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Zehntes Kapitel.

So hatte die traurige Geschichte sich zugetragen.

Vier Wochen lang schwebte das Leben des Grafen in schlimmer Gefahr. Niemand erkannte er wieder, nicht einmal seinen Leibhusar Rotzko. Im Paroxysmus des Fiebers fand ein einziges Wort, ein Name, den Weg über seine dürren Lippen: Stilla.

Der Graf entrann dem Tode. Aerztliche Kunst, Rotzko's unablässige Pflege, auch Jugend und Natur hatten das Ihrige dazu geholfen. Auch sein Verstand blieb gesund trotz der furchtbaren Erschütterung, die er erlitten. Aber als ihm das Gedächtnis wiederkam, als er sich des tragischen Finale aus dem »Orlando« erinnerte, in welchem die Seele der Künstlerin verhaucht war, da schrie er, während seine Hände sich wie zum Beifallsklatschen falteten: »Stilla! meine Stilla!« Sobald der Graf das Bett verlassen konnte, setzte Rotzko es durch, daß sie die verfluchte Stadt verließen und nach dem Schlosse Krajowa übersiedelten. Aber vor der Abreise am Grabe der toten Diva ein Gebet zu verrichten, das wollte der Graf sich nicht nehmen lassen. Rotzko begleitete ihn auf den Campo Santo Nuovo. Der Graf warf sich über die grausame Erde, mit den Nägeln wollte er sich selbst sein Grab neben ihr graben; mit Mühe gelang es Rotzko, ihn von der Stätte zu ziehen, die sein Glück, sein Alles barg.

Ein paar Tage später war Franz von Telek zurückgekehrt in seine walachische Heimat, auf das alte Stammschloß seines Geschlechts. Dort lebte er in völliger Abgeschlossenheit, ohne einen Fuß ins Freie zu setzen, fünf volle Jahre. Weder die Zeit noch die Entfernung hatten seinem Schmerze Linderung gebracht, und vergessen konnte er nicht; das Andenken an die Stilla, die noch ebenso lebendig vor seinem Auge stand wie an dem Tage, da er sie zum ersten Male sah, war mit seinem Dasein verwachsen. Es gibt Wunden, die erst mit dem Tode sich schließen, und solche Wunde hatte dem Grafen das Schicksal geschlagen.

Zu der Zeit, in welcher diese Erzählung anhebt, hatte der junge Graf das Schloß seiner Ahnen seit ein paar Wochen verlassen, aber erst nachdem ihm Rotzko monatelang zugesetzt hatte. Die Reise sollte zuerst durch Siebenbürgen, dann durch Europa gehen, gemäß dem Plane, der durch die traurigen Ereignisse in Neapel unterbrochen worden war. Wie die beiden Reisenden nach Werst gelangt waren und in welcher Verfassung sie dessen Bewohner angetroffen hatten, ist dem Leser bekannt, desgleichen wie ihnen bekannt geworden war, daß das Karpathenschloß dem Baron Rudolf von Görz gehörte.

Die Wirkung, die dieser Name auf den jungen Grafen gemacht hatte, war zu energisch gewesen, als daß es der Schulze und die andern Honoratioren nicht hätten bemerken sollen. Nicht zu verwundern ist, daß Rotzko diesen Schulzen, der den Namen so unseligerweise noch im Augenblicke des Auseinandergehens gesagt hatte, mitsamt seinen dummen Geschichten dorthin verwünschte, wo der Pfeffer wächst. Warum hatte ein böses Geschick den Grafen Franz just in diesem Augenblick nach diesem Dorfe in der Nachbarschaft des Karpathenschlosses geführt!

Der Graf bewahrte Stillschweigen. Sein von einem zum andern irrender Blick verriet nur zu deutlich die tiefe Gemütsstörung, die er umsonst zu bekämpfen suchte.

