Jules Verne
Das Land der Pelze. Zweiter Band
Jules Verne

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtzehntes Capitel.

Alle Hände beschäftigt!

Eine furchtbare Umwälzung hatte stattgefunden, und die Eisbank sich auf die schwimmende Insel gestürzt. Bis zu einer großen Tiefe, der fünffachen ihrer über das Wasser aufragenden Höhe, in's Meer eintauchend, hatte jene dem Zuge der unterseeischen Strömungen nicht zu widerstehen vermocht, und als sich ein Weg durch das gesprengte Eis öffnete, war sie mit voller Wucht auf die Insel Victoria gestoßen, die durch den heftigen Anprall getrieben, schnell nach Süden zu abwich. Im ersten Augenblick, als der Eissturz donnernd die Ställe und das Hauptgebäude zertrümmerte, hatten Mac Nap und seine Leute alle ihre bedrohte Wohnung noch verlassen können. Schon war das Unheil aber geschehen – von den andern Wohnräumen war kein Balken mehr sichtbar. Und jetzt entführte die Insel ihre Bewohner nach dem endlosen Oceane! Vielleicht lebten aber unter diesem Trümmerhaufen ihre muthige Gefährtin, Mrs. Paulina Barnett, Madge, die junge Eingeborene und Thomas Black noch? Zu ihnen mußte man eindringen, und sollte man nur ihre Leichen wiederfinden.

Der Lieutenant, welcher zuerst wie vom Donner gerührt war, gewann sein kaltes Blut wieder und rief:

»An die Beile und die Hacken! Das Haus ist fest und hat den Druck wohl aushalten können! An's Werk!«

Aexte und Hacken fehlten zwar nicht, doch verbot sich in diesem Augenblicke jede Annäherung an die Umzäunung. Noch immer glitten und polterten Schollen von den gelockerten Eisbergen, deren einige die Insel Victoria wohl um zweihundert Fuß überragten. Die zerschmetternde Gewalt dieser Massen, welche vom nördlichen Horizonte her überall heranzurücken schienen, kann man sich daraus leicht vorstellen. Der ganze Küstenstrich zwischen dem früheren Cap Bathurst und dem Cap Eskimo war von ihnen umschlossen, und schon drängten sie sich bis auf eine Viertelmeile über denselben herein. Fortwährend verrieth das Erzittern des Bodens und das erneute Donnern und Krachen die Loslösung frischer Massen und ließ befürchten, daß die Insel unter einer solchen Last versinken würde. Aus einer sehr merklichen Neigung des Bodens erkannte man auch, daß sich das Ufer dort nach und nach senkte, und schon rollten die langen Meereswellen bis in die Nähe der Lagune.

Die Lage der Unglücklichen war eine schreckliche, und dazu mußten sie die ganze Nacht über, ohne einen Rettungsversuch ihrer Freunde vornehmen zu können, erfaßt von düsterer Verzweiflung verbringen, da die Eisstürze jede Annäherung unmöglich machten und sie weder dagegen ankämpfen, noch dieselben abwenden konnten.

Endlich brach der Tag an. Welch' ein Bild der Zerstörung bot da ihre Umgebung! So weit das Auge reichte, schloß eine Mauer von Eis den Gesichtskreis, doch schienen die Massen wenigstens für jetzt zur Ruhe gekommen zu sein, und nur da und dort bröckelte sich noch ein schlecht unterstütztes Eisstück von dem Haufen los. Die ganze gewaltige, tief eintauchende Masse theilte aber nun ihre Kraft der Abweichung, welche die unterseeische Strömung ihr verlieh, der Insel mit und drängte diese nach dem Süden, dem Untergange zu.

Keiner der unglücklichen Bewohner ward indeß hiervon etwas gewahr. Ihnen lag die Rettung der Opfer dieses Unfalls am Herzen, und unter diesen befand sich die muthige, von Allen geliebte Frau, für die sie gern ihr eigenes Leben gelassen hätten. Jetzt, da man sich der Umzäunung wieder nähern konnte, galt es zu handeln und keine Minute zu verlieren, denn schon sechs Stunden lang seufzten die Opfer unter den Trümmern des Eissturzes.

