meeres von kleinen kugelförmigen Thierchen herzuleiten sei, die im Wasser schwimmen. Die Reise bis zum Cap, wo die Schiffe am 18. Januar vor Anker gingen, wurde durch nichts unterbrochen als durch die Begegnung einer ungeheuren Menge Breit- und anderer Fische, eines kleinen Lecks, das leicht verstopft wurde, nicht zu gedenken.
Am Cap fand d'Entrecasteaux einen Brief von Saint-Felix, dem Befehlshaber der französischen Streitkräfte in Indien, der beinahe den ganzen Plan seiner Reise umgeändert und sehr ungünstig auf die Erreichung des einmal vorgesteckten Zieles gewirkt hätte. Der darin enthaltenen Mittheilung nach sollten zwei französische Schiffskapitäne, welche von Batavia kamen, berichtet haben, daß der Commodore Hunter, der Befehlshaber der englischen Fregatte »Syrius«, in der Nähe der Admiralitäts-Inseln im Südmeere mit europäischen Stoffen und vorzüglich mit Anzügen, die er für französische Uniformen hielt, bekleidete Leute gesehen habe. »Sie ersehen hieraus,« schrieb Saint-Felix, »daß der Commodore darin Ueberreste von dem Schiffbruch Lapérouse's erkannt zu haben glaubt . . .«
Hunter befand sich zur Zeit der Ankunft d'Entrecasteaux' zufällig auf der Rhede des Caps, lichtete aber zwei Stunden nach dem Eintreffen der französischen Fahrzeuge schon die Anker. Dieses Verfahren erschien, gelinde gesagt, etwas auffallend. Der Commodore hatte gewiß gehört, daß das die zur Aufsuchung Lapérouse's ausgesendete Expedition sei, und ließ es sich doch nicht beikommen, dem Commandanten derselben über einen so wichtigen Punkt irgend eine Mittheilung zu machen. Später hörte man freilich, daß Hunter selbst von den durch Saint-Felix hierher verbreiteten Gerüchten auch nicht das Geringste gewußt habe. Sollte man wirklich annehmen, daß der Bericht des französischen Commandanten gänzlich aller Unterlage entbehrt habe? D'Entrecasteaux konnte das nicht glauben, so wahrscheinlich ihm das Ganze auch erschien.
Die Gelehrten hatten den Aufenthalt am Cap wohl auszunützen verstanden, indem sie die Umgebung der Stadt nach allen Seiten durchstreiften, vor Allem La Billardière, der, soweit es das kurze Verweilen der beiden Schiffe erlaubte, möglichst tief in das Innere vorgedrungen war.
Am 16. Februar lichtete man wieder die Anker. D'Entrecasteaux beschloß, das Van-Diemen-Cap zu umschiffen, um in die Südsee zu gelangen, und schlug deshalb einen Weg ein, der ihn zwischen den Inseln St. Paul und Amsterdam hindurchführen sollte. Die letzteren, welche Kapitän Valming 1696 entdeckte, wurden von Cook bei seiner letzten Reise wieder aufgefunden. Die Insel St. Paul, in deren unmittelbarer Nähe die »Recherche« und »Esperance« vorüberkamen, zeigte sich in dicke Rauchwolken gehüllt, über welche noch Berge emporragten. Jene Wolken rührten übrigens von brennenden Wäldern her.
Am 21. April fuhren die beiden Fluten in eine Bai von Van-Diemens-Land ein, die man für die Aventure-Bai hielt, während sie wirklich die Bai der Stürme hieß. Der Grund derselben wurde »d'Entrecasteaux-Hafen« genannt. Holz war hier leicht zu beschaffen und Fische gab es in Ueberfluß. Unter den schönen Bäumen dieses Ortes erwähnt La Billardière vorzüglich mehrere Eukalyptus-Arten, deren vielfältige nützliche Eigenschaften damals noch nicht bekannt waren. Die Jagdzüge, an denen er theilnahm, lieferten mehrfache Exemplare von schwarzen Schweinen und Kängurus; letztere damals noch eine große Seltenheit.
Am 16. April verließen die beiden Schiffe wieder diesen Hafen, und wandten sich nach einer Meerenge, welche d'Entrecasteaux zu passiren gedachte und die seitdem seinen Namen trägt.
»Zahlreiche, unfern vom Ufer wahrgenommene Feuer,« so lautet der Bericht, »veranlaßten Crétin und Auribeau an's Land zu gehen: kaum in den Wald gelangt, fanden sie vier Eingeborne damit beschäftigt, drei kleine Feuer zu unterhalten, neben denen sie saßen. Die Wilden entflohen auf der Stelle, trotz aller Zeichen von friedlicher Gesinnung, die man ihnen machte, und ließen Hummern und andere Muscheln, welche sie auf glühenden Kohlen rösten wollten, im Stich. Ganz in der Nähe sah man auch eine entsprechende Anzahl Hütten . . .
»Ein sehr großer und muskelkräftiger Wilder hatte einen kleinen, mit Feuersteinen gefüllten Korb vergessen, er scheute sich nicht, denselben zu holen, und kam dabei ganz nahe an Crétin heran, da er sich im Gefühle seiner Körperkraft offenbar sicher wähnte. Einige der Wilden gingen völlig nackt, Andere trugen Kängurufelle um die Schultern. Ihre Hautfarbe war nicht eben tiefschwarz; Bart und Haare ließen sie wachsen.«
Von der d'Entrecasteaux-Meerenge aus wandten sich die beiden Schiffe nach der Südwestküste von Neu-Caledonien, welche Lapérouse hatte besuchen wollen. Der erste in Sicht kommende Punkt war ein Theil der Pinien-Insel im Süden jener großen Insel. Die »Recherche« wäre auf den madreporischen Riffen, welche das Ufer umschließen und zwischen sich und dem Lande nur einen Kanal von fünf bis sechs Kilometern frei lassen, bald zu Grunde gegangen. Am nördlichen Ende beobachtete man noch einige bergige Inseln und einzelne Felsen, welche die Fahrt in diesen Gewässern äußerst gefährlich machen. Sie haben von den Männern, die sie zuerst wahrnahmen, die Bezeichnung d'Entrecasteaux-Riffe und Huons-Jnseln erhalten. Die in Betrachtung einer so unzugänglichen Küste sehr schwierige Untersuchung dauerte vom 16. Juni bis 3. Juli. Den Geographen und Seeleuten wurde damit ein hochwichtiger Dienst geleistet, obwohl dieselbe die undankbarste Aufgabe der ganzen Fahrt darstellt.
Bei dem Herannahen der günstigeren Jahreszeit beschloß d'Entrecasteaux, das zuerst von Surville entdeckte und einige Jahre später von Shortland besuchte Land der Arsaciden anzulaufen, das der Letztere, in der Meinung, eine neue Entdeckung gemacht zu haben, als Neu-Georgien bezeichnete.
»Am 9. Juli,« sagt La Billardière, »erblickten wir um vier und ein halb Uhr Nachmittags in der Entfernung von etwa anderthalb Myriameter den Felsen Eddy-Stone; von Weitem hielten wir ihn, wie Shortland, für ein Schiff unter Segel. Die Täuschung war um so vollständiger, da er auch die Farbe von Schiffssegeln hat; seinen Gipfel krönen einige wenige Büsche. Das diesem Felsen gegenüberliegende Land der Arsaciden ist von Bergen erfüllt und bis zu deren Spitze hinauf mit Bäumen bedeckt.«
Nachdem er die Lage der Eddy-Stone-Felsen berichtigt und die der fünf Inseln des Schatzes, welche so dicht bei einander liegen, daß Bougainville sie für ein einziges Land angesehen, festgestellt hatte, fuhr d'Entrecasteaux längs der Insel Bougainville's dahin. Nur eine schmale Straße trennte diese von der Insel Bouka, welche letztere sehr baumreich und stark bevölkert ist. Man tauschte zwar mehrere Gegenstände mit den Eingebornen dieser Insel, konnte sie aber doch nicht dazu bewegen, an Bord zu kommen.
»Ihre Hautfarbe«, sagt La Billardière, »ist nicht tiefschwarz. Diese Wilden sind von Mittelgröße, gehen vollständig unbekleidet und ihre wohlausgebildeten Muskeln verrathen große Körperstärke. Das Gesicht derselben ist nichts weniger als angenehm, doch nicht ohne Ausdruck. Sie haben dabei einen dicken Kopf, eine sehr breite Stirne, wie das ganze Gesicht, das sehr stark abgeplattet erscheint, vorzüglich unterhalb der Nase, ein mächtiges Kinn, wenig hervorspringende Wangen, platte Nase und einen breiten großen Mund mit dünnen Lippen.
»Der Betel, der ihren Mund blutroth färbt, erhöht nur noch das Abschreckende ihrer Erscheinung. Diese Wilden scheinen treffliche Bogenschützen zu sein. Einer derselben hatte an Bord der ›Esperance‹ einen von ihm erlegten Tölpel (aus der Gattung Sula) gebracht; am Bauche des Vogels sah man da das Loch des Pfeils, der ihn getödtet hatte.
»Die ganze Industrie der Eingebornen scheint sich auf die Herstellung der Waffen und Jagdgeräthe zu beschränken, welche mit großer Sorgfalt gearbeitet werden. Wir bewunderten vorzüglich die Geschicklichkeit, wie sie die Sehne ihres Bogens mit Harz zu imprägniren verstehen, daß dieselbe wirklich einer Darmsaite gleicht; in der Mitte wird sie mit der Rinde von Palmenrieth versehen, um sich durch das Fortschnellen der Pfeile nicht so schnell abzunützen.«
Am 15. Juli wurde die Untersuchung der Westseite der beiden Inseln vollendet, deren Ostseite Bougainville erforscht hatte.
Am nächsten Tage kamen die von Carteret Sir Charles Hardy genannte Insel und die südöstliche Spitze von Neu-Holland den französischen Seefahrern in Sicht.
Die beiden Schiffe gingen im Carteret-Hafen vor Anker und die Mannschaften richteten sich auf der Cocos-Insel ein, die mit immergrünen, üppig gedeihenden großen Bäumen besetzt ist, obwohl sich zwischen den kalkigen Steinen des Bodens nur wenig fruchtbare Erde fand. Nur mit Mühe vermochte man sich hier Cocosnüsse zu beschaffen, von deren angeblich sehr reichlichem Vorkommen dieses Land doch früher seinen Namen erhielt. Dafür lieferte es den Naturforschern wenigstens eine reiche Beute an Insecten und Pflanzen, deren große Verschiedenheit an Arten La Billardière ungemein erfreuten.
Immer fiel während des Aufenthaltes hierselbst reichlicher Regen, oder vielmehr ein ganzer Strom warmen Wassers, der sich aus den Wolken ergoß.
Nach der Einnahme des nöthigen Holzes und Wassers verließen die »Recherche« und die »Esperance« am 24. Juli 1792 wieder den Carteret-Hafen, wobei die »Esperance« einen Anker verlor, dessen Kabel durch scharfe Korallenriffe zerschnitten wurde. Die beiden Schiffe drangen nun in den St. Georgs-Kanal ein, der an seinem südlichen Ende sechs bis sieben Myriameter, d. h. etwa die halbe Breite von der hat, die Carteret ihm zuschrieb. Von raschen Strömungen fortgerissen, kamen sie an den Inseln Man und Sandwichs vorüber, ohne daselbst halten zu können.
Nach Bestimmung der Lage der Portlands-Inseln – sieben flache Eilande, die unter 20° 39' 44" südlicher Breite und 147° 15' östlicher Länge zu suchen sind – setzte d'Entrecasteaux seine Fahrt nach den Admiralitäts-Inseln fort, die er zu besuchen gedachte. Nach den dem Commodore Hunter zugekommenen Berichten, sollten auf der östlichen derselben Einwohner in französischer Marine-Uniform gesehen worden sein.
»Von Wilden kam hier eine große Anzahl zum Vorschein,« lautet der Bericht. »Die Einen liefen längs des Gestades auf und ab. Andere starrten unsere Schiffe an und luden uns durch Zeichen ein, an's Land zu kommen; ihr Geschrei drückte offenbar die Empfindung von Freude aus . . . Um eineinhalb Uhr wurde beigelegt, und man entsandte von jedem Schiffe ein Boot mit mancherlei Gegenständen, welche unter die Bewohner als Geschenke vertheilt werden sollten. Während die Boote so nahe als möglich an den Strand heranruderten, hielten sich die Fluten wenigstens in Schußweite, um jenen im Falle eines unerwarteten Angriffes seitens der Wilden Hilfe leisten zu können, denn die hinterlistige Falschheit der Bewohner der südlichen Admiralitäts-Inseln gegenüber Carteret hielt doch stets einige Besorgniß wegen unserer Leute wach.«
Die Küste war voller Riffe. Die Boote konnten sich nur bis auf hundert Meter von derselben nähern. Am Ufer stand eine große Menge Eingeborner und winkte den Franzosen unaufhörlich, an's Land zu kommen.
»Ein Wilder, der sich vor den Anderen durch eine doppelte Kette von kleinen Muscheln als Stirnschmuck auszeichnete, schien bei denselben in besonderem Ansehen zu stehen. Er befahl einem der Eingebornen, in das Wasser zu springen und uns etliche Cocosnüsse zu bringen. Aus Furcht, sich zu völlig unbekannten Leuten schwimmend und gänzlich wehrlos zu begeben, zögerte der Insulaner einen Augenblick. Der Häuptling aber, offenbar nicht gewohnt, gegen seinen Willen Widerspruch zu dulden, machte seinem Besinnen bald ein Ende; er schlug mit seinem Stocke auf den Menschen los und zwang ihn dadurch zum Gehorsam . . . Als er nach der Insel zurückkehrte, umringten ihn die anderen Alle voller Neugier, Jeder wollte von unseren Geschenken einen Theil haben. Jetzt setzte man gleich mehre Piroguen in's Meer. Viele Eingeborne kamen schwimmend heran, und bald herrschte ein wahres Gedränge rings um unsere Boote. Wir erstaunten wirklich, daß weder die Kraft der Brandung, noch der Wogenschlag auf den Riffen jene zurückzuhalten vermochte.«
Was die Indianer im Stande waren, hätten die Franzosen wohl auch zuwege gebracht. Es scheint aber nicht so, als ob sie sich bei jenen nach einem stattgefundenen Schiffbruche größerer oder vielleicht eines kleineren Fahrzeuges erkundigt hätten.
Sie machten nur die eine Beobachtung, daß die Wilden das Eisen kannten und auf dieses Metall mehr Werth legten als auf alles Andere.
d'Entrecasteaux untersuchte noch den nördlichen Theil des Archipels, trieb auch mit den Einwohnern einige Tauschgeschäfte, landete aber an keinem Punkte und scheint überhaupt dem eigentlichen Zwecke seiner Mission mit weniger Sorgfalt nachgegangen zu sein, als man wohl von ihm erwarten durfte.
Die »Recherche« und die »Esperance« besuchten hierauf die von der spanischen Fregatte »La Princesa« im Jahre 1781 entdeckte Hermiten-Insel. Wie überall zeigten die Eingebornen auch hier das lebhafteste Verlangen, die Fremden an ihrer Insel landen zu sehen, ohne diese dazu bestimmen zu können.
Später sah man nach einander Bougainville's Inseln des Schachbrettes, mehrere niedrige unbekannte Eilande mit üppiger Vegetation, die Inseln Schouten's und die Küste von Neu-Guinea, in dessen Innern sich eine Bergkette erhob, deren höchste Gipfel wohl fünfzehnhundert Meter zu erreichen schienen.
Nachdem sie dem Ufer dieser großen Insel in möglichster Nähe gefolgt, segelten die »Recherche« und die »Esperance« in die Meerenge von Pitt ein, um nach den Molukken zu gelangen.
Zu ihrer großen Befriedigung gingen die Franzosen am 5. September 1792 auf der Rhede von Amboine vor Anker. An Bord befand sich eine ziemliche Anzahl Skorbutkranker, und alle, Officiere wie Matrosen, sehnten sich nach einer längeren Rast, um einmal wieder zu Kräften zu kommen. Die Naturforscher, Astronomen und anderen Gelehrten gingen sofort an's Land und richteten sich bequem ein, um ihre Untersuchungen und gewöhnlichen Beobachtungen zu beginnen. Vorzüglich die Arbeit der Naturforscher wurde reichlich belohnt. La Billardière läßt sich mit Wohlgefallen über die Mannigfaltigkeit von Pflanzen und Thieren aus, die er hier zu sammeln vermochte.
»Auf dem Ufer stehend«, sagt er, »hörte ich gewisse Windinstrumente, unter deren meist ganz richtige Accorde sich auch Dissonanzen mischten, welche doch das Ohr nicht verletzten. Diese lang gezogenen, sehr harmonischen Töne schienen mir aus der Ferne zu kommen, und ich glaubte eine Zeit lang, die Naturforscher machten jenseits der Rhede, etwa ein Myriameter von meinem Standpunkt, Musik. Das war aber eine Täuschung, denn das betreffende Instrument befand sich kaum hundert Meter von mir entfernt. Es war das ein mindestens zwanzig Meter hoher Bambus, den man am Gestade senkrecht aufgerichtet hatte. An jedem Knoten desselben war ein drei Centimeter langer und gegen einundeinhalb Centimeter breiter Spalt angebracht; diese Spalte bildeten ebensoviele Oeffnungen, welche beim Eindringen des Windes jene angenehmen, wechselreichen Töne erzeugten. Da der Bambusstamm sehr viele Knoten besaß, hatte man die Einschnitte an verschiedenen Seiten gemacht, so daß der Wind, er mochte nun wehen von welcher Seite er wollte, immer einige derselben treffen mußte. Ich kann diese Töne nicht besser als mit denen einer Harmonika vergleichen.«
Während dieses langen, über einen Monat dauernden Aufenthaltes wurden die Schiffe frisch kalfatert, die Takelage aufmerksam untersucht und überhaupt alle bei einer solchen Reise in heißen und feuchten Klimaten nothwendigen Vorsichtsmaßregeln getroffen.
