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Drittes Capitel.
Die Polar-Expeditionen.

I.
Der Südpol.

Noch ein russischer Weltumsegler: Bellingshausen. – Entdeckung der Traversay-, Peter I.- und Alexander I.-Inseln. – Der Walfänger Weddell. – Die südlichen Orcaden. – Süd-Georgia. – Neu-Shetland. – Die Bewohner von Feuerland. – John Bikcoë und das Enderby- und Grahamland. – Charles Wilkes und der antarktische Continent. – Der Kapitän Balleny. – Die Expedition Dumont d'Urville's mit der »Astrolabe« und der »Zelée«. – Coupvent-Debois auf dem Pic von Teneriffa. – Die Magellanstraße. – Ein neues Postamt. – Vom Packeis eingeschlossen. – Louis Philippe's-Land. – Quer durch Oceanien. – Adélie- und Clarieland. – Neu-Guinea und die Torresstraße. – Rückkehr nach Frankreich. – James Clark Rosset. – Victorialand.


Wir hatten schon früher Gelegenheit, der antarktischen Gebiete und der daselbst von verschiedenen Seefahrern im 17. und gegen Ende des 18. Jahrhunderts gemachten Entdeckungen zu erwähnen. Meist sind es Franzosen, denen man letztere verdankte, und unter diesen zeichneten sich vorzüglich La Roche, der Entdecker Neu-Georgias im Jahre 1675, ferner Bouvet, Kerguelen, Marion und Crozet in hervorragender Weise aus. Man versteht unter dem Namen der antarktischen Länder (in Frankreich wird der Begriff weiter gefaßt als bei uns. Anm. d. Uebers.) alle jene im Großen Ocean zerstreuten Inseln, welche meist den Namen berühmter Seefahrer tragen, dazu die Prinz Eduards-, die Sandwichs-Inseln nebst Neu-Georgien u. a. m.

In diesen Meerestheilen hatte William Smith, der Kapitän der Brigg »William«, auf der Fahrt von Montevideo nach Valparaiso, im Jahre 1818 Süd-Shetland, ein unfruchtbares, kahles, schneebedecktes Land entdeckt, auf dem sich aber zahllose Heerden von Seekälbern vorfanden, deren Felle als Pelzwerk verwendet werden und die man bisher nur in den südlichsten Meeren angetroffen hatte. Auf diese Nachricht hin beeilten sich die Walfänger, die neu entdeckten Küsten aufzusuchen, und man berechnet, daß auf diesem Archipel 1821 und 1822 nicht weniger als 320.000 Seekälber gefangen wurden und daß die Quantität des gewonnenen See-Elephantenöles in derselben Zeit 940 Tonnen erreichte. Da man aber Männchen und Weibchen ohne Schonung vertilgte, wurden die neuen Jagdgründe bald genug erschöpft. Die zwölf Hauptinseln nebst den unzähligen, der Vegetation fast ganz entbehrenden Klippen, welche jenen Archipel bilden, waren dabei schnell untersucht und aufgenommen worden.

Zwei Jahre später entdeckte Botwell die südlichen Orcaden; später sahen oder glaubten Palmer und andere Walfänger doch unter demselben Breitengrade mehrere Landmassen zu sehen, welche die Namen Palmer- und Trinityland erhielten.

Bald folgten in jenen hyperboräischen Gebieten noch andere größere Entdeckungen, und die Hypothesen Dalrymple's, Buffon's und anderer Gelehrten des 18. Jahrhunderts, nach denen für die den Nordpol umschließenden Landmassen als Gegengewicht ein südlicher Continent vorhanden sein sollte, fanden durch die Arbeiten unerschrockener Forscher eine unerwartete Bestätigung.

Seit mehreren Jahren schon zeichnete sich Rußland durch die Unterstützung und Entwicklung seiner nationalen Marine und durch Begünstigung wissenschaftlicher Forschungen jeder Art sehr ehrenvoll aus. Wir schilderten schon früher manche interessante Reisen seiner Weltumsegler; hier haben wir uns noch mit Bellingshausen und dessen Reise um die Erde zu beschäftigen, weil diese, in Bezug auf Erforschung der antarktischen Meere eine hervorragende Rolle spielt.

Die beiden Schiffe, die »Vostok«, Kapitän Bellingshausen, und die »Mirni«, unter Führung des Lieutenant Lazarew, verließen Kronstadt am 3. Juli 1819, um nach den Südpolar-Meeren zu segeln. Am 15. December bekamen sie Süd-Georgia in Sicht und entdeckten eine Woche später im Südosten eine vulcanische Insel, welche sie Traversay-Land tauften und deren Lage sie zu 52° 15' südlicher Breite und 27° 21' westlicher Länge von Paris bestimmten.

Von hier segelten sie unter dem 60. Breitengrade 400 Meilen nach Osten hin bis zum 187. Meridian, und steuerten dann in gerader Richtung nach Süden bis zum 70. Breitengrade; hier erst sperrte eine Eiswand ihnen den Weg und hinderte sie, noch weiter vorzudringen.

Bellingshausen ließ sich dadurch nicht von weiteren Versuchen abschrecken, sondern segelte, meist innerhalb des Polarkreises, nach Osten weiter, sah sich aber beim 44. Grade östlicher Länge gezwungen, nach Norden zurückzukehren. Vierzig Meilen von seiner letzten Position lag ein großes Land, das ein Walfischjäger, der hier offenes Wasser fand, erst zwölf Jahre nach ihm entdeckte.

Bis zum 62. Breitengrade hinauf gelangt, schlug Bellingshausen noch einmal einen Kurs nach Osten ein, erreichte, ohne auf Hindernisse zu stoßen, den 90. Meridian und segelte vom 5. März 1820 an nach Port Jackson, um frischen Proviant einzunehmen und die Schiffe ausbessern zu lassen.

Den ganzen Sommer verwendete der russische Seefahrer dann zu einer Kreuzfahrt in den oceanischen Meeren, wo er siebzehn neue Inseln entdeckte. Nach Port Jackson zurückgekehrt, lief er am 31. October nochmals zu einer neuen Forschungsreise aus.

Zuerst bekamen die beiden Fahrzeuge die Macquarie-Inseln in Sicht, dann durchschnitten sie den 60. Breitengrad unter 160° östlicher Länge und segelten nun zwischen dem 64. und 68. Grade westlicher Länge nach Osten weiter. Am 9. Januar 1821 erreichte Bellingshausen den 70. Breitengrad und entdeckte am folgenden Tage, unter 69° 30' der Breite und 92° 20' westlicher Länge, eine Insel, die den Namen Peter I. erhielt, das südlichste Stück Land, welches man bis jetzt kannte. Noch 15 Grade weiter im Osten und fast unter derselben Parallele fand er ein anderes Land, das nach Alexander I. genannt wurde. Kaum zweihundert Meilen von Grahamland entfernt, dürfte dieses, wenn man Krusenstern glauben darf, mit dem eben genannten zusammenhängen, denn das Meer zwischen beiden Inseln erschien überall entfärbt und auch andere Kennzeichen bestätigten diese Annahme.

Von hier aus schlugen beide Schiffe einen nördlichen Kurs ein, segelten in einiger Entfernung bei Grahamland vorüber und kehrten im Juli 1821, genau zwei Jahre nach der Abfahrt, nach Kronstadt zurück, ohne andere Verluste gehabt zu haben, als drei Matrosen, welche von einer, zweihundert Köpfe zählenden Mannschaft gestorben waren.

Wir wären gern näher auf diese höchst interessante Expedition eingegangen, doch konnten wir den in Petersburg in russischer Sprache erschienenen Originalbericht nicht erlangen und mußten uns mit dem, 1837 im Bulletin der Geographischen Gesellschaft veröffentlichten Auszuge begnügen.

Zu derselben Zeit erhielt ein Lootse der königlichen Marine, James Weddell, von einem Handelshause in Edinburg die Leitung einer Expedition, welche in der Südsee zwei Jahre bleiben und Seekalbfelle sammeln sollte. Diese bestand aus der Brigg »Jane«, von 160 Tonnen, Kapitän Weddell, und dem Kutter »Beaufort«, von 65 Tonnen, geführt von Mathieu Brisbane.

Diese beiden Fahrzeuge verließen England am 17. September 1822, verweilten kurze Zeit bei Bonavista, eine der Inseln des Grünen Vorgebirges, und ankerten am 11. December im Hafen St. Helena an der Ostküste Patagoniens, woselbst wichtige Beobachtungen bezüglich der Lage dieses Hafens angestellt wurden.

Am 27. December stach Weddell wieder m See, steuerte in südöstlicher Richtung und kam am 12. Januar in Sicht eines Archipels, den er »die südlichen Orkaden« nannte. Diese Inseln liegen unter 60° 45' südlicher Breite und 45° westlicher Länge von Greenwich.

Nach Aussage dieses Seemannes böte jene Gruppe einen noch abschreckenderen Anblick als Neu-Shetland. Von welcher Seite man sie auch betrachten mag, überall bemerkt man nur schroffe, vollkommen kahle Felsen, emporsteigend aus dem empörten Meere, auf welchem gewaltige Eisschollen mit Donnergekrach gegen einander stoßen. Ein Schiff in diesen Gewässern schwebt jeden Augenblick in drohender Gefahr, und während der elf Tage, welche Weddell hier unter Segel zubrachte, um die Inseln, Eilande und Klippen dieses Archipels aufzunehmen, fand die Mannschaft keinen Augenblick Ruhe, war dagegen immer in Gefahr, Schiffbruch zu erleiden.

Von den Felsgesteinen der Inseln wurden Proben mitgenommen und bei der Rückkehr dem Professor Janneson in Edinburg übergeben, der in denselben Urgebirgs- und vulcanische Formationen erkannte.

Weddell begab sich nun weiter nach Süden, durchschnitt den Polarkreis unter 30° östlicher Länge von Greenwich und begegnete bald zahlreichen schwimmenden Eisbergen. Nach Ueberschreitung des 70. Grades zeigten sich diese aber selten und verschwanden endlich ganz; die Witterung wurde milder, zahllose Schaaren von Vögeln umschwärmten das Schiff und ganze Heerden von Walfischen tummelten sich in dessen Kielwasser. Die eigenthümliche und unerwartete Zunahme der Temperatur verwunderte natürlich Alle, und das umsomehr, als es immer wärmer wurde, je weiter sie nach Süden vordrangen. Die Umstände gestalteten sich so günstig, daß Weddell jeden Augenblick ein Land in Sicht zu bekommen hoffte, was indessen nicht der Fall war.

Am 20. Januar befand sich das Fahrzeug unter 36° 15' östlicher Länge bei 74° 15' südlicher Breite.

»Ich hätte nach Südwesten zu, sagt Weddell, gern weitere Forschungen angestellt, in Rücksicht auf die schon vorgeschrittene Jahreszeit und den Umstand, daß wir tausend Meilen Seeweg wieder rückwärts machen mußten, der gewiß vielfache Eishindernisse bot, konnte ich den so günstigen Wind nicht anders benutzen, als mit dessen Hilfe zurückzukehren.

Ohne ein Anzeichen von Land in jener Richtung gefunden zu haben, segelte Weddell mit steifem Südwinde bis zum 58. Breitengrade nach Norden hinauf und nach Osten bis etwa hundert Meilen von den Sandwichs-Inseln. Am 7. Februar schlug er nochmals einen südlichen Kurs ein, segelte fünfzig Meilen weit durch Treibeis und kam am 20. Februar bis 74° 15' hinab. Von den Masten aus erblickte man nach allen Seiten ein offenes Meer mit nur vier darin schwimmenden Eisinseln.«

Diese Fahrten nach dem Süden hatten ganz unerwartete Resultate geliefert. Weddell war 240 Meilen weiter nach dem Pole vorgedrungen, als alle seine Vorgänger, Cook eingeschlossen. Er gab dem von ihm erforschten Theile des antarktischen Meeres den Namen Georg's IV. Merkwürdiger Weise hatte – es verdient diese Erfahrung wohl beachtet zu werden – das Eis sich vermindert, je weiter er nach Süden vordrang; fortwährend herrschten dabei Nebel und Gewitterstürme; die Atmosphäre enthielt stets sehr viel Feuchtigkeit; das Meer war tief und offen und die Temperatur überraschend mild.

Noch bemerkenswerther dürfte sein, daß die Bewegungen der Magnetnadel in diesen hohen südlichen Breiten eben so langsam vor sich gingen, wie Parry dasselbe in den arktischen Gebieten beobachtet hatte.

Die beiden durch einen Sturm getrennten Schiffe Weddell's trafen nach zwölfhundert Meilen langer, gefährlicher Fahrt durch Eisfelder in Neu-Georgia wieder zusammen. Diese im Jahre 1675 von La Roche entdeckte, 1756 von dem Schiffe »Der Löwe« besuchte Insel wurde seiner Zeit doch erst durch Cook's Untersuchung näher bekannt; seine Angaben über das ungemein häufige Vorkommen von Seekälbern und Walrossen veranlaßten viele Rheder, dieselbe aufsuchen zu lassen. Vorzüglich waren es Engländer und Amerikaner, welche die Felle der erlegten Thiere nach China beförderten, wo sie diese nicht unter 25 bis 30 Frcs. das Stück verkauften. Binnen wenigen Jahren belief sich die Zahl der erlegten Thiere auf 1,200.000 Stück, womit dieselben hier freilich als ziemlich ausgerottet zu betrachten waren.

»Die Länge von Süd-Georgia, sagt Weddell, beträgt gegen dreißig, die mittlere Breite etwa drei Meilen. Die Küste desselben ist von Buchten so zerrissen, daß sich die Ufer der letzteren an manchen Stellen gegenseitig zu berühren scheinen. Die Berggipfel streben alle steil empor und sind fortwährend mit Schnee bedeckt. In den Thälern dagegen zeigt sich während des Sommers eine kräftige Vegetation, vorzüglich gedeiht hier eine als Futter brauchbare Grasart, deren Halme durchschnittlich zwei Fuß Länge erreichen. Säugethiere giebt es nicht, dagegen beherbergt die Insel große Mengen von Vögeln und Amphibien.«

Man sieht hier zahllose Heerden von Pinguins, welche mit hochgetragenem Kopfe und einem gewissen Stolze am Strande auf und ab spazieren. Man glaubt, um das Bild eines alten Seemannes, Sir John Narborough's, zu gebrauchen, auf den ersten Anblick eine Schaar Kinder mit weißen Schürzen vor sich zu haben. Ferner sieht man hier viele Albatrosse, Vögel von sechzehn bis siebzehn Fuß Flügelspannweite, deren Volumen aber, wenn sie der Federn beraubt werden, auf die Hälfte zusammenschrumpft.

Weddell besuchte auch Neu-Shetland und fand, daß die zu diesem Archipel gehörende Insel Bridgeman einen noch thätigen Vulcan bildet. Er konnte jedoch, da das Eis alle etwa zugänglichen Stellen des Ufers absperrte, nirgends landen, und sah sich gezwungen, nach Feuerland zu segeln.

Während seines zweimonatlichen Aufenthaltes daselbst überzeugte sich Weddell von den vielerlei Vortheilen, welche diese Küste den Seefahrern bot, und unterrichtete sich eingehend über den Charakter der Einwohner.

Im Innern des Landes erhoben sich einige schneebedeckte Berge, von denen keiner 3000 Fuß zu übersteigen schien. Den Vulcan, welchen andere Reisende vor ihm und vorzüglich Basil Hall im Jahre 1822 entdeckt hatten, konnte er zwar nicht finden, sammelte aber eine Menge, jedenfalls aus demselben herstammende Laven. An seinem Vorhandensein konnte Weddell umsoweniger zweifeln, als er schon bei Gelegenheit einer früheren Reise, im Jahre 1820, den Himmel über Feuerland so auffallend geröthet gesehen hatte, daß er sich diese außergewöhnliche Färbung nur durch einen Vulcanausbruch zu erklären vermochte.

Die Reisenden, welche Feuerland bisher besucht hatten, stimmten über die Temperatur dieses Polargebietes nur sehr wenig überein. Weddell schreibt diese Abweichungen der verschiedenen Jahreszeit ihres Aufenthaltes und den dabei zufällig herrschenden Windrichtungen zu. Nach seinen Erfahrungen übersteigt die Luftwärme bei Südwind niemals zwei bis drei Grad; bei Nordwind wird es hier aber ebenso warm, »wie im Juli in England«.

Von Thieren fand der Seefahrer vorwiegend Hunde und Fischottern, nach ihm die einzigen Säugethiere des Landes.

Die Beziehungen zu den Eingebornen gestalteten sich recht freundlich. Anfangs umschwärmten letztere das Schiff, wagten aber nicht, dasselbe zu betreten; später wurden sie jedoch weit zutraulicher. Dieselben Scenen, welche sich bei der Fahrt des ersten Schiffes durch die Meerenge (das ist die Magellansstraße) zutrugen, wiederholten sich, trotz der langen Zwischenzeit, ganz genau auch jetzt. Brot, Madeirawein und Rindfleisch, das man ihnen anbot, rührten die Eingebornen gar nicht an. Als werthvollste Objecte galten ihnen das Eisen und Spiegel, vor denen sie zur großen Belustigung der Mannschaften, ergötzliche Grimassen schnitten, und sich in geradezu unglaublicher Weise drehten und verrenkten.

Uebrigens genügte schon ihre äußere Erscheinung, um allgemeine Heiterkeit zu erwecken. Mit ihrer dunklen Kupferfarbe, den blauen Federn, welche sie trugen, mit dem, von parallelen rothen und weißen, einem Matratzenüberzuge nicht unähnlichen Linien bedeckten Gesichte sahen sie so urkomisch aus, daß sie die Witzeleien und das Gelächter der Engländer wirklich herausforderten. Da sie mit den Bruchstücken eiserner Faßreifen, die man ihnen anbot, nicht zufrieden waren und diese Geschenke von Leuten mit so großen Schätzen als knauserige Gabe betrachteten, nahmen sie einfach Alles weg, was ihnen paßte. Diesen Diebereien wurde zwar bald ein Ziel gesteckt, es führte das aber zu manchem lächerlichen Auftritte, der vorzüglich ihre Nachahmungsgabe in helles Licht setzte.

»Ein Matrose hatte einem derselben, erzählt Weddell, einen mit Kaffee gefüllten Zinntopf gegeben, den jener auf der Stelle austrank, aber auch ohne zu fragen zurückbehielt. Als der Matrose das Abhandensein des Gefäßes bemerkte, fragte er überall danach, aber trotz seiner Bemühungen, sich verständlich zu machen, fand sich Niemand, der ihm den gestohlenen Gegenstand wieder zugestellt hätte. Nach Erschöpfung aller erdenklichen Mittel rief der Mann, eine drohende Haltung annehmend, mit lauter Stimme: »Kupferfarbiger Spitzbube, was hast Du mit meinem Topfe gemacht?« Der Wilde ahmte darauf seine Stellung nach und wiederholte englisch ganz mit demselben Tone: »Kupferfarbiger Spitzbube, was hast Du mit meinem Topfe gemacht?« Die Nachahmung war so täuschend, daß die ganze Mannschaft hell auflachte, außer dem Matrosen, der sich auf den Dieb stürzte, diesen durchsuchte und dabei richtig sein Zinngefäß wieder fand.«

Bei dem rauhen Klima, ohne Kleidungsstücke, ohne Nahrung, inmitten unfruchtbarer Bergzüge, ohne Thiere, welche ihnen kräftige Speise liefern könnten, führen die Fuegier (Feuerländer) ein wahrhaft erbärmliches Leben. Die Jagd ist nicht ergiebig, der Fischfang unzureichend; so sind sie angewiesen, zu warten, bis vom Sturme einmal ein riesiger Walfisch auf den Strand geworfen wird, über den sie begierig herfallen, ohne sich erst mit dem Abkochen des Fleisches zu bemühen.

Im Jahre 1828 war das Schiff »le Chanticleer«, Kapitän Henri Forster, beauftragt gewesen, zur Bestimmung der Gestalt der Erde hier Pendelbeobachtungen vorzunehmen. Diese Expedition währte drei Jahre, und endigte mit dem Tode des Befehlshabers, der 1831 im Chagres-Flusse ertrank. Wir erwähnen derselben nur, weil jenes Schiff am 5. Januar 1829 die Gruppe der südlichen Shetlands anlief und untersuchte. Mit großer Mühe gelang es dem Commandanten sogar, an einer der Inseln zu landen, von wo er einige Proben von dem, den Boden derselben bildenden Syenit und eine kleine Menge rothen Schnee mitbrachte, der nach allen Seiten mit dem übereinstimmte, welchen andere Forscher in manchen Gegenden der Polarregion gefunden hatten.

Weit mehr Interesse bietet die Reise des Walfischfahrers John Biscoë im Jahre 1830-1832.

Unter seinem Befehle verließen die Brigg »Tula«, von hundertachtundvierzig Tonnen, und der Kutter »Lively« den Hafen von London am 14. Juli 1830. Die beiden, den Herren Enderby gehörigen Schiffe waren zum Robbenfang bestimmt und mit allen, für eine so lange und schwierige Fahrt nöthigen Gegenständen ausgerüstet. Biscoë's Instructionen lauteten daneben aber auch dahin, bei seiner Fahrt auf Entdeckungen in den antarktischen Meeren auszugehen.

Die beiden Fahrzeuge liefen die Malouinen an, segelten am 27. November wieder weiter, suchten vergeblich die Aurora-Inseln und wandten sich nach den Sandwichs-Inseln, deren südlichste sie am 1. Januar 1831 umschifften.

Unter dem 59. Breitengrade begegneten sie compacten Eismassen, welche ihnen nach Südwesten – in welcher Richtung sich verschiedene Anzeichen eines Landes bemerklich machten – den Weg vollständig versperrten. Sie mußten in Folge dessen nach Osten umkehren, wobei sie dem Rande des Eisfeldes entlang bis 9° 34' westlicher Länge hinsegelten. Erst am 16. Januar konnte Biscoë den 60. Grad südlicher Breite überschreiten. Im Jahre 1775 hatte Cook da in einer Ausdehnung von 250 Meilen offenes Wasser gefunden, wo eine undurchdringliche Eisschranke alle Versuche Biscoë's vereitelte.

Während er nach Südosten bis 68° 51' der Breite und 10° östlicher Länge vordrang, fiel ihm die Entfärbung des Wassers, das Erscheinen verschiedener »Eaglets« (d. s. junge Adler) und Captauben, und dazu noch die Richtung des Windes auf, der aus Südsüdwest wehte, lauter fast sichere Zeichen der Nähe eines großen Landes.