Der Schulze begriff gleich den andern Anwesenden, daß den Grafen Telek ein geheimnisvolles Band mit dem Baron von Görz verknüpfen müsse; aber so neugierig sie auch waren, so bewahrten sie doch eine schickliche Zurückhaltung und stellten keine Fragen. Nicht lange, so hatten sie alle zusammen den »König Mathias« verlassen, aufs höchste beunruhigt durch diese außerordentliche Verkettung von Abenteuern, die für das Dorf nichts Gutes ahnen ließ. Worauf sie gespannt waren, war, ob der junge Graf sein Versprechen halten und die Behörden in Karlsburg benachrichtigen, sowie ihre Einmischung nachsuchen werde. Jedenfalls war, wenn er es unterließ, der Schulze jetzt selbst hierzu willens, denn das Dorf konnte nicht länger unter diesem Drucke, in diesen Zweifeln leben, ob oben im Schlosse Geister oder Uebeltäter ihr Wesen trieben, wenn auch schließlich noch immer die Mehrzahl der Einwohner zu der ersteren Annahme neigte.

Sobald der Graf in der Gaststube allein war, überließ er sich dem Gange seiner Erinnerungen, die durch den Namen des Barons von Görz so schmerzlich geweckt worden waren. Eine Stunde lang saß er wie gelähmt auf einem Schemel. Dann stand er auf, trat aus dem Gasthause, schritt bis zu dem Knie, das die Straße außerhalb des Dorfs bildete, und richtete den Blick in die Weite.

Auf dem Kamme des Plesa, mitten auf dem Orgall-Plateau, erhob sich das Karpathenschloß. Dort also hatte jener eigentümliche Mensch gelebt, der Zuschauer von San Carlo, der Musiknarr, der der unglücklichen Diva, seiner Stilla, solch unüberwindlichen Schrecken eingeflößt hatte. Aber jetzt stand die Burg öde und leer, denn der Baron von Görz war doch nach seiner fluchtähnlichen Reise aus Neapel nicht wieder hierher zurückgekehrt, wußte man ja nicht einmal, was aus ihm geworden war, ob er vielleicht nach dem Tode der Sängerin seinem Leben selbst ein Ziel gesetzt hatte.

Franz von Telek verirrte sich also in Hypothesen, ohne zu wissen, an welche er sich halten solle.

Anderseits ließ ihm das Abenteuer des jungen Waldhüters keine Ruhe; er hätte gar zu gern, wenn auch bloß um die Bevölkerung von Werst zu beruhigen, das Geheimnis aufgedeckt. Am besten erschien es ihm schließlich, nach langem Hin- und Herdenken, sich bei dem Waldhüter selbst zu erkundigen. Darum begab er sich in der dritten Nachmittagsstunde ins Schulzenhaus.

Vater Koltz fühlte sich aufs höchste geehrt durch den Besuch des Herrn Grafen von Telek – des Abkömmlings eines alten rumänischen Geschlechts – dem sein Dorf es verdankte, wieder zur Ruhe gekommen zu sein und auch den Weg zum alten Wohlstand wieder gefunden zu haben, denn nun würden ja dem Beispiel des Herrn Grafen auch andere Touristen wieder folgen usw. usw.

Franz von Telek dankte dem Schulzen für die Komplimente und fragte, ob es störe, wenn er um eine kurze Unterhaltung mit Nik Deck ersuche.

»Keineswegs, Herr Graf, keineswegs,« versetzte der Schulze; »mit dem armen Kerl geht es ja wieder einigermaßen; er wird wohl seinen Dienst bald wieder aufnehmen können.« Dann drehte er sich um und fragte seine Tochter: »Nicht wahr, Miriota? so ist's?«

»Gott gebe es, Vater!« antwortete bewegt das junge Mädchen.

Franz von Telek war entzückt von dem anmutigen Knixe, den ihm das junge Mädchen machte.

»Ich hätte gern mit Ihrem Bräutigam ein paar Worte gesprochen, liebes Mädchen – sein Zustand erlaubt es doch?«

»Er wird Ihnen gern Rede und Antwort stehen, Herr Graf, auch wenn es ihn Anstrengung kostet.«

»O, ich will ihm nicht zuviel zumuten, liebes Mädchen!« versetzte der Graf – »sobald ich sehe, daß es ihn angreift, gehe ich wieder.«

»O, ich weiß, Herr Graf, ich weiß –«

»Wann soll denn Hochzeit sein?«

»In vierzehn Tagen,« antwortete der Schulze.