Einzelne Mittheilungen über die Rhede von Amboine und die Sitten und Gebräuche der eingebornen Bevölkerung sind nicht ohne Interesse.
»Die Rhede von Amboine«, sagt La Billardière, »bildet einen Kanal von etwa zwei Myriameter Länge bei einer mittleren Breite von zwei Drittel Myriameter. Seine Ufer bieten, bis auf einige korallenreiche Stellen, meist recht guten Ankergrund.
»Das Fort daselbst, de la Victoire mit Namen, ist aus Backsteinen erbaut; der Gouverneur und einige Mitglieder des Raths haben hier ihre Wohnung. Schon damals neigte es sehr dem Verfalle zu und jeder Kanonenschuß, der von dessen Wällen abgefeuert wurde, verursachte irgend eine weitere Beschädigung.
»Die Garnison bestand aus etwa zweihundert Mann, der Mehrzahl nach Eingeborne, nur wenige aus Europa gekommene Soldaten und ein schwaches Detachement des Regiments Württemberg befand sich darunter . . .
»Da nur wenige Soldaten den längeren Aufenthalt in Indien vertragen, so schätzt man Diejenigen, welche schon einige Jahre ausgehalten haben, um desto höher; die holländische Compagnie erfüllt auch nur selten ihre Versprechungen, dieselben nach Europa zurückzubefördern, wenn ihre Dienstzeit abgelaufen ist . . . Ich traf wiederholt solche unglückliche Leute, die man über zwanzig Jahre hier zurückhielt, obwohl sie schon lange hätten frei sein sollen . . .
»Die Einwohner von Amboine sprechen malayisch, eine sehr sanfte, musikalische Sprache. Die Erzeugnisse des Landes bestehen in Gewürzen, Kaffee, der aber minder gut ist, als das Product von Réunion, und vorzüglich Sago, die Hauptculturpflanze aller sumpfigen Gegenden.
»Der Reis, den man in Amboine verzehrt, ist kein Erzeugniß der Insel, obwohl er in deren Niederungen gewiß vortrefflich gedeihen müßte. Die holländische Regierung verbietet aber dessen Anbau, weil sie durch den Verkauf desselben ein Mittel an der Hand hat, den Eingebornen das baare Geld wieder abzunehmen, das sie ihnen für die gelieferten Gewürznelken zu zahlen verpflichtet ist. Sie verhindert dadurch die Ansammlung des Geldes und hält die Frucht der Arbeit der Eingebornen stets auf dem niedrigsten Preise.
»Auf diese Weise erstickt das Gouvernement, während es nur seine eigenen Interessen verfolgt, unter dem Volke die industrielle Thätigkeit ganz und gar und zwingt dasselbe, von jeder anderen Ausnutzung des Bodens als der durch den Anbau der Gewürznelken und Muscatnüsse abzusehen.
»Die Holländer bemühen sich auch, die Erzeugung dieser Gewürze zu beschränken, um nicht über den gewöhnlichen Bedarf hinaus zu produciren. Ein solches Verfahren, welches nur der Trägheit Vorschub leistet, entspricht übrigens ganz dem sorglosen Charakter dieser Völker.«
Am 23. des Weinmonats im Jahre 1, um in dem von La Billardière beliebten neuen Styl zu reden, verließen die beiden Schiffe Amboine, wieder reichlich versehen mit Proviant an Hühnern, Enten, Guinea-Gänsen, Schweinen, Ziegen, Pataten, Jamswurzeln, Bananen und Kürbissen. Fleischspeisen besaß man damit immerhin nur wenig; das Mehl war von schlechter Beschaffenheit; an den Sago, den man zum Ersatz desselben mitnahm, konnten sich die Leute niemals recht gewöhnen. In der langen Liste von Provisionen, welche man von hier mitführte, haben wir nur noch den Bambus, die eingemachten Gewürznelken und den Arrac zu erwähnen.
»Junge, in Stücken zerschnittene und in Essig eingelegte Bambussprossen«, sagt La Billardière, »bilden einen ausgezeichneten Proviant für längere Reisen; wir nahmen davon auch reichliche Vorräthe mit. Die jungen Sprossen sind im Allgemeinen sehr zart. Man sammelt sie beizeiten ein und verkauft sie auf dem Markte gleich Gemüse, das sie auch recht gut ersetzen. Meist sind sie ein Meter lang und ein Drittel Centimeter dick.
»Diese jungen Sprößlinge sind sehr beliebt bei den Chinesen, welche sie um ihres, an den des Spargels erinnernden Geschmackes willen besonders hochschätzen.
»Wir waren auch reichlich versehen mit in Zucker eingemachten Gewürznelken und Muscatnüssen. Als Speise kommt hierbei übrigens nur die grüne Schale der letzteren in Betracht; leider hatten die Leute, welche das Einmachen besorgten, in ihrer Unkenntniß zu reife Muscatnüsse gewählt. Die Gewürznelken, in der Größe von mittleren Oliven, schmeckten gar zu aromatisch, um ein angenehmes Gericht zu bilden; man muß eben einen Indianergaumen haben, um an solchen Leckerbissen Geschmack zu finden; dasselbe gilt von dem Ingwer, den wir in eingemachtem Zustand mit uns führten.
»Der einzige spirituöse Liqueur, den man hier erhalten konnte, war der Arrac, von dem mehrere Fässer gekauft wurden. Einige Reisende rühmen denselben zwar außerordentlich, doch erreicht er an Güte kaum einem mittelmäßigen Cognac.«
Von Amboine aus steuerte die Expedition nach der Südwestküste Australiens. Nach und nach sah man, ohne sich daselbst aufzuhalten, die Insel Kiffer, die Nordküste von Timor, die Insel Batu, das reizend gelegene Savu, und am 16. Frimaire endlich den westlichsten Punkt der Südwestküste von Neu-Holland, der im Jahre 1622 von Louvin entdeckt worden war.
Das Gestade zeigte nichts als sandige Dünen und zwischen denselben schroffe Felsen, Alles in Allem das Bild der trostlosesten Dürre.
Die Schifffahrt an dieser schutzlosen Küste war ziemlich gefährlich. Das Meer ging hoch, der Wind wehte stark und man mußte mitten zwischen Klippen hinsegeln. Die »Esperance« wäre in Folge eines heftigen Windstoßes fast auf das Ufer geworfen worden, als ein Officier, Namens Legrand, von der Höhe des Großmastes aus noch rechtzeitig eine geschütztere Stellung entdeckte, wo die Schiffe seiner Meinung nach in Sicherheit sein mußten.
»Die Rettung der beiden Fahrzeuge«, heißt es in dem Berichte, »hing jetzt von der Auffindung derselben ab, denn die ›Recherche‹, welche schon die ganze Nacht über zwischen den gefährlichen Klippen gekreuzt und so gut als möglich gegen den schweren Sturm in der Hoffnung angekämpft hatte, daß eine Drehung des Windes ihr gestatten würde, das offene Meer zu gewinnen, wäre sonst unzweifelhaft verloren gewesen. Die Bai, welche den Namen des Bürgers Legrand erhielt, wird für alle Zeiten an den Dienst erinnern, den jener geschickte Seemann unserer Expedition damals leistete.«
Die Seefahrer untersuchten nur die Eilande in der Nähe der Küste. Einer derselben, der Ingenieur-Geograph der »Recherche«, Namens Riche, war auch auf das Festland gegangen, um dort Beobachtungen anzustellen, verirrte sich aber dabei und konnte sein Schiff erst zwei Tage nachher, von Anstrengung erschöpft und sterbend vor Hunger, wieder erreichen.
Der kleine Archipel, von dem wir hier sprechen, bezeichnet den Endpunkt der Entdeckungen de Nuyts'.
»Wir verwunderten uns«, sagt La Billardière, »über die Genauigkeit, mit der jener Seemann seine Position bestimmt hatte, und das zu einer Zeit, wo die Instrumente noch sehr unvollkommen waren. Dieselbe Anerkennung verdient übrigens auch Leuwin bezüglich seiner Aufnahmen dieses Landes.«
Am 15. Nivôse, als man sich unter 31° 52' der Breite und 129° 10' östlicher Länge befand, meldete Kapitän Huon de Kermadec an d'Entrecasteaux, daß sein Steuerruder beschädigt sei, daß man auf seinem Schiffe auf drei Viertel Flasche Wasser als tägliche Ration beschränkt sei, daß er von der weiteren Vertheilung anti-skorbutischer Getränke habe absehen müssen und daß er nur noch dreißig Fäßchen Wasser besitze. Auf der »Recherche« sah es nicht viel besser aus. D'Entrecasteaux schlug in Folge dessen den Kurs nach dem Cap Diemen ein, nachdem er hundertsechszig Myriameter weit längs dieser außerordentlich mageren Küste hingesegelt war, welche nicht einmal zu interessanten Beobachtungen Gelegenheit gab.
Am 3. Fluviôse ankerten die Fahrzeuge in der Bai der Felsen, einer besonderen Einbuchtung der Bai der Stürme, die sie schon im vorigen Jahre aufgefunden hatten.
»Die Station erwies sich als besonders ergiebig in Aufschlüssen aller Art. Entzückt von der Verschiedenartigkeit der Erzeugnisse dieses Winkels von Diemens-Land, konnte La Billardière gar nicht müde werden, die endlosen Wälder gigantischer Bäume, das üppige, dichte Gebüsch unbekannter Pflanzen zu bewundern, durch die er sich mühsam einen Weg bahnen mußte. Bei einem der zahlreichen Ausflüge in die Nachbarschaft der Bai fand er schöne Stücke bronzerothen Hämatit, und weiterhin rothe Ockererde, welche auf die Gegenwart von Eisen schließen ließ. Er traf auch bald mit einigen Eingebornen zusammen, und seine Mittheilungen über diese jetzt verschwundene Race sind interessant genug, um hier eine Stelle zu verdienen. Sie vervollständigen übrigens nach manchen Seiten die, welche wir Cook's Reisen verdanken.
»Es waren zweiundvierzig Wilde, darunter sieben erwachsene Männer und acht Frauen, die anderen schienen deren Kinder zu sein, und unter ihnen auch verschiedene schon heiratsfähige Mädchen, welche noch mangelhafter gekleidet gingen als ihre Mütter . . . Die Eingebornen haben wollige Haare und lassen den Bart wachsen. Bei den Kindern überragt die obere Kinnlade die untere ziemlich bedeutend, sie schwindet indeß mit zunehmendem Alter mehr und mehr, so daß der frühre Unterschied bei den Erwachsenen fast vollkommen ausgeglichen wird. Ihre Haut ist nicht tief schwarz; unzweifelhaft gilt es bei diesen Völkern aber für eine besondere Schönheit, recht schwarz zu sein, und um das zu erreichen, überpudern sie sich, vorzüglich gern den Oberkörper, mit Kohlenstaub.
»Auf ihrer Haut, besonders auf der Brust und auf den Schultern, bemerkt man symmetrisch angeordnete kleine Erhöhungen, welche manchmal Linien von einem Decimeter Länge, manchmal in verschiedenen Entfernungen von einander angebrachte Punkte darstellen . . . Der Gebrauch, sich zwei der oberen Schneidezähne auszureißen, den man nach dem Berichte mehrerer Reisenden unter diesen Völkerschaften für allgemein verbreitet hielt, herrscht unter ihnen bestimmt nicht, denn wir sahen kein Individuum, dem dieselben in der oberen Kinnlade gefehlt hätten, im Gegentheil hatten Alle sehr schöne volle Zähne. Leider strotzten diese Menschen von Ungeziefer. Wir bewunderten wirklich die Geduld einer Frau, welche lange Zeit damit beschäftigt war, eines ihrer Kinder davon zu befreien; dagegen sahen wir auch mit Entsetzen, daß dieselbe jene widerlichen Insecten erst mit den Fingern tödtete und dann auf der Stelle verzehrte.«
Bekanntlich haben die Affen dieselbe Gewohnheit.
»Die kleinen Kinder zeigten das größte Verlangen nach allem Glänzenden; sie vergaßen sich dabei soweit, daß sie die Metallknöpfe unserer Röcke abzureißen versuchten. Ich darf hierbei auch nicht die Schelmerei einer jungen Wilden gegenüber einem unserer Matrosen übergehen. Letzterer hatte am Fuße eines Felsens einen Sack mit Muscheln niedergelegt. Sofort schaffte das Mädchen den Sack weg und ließ den Mann lange Zeit vergeblich darnach suchen; dann brachte sie ihn selbst wieder an seine alte Stelle und freute sich gewaltig des Streiches, den sie dem Manne gespielt hatte.«
Am 26. Pluviôse lichteten die beiden Fahrzeuge mit Tagesanbruch die Anker, segelten in die d'Entrecasteaux-Straße ein und erreichten am 5. Ventôse die Bai Aventure. Nach fünftägigem Aufenthalt in dieser Bai, den man zu verschiedenen Beobachtungen benutzte, steuerte d'Entrecasteaux auf Neu-Seeland zu, an dessen Nordspitze er anlegte.
Nach einem Zusammentreffen mit Eingebornen, das freilich zu kurz war, um weitere Auskunft zu liefern, als wir schon von Kapitän Cook über dieselben besitzen, segelte d'Entrecasteaux nach dem Archipel der Freunde, den Lapérouse hatte besuchen wollen, und ankerte hier auf der Rhede von Tonga-Tabu. Gleich sahen sich die Schiffe von einer Menge Piroguen umringt, aus denen viele Eingeborne dieselben buchstäblich erstürmten, um Schweine und Früchte jeder Art zu verkaufen.
Einer der Söhne Poulao's, des Königs, den auch Cook schon kennen lernte, empfing die Seefahrer sehr wohlwollend und überwachte gewissenhaft die Tauschgeschäfte mit den Eingebornen. Es war das keine leichte Aufgabe, denn diese entwickelten eine erstaunliche Fertigkeit, Alles zu stehlen, was sie erlangen konnten.
La Billardière erzählt einen Streich, dessen Opfer er selbst wurde. In das Zelt, in dem der Proviant lag, waren ihm zwei Eingeborne gefolgt, die er für Häuptlinge ansah.
»Einer derselben«, erzählt er, »ließ es sich besonders angelegen sein, mir die schönsten Früchte auszuwählen. Ich hatte meinen Hut auf die Erde gelegt, da ich ihn hier für sicher hielt, doch die beiden Spitzbuben verstanden ihr Handwerk. Der Andere, der sich hinter mir befand, verbarg meinen Hut geschickt unter seiner Kleidung und ging davon, bevor ich etwas gemerkt hatte; der Erstere folgte ihm bald nach. Ich versah mich dieses Gaunerstreiches umsoweniger, weil ich nie geglaubt hätte, daß sie es wagen würden, einen so umfangreichen Gegenstand in der Umzäunung, in welche wir sie eingelassen hatten, auf die Gefahr hin zu stehlen, daß sie dabei erwischt würden; gerade ein Hut konnte unmöglich für Leute einen besonderen Werth haben, welche stets gewöhnt sind, baarhäuptig zu gehen. Die Gewandtheit, welche sie bei diesem Diebstahl an den Tag legten, überzeugte mich auch, daß das nicht ihr erster Versuch war.«
Die Franzosen standen mit einem Häuptling in Beziehung, den sie Finau nennen. Allem Anschein nach ist das derselbe, von dem schon gelegentlich der Reise Cook's unter dem Namen Finaou die Rede ist und welcher den englischen Seefahrer Tute nannte. Dieser war jedoch nur ein Unterhäuptling. Der König, der erste Häuptling von Tonga-Tabu, Vavao und Annamooka, hieß Toubau. Er besuchte ebenfalls die Schiffe und brachte dabei ein Gewehr wieder zurück, das einem Wachtposten wenige Tage vorher abgenommen worden war. Er beschenkte d'Entrecasteaux mit zwei Stücken Stoff aus Maulbeerbaum-Rinde, jedes so groß, daß es, völlig aufgerollt, bequem zum Bedecken des ganzen Schiffes hingereicht hätte; ferner mit geflochtenen Matten und Schweinen, wogegen man ihm tauschweise eine hübsche Axt und einen rothen Generalsrock überließ, den er sofort anzog.
Zwei Tage später ließ sich eine wohlbeleibte, mindestens fünfzig Jahre alte Frau, der die Eingebornen die höchste Ehrerbietung bezeugten, an Bord führen. Das war die Königin Tine. Sie kostete von allen ihr vorgesetzten Gerichten, schien aber den eingemachten Bananen vor allen den Vorzug zu geben. Der Küchenmeister blieb hinter ihr stehen, um wieder abzuräumen, sie enthob ihn aber dieser Mühe, indem sie Teller und Serviette gleich selbst einsteckte.