Das Cap Bathurst gab es, wie gesagt, nicht mehr. Von einem ungeheuren Eisberge getroffen, hatte es sich über die Factorei gestürzt, das Schiff zertrümmert, die Ställe bedeckt und die Thiere darin zermalmt. Hierauf verschwand das Hauptgebäude unter einer Lage von Sand und Erde, über welche sich die Eisblöcke bis zu einer Höhe von fünfzig bis sechzig Fuß aufthürmten. Der Hof war vollständig ausgefüllt, und von der Palissade sah man kaum noch einen Pfahl. Und unter diesem Gemisch von Erde, Sand und Eis sollten die Unglücklichen ausgegraben werden.

Noch bevor man an's Werk ging, rief Lieutenant Hobson den Zimmermann zu sich.

»Mac Nap,« sagte er, »glauben Sie, daß das Haus den Eisdruck ausgehalten haben könne?«

»Das möchte ich fast behaupten, Herr Lieutenant,« erwiderte Mac Nap. »Das Haus hatten wir, wie Sie ja wissen, noch widerstandsfähiger gemacht, das Dach casemattirt, und die aufgerichteten Stämme im Innern müssen nur noch zu seiner Festigkeit beitragen. Vergessen Sie auch nicht, daß dasselbe zuerst mit einer Schicht von Sand und Erde überdeckt worden ist, welche das Aufschlagen des herabstürzenden Eises wesentlich gemildert haben mag.«

»Gott möge Ihnen Recht geben, Mac Nap,« entgegnete Jasper Hobson, »und uns einen solchen Schmerz ersparen!«

Da kam Mrs. Joliffe hinzu.

»Sind noch Lebensmittel in dem Hause vorräthig?« fragte er diese.

»Ja wohl, Herr Hobson,« antwortete sie, »Küche und Speisekammer sind noch hinreichend versorgt.«

»Auch mit Wasser?«

»Mit Wasser und etwas Branntwein,« bestätigte Mrs. Joliffe.

»Gut,« sagte Lieutenant Hobson, »durch Hunger und Durst werden sie also nicht zu Grunde gehen, aber wird ihnen die Luft nicht mangeln?«

Diese Frage konnte auch der Meister Zimmermann nicht beantworten; gerade hierin lag jedoch, vorausgesetzt, daß das Gebäude nicht zermalmt worden war, die größte Gefahr. Diese konnte nur durch eine schnelle Befreiung abgewendet werden, wenn es nicht vorher gelang, eine Verbindung zwischen der freien Luft und den Verschütteten herzustellen. Mit Axt und Schaufel gingen Alle, Männer und Frauen, an die Arbeit; in Gefahr, von nachstürzenden Blöcken getroffen zu werden, griffen sie den Berg an. Mac Nap übernahm die Leitung der Arbeiten.

Er hielt es für das Beste, am höchsten Punkte anzufangen, von wo aus man die aufgehäuften Schollen nach der Seite der Lagune herabwälzen konnte. Mittelgroße überwältigte man wohl mit der Axt und dem Hebel, noch größere mußten erst mit dem Beile zerkleinert werden, und wo auch das nicht ausreichte, nahm man das Feuer, das mit harzigen Stämmen genährt wurde, zu Hilfe. Nichts blieb unversucht, um die Eismassen in kürzester Zeit zu beseitigen.

Trotz der eifrigsten Anstrengung aber, und trotzdem man sich kaum Ruhe gönnte, um einige Bissen zu sich zu nehmen, sah man, als die Nacht hereinbrach, fast noch keine Verminderung des Schutthaufens, da eigentlich nur der Gipfel desselben abgeräumt war. Als nun weitere Nachstürze nicht mehr zu befürchten standen, entschied sich der Zimmermann dafür, nur einen lothrechten Schacht abzuteufen, wodurch er schneller an das Ziel zu gelangen und der freien Luft einen Zugang zu eröffnen hoffte.

Die ganze Nacht hindurch blieben Lieutenant Hobson und alle seine Leute bei der Arbeit; mit Eisen und Feuer griff man die nicht zusammenhängenden Schollen an: die Männer schwangen die Aexte, die Frauen unterhielten die Flammen. Alle beseelte nur der eine Gedanke: Mrs. Paulina Barnett, Madge, Kalumah und Thomas Black zu retten!

Als aber der Morgen wieder graute, waren die Unglücklichen schon dreißig Stunden und in einer durch die dicke Schicht über ihnen gewiß verschlechterten Luft verschüttet.