Leider verhinderte ihn das Eis, tiefer nach Süden zu gelangen. Biscoë konnte nur nach Osten weiter segeln, wobei er sich immer in der Nähe des Polarkreises hielt.

»Am 27. Februar endlich, sagt Desborough Cooley, erblickte er unter 65° 57' südlicher Breite und 45° östlicher Länge, deutlich ein weit ausgedehntes, bergiges, schneebedecktes Land, dem er den Namen Enderby beilegte. Er gab sich nun alle erdenkliche Mühe, nach demselben zu gelangen, die Eismassen aber machten jede Annäherung unmöglich. Inzwischen trennte ein unerwarteter Windstoß die beiden Schiffe und trieb sie nach Südosten, wobei jenes Land, das von Osten nach Westen über zweihundert Meilen lang war, noch lange Zeit in Sicht blieb. Das schlechte Wetter und der klägliche Gesundheitszustand seiner Mannschaft zwangen Biscoë jedoch, nach Van Diemensland zu steuern, wo sich die »Lively« mit ihm erst nach einigen Monaten wieder vereinigte.«

Die Forscher waren mehrmals Zeugen der blendenden Erscheinung des Südlichtes, eines wunderbaren Schauspiels, das wohl Jeder, der es sah, niemals vergißt.

»Zuerst, erzählt Biscoë, schossen die glänzenden Strahlen des Südlichtes, flammenden Säulen gleich über unseren Köpfen empor, verwandelten sich dann plötzlich in schimmernde, feine Fransen und wanden sich hierauf schlangenähnlich durch die Luft; oft schienen die Lichtbündel nur einige Ruthen hoch über uns zu glühen, jedenfalls aber gehörten sie noch der Erdatmosphäre an.«

Das bergerfüllte, schneebedeckte Land erstreckte sich von Osten nach Westen unter 66° 30' der Breite hin; leider vermochte man sich demselben nicht auf kürzere Entfernung als zehn Meilen zu nähern, da es überall mit Eis umgeben war.

Von Van Diemens-Land, das er am 14. Januar 1832 verließ, steuerte Biscoë mit seinen beiden Fahrzeugen nach Südosten. Zu wiederholten Malen erweckten auf dem Meere schwimmende Seegrasmassen, Schwärme von Vögeln, welche sich niemals weit vom Lande entfernen, und niedrig ziehende Wolken Biscoë's Hoffnung auf irgend eine neue Entdeckung; immer verhinderte ihn aber die stürmische Witterung, solchen Anzeichen weiter nachzuspüren. Am 12. Februar endlich bemerkte er unter 66° 27' der Breite und 84° 10' der Länge wiederum ganze Schaaren von Albatrossen, Pinguins und zahlreiche Walfische; am 15. wurde dann tief im Südosten Land entdeckt; am nächsten Tage fand man, daß dasselbe eine Insel bildete, die zu Ehren der Königin von England den Namen Adelaïde erhielt. Auf derselben erhoben sich, etwa eine Meile vom Strande, mehrere konische Spitzberge mit sehr breiter Basis.

Im Laufe der folgenden Tage überzeugte man sich, daß jene Insel nicht isolirt lag, sondern zu einer langen, einem hoch aufgeschichteten Lande vorgelagerten Inselkette gehörte. Dieses, in der Richtung von Ostnordost nach Westsüdwest etwa 250 Meilen lange Land erhielt den Namen Graham, während der Inselkette der ihres Entdeckers Biscoë beigelegt wurde. Von Pflanzen oder Thieren fand sich auf dem Lande keine Spur.

Um seine Entdeckung gewissermaßen zu sanctioniren, ging Biscoë am 21. Februar zur Besitzergreifung desselben auf das große Land und bestimmte zu 64° 45' südlicher Breite und 66° 11' westlicher Länge von Paris die Lage eines hohen Berges, dem er den Namen Mount William gab.

»Man befand sich hier, heißt es in dem Bulletin der Geographischen Gesellschaft von 1833, in einer tiefen Bucht mit so friedlichem Wasser, daß beide Schiffe, wenn es hier Robben gab, damit hätten befrachtet werden können, vorausgesetzt, daß es möglich gewesen wäre, nach dem Felsenrande zu gelangen, um dieselben zu jagen. Das Wasser war überall sehr tief, denn selbst dicht am Ufer erreichte die Sonde bei zwanzig Faden noch keinen Grund. Die Sonne schien so warm, daß der Schnee auf allen Uferfelsen schmolz, ein Umstand, der das gänzliche Fehlen von Robben desto auffallender erscheinen ließ.«

Von hier aus segelte Biscoë nach Süd-Shetland, das vielleicht mit Grahamland in Verbindung steht, rastete darauf noch einmal bei den Malouinen, wo die »Lively« verloren ging, und kehrte endlich nach England zurück.

Als Belohnung für seine Mühen und als Aufmunterung zu weiteren Versuchen erhielt Kapitän Biscoë die großen Preise der Geographischen Gesellschaften von London und Paris.

In Folge dieser Reisen entstand ein lebhafter Streit über das Vorhandensein eines südlichen Continents und über die Möglichkeit, von den bereits entdeckten Inseln aus noch jenseits des ersten Eisringes weiter nach Süden segeln zu können. Drei Mächte beschlossen fast gleichzeitig, zur Lösung dieser Fragen Expeditionen abzusenden. Frankreich vertraute die Führung der seinigen Dumont d'Urville an; England wählte James Roß und die Vereinigten Staaten den Lieutenant Charles Wilkes.

Wir lassen den neuen Mitbewerbern den Vortritt Der Letztgenannte erhielt den Oberbefehl über ein kleines Geschwader, bestehend aus der »Pourpoise«, den beiden Slups »Vincennes« und »Peacock«, den beiden Schoonern »Sea-Gull« und »Flying-Fish« und einer Gabare (Transportschiff), der »Relief«. Die letztere, welche nur Proviantvorräthe geladen hatte, steuerte ohne Aufenthalt nach Rio, während die anderen Fahrzeuge, bevor sie auf dessen Rhede vor Anker gingen, Madeira und die Inseln des Grünen Vorgebirges anliefen.

Vom 28. November 1838 bis zum 6. Januar 1839 verweilte das ganze Geschwader in der Bai von Rio de Janeiro, segelte hierauf nach dem Rio Negro, wo es sich sechs Tage lang aufhielt, und gelangte erst am 19. Februar 1839 nach dem Hafen Orange in Feuerland.

Hier trennte sich die Expedition; »Peacock« und »Flying-Fish« wurden nach dem Punkte entsendet, wo Cook den 60. Breitengrad durchschritten hatte; die »Relief« begab sich mit den Naturforschern durch eine jener Zufahrten in Süd-Osten von Feuerland nach der Magellanstraße; die »Vincennes« blieb im Hafen Orange, während die »Sea-Gull« und die »Pourpoise« nach den südlichen Meeren absegelten. Wilkes sah Palmerland in einer Ausdehnung von dreißig Meilen, bis zu der Stelle, wo dasselbe nach Südsüdost abbiegt, welchen Punkt er Cap Hope nannte, darauf besuchte er Shetland und berichtigte glücklich einige Irrthümer bezüglich der Lage dieser Inseln.

Nachdem die beiden Fahrzeuge sechsunddreißig Tage in diesen unwirthlichen Gegenden verweilt, schlugen sie einen nördlichen Kurs ein. Nach verschiedenen Zwischenfällen, welche heute ohne größeres Interesse sind und wobei die »Sea-Gull« verloren ging, ankerte Wilkes vor Callao, besuchte Pomotu, Tahiti, die Gesellschafts- und die Schiffer-Inseln und lief am 28. September in Sydney ein.

Am 29. December 1829 stach die Expedition noch einmal in See und steuerte nach Süden zu. Es galt dabei unter Einhaltung eines Kurses von Osten nach Westen, eine möglichst hohe Breite zwischen 160 und 145° östlicher Länge von Greenwich zu erreichen. Die beiden Fahrzeuge konnten dabei nach eigenem Ermessen manövriren, weshalb für den Fall der Trennung ein Rendezvous-Platz vereinbart worden war. Bis zum 22. Januar beobachtete man zwar verschiedene Anzeichen von Land, und einige Officiere glaubten dasselbe sogar gesehen zu haben; es ergiebt sich aber aus den Aussagen der Letzteren bei dem Processe, welchem Wilkes nach der Heimkehr unterworfen wurde, daß die Expedition, wenn die »Vincennes« durch Zufall vor dem 22. Januar nach Norden zurück verschlagen worden wäre, keine Gewißheit wegen des Vorhandenseins eines südlichen Continents hätte erlangen können. Erst nachdem es Wilkes in Sydney zu Ohren gekommen, daß d'Urville am 19. Januar Land entdeckt habe, behauptete er, dasselbe am nämlichen Tage gesehen zu haben.

Diese Thatsachen finden sich in einem sehr überzeugenden, von dem Hydrographen Daussy im Bulletin der Geographischen Gesellschaft veröffentlichten Artikel.

Im Weiteren wird es sich zeigen, daß d'Urville am 21. Januar an dem neuen Continent gelandet war. Die Priorität der Entdeckung kommt ihm also zweifellos zu.

Entweder wegen erlittener Havarien oder weil sie überhaupt nicht im Stande waren, dem Treibeise des polaren Meeres genügenden Widerstand zu leisten, hatten die »Peacock« und »Flying-Fish« seit dem 24. Januar, respective dem 5. Februar einen nördlichen Kurs eingeschlagen.

Nur die »Vincennes« und die »Purpoise« setzten die beschwerliche Fahrt bis zum 97. Grade östlicher Länge fort, wobei sie häufiger das Land in Sicht hatten und sich demselben, je nachdem das Packeis es erlaubte, von zehn Meilen bis auf drei Viertelmeilen näherten.

»Am 29. Januar, sagt Wilkes in seinem Berichte an das National-Institut zu Washington, drangen wir in die von mir Piners-Bai genannte Bucht ein, die einzige Stelle, wo es möglich war, an den kahlen Felsen zu landen. Bei der Ausfahrt sondirten wir eine Wassertiefe von dreißig Faden. Es hatte uns nämlich ein in jenen Meeren häufiger, heftig auftretender Wind überfallen, der volle sechsunddreißig Stunden ungeschwächt anhielt, und nachdem wir mit genauer Noth den Eisschollen, die unser Schiff zu erdrücken drohten, entgangen waren, befanden wir uns sechzig Meilen unter dem Winde von jener Bai. Da nun das von uns entdeckte Land eine große Ausdehnung zu haben schien, hielt ich es für rathsamer, demselben in der Richtung nach Westen zu folgen, als zurückzukehren, um in der Piners-Bai zu landen, da ich gar nicht daran zweifelte, daß sich uns noch eine dazu günstigere Gelegenheit bieten würde. Diese Hoffnung blieb leider unerfüllt, denn das Packeis am Ufer vereitelte jeden Versuch einer Annäherung. Wir fanden dagegen an der äußeren Grenze des Packeises große, mit Schlamm, Felsgerölle und Strandsteinen bedeckte Schollen, von denen wir Proben ebenso gut entnehmen konnten, als hätten wir diese von den Felsen selbst gebrochen. An mehreren Stellen erblickten wir das mit Schnee bedeckte Land und zwischen denselben deutete Alles darauf hin, daß wir hier eine zusammenhängende Küstenlinie vor uns hatten, welche den ihr von uns beigelegten Namen des antarktischen Continents mit vollem Rechte verdiente. Unter dem 97. Grade östlicher Länge angelangt, fanden wir, daß der Eisrand sich in nördlicher Richtung hin erstreckte, und kamen, als wir ihm auch hier nachsegelten, bis auf einige Meilen dem Punkte nahe, wo Cook im Jahre 1773 durch Eismassen an jedem weiteren Vordringen gehindert worden war.«

Die Piners-Bai, wo Wilkes landete, liegt unter 140° östlicher Länge (173° 40' östlich von Paris), d. h. genau an derselben Stelle, an der d'Urville am 21. Januar an's Land gegangen war.

Am 30. Januar hatte die »Purpoise« die beiden Schiffe d'Urville's zu Gesicht bekommen und sich denselben bis auf Hörweite genähert; letztere setzten aber Segel bei und schienen von gegenseitigen Mittheilungen nichts wissen zu wollen.

Wilkes kehrte nach Sydney zurück, wo er die »Peacock« in Reparatur fand, begab sich mit seinem Schiffe nach Neu-Seeland, von da nach Tonga-Tabu, ferner nach den Fidschi-Inseln, wo zwei junge Officiere von den Eingebornen ermordet wurden. Weiter berührte er die Inseln der Freunde, die Schiffer- und die Sandwichs-Inseln, die Mündung des Columbia an der Westküste Amerikas, die Admiralitäts- und die Puget-Straße, die Vancouver- und die Diebes-Inseln (Ladronen), Manilla, den Sulu-Archipel, Singapore, die Sunda-Inseln, St. Helena und Rio de Janeiro bei dieser langdauernden Reise, welche nach Verlauf von drei Jahren und zehn Monaten in New-York am 9. Juni 1842 endigte.

Die wissenschaftlichen Resultate derselben waren in allen Zweigen sehr beträchtliche, und als ersten Versuch auf dem Gebiete der Erdumsegelungen konnte sich die junge Republik der Vereinigten Staaten zu einer Meisterleistung beglückwünschen.

Trotz des Interesses, welches der kostbare Bericht über diese Expedition ebenso gewährt, wie die Special-Abhandlungen, welche demselben beigegeben wurden und die man der Feder hervorragender Gelehrten, wie Dana, Gould, Pickering, Gray, Cassin und Brackenridge verdankt, müssen wir hier doch von Allem absehen, was auf andere schon bekannte Gebiete Bezug hat. Man begreift unschwer den großen Erfolg dieser Arbeit jenseits des Atlantischen Oceans und in einem Lande, das bisher nur wenige Entdeckungsreisende aufwies.

Gleichzeitig mit Wilkes lieferte zu Anfang des Jahres 1839 Balleny, Kapitän der »Elisabeth Scott«, einen interessanten Beitrag zur Kenntniß der antarktischen Länder.

Von der Insel Campbell im Süden Neu-Seelands aussegelnd, war er am 7. Februar bis 67° 7' der Breite bei 164° 25' westlicher Länge von Paris vorgedrungen. Als er nach Westen weiter fuhr, entdeckte er zwei Tage später und nachdem er mancherlei Anzeichen für die Nachbarschaft eines Landes beobachtet, im Südwesten einen dunklen Streifen, den er um sechs Uhr Abends unzweifelhaft als Land ansehen zu dürfen glaubte. Es bestand dasselbe aus drei nicht unbeträchtlichen Inseln, deren westlichste die längste war. Sie erhielten den Namen Balleny's. Natürlich bemühte sich der Kapitän, an denselben zu landen, sie zeigten sich aber ringsum von einem undurchgänglichen Packeisgürtel umschlossen, so daß man sich damit begnügen mußte, die Lage der mittleren zu 66° 44' der Breite und 162° 25' der Länge zu bestimmen.

Am 11. Februar kam in Westsüdwesten wiederum ein hohes schneebedecktes Land in Sicht, von dem man am folgenden Tage kaum noch zehn Meilen entfernt war. Man näherte sich demselben und setzte dann ein Boot aus. Ein drei bis vier Fuß breiter, steilen und unzugänglichen Uferfelsen vorgelagerter flacher Strand machte das Anlaufen selbst einer Schaluppe unmöglich, und man mußte bis zum halben Körper im Wasser vorwärts gehen, um nur einige Lavastückchen zu erlangen, denn das Land war vulcanischer Natur und über den Bergspitzen schwebte eine Rauchsäule dahin.

Noch einmal, am 2. März, zeigte sich, der Schätzung nach unter 65° der Breite und 120° 24' der Länge, vom Deck der »Elisabeth Scott« aus eine Andeutung von Land. Man legte für die Nacht bei und versuchte am folgenden Tage, nach Südwesten vorzudringen; es erwies sich aber unmöglich, den Eisrand vor dem Ufer zu durchbrechen. Dieses neue Land erhielt den Namen Sabrina. Balleny mußte nun wieder nach Norden zurückkehren, und obige lückenhafte, aber verläßliche Angaben sind Alles, was von seinen Entdeckungen bekannt wurde.

Im Jahre 1837, gerade als Wilkes zu der oben geschilderten Expedition auszog, legte der Kapitän Dumont d'Urville dem Marineminister den Plan zu einer neuen Reise um die Erde vor. Die Dienste, welche er von 1819 bis 1821 während einer hydrographischen Reise und von 1822 bis 1825 auf der »Coquille« unter Kapitän Duperrey geleistet, endlich die von ihm von 1826 bis 1829 auf der »Astrolabe« innegehabte Stellung nebst seinen Kenntnissen und reichen Erfahrungen berechtigten ihn wohl, der Regierung seine Anschauungen zu unterbreiten und die Aussicht zu eröffnen, daß es ihm gelingen werde, die Kenntniß jener von ihm und anderen Forschern doch schon vielfach besuchten Länder zu vermehren, welche jetzt noch immer Lücken zeigte, deren Ausfüllung vom Gesichtspunkte der Hydrographie, des Handels und der Wissenschaft im Allgemeinen gleich wünschenswerth erschien.

Der Minister zögerte keinen Augenblick, Dumont d'Urville's Vorschlag anzunehmen, und bemühte sich, wohlunterrichtete und verläßliche Mitarbeiter auszuwählen. Die beiden Korvetten »l'Astrolabe« und »la Zelée« wurden ihm, ausgerüstet mit Allem, was man bei den von Frankreich wiederholt veranstalteten Reisen als nothwendig und nützlich erkannt hatte, zur Verfügung gestellt. Unter den ihn begleitenden Officieren erreichten mehrere später Generalsrang, wie Jacquinot, der Commandant der »Zelée«, Coupvent-Desbois, du Bouzet, Tardie de Montravel und Périgot, deren Namen Allen, die sich je mit der Geschichte der französischen Marine beschäftigten, rühmlichst bekannt sind.

Die Instructionen, welche der Befehlshaber der Expedition vom Viceadmiral Rosamel erhielt, wichen von den früher seinen Vorgängern ertheilten insofern ab, als ihm aufgegeben wurde, nach dem Südpole vorzudringen, so weit die Eisverhältnisse das zuließen. Er sollte gleichzeitig die von ihm im Jahre 1827 begonnene Untersuchung der Fidschi-Inseln vervollständigen, nach einem Besuche des Salomons-Archipel vor dem Schwanenflusse in Australien und bei Neu-Seeland vor Anker gehen, die Insel Chatam und den von Lütke erforschten Theil der Carolinen anlaufen, um von da nach Mindanao, Borneo und Batavia zu segeln, von wo aus er um das Cap der Guten Hoffnung nach Frankreich zurückkehren sollte.

An die Instructionen selbst schlossen sich einige hochinteressante Bemerkungen an, Beweise des hohen Gesichtspunktes, von dem aus die Regierung die ganze Angelegenheit betrachtete.

»Seine Majestät, sagte Admiral Rosamel, hat hierbei nicht allein die Fortschritte der Hydrographie und der Naturwissenschaften im Auge gehabt, seine königliche Fürsorge für die Interessen des französischen Handels und für die Ausbreitung der Fahrten unserer Rheder hat ihm den Umfang Ihrer Mission und die Vortheile, welche man durch dieselbe zu erzielen hofft, unter erweiterterem Gesichtspunkte betrachten lassen. Sie werden eine Menge Punkte besuchen, deren Erforschung, inwieweit sie unseren Walfischjägern gewisse Hilfsmittel bieten können, von hoher Wichtigkeit erscheint. Sie werden sich deshalb bemühen, alle Nachrichten zu sammeln, welche dieselben bei ihren Fahrten leiten und letztere selbst erfolgreicher machen können. Sie werden in Häfen ankern, wo unser Handel schon Fuß gefaßt hat und das Erscheinen eines Kriegsschiffes vielleicht von Nutzen sein könnte, und in anderen, wo die Erzeugnisse unserer Industrie voraussichtlich bisher unbekannte Absatzgebiete finden dürften, und über welche Sie nach Ihrer Rückkehr gewiß schätzenswerthe Auskunft zu ertheilen im Stande sind.«

Dumont d'Urville erhielt, außer den persönlichen Glückwünschen und Ermuthigungen von Seiten Louis Philippe's, die unzweideutigsten Beweise lebhafter Theilnahme von der Akademie der moralischen Wissenschaften und von der Geographischen Gesellschaft. Leider war das nicht der Fall von Seiten der allgemeinen Akademie der Wissenschaften, obgleich Kapitän d'Urville schon seit zwanzig Jahren für die Bereicherung des naturhistorischen Museums rastlos gewirkt hatte.

»Ob aus Kastengeist oder nur in Folge ungünstiger Vorurtheile gegen mich, schreibt d'Urville, jedenfalls zeigten sie wenig Interesse für die in Vorbereitung begriffene Expedition, und die Ausdrücke, in welchen ihre Instructionen abgefaßt waren, erschienen ebenso frostig, wie sie dieselben etwa einer ihnen völlig unbekannten Persönlichkeit gegenüber hätten anwenden können.«

Man muß wirklich bedauern, unter den erbittertsten Gegnern dieser Expedition den berühmten Arago, sonst den ausgesprochenen Freund aller Polarforschungen, zu sehen.

Anders verhielt es sich dagegen mit verschiedenen fremden Gelehrten, von denen in erster Linie Humboldt und Krusenstern zu nennen sind, welche d'Urville ihre warmen Glückwünsche zu der neuen Expedition und den für die Wissenschaft zur erhoffenden Fortschritten darbrachten.

Nach mancherlei, durch die Ausrüstung der beiden Fahrzeuge, welche den Prinzen Joinville nach Brasilien überführen sollten, verursachten Verzögerungen konnten die Korvetten »Astrolabe« und »Zelée« am 7. September 1837 endlich Toulon verlassen. Am letzten Tage desselben Monats ankerten sie auf der Rhede von Santa Cruz bei Teneriffa; d'Urville zog es vor, an dieser Stelle, statt am Grünen Vorgebirge, Halt zu machen, weil er hier Weinvorräthe einnehmen zu können hoffte und einige Beobachtungen der magnetischen Intensität nebst verschiedenen Höhenmessungen vornehmen wollte, die man ihn im Jahre 1826 nicht ausgeführt zu haben beschuldigte, obwohl es allgemein bekannt sein mußte, daß ihm dies zu jener Zeit durch die Verhältnisse unmöglich gemacht worden war.