König Toubau wollte d'Entrecasteaux einmal ein Fest geben. Der Admiral wurde an dem betreffenden Tage am Ufer von zwei Häuptlingen, Finau und Omalaï, empfangen, die ihn nach einem geräumigen freien Platz führten. Dort fand sich auch Toubau in Begleitung seiner beiden Töchter ein; letztere hatten das Haar überreichlich mit Cocosöl eingesalbt und trugen jede ein hübsches Halsband von den Kernen des Abrus precatorius.
»Die Insulaner«, heißt es in dem Berichte, »liefen bei dieser Gelegenheit in großen Massen zusammen; wir schätzten ihre Anzahl auf mindestens viertausend.
»Der Ehrenplatz befand sich ohne Zweifel zur Linken des Königs, denn dieser lud den General ein, sich daselbst zu setzen. Letzterer ließ nun erst die für Toubau bestimmten Geschenke bringen, welcher sich dafür sehr erkenntlich zeigte. Nichts erregte aber die Bewunderung der zahlreichen Versammlung mehr als ein Stück carmoisinrother Damast, über dessen lebhafte Farben entzückt alle Anwesenden: Eho! Eho! riefen und das lange Zeit als Ausdruck ihrer Verwunderung wiederholten. Dieselben Ausrufe ertönten von Neuem, als wir eine Rolle Band, in der auch die rothe Farbe vorherrschte, aufwickelten. Außerdem schenkte der General dem Könige eine tragende Ziege, einen Bock und ein Kaninchenpärchen. Der König versicherte, denselben alle Sorgfalt widmen zu wollen, um sie auf der Insel zu vermehren.
»Auch Omalaï, den Toubau als seinen Sohn bezeichnete, erhielt einige Geschenke, ebenso wie mehrere andere Häuptlinge.
»Zu unserer Rechten, nach Nordosten hin, saßen dreizehn Musikanten im Schatten eines mit köstlichen Früchten beladenen Brotbaumes und sangen zusammen oder in einzelnen Abtheilungen. Vier derselben hielten einen ein bis anderthalb Meter langen Bambusstengel in der Hand, mit dem sie wie zur Angabe des Tactes auf die Erde stießen. Diese Instrumente ließen dabei einen Ton, etwa wie ein Tambourin, vernehmen und waren offenbar der Harmonie wegen von verschiedener Länge. Die beiden mittellangen Bambusstangen gaben ein und denselben Ton; die längste erklang anderthalb Ton tiefer, die kürzeste zweieinhalb Ton höher als jene. Den Musiker, welcher Alt sang, hörte man unter allen Anderen heraus, obgleich seine Stimme ein wenig rauh war; er begleitete seinen Gesang auch selbst, indem er mit zwei kleinen Casuaria-Zweigen auf einen sechs Meter langen und von oben bis unten gespaltenen Bambusstengel schlug.
»Drei von den anderen sitzenden Musikanten bemühten sich, den Inhalt der Gesänge durch allerlei Gesten noch verständlicher zu machen, und hatten diese recht gut eingeübt, denn sie wiederholten sie stets gleichförmig und genau mit einander. Von Zeit zu Zeit drehten sie den Kopf nach dem Könige zu und machten dabei Armbewegungen, welche gar nicht ungraziös aussahen; dann senkten sie wieder den Kopf sehr schnell bis auf die Brust und bewegten ihn mehrmals hin und her.
»Inzwischen bot Toubau auch dem General einige Stücke Stoff aus der Rinde des Papier-Maulbeerbaumes an, die er mit großer Ostentation ausbreiten ließ, um uns den Werth seiner Geschenke vor Augen zu führen.
»Der zu seiner Rechten sitzende Beamte befahl nun, den ›Kava‹ zuzubereiten, und bald brachte man ein ovales, etwa ein Meter langes Holzgefäß herbei.
»Die Musiker schienen für diesen Moment ihre gewähltesten Stücke aufgespart zu haben, denn bei jeder Pause, die jene machten, hörten wir von allen Seiten: ›Mali! Mali!‹ rufen, und die fortwährenden Beifallsbezeugungen der Einwohner ließen uns erkennen, daß diese Musik auf sie einen ebenso tiefen als angenehmen Eindruck hervorbrachte.
»Der ›Kava‹ wurde durch den, der seine Zubereitung angeordnet hatte, an die verschiedenen Häuptlinge vertheilt . . .«
Dieses Concert blieb, wie man sieht, weit hinter den Festlichkeiten zurück, die ehemals zu dem Empfange Cook's veranstaltet wurden.
Später gab die Königin Tine einen großen Ball mit vorausgehendem Concert, zu dem ungeheuer viel Eingeborne zusammengelaufen waren, unter denen sich freilich nicht wenig Diebe mit eingeschlichen hatten, deren Unverschämtheit und Habgier endlich so weit gingen, daß sie sich mit Gewalt ein Messer raubten. Von dem Schmied der »Recherche« muthig verfolgt, hielten sie, als sie denselben allein sahen, im Laufe ein, fielen über ihn her und spalteten ihm den Schädel. Leider wurde dieser Streit von der »Esperance« aus zu spät bemerkt, doch feuerte man noch einen Kanonenschuß ab, der die Mörder vertrieb. Von der Hand der Offiziere und Matrosen fielen bei dieser Gelegenheit noch mehrere Insulaner, ohne daß jene noch recht wußten, was geschehen sei, aber in jedem, ihnen in den Weg kommenden Einwohner einen Feind zu sehen meinten.
Nichtsdestoweniger traten bald wieder bessere Beziehungen ein, welche im Augenblick der Abfahrt so herzlich wurden, daß verschiedene Eingeborne die Bitte aussprachen, sich mit einschiffen und nach Frankreich gehen zu dürfen.
»Die Mittheilungen, welche uns die Eingebornen über die Schiffe machten, die diesen Archipel besucht hatten,« heißt es in dem Bericht, »überzeugten uns, daß Lapérouse an keiner dieser Inseln hier gelandet sei . . . Sie erinnerten sich genau der Zeit, wo sie Kapitän Cook gesehen, und um das klar zu machen, zählten sie die Ernten von Yamswurzeln, wobei sie je zwei auf ein Jahr rechneten.«
Diese Nachricht bezüglich Lapérouse's steht allerdings in directem Widerspruch zu der Auskunft, welche Dumont-Durville, freilich fünfunddreißig Jahre später, von der zur Zeit herrschenden Königin Tamaha erhielt.
»Ich wollte darüber klar werden,« sagt er, »ob zwischen Cook und d'Entrecasteaux nicht noch andere Europäer nach Tonga gekommen seien. Nach kurzer Ueberlegung erklärte sie mir sehr klar und bestimmt, daß einige Jahre vor dem Eintreffen d'Entrecasteaux', zwei den seinigen ähnliche große Schiffe mit Kanonen und vielen Europäern bei Annamooka geankert hätten, wo sie zehn Tage lang geblieben wären. Ihre Flagge war ganz weiß und glich der der Engländer sicherlich nicht. Die Fremden wären gegen die Eingebornen sehr freundlich gewesen und man habe ihnen auf dem Lande ein Haus zum Betreiben des Tauschhandels eingeräumt. Ein Eingeborner, der einem Officier ein Messer gegen ein Kissen eingetauscht hatte, wurde von diesem durch eine Kugel getödtet, weil er mit seiner Waare nach Empfang des Preises davon laufen wollte. Uebrigens verursachte das keine Störung des Friedens, weil der Eingeborne in diesem Falle im Unrecht gewesen war.«
Die Ehrenhaftigkeit Dumont-Durville's überhebt ihn jeden Verdachtes einer Fälschung, und man muß unwillkürlich anerkennen, daß Mehreres aus jener Darlegung offenbar den Stempel der Wahrheit trägt. Vorzüglich beweisend ist hierbei die Anführung der weißen, von der der Engländer verschiedenen Flagge. Sollen wir aber deshalb glauben, daß d'Entrecasteaux in seinen Nachforschungen nachlässig verfahren sei? Das wäre wohl etwas vorschnell. Doch kommen wir im nächstfolgenden auf zwei Umstände zu sprechen, die ihm diesen Vorwurf zuzuziehen scheinen.
Die Eingebornen sahen die französischen Fregatten am 21. Germinal mit lebhaftem Bedauern scheiden. Sechs Tage später meldete die »Esperance« Erronan, die östlichste der Inseln des heiligen Geistes, die von Quiros im Jahre 1666 entdeckt wurde; dann begegnete man nacheinander Annatom, Tanna mit seinem unablässig thätigen Vulkan, und andere bis nach den Inseln Beautemps-Beaupré. Von Strömungen entführt, bekamen die Fregatten bald die Berge von Neu-Caledonien in Sicht und liefen in den Hafen von Balade ein, wo Cook im Jahre 1774 geankert hatte.
Die Wilden kannten zwar das Eisen, schätzten es aber nicht so hoch wie andere Völker, wahrscheinlich weil die Steine, deren sie sich bedienten, sehr hart waren und ihnen den Mangel desselben weniger fühlbar machten. Mit den ersten Worten, nachdem sie an Bord gestiegen, verlangten sie zu essen, und zeigten sich in dieser Hinsicht keineswegs wählerisch, sondern wiesen nur auf ihren Leib, der allerdings stark eingefallen erschien. Ihre Piroguen hatten nicht dieselbe kunstreiche Construction wie die auf den Inseln der Freunde, auch ruderten und steuerten sie dieselben ziemlich schlecht, eine Beobachtung, welche mit einer früheren von Cook vollkommen übereinstimmt. Die meisten dieser Insulaner, mit Wollhaar und fast ebenso schwarzer Hautfarbe wie die Eingebornen von Van-Diemen, waren mit Zagaien und Keulen bewaffnet und trugen im Gürtel außerdem einen Sack mit eiförmigen Steinen, die sie mit Schleudern warfen.
Nach einem Spaziergang auf dem Lande, während sie die bienenkorbähnlichen Hütten der Einwohner untersuchten, wollten mehrere Officiere und Naturforscher nach den Schiffen zurückkehren.
»Beim Landungsplatz angekommen,« meldet der Bericht, »fanden wir etwa siebenhundert von allen Seiten zusammengelaufene Wilde vor. Sie suchten von uns im Austausch gegen ihre Habseligkeiten Webstoffe und Eisen zu erhalten, bald kennzeichneten sich aber einzelne unter diesen als die unverschämtesten Langfinger.
»Von den verschiedenen Gaunerstreichen, die sie verübten, erwähne ich hier einen, den mir selbst zwei dieser Spitzbuben spielten. Einer derselben bot mir einen kleinen Sack mit ovalen Steinen an, den er am Gürtel trug. Wir einigten uns über den Preis und er knüpfte denselben mit der einen Hand los, während er die andere zum Empfang meiner Gegengabe ausstreckte. Da stieß ein anderer hinter mir stehender Wilder einen lauten Schrei aus, um mich zu verleiten, den Kopf umzuwenden, und der erste Schurke entwich bei dieser Gelegenheit sofort mit seinem Sacke und dem dafür erhaltenen Preise und verbarg sich unter der Menge. Trotzdem, daß wir Alle bewaffnet waren, ließen wir ihn doch ungestraft laufen. Freilich war zu befürchten, daß eine solche Nachsicht von Leuten dieses Schlages nur als Schwäche angesehen und sie noch unverschämter machen würde. Die Bestätigung dieser Vermuthung ließ nicht lange auf sich warten. Mehrere derselben erlaubten sich die Frechheit, nach einem kaum zweihundert Schritte weit entfernten Officier mit Steinen zu werfen. Noch immer zögerten wir, gegen sie mit Strenge einzuschreiten, denn Forster's Bericht über sie lautete so günstig, daß es noch weiterer Beweise bedurfte, um unsere gute Meinung von der Sanftmuth ihres Charakters zu zerstören; bald sollten wir aber von dem Gegentheil überzeugt werden.
»Einer von ihnen hatte ein Stück frisch geröstetes Bein und verzehrte den Rest des noch am Knochen haftenden Fleisches, als er sich dem Bürger Piron näherte und ihn einlud, an dieser Mahlzeit theilzunehmen; in der Meinung, der Wilde biete ihm ein Stück Braten von einem Thiere an, nahm dieser den Knochen, an dem nur noch einzelne sehnige Theile saßen, und zeigte ihn mir, wobei ich sofort erkannte, daß er dem Becken eines Kindes von vierzehn bis fünfzehn Jahren angehörte. Wie zur Bestätigung deuteten uns andere in der Nähe befindliche Wilde an einem Kinde die Stelle, wo der Knochen herrührte, an und sagten ganz einstimmig aus, daß derselbe unzweifelhaft einen Theil der Mahlzeit eines Wilden gebildet habe und von ihnen als Leckerbissen betrachtet werde . . .
»Die meisten unserer Gefährten, welche während dieses Spazierganges an Bord zurückgeblieben waren, wollten unserem Bericht über den barbarischen Geschmack der Wilden keinen Glauben beimessen und konnten sich gar nicht überreden, daß Völkerschaften, von denen Cook und Forster ein so vortheilhaftes Bild entworfen, bis zu solch' abscheulichen Lastern herabgesunken wären; doch wurde es nicht schwer, auch die Ungläubigsten zu überzeugen. Ich hatte den ziemlich abgenagten Knochen mitgebracht, den unser Wundarzt ohne Besinnen für den eines Kindes erklärte, und zeigte ihn den an Bord anwesenden Eingebornen; sofort ergriff ihn gierig Einer derselben und riß mit den Zähnen die Sehnen und Knorpel ab, welche etwa noch daran hingen; ich gab ihn nachher einem Kameraden desselben, der auch noch etwas davon abzubeißen fand.«
Die an Bord gekommenen Wilden hatten nun aber so viel Gegenstände und mit einer solchen Unverschämtheit gestohlen, daß wir sie uns vom Halse schaffen mußten. Am nächsten Tage waren die Franzosen kaum an's Land gekommen, als sie wiederum Wilde bei einer Mahlzeit trafen.
Diese boten ihnen frisch geröstetes Fleisch an, das man leicht als Menschenfleisch erkannte.
Mehrere traten sogar an die Franzosen heran und »betasteten ihnen die musculösesten Theile der Arme und Beine, wobei sie mit dem Ausdrucke der Bewunderung und des Verlangens das Wort ›Karapek‹ aussprachen, was natürlich nicht dazu beitrug, uns hier geheuer zu fühlen.«
Mehrere Officiere wurden angefallen und mit beispielloser Frechheit beraubt, die letzten Absichten der Eingebornen konnten nun nicht mehr zweifelhaft sein; sie suchten sich auch der Aexte mehrerer Matrosen zu bemächtigen, die um Holz zu fällen an's Land gegangen waren, und man mußte sich entschließen, auf sie zu feuern, um sie sich vom Halse zu halten.
Solche Vorfälle wiederholten sich öfter und endigten natürlich stets mit der Flucht der Eingebornen, welche dabei schon mehrere Todte und Verwundete verloren hatten. Der Mißerfolg ihrer Versuche hinderte sie aber keineswegs an der Wiederaufnahme derselben, sobald ihnen die Gelegenheit dazu günstig erschien.
La Billardière war auch Zeuge eines schon mehrfach beobachteten Vorganges, den man lange Zeit für unmöglich gehalten hatte. Er sah nämlich die Eingebornen Speckstein verzehren. Diese Erdsubstanz dient dazu »das Gefühl des Hungers zu unterdrücken, indem sie den Magen füllt und die Eingeweide in der Nähe des Zwergfelles hält; obwohl ihr jeder eigentliche Nahrungswerth abgeht, ist sie doch sehr gebräuchlich bei jenen Völkern, die oft lange Zeit einem empfindlichen Mangel an Nahrung ausgesetzt sind, weil sie zu träge scheinen, ihre übrigens ziemlich unfruchtbaren Ländereien zu bebauen . . . Man würde gewiß nie geglaubt haben, daß Menschenfresser zu solchen Auskunftsmitteln greifen, wenn sie der Hunger quält«.
Es glückte den Seefahrern nicht, über Lapérouse während dieses Aufenthaltes in Neu-Caledonien irgend einen Aufschluß zu erhalten. Einer von Jules Garnier zuerst bekannt gemachten Sage nach, sollen sich jedoch bald nach der Anwesenheit Cook's zwei große Schiffe der Nordspitze der Pinien-Insel genähert und nach dieser Boote ausgeschickt haben.
»Nach Ueberwindung des ersten Schreckens«, sagt Jules Garnier in einer den Jahrbüchern der Gesellschaft für Geographie vom November 1869 einverleibten Abhandlung, »kamen die Eingebornen näher an die Fremdlinge heran und verkehrten friedlich mit ihnen; sie erstaunten über deren Schätze aller Art nicht wenig; die Habgier veranlaßte sie später, sich mit Gewalt der Wiederabfahrt der französischen Seeleute zu widersetzen; durch ein wohlgezieltes Gewehrfeuer, das mehrere Eingeborne zu Boden streckte, wußten diese aber jenem Verlangen entgegenzutreten. Wenig befriedigt von einem solchen ungastlichen Empfang, entfernten sich die beiden Schiffe von hier, nach dem großen Lande zu und lösten noch einen Kanonenschuß, den die Wilden für einen Donnerschlag hielten.«
Es erscheint auffallend, daß d'Entrecasteaux bei seinem Verkehr mit den Einwohnern der Pinien-Inseln von diesen Vorfällen gar nichts gehört habe. Die Inseln haben nur einen sehr beschränkten Umfang und wenig zahlreiche Bevölkerung. Die Einwohner müßten denn absichtlich ihr Zusammentreffen mit Lapérouse geheim gehalten haben.