»Wenn mich der Schulze einzuladen geruht, wird es mir eine Freude sein dabei zu sein,« sagte der Graf.

»Und uns eine Ehre,« versetzte der Schulze, sich verbeugend.

»Also in 14 Tagen, abgemacht! Nik Deck wird schon frisch und munter sein, wenn es zur Hochzeit geht –«

»Gott gebe es, Herr Graf!« antwortete errötend Miriota, und auf ihrem Gesicht kam so lebhafte Angst zum Ausdruck, daß Franz nicht umhin konnte, nach dem Grunde zu fragen.

»Ja, ja, Gott gebe es!« wiederholte Miriota, »denn bei dem Versuch, ins Schloß zu dringen, hat Nik die bösen Geister geweckt – wer weiß, ob ihn die nicht im ganzen Leben peinigen werden –«

»O, wenn es weiter nichts ist, Miriota,« rief Franz, »dann wollen wir schon Ordnung schaffen – das verspreche ich Ihnen!«

Inzwischen war Nik Deck von dem Besuch des Grafen unterrichtet worden. Er erhob sich mühsam aus dem alten Lehnstuhl, in welchem er saß. Da er sich von der Lähmung, die ihn betroffen, so ziemlich wieder erholt hatte, fiel es ihm nicht schwer, auf die ihm vom Grafen gestellten Fragen Rede und Antwort zu stehen.

Der Graf drückte dem jungen Manne zum Gruße die Hand, dann hub er an:

»Lieber Deck, zuerst die Frage: Glauben Sie an die Gegenwart überirdischer Wesen im Karpathenschlosse?«

»Ich muß wohl, Herr Graf.«

»Also daß Ihnen der Weg über die Burgmauer durch überirdische Wesen gewehrt worden ist?«

»Das bezweifle ich nicht.«

»Und warum nicht, wenn ich bitten darf?«

»Weil ich mir den Vorfall anders gar nicht erklären könnte.«

»Erzählen Sie mir, bitte, was sich zugetragen hat, aber ohne etwas auszulassen.«

Nik Deck folgte der Aufforderung, konnte aber im Grunde bloß wiederholen, was dem Grafen schon durch die Unterhaltung mit den Gästen des »König Mathias« bekannt war. Wie schon dort, suchte der Graf auch jetzt für all diese Dinge eine natürliche Erklärung zu geben.

»Aber wie wollen Sie mir erklären, wie es sich mit den Füßen des Doktors verhalten hat? wenn der hätte laufen können, der Hasenfuß, so hätte er es doch sicher getan!«

»Nun, nehmen wir an, er sei mit den Füßen in eine Falle geraten, die auf der Grabensohle gelegen?«

»Wenn sich Fallen schließen,« antwortete der Waldhüter, »dann verwunden sie grausam, zerreißen einem das Fleisch – an den Beinen des Doktors ist aber keine Spur von einer Wunde zu sehen gewesen.«

»Ganz richtig, Nik Deck, und doch hat es sich, glauben Sie, mit den Füßen des Doktors nicht anders verhalten –«

»Wie hätte aber eine Falle von selbst wieder aufgehen sollen, Herr Graf?«

Auf diese Frage wußte der Graf keine Antwort.

»Im übrigen, Herr Graf,« fuhr der Waldhüter fort, »überlasse ich Ihnen, betreffs des Doktors zu denken, was Sie wollen. Behaupten kann ich schließlich doch bloß, was ich selbst erlebt habe.«

»Recht so! lassen wir diesen braven Mann beiseite und reden wir bloß davon, was Ihnen passiert ist, Nik!«

»Was mir passiert ist, liegt völlig klar. Daß ich eine fürchterliche Erschütterung erlitten habe, steht außer Zweifel, wenn ich sie mir auch absolut nicht erklären kann.«

»Von Verletzung ist an Ihrem Körper nichts zu sehen?« fragte der Graf.