Trotz der Ungeduld der jüngeren Officiere, hier die Freuden des Lebens auf festem Lande einmal zu kosten, mußten sie sich doch einer viertägigen Quarantäne unterwerfen, welche auf die Nachricht von dem Vorkommen mehrerer Pestfälle im Lazareth von Marseille angeordnet worden war.

Ohne auf die Einzelheiten bei Besteigung des weltbekannten Pics (von Teneriffa) durch Du Bouzet, Coupvent und Dumoulin einzugehen, möge es genügen, hier einige begeisterte Sätze Coupvent-Desbois' wiederzugeben:

»Am Fuße des Kegels angelangt, sagt dieser Officier, kletterten wir noch eine Stunde lang über Aschenfelder und Steingeröll empor und erreichten endlich das ersehnte Ziel, den höchsten Punkt dieses ungeheuren Vulcans.

Da lag der rauchende Krater nun vor uns, eine hohle, schwefelige, mit Bimsstein und Felstrümmern bedeckte Halbkugel von etwa 400 Metern Durchmesser und 100 Metern Tiefe. Das Thermometer, welches um fünf Uhr Morgens im Schatten fünf Grad zeigte, ist zersprungen, weil wir es auf den Boden an eine Stelle gebracht hatten, wo schwefelige Dämpfe ausströmten. An den Wänden und im Grunde des Kraters dampfen zahlreiche Fumarolen, welche Schwefel, die Grundlage des Gipfels, absetzen. Die Gewalt der ausströmenden Dämpfe erkennt man an fortwährend hörbaren, schwachen Detonationen. Der Boden ist an manchen Stellen so heiß, daß man den Fuß kaum einige Minuten lang auf dieselben setzen kann. Jetzt laßt Eure Blicke ringsum schweifen, betrachtet die drei übereinander gethürmten Berge – erscheinen sie nicht wie die Arbeit von Riesen, welche eine Treppe in den Himmel bauen wollten? Seht da die gewaltigen erstarrten Lavaströme, welche von einem Punkte ausgeflossen sind und Bergkämme bilden, die Ihr wenige Jahrhunderte vorher nicht ungestraft betreten hättet! Seht in der Ferne den da- und dorthin zerstreuten Archipel der Canarien im Meer, das an den Küsten der Insel brandet, deren Gipfel Ihr jetzt bildet, Ihr Pygmäen! … Schaut um Euch, wie Gott das All überblickt und Ihr habt den Lohn für alle Mühen, Ihr Reisende, welche die Bewunderung großartiger Naturschauspiele 3704 Meter über das Meer hinaufgelockt hat!«

Es sei hier eingeschaltet, daß die Forscher auf dem Gipfel des Pics den weit lebhafteren Glanz der Sterne, die leichtere Fortpflanzung des Schalles und jene Schwere der Gliedmaßen nebst Kopfschmerzen beobachteten, welche unter der Bezeichnung »Bergkrankheit« allgemein bekannt ist.

Während ein Theil des Stabes diese wissenschaftliche Promenade unternahm, durchstreiften einige andere die Stadt, in der nur eine ziemlich bescheidene, die »Alameda« genannte Alleestraße und die Kirche der Franziskaner erwähnenswerth erscheinen. Dagegen bieten die Umgebungen mehr des Interessanten, darunter die merkwürdigen Aquäducte, welche der Stadt Wasser zuführen, und der Wald von Mercedes, der, wie d'Urville wollte, eigentlich richtiger ein Dickicht genannt werden sollte, denn er besteht nur aus Gesträuch und mächtigen Farrenkräutern.

Die Bevölkerung schien heiteren Temperaments aber entsetzlich träge, genügsam, aber über alle Maßen unsauber und von unglaublich leichtfertigen Sitten zu sein.

Am 12. October lichteten die beiden Fahrzeuge wieder die Anker, um so schnell als möglich nach den Polargebieten zu gelangen. Nur aus humaner Rücksichtnahme entschied sich d'Urville dahin, vor Rio einmal zu halten. Der Zustand eines schon brustkrank an Bord gekommenen Seecadetten verschlimmerte sich mit jedem Tage so sehr, daß ein Aufenthalt in den eisigen Regionen dessen Ende offenbar beschleunigt hätte. Das war der Grund, um dessentwillen der Commandant von seiner Reiseroute abwich.

Die beiden Schiffe ankerten am 13. November auf der Rhede von Rio, nicht in der Bai, verweilten daselbst aber nur einen Tag über, d. h. so lange, als die Landung des jungen Duparc und die Einnahme einiger frischen Nahrungsmittel Zeit beanspruchten, und segelten dann nach Süden weiter.

Schon lange wünschte d'Urville die Magellanstraße einmal zu untersuchen, weniger aus hydrographischem Interesse – denn die im Jahre 1826 von dem englischen Kapitän King begonnenen und erst 1834 von Fitz-Roy zu Ende geführten, gewissenhaften Aufnahmen ließen nach dieser Seite kaum etwas zu thun übrig – aber mit besonderer Berücksichtigung der Naturgeschichte, welche noch eine Fülle neuer Beobachtungen sammeln zu lassen versprach.

Gleichmäßig interessant erschien es, sich über die jeden Augenblick drohenden Gefahren durch Sturmböen und dergleichen zu unterrichten, von denen die früheren Seefahrer so viel erzählten.

Ferner reizte es seine Neugier, die berühmten Patagonier, über welche unzählige Fabeln und Widersprüche verbreitet waren, aus eigener Anschauung gründlich kennen zu lernen.

Noch ein anderer Grund gab den Ausschlag, daß d'Urville den Port Famine dem Staatenlande als Halteplatz vorzog. Bei dem Studium der Berichte früherer Forscher, die sich nach der Südsee begeben hatten, war der Commandant zu der Ueberzeugung gelangt, daß der geeignetste Zeitpunkt zur Fahrt nach diesen Meerestheilen das Ende des Januars und der Monat Februar sein müsse. Nur da herrschte voraussichtlich vollkommenes Thauwetter, und man vermied damit das Risico, die Mannschaften den nutzlosen Anstrengungen und Gefahren einer zur unrechten Zeit unternommenen Fahrt auszusetzen.

Sobald er sich hierüber schlüssig gemacht, theilte er dem Kapitän Jacquinot seine Pläne mit und steuerte nach dem Kanale zu. Am 12. December befanden sich beide Korvetten in Sicht des Caps der Jungfrauen, und Dumoulin begann mit Hilfe der jüngeren Officiere unter Segel die schöne Reihe seiner hydrographischen Aufnahmen.

In der sehr gewundenen Fahrstraße der Meerenge entwickelte d'Urville so viel Kühnheit, Kaltblütigkeit, Geschick und Geistesgegenwart – so haben Andere wörtlich über ihn geurtheilt – daß er die meisten Matrosen auf andere Gedanken brachte, denn diese hatten vorher, als sie ihn gichtleidend nur mühsam im Hafen von Toulon gehen sahen, spöttisch gerufen: »Mit dem Männchen werden wir nicht allzu weit kommen!«

Als die Schiffe aber, Dank der unausgesetzten Wachsamkeit des Befehlshabers, glücklich aus der Meerenge heraussegelten, hatte sich die Anschauung der Leute gründlich verändert, und sie riefen nun:

»Dieser Teufelskerl muß toll sein! Da sind wir hart an den Felsen, Klippen und am Lande vorbeigefahren, als wäre er sein Lebelang hier hin und her gesegelt! … Und wir, wir glaubten schon, daß ihm der Tod im Nacken säße!«

Es erscheint hier am Platze, einige Worte über den Aufenthalt im Port Famine einzufügen.

Die Landungsstelle ist bequem; man findet bei derselben eine schöne Quelle und Holz in Ueberfluß; die Klippen liefern Mieß- und Tellermuscheln, sowie Trompetenschnecken in großer Menge, und das Land erzeugt Sellerie und eine dem Huflattig ähnliche Art Salat. Andere Hilfsmittel liefert auch der Fischfang in der Bucht; während der ganzen Zeit unseres Aufenthaltes fing man mit Schleppnetzen und Angeln so viele Stinte, Seebarben, Schmerlen und Trichterfische, daß diese allein zur Beköstigung der ganzen Mannschaft ausreichten.

»Als ich wieder unter Segel gehen wollte, sagt d'Urville, brachte mir der Oberbootsmann ein kleines Fäßchen, das seine Leute an einem Baume am Strande hängend gefunden halten, neben dem noch ein Pfahl mit der Aufschrift Post-Office gestanden hatte. Da ich bemerkte, daß sich Papiere in dem Fäßchen vorfanden, ließ ich dasselbe an Bord schaffen und nahm von jenen Einsicht. Sie enthielten Bemerkungen von Kapitänen, welche die Meerenge passirt hatten, über die Zeit ihrer Vorbeifahrt, über die damalige Witterung und dergleichen, verschiedene Rathschläge für etwaige Nachfolger und Briefe nach Europa und den Vereinigten Staaten.

Es scheint, als ob die Idee dieses Postamtes unter freiem Himmel von dem amerikanischen Kapitän Cunningham ausgegangen sei, der sich dazu, im April 1833, einfach einer an einem Baume aufgehängten Flasche bediente, sein Landsmann Water-House vervollständigte im Jahre 1835 diese primitive Anlage durch Hinzufügung eines Pfahles mit obiger Inschrift. Endlich segelte der englische Kapitän Carrick, der Commandant des Schooners »Mary-Ann« von Liverpool im März 1837 auf dem Wege nach San Blas in Californien durch die Straße und kehrte auf dem Heimwege, am 29. November 1837, das heißt sechzehn Tage vor uns, durch dieselbe zurück; er vertauschte die Flasche mit dem Fäßchen und ersuchte seine Nachfolger, sich desselben zur Einlegung der Briefe zu bedienen, die sie irgend wohin befördert zu sehen wünschten. Ich beabsichtige, diese wirklich nützliche und in ihrer Einfachheit doch so sinnreiche Anlage noch dadurch zu verbessern, daß ich am Gipfel des Vorgebirges eine Inschrift mit hinreichend großen Buchstaben werde anbringen lassen, um die Aufmerksamkeit der Seefahrer zu erregen, welche, wenn sie im Port Famine auch nicht vor Anker gehen wollen, doch wenigstens aus Neugier ein Boot absenden werden, um zu sehen, was sich in dem Behälter, den ich habe an den Pfahl selbst befestigen lassen, etwa vorfinden möchte. Allem Anscheine nach werden wir von dieser Vervollkommnung den ersten Nutzen haben und unsere Angehörigen angenehm überrascht sein, von uns aus diesem wilden, öden Lande gerade in dem Augenblicke Nachricht zu erhalten, wo wir nach den Eisregionen des Südpols aufbrechen.«

Zur Zeit der Ebbe ist die Mündung des Sedgerflusses, der im Port Famine mündet, durch Sandbänke versperrt; dreihundert Meter weiter landeinwärts bildet die Ebene einen weit ausgedehnten Sumpf, aus dem gewaltige Baumstämme und riesige, unter dem Einflüsse der Witterung gebleichte Thierknochen herausragen, welche von den furchtbaren Platzregen, die den Fluß von Zeit zu Zeit anschwellen, bis hierher geführt wurden.

Den Sumpf umrahmt ein herrlicher Wald, und Dornenbüsche machen jedes Eindringen in denselben fast unmöglich. Die häufigst vorkommenden Bäume in demselben sind Buchen mit zwanzig bis dreißig Meter hohen und fast einen Meter dicken Stämmen, ferner die sogenannte Winters-Rinde, welche lange Zeit an Stelle des Zimmets Verwendung fand, und eine Art Berberitze.

Die größten Buchen, welche d'Urville sah, hatten einen Umfang von fünf und eine Höhe von fünfzig Metern.

Leider begegnet man in dem Uferlande weder Säugethieren, noch Reptilien und findet auch keine Land- oder Flußmuscheln; eine oder zwei Arten Vögel neben Flechten und Moosen sind Alles, was ein Naturforscher hier sammeln könnte.

Mehrere Officiere fuhren in einer Jolle den Sedgerfluß hinauf, bis die geringe Wassertiefe desselben dem weiteren Vordringen ein Ende machte. Sie kamen bis sieben und eine halbe Meile von der Mündung landeinwärts und fanden, daß der Fluß an der Stelle, wo er in das Meer fällt, dreißig bis vierzig Meter in der Breite mißt.

»Es möchte schwierig sein, sagt de Montravel, ein mehr pittoreskes Bild zu ersinnen als das, welches sich bei jeder Biegung des Wasserlaufes unseren Blicken darbot. Ueberall herrschte eine wirklich wunderbare, geradezu unnachahmliche Unordnung, ein Wirrwarr von Bäumen, zerbrochenen Aesten und moosbedeckten Stämmen, die sich in allen Richtungen kreuzten.«

Alles in Allem ließ die Station im Port Famine nichts zu wünschen übrig; Wasser und Holz waren ohne Schwierigkeit zu erlangen; man nahm vielerlei Reparaturen vor oder richtete das und jenes vortheilhafter ein; daneben widmete man sich Beobachtungen der Stundenwinkel und Untersuchungen im Gebiete der Physik, Meteorologie und Hydrographie, wie der Gezeiten; endlich sammelte man zahlreiche naturhistorische Gegenstände, welche um so werthvoller erschienen, als Frankreich in seinen verschiedenen Museen absolut nichts aus jenen noch kaum bekannten Gebieten besaß.

»Eine geringe Anzahl von Commerson gesammelter und in de Jussieu's Herbarium aufbewahrter Pflanzen, heißt es in dem Berichte, bildeten Alles, was man bisher von denselben kannte.«

Am 28. December 1837 wurden die Anker gelichtet, ohne Einen der Patagonier zu Gesicht bekommen zu haben, deren Bekanntschaft Officiere und Mannschaft gar zu gern gemacht hätten.

Gewisse Zufälligkeiten, wie solche der einer Seereise ja selten ausbleiben, nöthigten die beiden Korvetten, unfern von hier, im Hafen Galant, wieder vor Anker zu gehen. Die User dieses Hafens sind mit schönen Bäumen besetzt und von Bergströmen durchbrochen, welche nicht weit davon prächtige Wasserfälle von fünfzehn bis zwanzig Meter Höhe bilden. Der Aufenthalt hier war nicht als verloren anzusehen, denn man sammelte dabei sehr viele, noch neue Pflanzenspecies und vermaß den Hafen und die benachbarten Buchten. Der Commandant erachtete die Jahreszeit jetzt für zu vorgeschritten, um durch den westlichen Ausgang der Meerenge zu segeln, und beschloß deshalb umzukehren, in der Hoffnung, vor der Abreise nach den Polarregionen doch noch einmal mit Patagoniern zusammenzutreffen. Die Bai St. Nikolaus, welche Bougainville Bai der Franzosen genannt hatte, bot einen weit lieblicheren Anblick als der Hafen Galant, wo die Besatzung den 1. Januar 1838 verlebte. Die gewohnten hydrographischen Arbeiten wurden hier von den Officieren unter der Leitung Dumoulin's glücklich zu Ende geführt.

Nach dem Cap Remarquable sandte, man auch ein Boot ab, weil Bougainville daselbst fossile Muscheln gesehen haben wollte; es fanden sich aber nur kleine, in Kalk eingebettete Strandsteine, die vom Ufer bis zu einer Höhe von fünfzig Metern eine dünne Lage bildeten.

Auch mit dem Thermometrographen stellte man in einer Tiefe von zweihundertundneunzig Faden, wobei sich zwei Meilen vom Lande noch kein Grund fand, höchst interessante Beobachtungen an. Wenn die Temperatur der Oberfläche neun Grad betrug, so zeigte sie in jener Tiefe nur zwei Grad, und da kaum anzunehmen war, daß die beiden Oceane ihre Gewässer so tief unten zu führten, mußte man das für die jener Tiefe eigenthümliche Temperatur ansehen.

Die Schiffe landeten hierauf in Feuerland, wo Dumoulin die Reihe seiner Aufnahmen fortsetzte. Niedrig, offen und mit Felsen bedeckt, welche als Richtpunkte für Vermessungen dienten, bot dasselbe an dieser Stelle keine besonderen Gefahren. Ferner passirte man nach einander die Insel Magdalena, die Bai Gente grande, die Insel Elisabeth, den Hafen Oazy, wo man mit dem Fernrohre ein größeres Patagonier-Dorf erkennen konnte, und den Hafen Peckett, in dem die »Astrolabe« bei drei Faden Wasser auf den Grund stieß.

»In dem Augenblicke, als man bemerkte, daß wir aufliefen, sagt Dumont d'Urville, entstand unter der Mannschaft eine gewaltige Bestürzung und wurden verschiedene verzweifelte Ausrufe laut. Ich befahl mit sicherer Stimme Schweigen und rief, ohne mich von dem Vorkommniß irgendwie beunruhigt zu zeigen: »Das hat ja nichts zu bedeuten, da wird es noch ganz anders kommen!«

Später erinnerten sich meine Matrosen dieser Worte noch häufig genug. Es erscheint für einen Kapitän vor allen Dingen wichtig, auch bei den handgreiflichsten Gefahren, selbst gegenüber solchen, die er für unvermeidlich hält, stets die größte Ruhe und unerschütterliche Kaltblütigkeit zu bewahren.«

Im Hafen Peckett bekam man endlich Patagonier zu Gesicht. Officiere und Matrosen beeilten sich nach Kräften, an's Land zu kommen. Dort wartete an der Landungsstelle eine Menge berittener Eingeborner.

Sanft und friedlich, beantworteten sie zuvorkommend alle an sie gerichtete Fragen. Mit großer Gemüthsruhe betrachteten sie Alles, was sie sahen, und schienen nach den Gegenständen, die man ihnen zeigte, kein besonderes Verlangen zu haben. Diebesgelüste waren ihnen offenbar nicht eigen, denn so Viele ihrer auch an Bord kamen, wurde doch nicht das Geringste heimlich mit weggenommen.

Ihre mittlere Größe schien 173 Centimeter zu betragen, doch sah man auch weit kleinere; ihre Gliedmaßen waren stark und rund, aber nicht besonders muskulös, und die Füße meist klein. Charakteristisch an ihnen ist die auffallende Breite der unteren Gesichtstheile, denen gegenüber die Stirn niedrig und abgeflacht erscheint. Längliche, schmale Augen, vorspringende Wangenbeine und eine abgeplattete Nase verleihen ihrem Typus viel Aehnlichkeit mit dem der Mongolen.

Alles deutet bei ihnen auf Schlaffheit und Indolenz, nichts auf Kraft und Gewandtheit. Wenn man sie stehend oder gehend so zusammengesunken sieht, mit ihren nach vorn zusammenknickenden Pferden, so glaubt man eher Frauen aus einem Harem vor sich zu haben, als Wilde, welche gewöhnt sind, allen Unbilden rauher Witterung zu trotzen und gegen Schwierigkeiten aller Art anzukämpfen, um nur das Leben zu fristen. Mitten unter ihren Hunden und Pferden auf Fellen ausgestreckt, kennen sie keinen angenehmeren Zeitvertreib als den, sich das Ungeziefer abzusuchen, von dem sie strotzen. Zu Fuße zu gehen, sind sie so wenig gewöhnt, daß sie zu Pferde stiegen, um Muscheln am Strande zu suchen, obwohl dieser kaum fünfzig bis sechzig Schritte entfernt war.

Unter ihnen lebte auch ein Weißer von elendem Aussehen; er gab zwar vor, aus den Vereinigten Staaten zu stammen, sprach aber nur sehr unvollkommen englisch, und man erkannte ihn leicht als einen deutschen Schweizer.

Niederhauser – so hieß der Mann – war nach den Vereinigten Staaten ausgewandert, um Schätze zu sammeln; da sich das Geschick ihm nicht günstig zeigte, ließ er sich durch die verlockenden Vorspiegelungen eines Robbenjägers bethören, der seine Mannschaft zu vervollständigen wünschte. Er wurde, wie dies Gebrauch ist, nebst sieben Kameraden und dem nöthigen Proviant auf einer öden Insel von Feuerland ausgeschifft, um Robben zu jagen und deren Felle zuzubereiten.

Vier Monate später erschien sein Schiff wieder, nahm die erbeuteten Felle ein, ließ neuen Proviant zurück – und war für immer verschwunden. Niemand wußte, ob dasselbe gescheitert war oder der Kapitän seine Leute einfach im Stiche gelassen hatte.

Als die Zeit verstrich und diese Bedauernswerthen sich ohne Lebensmittel sahen, bestiegen sie ihr Boot und fuhren in die Meerenge ein, wo sie bald mit Patagoniern zusammentrafen. Niederhauser blieb bei diesen, während die Anderen ihre Fahrt fortsetzten. Er wurde von den Wilden freundlich aufgenommen, fügte sich gänzlich deren Lebensgewohnheiten, füllte sich den Magen tüchtig an, wenn die Jagd reiche Beute lieferte, und schnürte sich den Gürtel fester, wenn er in Zeiten des Mangels den Hunger nur mit einigen eßbaren Wurzeln stillen konnte.

Müde dieses elenden Lebens, bat Niederhauser jetzt aber d'Urville, ihn an Bord aufzunehmen, denn er könne diese Entbehrungen, sagte er, nicht einen Monat länger aushalten. Der Kapitän gewährte die Bitte und schiffte ihn als Passagier ein.

Während seines dreimonatlichen Aufenthaltes bei den Patagoniern hatte sich Niederhauser einigermaßen deren Sprache angeeignet, und d'Urville benutzte diesen Umstand, um die patagonischen Ausdrücke für ein vergleichendes Wörterbuch aller Sprachen zu erfahren.

Das Kriegscostüm der Feuerländer besteht aus einem ledernen Helm mit mehreren Erzplatten, über dem ein schöner Busch von Hahnenfedern weht, einem Ueberwurf von Büffelhaut mit gelben Streifen und aus einer Art zweischneidigem Pallasch. Der Häuptling des Stammes im Hafen Peckett ließ sich bewegen, ein Bild von sich anfertigen zu lassen, ein Beweis von geistiger Ueberlegenheit gegenüber seinen Unterthanen, welche das aus Furcht vor irgend welcher Zauberei stets verweigerten.