Hätte d'Entrecasteaux auf seiner Fahrt längs des madreporischen Riffgürtels, der den Ansturm des Wassers von der Westküste Neu-Caledoniens abhält, einen der zahlreichen Durchgänge durch jene aufgefunden, so würde er auch dort Spuren von der Anwesenheit Lapérouse's bemerkt haben, jenes aufmerksamen und kühnen Seemannes, des Wettbewerbers Cook's, der an mehreren Punkten dieser Küstenstrecke gelandet war. Ein Walfischfänger, dessen Aussagen Rienzi veröffentlichte, behauptet, in den Händen der Neu-Caledonier von der französischen Expedition her Medaillen und ein Ludwigskreuz gesehen zu haben.
Jules Garnier fand noch im März 1865, bei einer Reise von Numea nach Canala, im Besitz eines Eingebornen seines Gefolges einen alten verrosteten und, wie im vorigen Jahrhundert gebräuchlich, ausgefransten Degen, der am Stichblatt Lilien zeigte.«
Von dem Eigenthümer desselben konnte man leider nichts Anderes darüber erfahren, als daß er schon lange in dessen Besitz sei.
Es ist wohl kaum anzunehmen, daß irgend ein Mitglied der Expedition den Wilden diesen Degen, und noch weniger das Ludwigskreuz geschenkt habe. Wahrscheinlich erlag ein Officier bei einem Kampfe mit jenen, und so mögen diese Gegenstände in die Hände der Wilden gelangt sein.
Diese Hypothese hat wenigstens den Vorzug der Uebereinstimmung mit der von Garnier gegebenen Erklärung der offenbaren Widersprüche, welche man in der Cook'schen und d'Entrecasteaux'schen Charakterschilderung der Einwohner von Balade findet. Nach dem Ersteren besitzen dieselben alle guten Eigenschaften und sind sanft, offenherzig und friedliebend; nach dem Anderen verunzieren sie alle Fehler und sind sie Diebe, Verräther und Menschenfresser.
Sollten nicht, wie das auch Garnier annimmt, irgend welche außerordentliche Ereignisse das Verhalten dieser Wilden zwischen jenen beiden Besuchen verändert haben? Sollte es nicht zu einem Streite gekommen sein, bei dem die Europäer gezwungen wurden, von den Waffen Gebrauch zu machen? Sollten sie nicht die Anpflanzungen derselben zerstört, ihre Hütten durch Feuer vernichtet haben? Mußte man den feindseligen Empfang, den d'Entrecasteaux hier fand, nicht einem derartigen Vorfalle zuschreiben?
La Billardière sagt bei Gelegenheit der Erzählung eines Ausfluges, den er in die, die Wasserscheide der Nordspitze Neu-Caledoniens bildenden Berge machte, von denen aus man das Meer zu beiden Seiten erblickte, unter Anderem:
»Es folgten uns nur drei Eingeborne, die uns offenbar im Jahre vorher gesehen hatten, als wir längs der Westküste ihrer Insel hinsegelten, denn bevor sie uns verließen, sprachen sie noch von zwei Schiffen, die sie an jener Küste beobachtet hätten.«
La Billardière beging den Fehler, jene hierüber nicht weiter auszufragen. Jetzt weiß man nicht, ob das die Schiffe Lapérouse's oder d'Entrecasteaux' gewesen sind, welche die Wilden wahrnahmen, und ob das wirklich »ein Jahr vorher« der Fall war.
Man erkennt hieraus, wie bedauerlich es ist, daß d'Entrecasteaux seine Nachforschungen nicht mit mehr Eifer betrieb, da er sonst unbedingt die Reste seiner Landsleute auffinden mußte. Wir werden bald sehen, daß er sie hier, wenn nicht Alle, so doch einen Theil derselben lebend aufgefunden hätte.
Während dieses Aufenthaltes war Huon de Kermadec den Anfällen eines zehrenden Fiebers unterlegen, das ihn schon mehrere Monate quälte. Im Commando der »Esperance« ersetzte ihn Hesmivy d'Auribeau.
Von Neu-Caledonien am 21. Floréal abgesegelt, kam d'Entrecasteaux nach und nach an den Inseln Moulin, Huon und der von Neu-Jersey nur durch einen Kanal getrennten Insel Santa Cruz de Mendana vorbei, in welchem Kanal die französischen Schiffe angegriffen wurden.
Im Südosten kam eine Insel in Sicht, welche d'Entrecasteaux die »Insel de la Recherche« nannte, und welche er die »Insel de la Découverte« hätte taufen können, wenn es ihm eingefallen wäre, sich ihr weiter zu nähern. Es war das die Insel Vanikoro, das von madreporischen Klippen umschlossene Eiland, an dem Lapérouse's Fahrzeuge seinerzeit Schiffbruch litten und das damals aller Wahrscheinlichkeit nach noch ein Theil der unglücklichen Seeleute bewohnte. Unseliges Verhängniß! So nah' am Ziel zu sein und es doch zu verfehlen! Aber der Schleier, der das Loos der Genossen Lapérouse's verhüllte, sollte erst nach sehr langer Zeit zerrissen werden.
Nachdem er das südliche Ende von Vera-Cruz eingehend untersucht, ohne die geringste Hindeutung auf sein ersehntes Ziel zu finden, begab d'Entrecasteaux sich nach Surville's Land der Arsaciden, dessen Südspitze er anlief; dann steuerte er nach den Küsten der Louisiaden, welche Lapérouse vom Salomons-Archipel aus hatte besuchen wollen, und nahm am 7. Prairial die Lage des Cap Délivrance auf. Dieses Cap gehört nicht zu Neu-Guinea, wie Bougainville einst annahm; es bildet vielmehr den Ausläufer einer Insel, die nach dem Namen eines der Officiere, der später der Hauptberichterstatter der Expedition werden sollte, »Insel Rossel« getauft wurde.
Nachdem er lange Zeit hindurch eine Reihe niedriger, felsiger Inseln und Untiefen, welche die Namen seiner ersten Officiere erhielten, überschifft, kreuzten die beiden Fregatten das Gestade von Neu-Guinea, in der Höhe des Cap König Wilhelm; dann wendeten sie, um in die Dampier-Meerenge einzulaufen. Nun folgte man der Nordküste Neu-Britanniens, wo man noch weiter im Norden verschiedene kleine, sehr bergige, bisher unbekannte Inseln entdeckte. Am 17. Juli fand man sich in Sicht einer kleinen Insel in der Nachbarschaft der Anachoreten.
Lange Zeit schon von Dysenterie und Skorbut ergriffen, war d'Entrecasteaux nun dem Auslöschen nahe. Erst auf die dringenden Bitten seiner Officiere entschloß er sich aber, die »Esperance« zu verlassen, um schneller nach Waigiu gelangen zu können. Bald darauf, am 20. Juli, gab er nach langem qualvollen Leiden den Geist auf.
Nach einiger Rast in Waigiu und in Bourou, wo der Resident die Franzosen sehr freundlich empfing, und einzelne Einwohner noch die Erinnerung an Bougainville bewahrt hatten, segelte die Expedition, erst unter Führung d'Auribeau's, der auch bald erkrankte, und dann unter der Rossel's durch die Straße von Bouton, ferner durch die von Saleyer und langte am 19. October vor Surabaya an.
Hier erhielten die Theilnehmer der Expedition sehr ernste Nachrichten. Ludwig XVI. war enthauptet worden und Frankreich befand sich im Kriegszustand mit Holland und allen Mächten Europas. Obwohl die »Recherche« und die »Esperance« sehr nothwendiger Reparaturen bedurften und der Gesundheitszustand der Mannschaften eine längere Rast wünschenswerth machte, traf d'Auribeau doch alle Maßregeln, um nach Isle de France zurückzukehren, als er von der holländischen Regierung aufgehalten wurde. Die Mißhelligkeiten, welche unter den Mitgliedern der Expedition zu Tage traten, da dieselben sehr verschiedenen politischen Anschauungen huldigten, ließen den Gouverneur befürchten, daß es in seiner Kolonie zu unruhigen Auftritten kommen könne, und er unterwarf seine »Gefangenen« deshalb einer wirklich erniedrigenden Behandlung. Die gespannten Verhältnisse kamen zum Ausbruch, als d'Auribeau sich bemüßigt sah, die weiße Flagge zu hissen. Dem widersetzten sich La Billardière und die meisten Officiere und Gelehrten hartnäckig, worauf die holländische Behörde sie verhaften und nach verschiedenen Häfen der Kolonie vertheilen ließ.
Bei dem am 21. August 1794 erfolgten Tode d'Auribeau's wurde Rossel der Anführer der Expedition. Er bemühte sich, die während der Fahrt angesammelten Documente jeder Art nach Frankreich zu befördern; aber von einer englischen Fregatte gefangen, wurde er entgegen allem Völkerrecht beraubt, und als Frankreich endlich in Besitz der ihm gestohlenen naturwissenschaftlichen Schätze gelangte – gestohlen ist hier kein zu hartes Wort, wenn man sich der Instruction erinnert, welche die französische Regierung betreffs des Kapitäns Cook gab – waren sie in so traurigem Zustande, daß man den davon erwarteten Nutzen nicht mehr daraus ziehen konnte.
So endete diese unglückliche Fahrt. Wenn ihr Hauptziel vollständig verfehlt wurde, so hatten ihre Theilnehmer doch einige geographische Entdeckungen gemacht oder solche anderer Seefahrer vervollständigt und berichtigt, und brachten eine reiche Ernte von Erfahrungen, Beobachtungen und neuen naturwissenschaftlichen Kenntnissen, die man meist dem Gelehrten La Billardière nach der Heimat verdankte, mit zurück.
Reise des Kapitän Marchand. – Die Marquisen. – Entdeckung von Nuka-Hiva. – Sitten und Gebräuche der Einwohner. – Die Inseln der Revolution. – Die Küste Amerikas und der Hafen von Tchititane. – Der Cox-Kanal. – Aufenthalt an den Sandwichs-Inseln. – Macao. – Deception. – Rückkehr nach Frankreich. – Bass' und Flinders' Entdeckungen an den Küsten Australiens. – Expedition des Kapitän Boudin. – Das Endrachts- und das Witt-Land. – Rast in Timor. – Untersuchung von Van-Diemens-Land. – Trennung der »Geograph« und der »Naturaliste«. – Im Port Jackson. – Die Verbrecher. – Die reichen Weiden von Neu-Süd-Galles. – Wiederankunft der »Naturaliste« in Frankreich. – Kreuzzüge der »Geograph« und der »Casuarina« nach den Ländern Nuyts', Edels', dem Endracht- und Witt-Land. – Zweiter Aufenthalt in Timor. – Rückkehr nach Frankreich.
Etienne Marchand, ein Kapitän der Handelsmarine, kam im Jahre 1788 aus Bengalen zurück, als er auf der Rhede der Insel Helena den englischen Kapitän Portlock traf. Die Unterhaltung der beiden Männer drehte sich natürlich bald um den Handel, um die geeignetsten Tauschobjecte und um die Artikel, deren Verkauf den größten Nutzen abwarf. Marchand ließ als gewiegter Mann meist den anderen sprechen und antwortete nur die wenigen Worte, welche zur Aufrechthaltung des Zwiegesprächs nothwendig erschienen. Er erhielt dabei von Portlock die interessante Mittheilung, daß Pelzwaaren, und vorzüglich Otternfelle, an der Westküste Nordamerikas sehr wohlfeil zu erhalten seien, in China aber wahrhaft fabelhafte Preise erreichten; gleichzeitig könne man sich im Himmlischen Reiche bequem passende Fracht für Europa verschaffen.
Bei der Rückkehr nach Frankreich theilte Marchand seinen Rhedern, den Herren Baux in Marseille, diese wichtigen Nachrichten mit, und jene beschlossen, sich dieselben sofort zunutze zu machen. Die Schifffahrt auf dem Pacifischen Ocean verlangte ein besonders starkes und eigenthümlich construirtes Fahrzeug. Die Herren Baux ließen also ein dreihundert Tonnen großes, mit Kupfer genageltes und beschlagenes Schiff erbauen und versahen es mit allem Nothwendigen zur Vertheidigung wie zum Angriff, zur Ausbesserung etwaiger Schäden, zur Erleichterung der Handelsoperationen und zur Erhaltung der Gesundheit der Mannschaft während dieser auf drei bis vier Jahre berechneten Reise.
Dem Kapitän Marchand, dem Befehlshaber der »Solide«, wurden zwei andere Kapitäne, Masse und Prosper Chanal, drei Lieutenants, zwei Aerzte und drei Freiwillige beigegeben; mit neununddreißig Matrosen zählte die ganze Besatzung fünfzig Mann.
Vier Kanonen, zwei Bomben, vier Steinmörser nebst der nöthigen Munition und vielen Waffen, vollendeten die Ausrüstung.
Obwohl man nach den Gewässern am Cap Horn erst im Winter gelangen konnte, segelte die »Solide« am 14. December 1790 von Marseille aus ab. Nach kurzer Rast in la Praha, an den Inseln des Grünen Vorgebirges, steuerte Marchand auf Staatenland zu, das er am 1. April 1791 erreichte, umschiffte Feuerland, und drang in den Großen Ocean ein. Kapitän Marchand's Absicht war es, sich ohne Aufenthalt nach der Westküste Amerikas zu begeben; von Anfang Mai ab zeigte sich das Wasser in den Tonnen aber derart verdorben, daß er an die Erneuerung desselben denken mußte.
Kapitän Marchand entschied sich für die Marquesas de Mendoca-Inseln unter 10° südlicher Breite und 14° westlicher Länge von Paris.
»Die Lage der genannten Inseln«, sagt Fleurieu, der einen sehr interessanten Bericht über diese Reise veröffentlicht hat, »erschien ihm um so geeigneter, als er sich, um den Calmen, auf welchen man weiter östlich zu leicht trifft, zu entgehen, von vornherein vorgenommen hatte, die Linie unter 142° westlicher Länge zu passiren.«
Von Mendoca 1595 entdeckt, war dieser Archipel im Jahre 1774 von Cook besucht worden.
Am 12. Juni kam die Insel Magdalena, die südlichste der Gruppe, in Sicht. Die vorherigen Rechnungen Marchand's und des Kapitän Chanal erwiesen sich so zutreffend, daß die »Solide« schon nach einer Fahrt von dreiundsiebzig Tagen von Cap Juan bei Staatenland aus an den Mendoca-Inseln ankerte, ohne ein anderes Land anzulaufen, und diese Sicherheit der Fahrtrichtung in einem Meere, wo die verschiedensten Strömungen alle gewöhnlichen Berechnungen und Methoden der Lagebestimmung unnütz machen, nur durch fleißige astronomische Beobachtungen gewann.
Marchand steuerte nun auf San-Pedro zu, das im Westen liegen blieb. Bald sah er Dominica-Santa-Christina und die Insel Hood, die nördlichste der Gruppe, und ging in der Bai von Madre de Dios vor Anker, wo die Eingebornen ihm unter dem tausendfach wiederholten Rufe: »Tayo! Tayo!« einen wahrhaft enthusiastischen Empfang bereiteten.
Die Unmöglichkeit, den Bedarf an Schweinen hier zu decken, bestimmte Kapitän Marchand, andere Baien der Insel Santa-Christina zu besuchen, die er mehr bevölkert, fruchtbarer und pittoresker fand als Madre de Dios.
Die Engländer verweilten früher zu kurze Zeit bei den Marquisen, um genaue und eingehende Beobachtungen über Land und Leute zu machen. Wir entlehnen hier also einige Züge der Beschreibung Etienne Marchand's.
»Die Bewohner sind groß, stark und gewandt; die Farbe ihrer Haut ist hellbraun, doch unterscheiden sich Manche kaum merklich von Europäern aus niedrigen Volksschichten. Sie kennen keine andere Bekleidung des Körpers als die mit Tätowirungen, und das Klima verlangt auch keine weitere. Diese Zeichnungen sind mit größter Regelmäßigkeit ausgeführt; die eines Armes oder Beines entspricht gewiß vollständig der des betreffenden anderen Gliedes, und diese symmetrische Buntscheckigkeit macht wirklich einen gar nicht so unangenehmen Eindruck. Die Haartracht erscheint wechselnder, und die Modegöttin herrscht auf den Marquisen ebenso unbeschränkt wie anderswo. Die Einen tragen z. B. Halsbänder von rothen Körnern, Andere eine Art Ringkragen aus kleinen leichten Holzstückchen. Obwohl man bei Männern und Frauen sieht, daß die Ohrläppchen durchlöchert sind, bemerkt man doch nicht, daß sie gewöhnt wären, etwas an dieselben zu hängen. Dagegen sah man eine junge Schöne aus Mendoca sich brüsten mit dem als Halskragen getragenen verrosteten Rasirbecken des Geistlichen der »Solide«, das diesem gestohlen worden war, und ein Mann trug ohne Scheu den Ladestock von Kapitän Marchand's Gewehr durch das Ohrläppchen gesteckt und an seiner Seite herabhängend.«
Cook behauptet, daß die »Kava« der Tahitier hier bekannt sei. Man kann dagegen nur sagen, daß sie dem, auf dem Schiffe angebotenen Branntwein den Namen der Pfefferpflanzen gaben. Sie schienen jedoch von einem derartigen Liqueur keinen übermäßigen Gebrauch zu machen, den man sah hier niemals einen Betrunkenen.