Der Zimmermann begann nun die Abteufung des Schachtes, der direct auf dem Dachstuhle des Hauses münden sollte, wozu derselbe seiner Berechnung nach eine Länge von etwa fünfzig Fuß erhalten mußte. Durch das Eis hindurch, d. h. ungefähr zwanzig Fuß tief, mochte die Arbeit wohl eine leichte sein, aber die Schwierigkeiten drohten zu wachsen, wenn man dahin kam, gegen dreißig Fuß durch die lockere Erd- und Sandmaße einzudringen. Zur Ausplankung dieser Strecke wurden demnach lange Stämme zugerichtet und dann der Schacht in Angriff genommen. Nur drei Mann konnten gleichzeitig daran arbeiten; da sich die Soldaten also in kurzen Zwischenräumen ablösten, durfte man auf einen schnellen Fortschritt der Arbeit rechnen.

Wie es immer in solch schrecklichen Lagen der Fall ist, schwankten die armen Leute oft zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin und her. Wenn eine neue Schwierigkeit sie aufhielt, oder ein Nachsturz einen Theil des Schachtes wieder ausfüllte, übermannte sie die Entmuthigung, und bedurfte es der erfolgssicheren Aufmunterung des Zimmermanns, um sie auf's Neue anzufeuern.

Während die Männer so der Reihe nach arbeiteten und aushöhlten, sorgten die drei Frauen fast ohne ein Wort zu wechseln und unter manchem stummen Gebete, nothdürftig für die Nahrung, welche die Anderen in ihren Ruhepausen einnahmen.

Trotz der Härte des Eises und dem langsamen Fortschreiten der Schachtarbeit traten ihnen doch jetzt die größten Schwierigkeiten noch nicht entgegen. Erst mit dem Ende des Tages erreichte Mac Nap die loseren Schichten, deren Ausschachtung unter vierundzwanzig Stunden gar nicht zu erwarten war.

Wiederum kam die Nacht. Das Rettungswerk sollte nicht unterbrochen, sondern bei Fackelschein fortgesetzt werden. Daneben stellte man in aller Eile eine Art Eishaus her, in dem die Frauen und das Kind nothdürftig Schutz fanden, als der Wind sich nach Südwesten gedreht hatte und ein mit heftigen Windstößen untermischter Regen herabfiel. Dagegen dachte weder Lieutenant Hobson noch ein Anderer daran, die Arbeit einzustellen.

Jetzt erst begannen die Hindernisse, da man in das bewegliche Erdreich nicht ohne Vorsichtsmaßregeln tief eindringen konnte, sondern den Schacht auszimmern mußte, um dem Nachrutschen der Erde zu wehren. Die aufgegrabene Erde zogen die Männer mittels eines an einem Stricke befestigten Eimers nach oben. Daß man jetzt nicht schnell vorwärts kam, ist wohl leicht einzusehen. Immer mußte man darauf Acht haben, daß die Arbeitenden selbst nicht auf's Neue verschüttet wurden.

Der Zimmermann blieb fast die ganze Zeit über mit im Grunde, beaufsichtigte die Arbeiten und sondirte wiederholt mit einer langen Stange. Noch traf er aber auf keinen Widerstand, wie ihn der Dachstuhl hätte leisten müssen.

Als es wieder tagte, war man nur zehn Fuß tief vorwärts gekommen, und noch lagerte eine zwanzig Fuß dicke Schicht über dem Dache des Hauses, wenn dieses dem Drucke nicht nachgegeben hatte.

Seit vierundzwanzig Stunden schmachteten nun Mrs. Paulina Barnett, die beiden Frauen und der Astronom unter dem Schutthaufen!

Oefters fragten sich der Lieutenant und Mac Nap, ob Jene nicht ihrerseits den Versuch gemacht haben könnten, eine Verbindung nach Außen herzustellen. Bei ihrem kalten Blute und ihrer Unerschrockenheit schien es unzweifelhaft, daß Mrs. Paulina Barnett, wenn sie sich überhaupt zu bewegen vermöchte, versucht haben würde, sich einen Ausweg zu bahnen, da auch noch einige Werkzeuge im Hause vorhanden waren; wenigstens erinnerte sich einer der Leute Mac Nap's mit Bestimmtheit, seine Axt in der Küche zurück gelassen zu haben. Sollten die Gefangenen keine Thüre eingeschlagen und einen Gang durch die Sandschicht auszuhöhlen begonnen haben? Freilich konnten sie diesen nur in wagerechter Richtung ausgraben, und das verlangte eine weit längere Arbeit, als die Ausschachtung durch Mac Nap, denn der aufgethürmte Berg maß bei sechzig Fuß Höhe mehr als fünfhundert in seinem unteren Durchmesser. Diese Verhältnisse blieben den Verschütteten natürlich unbekannt, und hätten sie zur Herstellung eines horizontalen Ganges mindestens acht Tage nöthig gehabt. Reichten die Nahrungsmittel auch für so lange aus, so mußten sie doch inzwischen aus Mangel an frischer Luft zu Grunde gehen.