Am 8. Januar wurden die Anker gelichtet, die andere enge Stelle trotz der Strömung ohne Beschwerde passirt, und nachdem sie zwei Drittheile der Ausdehnung der Magellanstraße untersucht, wendeten sich die Schiffe nach den Polarregionen und nahmen die ganze Ostseite von Feuerland auf, eine Lücke, deren Ausfüllung in hydrographischem Interesse sehr erwünscht schien, da bis jetzt noch keine specielle Karte der genannten Insel existirte.

Staatenland ward ohne Unfall umschifft. Am 15. Januar sah man nicht ohne eine gewisse Erregung das erste Eis, zwischen dem die Schiffe nun bald dahinsegeln sollten.

Die schwimmenden Eisschollen sind an und für sich nicht die gefährlichsten Feinde in diesen Gegenden; der Nebel – ein dichter Nebel, den auch das schärfste Auge nicht zu durchdringen vermag – umhüllt die beiden Fahrzeuge, lähmt deren Bewegung und setzt sie, obschon sie beigelegt haben, doch jeden Augenblick der Gefahr aus, gegen irgend einen gewaltigen Block zu stoßen. Die Temperatur sinkt; an der Meeresoberfläche zeigt, der Thermometrograph nur noch zwei Grad, weiter in der Tiefe fällt er bis unter Null. Bald wirbelt ein halbgeschmolzener Schnee herab. Alles deutet darauf hin, daß man jetzt auf die antarktischen Meere einfährt.

Es ist unmöglich, die Insel Clarence und die New-South-Orkneys aufzusuchen; man verliert die Zeit mittelst Segelmanövern, um den Eisbergen auszuweichen.

Am 20. Januar zu Mittag befindet man sich unter 63°3' südlicher Breite und 49°56' westlicher Länge. Nicht fern von hier hatte Powell die ersten compacten Eisfelder getroffen. Man gewahrt bald eine gewaltige Eisinsel von zweitausend Meter Länge, siebzig Meter Höhe und glatt abgeschnittenen Wänden, welche unter der wechselnden Einwirkung des Lichtes einem Lande zum Verwechseln ähnlich aussieht.

Walfische und Pinguins verfolgen unablässig das Schiff, um welches weiße Möven in Schaaren flattern.

Am 21. ergiebt die Messung 62°53' südlicher Breite und d'Urville hofft schon in den nächsten Tagen den 65. Grad zu erreichen, als man ihm in der Nacht, gegen drei Uhr Morgens, die Meldung macht, daß der Weg durch Packeis versperrt erscheint, das nirgends eine fahrbare Straße erkennen lasse. Die Halsen werden sofort gewechselt, und man segelt langsam, denn der Wind hat sich abgeschwächt, in östlicher Richtung weiter.

»Auch fanden wir Gelegenheit, heißt es in dem Berichte, das wundervolle Schauspiel, das sich vor unseren Augen entrollte, mit Muße zu genießen. Ernst und über alle Beschreibung großartig und die Einbildungskraft mächtig anregend, erfüllt es doch das Herz unwillkürlich mit Entsetzen. Niemals fühlt der Mensch so sehr wie hier seine gänzliche Ohnmacht … Es ist eine neue Welt, die sich vor seinen Blicken aufthut, aber eine starre, schauerliche, schweigende Welt, wo ihm von allen Seiten Vernichtung droht. Wenn ihn hier das Unglück ereilte, sich allein überlassen zu sein, würde nichts, kein Trost, kein Funken von Hoffnung, seinen letzten Augenblicken die Bitterkeit nehmen können. Dieser Gedanke erinnert unwillkürlich an die berühmte Inschrift über dem Thor zu Dante's Hölle:

» Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate«.
(Laßt alle Hoffnung draußen, ihr, die ihr hier eintretet.)

D'Urville unternimmt dann eine andere, merkwürdige Arbeit, die, mit anderen von derselben Natur verglichen, einen großen Nutzen versprechen würde. Er läßt nämlich die Grenzlinie des Packeises genau aufnehmen. Wenn das auch andere Seefahrer gethan hätten, würde man genauen Aufschluß über die Richtung und Vorwärtsbewegung der Eismassen des Südens erlangen können, ein Punkt, über den jetzt noch ziemliche Dunkelheit herrscht.

Am 22. bemerkte man, nach Umschiffung einer vorspringenden Spitze, daß die Grenze des Packeises nach Südsüdwest und später nach Westen verlief. In dieser Gegend erblickt man auch ein hohes bergerfülltes Land. Dumoulin hat dessen Aufnahme begonnen, und d'Urville glaubt darin Morell's Neu-Süd-Grönland zu erkennen, als man seine Formen sich verändern und es am Horizont allmählich verschwinden sieht.

Am 24. segeln die zwei Korvetten über eine mit schwimmenden Schollen bedeckte Wasserfläche und gelangen nach einer anderen Stelle, wo das Eis offenbar im Schmelzen ist. Bald aber verengert sich der vorher freie Weg, es treten wieder zahlreiche Blöcke auf, und man muß sofort Kehrt machen, um nicht eingeschlossen zu werden.

Alles deutet jedoch darauf hin, daß der Rand des Packeises in Zersetzung begriffen ist; die Eisinseln brechen mit furchtbarem Krachen zusammen, von den Schollen rieselt in seinen Fäden das Wasser – das ist das Thauwetter; die Jahreszeit ist also noch nicht weit genug vorgeschritten, und Fanning behält damit Recht, wenn er sagt, daß man nach diesen Gegenden vor Monat Februar nicht gehen solle.

D'Urville beschließt deshalb, nach Norden zu steuern, um die New-South-Orkney-Inseln anzulaufen, deren Karte noch unvollständig und wenig verläßlich ist. Der Commandant wünschte die Aufnahme dieses Archipels vorzunehmen und daselbst einige Tage zu verweilen, bevor er wieder einen Kurs nach Süden einschlug, um sich da zu derselben Jahreszeit wie Weddell zu befinden.

Drei Tage hindurch segelte d'Urville längs des nördlichen Randes dieses Archipels hin. Ohne einen Landungsplatz zu entdecken, dann nahm er am 4. Februar seinen Weg nach Süden wieder auf und traf unter 62°20' der Breite und 39°28' östlicher Länge von Neuem auf das Packeis.

Wenige Minuten vor zwölf Uhr Mittags gewahrt man da eine Oeffnung in demselben und fährt auf's Gerathewohl in dieselbe ein.

Dieses kühne Manöver gelang beiden Fahrzeugen, welche trotz heftigen Schneetreibens in eine Art kleines Bassin von zwei Meilen Breite eindringen konnten, das freilich ringsum von hohen Eismauern eingeschlossen war.

Man mußte sich hier an einem Eisberge festlegen. Als Befehl zum Ankern gegeben wurde, rief ein junger Novize von der »Zelée« ganz naiv:

»Ist denn hier ein Hafen? Ich glaubte nicht, daß jenseits des Eises auch noch Menschen wohnten?«

Uebrigens war alle Welt an Bord beider Schiffe in diesem Augenblicke seelenvergnügt. Einige junge Officiere von der »Zelée« hatten mit ihren Kameraden von der »Astrolabe« eine Bowle Punsch geleert. In seinem Bette hörte der Befehlshaber die lauten Ausbrüche der Freude. Ihm erschien freilich die Lage nicht in so rosenrothem Lichte. Er sagte sich, daß dieses Wagniß doch sehr unklug gewesen sei. In eine Sackgasse eingeschlossen, bot sich ihm kein anderer Weg aus derselben als der, durch den er hereingekommen, und ohne Wind im Rücken zu haben, konnte er auch diesen nicht benutzen.

In der That wurde d'Urville um elf Uhr durch heftige Stöße und ein schabendes Geräusch erweckt, als wenn die Korvette auf Felsen getroffen wäre. Der Commandant stand sofort auf und sah, daß die von einer Strömung fortgetriebene »Astrolabe«, gegen eine Eiswand gedrängt worden war, wo sie den Stößen anderer, schneller dahintreibenden Schollen ausgesetzt lag.

Mit anbrechendem Tage sah man sich rings vom Eise umschlossen. Nur nach Norden zu fand sich ein dunkelblauer Streifen freien Wassers. Man schlug augenblicklich diese Richtung ein, aber gleichzeitig legte sich auch schon ein dicker Nebel um die beiden Korvetten. Als dieser sich auflöste, starrte vor dem Schiffe eine Barriere compacten Eises, auf deren anderer Seite auf Sehweite hinaus offenes Wasser lag.

D'Urville beschloß, sich durch das Hinderniß Bahn zu brechen, ging ein Stück zurück und ließ die »Astrolabe« dann mit möglichster Wucht auf dasselbe stoßen. Zwei bis drei Schiffslängen drang diese zwar in das Eis ein, dann lag sie aber unbeweglich; nun sprangen die Mannschaften auf das Eis und bemühten sich mit Aexten und Hauen, mit Meißeln und Sägen, den Weg frei zu machen.

Schon hatten sie den Rest der Eisbahn beinahe überwunden, als der Wind umschlug und ein hohler Seegang sich bemerkbar machte, der das Schiff, nach Ansicht aller Officiere, zwang, in das Innere der Eismassen zurückzukehren, da man bei weiter auffrischendem Winde befürchten mußte, an dem Packeise festgehalten und von Wogen und treibenden Schollen zertrümmert zu werden.

Zwölf bis fünfzehn Meilen hatte die Korvette so nutzlos zurückgelegt, als ein auf den Wanten befindlicher Officier in der Richtung nach Nordnordost eine Durchfahrt entdeckte. Sofort wendete man nach dieser Seite; auch da erwies es sich aber als unmöglich, hindurch zu segeln, und als darüber die Nacht hereinbrach, blieb kein anderer Ausweg übrig als der, die Schiffe an einem Eisberge zu verankern. Das entsetzliche Krachen, welches den Befehlshaber schon in vergangener Nacht munter erhalten hatte, wiederholte sich nun mit solcher Heftigkeit, daß man die Korvette dadurch zugrunde gerichtet zu sehen fürchtete.

Nach einer Unterredung mit dem Kapitän der »Zelée«, drang d'Urville noch einmal nach Norden vor, doch verging der ganze Tag, ohne eine wesentliche Veränderung in der Lage der beiden Schiffe herbeizuführen; am folgenden Tage wurde der Seegang, während halbgeschmolzener Schnee herabfiel, so stark, daß er das ganze Eisfeld, in dem die Fahrzeuge gefangen lagen, aufhob und zerbrach.

Jetzt forderten die Eisschollen, welche fast hin und her hüpften, noch größere Aufmerksamkeit, und man mußte das Steuerruder in eine Art Balkenhütte einschließen, um dasselbe gegen die Stöße der Eismassen zu schützen.

Außer einigen, durch die fortwährend blendende Rückstrahlung des Lichtes von dem Schnee verursachten Augenentzündungen, blieb der Gesundheitszustand der Mannschaften ein recht erfreulicher, was dem Commandanten um so lieber war, als hier Jedermann die Augen offen halten mußte. Am 9. Februar konnten die Korvetten, von einer steifen Brise unterstützt, aus ihrer gefährlichen Lage loskommen und ein vollkommen eisfreies Meer auffinden. Dem Packeis waren sie auf eine Strecke von zweihundertfünfzig Meilen gefolgt.

Ein außergewöhnliches Glück war es zu nennen, daß die Schiffe, außer dem Verluste einiger Sparren und eines nicht geringen Theiles der Kupferverkleidung, ernsthaftere Havarien nicht erlitten hatten; jedenfalls zogen sie jetzt nicht mehr Wasser als vorher.

Am nächsten Tage schien die Sonne und gestattete eine Beobachtung anzustellen, aus der sich die augenblickliche Position zu 62° 9' der Breite und 39° 22' westlicher Länge ergab.

Noch immer fiel Schnee, die lebhafte Kälte, hielt an und der heftige Wind währte noch die drei folgenden Tage über fort. Dieses ununterbrochene schlechte Wetter und die länger werdenden Nächte überzeugten d'Urville von der Nothwendigkeit, auf die Weiterfahrt zu verzichten. Als er sich unter 62° südlicher Breite und 33° 11' der Länge, etwa da befand, wo Weddell im Jahre 1823 hatte ungehindert segeln können, und ihm nur undurchdringliche Eismassen entgegentraten, schlug er den Weg nach den New-South-Orkneys ein.

Uebrigens hatte der nun einmonatliche Aufenthalt im Eise und Nebel des antarktischen Oceans doch auch die Gesundheit der Mannschaft erschüttert, und es schien nutzlos für die Wissenschaft, diesen gefährlichen Kreuzzug noch länger fortzusetzen.

Am 20. kam jener Archipel in Sicht; noch einmal wurde d'Urville durch Eis gezwungen, weiter nach Norden zurückzuweichen, er konnte aber doch zwei Boote absenden, welche auf der Insel Weddell eine reiche, geologische Sammlung, einige Proben von Flechtenarten und etwa zwanzig Pinguins und Chionis zusammenbrachten.

Am 25. Februar kam die Insel Clarence in Sicht, welche die östlichste Spitze des New-South-Shetland-Archipels bildet, ein hohes, steiles und, außer dem Ufer, überall mit Schnee bedecktes Land; dann fuhr man mit vollen Segeln nach der Elephanten-Insel, welche der vorigen fast ganz gleicht, aber viele Bergkuppen aufwies, die sich, in schwarzen Farbentönen von den Schnee- und Eisfeldern abhoben. Die Eilande Narrow, Biggs, O'Brien und Aspland wurden nach und nach angelaufen; sie boten aber nirgends am Ufer einen Raum, wo ein Mensch nur den Fuß hinsetzen konnte. Später sah man den kleinen Vulcan Bridgeman, an dem zwei Boote vergeblich die Naturforscher an's Land zu setzen versuchten.

»Die allgemeine Bodenfärbung, heißt es in dem Berichte, ist röthlich, wie die von gebrannten Ziegelsteinen und zeigt graue Flecken, welche von Bimssteinen, oder verhärteter Asche herrühren mögen. Am Meeresstrande bemerkt man hier und da große, schwarze Blöcke, wahrscheinlich von Lava. Uebrigens besitzt das Eiland keinen wirklichen Krater, aber überall, und vorzüglich längs des westlichen Ufers, wirbeln dichte Dampfwolken aus dem Boden desselben empor; am nördlichen Ufer bemerkt man auch zwei, zehn bis zwölf Meter hochaufsteigende Fumarolen; an der Ost- und Südseite fehlen solche mehr, ebenso auf den höchsten, ebenen und runden Berggipfeln des Eilandes. Die ganze Masse desselben muß in jüngerer Zeit große Veränderungen erfahren haben, da die ganze Erscheinung mit der Beschreibung Powell's aus dem Jahre 1828 so wenig übereinstimmt.«

D'Urville steuerte bald wieder nach Süden und erkannte am 27. Februar in Südosten einen ausgedehnten Landstreifen, den er wegen Nebel und dichtem Schneetreiben nicht anzulaufen vermochte. Jener konnte etwa in der Breite der Insel Hope, das heißt unter 62° 57' liegen. Er näherte sich demselben so weit als möglich und beobachtete zuerst ein niedriges Stück Land, dem er den Namen Joinville-Land gab; weiter im Südwesten eine ausgedehnte Berglandschaft, die er Louis Philippes-Land benannte; und zwischen diesen, inmitten eines von Eis verstopften Kanals, eine Insel, welche Insel Rosamel getauft wurde.

»Alsdann, sagt d'Urville, gestattete uns der klarer gewordene Himmel, alle Unebenheiten von Louis Philippes-Land deutlich zu unterscheiden. Es erstreckte sich von dem Bransfield-Berge, im Norden 72° nach Osten bis nach Südsüdwesten, wo man es noch am Horizonte erblicken kann. Vom Bransfield-Berge an nach Süden bildet es eine hohe, gleichförmige Landschaft, freilich nur ein ungeheuerer Gletscher ohne besondere Unebenheiten. Im Süden aber erhebt sich das Land in Form eines schönen Kegels (der Jacquinot-Berg), der den Bransfield an Höhe zu erreichen, vielleicht gar zu übertreffen scheint; von da aus verläuft das Land in Form einer Bergkette, welche im Südwesten mit einem, alle übrigen noch überragenden Gipfel endigt. Die Wirkung des Schnees und des Eises aber, ebenso wie der Mangel jedes zum Vergleich dienenden anderen Objects verleitet gar zu leicht dazu, die Höhe solcher Protuberanzen zu überschätzen.

Wir erkannten wirklich aus den von Dumoulin vorgenommenen Messungen, daß alle Berge, die uns erst so riesig und mindestens den Alpen oder Pyrenäen ähnlich zu sein schienen, nur eine sehr mittelmäßige Höhe hatten. Der Bransfield-Berg z. B. maß nur 632 Meter, der Jacquinot 648 und der letzterwähnte, der d'Urville-Berg, der höchste von allen, 931 Meter. Mit Ausnahme einzelner, vor der größeren Landmasse gelegener Eilande und einiger schneefreien Vorsprünge bildet das Uebrige nur eine zusammenhängende Eismasse; unter solchen Verhältnissen ist es selbstverständlich unmöglich, die eigentliche Gestalt des Landes anzugeben, da man nur die Linie seiner Eiskruste abzeichnen kann.«

Am 1. März ergiebt die Sonde nur 180 Faden Tiefe und einen felsigen Grund. Die Temperatur an der Oberfläche des Meeres beträgt 1·9, im Grund desselben 0·2 Grad. Am 2. März entdeckt man, ziemlich entfernt von Louis Philippes-Land, eine Insel, welche den Namen der »Astrolabe« erhält. Am nächsten Tage wird eine große Bucht oder vielmehr ein Kanal, dem man den Namen Orleans-Kanal beilegt, zwischen Louis Philippes-Land und einer hohen felsigen Küste aufgenommen, die nach d'Urville's Ansicht den Anfang der bisher nur unzulässig bekannten Trinityländer bilden sollte.

Vom 26. Februar bis zum 5. März blieb d'Urville in Sicht dieser Küste, segelte in geringer Entfernung von derselben hin, mußte aber wegen fortwährenden Regens und kaum durchsichtiger Nebel wiederholt seinen Kurs ändern. Alles deutete jetzt übrigens auf ziemlich rasches Thauwetter hin; gegen Mittag stieg die Temperatur bis fünf Grad über Null; überall rannen kleine Wasserfäden von, dem Eise, und ganze Blöcke lösten sich ab, die mit Donnergepolter in's Meer stürzten; dazu wehte unaufhörlich eine scharfe westliche Brise.

Das war auch der Grund, warum d'Urville seine Untersuchungen nicht noch länger fortsetzte. Das Meer rollte schwer, der Regen ließ nur selten nach und der Nebel niemals. Er mußte sich also von dieser gefährlichen Küste entfernen und nach Norden steuern, wo er vom nächsten Tage ab die westlichen Inseln der Neu-Shetlands-Gruppe aufnahm.

Hierauf schlug d'Urville den Weg nach Conception ein. Die Fahrt ging freilich nur unter großen Beschwerden vor sich, denn trotz aller Vorsichtsmaßregeln wurde die Besatzung, vorzüglich die der »Zelée«, ziemlich heftig vom Scorbut befallen. Jetzt begann d'Urville auch die Höhe der Wellen zu messen, und mußte sich dabei überzeugen, daß der Vorwurf, er habe dieselbe früher viel zu hoch geschätzt, wirklich berechtigt war.

Um jeden Zweifel an den Ergebnissen seiner Beobachtungen auszuschließen, nahm er bei dieser Arbeit seine Officiere zu Hilfe, und es ergab sich, daß die verticale Höhe der Wellen bis elf Meter, ihre Länge vom Kamm bis zum Grund bis sechzig Meter betrug, was also für die ganze Welle eine Breite von hundertzwanzig Metern ergeben würde. Diese Messungen ertheilten die Antwort auf Arago's ironische Behauptung, der von seinem Kabinet aus keiner Welle mehr als fünf bis sechs Meter Höhe zugestehen wollte. Man darf aber keinen Augenblick darüber im Zweifel bleiben gegenüber dem berühmten, aber leidenschaftlichen Physiker, die an Ort und Stelle ausgeführten Messungen der Seefahrer als richtig anzuerkennen.

Ain 7. April ging die Division in der Bai von Talcahuano vor Anker. Hier sollte sie einmal die Ruhe finden, deren die vierzig Scorbutischen der »Zelée« so nöthig bedurften. Von hier aus segelte d'Urville nach Valparaiso, ankerte später, ganz Oceanien durchfahrend, am 1. Januar 1839 in Guahana, wandte sich hierauf nach den Malayen-Ländern, erreichte im October noch Batavia und kam von dort nach Howart-Town, von wo aus er am 1. Januar 1840 zu einer neuen Reise durch die antarktischen Gebiete aufbrach.

Zu jener Zeit kannte d'Urville weder die Fahrt Balleny's, noch wußte er etwas von der Entdeckung des Sabrina-Landes. Seine Absicht ging nur dahin, südlich von Tasmanien hinabzusegeln, um zu sehen, unter welchem Breitengrade er auf das Eis treffen würde. Das Gebiet zwischen dem 120. und 160. Grad östlicher Länge war, so glaubte er, noch nicht erforscht worden. Hier meinte er also vielleicht eine neue Entdeckung machen zu können.

Anfangs verlief diese Fahrt nur unter sehr mißlichen Umständen. Der Seegang war sehr stark, die Strömungen drängten ihn nach Osten, der Gesundheitszustand auf den Schiffen war keineswegs ein erwünschter, und kaum erreichte er den 58. Grad der Breite, als Alles auf die Nachbarschaft des Eises hindeutete.

Die Kälte wurde ziemlich lebhaft; der Wind sprang nach Nordwesten um und das Meer ward ruhiger, ein fast sicheres Vorzeichen von benachbarten Land- oder ausgedehnten Eismassen. Man neigte sich mehr der ersteren Annahme zu, denn die Eisinseln, denen man begegnete, erschienen umfänglicher, als sie im freien Meere zu entstehen pflegen. Am 28. Januar erreichte man den 64. Grad der Breite und begegnete bald ungeheueren Eisblöcken mit glatt abgeschnittenen Wänden, deren Höhe zwischen dreißig und vierzig Metern schwankte und deren Breite tausend Meter überstieg.