»Keine Spur, Herr Graf, und doch bin ich mit einer Gewalt getroffen worden –«

»Gerade in dem Augenblick, als Sie mit der Hand an das Eisen der Zugbrücke faßten?«

»Jawohl, Herr Graf, und kaum hatte ich es berührt, so war ich wie gelähmt. Zum Glück hatte ich mit der andern Hand die Kette nicht losgelassen und bin bis zur Grubensohle gerutscht, wo mich der Doktor bewußtlos aufgehoben hat.«

Franz schüttelte den Kopf wie jemand, der an all diese Dinge nicht glauben kann.

»Aber, Herr Graf,« nahm Nik Deck wieder das Wort, »was ich Ihnen erzählt habe, habe ich nicht geträumt, und wenn ich acht Tage lang auf diesem Bette liege, ohne Bein und Arm gebrauchen zu können, so wäre es doch nicht mit Vernunft zu vereinbaren, daß ich mir das alles hätte einbilden sollen.«

»Das behaupte ich auch nicht, und daß Sie eine brutale Erschütterung erlitten haben, steht ja außer Zweifel.«

»Brutal? – brutal und sakrisch!«

»Sakrisch?«

»Nun ja doch! teuflisch! satanisch! diabolisch!«

»Hierin, Nik Deck, gehen unsere Meinungen auseinander,« erwiderte der junge Graf. »Sie meinen von einem übernatürlichen Wesen einen Schlag bekommen zu haben, und ich meinesteils glaube das nicht, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil es übernatürliche Wesen nicht gibt, weder solche bösen noch solche guten Charakters.«

»Möchten Sie mir dann wohl erklären, Herr Graf, was mir widerfahren ist?«

»Das kann ich noch nicht, Nik Deck, aber glauben Sie mir, es wird sich alles aufklären und auf die einfachste Art und Weise.«

»Gebe es Gott!« antwortete der Waldhüter.

»Sagen Sie mir,« nahm Franz wieder das Wort, »hat dieses Schloß zu aller Zeit der Familie Görz gehört?«

»Jawohl, Herr Graf, und es gehört ihr noch, wenn auch der letzte Abkömmling, Herr Baron Rudolf, verschwunden ist, ohne je etwas von sich hören zu lassen.«

»Und wie lange ist es her, daß der Baron verschwunden ist?«

»Etwa 20 Jahre.«

»20 Jahre?«

»Jawohl, Herr Graf. Eines Tages war er vom Schlosse weg, niemand wußte, wohin. Wenige Monate nachher starb der letzte Diener auf dem Schlosse – seitdem steht es leer.«

»Und niemand hat den Fuß hinauf gesetzt?«

»Niemand.«

»Und was denkt man in der Gegend?«

»Daß Herr Baron Rudolf im Auslande gestorben sein müsse, und zwar kurz nach seinem Verschwinden.«

»Ein Irrtum, Nik Deck, vor etwa 5 Jahren wenigstens hat der Baron noch gelebt.«

»Noch gelebt, Herr Graf?«

»Ja – in Italien – in Neapel.«

»Sie haben ihn doch nicht gar gekannt?«

»Jawohl, ich habe ihn gekannt.«

»Und seit fünf Jahren –«

»– habe ich nichts mehr von ihm gehört.«

Der junge Waldhüter verfiel in Sinnen. Ihm kam ein Gedanke, über den er aber nicht reden mochte. Endlich aber fragte er, die Brauen runzelnd und den Kopf aufrichtend:

»Daß der Herr Baron mit der Absicht, sich im Burginnern einzusperren, wieder ins Land gekommen sei, läßt sich nicht annehmen, Herr Graf?«

»Nein, Nik Deck.«

»Welches Interesse könnte er haben, sich dort zu verstecken? niemand zu sich zu lassen?«

»Gar keins,« antwortete Franz von Telek.

