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Die Reise Freycinet's. – Rio de Janeiro und seine Zigeuner. – Das Cap und dessen Weine. – Die Seehunds-Bai. – Aufenthalt in Timor. – Die Insel Ombay und deren menschenfressende Bevölkerung. – Die Inseln der Papuas. – Auf Pfählen errichtete Wohnungen der Aefurus (Haraforas) – Ein Diner bei dem Gouverneur von Guaham. – Beschreibung der Mariannen und ihrer Bewohner. – Etwas von den Sandwichs-Inseln. – Port Jackson und Neu-Süd-Galles. – Schiffbruch in der Baie Française. – Die Malouinen. – Rückkehr nach Frankreich. – Expedition der »Cocquille« unter dem Befehle Duperrey's. – Martin Vaz und Trinidad. – Die Insel St. Katharina. – Die Unabhängigkeit Brasiliens. – Die Baie Française und die Ueberreste der »Uranie«. – Aufenthalt in Conception. – Der Bürgerkrieg in Chile. – Die Araukanier. – Neue Entdeckungen bei den Gefährlichen Inseln (Pomotu-Inseln.) – Aufenthalt in Tahiti und Neu-Irland. – Die Papuas. – Rast in Ualan. – Die Caroliner und die Carolinen. – Wissenschaftliche Ergebnisse der Expedition.
Die von Louis Claude de Saulces de Freycinet befehligte Expedition kam in Folge der Muße zu Stande, welche der Friede von 1815 der französischen Marine gewährte. Ein unternehmender Officier derselben, der früher schon Baudin bei der Erforschung der Küsten Australiens begleitet hatte, entwarf dazu den Plan und wurde mit dessen Ausführung betraut. Es war das die erste Seereise, welche die Hydrographie nicht als Hauptziel im Auge hatte; sie sollte sich in erster Linie vielmehr mit der Aufnahme der Form der Erdkugel in der südlichen Hemisphäre und mit Beobachtung erdmagnetischer Erscheinungen befassen; weiter mit dem Studium der drei Naturreiche, der Sitten, Gebräuche und Sprachen der Eingebornen; geographische Forschungen dagegen standen, ohne gerade ausgeschlossen zu sein, bei derselben doch erst an letzter Stelle.
Freycinet fand in einigen Officieren vom Sanitäts-Corps der Marine, nämlich in den Herren Quoy, Gaimard und Gaudichaud, tüchtige Mitarbeiter für die Fächer der Naturgeschichte; gleichzeitig zog er eine gewisse Anzahl hervorragender Marine-Officiere zu sich heran, unter denen Duperrey, Lamarche, Bérard und Odet-Pellion die bekanntesten sein möchten. Einer derselben wurde später Mitglied des Institutes; die Anderen stiegen zu den höheren und höchsten Stellen in der Staatsmarine empor.
Daneben ließ Freycinet es sich angelegen sein, nur solche Matrosen auszuwählen, welche auch noch Fertigkeiten in irgend einem Handwerke besaßen, so daß sich unter der einhundertzwanzig Mann zählenden Besatzung der »Uranie« nicht weniger als Fünfzig befanden, die im Nothfalle als Zimmerleute, Seiler, Segelmacher, Schmiede u. dergl. dienen konnten.
Reservegut und Ausrüstungsgegenstände für zwei Jahre, wie sie die vervollkommneten Apparate, deren man sich allgemach zu bedienen anfing, nur liefern konnten, Eisenbehälter zur Aufbewahrung des Trinkwassers und große Kolben zur Destillation des Meerwassers, nebst Conserven und Heilmitteln gegen den Scorbut wurden auf der »Uranie« untergebracht. Am 17. September 1817 verließ das Schiff den Hafen von Toulon, darauf, als Matrose verkleidet, auch die Gattin des Befehlshabers, welche selbst die Gefahren und Strapazen einer so langen Reise nicht zurückzuschrecken vermochten.
Neben jenen, dem täglichen Bedarf dienenden Vorräthen führte Freycinet auch eine reiche Sammlung der besten Apparate und Instrumente mit sich. Von Seiten des Instituts endlich hatte er sehr eingehende Instructionen erhalten, theils bestimmt, ihm als Führer bei späteren Untersuchungen zu dienen, theils auch, um ihn auf diejenigen Fragen hinzuweisen, deren Lösung den größten Vortheil für die Wissenschaften erwarten ließ.