Nichts desto weniger überwachte Jasper Hobson alle Theile der Schuttmasse, um jedes Geräusch durch ein Arbeiten von Innen her zu vernehmen. Aber nichts, gar nichts ließ sich hören.

Mit neuem Muthe gingen Alle bei Anbruch des Tages an's Werk. Erde und Sand förderte man durch die Mündung des Schachtes heraus, der sich regelmäßig vertiefte und dessen lose Wand die Zimmerung hinlänglich zurück hielt. Wenn auch kleine Nachschübe vorkamen, so wurden diese doch bald beseitigt und hatte man den Tag über keinen neuen Unfall zu beklagen. Nur der Soldat Garry wurde durch ein herabstürzendes Eisstück leicht am Kopfe verwundet, wollte sich deshalb aber nicht von der Arbeit ausgeschlossen wissen.

Um vier Uhr hatte der Schacht eine Gesammttiefe von fünfzig Fuß erreicht, bei welcher Mac Nap auf den Dachstuhl zu treffen rechnete, wenn er dem Drucke des Eissturzes widerstanden hätte.

Er befand sich in der Tiefe des Schachtes, und leicht kann man sich wohl seine Enttäuschung vorstellen, als er jetzt die Stange einbohrte und noch immer auf keinen Widerstand traf.

Einen Augenblick sah er mit gekreuzten Armen den mit anwesenden Sabine an.

»Nichts?« sagte der Jäger.

»Nichts,« antwortete der Zimmermann, »Nichts! Doch, guten Muth, das Dach könnte wohl nachgegeben haben, unmöglich aber die abgesteifte Zimmerdecke. Nur noch zehn Fuß, und wir müssen diese selbst erreichen . . . oder . . .«

Mac Nap sprach seinen Gedanken nicht ganz aus, und mit Sabinens Beistand wurden die Arbeiten wieder aufgenommen.

Um sechs Uhr Abends waren wiederum gegen zehn bis zwölf Fuß ausgehöhlt.

Von Neuem sondirte Mac Nap. Noch immer nichts; seine Stange sank nur in die lose Erdmasse ein.

Da unterbrach der Zimmermann einen Augenblick seine Arbeit, bedeckte das Gesicht mit den Händen und murmelte halblaut:

»Ach, die Unglücklichen!«

Auf den Steifen, welche die Holzzimmerung hielten, hinaufkletternd, verließ er den Schacht.

Oben angelangt, traf er Lieutenant Hobson und Sergeant Long ängstlicher als je, nahm sie bei Seite und vertraute ihnen die schreckliche Enttäuschung, die er eben erfahren hatte.

»Nun denn,« sagte Jasper Hobson, »dann ist das Haus also von der Lawine zermalmt worden und die Armen . . .«

»Nein,« fiel ihm der Zimmermann im Tone der unerschüttertsten Ueberzeugung in das Wort, »nein, das Haus ist nicht zerdrückt; so wie es gestützt war, mußte es Alles aushalten; nein, es kann nicht sein!«

»Was ist aber dann geschehen, Mac Nap,« fragte der Lieutenant, aus dessen Augen große Thränen perlten.

»Das will ich Ihnen sagen,« erwiderte Jener, »das Haus wird noch ganz sein, aber der Boden, auf dem es stand, hat nachgegeben; es ist durch die Eiskruste gebrochen, die unsere Insel bildet. Es ist nicht zertrümmert, aber versenkt . . . und die bedauernswerthen Opfer . . .«

»Sollen ertrunken sein?« rief Sergeant Long.

»Ja, Sergeant, ertrunken, bevor sie eine Bewegung machen konnten, ›wie die Passagiere eines untergegangenen Schiffes‹.«

Einige Augenblicke schwiegen drei die Männer. Mac Nap's Hypothese mußte der Wahrheit wohl sehr nahe kommen. Was war denn wahrscheinlicher, als die Annahme, daß sich unter dem enormen Drucke der Boden der Insel gesenkt, und das unzerbrochene Haus denselben durchschlagen habe und im Abgrunde versunken sei?