Am nächsten Tage, am 19. Januar 1840, kam ein neues Land in Sicht, das den Namen Adelen-Land erhielt. Die Sonne schien warm und alles Eis schien verschwinden zu sollen; zahlreiche Bäche rieselten von dem Gipfel der Eisberge herab und stürzten in glitzernden Wasserfällen in's Meer. Der Anblick des Landes war sehr eintönig; es verlief, mit Schnee bedeckt, von Osten nach Westen und schien sich in sanftem Abhange nach dem Meere zu senken. Am 21. gestattete der Wind den beiden Schiffen, sich demselben zu nähern. Man fand da zahlreiche Spalten und Rinnen, welche durch das Schmelzwasser entstanden waren.

Je weiter man kam, desto gefährlicher wurde die Fahrt. Eisinseln bedeckten das Meer in solcher Menge, daß oft zwischen ihnen kaum ein hinreichender breiter Kanal übrig blieb, in dem sich die Korvette bewegen konnte.

»Ihre lothrechten Mauern übertrafen unsere Masten beiweitem an Höhe, sagt d'Urville; sie hingen zuweilen über unseren Schiffen, deren Dimensionen im Vergleich zu jenen enormen Massen geradezu lächerlich winzig erschienen. Das Schauspiel, welches sich unseren Blicken bot, war ebenso großartig als erschreckend. Es hatte den Anschein, als befände man sich in den engen Gassen einer Stadt von Riesen.«

Bald gelangten die Korvetten in ein geräumiges, von den Küsten und den Eisinseln, die sie eben umschifft hatten, gebildetes Bassin. Nach Südosten und Nordwesten dehnte sich das Land bis über Sehweite hinaus. Es konnte wohl tausend bis zwölfhundert Meter Höhe haben, nirgends zeigte sich aber ein besonders hervorspringender Gipfel. Endlich sah man, inmitten der grenzenlosen Schneeebene, einige Felsen. Die beiden Kapitäne sandten sofort Boote ab mit dem Auftrage, einige handgreifliche Beweise ihrer Entdeckung zu holen. Einer der damit beauftragten Officiere äußert sich wie folgt:

»Es war gegen neun Uhr, als wir zu unserer großen Freude auf dem westlichen Theile des westlichsten und höchsten Eilandes das Land betraten. Die Schaluppe der »Astrolabe« war schon vor uns angekommen und die Leute aus derselben kletterten an der steilen Felswand empor. Sie verjagten dabei viele Pinguins, welche sehr verwundert schienen, sich auf dieser Insel, deren einzige Bewohner sie bildeten, so keck belästigt zu sehen … Ich befahl einem Matrosen, die dreifarbige Flagge auf diesem Lande aufzupflanzen, das vor uns noch keines Menschen Fuß betreten hatte. Nach altem Gebrauche, dem die Engländer stets gehuldigt haben, nahmen wir von dem Lande, wie von der benachbarten Küste, welche zu betreten das Eis uns verhinderte, im Namen Frankreichs Besitz … Das Thierreich schien hier einzig und allein durch die Pinguins vertreten; trotz aller Nachsuchungen fanden wir nicht einmal eine Muschel. Der Felsen war vollständig kahl und zeigte nicht die geringste Spur von Flechten oder Moosen. Wir sahen uns also auf das Mineralreich beschränkt.

Jeder ergriff seinen Hammer und bemühte sich, von dem Felsen etwas loszusprengen. Die Granitmasse erwies sich jedoch so hart, daß wir davon nur Splitterchen abzulösen vermochten. Als wir unsere Umgebung etwas in Augenschein nahmen, entdeckten die Matrosen verschiedene durch den Frost abgesprengte Felsstücke, die sie nach den Booten schafften. Bei genauerer Prüfung überzeugte ich mich von deren vollständiger Uebereinstimmung mit den Gneißfragmenten, die wir im Magen eines am Vortage erlegten Pinguins gefunden hatten. Das kleine Eiland, auf dem wir gelandet waren, gehörte mit acht oder zehn anderen zu einer Gruppe zusammen; dieselben liefen alle in eine abgerundete Kuppe aus und zeigten fast die nämliche Gestalt. Diese Inselchen sind von der nächsten Küste fünf- bis sechshundert Meter entfernt. Am Strande sahen wir noch einige ganz freie Gipfel und einen Vorberg, dessen Basis selbst keinen Schnee mehr trug … Alle diese sehr nahe bei einanderliegenden Eilande scheinen eine Kette zu bilden, die sich parallel mit der Küste in der Richtung von Osten nach Westen hin erstreckte.«

Am 22. und 23. wurde die Untersuchung des Uferlandes fortgesetzt; an letzterem Tage zwang das der Küste vorgelagerte Packeis die Schiffe aber, nach Norden zurückzuweichen; gleichzeitig erhob sich ein ebenso unerwarteter als entsetzlicher Schneesturm, der die Fahrzeuge dem Untergange nahe brachte. Die »Zelée« erlitt umfängliche Beschädigungen des Segelwerkes; am nächsten Tage konnte sie sich jedoch bei dem Begleitschiffe wieder einfinden.

Während dieser Zeit war das Land sozusagen nicht aus dem Gesicht verloren worden. Am 29. mußte d'Urville jedoch wegen des unaufhörlich herrschenden steifen Ostwindes auf die weitere Erforschung des Adelen-Landes verzichten. An eben diesem Tage bemerkte er eines der Schiffe des Kapitän Wilkes. D'Urville beklagt sich über die böswilligen Absichten, welcher der Genannte ihn in seinem Berichte beschuldigt, und versichert, daß seine Manöver, welche bezweckten, mit den Amerikanern in Verbindung zu treten, von diesen nur falsch verstanden worden seien.

»Wir leben nicht mehr in der Zeit, sagt er, wo die Seefahrer aus Handelsinteresse sich verpflichtet glaubten, ihren Weg und etwaige Entdeckungen geheim zu halten, um dadurch die Concurrenz rivalisirender Nationen auszuschließen. Ich hätte mich im Gegentheil glücklich geschätzt, unseren Mitbewerbern die Resultate unserer Nachforschungen mitzutheilen, da das ihnen nützlich und für die Erweiterung der geographischen Kenntnisse von Vortheil sein konnte.«

Am 30. Januar beobachtete man eine ungeheuere Eismauer, über welche die Ansichten sehr auseinandergingen. Die Einen hielten dieselbe für eine compacte, mit keinem Lande in Verbindung stehende Eismasse; die Anderen – und zu diesen gehörte d'Urville selbst – glaubten, daß diese hohen Berge eine feste Unterlage, entweder Land oder Felsen, vielleicht auch nur Untiefen in der Nähe eines Landes hätten. Man gab derselben unter 128° der Länge den Namen Clarie-Küste.

Die Officiere hatten in diesen Gegenden genügende Unterlagen gesammelt, um auf Grund derselben die Lage des magnetischen Südpols bestimmen zu können; ihre Resultate wichen jedoch von denen Duperrey's, Wilkes' und James Roß' nicht unwesentlich ab.

Am 17. Februar gingen die beiden Korvetten vor Hobart-Town vor Anker.

Am 25. stachen sie wieder in See und segelten nach Neu-Seeland, wo die hydrographischen Aufnahmen der »Uranie« vervollständigt wurden; dann steuerten sie nach Neu-Guinea, wo sie sich überzeugten, daß die Luisiaden von demselben durch keine enge Wasserstraße getrennt seien; ferner untersuchten sie mit größter Sorgfalt, inmitten der Strömungen, Korallenriffe und immerwährender Gefahren, ernsthafte Havarien zu erleiden, die Torres-Straße, gelangten am 20. nach Timor und kehrten, nach kurzem Aufenthalte in Bourbon und St. Helena, am 6. November nach Toulon zurück. –

Durch die Nachricht von der durch die Vereinigten Staaten in so großem Maßstabe organisirten Entdeckungs-Expedition, fühlte sich England wirklich betroffen und entschloß sich auf das Drängen gelehrter Gesellschaften, eine Expedition nach jenen Gegenden zu entsenden, welche seit Cook's Zeit nur die Kapitäne Weddell und Biscoë besucht hatten.

Der Kapitän James Roß, welcher das Commando derselben erhielt, war der Neffe des berühmten John Roß, des Erforschers der Baffins-Bai. Geboren im Jahre 1800, befand sich James Roß schon seit seinem zwölften Jahre zur See; er hatte im Jahre 1818 seinen Onkel bei dessen erster Erforschung der arktischen Länder begleitet; von 1819 bis 1827 nahm er, unter Parry's Befehl, an vier nach denselben Regionen entsendeten Expeditionen theil, und von 1829 bis 1833 hatte er seinen Onkel überhaupt nicht verlassen. Mit wissenschaftlichen Untersuchungen beschäftigt, entdeckte er den magnetischen Nordpol; dabei machte er auch, mit Schlitten oder zu Fuß, sehr weite Ausflüge über das Eis. Er gehörte also jedenfalls zu denjenigen Officieren der britischen Marine, welche mit den Polarfahrten am vertrautesten waren.

Man übergab ihm zwei Schiffe, die »Erebus« und die »Terror«; als zweiter Officier diente unter ihm ein gleichfalls sehr erfahrener Seemann, der Kapitän Francis Rowdon Crozier, der Gefährte Parry's im Jahre 1824 und James Roß' in der Baffins-Bai, 1835, derselbe, welcher später Franklin bei Aufsuchung der nordwestlichen Durchfahrt begleitete. Auf ein muthigeres Herz, auf einen gewiegteren Seemann konnte die Wahl gar nicht fallen. Die Instructionen, welche James Roß von der Admiralität erhielt, wichen sehr wesentlich von denen Wilkes' und d'Urville's ab. Die Erforschung der antarktischen Gebiete bildete bei diesen nur eine Theilarbeit gelegentlich ihrer Reisen um die Erde, dagegen das Hauptziel und einzigen Zweck, der Fahrt James Roß'. Von den drei Jahren, die er von Europa wegblieb, sollte er den größten Theil in den antarktischen Regionen zubringen, und das Reich des Eises nur verlassen, um erlittene Havarien auszubessern oder seine erschöpfte oder erkrankte Mannschaft wieder zu stärken.

Schon die Schiffe waren mit Rücksicht hierauf ausgesucht; stärker als die d'Urville's, mußten sie auch wiederholten Stößen von Eisschollen besseren Widerstand leisten können, und ihre Besatzung bestand dazu aus lauter Seeleuten, welche die Polarregion schon kennen gelernt hatten.

Die »Erebus« und die »Terror«, unter dem Befehle Roß' und Crozier's, verließen England am 29. September 1839 und landeten nach und nach bei Madeira, den Inseln des Grünen Vorgebirges, St. Helena und am Cap der Guten Hoffnung, wo zahlreiche magnetische Beobachtungen angestellt wurden.

Am 12. April erreichte Roß die Kerguelen und schaffte dort sofort seine Instrumente an's Land. Die wissenschaftliche Ausbeute hier fiel sehr reichlich aus; aus der die Grundlage der Insel bildenden Lava grub man zum Beispiel fossile Bäume aus und entdeckte mächtige Steinkohlenlager, die ihrer Ausbeutung noch immer entgegenharren. Der 29. war ein zu gleichzeitigen Beobachtungen auf der ganzen Erde bestimmter Tag. Glücklicher Weise entstand gerade an diesem Tage einer jener magnetischen Stürme, die man in Europa schon kennen gelernt hatte. Die Instrumente ergaben auf den Kerguelen dieselben Erscheinungen wie in Toronto, in Canada – ein Beweis für die ungeheure Ausdehnung dieser Meteore und für die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der sie sich verbreiten.

Bei seiner Ankunft in Hobart-Town fand er als Gouverneur dort seinen alten Freund John Franklin. Roß erfuhr hier von der Entdeckung des Adelen-Landes und der Clarie-Küste durch die Franzosen, wie von der gleichzeitigen Auffindung derselben Länder durch die Expedition des Amerikaners Wilkes. Der Letztgenannte hatte sogar eine Skizze der von ihm aufgenommenen Länder hinterlassen.

Roß entschied sich aber dahin, das antarktische Gebiet erst unter 170° östlicher Länge zu betreten, weil Balleny in dieser Richtung das Meer im Jahre 1839 bis zum 69. Grade der Breite eisfrei gefunden hatte. Er segelte also nach Auckland, dann nach den Campbell-Inseln, erreichte, nachdem er gleich seinen Vorgängern wegen des treibenden Eises unzählige Kreuz- und Querfahrten gemacht, jenseits des 63. Grades die Grenze des Packeises und überschritt den Polarkreis am 1. Januar 1841.

Was das Treibeis betrifft, so glichen dessen Schollen in keiner Weise denen vom Nordpol, wovon sich James Roß leicht überzeugen konnte. Es sind ungeheure Blöcke mit lothrechten regelmäßigen Wänden. Die Eisfelder, hier weniger eben als im Norden, bilden ein wahres Chaos, und deren zwanzigmal gesprengte und wieder zusammengefrorne Trümmer nehmen, nach Wilkes' bildlichem Ausdruck, das Aussehen eines bearbeiteten Landes an.

Das Packeis erschien Roß »nicht so furchtbar, wie Franzosen und Amerikaner das geschildert hatten«. Anfangs konnte er sich freilich nicht weit in jenes hineinwagen, sondern wurde von dem Sturme gezwungen, sich in offener See zu halten. Erst am 5. konnte er sich ihm unter 66° 45' der Breite und 174° 16' westlicher Länge wieder nähern. Diesmal lagen die Umstände so günstig, wie nur irgend möglich, da Wind und Seegang vereinigt dieselben zu entfernen strebten. Dank der Festigkeit seiner Fahrzeuge, konnte Roß es wagen, sich einen Weg durch dasselbe zu brechen. Je weiter er aber nach Süden zu vordrang, desto dichtere Nebel herrschten, und die wiederholten Schneefälle trugen noch mehr dazu bei, diese Fahrt höchst gefährlich zu machen. Was den Forscher vorzüglich bestimmte, keine Mühe und Gefahr zu scheuen, war der Widerschein eines offenen Meeres am Himmel, eine nur selten täuschende Erscheinung, denn am 9., nachdem er mehr als zweihundert Meilen durch das Packeis zurückgelegt, fuhr er wirklich auf ein gänzlich eisfreies Meerbecken ein.

Am 11. wurde etwa hundert Meilen vor dem Schiffe, unter 70° 47' der Breite und 172° 36' westlicher Länge, Land wahrgenommen. Noch niemals hatte Jemand so weit im Süden Land gesehen. Es waren Bergspitzen von neun- bis zwölftausend Fuß Höhe – wenn diese Angaben nicht übertrieben sind, wie man nach den Beobachtungen d'Urville's auf Graham leicht vermuthen konnte – vollständig mit Schnee bedeckt, und von denen lange Gletscher bis weit in's Meer hinausragten. Hier und da erhoben sich wohl auch schwarze Felskuppen über den Schnee; die Küste war aber so sehr vom Eise verbarricadirt, daß man unmöglich an derselben landen konnte. Diese merkwürdige Reihe von gewaltigen Pics erhielt den Namen Admiralitätskette, und das Land selbst nannte man Victoria.

Im Südosten zeigten sich einige kleine Inseln; die Schiffe wendeten sich nach dieser Seite, und am 12. Januar gingen die beiden Kapitäne in Begleitung mehrerer Officiere an einem jener vulkanischen Eilande an's Land und nahmen von demselben im Namen England's Besitz. Es fand sich übrigens keine Spur von Vegetation darauf.

Roß erkannte sehr bald, daß die Ostküste des größeren Landes nach Süden zu verlief, während die Nordküste sich nach Nordwesten zu fortsetzte. Er folgte also dem östlichen Strande, bemühte sich, nach Süden hin bis jenseits des magnetischen Pols, dessen Lage er zu 76° der Breite annahm, vorzudringen, dann auf der Westseite zurückzukehren und damit die Umschiffung dieses Landes, das er für eine große Insel hielt, zu vollenden. Die erwähnte Bergkette setzte sich längs der Küste fort. Roß bezeichnete deren hervorragendste Gipfel mit den Namen Herschel, Wehwell, Wheatstone, Murchison und Melbourne; das sich am Ufer fortsetzende Eis nahm aber mehr und mehr an Breite zu, so daß er die Einzelheiten der Küste aus den Augen verlor. Am 23. Januar überschritt er den 74. Grad, eine südliche Breite, die vor ihm noch Niemand erreicht hatte.

Eine Zeit lang wurden die Schiffe durch Nebel, Windstöße von Süden und heftige Schneefälle zurückgehalten. Sie fuhren dann aber längs der Küste weiter. Am 27. Januar landeten die englischen Seeleute an einer kleinen vulcanischen Insel, der sie den Namen Franklin gaben und die unter 76° 8' südlicher Breite bei 168° 16' östlicher Länge liegt.

Am nächsten Tage wurde ein ungeheuerer Berg wahrgenommen, der sich in regelmäßiger Form etwa zwölftausend Fuß über einem sehr ausgedehnten Lande erhob. Der vollständig mit Schnee bedeckte Gipfel hüllte sich von Zeit zu Zeit in eine dicke Rauchsäule, deren Breite im Durchmesser nicht unter dreihundert Fuß betrug, während sie in Form eines umgestürzten Kegels, an der höchsten Stelle vielleicht das Doppelte maß. Als sie sich auflöste, gewahrte man einen kahlen, von lebhaften rothen Gluthen beleuchteten Krater, dessen Glanz selbst das helle Tageslicht nicht zu verdecken vermochte. Der Schnee reichte bis zu dem Krater hinauf, nirgends aber konnte man eine Lavaschicht entdecken.

Wenn der Anblick eines Vulcans stets ein großartiges Schauspiel ist, so mußte doch der dieses Riesen, der den Aetna und den Pic von Teneriffa an Höhe übertrifft, seine außerordentliche Thätigkeit, seine Lage inmitten des Polareises auf die Seefahrer einen noch viel überwältigenderen Eindruck machen.

Er erhielt den Namen Erebus, während der Name des zweiten Schiffes Terror einem erloschenen, östlich von dem ersteren gelegenen Krater ertheilt wurde – gewiß eine recht gut gewählte Bezeichnung.

Die beiden Fahrzeuge fuhren fort, dem Lande nach Süden hin zu folgen, bis eine Eiswand, welche die Masten der Schiffe um hundertundfünfzig Fuß überragte, ihren Weg absperrte. Weiter rückwärts bemerkte man noch eine andere Bergkette, die Parry-Berge, welche über Sehweite nach Südsüdosten hin verliefen. Roß segelte bis zum 2. Februar längs der Eiswand hin, wobei er bis 78° 4', d. h. bis zum südlichsten Punkte auf dieser Reise gelangte. Dreihundert Meilen weit war er dem von ihm entdeckten Lande gefolgt, als er es bei 191° 23' östlicher Länge verließ.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wären die beiden Fahrzeuge aus dem furchtbaren Packeis niemals wieder herausgekommen, wenn es ihnen nicht mit Hilfe günstiger starker Winde gelungen wäre, sich einen Ausweg zu erzwingen.

Am 15. Februar wurde unter 76° der Breite ein neuer Versuch gemacht, den magnetischen Pol zu erreichen. Dabei aber wurden die Seefahrer unter 76° 12' der Breite und 164° östlicher Länge aufgehalten, zwar nur fünfundsechzig Meilen von dem Punkte, wohin Roß den magnetischen Pol verlegte, aber unter Umständen, die es ihnen, im Hinblick auf den drohenden Zustand des Meeres und den trostlosen Anblick der Umgebung, unräthlich erscheinen ließen, etwa zu Lande bis dahin vorzudringen.

Nachdem Roß die im Jahre 1839 von Balleny entdeckten Inseln aufgesucht, befand er sich am 6. März im Mittelpunkte der von Lieutenant Wilkes bezeichneten Berge.

»Aber, sagt der Bericht, weit entfernt, hier Berge zu finden, ergab die Sonde vielmehr bei sechshundert Faden noch keinen Grund. Als sie in allen Richtungen und in einem Kreise von achtzig Meilen Durchmesser um jenes angebliche Centrum, und bei so klarem Wetter gesegelt waren, daß sie auf weite Entfernungen hin Alles deutlich unterscheiden konnten, kamen die Engländer zu der Ueberzeugung, daß mindestens in der angegebenen Lage ein antarktischer Continent, mit seinen zweihundert Meilen weit nach gewiesenen Küsten, in Wirklichkeit nicht existire. Lieutenant Wilkes hatte sich offenbar durch Wolkenbildungen täuschen lassen, vielleicht durch ungeheuere Nebelbänke, welche in diesen Gegenden ungeübte Augen gar zu leicht irreführen.«

Die Expedition kehrte darauf nach Tasmanien zurück, ohne einen Kranken an Bord oder die geringste Havarie erlitten zu haben. Sie ruhte hier aus, regulirte die Instrumente und brach zu einer neuen Fahrt auf. Sydney, die Bai der Inseln an Neu-Seeland, ferner die Insel Chatam, bildeten die ersten Stationen, wo Roß anhielt, um magnetische Beobachtungen vorzunehmen.

Am 18. December wurde unter 62° 40' südlicher Breite und 146° östlicher Länge das Packeis angetroffen. Das war dreihundert Meilen weiter nördlich als im vorhergehenden Jahre. Die Schiffe trafen zu zeitig ein. Nichtsdestoweniger wünschte Roß, den furchtbaren Gürtel zu durchbrechen. Dreihundert Meilen weit drang er in denselben ein, sah sich dann aber von so compacten Eismassen aufgehalten, daß an ein weiteres Vordringen nicht zu denken war. Erst am 1. Januar 1842 überschritt er den Polarkreis. Am 19. desselben Monates wurden die beiden Schiffe von einem entsetzlichen Orkan überfallen, als sie eben das freie Meer erreichten. Die »Erebus« und die »Terror« verloren ihr Steuer, wurden von treibenden Schollen umringt und schwebten vierundzwanzig Stunden in Gefahr, verschlungen zu werden.

Die Einschließung der Expedition im Eise dauerte nicht weniger als sechsundvierzig Tage. Am 22. erreichte Roß endlich die große Wand festliegenden Eises, die sich von dem Vulcan Erebus an, wo sie fast zweihundert Fuß in der Höhe maß, merklich gesenkt hatte. An der Stelle, wo Roß sie jetzt wiedersah, erreichte sie nur noch hundertsieben Fuß. Man untersuchte diese Wand noch hundertfünfzig Meilen weiter als im Vorjahre nach Osten zu. Das war das einzige geographische Resultat dieser beschwerlichen Reise von hundertsechsunddreißig Tagen, welche freilich an dramatischen Situationen reicher war als die erste.