Die Engländer erwähnen nicht einer Höflichkeitsbezeugung, welche bei den Bewohnern von Madre de Dios Sitte war und deren Chanal besonders Erwähnung thun zu sollen glaubte; sie besteht darin, befreundeten Personen einen Bissen Speise schon gekaut anzubieten, damit diese ihn nur noch zu verschlucken brauchen. Man darf wohl annehmen, daß die Franzosen, so empfänglich sie auch für jeden Beweis von Gastfreundschaft seitens der Eingebornen gewesen sein mögen, doch aus bescheidenem Zartgefühl eine solche Gefälligkeit nicht mißbraucht haben werden.
Eine andere merkwürdige Beobachtung Marchand's ist die, daß ihre auf Platformen von Stein erbauten Hütten und die Stelzen, deren sie sich bedienen, darauf hinweisen, daß Santa Christina gelegentlich von Ueberschwemmungen heimgesucht wird. Man hatte Gelegenheit, eine solche recht gut gearbeitete und geschnitzte Stelze auf der letzten Pariser Ausstellung zu sehen, und verdankt Hamy, einem gründlichen Kenner alles dessen, was Oceanien angeht, eine interessante Abhandlung über dieses merkwürdige Geräth.
»Die Hauptbeschäftigung der Ureinwohner von Santa Christina, nach dem Fischfange, der gelegentlichen Herstellung von Waffen, Piroguen oder Hausgeräthen besteht darin, zu singen, zu tanzen und sich zu vergnügen. Der volksthümliche Ausdruck ›die Zeit todtschlagen‹ scheint wirklich geschaffen zu sein, um die Nichtsnutzigkeit der Beschäftigungen, mit denen sie ihr Leben ausfüllen, richtig zu kennzeichnen.«
Schon während der ersten Tage des Aufenthaltes in der Bai von Madre de Dios hatte Marchand eine Beobachtung gemacht, die ihn zur Auffindung einer Inselgruppe führte, von der die früheren Seefahrer und selbst Cook nicht die geringste Ahnung hatten. Bei Sonnenuntergang und völlig klarem Wetter bemerkte er am Horizont einen unbeweglichen Fleck, der wie ein Berggipfel aussah, eine Erscheinung, welche sich mehrere Tage hindurch wiederholte. Man konnte also gar nicht daran zweifeln, daß derselbe einem Lande angehöre, und da die Karten in der betreffenden Richtung kein solches anzeigten, mußte es wohl eine noch unbekannte Insel sein.
Als Marchand Santa Christina am 20. Juni verließ, wollte er sich hierüber Gewißheit verschaffen, und hatte die Genugthuung, im Nordwesten unter 7 Grad südlicher Breite eine Gruppe kleiner Inseln zu finden, deren größte seinen Namen erhielt. Die Einwohner gehörten allem Anscheine nach derselben Race an wie die der Marquisen. Bald darauf entdeckte man noch weitere, wie die Insel Baux, d. i. Nuka-Hiva, die Beiden Brüder, die Insel Masse und Chanal, und bezeichnete diesen Archipel, der von den Geographen den Marquisen zugerechnet wird, als die »Inseln der Revolution«.
Von hier aus schlug man nun den Kurs nach Amerika ein. Wegen der schon zu sehr vorgeschrittenen Jahreszeit konnte man nicht bis zum 60. Breitengrad nach dem »Williams-Sound« und »Cooks-River« hinaufsegeln. Marchand beschloß also, nach dem Cap del Engano zu gehen und seine Handelsgeschäfte in Dixon's Bai Norfolk, d. i. die Bai von Guadaloupe der Spanier, zu betreiben.
Am 7. August bekam man Land, und zwar das Cap del Engano zu Gesicht, und nach fünftägiger Windstille fiel der Anker in der Bai von Guadaloupe. Bisher erlag kein Mann an Bord einem Anfalle von Skorbut, nach einer Fahrt von zweihundertzweiundvierzig Tagen, von denen nur zehn für die Aufenthalte in la Praya und Madre de Dios abgehen, und einer zurückgelegten Wegstrecke von fünftausendachthundert Meilen. Gewiß ein anerkennungswerthes Resultat, das man einzig den Rhedern, welche nichts bezüglich der Gesundheit der Mannschaften vernachlässigt, und den Kapitänen verdankte, die alle von der Erfahrung bekräftigten Maßregeln durchzuführen gewußt hatten.
Während seiner Rast in dieser Bai, die bei den Landeseinwohnern Tchinkitane hieß, kaufte Marchand eine große Menge Otternfelle ein, darunter wohl hundert Stück von erster Qualität.
Die sehr kleinen Eingebornen mit untersetztem, aber wohl proportionirtem Körper und rundem flachen Gesicht haben ein abstoßendes Aussehen. Kleine, tiefliegende und triefende Augen und stark hervorspringende Backenknochen tragen natürlich nicht dazu bei, sie zu verschönern. Die Farbe ihrer Haut ist unter der dicken Kruste von Schmutz und der sie bedeckenden Mischung rother und schwarzer Substanzen nur schwer zu bestimmen. Ihr hartes, dichtes, struppiges, mit Ocker und Flaumenfedern und allerlei Unreinlichkeiten, welche Zeit und Nachlässigkeit darauf nur anhäufen können, überdecktes Haar macht ihren Anblick nur noch widerlicher.
Weniger schwarz als die Männer, erscheinen die Frauen womöglich noch häßlicher. Ihr kurzer, gedrungener Wuchs und die nach Innen gebogenen Beine stempeln sie im Vereine mit wahrhaft unerhörter Unsauberkeit zu wirklich abschreckenden Wesen. Die den Frauen einmal angeborne Coquetterie verleitet sie, zur Erhöhung ihrer natürlichen Schönheit einen ebenso wunderlichen wie unbequemen Lippenschmuck anzulegen, über den wir schon bei Gelegenheit des Verweilens Cook's in diesen Gewässern Einiges mittheilten.
»Man macht etwa sechs Linien unter dem Saum der Unterlippe einen mit dem Mund parallel verlaufenden Einschnitt und bringt in denselben zuerst einen eisernen oder hölzernen Knopf an, während mit zunehmendem Alter ein größerer fremder Körper dafür gewählt wird. So gelangt man endlich dahin, ein besonders dazu gearbeitetes Stück Holz einzusetzen, das etwa Form und Größe der Schale eines Suppenlöffels hat. Dieser seltsame Schmuck dient dazu, durch das Gewicht seines vorspringendes Theiles die Unterlippe auf das Kinn herabzuziehen und den für schön gehaltenen, weit offenstehenden Mund zu erzeugen, der nach und nach die Gestalt eines Backofens annimmt und eine Reihe gelber schmutziger Zähne bloßlegt. Da diese Löffelschale nach Belieben eingesetzt und herausgenommen werden kann, so bildet im letzteren Falle die freiliegende Querspalte der Unterlippe einen zweiten Mund, der seiner Größe nach dem natürlichen keineswegs nachsteht und bei manchen Frauen drei Zoll in der Länge mißt.«
Die »Solide« verließ die Bai von Tchinkitane am 21. August und wandte sich nach Südosten, um die im Jahre 1786 von Lapérouse gesehenen Königin Charlotten-Inseln aufzusuchen. Diese erstrecken sich über eine Länge von fast siebzig Meilen. Am 23. erreichte Etienne Marchand die Bai der Mäntel (Dixon's Cloak-Bai), deren Untersuchung Kapitän Chanal sich mit größter Sorgfalt angelegen sein ließ.
Am nächsten Tage fuhren die Schaluppen in den Cox-Kanal ein und erhandelten von den Indianern noch weitere Pelzwaaren. Die Seefahrer erstaunten da nicht wenig über den Anblick zweier, offenbar schon vor sehr langer Zeit gemalter, großer Bilder und riesiger Skulpturen, die wenn sie auch mit den Meisterwerken der Griechen nicht die entfernteste Verwandtschaft zeigten, doch einen bei diesen verwahrlosten Völkerschaften kaum erwarteten Kunstgeschmack erkennen ließen.
Das Land, welches die Bai und die Straße von Cox umgiebt, ist niedrig und mit Weiden bedeckt. Die aus Pflanzenresten und Steingerölle bestehende oberste Erdschicht scheint nur von geringer Tiefe zu sein und die Erzeugnisse gleichen ganz denen von Tchinkitane.
Die Zahl der Einwohner mag vierhundert Köpfe betragen. Ihre Gestalt weicht nicht besonders von der der Europäer ab, auch sind sie weniger häßlich als die Tchinkitanesen.
Da man in Cloak-Bai nicht so viel Pelzwerk erhalten konnte, wie Marchand wünschte, sandte er unter dem Commando des Kapitän Chanal ein Boot zur Untersuchung der südlicher gelegenen Inseln aus, und beabsichtigte damit gleichzeitig, die Lage jener noch nicht besuchten Inseln feststellen zu lassen. Nur Dixon's Schiff war früher über diese Gewässer gekommen, von seiner Besatzung aber Niemand an's Land gegangen. Es darf also gar nicht wundernehmen, wenn durch diese eingehendere Prüfung viele ältere Angaben dementirt oder doch berichtigt wurden.
Nachdem man die Einfahrt von Nootka in Augenschein genommen, segelte man nach der von Berkley; eben als die »Solide« in dieselbe aber eindringen wollte, kam ein Dreimaster zum Vorschein, der seiner eingehaltenen Richtung nach das südliche Ufer derselben anlaufen zu wollen schien, was Kapitän Marchand eben auch vorhatte. Diese Wahrnehmung veranlaßte den französischen Seefahrer, sofort nach den Küsten von China abzugehen, um seine Ladung an den Mann zu bringen, bevor das andere Schiff dorthin gelangen und ihm Concurrenz machen konnte.
Der beste Weg dahin führte über die Sandwichs-Inseln, und am 5. October sahen die Franzosen die Gipfel des Mauna-Loa und das Mauna-Koa gänzlich frei von Schnee, was mit den Angaben des Kapitän King in directem Widerspruche steht.
Nachdem er bis zur Insel O-Whyhee gelangt, befolgte Marchand die kluge Maßregel, alle seine Einkäufe nur unter Segel abzumachen. Er verschaffte sich von genannter Insel Schweine, Geflügel, Cocosnüsse, Bananen und andere Früchte, unter denen sich glücklicher Weise auch Kürbisse und Wassermelonen vorfanden, welche ohne Zweifel von den durch Cook ausgestreuten Sämereien herrührten.
Vier Tage opferte man zur Erlangung dieser Provisionen; dann ging es weiter nach China, vorüber an der Insel Tinian, eine der Mariannen.
Der Leser erinnert sich der bezaubernden Schilderung dieser Insel von Commodore Anson. Byron war seinerzeit, wie wir anführten, höchst erstaunt, dieselbe ganz verändert zu finden. Fünfzig Jahre früher stand Tinian nämlich in hoher Blüthe und zählte wohl dreißigtausend Einwohner. Aber eine durch die spanischen Eroberer eingeschleppte epidemische Krankheit richtete unter der Bevölkerung ungeheure Verheerungen an, und die übrig gebliebenen Bewohner wurden darauf von hier weg nach Guaham übergeführt.
Marchand landete in Tinian nicht, da dieses nach Aussage aller Reisenden, welche seit Byron hierher gekommen waren, sich in vollkommen verwildertem Zustande befand, sondern schlug vielmehr einen Kurs nach der Südspitze von Formosa ein.
In Macao, das er am 28. November erreichte, erhielt Marchand sehr niederschlagende Nachrichten. Die chinesische Regierung hatte eben unter Androhung der strengsten Strafen jede Einfuhr von Pelzwaaren in den südlichen Häfen des Reiches verboten. Niemand wußte, ob das der Clausel eines geheimen Vertrages mit Rußland entsprach, oder ob das Verbot nur ein Ausfluß der Habgier einzelner Mandarinen war; jedenfalls erschien es aber ganz unmöglich, dasselbe zu umgehen.
Marchand schrieb nach Canton an die Vertreter der Firma Baux. Auch in dieser Stadt galt dasselbe Verbot, und man durfte gar nicht daran denken, etwa nach Whampoa hinaufzusegeln, wo das Schiff einen Eingangszoll von mindestens sechstausend Piastern hätte bezahlen müssen.
Etienne Marchand blieb nichts Anderes übrig, als nach Isle de France und von da nach Marseille, seinem Ausgangshafen, zurückzusegeln. Er entschloß sich dazu, wenn auch ungern. Wir haben keine Ursache, uns bei dieser Reise aufzuhalten, welche ganz in gleicher Weise verlief wie die meisten Fahrten dieser Art.
Welche wissenschaftlichen Ergebnisse lieferte nun die Reise? Von geographischem Gesichtspunkte aus nur sehr dürftige und diese lassen sich dahin zusammenfassen:
Die Entdeckung eines Theiles der Marquisen, welcher Cook und seinen Vorgängern entgangen war; eingehendere Kenntnisse der Sitten und Gebräuche der Bewohner von Santa Christina in dem nämlichen Archipel, ferner der Baien Tchinkitane und der Mäntel, sowie der Königin Charlotten-Inseln an der Küste Amerikas. Für eine speciell dazu ausgesendete Expedition wäre das sehr wenig gewesen, für ein von Privat-Rhedern ausgerüstetes Fahrzeug durfte man es viel nennen. Gleichzeitig hatten die Kapitäne Marchand, Chanal und Masse alle neueren Beobachtungs- und Messungsmethoden so erfolgreich anzuwenden verstanden und alle Berichte ihrer Vorgänger mit solchem Fleiße benützt, daß es ihnen gelang, ihre Route mit einer bisher ungekannten Genauigkeit einzuhalten. Andererseits trugen sie wieder durch die Verläßlichkeit ihrer Karten und Aufnahmen nicht wenig zur Aufklärung ihrer Nachfolger bei.
Nicht so günstig scheinen sich die Umstände gestaltet zu haben bezüglich der Veröffentlichung des Berichtes über eine von der französischen Regierung einige Jahre später ausgesendete Expedition zur Erforschung der Küsten von Australien. Trotz der reichen Ergebnisse der Fahrt des Kapitän Nikolaus Baudin muß über dieser Expedition bis zum heutigen Tage ein gewisser Unstern walten, und alle Verfasser von biographischen Wörterbüchern und Reisebeschreibungen müssen sich das Wort gegeben haben, derselben so wenig wie möglich Erwähnung zu thun.
Seit dem Tage, da Tasman die Westküste Neu-Hollands entdeckte, hatte die Kenntniß des ungeheuren geheimnißvollen Landes schon wesentliche Fortschritte gemacht. Cook untersuchte seiner Zeit die ganze Ostküste desselben, die Endeavour-Straße und empfahl seiner Regierung mit großer Wärme die Vortheile, welche eine Niederlassung in Botany-Bai bieten müßte. Im Jahre 1788 legte dann Philipp den ersten Grundstein zu Port Jackson und zu der Herrschaft der Engländer in diesem fünften Erdtheile.
In den Jahren 1795 und 1796 untersuchten der Midshipman Flinders und der Chirurg Bass mit einem elenden Boote, der »Tom-Pouce«, den Georgs-Fluß in einer Ausdehnung von 20 Meilen und erforschten eine lange Küstenstrecke sehr eingehend.
Bass meldete dann 1797 das Vorhandensein eines geräumigen Hafens, den er seiner Lage wegen »Western« genannt hatte.
»Nun gingen seine Provisionen zu Ende,« sagt Desborough Cooley, »und trotz des brennenden Verlangens, eine genaue und eingehende Untersuchung seiner neuen Entdeckung vorzunehmen, sah er sich zur Umkehr genöthigt. Er hatte nur für sechs Wochen Mundvorrath mitgenommen, mit Hilfe von Fischen und Seevögeln, die er hier in Menge fand, seine Reise, von der er gleichzeitig zwei Verbrecher wieder mit heimführte, aber doch noch fünf Wochen länger auszudehnen vermocht. Diese Fahrt von sechshundert Meilen in ungedecktem Boote gehört zu den merkwürdigsten, die man überhaupt kennt. Sie wurde auch nicht unter dem Druck zwingender Nothwendigkeit, sondern nur in der Absicht unternommen, bisher unbekannte und gefährliche Küstenstrecken näher kennen zu lernen.«
In Begleitung Flinders' entdeckte Bass ferner 1798 die Meerenge, welche noch heute seinen Namen trägt und Tasmanien von Neu-Holland trennt, während er mit einem Schooner von fünfundzwanzig Tonnen ganz Van-Diemens-Land umschiffte. Die Aufschlüsse, welche die beiden kühnen Forscher über die Flüsse und Häfen des Landes gaben, übten auf die spätere Kolonisation desselben einen sehr weitreichenden Einfluß. Bass und Flinders fanden bei ihrer Rückkehr nach Port Jackson auch eine wirklich begeisterte Aufnahme.