Und doch war das ein Einfall, der langsam auch im Geiste des jungen Grafen sich festsetzte. War es nicht ganz gut möglich, daß dieser Mensch mit dem allzeit so rätselhaften Dasein sich nach seinem Aufbruch von Neapel hierher in dieses Schloß geflüchtet hätte? Hier wäre es ihm doch leicht gewesen, sich völlig abzuschließen, sich jeder unbequemen Nachfrage zu entziehen, ganz für sich selbst zu leben; und daß ihm bekannt war, wie abergläubisch die Gegend sei, und daß er auf diesen Aberglauben leicht fußen könne, mußte ihm bekannt sein. Indessen erachtete es Franz nicht für nützlich, die Werster Bauern über diese Mutmaßung zu unterrichten. Man hätte sie über Dinge allzu persönlicher Natur ins Vertrauen ziehen müssen. Zudem hätte er doch keineswegs die Ueberzeugung geändert; das sah er vollkommen ein, als Nik hinzusetzte:

»Wenn Baron Rudolf es ist, der jetzt im Schlosse haust, dann muß man glauben, er sei der Schort, denn bloß der Schort hat mich auf solche Weise traktieren können.«

Frei von Verlangen, die Unterhaltung wieder auf dieses Gebiet zu führen, sprach Franz von anderen Dingen, und legte dem jungen Manne ans Herz, den Versuch, der ihm so übel bekommen sei, nicht noch einmal zu wagen; denn es sei nicht seine Sache, das über dem Schlosse waltende Geheimnis aufzuklären, sondern Sache der Karlsburger Behörden, denen es gewiß auch nicht schwer fallen werde, solche Aufgabe zu erfüllen.

Hierauf verabschiedete er sich.

Im »König Mathias« überließ er sich seinem Sinnen, und ging den ganzen Tag nicht aus. Um 6 Uhr deckte Jonas den Abendtisch. Weder der Schulze noch sonst jemand aus dem Torfe getraute sich, ihn zu stören. Gegen 8 Uhr sagte Rotzko zu dem Grafen:

»Sie brauchen mich nicht mehr, Herr Baron?«

»Nein, Rotzko!«

»Dann möchte ich draußen eine Pfeife rauchen.«

»Geh, Rotzko, geh!«

In einen Sessel gelehnt, ließ nun Franz von neuem seinen Gedanken, die ihn zurück in die unvergeßliche Vergangenheit führten, freien Lauf. Er sah sich wieder in Neapel bei der letzten Vorstellung im San-Carlo-Theater – er sah den Baron von Görz wieder geisterhaft aus seiner Loge blicken, die glühenden Augen auf die Künstlerin gerichtet, wie wenn er sie fascinieren wolle – –

Dann fiel ihm der Inhalt jenes Briefes ein von der Hand des Barons, in welchem er, Franz von Telek, beschuldigt wurde, den Tod der Sängerin verursacht zu haben.

Und während all dieses Sinnierens fühlte er den Schlaf nahen. Aber er lag eine Weile in jenem Halbschlummer, zwischen Schlaf und Munterkeit, in welchem man das leiseste Geräusch vernimmt – als ein seltsames Phänomen sich vollzog – es war, wie wenn eine Stimme, von wunderlieblichem zartem, süßem Klange durch die Gaststube dringe, in welcher Franz allein, aber bei vollem Verstande, saß.

Ohne sich zu fragen, ob er wache oder träume, erhob er sich – lauschte er – –

Ja! es war, als wenn sich seinem Ohre ein Mund nähere – als ob von unsichtbaren Lippen die ausdrucksvolle Melodie erklinge:

Nel giardino de mille flori
Audiamo, mio cuore, –

Franz kannte das Lied – die Stilla hatte es gesungen an jenem letzten Abend – an ihrem Abschiedsabend – –

Wie eingelullt, ohne zu wissen, wie ihm geschieht, überläßt sich Franz der Wonne, das Lied noch einmal zu hören – –

Dann ist's zu Ende – und die Stimme erstirbt langsam – in lieblichen Modulationen.

Aber Franz hat die Lähmung, die ihn befallen, abgeschüttelt, – er hat sich jäh aufgerichtet – er findet die Kraft wieder zu atmen, er sucht ein fernes Echo von der Stimme zu erhaschen, die ihm zu Herzen drang.

Alles ist Schweigen – draußen im Freien und drinnen im Saale.

»Ihre Stimme!« flüstert er – »ja – es war – ihre Stimme – die Stimme, die ich so heiß, so innig geliebt habe –«

Dann kämpft er sich in die Wirklichkeit zurück.

»Ich habe geschlafen,« ruft er – »ich habe geträumt.«


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