Die »Uranie« ankerte bei Gibraltar und verweilte kurze Zeit bei Santa Cruz, der Hauptstadt von Teneriffa – einer der canarischen Inseln, welche, wie Freycinet geistreich bemerkt, für die Expedition keineswegs »Glückliche Inseln« waren, da der Gouverneur derselben jeden Verkehr mit dem Lande verbot – bevor sie am 6. December in den Hafen von Rio de Janeiro einlief.
Der Commandant und dessen Officiere benutzten den Aufenthalt daselbst, um vielfache magnetische Beobachtungen und Versuche mit dem Pendel anzustellen, während die Naturforscher das Land durchstreiften und reiche naturwissenschaftliche Sammlungen erwarben.
Der Original-Reisebericht enthält lange historische Abhandlungen über die Entdeckung und Besiedelung Brasiliens, sowie eingehende Schilderungen über Sitten und Gebräuche der Einwohner, über die Temperatur und das Klima, sogar eine ganz genaue Beschreibung Rio de Janeiros und seiner Bauten und Umgebungen.
Der merkwürdigste Theil dieser Arbeit handelt von den Gitanos (etwa: Zigeuner), welchen man zu jener Zeit in Rio de Janeiro begegnete.
»Würdige Abkömmlinge der Parias von Indien, wo ihr Ursprung unzweifelhaft zu suchen ist, sagt Freycinet, zeichnen sie sich durch lasterhafte Gewohnheiten aller Art und durch Neigung zu jedem Verbrechen aus. Die Meisten besitzen große Reichthümer, entwickeln bezüglich der Kleidung und Pferde, vorzüglich bei den mit größtem Pomp gefeierten Hochzeiten, einen unerhörten Luxus, fühlen sich aber nur wohl unter den wüstesten Schwelgereien oder dem widerwärtigsten Nichtsthun. Sie sind Spitzbuben und Lügner von Natur und stehlen bei allen Handelsgeschäften so viel als möglich; ebenso finden sich unter ihnen die schlauesten und frechsten Schmuggler. Hier, wie überall, wo sich diese widerwärtigen Menschen finden, haben sie stets nur untereinander geheiratet. Sie sprechen mit eigenthümlichem Accent, oder gar einem besonderen Jargon. In Folge einer wahrhaft unbegreiflichen Laune dulden die Behörden diese öffentliche Pest, und in der Nähe des Campo Santa Anna hat man ihnen zwei Straßen völlig eingeräumt.«
»Wer Rio de Janeiro nur am Tage sähe, sagt der Reisende an anderer Stelle, könnte zu dem Glauben verleitet werden, daß dessen Einwohnerschaft nur aus Negern bestehe. Anständigere Leute gehen, wenn sie nicht ganz besondere Veranlassung haben, oder kirchliche Pflichten erfüllen, nie anders als des Abends aus, und auch da zeigen sich meist nur die Frauen; tagsüber bleiben sie fast stets zu Hause und theilen ihre Zeit zwischen dem Schlaf und der Toilette. Theater und Kirchen sind die einzigen Oertlichkeiten, wo man sich ihrer Anwesenheit erfreuen kann.«
Die Ueberfahrt der »Uranie« von Brasilien nach dem Cap der Guten Hoffnung ging ohne bemerkenswerthen Zwischenfall von statten. Am 7. März ging sie in der Tafel-Bai vor Anker. Nach dreitägiger Quarantaine gestattete man den Seefahrern, an's Land zu gehen, wo ihnen seitens des damaligen Gouverneurs, Charles Sommerset, ein ausgezeichneter Empfang bereitet wurde. Die Instrumente schaffte man nach Auffindung eines für die Arbeiten geeigneten Locales sofort an's Land. Nun begannen ohne Aufenthalt die gewohnten Pendelversuche und die Beobachtungen der Magnetnadel von Neuem.
Die Naturforscher Quoy und Gaimard unternahmen, in Begleitung mehrere Officiere, einen wissenschaftlichen Ausflug nach dem Tafelberge und nach den weit berühmten Weingärten von Constancia.