Die Schiffe begaben sich nun nach dem Cap Horn und segelten bis Rio de Janeiro hinauf, wo sie Alles fanden, was ihnen nothwendig oder nützlich war.

Sobald sie hinreichenden Mundvorrath eingenommen, stachen sie wieder in See und liefen die Malouinen an, von denen aus am 17. December 1842 die dritte Fahrt angetreten wurde.

Dem ersten Eise begegnete Roß in der Nähe der Insel Clarence, und am 25. December sah er sich durch das Packeis aufgehalten. Er steuerte deshalb nach New-Shetland, vervollständigte seine Erforschungen von Joinville- und Louis Philippes-Land, welche beide Dumont d'Urville entdeckt hatte, benannte die Berge Haddington und Penny, überzeugte sich, daß Louis Philippes-Land nur eine große Insel sei, und besuchte die Bransfield-Meerenge, die dieselbe von den Shetlands-Inseln trennt.

Das waren die merkwürdigen Ergebnisse der drei Reisen James Roß'.

Um endlich über den Antheil zu urtheilen, der jedem der drei Forscher der antarktischen Gebiete zukommt, so kann man sagen, daß d'Urville, der Erste gewesen sein wird, der den antarktischen Continent überhaupt sah; daß Wilkes dessen Küsten in der weitesten Ausdehnung besichtigte – denn die Uebereinstimmung seines Kurses mit dem des französischen Seefahrers ist auf keinen Fall zu verkennen; – und endlich, daß James Roß den südlichsten und interessantesten Theil desselben untersucht habe.

Ist der vermeintliche Continent aber wirklich auch vorhanden? D'Urville ist davon nicht gerade überzeugt und Roß glaubt nicht an denselben. Die Entscheidung hierüber wird man indeß den kühnen Forschern überlassen müssen, die auf der Fährte jener muthigen Bahnbrecher in den gefährlichsten Gegenden der Erde bald auf neue Untersuchungen ausziehen werden.


II.
Der Nordpol.

Anjou und Wrangell. – Die »Polynja«. – James Roß' erste Expedition. – Die Baffins-Bai geschlossen! – Edward Parry's Entdeckungen während seiner ersten Reise. – Die Erforschung der Hudsons-Bai und Auffindung der Fury- und Hekla-Straße. – Parry's dritte Reise. – Vierte Reise. Im Schlitten über das Eis, im offenen Meere. – Erste Reise Franklin's. – Unglaubliche Leiden der Forscher. – Zweite Expedition. – John Roß. – Vier Winter im Eise. – Die Fahrt Dease's und Simpson's.


Wir hatten wiederholt Veranlassung, von der großen Rührigkeit auf geographischem Gebiete zu sprechen, zu welcher Peter I. den Anstoß gab. Eines der dadurch zuerst erreichten Resultate war Behring's Entdeckung der Meerenge, welche Asien von Amerika trennt. Das freilich erst nach Verlauf von dreißig Jahren nachfolgende wichtigste Ergebniß war die Untersuchung des Liakow-Archipels oder Neu-Sibiriens im Polarmeere.

Im Jahre 1770 hatte ein Kaufmann, Namens Liakow, auf dem von Norden herabtreibenden Eise eine große Renthierheerde ankommen sehen. Er sagte sich darauf hin, daß diese Thiere nur aus einem Lande kommen könnten, wo sie hinreichende Weideplätze zu ihrer Ernährung fanden. Einen Monat später reiste er zu Schlitten ab und entdeckte nach einer Fahrt von fünfzig Meilen, zwischen den Mündungen der Lena und der Indighirka, drei große Inseln, deren unerschöpfliche Lager fossilen Elfenbeins bald Weltberühmtheit erlangten.

Im Jahre 1809 war Hedenström beauftragt worden, eine Karte derselben zu bearbeiten. Er hatte oft wiederholte Schlittenfahrten über das gefrorene Meer unternommen, sah sich dabei aber stets durch halbgeschmolzene, nicht mehr tragfähige Schollen aufgehalten. Er schloß daraus auf ein weiter draußen vorhandenes offenes Meer und begründete diese Annahme mit der ungeheueren Menge zehn Grad warmen Wassers, welche die großen Ströme Asiens dem Eismeere zuführen.

Im März 1821 drang der Lieutenant (und spätere Admiral) Anjou auf dem Eise bis zweiundvierzig Meilen nördlich von der Insel Kotelnoï vor und sah unter 76° 38' Dunstmassen, die bei ihm den Glauben an ein offenes Polarmeer erweckten. Bei einem anderen Ausfluge sah er dieses Meer mit Treibeis erfüllt, und kehrte mit der Ueberzeugung zurück, daß es unmöglich sei, wegen der geringen Dicke des Eises und wegen der Existenz jenes offenen Meeres (zu Schlitten) weiter vorwärts zu dringen.

Während Anjou sich mit diesen Untersuchungen beschäftigte, sammelte ein anderer Marineofficier, der Lieutenant Wrangell, die Erzählungen und verläßlicheren Nachrichten über das Vorhandensein eines, dem Cap Yakan gegenüber gelegenen Landes.

Von dem Häuptlinge eines Tschuktschenstammes hatte er erfahren, daß man in der Nähe der Küste von gewissen, vor der Mündung eines Flusses gelegenen Riffen aus bei schönem Sommerwetter weit, weit im Norden mit Schnee bedeckte Berge erkennen könne; im Winter waren diese natürlich nicht zu sehen. Früher kamen über das zugefrorene Meer wohl auch Renthierheerden von diesem Lande her. Der erwähnte Häuptling hatte einmal selbst eine Renthierheerde auf demselben Wege nach Norden, zurückkehren sehen und war ihr im Schlitten einen ganzen Tag lang gefolgt, dann aber wegen der Eisverhältnisse gezwungen gewesen, sein Unternehmen aufzugeben.

Sein Vater hatte ihm auch erzählt, daß ein Tschuktsche mit mehreren Begleitern einmal in einem Lederboote dahin gesegelt sei; er wußte aber weder, was diese dort vorgefunden hatten, noch was überhaupt aus ihnen geworden wäre. Er vermuthete, daß jenes Land bewohnt sein müsse, und erzählte in Bezug darauf, daß an der Insel Aratane einst ein todter Walfisch auf den Strand geworfen worden sei, der von Lanzen mit Schieferspitzen durchbohrt war, eine Waffe, deren sich die Tschuktschen niemals bedienten.

Diese Mittheilungen erschienen merkwürdig genug, um Wrangell's Verlangen, nach jenen unbekannten Gebieten vorzudringen, nur noch zu verstärken; sie sollten jedoch erst in unseren Tagen richtig gestellt werden.

Von 1820 bis 1824 unternahm Wrangell, der sich an der Mündung der Kolyma dauernd aufhielt, vier Schlittenreisen über das Eis. Zunächst untersuchte er die Küste von der Mündung der Kolyma bis zum Cap Tchelagskoï, und mußte dabei bis fünfunddreißig Grad Kälte aushalten.

Im zweiten Jahre wollte er versuchen, wie weit er über das Eis hinauf gelangen könne, und kam dabei bis einhundertvierzig Meilen vom Lande weg.

Im dritten Jahre reiste Wrangell im März ab, um die Angaben eines Eingebornen zu prüfen, welcher das Vorhandensein eines Landes, weit draußen im Meere, behauptete.

Er erreichte dabei ein Eisfeld, auf dem er ohne Hindernisse vorwärts gelangen konnte. Weiterhin erwies sich das »Ice-field« freilich weniger widerstandsfähig. Da es dem Eise an Festigkeit mangelte, eine Karawane zu tragen, so belud man zwei kleine Schlitten mit einem Nachen, einigen Planken nebst den nöthigsten Geräthen, und wagte sich nun auf das unter den Füßen krachende Eis hinaus.

»Zuerst zogen wir, sagt Wrangell, sieben Werst weit über eine Salzschicht; weiterhin unterbrachen breite Spalten die Oberfläche, über welche wir nur mit Hilfe unserer Planken gelangen konnten. Hier sah ich auch kleine Hügel von so zerfließlichem Eise, daß der geringste Stoß hinreichte, diese zu zertrümmern und den Hügel in ein rundes Loch zu verwandeln. Das Eis, auf dem wir uns bewegten, war ohne Halt, kaum einen Fuß dick und außerdem mit zahlreichen Löchern durchsetzt. Das Aussehen des Meeres glich damals einem ungeheueren Morast; das kothige Wasser, welches aus den sich in allen Richtungen durchschneidenden Sprüngen emporquoll, der mit Sand und Erde vermengte schmelzende Schnee, jene kleinen Hügel, von welchen einzelne Wasserfäden herabrannen, Alles trug dazu bei, diese Täuschung zu verstärken.«

Wrangell hatte sich zweihundertachtundzwanzig Kilometer von der Küste entfernt und dabei den Rand des offenen sibirischen Meeres berührt, jener ausgedehnten »Polynja« – so lautet der Name, den er den weiten Strecken offenen Wassers gab – auf welche Leontjew schon 1764 und Hedenström 1810 hinwiesen.

Zur vierten Reise brach Wrangell von dem Cap Yakan, d. h. dem, den Ländermassen im Norden am nächsten gelegenen Punkte auf. Seine kleine Gesellschaft überschritt das Cap Tchelagskoï und wandte sich dann nach Norden; ein heftiger Sturm brach aber das nur drei Fuß dicke Eis auf und versetzte die Reisenden in die höchste Gefahr. Bald auf einer noch zusammenhaltenden großen Scholle hintreibend, bald halb im Wasser auf einer beweglichen Planke, welche einmal nur schwankte, ein andermal gänzlich überfluthet wurde, oder auf einem Eisblocke zusammengedrängt, der ihnen als Fähre diente und den die Hunde schwimmend fortschleppten, erreichten sie endlich das Ufer quer durch Eisschollen, welche im Meere donnernd und krachend aufeinander prallten. Ihre Rettung verdankten sie nur allein der Schnelligkeit und Kraft der Hundegespanne.

So endeten die Versuche, die zur Erreichung der Länder im Norden Sibiriens angestellt wurden.

Die polare Calotte der Erde wurde aber gleichzeitig von einer anderen Seite mit ebenso viel Energie, aber mit noch mehr Ausdauer angegriffen.

Man erinnert sich, mit welchem Eifer und welcher Ausdauer die vielgenannte Nord-West-Passage aufgesucht worden war. Die Friedensverträge von 1815 hatten kaum Veranlassung gegeben, eine Menge englischer Schiffe außer Dienst zu stellen und sehr viele Officiere auf Halbsold zu setzen, als die Admiralität, bestrebt, die Carriere mancher verdienstvollen Seeleute nicht zu unterbrechen, auf Mittel sann, für dieselben Verwendung zu finden. Diese Umstände gaben Veranlassung, die Aufsuchung einer nord-westlichen Durchfahrt wieder aufzunehmen.

Die »Alexandre« von 250 Tonnen, und die »Isabelle« von 395, wurden unter dem Befehle John Roß', eines bewährten Officiers, und des Lieutenant William Parry von der Regierung abgesendet, um die Baffins-Bai zu untersuchen. Mehrere Officiere, wie James Roß, Back und Belcher, die sich durch die Polarfahrten einen geachteten Namen erwerben sollten, gehörten zu den Besatzungen. Die Schiffe gingen am 18. April unter Segel, ankerten bei den Shetlands-Inseln, suchten vergebens nach dem untergegangenen Baß-Lande, das man nach 57° 28' nördlicher Breite verlegte, und trafen am 26. Mai auf das erste Eis. Am 2. Juni kam die Küste von Grönland in Sicht. An der, auf den Karten nur lückenhaft verzeichneten Westküste fand man sehr beträchtliche Eismassen, und der Gouverneur der dänischen Niederlassung Whale-Island, versicherte den Engländern, daß die Strenge der Winter seit den elf Jahren, während der er das Land bewohnte, bemerkbar zugenommen habe.

Bisher hatte man geglaubt, daß das Land jenseits des 75. Breitengrades unbewohnt sei. Die Reisenden erstaunten deshalb nicht wenig, einen ganzen Eskimostamm über das Eis ankommen zu sehen. Diese Halbwilden kannten kein anderes Volk als ihr eigenes. Sie betrachteten die Engländer, ohne sich in ihre Nähe zu wagen, und einer derselben rief die Schiffe mit lauter, fast feierlicher Stimme an.

»Wer seid Ihr? Woher kommt Ihr? Von der Sonne oder vom Monde?«

Obgleich dieser Stamm in gewisser Hinsicht weit unter den Eskimos stand, welche die häufige Berührung mit Europäern schon zu civilisiren begonnen hat, so kannte er doch den Gebrauch des Eisens, aus dem es einzelnen seiner Mitglieder sogar gelungen war, Messer herzustellen. Dasselbe rührte, soviel man zu begreifen glaubte, von einem Berge her, dem jene Leute es entnahmen. Wahrscheinlich war es Meteoreisen.

Während der ganzen Reise legte John Roß – und hierüber täuschte sich die öffentliche Meinung in England auch schon vor dem Bekanntwerden der Ergebnisse derselben nicht – neben ausgezeichneten seemännischen Tugenden, doch eine unglaubliche Gleichgiltigkeit und Flüchtigkeit an den Tag. Er schien sich im Ganzen sehr wenig um die Lösung der geographischen Probleme zu kümmern, welche die Ausrüstung der Expedition veranlaßt hatten.

Ohne sie zu untersuchen, segelte er an den Wolstenholme- und Walfisch-Baien, ebenso wie an dem Smith-Sunde, der sich im Grunde der Baffins-Bai befindet, und noch dazu in so großer Entfernung vorüber, daß nichts davon zu erkennen war.

Als er dann an der Westseite der Baffins-Bai hinabsegelte, zeigte sich den spähenden Blicken der Forscher ein tief eingeschnittener Meeresarm, dessen Breite kaum unter fünfzig Meilen betragen mochte. Die beiden Schiffe fuhren am 29. August in denselben ein, sie hatten aber kaum dreißig Meilen zurückgelegt, als Roß Befehl zum Umkehren gab unter dem Vorwande, er habe deutlich eine hohe Bergkette gesehen, die sich im Hintergrunde erhöbe, und der er den Namen Croker-Berge beilegte. Diese Ansicht theilten freilich die Officiere, die nicht den geringsten Hügel wahrgenommen hatten, keineswegs, weil der Meeresarm auf dem sie sich befanden, nichts Anderes war, als der von Baffin getaufte Lancaster-Sund, der nach Westen zu mit dem Meere zusammenhängt.

So mochte es sich überhaupt mit allen Buchten dieser so tief eingeschnittenen Küste verhalten, an der man übrigens meist in solcher Entfernung hinsegelte, daß Einzelheiten unerkennbar blieben. So machte die Expedition, an der Einfahrt nach Cumberland angekommen, gar keinen Versuch, diesen so wichtigen Punkt eingehender zu erforschen, und Roß kehrte, gleichgiltig gegen den Ruhm, den er hätte erwerben können, nach England zurück.

Der Leichtfertigkeit und Vernachlässigung seiner Aufgabe angeklagt, antwortete Roß mit stolzem Selbstbewußtsein:

»Ich wage mir zu schmeicheln, die Zwecke meiner Reise in allen wichtigen Punkten erfüllt zu haben, da ich die Existenz einer Bai, die sich von Discö bis zur Cumberland-Enge erstreckt, nachgewiesen und die Frage wegen einer nord-westlichen Durchfahrt in dieser Richtung für immer entschieden zu haben glaube.«

Schlimmer könnte man sich allerdings kaum täuschen.

Der Mißerfolg dieses Versuches konnte aber die Forscher nicht entmuthigen. Die Einen sahen darin die eclatante Bestätigung der Entdeckungen des alten Baffin, Andere wollten in den unzähligen Einfahrten, in denen das Meer so tief und die Strömung so stark war, etwas anderes als Baien erkennen. Für sie waren das Meerengen, und alle Hoffnung, die ersehnte Durchfahrt aufzufinden, schien nicht verloren.

Von solchen Anschauungen frappirt, rüstete die Admiralität sofort zwei kleine Fahrzeuge aus, die Bombarde »Hekla« und die Brigantine »Griper«. Am 5. Mai 1819 verließen diese die Themse unter der Führung des Lieutenants William Parry, der mit seinem früheren Chef bezüglich der Nord-West-Passage ebenfalls nicht übereinstimmte. Ohne außergewöhnliche Vorkommnisse gelangten die Schiffe bis zu dem Sunde Sir James Lancaster's; nach siebentägiger Einschließung inmitten starker, in einer Länge von vierzig Meilen aufgehäufter Eismassen segelten sie in jene Bai ein, die nach John Roß von einer Bergkette abgeschlossen sein sollte.

Nicht allein jene Berge existirten aber nur in der Einbildung des genannten Seefahrers, sondern alle Anzeichen deuteten mit voller Verläßlichkeit darauf hin, daß man sich in einer Meerenge befand. Bei dreihundert Faden zeigte sich noch kein Grund; allmälich machte sich ein hohler Seegang bemerkbar; die Temperatur des Wassers hob sich bis auf sechs Grad, und im Laufe eines einzigen Tages begegnete man nicht weniger als achtzig großen Walfischen.

Als die Reisenden am 31. Juli in der Possesions-Bai, die sie im vergangenen Jahre besucht hatten, an's Land gingen, fanden sie noch ihre eigenen Fußspuren wieder, ein Beweis für die geringe Menge Schnee und den wenigen Reif des letztvergangenen Winters.

In dem Augenblicke, als die Schiffe mit vollen Segeln und unter günstigem Winde in den Lancaster-Sund einfuhren, schlugen wohl Aller Herzen schneller.

»Es ist leichter, sagt Parry, sich die ängstliche Erwartung vorzustellen als zu beschreiben, die sich in diesem Augenblick auf allen Gesichtern malte, während wir mit immer zunehmender Geschwindigkeit in die Meerenge unter auffrischender Brise einfuhren; den ganzen Nachmittag über standen Officiere und Matrosen auf den Stengen, und ein uninteressirter Zuschauer, wenn es unter den gegebenen Verhältnissen einen solchen hätte geben können, müßte sich amüsirt haben über die Begierde, mit welcher jede neue Meldung aufgenommen wurde; bisher lauteten alle sehr günstig, selbst für unsere ehrgeizigsten Hoffnungen und Wünsche.«

Die beiden Ufer liefen parallel zu einander weiter; so weit das Auge ihnen, etwa bis auf fünfzig Meilen, zu folgen vermochte. Die Höhe der Wogen, das Fehlen des Eises, kurz Alles bestärkte die Engländer in der Annahme, daß sie das offene Meer erreicht und die gesuchte Durchfahrt gefunden hätten, als eine Insel, an der ungeheure Eismassen aufgethürmt lagen, ihnen den ferneren Weg versperrte.

Ein Meeresarm von etwa zehn Meilen Breite öffnete sich jedoch im Süden derselben. Hier hoffte man nun einen von Eis weniger verstopften Weg zu entdecken. Merkwürdiger Weise hatten sich die Bewegungen der magnetischen Nadel, je weiter nach Westen man durch den Lancaster-Sund vordrang, immer mehr verstärkt; jetzt bei einem Kurse nach Süden schien das Instrument alle seine Eigenschaften verloren zu haben, und man sah in Folge merkwürdiger Ursachen die richtende Kraft der Magnetnadel sich so weit verringern, daß sie der von den Schiffen geübten Anziehung nicht mehr die Waage hielt, so daß dieselbe eigentlich nur noch den Nordpol der »Hekla« oder der »Griper« anzeigte.

Der Meeresarm erweiterte sich, je mehr die Fahrzeuge nach Westen vordrangen, und das Ufer verlief deutlich nach Südwesten zu; nach Zurücklegung von hundertzwanzig Meilen in dieser Richtung sahen sie sich plötzlich durch eine Eisbank aufgehalten, welche jedem weiteren Vordringen ein Ziel setzte. Sie fuhren also nach der Barrow-Straße zurück, zu der der Lancaster-Sund eigentlich nur die Schwelle bildet, und sahen jetzt dasselbe Meer eisfrei, das sie wenige Tage vorher voller Schollen gefunden hatten.

Unter 72° 15' der Breite entdeckten sie einen neuen, etwa acht Meilen breiten Wasserarm, den Willington-Kanal; vollständig frei von Eis, schien dieser durch keine Landmasse verschlossen zu sein. Alle diese Meerengen überzeugten die Seefahrer, daß sie inmitten eines ausgedehnten Archipels segelten, und ihr gutes Vertrauen gewann dadurch neue Nahrung.

Die Fahrt bei fortwährendem Nebel war indeß ziemlich schwierig; die Anzahl kleiner Inseln und Untiefen nahm immer mehr zu, die Eismassen thürmten sich höher an, doch nichts konnte Parry entmuthigen, seinen Weg nach Westen fortzusetzen. Auf einer größeren Insel, die den Namen Bathurst erhielt, fanden die Matrosen Reste von Eskimohütten und Spuren von Renthieren. An dieser Stelle wurden magnetische Beobachtungen vorgenommen, welche zu der Ueberzeugung führten, daß man im Norden des magnetischen Poles vorübergekommen sei.

Bald kam eine andere große Insel, Melville, in Sicht, und trotz der Hindernisse, welche Eis und Nebel dem Vordringen der Expedition in den Weg stellten, gelang es dieser doch, den 110. Grad westlicher Länge zu überschreiten und damit die von dem Parlamente ausgesetzte Belohnung von hunderttausend Pfund Sterling zu verdienen.

Ein in der Nähe dieses Punktes gelegenes Vorgebirge erhielt deshalb den Namen Munificenz-Cap; eine schöne Rhede in der Nachbarschaft wurde die Hekla- und Griper-Bai genannt. Im Grunde dieser Bai, dem Winter-Harbour, verbrachten die beiden Schiffe den Winter. Abgetakelt, von wattirten Matten eingehüllt, lagen sie unter einer dicken Schneedecke, während im Inneren derselben Oefen und Caloriferen aufgestellt wurden. Die Jagd hatte keine anderen Erfolge, als daß verschiedene Theilnehmer der Expedition dabei einige Glieder erfroren, denn bis auf Wölfe und Füchse hatten alle übrigen Thiere die Insel Melville gegen Ende des Octobers verlassen.

Wie sollte man nun die lange Winternacht ohne gar zu große Langeweile verbringen?