Nach England heimgekehrt, erhielt Flinders mit dem Patente eines Schiffslieutenants das Commando der »Investigator«, eines speciell für Entdeckungsfahrten an den Küsten Australiens ausgerüsteten Fahrzeuges, mit dem er die südlichen und nordwestlichen Küsten, den Carpentaria-Golf und die Torres-Straße befahren sollte.
Die Berichte Cook's und d'Entrecasteaux' über Neu-Holland erregten seinerzeit auch in Frankreich die öffentliche Aufmerksamkeit. Ein eigenartiges Land mit fremden Erzeugnissen der Thierwelt, bald bedeckt mit riesigen Eukalyptus-Wäldern, bald entsetzlich kahl, nur mageres Dorngestrüpp ernährend, sollte sich dieser Continent noch lange unseren neugierigen Blicken verbergen und den Forschern fast unüberwindliche Hindernisse entgegensetzen.
Da verlieh das Institut der öffentlichen Meinung Ausdruck und verlangte von der Regierung die Absendung einer Expedition nach jenen Ländern. Nach dem Vorschlage desselben wurden vierundzwanzig Gelehrte erwählt, dieselbe zu begleiten.
Noch niemals gab man dieser Abtheilung bei einer Entdeckungsfahrt eine solche Ausdehnung und noch niemals wendete man auf ihre Ausrüstung so umfängliche Mittel. Astronomen, Geographen, Mineralogen, Botaniker, Zoologen, Zeichner, Gärtner, Alle waren doppelt, drei-, ja sogar fünffach vertreten.
Unter diesen Gelehrten befanden sich z. B. Leschenaut de Latour, François Péron und Bory de Saint-Vincent. Officiere und Matrosen wurden mit größter Sorgfalt ausgewählt. Von den ersteren kennen wir François André Baudin, Peureux de Mélay, Hyacinthe de Bougainville, Charles Baudin, Emmanuel Hamelin, Pierre Milus, Mangin, Duval d'Ailly, Henri de Freycinet, welche es Alle bis zum Grade eines Contre-Admirals oder Admirals brachten, ferner Le Bas Sainte-Croix, Pierre Guillaume Gicquel, Jacques Philippe Montgéry, Jacques de Cricq, Louis de Freycinet, Alle spätere Schiffskapitäne.
»Wenn diese Zusammenstellung der Theilnehmer und das Ziel der Reise wichtige Resultate in Aussicht stellten,« lautet der Bericht, »so schien der dabei einzuhaltende Operationsplan diese noch weiter zu sichern. Alles was die Erfahrung anderer Seefahrer bis zum heutigen Tage über die Gegend, welche wir besuchen sollten, gelehrt hatte, Alles, was die Theorie bot oder reiflichere Ueberlegung daraus folgern, respective hinzufügen konnte, war als Grundlage zu dieser Arbeit benützt worden. Die unregelmäßigen Winde, die Monsune und Strömungen waren mit solcher Genauigkeit berechnet, daß die Hauptquelle der uns zugestoßenen Widerwärtigkeiten auf die Abweichung von jenen ersten ausgezeichneten Vorschriften zu verschieben ist.«
Nach Ausrüstung eines dritten Fahrzeuges von geringem Tiefgang sollten die Reisenden, von Isle de France ausgehend, ganz Van-Diemens-Land, die Meerenge d'Entrecasteaux', Bass' und Bank's besuchen, nachher und nach Feststellung der Lage der Hunter-Inseln, hinter die Saint-Pierre- und Saint-François-Inseln eindringen, den von diesen verdeckten Continent erforschen und dort der Meerenge nachspüren, welche, wie man glaubte, eine Verbindung mit dem Carpentaria-Golfe herstellte und Neu-Holland in zwei Theile schied.
Nach Vollendung dieses ersten Abschnittes der Fahrt sollten Leuwin's-, Edels'- und Endrachts-Land in Augenschein genommen werden; ferner galt es, den Schwanenstrom so weit als möglich hinauf zu fahren, eine Karte der Insel Rottnest und des dabei liegenden Küstenstriches zu entwerfen, die Erforschung der Seehunds-Bai zu vervollständigen, gewisse Punkte des Witts-Landes genauer aufzunehmen und endlich von der Küste des Norwest-Caps aus nach Timor in den Molukken zu segeln, wo man der wohlverdienten Ruhe genießen sollte.
Wenn sich die Mannschaften von ihrer Anstrengung erholt, sollte die Küste Neu-Guineas besucht werden, um zu sehen, ob dasselbe nicht durch einzelne Wasserstraßen in mehrere Inseln getheilt sei, ferner war vorgeschrieben, den Carpentaria-Golf bis zum Grunde zu erforschen, einige Theile des Arnheim-Landes zu besichtigen und endlich nach Isle de France zu steuern, um von da aus nach Europa heimzukehren.
In diesem weitaussehenden, wohldurchdachten Programme erkannte man leicht dieselbe Hand, welche früher schon die Instructionen für Lapérouse und d'Entrecasteaux entwarf. Die Resultate mußten, wenn sie irgend mit Geschick durchgeführt wurden, jedenfalls bedeutend sein.
In Havre waren eine große Corvette von dreißig Kanonen, die »Géographe« und ein großes Transportschiff, die »Naturaliste« für diese Fahrt ausgerüstet worden. Für reichliche und ausgezeichnete Provisionen wurde nach Kräften gesorgt; die Instrumente für physikalische und astronomische Beobachtungen rührten von den berühmtesten Fabrikanten her; jedes Schiff erhielt eine vortreffliche Bibliothek der besten Werke, höchst schmeichelhafte Empfehlungsbriefe von allen Regierungen Europas, unbeschränkten Credit auf allen Plätzen Asiens und Afrikas. Mit einem Worte, man hatte Alles gethan, den Erfolg dieser wichtigen Expedition zu sichern.
Unter den lauten Glückwünschen einer zahllosen Menschenmenge verließen die beiden Schiffe Havre am 19. Oktober 1800. Eine kurze Zeit verweilten die Reisenden im Hafen von Santa-Cruz auf Teneriffa, begaben sich dann ohne Aufenthalt nach Isle de France, wo sie am 25. April 1801 mehrere Officiere zurückließen, welche zu schwer erkrankt waren, um die Fahrt weiter mit fortsetzen zu können.
Dieser Anfang wirkte eben nicht ermuthigend. Die Unzufriedenheit nahm noch zu bei der Verbreitung der Nachricht, daß man nur ein halbes Pfund frisches Brot per Woche habe, daß die Weinration durch dreisechszehntel Flasche eines schlechten Tafia von Isle de France ersetzt werden würde, und daß Zwieback und Pökelfleisch die Hauptnahrung der späteren Zeit bilden solle. Diese vorzeitigen Maßregeln wurden zur Quelle mancher Krankheiten der Mannschaften und der Mißstimmung der meisten wissenschaftlichen Theilnehmer der Reise.
Die Ueberfahrt von Europa nach Isle de France und der lange Aufenthalt an letzterer Insel hatten einen Theil der günstigen Jahreszeit schon geraubt. Da Baudin sich jetzt nicht nach Van-Diemens-Land zu begeben wagte, entschloß er sich, die eigentliche Forschungsreise mit der Nordwestküste Neu-Hollands zu beginnen. Er überlegte dabei freilich nicht, daß er in diesem Falle immer nach Süden zu segeln mußte und mit dem Fortschritt der rauhen Jahreszeit stets gleichmäßig in immer ungünstigere Verhältnisse gerieth.
Am 25. Mai kam die Küste Neu-Hollands in Sicht. Sie erschien niedrig, dürr und sandig. Nach und nach besuchte und benannte man die »Bai der Géographe«, das »Cap der Naturaliste«, die Depuch-Bucht und die Piquet-Spitze. An letzterem Punkte gingen die Naturforscher an's Land und brachten eine reiche Ernte an Pflanzen und Muscheln zurück. Inzwischen trieb jedoch der schwere Seegang die beiden Schiffe von einander, und fünfundzwanzig Mann der Besatzung mußten mehrere Tage am Lande ausharren, ohne ein anderes Getränk als abscheuliches Brackwasser und ohne die Möglichkeit, sich Wild oder Geflügel erlegen zu können, so daß ihnen nur eine sehr elende, viel kohlensaures Natron und einen scharfen Saft enthaltende Nahrung, über deren Natur man nicht recht klar geworden ist, übrig blieb.
Man sah sich auch gezwungen, eine von den Wogen an's Ufer geworfene Schaluppe mit Gewehren, Säbeln, Cartouchen, Tauen, Hißleinen und einer Menge anderer Gegenstände im Stich zu lassen.
»Dieser Unfall wurde um so bedauernswerther,« sagt der Bericht, »weil dabei einer der besten Matrosen der ›Naturaliste‹, ein gewisser Vasse aus Dieppe, umkam. Dreimal von der Brandung zurückgeschleudert, wenn er im Begriff war, in ein Boot zu klettern, verschwand er zuletzt in derselben, ohne daß es uns möglich gewesen wäre, ihm helfen zu können oder uns wenigstens von seinem Tode zu überzeugen, so heftig gingen die Wogen und so undurchdringlich war die Finsterniß.«
Dieses schlechte Wetter sollte leider längere Zeit andauern. Der Wind blies meist stoßweise; unaufhörlich rieselte ein feiner Regen nieder und im dichten Nebel verlor man bald die »Naturaliste« aus dem Gesicht, die man erst bei Timor wiederfinden sollte.
Kaum an der Insel Rottnest angelangt, die von Kapitän Hamelin im Fall einer Trennung als Sammelplatz bezeichnet war, befahl Baudin zum Erstaunen Aller, nach der Seehunds-Bai in Endrachts-Land abzusegeln.
Dieser ganze Theil Neu-Hollands bildet nur eine Reihe niedriger, im Niveau gleicher, sandiger, unfruchtbarer, röthlicher oder grau gefärbter Küsten, welche da oder dort von oberflächlichen Vertiefungen zerspalten sind, steil in's Meer abfallen und von unnahbaren Riffen vertheidigt werden, wodurch sie den, ihnen von den Ingenieur-Hydrographen Boullanger gegebenen Namen, die »Eisenküste«, vollkommen rechtfertigen.
Von der Insel Dirik-Hatichs, am Anfang des Endrachts-Landes, wurden die Inseln Doore, Bernier, wo man Kängurus in ganzen Gesellschaften begegnete, und die Dampier-Rhede in Augenschein genommen bis zur Seehunds-Bai, welche man gründlich untersuchte.
Nach dem Endrachts-Land, das keinerlei Hilfsquellen bot, folgte die Expedition dem Witt-Land, in einer Ausdehnung von zehn Breiten- und fünfzehn Längengraden zwischen dem Nordwest-Cap und dem Arnheim-Land, in seiner ganzen Küstenentwicklung. Dabei trafen die Seefahrer die gewöhnlichen Unfälle und drohten ihnen dieselben Gefahren wie ihren Vorgängern, während sie nach und nach die Inseln »L'Hermite«, »Forestier«, das vulkanische »Dupuch«, die »Basses der Géographe«, eine nur mühsam umgangene Untiefe, ferner die Inseln »Bedout«, »Lacépède«, die Caps »Borda« und »Mollien«, endlich die Inseln »Champagny«, »d'Arcole«, »Freycinet«, »Lucas« und andere mehr auffanden und tauften.
»Inmitten dieser zahlreichen Inseln«, heißt es in dem Bericht, »bietet sich nirgends ein freundliches Bild; der Erdboden ist kahl; der brennende Himmel stets rein und wolkenlos; die Wellen werden nur durch nächtliche Unwetter in Bewegung gesetzt; der Mensch scheint diese trostlosen Gestade gemieden zu haben, nirgends wenigstens begegnet man auch nur einer Spur seines Verweilens oder seiner Gegenwart.
»Erschreckt von dieser sozusagen häßlichen Einöde und von fortwährenden Gefahren bedroht, wendet der Schiffer die müden Augen ab von dem unglücklichen Lande, und wenn er dann bedenkt, daß diese ungastlichen Inseln die Grenznachbarn derer des großen asiatischen Archipels sind, über den die Natur ihre Schätze und Wohlthaten mit wahrhaft verschwenderischer Hand ausstreute, so begreift er kaum, wie eine so jämmerliche Unfruchtbarkeit neben jener überschwenglichen Ueppigkeit bestehen kann.«
Die Auskundschaftung dieser trostlosen Küste endigte mit der Entdeckung des Bonaparte-Archipels unter 13° 15' südlicher Breite und 123° 30' östlicher Länge von Paris.
»Die erbärmlichen Nahrungsmittel, auf welche wir seit der Abfahrt von Isle de France beschränkt waren, zerrütteten allmälich auch die festeste Gesundheit. Der Skorbut begann aufzutreten und mehrere Matrosen lagen schwer an demselben darnieder. Unser Wasservorrath ging zu Ende, und wir hatten doch die Ueberzeugung gewonnen, daß an eine Erneuerung desselben an diesen traurigen Gestaden nicht zu denken sei. Dazu nahte die Zeit des Monsunwechsels, und die Stürme, welche er stets mit sich führt, durfte man an dieser Küste unmöglich erwarten; endlich mußten wir uns auch wieder eine Schaluppe verschaffen und mit der ›Naturaliste‹ zusammenzutreffen suchen.
»Alle diese Beobachtungen bestimmten denn auch den Commandanten, nach der Insel Timor zu steuern, wo er am 22. August auf der Rhede vor Coupang vor Anker ging.«
Wir übergehen hier die Einzelheiten des Empfangs, welchen die Reisenden fanden. Das Herz erquickt sich wohl immer an einem freundlichen Umgang; doch wenn die Erinnerung daran für Den, der einen solchen selbst erlebte, stets werthvoll bleibt, so entbehrt die Wiedererzählung solcher Dinge doch des Reizes für den nicht interessirten Leser. Mehr in's Gewicht fällt es, zu wissen, daß die ganze Mannschaft der Ruhe gar dringend bedurfte, und daß zehn, vom Skorbut heftig ergriffene Leute an's Land geschafft werden mußten. Wie viele Andere mochte es noch geben, deren geschwollenes, blutendes Zahnfleisch den bedrohten Zustand ihres Organismus verrieth!
Wenn der Skorbut aber auch den in solchen Fällen gebräuchlichen Arzneimitteln bald wich, so trat dafür leider die Dysenterie auf, welche binnen wenig Tagen achtzehn Mann auf's Lager streckte.
Am 21. December endlich erschien die »Naturaliste«; sie hatte in der Seehunds-Bai, dem von Baudin bestimmten Stelldichein, geduldig auf die »Géographe« gewartet, welche doch nicht erschien. Die Officiere hatten aber diese lange Muße wenigstens benutzt, um specielle Pläne der Küste, der Rottnest-Inseln und des Schwanen- und Abrolhos-Stromes zu entwerfen.
Auf der Insel Dirck-Hatichs fand Kapitän Hamelin auch zwei holländische, auf Zinnteller eingravirte Inschriften. Die eine meldete das Vorüberkommen des Schiffes »Eendraght« von Amsterdam am 25. October 1616; die andere den Aufenthalt der »Geelwinck«, unter Führung des Kapitän Vlaming, im Jahre 1697.
Aus den Aufzeichnungen der »Naturaliste« geht hervor, »daß die vermeintliche Seehunds-Bai eine große Einbuchtung von nahezu fünfzig Meilen Tiefe bildet, wenn man vom Cap Cuvier nördlich bis zum Ende des Freycinet-Golfes rechnet; daß ihre ganze östliche Umgebung vom Festlande gebildet wird, während die westliche aus den Inseln Koks, Bernier, Doore, Dirck-Hatichs und wiederum einem Theil des Festlandes besteht. In der Mitte dieses tiefen Einschnittes drängt sich die Halbinsel Péron vor, von der östlich und westlich die Häfen Hamelin und Henri Freycinet gelegen sind.«
Die Krankheiten, deren Beute die unglücklichen Seefahrer wurden, bewirkten nur eine vorübergehende Besserung in dem gespannten Verhältnisse zwischen dem Commandanten Baudin und seinem Officierscorps. Er selbst unterlag einem so heftigen unregelmäßigen Fieber, daß man ihn einmal mehrere Stunden für todt hielt. Das hinderte ihn aber nicht, acht Tage nach seiner Wiedergenesung einen seiner Offeriere, den Schiffsfähnrich Picquet, verhaften zu lassen, dem doch die Stäbe beider Fahrzeuge die schmeichelhaftesten Beweise ihrer Freundschaft und Hochachtung zu Theil werden ließen. Nach der Rückkehr nach Frankreich wurde Picquet zum Schiffslieutenant ernannt. Ein Beweis, daß er damals nicht schuldig war.
Kapitän Baudin hatte den ihm von Institut übergebenen Operationsplan gerade auf den Kopf gestellt. Er mußte also jetzt nach Van-Diemens-Land segeln. Von Timor am 13. November 1801 abgefahren, bekamen die Franzosen – genau zwei Monate später – die Südküsten dieser Inseln zu Gesicht. Noch immer herrschte die genannte Krankheit in aller Strenge und es fielen ihr nicht Wenige zum Opfer.
Die beiden Fahrzeuge steuerten in die d'Entrecasteaux-Straße ein, eine Meerenge, welche Tasman, Furneaux, Cook, Marion, Hunter und Bligh entgangen war, und deren Entdeckung nur als Folge eines Irrthums zu betrachten ist, der beinahe recht unheilbringend geworden wäre.