»Die Weinculturen, durch welche wir kamen, sagt Gaimard, sind von Eichen- oder Fichtenalleen eingeschlossen, und die vier bis fünf Fuß von einander in geraden Linien gepflanzten Rebstöcke werden hier nicht durch Pfähle gestützt. Man beschneidet jene und hackt den umgebenden Boden alljährlich tief auf. Da und dort sahen wir Feigen-, Aprikosen-, Apfel-, Birnen- und Citronenbäume in Menge, und dazwischen kleinere Beete mit Küchengewächsen. Bei unserer Rückkehr bestand Mr. Colyn darauf, daß wir alle Weinsorten, welche er erbaute, kosten sollten, darunter den sogenannten eigenthümlichen Constancia-Wein, in weißer und rother Sorte, ferner seinen Pontac, Steinwein und den Frontignac. Der Wein von anderen Lagen, den man als »Capwein« bezeichnet, wird aus dunkel strohgelben Muscatellertrauben gewonnen und schien, meinem Geschmacke nach, den Muscateller der Provence an Güte zu übertreffen. Ich erwähnte eben zwei Abarten Constancia-Wein: den weißen und den rothen; beide stammen von Muscatellertrauben verschiedener Farbe her … Am Cap selbst giebt man gewöhnlich dem Frontignac vor allen anderen Sorten, die auf den Weinbergen von Constancia wachsen, den Vorzug.«
Genau einen Monat, nachdem sie die Südspitze Afrikas verlassen, ging die »Uranie« in Port-Louis auf Isle de France, das seit dem Vertrage von 1815 unter englischer Herrschaft stand, vor Anker.
Freycinet mußte sich hier, um sein Schiff kielholen, gründlich ausbessern und die Kupferverkleidung in Stand setzen zu lassen, weit länger aufhalten, als er eigentlich beabsichtigte. Unsere Reisenden hatten indeß keine Ursache, diese Verzögerung zu beklagen, denn die Bewohner von Isle de France verleugneten ihre weitbekannte liebenswürdige Gastfreundlichkeit auch bei dieser Gelegenheit nicht. Spaziergänge, Gesellschaften, Bälle, Officiersschmäuse, Wettrennen und Festlichkeiten aller Art halfen die Zeit schnell vertreiben. Die Franzosen nahmen deshalb endlich nur mit herzlichem Bedauern von ihren früheren Landsleuten und – den erbittertsten Feinden der letzten Jahre Abschied.
Mehrere hervorragende Einwohner unterließen sogar nicht, Freycinet sehr interessante Aufzeichnungen über Das und Jenes einzuhändigen, da es diesem bei dem immerhin kurzen Verweilen auf der Insel nicht möglich gewesen war, sich selbst Auskunft zu verschaffen.
So kam dieser in die Lage, werthvolle Nachrichten über die Verhältnisse des Ackerbaues, Handels, Gewerbfleißes, der Finanzen und über den sittlichen Zustand der Bevölkerung, kurz über sehr verschiedene Punkte und in solcher Verläßlichkeit heimzubringen, wie sie ein Reisender bei vorübergehendem Aufenthalte niemals zu sammeln vermöchte. Seit Einrichtung der englischen Verwaltung waren vielfach Straßen angelegt worden, und ein frischer, thatenlustiger Geist trat an Stelle der angeerbten Routine, welche die Kolonie allmälich eingeschläfert und jeden Fortschritt gehemmt hatte.
Die »Uranie« wandte sich nun nach der Insel Bourbon, wo sie aus den Magazinen der Regierung neuen Proviant erhalten sollte. Am 19. Juli 1817 ging sie in St. Denis vor Anker und blieb auf der Rhede von St. Paul bis zum 2. August, an welchem Tage sie nach der Seehunds-Bai, an der Westküste Neu-Hollands, absegelte.
Bevor wir Freycinet nach Australien folgen, dürfte es sich empfehlen, mit ihm noch einige Augenblicke auf Bourbon zu verweilen.
Im Jahre 1717 besaß diese Insel, nach Le Gentil de la Barbinais, nur 900 freie Bewohner, darunter nicht mehr als sechs weiße Familien, neben 1100 Sklaven. Nach der letzten Zählung (1817) wohnten hier dagegen 14.790 Weiße, 4342 freie Neger und 49.759 Sklaven, zusammen 68.891 Seelen. Dieses beträchtliche und schnelle Wachsthum dürfte zum Theile wohl dem sehr gesunden Klima des Landes zuzuschreiben sein, gewiß rührt es aber auch mit von der unbeschränkten Handelsfreiheit her, deren sich die Insel lange Jahre hindurch erfreute.
Am 12. September warf die »Uranie«, nach sehr glücklicher Fahrt, am Eingange der Seehunds-Bai Anker. Sofort wurde ein Detachement nach Dirck Hatichs abgesendet, um die geographische Lage des Cap Levaillant zu bestimmen und die von den Holländern vor langer Zeit zurückgelassene zinnerne Tafel, welche Freycinet schon 1801 gesehen hatte, an Bord der Korvette mitzubringen.