Die Officiere kamen auf den Gedanken, ein Theater zu errichten, auf dem die erste Vorstellung am 6. November stattfand, an dem Tage, da die Sonne für drei volle Monate von dem Horizonte verschwand. Nachdem dann zur Feier des Weihnachtsfestes ein besonderes Stück geschrieben worden war, gründeten sie eine Wochenschrift, welche die »Zeitung für Nord-Georgien, eine Winter-Chronik«, » The North Georgia gazette and winter chronicle« genannt wurde. Diese Zeitschrift, deren Redaction Sabine besorgte, erschien in einundzwanzig Nummern und hatte nach der Heimkehr auch noch die Ehre, durch den Druck veröffentlicht zu werden.

Im Monat Januar machte sich der Scorbut bemerkbar, und die Heftigkeit, mit der die Krankheit anfangs auftrat, verursachte nicht geringe Besorgnisse; die verständige Anwendung von antiscorbutischen Mitteln und die tägliche Vertheilung von frischem Senf und Kresse, welch' letztere es Parry gelang, in der Nähe seiner Oefen aufzuziehen, schnitten das Uebel bald an der Wurzel ab.

Am 7. Februar erschien die Sonne zum ersten Male wieder, und obwohl gewiß noch mehrere Monate vergehen mußten, bevor an eine Abreise zu denken war, wurden doch schon die Vorbereitungen zu derselben getroffen. Am 30. April stieg das Thermometer bis Null Grad, und die Matrosen, welche diese so niedrige Temperatur schon für Sommerwetter ansahen, schickten sich an, die Winterkleider abzulegen. Der erste weiße Rainfarn erhob das Haupt am 12. Mai und am nächsten Tage bemerkte man Spuren von Renthieren und Moschusziegen, welche wieder nach Norden auszuwandern begannen. Die größte Freude und eine ganz außerordentliche Ueberraschung bereitete den Seeleuten aber ein Regen, der am 4. Mai fiel.

»Wir waren, sagt Parry, so entwöhnt, Wasser in seinem natürlichen Zustande, und vorzüglich solches vom Himmel herabfallen zu sehen, daß diese einfache Erscheinung für uns zum Gegenstand der lebhaftesten Neugier wurde. Ich glaube bestimmt, daß sich Niemand an Bord befand, der nicht auf's Verdeck gekommen wäre, um das so interessante und uns so neue Schauspiel zu genießen.«

Während der ersten Hälfte des Juni unternahm Parry in Begleitung mehrerer Officiere einen Ausflug über die Insel Melville, deren nördliches Ende er dabei erreichte. Bei seiner Rückkehr zeigte sich schon überall einige Vegetation, das Eis begann zu zerfallen und Alles deutete darauf hin, daß die Abfahrt nun bald stattfinden könne, was denn endlich am 1. August geschah; in der offenen See waren die Schollen aber noch lange nicht geschmolzen, und die Fahrzeuge vermochten nach Osten nicht weiter vorzudringen, als bis zum Ende der Insel Melville. Der äußerste Punkt, den Parry in dieser Richtung erreichte, liegt unter 74° 26' 25" der Breite und 113° 46' 43" der Länge. Die Rückkehr ging ohne Unfall von statten, und gegen Ende November trafen die Schiffe glücklich wieder in England ein.

Die Ergebnisse dieser Reise waren sehr beträchtlich; es wurden durch dieselbe nicht allein sehr ausgedehnte Gebiete der Polarregion erschlossen, sondern man hatte auch werthvolle physikalische und magnetische Beobachtungen angestellt und ebenso über die Kälte-Erscheinungen, über das arktische Klima und das animalische und vegetabilische Leben in jenen Gegenden Auskunft erlangt.

Bei einer einzigen Fahrt erreichte Parry mehr als Alle, die ihm im Laufe von dreißig Jahren auf seiner Fährte folgen sollten.

Sehr befriedigt von diesen Erfolgen Parry's, vertraute ihm die Admiralität im Jahre 1821 das Commando zweier Schiffe, der »Hekla« und der »Fury« an, das letztere nach dem Modell der »Hekla« erbaut. Diesmal erforschte der Seefahrer die Ufer der Hudsons-Bai und mit größter Sorgfalt auch die Küsten der Halbinsel Melville, nicht zu verwechseln mit der Insel gleichen Namens. Man überwinterte auf der Winter-Insel, nahe der Ostküste jener Halbinsel, und griff dabei auf dieselben Unterhaltungen zurück, die sich bei der früheren Fahrt so gut bewährt hatten. Die angenehmste Zerstreuung in der Monotonie des Winters bot jedoch der Besuch einer Gesellschaft Eskimos, welche am 1. Februar über das Eis ankamen. Ihre Hütten, die man bisher nicht bemerkte, waren am Ufer errichtet; man stattete auch diesen vielfache Besuche ab, und der achtzehnmonatliche Verkehr der Besatzung mit jenen trug nicht wenig dazu bei, eine ganz andere Anschauung über diese Völker, ihre Lebensweise und ihren Charakter zu verbreiten, als man eine solche bisher hatte.

Die Untersuchung der Fury- und Hekla-Engen, welche die Halbinsel Melville von dem Cockburn-Lande trennen, nöthigte die Reisenden, noch einen Winter über in den arktischen Gebieten zu verweilen. Wenn dazu auch noch bessere Maßnahmen getroffen wurden, so verlief diese Zeit doch in etwas gedrückterer Stimmung, weil Officiere und Matrosen das Gefühl grausamer Enttäuschung nicht überwinden konnten, sich gerade in dem Augenblicke aufgehalten zu sehen, wo sie nach der Behrings-Straße abzusegeln hofften.

Am 12. August öffnete sich wieder ein Weg durch das Eis. Parry wollte seine Schiffe nach Europa zurücksenden und auf dem Landwege eine Untersuchung der von ihm entdeckten Länder vornehmen; er mußte jedoch den Vorstellungen des Kapitän Lyon nachgeben, der ihm die ganze Tollkühnheit dieses verzweifelten Planes vor Augen legte. Die beiden Fahrzeuge kehrten also nach einer Abwesenheit von siebenundzwanzig Monaten nach England zurück und hatten während dieser Zeit von hundertacht Mann nur fünf verloren, obwohl sie zwei Winter nach einander in den hyperboräischen Regionen zubrachten.

Gewiß erreichten die Ergebnisse dieser zweiten Fahrt die der ersten nicht an Bedeutung, dennoch darf man sie keineswegs für werthlos ansehen. Man wußte nun, daß die eigentliche Küste Amerikas nicht über den 70. Grad hinaufreicht, daß der antarktische Ocean mit dem Polarmeere durch eine Menge Meerengen und Kanäle zusammenhängt, von denen die meisten, wie die der Fury, der Hekla, Fox' und andere, freilich vielfach durch Eismassen verschlossen sind, welche heftige Strömungen in denselben aufhäufen.

Wenn das an der Südostspitze der Halbinsel Melville gesehene Eis hier permanent zu lagern schien, so war das mit dem am Eingange der Regent-Straße offenbar nicht der Fall. Es bot sich demnach einige Aussicht, nach dem Polarbecken vordringen zu können. Die »Fury« und die »Hekla« wurden deshalb noch einmal ausgerüstet und Parry zur Führung überlassen.

Diese Reise war leider die mindest glückliche von allen, welche der erfahrene Seemann unternahm, nicht, weil er sich dabei seiner Aufgabe nicht gewachsen gezeigt hätte, er wurde jedoch das Opfer unglücklicher Zufälligkeiten und mißlicher Verhältnisse. So bedrängte ihn z. B., als er kaum in die Baffins-Bai eingelaufen war, eine so ungeheuere Masse Eis, daß er die größte Mühe hatte, nur den Eingang zu der Prinz Regent-Straße wieder zu erreichen. Wäre er hier drei Wochen früher eingetroffen, so hätte es ihm vielleicht gelingen können, längs der Küste Amerikas hinzusegeln, jetzt blieb ihm aber nichts Anderes übrig, als sofort Anstalten zu treffen, um unter den geringsten Beschwerden den Winter zu verbringen.

Für diesen Officier, der schon gewöhnt war, den Winter der Polarzone auszuhalten, hatte das nichts Erschreckendes an sich. Er kannte die nöthigen Maßregeln zur Erhaltung der Gesundheit der Mannschaften, selbst zur Sicherung eines gewissen Wohlbehagens, und war nicht in Verlegenheit wegen Beschäftigungen und Zerstreuungen, welche so mächtig dazu beitragen, die Langweile einer dreimonatlichen Nacht zu verkürzen.

Mancherlei von den Officieren ertheilte Unterrichtskurse, auch Maskeraden und Theatervorstellungen, nebst einer gleichmäßigen Wärme von 50° Fahrenheit (= 10° C.) erhielten die Leute so frisch und munter, daß Parry, als ihm das Thauwetter am 20. Juli 1825 die Wiederaufnahme seiner Operationen gestattete, keinen einzigen Kranken an Bord hatte.

Er schlug nun einen Weg längs des östlichen Ufers der Einfahrt in die Prinz Regent-Straße ein; da trieben aber zahlreiche Schollen heran und drängten die Fahrzeuge gegen das Land. Die »Fury« wurde so schwer beschädigt, daß sie, obschon vier Pumpen stets in Thätigkeit blieben, kaum flott erhalten werden konnte. Parry machte zwar den Versuch, sie wieder in Stand zu setzen; nachdem sie aber mit großer Beschwerde auf ein ungeheueres Stück Eis gehoben worden war, entstand ein heftiger Sturm, der die temporäre Unterlage zertrümmerte und das Schiff auf den Strand warf, wo man es endgiltig aufgeben mußte. Seine Besatzung wurde von der »Hekla« mit aufgenommen, die in Folge dieser Katastrophe den Rückweg nach England einschlug.

Der gegen Gefahren so abgehärtete Parry ließ sich auch hierdurch von weiteren Projecten nicht abhalten. Wenn es sich unmöglich erwies, das Eismeer auf diesem Wege zu erreichen, so konnte es doch noch andere dahin geben. Vielleicht bot z. B. die ungeheuere Meeresfläche zwischen Grönland und Spitzbergen eine minder gefährliche Straße, die von Eisbergen, welche sich ja nur an Küsten bilden, weniger heimgesucht war.

Die frühesten Fahrten in diese Gegenden, von denen man Kenntniß besitzt, sind die Scoresby's, der diese Meere zum Zwecke der Walfischjagd lange Zeit besuchte. Im Jahre 1806 gelangte er dabei sehr hoch nach Norden, ja, so hoch, wie es auf diesem Wege noch keinem Schiffe gelungen war. Er befand sich nämlich am 16. Mai unter 81° 30' der Breite und 16° östlicher Länge von Paris, das heißt, ziemlich genau im Norden von Spitzbergen. Das Eis erstreckte sich in der Richtung nach Ostnordosten hin. Zwischen dieser Richtung und dem Südosten war das Meer auf eine Strecke von dreißig Meilen vollkommen frei, und auch auf die Entfernung von hundert Meilen Land nicht zu sehen.

Man muß bedauern, daß sich der Walfänger diesen günstigen Umstand nicht zunutze machte, um noch weiter nach Norden vorzudringen; unzweifelhaft hätte er manche wichtige Entdeckung gemacht, oder vielleicht gar den Pol selbst erreicht.

Was nun geschäftliche Rücksichten dem Walfänger Scoresby nicht zu unternehmen gestatteten, das wollte Parry auszuführen versuchen.

Er segelte mit der »Hekla« am 27. März 1827 von London ab, kam nach dem norwegischen Lappland, nahm in Hammerfest Hunde, Renthiere nebst Booten ein und setzte seine Fahrt nach Spitzbergen weiter fort.

Der Hafen Smeerenburg, den er anzulaufen gedachte, war noch mit Eis erfüllt, und die »Hekla« kämpfte gegen dasselbe bis zum 27. Mai. Parry verließ alsdann sein Schiff in der Hinlopen-Straße und fuhr mit zwei Booten nach Norden weiter, auf denen er Roß und Crozier, je zwölf Mann Besatzung und Lebensmittel für einundsechzig Tage mitnahm. Nach Hinterlassung eines Lebensmitteldepots auf den Sieben Inseln, lud er den übrigen Proviant und die Boote auf Schlitten, welche für diesen Zweck ganz besonders hergerichtet waren. Er hoffte auf diese Weise über das feste Eis gelangen und jenseits desselben ein, wenn auch nicht ganz freies, doch wahrscheinlich fahrbares Meer erreichen zu können.

Das Packeis bildete aber nicht, wie Parry vorausgesetzt, eine vollkommen gleichartig zusammengesetzte Masse. Dazwischen fanden sich sowohl breite offene Spalten, über die er setzen mußte, als auch steile Hügel, die man mit den Schlitten nur schwer erklimmen konnte. So kam er in vierzehn Tagen nur vierzehn Kilometer nach Norden vorwärts.

Am 2. Juli wies das Thermometer +1,7° im Schatten und 8,3° in der Sonne.

Der Weg über die holprige, jeden Augenblick von offenen Wasserkanälen unterbrochene Oberfläche war äußerst mühsam, und dazu litten die Augen der Reisenden nicht wenig von dem grellen rückstrahlenden Lichte.

Trotz aller Hindernisse aber drangen Parry und seine Gefährten muthig weiter, als der Erstere am 20. Juli bemerkte, daß sie erst bis 82° 37', d. h. nur neun Kilometer weiter nach Norden gekommen waren, als drei Tage vorher. Allem Anscheine nach unterlag also die ganze Eismasse der Wirkung einer Strömung nach Süden, denn der Reisende war überzeugt, während jener Zeit mindestens zweiundzwanzig Kilometer über das Eisfeld zurückgelegt zu haben.

Parry verheimlichte anfangs seinen Leuten diese Bemerkung, bald wurde es Allen aber offenkundig, daß sie sich nur mit der Differenz zweier entgegengesetzter Geschwindigkeiten nach Norden hinbewegten; nämlich mit der, in welcher sie selbst alle Hindernisse überwanden, abzüglich der anderen, welche das »Icefield« nach Süden entführte.

Die Expedition erreichte indessen eine Stelle, wo das morsche Eis Menschen und Schlitten kaum noch zu tragen vermochte. Hier fand sich ein furchtbarer Haufen von Schollen, welche, von den Wogen emporgehoben, mit entsetzlichem Geräusche aufeinander stießen. Die Mundvorräthe gingen zur Neige; Roß war verwundet, Parry litt an einer heftigen Augenentzündung und der Wind schlug auch noch um – das Alles zwang die Engländer, nach Süden zurückzukehren.

Diese kühne Fahrt, während der das Thermometer niemals unter 2° Kälte herabsank, hätte vielleicht von Erfolg sein können, wenn sie in weniger vorgeschrittener Jahreszeit unternommen worden wäre. Wenn die Reisenden früher aufbrachen, so mußten sie wohl über 82° 40' hinauskommen, da sie Regen, Schnee und Feuchtigkeit, die untrüglichen Vorzeichen des sommerlichen Thauwetters, nicht aufgehalten hätten.

Als Parry wieder bei der »Hekla« eintraf, hörte er, daß das Schiff in der größten Gefahr geschwebt habe. Unter heftigen Winden hatten Eisschollen die Ankerkette zerrissen und jenes auf den Strand geworfen. Nachdem man dasselbe wieder flott gemacht, war es nach dem Eingange der Waygat-Straße geschafft worden.

Parry segelte nun ohne Unfall nach den Orcaden, hielt sich kurze Zeit an diesen Inseln auf und lief am 30. September wieder in London ein.

Während Parry einen Durchgang durch die Baffins- oder Hudsons-Bai suchte, um nach dem Pacifischen Ocean zu gelangen, waren verschiedene Expeditionen organisirt worden, um die Entdeckungen Mackenzie's zu vervollständigen und den Verlauf der Nordküste Amerikas zu bestimmen.

Diese Reisen schienen keine so großen Schwierigkeiten zu bieten, während ihre Ergebnisse für den Geographen ebenso wichtig, wie für den Seemann vorteilhaft zu werden versprachen. Die Führung derselben wurde einem verdienstvollen Officier, Franklin, anvertraut, dessen Name mit Recht so berühmt geworden ist. Doctor Richardson und Georges Back, damals Midshipman in der Kriegsmarine, begleiteten ihn nebst zwei Matrosen.

Am 30. August 1819 in der Factorei von York, am Ufer der Hudsons-Bai, angelangt, reisten die Forscher, nachdem sie sich von Pelzjägern alle ihnen nützlich erscheinende Auskunft verschafft, am 9. September von da ab und erreichten am 22. October das sechshundertundneunzig Meilen entfernte Cumberland-House. Die günstige Jahreszeit neigte sich zu Ende. Franklin begab sich inzwischen mit Georges Back nach dem Fort Chippewayan am westlichen Ende des Athabaska-Sees, um die Vorbereitungen für die im nächsten Sommer auszuführende Expedition zu überwachen. Diese Reise von achthundertsiebenundfünfzig Meilen legte er mitten im Winter und bei Temperaturen von vierzig bis fünfzig Grad unter Null zurück.

Zu Anfang des Frühjahres traf Doctor Richardson im Fort Chippewayan mit dem Reste der Expedition ein, und diese brach am 18. Juli 1820 in der Hoffnung auf, vor Eintritt der schlechten Jahreszeit an der Mündung des Coppermine-Flusses einen günstigen Platz zur Ueberwinterung zu finden. Dabei hatten Franklin und seine Begleiter freilich die Schwierigkeiten des Weges und die Hindernisse, welche die Strenge des Klimas bereitete, zu gering veranschlagt.

Wasserfälle, Untiefen in den Seen und Flüssen, nicht fahrbare Stellen und das seltenere Vorkommen von eßbarem Wilde hielten die Reisenden so sehr zurück, daß die canadischen Führer am 20. August, als die Teiche sich schon wieder mit Eis zu bedecken anfingen, sich beklagten, und als sie Schaaren wilder Vögel nach dem Süden ziehen sahen, überhaupt verweigerten, noch weiter mitzugehen. Franklin mußte, so sehr ihn diese Böswilligkeit erbitterte, doch seine Pläne aufgeben, und an der Stelle, wo er sich befand, d. h. fünfhundertundfünfzig Meilen vom Fort Chippewayan am Ufer des Winterflusses, ein hölzernes Haus erbauen lassen, das den Namen Fort Entreprise erhielt. Dasselbe liegt unter 64° 28' der Breite und 118° 6' der Länge.

Nach vollendeter Einrichtung der Wohnung bemühten sich die Reisenden, so viel als möglich Lebensmittel einzusammeln, und bereiteten aus Renthierfleisch jene Conserve, welche in ganz Amerika als »Pemmican« bekannt ist. Zuerst zeigten sich sehr viele Renthiere; man zählte deren an einem Tage über zweitausend Stück; dies lieferte jedoch den Beweis, daß jene auf der Auswanderung nach milderen Gebieten begriffen waren. Obwohl das Fleisch von hundertundachtzig dieser Thiere zubereitet worden war und der benachbarte Fluß ebenfalls noch verschiedene Nahrungsmittel lieferte, so sollten doch auch diese beträchtlichen Vorräthe nicht ausreichen.

Auf die Nachricht von der Ankunft weißer Männer in ihrem Lande, siedelten sich nämlich mehrere ganze Indianerstämme vor den Thoren des Forts an und ließen keine Gelegenheit vorüber, zu betteln und die Ankömmlinge herzhaft auszubeuten. Auch die Ballen mit Wollendecken, der Tabak und andere Tauschwaaren wurden bald genug erschöpft.

Beunruhigt, die Expedition nicht ankommen zu sehen, die ihm weiteren Proviant zuführen sollte, schickte Franklin am 18. October Georges Back mit einigen Canadiern nach dem Fort Chippewayan.

Eine solche Fußreise mitten im Winter erheischte eine Unerschrockenheit und Opferwilligkeit, von der die nachfolgenden wenigen Zeilen eine kleine Vorstellung geben.

»Ich hatte, sagt Back, bei meiner Rückkehr die Freude, meine Reisegenossen nach einer Abwesenheit von etwa fünf Monaten in bestem Wohlsein wieder anzutreffen. In jener Zeit hatte ich elfhundertundvier Meilen in Schneeschuhen und ohne einen anderen Schutz während der Nacht in den Wäldern zurückgelegt, als den einer Decke und eines Damhirschfelles, während das Thermometer häufig bis 40, einmal sogar bis 57° unter Null herabsank; zuweilen mußte ich dabei zwei bis drei Tage ohne Nahrung aushalten.«

Diejenigen, welche im Fort zurückgeblieben waren, hatten ebenfalls schwer von der Kälte zu leiden, welche noch um drei Grad diejenige übertraf, welche Parry auf der Melville-Insel ertragen mußte, obwohl diese dem Pole um neun Breitengrade näher liegt. Die Wirkungen dieser niedrigen Temperatur machten sich nicht nur bei den Menschen bemerkbar; selbst die Bäume waren dabei bis in's innerste Mark gefroren, so daß eine Axt in ihnen kaum einen Eindruck hervorbrachte.

Zwei Dolmetscher aus der Hudsons-Bai waren mit Back nach dem Fort Entreprise gekommen. Der eine derselben besaß eine Tochter, welche für das schönste Wesen galt, das man jemals habe sehen können. Obwohl erst sechzehn Jahre alt, hatte sie doch schon zwei Ehemänner gehabt. Einer der englischen Officiere zeichnete ihr Bild zum großen Leidwesen der Mutter, welche fürchtete, daß der »große Häuptling der Engländer« sich bei Betrachtung dieses Porträts in das Original verlieben könnte.

Am 14. Juni 1821 war der Coppermine-Fluß hinlänglich frei von Eis, um auf demselben hinabfahren zu können. Man schiffte sich also ein, obschon die Lebensmittel fast vollständig aufgezehrt waren. Zum Glück gab es an dem grünen Ufer des Flusses viel Wild, und man erlegte unter Anderem genug Moschusochsen, welche für Alle hinreichende Nahrung lieferten.

Die Mündung des Coppermine wurde am 18. Juli erreicht. Die Indianer kehrten, aus Furcht, ihre Feinde, nämlich Eskimos, zu treffen, sofort nach dem Fort Entreprise um, während die Canadier es kaum wagten, mit ihren Booten auf das freilich ziemlich aufgeregte Meer zu fahren. Franklin wußte sie jedoch zuletzt dazu zu bestimmen; er konnte aber nicht über die Turn again-Spitze hinausgelangen, das ist ein unter 68° 30' der Breite liegendes Vorgebirge, das sich am Eingang eines großen, mit vielen Inseln besäeten Golfs befand, dem Franklin den Namen Golf der Krönung George's IV. beilegte.