Man hatte angehalten, um den Wasservorrath zu erneuern. Mehrere Boote waren schon zur Aufsuchung von Quellen abgefahren.
»Um neuneinhalb Uhr«, sagt Péron, »befanden wir uns am Eingang des Schwanen-Hafens. Von allen mir während unserer langen Reise zu Gesicht gekommenen Oertlichkeiten erschien mir dieser am schönsten und angenehmsten. Sieben Bergzüge, die sich stufenweise hintereinander nach dem Innern erhoben, bildeten den Hintergrund des Hafens. Zur Rechten und Linken umgürteten ihn mäßig hohe Hügel, welche eine Menge abgerundeter Vorsprünge und romantischer Buchten darstellen. Ueberall prangten die herrlichsten Erzeugnisse der Pflanzenwelt; am Ufer standen die prächtigsten Bäume so dicht, daß man in die von ihnen gebildeten Wälder kaum einzudringen vermochte. Unzählige Schwärme von Papageien und in lebhaften Farben schimmernde Kakadus wiegten sich über ihren Gipfeln, und reizende Meisen mit lasurblauem Halse flatterten darunter im Schatten. Das Wasser im Hafen war ausnehmend ruhig und kaum gekräuselt von den zahlreichen Schwärmen schwarzer Schwäne, welche darüber hinglitten.«
Nicht alle zur Aufsuchung eines Wasserplatzes ausgesendeten Abtheilungen kehrten so befriedigt von dem Zusammentreffen mit Eingebornen zurück, wie die Péron's. So begegnete z. B. Kapitän Hamelin, begleitet von Leschenaut, Petit und verschiedenen Officieren und Matrosen, einigen Bewohnern des Landes, denen er mancherlei Geschenke machte. Als sie ihr Boot wieder besteigen wollten, wurden sie zum Dank mit einem Hagel von Steinen überschüttet, von denen einer den Kapitän Hamelin ziemlich schwer verwundete. Obwohl die Wilden ihre Zagaien schwangen, und überhaupt eine drohende Haltung annahmen, enthielt man sich doch der Versuchung, auf sie Feuer zu geben. Ein seltenes Beispiel von Mäßigung und Menschlichkeit!
»Admiral d'Entrecasteaux' geographische Arbeiten über Van-Diemens-Land«, heißt es in dem Berichte, »sind schon so vollkommen, daß es schwer sein möchte, irgend etwas zu finden, was sie überträfe, und Beautemps-Beaupré, der Verfasser derselben, hat sich damit unbestreitbare Vorrechte auf die Achtung seiner Landsleute und die Dankbarkeit der Seefahrer aller Länder erworben. Ueberall, wo die Umstände dem geschickten Ingenieur nur gestatteten, eingehendere Untersuchungen vorzunehmen, hat er seinen Nachfolgern nirgends eine noch auszufüllende Lücke gelassen. Wir meinen hierbei vorzüglich den d'Entrecasteaux-Kanal und die vielen mit ihm in Verbindung stehenden Buchten und Häfen. Leider kann man nicht dasselbe sagen von dem Theil von Van-Diemens-Land, der im Nordosten jenes Kanals liegt und dem die Boote des französischen Admirals nur einen oberflächlichen Besuch abstatteten.«
Die Hydrographen ließen sich nun die Erforschung dieser Küstenstrecke besonders angelegen sein, um die eigenen Beobachtungen mit denen ihrer Landsleute in Verbindung zu setzen und so ein Ganzes zu schaffen, das nichts mehr zu wünschen übrig ließe. Diese Arbeiten, welche die früheren d'Entrecasteaux' theils berichtigten, theils vervollständigten, hielten die Schiffe bis zum 5. Februar zurück. Dann wandten sie sich zur Besichtigung der Südostküste von Van-Diemens-Land. Die Fahrt verlief unter den gewöhnlichen Verhältnissen und bietet in ihrem Ergebniß nur dem Geographen von Fach einiges Interesse. Trotz der Wichtigkeit der mit großer Sorgfalt ausgeführten Aufnahmen halten wir uns nicht weiter dabei auf, außer wo sich die Gelegenheit bieten wird, einen besonderen einzelnen Vorfall zu erzählen.
Die »Naturaliste« und die »Géographe« besuchten nun die Ostküste Tasmaniens, nebst der Banks- und Bass-Straße.
»Am 26. März des Morgens kamen wir in großer Entfernung an den Taillefer-Eilanden und der Insel Schouten vorbei. Gegen Mittag befanden wir uns dem Cap Forster gerade gegenüber, als unser Ingenieur-Geograph Boullanger in einem von Maurouard befehligten Boot abstieß, um die Küste aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen. Das Schiff sollte in einer, der des Bootes parallelen Richtung nachfolgen und jenes niemals aus den Augen lassen; Boullanger hatte uns aber kaum eine Viertelstunde verlassen, als der Commandant ohne allen erklärlichen Grund seewärts wenden ließ und sich entfernte, so daß das Boot sehr bald unseren Blicken entschwand. Erst in der Nacht hielt man wieder auf's Land zu. Inzwischen war eine kräftige Brise aufgesprungen, welche jede Minute auffrischte; wir schwankten hin und her, die Nacht sank herab und entzog unseren Blicken die Küste, an der unsere unglücklichen Gefährten zurückgelassen worden waren.«
Vergeblich suchte man die drei folgenden Tage nach ihnen.
Klingt nicht durch diese so gemäßigten Worte des Berichtes ein begründeter Unwille über das Verfahren des Commandanten Baudin hindurch? Was konnte er damit beabsichtigen? Was nützte ihm das Verlassen der Matrosen und zweier Officiere? Dieses Geheimniß lüftete der Bericht Péron's leider nach keiner Seite. Mit dem Eindringen in die Straße Bank's und Bass' kam man eigentlich dem Letztgenannten und Flinders in's Gehege, welche diese Gegend zu ihrer ausschließlichen Domaine und zum Schauplatz wichtiger Entdeckungen gemacht hatten. Als die »Géographe« jedoch vom 29. März 1802 der Südwestküste Neu-Hollands folgte, kannte man zunächst nur den Theil derselben zwischen Cap Leuwin und den Inseln Saint-Pierre und Saint-François, d. h. der Strich zwischen der Ostgrenze des Nuyts-Landes bis zum Port Western war noch von keinem europäischen Fuße betreten worden.
Die Wichtigkeit dieser Fahrt leuchtet ein, wenn man bedenkt, daß es sich um Aufklärung darüber handelte, ob Neu-Holland eine einzige große Insel bilde und ob an dieser Seite nicht große schiffbare Flüsse in's Meer fielen.
Nach und nach wurden die Inseln Latrille, das Cap Mont-Thabor, Cap Folard, die Decartes-Bai, das Cap Boufflers, die Bai d'Estaing, die Bai Rivoli und Cap Monge entdeckt und benannt. Eben hatte man eine überraschende Menge Delphine gefangen, als am fernen Horizont ein Segel auftauchte. Zuerst glaubte man, es sei die »Naturaliste«, von der man während des heftigen Sturmes in der Nacht vom 7. zum 8. März getrennt worden war. Da das Fahrzeug gerade den entgegengesetzten Kurs einhielt, befand es sich bald der »Géographe« gegenüber. Da hißte es die englische Flagge. Es war die »Investigator«, seit acht Monaten unter dem Befehle Flinders' unterwegs von Europa, um die Entdeckung Neu-Hollands zu Ende zu führen. Seit drei Monaten schon untersuchte auch Flinders die Küste Australiens, wobei er ebensoviel wie die Franzosen von Stürmen und Unwettern zu leiden gehabt hatte; eines der letzteren hatte ihm in der Bass-Straße den Verlust eines Bootes nebst acht Mann und seinen ersten Officier gekostet.
Nun besuchte die »Géographe« Cap Crétet, die etwa zwanzig Meilen lange Halbinsel Fleurieu, den von Flinders sogenannten Saint-Vincent-Golf, die Insel der Kängurus, die Altorpe-Inseln, den Spencer-Golf, an dessen Westseite sich der Lincoln-Hafen, einer der schönsten und sichersten Häfen befindet, die Neu-Holland überhaupt besitzt. Zur Vervollständigung dieser hydrographischen Reise wäre es nur nothwendig gewesen, hinter den Inseln Saint-Pierre und Saint-François einzudringen, wie das auch die dem Kapitän Baudin übergebenen nautischen Instructionen empfahlen; das stürmische Wetter verhinderte aber jeden derartigen Versuch, dessen Ausführung also späteren Unternehmungen überlassen bleiben mußte.
Unter den Gelehrten machte sich nun auch der Skorbut bemerkbar. Kaum die Hälfte der Matrosen war noch diensttüchtig. Nur zwei Steuerleute hielten sich noch auf den Füßen. Wie konnte man das auch ohne Wein oder Branntwein anders erwarten, da zur Löschung des Durstes nichts vorhanden war als fauliges Wasser in unzureichender Menge, und als Nahrung weiter nichts als von Insecten zerfressener Schiffszwieback und halbverfaultes Pökelfleisch, dessen Geruch und Geschmack schon Ekel erzeugten.
Nun begann für die südliche Halbkugel auch die Zeit des Winters. Mehr als je bedurfte die Mannschaft der Ruhe. Der nächste sichere Platz zum Rasten war Port Jackson und der kürzeste Weg dahin führte durch die Bass-Straße. Baudin, der es sich zur Aufgabe zu machen schien, niemals bekannte Wege einzuschlagen, gab aber Befehl, die Südspitze von Van-Diemens-Land zu umschiffen.
Am 20. Mai fiel der Anker in der Bai der Aventura. Die Kranken, welche sich noch fortschleppen konnten, wurden an's Land gebracht, wo man reichlich Wasser fand. Auf den stürmischen Meeren war es jetzt nicht mehr auszuhalten; ein dicker Nebel verhüllte Alles rings umher und die Nachbarschaft der Küste verrieth sich nur durch das entsetzliche Toben der Wellen, die sich an den Felsen brachen. Die Zahl der Kranken nahm zu. Jeden Tag verschlang der Ocean ein neues Opfer. Am 4. Juni konnten nur noch sechs Mann auf Deck erscheinen und es wüthete dazu ein wahrhaft unerhörter Sturm.
Noch einmal sollte indeß die »Géographe« dem Untergange entgehen.
Am 17. Juni wurde ein Schiff gemeldet, welches den Seefahrern die Nachricht brachte, daß die »Naturaliste«, nachdem sie ihr Schwesterschiff vergeblich in Port Jackson erwartet, nun zur Aufsuchung desselben abgesegelt, daß das verlorne Boot von einem englischen Fahrzeuge aufgefunden und dessen Mannschaft nun auf der »Naturaliste« untergebracht worden sei. Die »Géographe« hatte man in Port Jackson, wo für sie Hilfsmittel aller Art bereit gemacht worden waren, mit größter Sehnsucht erwartet.
Seit drei Tagen kreuzte die »Géographe« vor Port Jackson, ohne daß es bei der Kraftlosigkeit der Matrosen möglich gewesen wäre, daselbst einzulaufen, als eine englische Schaluppe vom Lande stieß und außer einem Lootsen die nöthige Mannschaft zuführte, um dieses Manöver endlich auszuführen.
»Von einer kaum zwei Meilen breiten Einfahrt«, sagt der Bericht, »verbreitert sich Port Jackson zu einem geräumigen Bassin mit hinreichender Wassertiefe für die größten Schiffe und bietet so viel Raum, daß er eine ganze Flotte bergen könnte; tausend Linienschiffe müßten hier bequem manövriren können, hatte sich Commodore Phillip geäußert.
»In der Mitte des prächtigen Hafens und an seiner Südseite, an einer besonderen geräumigen Bucht, erhebt sich die Stadt Sydney. Am Abhang zweier benachbarter Hügel gelegen und ihrer ganzen Länge nach von einem kleinen Flusse durchschnitten, bietet diese aufblühende Stadt dem Auge einen reizenden, pittoresken Anblick.
»Zuerst bemerkt man hier eine Anzahl Batterien, dann das Hospital für zwei- bis dreihundert Kranke, zu dem Alles durch den Commodore Phillip von England hergeschafft worden ist. Dann erscheinen große Magazine, vor denen die größten Schiffe bequem ihre Ladung löschen können. Auf den Werften lagen im Bau begriffene Goëletten und Briggs, gezimmert aus einheimischem Holze.
»Durch die Entdeckung der Meerenge zwischen Tasmanien und Neu-Holland sozusagen geheiligt, wird Bass' Schaluppe im Hafen mit einem gewissen religiösen Respect aufbewahrt; einige aus dem Holze ihres Kiels geschnitzte Tabaksdosen bilden Reliquien, auf welche deren Besitzer ebenso stolz als eifersüchtig sind, und der Gouverneur glaubte unserem Kommandanten kein ehrenvolleres Geschenk machen zu können, als das eines Stückchens Holz von dieser mit einem breiten Silberstreifen eingefaßten Schaluppe, auf welch' letzterem die Hauptmomente der Entdeckung der Bass-Straße zum ewigen Gedächtnisse eingravirt sind.«
Bewunderung verdient auch das für hundert bis zweihundert Insassen berechnete Gefängniß, die Magazine für Wein und anderen Proviant, der Exercierplatz mit der Wohnung des General-Gouverneurs, die Kasernen, die Sternwarte und die Kirche, deren Grundmauern sich damals freilich kaum erst aus der Erde erhoben.
Nicht minder interessant war die Beobachtung der Veränderung, welche mit den Verbrechern vorgegangen war.
Die Bevölkerung der Kolonie bildete für uns einen neuen Grund des Erstaunens und Nachdenkens. Kaum jemals dürfte sich einem Staatsmanne oder Philosophen ein würdigerer Gegenstand für seine Studien darbieten, und kaum jemals dürfte sich der glückliche Einfluß vernünftiger Einrichtungen sprechender bemerkbar machen, als an den entfernten Gestaden, von denen wir reden. Hier finden sich die gefährlichsten Räuber, lange Zeit der Schrecken der Regierung ihrer Heimat, vereinigt; von der europäischen Gesellschaft ausgestoßen und nach dem Ende der Erdkugel verbannt, vom ersten Augenblick ihres Exils an zwischen die Gewißheit der härtesten Strafen und die Hoffnung eines glücklichen Lebens gestellt, jeden Augenblick auf das strengste bewacht, sehen sie sich gezwungen, ihren gesellschaftsfeindlichen Sitten allmälich zu entsagen.
»Die meisten derselben sind nach Verbüßung ihrer Verbrechen durch eine harte Sklaverei wieder in die Reihen nützlicher Bürger zurückgekehrt. Zur Erhaltung eines erworbenen Eigenthums selbst gedrängt, auf Ordnung und Gerechtigkeit zu achten, hängen sie, nachdem sie geheirathet und wohl auch Väter geworden sind, mit den festesten Banden an ihrem neugeschaffenen Leben.
»Eine gleiche, durch dieselben Mittel hervorgerufene Umänderung zeigt sich auch bei den Frauen, und verächtliche Dirnen, welche nach und nach zu einem regelmäßigen Leben gezwungen wurden, stehen heute da als intelligente und fleißige Hausfrauen . . .«
Der Empfang der französischen Expedition in Port Jackson gestaltete sich zu einem sehr herzlichen. Den Gelehrten suchte man zur Fortsetzung ihrer Beobachtungen alle nur denkbaren Erleichterungen zu gewähren. Gleichzeitig überhäuften sie die militärischen Behörden ebenso wie Privatleute geradezu mit Nahrungs- und Erquickungsmitteln wie mit Unterstützungen jeder Art.
Die Ausflüge in die Umgebungen erwiesen sich höchst lohnend. Die Naturforscher fanden Gelegenheit, die berühmten Weingärten von Rose-Hill zu besichtigen, nach denen man die besten Stöcke vom Cap, den Kanarien, Madeira, Teres und Bordeaux verpflanzt hatte.
»In keinem Theile der Welt«, antworteten die darum befragten Winzer, »gedeiht der Weinstock besser und kräftiger als hier. Alle Vorzeichen seit zwei bis drei Monaten deuten darauf hin, daß unsere Mühe durch eine reichliche Ernte belohnt werden wird; weht aber nur der leiseste Wind von Nordwesten, so ist Alles rettungslos verloren; Schößlinge, Blüthen und Blätter, nichts widersteht seiner versengenden Hitze, Alles verdorrt, Alles stirbt ab.«
Bald darauf gewann die Cultur des nach günstigeren Gegenden verpflanzten Weinstockes eine mächtige Ausdehnung, und die australischen Weinberge liefern, wenn auch nicht ein vor anderen ausgezeichnetes Gewächs, doch einen recht trinkbaren, alkoholreichen Wein.
Dreißig Meilen von Sydney erhebt sich die Kette der Blauen Berge, lange Zeit die äußerste Grenze, zu der das Wissen der Europäer reichte. Lieutenant Dawes, Kapitän Teuch Paterson, der am Hawkesburg-Flusse, dem Nil Neu-Hollands, hinauf ging, Hacking, Bass und Baraillier versuchten bisher ohne Erfolg, diese steile Gebirgsmauer zu übersteigen.
Schon zu jener Zeit erkannte man aus der Vereinzelung der Bäume in den benachbarten Wäldern und dem Ueberfluß der herrlichsten Futtergewächse in denselben, daß Neu-Süd-Galles eine ausgezeichnete Weide liefern müsse. In Folge dessen wurden Hornvieh und Schafe in großer Menge eingeführt.