»Nun denn, Mac Nap,« sagte Lieutenant Hobson, »und wenn wir keine Lebenden retten können . . .«

»Ja,« fiel der Zimmermann ein, »so wollen wir sie wenigstens todt wiederfinden!«

Nach diesen Worten nahm Mac Nap, ohne den Anderen diese schreckliche Mittheilung zu machen, seine unterbrochene Arbeit im Grunde des Schachtes wieder auf, während Lieutenant Hobson mit ihm hinab stieg.

Die ganze Nacht über blieb man thätig und löste sich von Stunde zu Stunde ab. Immer aber blieben Jasper Hobson und Mac Nap auf einer Steife gegenwärtig, um jeden Augenblick zur Hand zu sein.

Um drei Uhr Morgens traf Kellet's Axt auf einen harten Körper. Der Meister Zimmermann fühlte das mehr, als er es hörte.

»Wir sind auf dem Hause,« rief erfreut der Soldat – »Gerettet!«

»Schweig' und fahre fort«, antwortete ihm der Lieutenant mit dumpfer Stimme.

Jetzt waren schon nahe an sechsundsiebenzig Stunden verflossen, seit der Eissturz über das Haus herein brach.

Kellet und sein Nebenmann, der Soldat Pond, schaufelten weiter. Die Tiefe des Schachtes mußte ziemlich die Oberfläche des Meeres erreicht haben, und folglich schwand Mac Nap nun jede Hoffnung.

In weniger als zwanzig Minuten lag der harte Körper, auf dem die Axt getroffen hatte, frei. Es war ein Balken des Daches. Der Zimmermann schwang sich vollends hinunter und beseitigte die schwächeren Latten, so daß eine ausreichende Oeffnung entstand . . .

Da schleppte sich eine kaum erkennbare Gestalt durch die Dunkelheit heran.

Es war die Gestalt Kalumah's!

»Zu Hilfe, zu Hilfe!« rief die Arme mit schwacher Stimme.

Jasper Hobson kletterte durch die Oeffnung. Er schauderte vor Kälte zusammen – das Wasser stieg ihm bis zum Gürtel. Das Dach war nicht, wie man voraus gesetzt, eingebrochen, wohl aber hatte das Haus, entsprechend der Annahme Mac Nap's, den Boden durchschlagen und das Wasser eindringen lassen. Nur der Dachraum, in dem es kaum einen Fuß hoch stand, blieb noch frei davon. Es war noch eine schwache Hoffnung vorhanden! . . . Der Lieutenant wagte sich in die Dunkelheit hinein und traf einen Körper ohne Bewegung. Diesen schleppte er nach der Oeffnung hin, wo ihn Kellet und Pond empfingen und heraus zogen. Es war Thomas Black.

Bald darauf wurde auch Madge aufgefunden. Mittels Seilen, welche man in den Schacht hinab ließ, wurden Beide an die freie Luft empor gezogen.

Noch galt es, Mrs. Paulina Barnett zu retten. Von Kalumah geführt, tastete sich Jasper Hobson durch den ganzen Bodenraum, an dessen Ende er Die, welche er suchte, den Kopf kaum über dem Wasser, auffand. Die Reisende erschien wie todt. Lieutenant Hobson trug sie auf seinen Armen nach der Oeffnung, und wenige Minuten nachher erschienen Alle an der oberen Mündung des Schachtes.

Ringsum standen sie Alle versammelt, die Gefährten der muthigen Frau, doch ihre Verzweiflung raubte ihnen die Sprache.

Die junge Eskimodin hatte sich, so schwach sie selbst war, über den leblosen Körper der geliebten Freundin geworfen.

Noch athmete Mrs. Paulina Barnett und fühlte man ihren Pulsschlag; als dann die frische Luft durch ihre Lungen einzog, kam sie langsam zum Leben zurück.

Da löste sich ein Aufschrei der Freude aus Aller Brust und stieg ein Ausruf des Dankes zum Himmel, der gewiß da droben gehört wurde.

Gleichzeitig ward es Tag; die Sonne stieg über dem Horizonte auf und beleuchtete die Scene mit ihren ersten Strahlen.

Mit äußerster Anstrengung erhob sich Mrs. Paulina Barnett; von der Höhe der Lawine schaute sie wie prüfend um sich, und mit seltsamem Tone sagte sie die Worte:

»Das Meer, das Meer!«

Wirklich umrauschte auf beiden Seiten, im Westen und im Osten, das eisfreie Meer die schwimmende Insel!

 


 << zurück weiter >>