Franklin war den Hood-Fluß stromauf gefahren, als er sich von einem zweihundertfünfzig Fuß hohen Wasserfalle aufgehalten sah; den Rest des Weges mußte er also zu Lande zurücklegen und mitten durch über zwei Fuß tiefen Schnee ein unbekanntes, unfruchtbares Land durchwandern. Die Strapazen und Leiden der Rückreise kann man sich leichter denken, als sie zu beschreiben sind. Am 11. October kam Franklin nach dem Fort Entreprise, freilich bis zum Aeußersten entkräftet, zurück, da er seit fünf Tagen nichts gegessen hatte. Das Fort war verlassen. Ohne alle Vorräthe und krank, glaubte Franklin sein letztes Stündchen gekommen. Am nächsten Tage zog er jedoch schon aus, die Indianer und seine vorausgegangenen Gefährten zu suchen; der Schnee lag aber so dick, daß er wieder nach dem Fort umkehren mußte. Achtzehn Tage lang lebte er einzig und allein von einer Abkochung der Knochen und Häute der im vorigen Winter getödteten Thiere. Am 29. October endlich traf Doctor Richardson mit John Hepburn, aber ohne die anderen Theilnehmer der Expedition ein. Als die Männer sich wiedersahen, erstaunten sie Alle schmerzlich über ihre Magerkeit, die Veränderung der Stimme und die entsetzlichste Schwäche, die ihnen als unverkennbares Zeichen des nahen Endes erschien.

»Doctor Richardson, sagt Cooley, überbrachte auch noch traurige Nachrichten. Während der ersten beiden Tage nach der Trennung der Gesellschaft in drei Abtheilungen hatte die seinige nicht das Geringste zu essen gefunden; am dritten Tage war Michel mit einem Hasen und einem Rebhuhn zurückgekommen, welche unter Alle vertheilt wurden. Der nächste Tag verging aber wieder bei absolutem Fasten. Am 11. bot Michel seinen Begleitern ein Stück Fleisch an, das seiner Aussage nach von einem Wolfe herrühren sollte, bald aber erlangten diese die Ueberzeugung, daß es Fleisch von einem der Unglücklichen war, die den Kapitän Franklin verlassen hatten, um zu Richardson zurückzukehren. Michel wurde jeden Tag unverschämter. Man hegte gegen ihn wohl den Verdacht, er habe irgendwo Nahrungsmittel versteckt, die er für sich allein aufbewahrte. Da hörte Hepburn, als er mit Holzschlagen beschäftigt war, einen Schuß, und als er sich darauf umwandte, bemerkte er, wie Michel nach dem Zelte stürzte; bald darauf fand man Hood todt mit einem Schusse in den Hinterkopf, und Niemand konnte daran zweifeln, daß Michel dessen Mörder war. Von diesem Augenblicke an wurde jener noch frecher und verschlossener als je, und da er an Kraft den überlebenden Engländern weit überlegen und außerdem gut bewaffnet war, so erblickten diese ihre Rettung nur in seinem Tode. Ich entschloß mich also, erzählt Richardson, überzeugt, daß uns nur dieser schreckliche Ausweg blieb, alle Verantwortlichkeit auf mich zu nehmen, und jagte Michel, als er zu uns zurückkehrte, eine Kugel durch den Kopf.«

Mehrere der Indianer, welche Franklin und Richardson begleiteten, waren Hungers gestorben, und die beiden Häuptlinge nahe daran, jenen in das Grab zu folgen, als am 7. November endlich drei von Back abgeschickte Indianer die erste Hilfe brachten. Sobald sie sich ein wenig gekräftigt fühlten, begaben sich die beiden Engländer nach dem Etablissement der Compagnie, wo sie Georges Back fanden, dem sie bei derselben Expedition zweimal das Leben verdankten.

Die Ergebnisse dieser Reise, welche fünftausendfünfhundert Meilen umfaßte, waren von hoher Bedeutung für die Geographie, die Kenntniß des Erdmagnetismus und der Meteorologie, und die Küste Amerikas hatte man damit auf eine weite Strecke hin, bis zu dem Cap Turn again, kennen gelernt.

Trotz aller Leiden und Entbehrungen, welchen sie stets heldenmüthig trotzten, zögerten die Forscher doch nicht, eine neue Reise anzutreten und noch einmal die Erreichung der Küste des Polarmeeres zu versuchen.

Gegen Ende des Jahres 1823 erhielt Franklin den Auftrag, die Küste im Westen des Mackenzie-Flusses zu besichtigen. Alle Agenten der Compagnie sollten dazu Lebensmittel, Boote und Führer bereit halten und die Reisenden überhaupt, so weit es ihnen möglich wäre, allseitig unterstützen.

In New-York wohlwollend aufgenommen, gelangte Franklin auf dem Hudson nach Albany, fuhr von Lewiston aus den Niagara bis zu dessen berühmten Fällen hinauf, erreichte hierauf das Fort St. Georges am Ontario und segelte über diesen See nach Yorck, der Hauptstadt von Ober-Canada; darauf passirte er den Simcoë-, Huron- und Oberen See, wo sich ihm vierundzwanzig Canadier anschlossen, und traf seine Boote am 20. Juni 1825 auf dem Methye-Flusse wieder.

Während Doctor Richardson die Ostküste des Großen Bärensees aufnahm, und Back die Vorbereitungen zur Ueberwinterung leitete, begab sich Franklin nach der Mündung des Mackenzie. Die Fahrt ging sehr bequem von statten und nur das Mündungs-Delta des Flusses bot einige Schwierigkeiten. Das Meer war eisfrei; schwarze und weiße Walfische, sowie ganze Seehundheerden tummelten sich auf dessen Fläche. Franklin landete an der kleinen Insel Garry, deren Lage er zu 69° 2' der Breite und 135° 41' der Länge bestimmte, eine werthvolle Angabe, weil sie beweist, wie viel Vertrauen die Aufnahmen Mackenzie's eigentlich verdienen.

Die Rückkehr verlief ohne Schwierigkeiten, und am 5. September trafen die Reisenden wieder in dem Fort ein, welches Richardson Fort Franklin genannt hatte. Der Winter verging unter Vergnügungen, Belustigungen und Ballfestlichkeiten, an welchen Canadier, Engländer, Schotten, Eskimos und Indianer von vier verschiedenen Stämmen theilnahmen.

Am 22. Juni fand die Abreise statt und am 4. Juli wurde die Gabelung erreicht, wo die Arme des Mackenzie sich trennen. Hier bildete man auch aus der Expedition zwei Abtheilungen, welche die Ufer des Polarmeeres nach Osten und nach Westen zu untersuchen sollten. Kaum hatte Franklin den Strom verlassen, als er in einer großen Bucht eine zahlreiche Gesellschaft Eskimos antraf. Diese schienen sich zuerst über alle Maßen zu freuen, wurden aber bald zudringlich und versuchten sich der Boote zu bemächtigen. Die Engländer benahmen sich bei diesem Gelegenheit mit außerordentlicher Langmuth und verhüteten dadurch ein nutzloses Blutvergießen.

Franklin entdeckte und benannte den Clarence-Fluß, der die Besitzungen Rußlands von denen Englands scheidet. Unfern von diesem erhielt ein anderer Wasserlauf den Namen Canning. Am 16. August, erst auf halbem Wege zum Eis-Cap, kehrte Franklin, weil sich der Winter so zeitig anmeldete, zurück und fuhr in den schönen Peel-Fluß ein, den er für den Mackenzie ansah. Er erkannte seinen Irrthum erst, als im Osten desselben eine Gebirgskette sichtbar wurde. Am 21. September kehrte er in das Fort zurück, nachdem er binnen drei Monaten zweitausendachtundvierzig Meilen durchmessen und dreihundertvierundsiebzig Meilen der amerikanischen Küste aufgenommen hatte.

Richardson war inzwischen auf einem tiefen, weniger eiserfüllten Meere, meist in Gesellschaft friedlicher und gastfreundlicher Eskimos vorgedrungen. Er gelangte nach der Liverpool- und der Franklin-Bai und entdeckte gegenüber der Mündung des Coppermine ein Land, das vom Continent durch einen kaum zwanzig Meilen breiten Kanal getrennt war, und dem er den Namen Wollaston beilegte.

Am 7. August kehrten die Boote, nachdem sie bis zu der, schon bei einer früheren Reise untersuchten Krönungs-Bai gelangt, wieder um und trafen, ohne irgend welchen Unfall erlitten zu haben, am 1. September bei Fort Franklin ein.

Beschäftigt mit der Schilderung der Parry'schen Fahrten, mußten wir einstweilen diejenigen beiseite lassen, welche zu derselben Zeit John Roß unternahm, dem seine sonderbare Untersuchung der Baffins-Bai in den Augen der Admiralität allen Credit geraubt hatte.

John Roß nun wünschte lebhaft, sein früheres Ansehen als muthiger und erfahrener Seemann wieder zu gewinnen. Entzog ihm auch die Regierung ihr Vertrauen, so fand er solches doch bei Felix Booth, einem reichen Rheder, welcher ihm ein Dampfschiff, die »Victory«, anvertraute, mit dem er am 25. Mai 1829 nach der Baffins-Bai abfuhr.

Vier Jahre lang blieb man ohne Nachrichten von dem verwegenen Seemanne, bei der endlichen Heimkehr zeigte es sich aber, daß seine Ernte an Entdeckungen der von Parry's erster Fahrt wenigstens gleichkam.

Durch die Barrow-Straße und den Lancaster-Sund in den Prinz Regents-Kanal eindringend, fand John Roß die Stelle wieder auf, wo die »Fury« vier Jahre vorher zurückgelassen worden war.

Weiter nach Norden vordringend, überwinterte Roß im Felix-Hafen – so genannt zu Ehren des Patrons der Expedition – und erfuhr hier, daß das von ihm gefundene Land eine große, im Süden mit Amerika zusammenhängende Halbinsel bilde.

Im April 1830 fuhr James Roß, der Neffe des Führers der Expedition, mit Booten aus, um die Küsten desselben, so wie die des König Wilhelm-Landes aufzunehmen.

Im November mußte man sich zu einer zweiten Ueberwinterung entschließen, da es nicht möglich gewesen war, das Schiff mehr als einige Meilen weiter nach Norden zu führen; deshalb wurde der Sheriff-Hafen als Lagerplatz erwählt. Die Kälte erreichte ganz außerordentliche Grade, und von allen Wintern, welche die Besatzung der »Victory« im Polareise verlebte, war dieser der strengste.

Den Sommer 1831 widmete man verschiedenen Untersuchungen, welche den Beweis lieferten, daß zwischen den beiden Meeren keine Verbindung bestehe. Auch diesmal glückte es nur, mit dem Schiffe wenige Meilen nach Norden, bis zum Hafen Decouverte, zu dampfen. In Folge eines zweiten, sehr strengen Winters mußte man dasselbe aber hier im Eise verlassen.

Sehr froh, noch Vorräthe von der »Fury« gefunden zu haben, ohne welche sie Hungers gestorben wären, erwarteten die Engländer, unter täglich zunehmender Ermattung und unglaublichen Leiden und Entbehrungen, die Wiederkehr des Sommers. Im Juli 1833 wurden die Winterquartiere endgiltig verlassen; man zog zu Lande den Prinz Regents-Kanal, ferner die Barrow-Straße entlang, womit die Nachbarschaft der Baffins-Bai erreicht wurde, als ein Schiff in Sicht kam. Es war die »Isabelle«, welche Roß einst selbst befehligt hatte und auf der die Schiffbrüchigen von der »Victory« Aufnahme fanden.

England hatte während dieser Zeit seine Kinder niemals vergessen und jedes Jahr eine Expedition zu deren Aufsuchung ausgesendet. Im Jahre 1833 führte eine solche Georges Back, der Gefährte Franklin's. Dieser drang vom Fort Revolution am Ufer des Sklaven-Sees nach Norden vor, bezog, nachdem er den Thloni Tcho Deseth-Fluß entdeckt, Winterquartiere und traf Anstalt, im folgenden Jahre bis zum Polarmeere weiter zu ziehen, wo man Roß vom Eise zurückgehalten glaubte, als er von dessen unvermutheter Heimkehr Nachricht erhielt.

Im nächsten Jahre unterwarf derselbe Reisende den schönen, von ihm schon früher entdeckten Fisch-Fluß einer gründlichen Untersuchung und bekam die Königin Adelaide-Berge, sowie die Booth- und James Roß-Caps zu Gesicht.

Im Jahre 1836 stand er an der Spitze einer neuen Expedition, welche diesmal zu Wasser ausgeführt wurde, und suchte vergeblich, die Entdeckungen Roß' und Franklin's mit einander zu verknüpfen.

Die Durchführung dieses Unternehmens sollte drei Officieren der Hudsons-Bai-Compagnie: Peter William, Dease und Thomas Simpson, vorbehalten bleiben.

Diese brachen am 1. Juni 1837 vom Fort Chippewayan auf, fuhren den Mackenzie-Fluß hinab und erreichten am 9. Juli das Gestade des Meeres, auf dem sie bis 71° 3' der Breite bei 156° 46' westlicher Länge bis zu einem Cap vordringen konnten, welches den Namen Georges Simpson's, des Gouverneurs der Compagnie, erhielt.

Thomas Simpson zog von hier aus mit fünf Mann in westlicher Richtung zu Lande weiter bis zur Barrow-Spitze, welche schon einer der Officiere Beechey's, von der Behrings-Straße herkommend, gesehen hatte.

Die Besichtigung und Aufnahme der Küste Amerikas von Cap Turn again bis zur Behrings-Straße war hiermit vollendet, es blieb keine unbekannte Gegend mehr übrig, als die Strecke zwischen der Ogle-Spitze und dem Cap Turn again; diese sollte das Ziel der Forscher bei der nächsten Reise bilden.

Im Jahre 1838 vom Coppermine ausgehend, folgten sie Der Küste nach Osten und erreichten am 9. August das Cap Turn again; da das Eis aber das weitere Vordringen der Boote nicht gestattete, so überwinterte Thomas Simpson, entdeckte Victoria-Land und setzte, am 12. August 1839 am Back-Flusse angelangt, bis zum Ende des Monats die Untersuchung von Boothia Felix fort.

Die Linie der Küste des Continents war hiermit überall festgestellt, doch mit welchen Mühen und Anstrengungen, mit wie vielen Opfern und doch mit welcher Opferfreudigkeit! Wie wenig fällt das Leben des Menschen in's Gewicht, wenn es sich um den Fortschritt der Wissenschaft handelt! Aber welcher Uneigennützigkeit, welchen Eifers bedarf es von Gelehrten, Seeleuten und Forschern, die Alles, was wir sonst das Glück des Erdenlebens nennen, freudig aufgeben, um je nach ihren Kräften zur Erweiterung der menschlichen Kenntnisse, zur Förderung aller humanen Ziele beizutragen!


Mit der Schilderung dieser letzten Reisen, durch welche die Entdeckung der Erde vollendet wurde, schließt dieses Werk, das mit der Erzählung der Unternehmungen der ersten Forschungsreisenden begann.

Die Gestalt und Bildung der Erde ist nun bekannt, die eigentliche Aufgabe der Entdecker erfüllt. Die Erde, soweit sie der Mensch bewohnt, ist ihm vertraut geworden. Es erübrigt ihm nichts mehr, als die Ausnützung der unerschöpflichen Hilfsquellen der Gebiete, zu denen er jetzt leichten Zugang hat.

Wie reich an Lehren aller Art ist diese Geschichte der Entdeckungen zweier Jahrtausende!

Wir wollen nur einen Blick zurückwerfen und in flüchtigen Strichen die während dieser langen Zeitfolge errungenen Fortschritte skizziren.

Wenn wir die Weltkarte des Hekatäos, der fünfhundert Jahre vor der christlichen Zeitrechnung lebte, zur Hand nehmen, was zeigt uns wohl diese?

Die bekannte Erde umfaßt kaum das Becken des Mittelmeeres. Ihre der Form nach sehr falsch wiedergegebene Landmasse besteht aus dem kleinsten Theile Europas, aus Vorderasien und dem nördlichen Afrika. Rings um dieselbe fließt ein Strom ohne Anfang und ohne Ende, der den Namen Ocean führt.

Stellen wir nun neben diese Karte, neben dieses ehrwürdige Denkmal der Wissenschaft des Alterthums, eine Planisphäre der Erde aus dem Jahre 1840. Jetzt erscheint das Gebiet, welches Hekatäos nur sehr unvollkommen kannte, als ein verschwindendes Fleckchen auf dem großen Erdenrund.

Jener Anfangs- und dieser Endpunkt gestattet uns ein Urtheil über den Umfang der Entdeckungen.

Vergegenwärtigt man sich nun, welche Unmenge von Arbeit und Studien die Erkenntniß der ganzen Erdkugel nothwendig machte, so steht man voller Verwunderung vor dem Resultate der Bemühungen so vieler Forscher, so zahlreicher Märtyrer; man erkennt den hohen Nutzen jener Entdeckungen und die engen Beziehungen, welche die Geographie mit allen anderen Wissenschaften verknüpfen. Das ist der rechte Gesichtspunkt, auf den man sich stellen muß, um die ganze Tragweite eines Werkes, dem sich so viele Generationen widmeten, vollständig zu begreifen.

Freilich sind es sehr verschiedene Motive, welche zu diesen Entdeckungen den Anstoß gaben.

Zuerst begegnen wir hier der naturgemäßen Neugierde des Eigentümers, der danach strebt, den ganzen Umfang des von ihm besessenen Gebietes kennen zu lernen, die bewohnbaren Theile desselben zu vermessen, die Grenzen der Meere zu bestimmen; darauf treten die Anforderungen eines noch in der Kindheit befindlichen Handels in den Vordergrund, eines Handels, der nichtsdestoweniger schon die Erzeugnisse der asiatischen Industrie bis nach Norwegen überführte.

Mit Herodot tauchen höhere Ziele auf; jetzt macht sich das Verlangen geltend, die Geschichte, Sitten und Religionen, fremder Völker kennen zu lernen. Später, zur Zeit der Kreuzzüge, deren unzweifelhaftestes Resultat die Anregung zu orientalischen Studien ist, treibt nur eine Minderzahl der Wunsch, den Schauplatz der Leidensgeschichte eines Gottes den Händen der Ungläubigen zu entreißen; für die Meisten bildet die rohe Plünderungssucht und der Reiz des Unbekannten die Triebfeder.

Wenn Columbus einen neuen Weg aufsucht, um nach den Gewürzländern zu gelangen, und dabei Amerika findet, so treibt seine Nachfolger nur das Verlangen, schnell Schätze zu erwerben. Wie unvortheilhaft stechen diese gegen die edlen Portugiesen ab, welche die eigenen Interessen dem Ruhme und der kolonialen Machtentfaltung ihres Vaterlandes opfern und ärmer sterben, als sie es in dem Augenblicke der Uebernahme jener Aufträge waren, die sie so ehrenhaft ausführen sollten.

Im 16. Jahrhundert treibt das Bestreben, sich den religiösen Verfolgungen und den damals wüthenden Bürgerkriegen zu entziehen, die Hugenotten und vorzüglich jene Quäker nach der Neuen Welt, welche, durch Begründung der dortigen englischen Kolonialmacht, Amerika gänzlich umgestalteten.

Das nächstfolgende Jahrhundert befördert vor allem Anderen die Kolonisation. In Amerika errichten die Franzosen, in Indien die Engländer, in Oceanien die Holländer Comptoirs und Kaufläden, während Missionäre sich bemühen, das zur Unbeweglichkeit erstarrte Reich der Mitte für den christlichen Glauben und zeitgemäßere Weltanschauungen zu gewinnen.

Das 18. Jahrhundert, welches für das unserige die Wege ebnet, berichtigt lange Zeit geglaubte Irrthümer; es nimmt einzeln und genau Continente und Archipele auf, verbessert und vervollständigt die Entdeckungen seiner Vorgänger. Derselben Aufgabe widmen sich noch die Forscher der neuesten Zeit, welche danach trachten, auch den kleinsten Erdwinkel, das unscheinbarste Eiland nicht unbeachtet zu lassen. Demselben Ziele streben auch die unerschrockenen Seefahrer nach, welche die Eiswüsten der beiden Pole erforschen und das letzte Stück Schleier zerreißen, das einen Theil der Erdkugel unseren Blicken so lange Zeit verhüllte.

Jetzt also ist Alles bekannt, classificirt, katalogisirt und bezeichnet! Sollen die Ergebnisse so ehrenvoller Arbeit aber etwa in einem sorgfältig hergestellten Atlas vergraben werden, wo sie nur die Gelehrten von Fach aufsuchen?

Nein! An uns ist es, die von unseren Vätern um den Preis so unendlicher Mühen und Gefahren eroberte Erdkugel nun auszunützen, ihr erst den vollen Werth zu geben. Die Erbschaft ist zu verlockend, um nicht mit frohen Händen zuzugreifen!

An uns ist es, mit allen, durch die vorgeschrittenen Wissenschaften gebotenen Hilfsmitteln zu studiren, urbar zu machen und auszubeuten! Jetzt darf es keine brachliegenden Gebiete, keine undurchdringlichen Wüsten, keine unbenutzten Flüsse, keine unergründlichen Meere, keine unersteigbaren Höhen mehr geben!

Wir überwinden alle Hindernisse, welche die Natur noch bietet. Die Landengen von Suez und Panama sperren uns die Wege: wir durchschneiden sie. Die Sahara erschwert den Verkehr zwischen Algier und dem Senegal: wir legen eine Eisenbahn durch dieselbe. Der Kanal zwischen England und Frankreich hindert zwei befreundete Völker, sich die Hand zu drücken: wir treiben einen Schienenweg unter demselben hin!

Das ist unsere und unserer Zeitgenossen schöne Aufgabe. Ist sie denn weniger werthvoll als die unserer Vorgänger, daß sich noch keine anerkannte Feder derselben bemächtigt hat? Für uns liegt dieses Feld, so anziehend dessen Bearbeitung auch unzweifelhaft ist, zu weit außerhalb des vorherbegrenzten Rahmens dieses Werkes. Wir wollten eine »Geschichte der Entdeckung der Erde« schreiben – das ist geschehen, unsere Aufgabe ist erfüllt, und die Ueberwindung vieler Hindernisse, welche die Natur dem Fortschritte des geographischen Wissens entgegenstellt, ist

 

»Der Triumph des 19. Jahrhunderts.«

 


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