»Diese haben sich so sehr vermehrt, daß man allein in den Schäfereien des Staates, bald nach unserer Rückkehr nach Port-Jackson, 1800 Stück Hornvieh zählte, darunter 514 Stiere, 121 Ochsen und 1165 Kühe. Die Zunahme dieser Thiere war so rapid, daß sich nach einem Zeitraum von elf Monaten die Zahl der Ochsen und Kühe von 1856 auf 2450 Häupter erhöhte, was einer jährlichen Vermehrung um 650 Stück oder um ein Drittel des ganzen Bestandes entspricht.
»Berechnet man hiernach die Zunahme für eine Periode von dreißig Jahren, so sieht man, selbst bei Abzug der Hälfte der sich ergebenden Zahl, daß Neu-Holland dann mit geradezu zahllosen Heerden dieser Thiere bedeckt sein muß.
»Die Schafe lieferten ein noch günstigeres Resultat; die Schnelligkeit ihrer Vermehrung an jenen entlegenen Gestaden ist eine so ungeheure, daß Kapitän Mac Arthur, einer der reichsten Bodenbesitzer von Neu-Süd-Galles, sich in einer hierüber veröffentlichten Abhandlung zu versichern getraut, daß Neu-Holland vor Ablauf von zwanzig Jahren im Stande sein werde, England alle Wolle zu liefern, die es jetzt aus benachbarten Ländern bezieht, und deren Kaufpreis sich seiner Schätzung nach jährlich auf 1,800.000 Pfund Sterling (gleich 36,000.000 Mark) beläuft.«
Man weiß heute, daß diese so wunderbar klingenden Schätzungen keineswegs übertrieben waren. Gewiß ist es aber von Interesse, die Anfänge dieser »Weide-Industrie« kennen zu lernen und das Erstaunen mit zu empfinden, das sich der französischen Seefahrer über die schon damals erlangten Resultate bemächtigte.
Die Mannschaften hatten nun zum Theil wohl ihre Gesundheit wieder erlangt: die Anzahl der zur Fortsetzung der anstrengenden Reise fähigen Matrosen war aber eine so beschränkte, daß man sich entschließen mußte, nach Uebernahme der kräftigsten Leute auf das andere Schiff, die »Naturaliste« nach Frankreich zurückzusenden. Sie wurde nun durch eine Goëlette von dreißig Tonnen, die »Casuarina« ersetzt, deren Führung Louis de Freycinet übernahm. Die niedrige Bauart und der geringe Tiefgang dieses Fahrzeuges ließen es für den Küstendienst besonders passend erscheinen.
»Nebst einem Berichte über die Expedition und deren Beobachtungs-Resultate aller Art während der beiden Fahrten, führte die ›Naturaliste‹«, sagt Péron, »über 40.000 Thiere aller Klassen mit sich, die man während der verflossenen zwei Jahre an den verschiedensten Punkten gesammelt hatte. Dreiunddreißig Kisten füllten diese Schätze, die zahlreichste und kostbarste Sammlung, welche je ein Reisender nach Europa brachte, und die, als sie theilweise in dem von mir gemeinschaftlich mit Bellefin bewohnten Hause aufgestellt war, die Bewunderung aller gebildeten Engländer und vorzüglich des berühmten Naturforschers Paterson erregte.«
Die »Géographe« und »Casuarina« verließen Port Jackson am 18. November 1802. Im Verlaufe dieser Fahrt entdeckten und untersuchten die Reisenden nach und nach die Inseln King, die Hunter-Inseln, den nordwestlichen Theil von Van-Diemens-Land, womit die Geographie der Ufer dieser großen Insel ihren Abschluß fand; ferner besichtigte Kapitän Baudin vom 27. December bis 15. Februar 1803 die Südwestküste Australiens, die Känguru-Insel und die beiden dieser gegenüberliegenden Golfe.
»Es ist eine fremdartige Erscheinung,« sagt Péron, »diese Einförmigkeit und Unfruchtbarkeit, welche man an verschiedenen Theilen Neu-Hollands und der dasselbe umgebenden Inseln antrifft; sie werden aber noch unbegreiflicher durch den Contrast zwischen dem Festland und den in der weiteren Nachbarschaft liegenden Ländern. So bot z. B. im Nordwesten schon die fruchtbare Timor-Gruppe unseren Blicken das Bild von hohen Bergen, rauschenden Flüssen, zahlreichen Bächen und tiefen Wäldern, kaum achtundvierzig Stunden nach unserer Abreise von den niedrigen, dürren und kahlen Gestaden des Witt-Landes; ebenso hatten wir im Süden Gelegenheit, den üppigen Pflanzenwuchs und die quellenreichen Berge von Van-Diemens-Land zu bewundern, die es in einer großen Ausdehnung bedecken, und ganz neuerdings erlabten wir uns erst an der Frische und der Fruchtbarkeit der Insel King.
»Da ändert sich die Scene; wir berühren das Gestade Neu-Hollands und an jedem beobachteten Punkte desselben wiederholt sich immer und immer wieder das trostlose Bild, das den Leser ermüdet, den Denkenden erstaunen macht und den Seefahrer betrübt.«
Die von der »Casuarina« abbeorderten Ingenieure, welche den Spencer-Golf nebst der ihn von Golf Vincent trennenden Halbinsel York in Augenschein nehmen sollten, mußten, nachdem sie ihre Aufnahme mit größter Sorgfalt vollendet und sich überzeugt hatten, daß sich hier kein bedeutender Strom in das Meer ergieße, auf die Untersuchung des Lincoln-Hafens verzichten, weil die zur Rückkehr nach der Känguru-Insel bestimmte Zeit herannahte. Obwohl sie wußten, daß sie wahrscheinlich zurückgelassen werden würden, wenn sie die Frist versäumten, scheinen sie sich doch nicht besonders beeilt zu haben, denn als sie genannte Insel am 1. Februar erreichten, war die »Géographe« schon unter Segel gegangen, ohne auf die »Casuarina«, trotz deren geringen Proviantvorraths, irgend welche Rücksicht zu nehmen.
Baudin setzte die Untersuchung der Küste allein fort und beschäftigte sich mit der Aufnahme des Archipels Saint François, einer sehr wichtigen Arbeit, da ihn seit der Entdeckung dieser Inseln durch Peter Nuits im Jahre 1627 kein Seefahrer gründlicher erforscht hatte. Durch Flinders war das allerdings vor kurzer Zeit geschehen, doch wußte Baudin davon nichts und hielt sich wirklich für den ersten Europäer, der seit der Auffindung der Gruppe in diese Gewässer kam.
Als die »Géographe« am 6. Februar in den König Georg-Hafen einlief, traf sie daselbst die »Casuarina« in so beschädigtem Zustande, daß man sie auf den Strand setzen mußte.
Entdeckt von Vancouver 1791, erlangt der König Georg-Hafen eine um so größere Wichtigkeit, als er auf einer Küstenstrecke in der Ausdehnung des Weges zwischen Paris und Petersburg der einzig bekannte Punkt von Neu-Holland ist, wo man jederzeit Süßwasser haben kann.
Die ganze Umgebung der Rhede ist übrigens unfruchtbar.
»Der Anblick des Landesinnern von dieser Stelle aus«, schreibt Boullanger in seinem Tagebuche, »ist wirklich abschreckend; kaum einen Vogel sieht man auf demselben; es ist eine Einöde mit dem Schweigen des Todes!«
Am Grunde eines Einschnittes dieser Bai, den man als den »Unstern-Hafen« bezeichnet, fand der Naturforscher Faure einen Wasserlauf, den »Fluß der Franzosen«, dessen Mündung wohl der Seine in Paris an Breite gleichkommt. Er wagte es, längs desselben stromauf zu gehen, um so weit als möglich in das Land hineinzudringen. Kaum zwei Meilen von der Mündung aber sah sich sein Boot durch zwei solid gebaute Dämme aus festen Steinen aufgehalten, welche an eine kleine Insel anschlossen und die Passage vollständig unterbrachen.
»Diese Mauer zeigte viele, größtentheils über der niedrigsten Wasserlinie angebrachte Löcher, die nach der Seite des Meeres hin sehr weit, nach dem Lande zu aber weit enger waren. Auf diese Weise konnten die Fische, welche während der Fluth den Fluß empor schwammen, jenen Damm zwar leicht überschreiten, befanden sich nachher aber, da ihnen der Rückweg so gut wie abgeschnitten war, sozusagen in einem Behälter, aus dem die Fischer sie nach Belieben holen konnten.«
Auf einer Strecke von einer Drittelmeile traf Faure noch auf fünf ähnliche Mauern. Gewiß ein auffallendes Beispiel von Scharfsinn bei solchen wilden Volksstämmen, welche im Uebrigen nicht hoch über den Thieren stehen!
In dem König Georg-Hafen glückte es auch einem Officiere der »Géographe«, Ransonnet, besser als Vancouver und d'Entrecasteaux, eine Zusammenkunft mit den Bewohnern der Gegend zuwege zu bringen. Es war zum ersten Male, daß ein Europäer mit ihnen in nähere Berührung kam.
»Kaum erreichten wir das Ufer, sagt Ransonnet, als acht Eingeborne, die uns schon am ersten Tage unseres Erscheinens vergeblich durch Zurufe und Gesten zum Landen eingeladen hatten, auf einer Stelle erschienen; bald entfernten sich von ihnen drei, wahrscheinlich die Frauen. Die fünf Uebrigen bemühten sich, nach Ablegung ihrer Zagaien, womit sie ohne Zweifel ihre friedliche Absichten zu erkennen geben wollten, uns beim Aussteigen zu helfen. Die Matrosen boten ihnen, meinem Beispiel folgend, verschiedene Geschenke an, die sie zwar mit Genugthuung, aber ohne besondere Freude zu äußern annahmen. Ob aus Gleichgiltigkeit oder Einbildung, jedenfalls gaben sie uns die Gegenstände bald darauf scheinbar mit Vergnügen zurück, und als wir sie ihnen noch einmal einhändigten, ließen sie dieselben auf der Erde oder den benachbarten Felsen liegen.
»In ihrer Begleitung befanden sich mehrere sehr schöne, große Hunde; ich that mein Möglichstes, sie zur Abtretung eines solchen zu bewegen, und bot ihnen Alles an, was ich nur zu geben hatte, doch blieben sie unerschütterlich. Es scheint, sie bedienten sich jener Thiere bei der Jagd auf Kängurus, die sie als Nahrung benutzen, gleich wie Fische, welche ich sie selbst mittelst ihrer Zagaien im Wasser anspießen sah. Sie tranken Kaffee und aßen Zwieback und Pökelrindfleisch; schlugen aber Speck, den sie auch erhielten, aus und ließen die Stücke auf die Erde fallen.
»Diese Menschen sind groß, hager und gewandt; sie haben langes Haar, schwarze Augenbrauen, eine kurze, am Ursprung flache und zurücktretende Nase, tiefliegende Augen, einen großen Mund, vorspringende Lippen und sehr schöne, weiße Zähne. Das Innere ihres Mundes erschien aber so schwarz wie ihre äußere Haut.
»Die drei Letzten von ihnen, Männer von etwa vierzig bis fünfzig Jahren, trugen einen langen schwarzen Bart; sie hatten die Zähne ausgefeilt und die Nasenscheidewand durchbohrt; ihre Haare waren rund geschnitten und natürlich gelockt. Die beiden Anderen, welche wir für sechzehn bis achtzehn Jahre alt hielten, zeigten keine Spur von Tätowirung; das lange Haar trugen diese in einen Zopf zusammengeflochten und gepudert mit rother Erde, mit der die Aelteren sich den Bart eingerieben hatten.
»Uebrigens gingen Alle nackt und bedeckten sich nur mit einer Art breitem Gürtel aus sehr vielen, aus Känguruhaar gesponnenen Schnüren. Sie plaudern gern und singen in Intervallen, wobei sie sich mit einförmigen Gesten begleiten. Trotz des niemals unterbrochenen guten Einvernehmens zwischen uns, wollten sie doch nicht zugeben, daß wir uns dem Orte näherten, wo sich die anderen Eingebornen, wahrscheinlich ihre Frauen, aufhielten.«
Nach zwölftägiger Rast im König Georgs-Hafen stachen die Schiffe wieder in See. Sie berichtigten und vervollständigten d'Entrecasteaux' und Vancouvre's Karten von Leuwin's-, Edels'- und Endrachts-Land, welche nach einander besucht und in der Zeit von 7. bis 26. März vermessen wurden. Von hier aus wendete sich Baudin nach Witt's-Land, von dem man, als er zum ersten Male daselbst landete, noch sehr wenig Kenntniß besaß. Er hoffte glücklicher zu sein als Witt, Vianen, Dampier und Saint Allouarn, denen es nicht gelungen war, den Fuß auf dieses Land zu setzen; Untiefen, Riffe und Sandbänke machten die Schifffahrt hier nämlich ganz besonders schwierig.
»Zu diesen Gefahren trat noch eine ganz eigenthümliche Täuschung, die Spiegelung. Die Wirkung derselben war derartig, daß die »Géographe«, welche mehr als eine Meile von der Brandung entfernt segelte, davon gänzlich eingeschlossen erschien und an Bord der »Casuarina« Jedermann einen drohenden Unfall vor Augen sah. Der Täuschung wurden wir uns zuletzt nur durch die zu große Klarheit der Spiegelbilder bewußt.«
Am 5. Mai warf die »Géographe« in Begleitung der »Casuarina« zum zweiten Male im Hafen von Coupang auf Timor Anker. Genau einen Monat später und nachdem Baudin sich ausreichend frisch verproviantirt verließ er Timor wieder und steuerte nach Witt's-Land, wo er günstige Land- und Seewinde anzutreffen hoffte, um nach Osten, und zwar nach Isle de France zu steuern, wo er nach glücklicher Rückkehr am 16. September 1803 verschied. Sollte nicht der immer schwankende Gesundheitszustand des Chefs der Expedition von Einfluß auf seinen Charakter gewesen sein, und würde das Officiercorps sich ebenso über ihn zu beklagen gehabt haben, wenn Geist und Körperkräfte sich bei jenem die Waage gehalten hätten? Mögen Physiologen die Lösung dieser Frage übernehmen.
Am 23. März lief die »Géographe« in die Rhede von Lorient ein, und drei Tage später begann man mit der Ausschiffung der verschiedenen, von ihr mitgebrachten naturhistorischen Sammlungen.
»Abgesehen von einer Menge Kisten mit Mineralien, getrockneten Pflanzen, in Alkohol aufbewahrten Fischen, Reptilien und Zoophyten, ausgestopften oder zergliederten Vierfüßlern und Vögeln, hatten wir noch siebzig große Kisten mit lebenden Vegetabilien, darunter gegen zweihundert Arten Nutzpflanzen, sechshundert Sorten Sämereien und gegen hundert lebende Thiere.«
Wir vervollständigen diese Mittheilungen noch durch einen Auszug aus dem der Regierung von dem Institute übergebenen Berichte. Sie beziehen sich hauptsächlich auf die von Péron und Lesueur geordnete zoologische Sammlung.
»Sie besteht aus mehr denn hunderttausend Arten großer und kleiner Thiere und führte schon zur Kenntniß mehrerer neuen Classen; jedenfalls verspricht sie nach dieser Seite noch weitere Bereicherungen und enthält z. B., nach dem vom Professor des Museums gegebenen Ueberblick, über zweitausendfünfhundert neue Arten.«
Vergleicht man hiermit die zweite Reise Cook's – die bedeutendste und erfolgreichste, welche man bisdahin kennt – so hat diese doch nur zweihundertfünfzig neue Arten geliefert, und alle Reisen Carteret's, Wallis', Furneaux', Meares' und selbst Vancouvre's zusammen erreichen noch nicht ein solches Resultat; dasselbe gilt von allen französischen Entdeckungsreisen, und somit geht daraus hervor, daß Péron und Lesueur allein mehr Thiere kennen gelehrt haben als alle reisenden Naturforscher der letzten Zeiten.
Auch die geographischen und hydrographischen Ergebnisse waren ziemlich werthvoll. England hat dieselben allerdings niemals anerkennen wollen und Desborough Cooley beliebt in seiner »Geschichte der Reisen« die Entdeckung Baudin's denen Flinders' beiweitem unterzuordnen. Man vermaß sich sogar zu behaupten, Flinders sei auf Isle de France sechseinhalb Jahre lang gefangen gehalten worden, um den französischen Berichterstattern Gelegenheit zu geben, seine Karten zu studiren und aus denselben ihre Reise zu combiniren. Eine solche Beschuldigung ist wohl zu sinnlos, als daß wir ein weiteres Wort darüber verlieren sollten.
Der englische und der französische Seefahrer haben sich Beide bezüglich der Bekanntmachung der Küsten Australiens hinreichend ausgezeichnet, als daß es nothwendig erschiene, den Einen auf Kosten des Anderen hervorzuheben. Der Jedem derselben zukommende Antheil ist in der von Péron herausgegebenen, von Louis de Freycinet durchgesehenen und verbesserten »Entdeckungsreise im südlichen Meere« gerecht und scharfsinnig festgestellt worden. Wir verweisen also den Leser darauf, wenn dieser Streit um die Priorität jener Entdeckungen ihn interessiren sollte.