Inzwischen waren die zwei Kolben zur Destillation des Meerwassers in Gebrauch genommen worden. Während des ganzen Aufenthaltes benutzte man kein anderes Getränk, und Niemand auf dem Schiffe ließ darüber eine Klage laut werden.
Die ausgeschiffte Abtheilung der Besatzung traf mit einigen Ureinwohnern zusammen. Bewaffnet mit Wurfspießen und Keulen und ohne jedwede Bekleidung, vermieden es diese, mit den Weißen in directe Berührung zu kommen, hielten sich vielmehr von den Matrosen immer etwas entfernt und berührten auch die dargebotenen Gegenstände, die man ihnen schenkte, anfangs nur mit großer Vorsicht.
Obwohl die Seehunds-Bai seit der Expedition Baudin's im Einzelnen untersucht worden war, blieb im östlichen Theile des Hamelin-Hafens doch noch eine Lücke übrig. Dieser Aufgabe unterzog sich nun Duperrey.
Dem Naturforscher Gaimard genügte die Kunde die man bis jetzt von den, wahrscheinlich durch den Knall der Feuerwaffen vertriebenen Einwohnern erhalten hatte, noch nicht, und er beschloß, beseelt von dem Wunsche, deren ganze Lebensweise näher kennen zu lernen, ein Stück in das Innere des Landes einzudringen. Sein Begleiter und er verirrten sich, ganz wie Riche im Jahre 1792, in Nuytsland und litten schrecklich vor Durst, da sie während ihrer dreitägigen Wanderung keine Quelle und keinen Bach fanden.
Ohne Bedauern sahen die Seefahrer die unwirthlichen Küsten von Endrachtsland ihren Augen entschwinden. Schönes Wetter und ein kaum bewegtes Meer begünstigten die Fahrt der »Uranie« bis Timor, wo sie am 9. October auf der Rhede von Coupang vor Anker ging.
Die portugiesischen Behörden nahmen sie mit großer Zuvorkommenheit auf.
Die Kolonie erfreute sich freilich jetzt nicht des glücklichen Gedeihens, welches das Erstaunen und die Bewunderung der Franzosen zur Zeit der Baudinschen Reise erregt hatte. Der Rajah von Amanoubang, ein Bezirk mit überreichlichem Bestände an Santelholz, der früher Tribut entrichtet hatte, kämpfte eben für seine Unabhängigkeit. Dieser, für die Kolonie höchst nachtheilige Kriegszustand erschwerte gleichzeitig die Beschaffung von Nahrungsmitteln, die Freycinet doch so notwendig brauchte.
Einige Officiere statteten dem Rajah Peters von Banacassi, dessen Wohnung kaum dreiviertel Meilen von Coupang lag, einen Besuch ab. Peters, jetzt ein Greis von achtzig Jahren, mußte ein sehr schöner Mann gewesen sein. Er erschien mit zahlreichem Gefolge, das ihn mit größter Ehrfurcht behandelte, und unter dem sich mehrere Krieger von imponirender Erscheinung auszeichneten.
In der weitläufigen Wohnung bemerkten die Franzosen mit Verwunderung einen großen Luxus an Tafelgeräthen und sahen daselbst auch sehr schön gearbeitete und kostbare europäische Gewehre hängen.
Trotz der hohen Temperatur, unter der sie zu leiden hatten – das Thermometer stieg in der Sonne und in freier Luft bis zu 45 Grad, im Schatten bis 33, ja sogar bis 35 Grad – betrieben der Commandant und die Officiere mit ungeschwächtem Eifer die wissenschaftlichen Beobachtungen und geographischen Nachforschungen, welche ihnen instructionsgemäß oblagen.
Trotz Freycinet's ernsthafter Warnungen hatten doch mehrere jüngere Officiere und Matrosen die Unklugheit begangen, gegen Mittag auszugehen; in der Hoffnung, die traurigen Folgen solch' frevelhaften Leichtsinnes abzuwenden, verzehrten sie dann begierig kalte Getränke und säuerliche Früchte. Bald wurden sie dafür aber durch den Ausbruch der Dysenterie bestraft, welche fünf Mann an's Lager fesselte, so daß man an die Abreise denken mußte, worauf die »Uranie« am 23. October die Anker lichtete.
Man fuhr nun, zum Zwecke hydrographischer Aufnahmen, ziemlich schnell längs der nördlichen Küste Timors hin; als die Corvette aber bis zur engsten Stelle des Kanals von Ombay gelangte, fand sie daselbst so heftige Strömungen und nur so schwache oder widrige Winde, daß sie kaum noch von der Stelle kam. Diese mißlichen Verhältnisse dauerten volle neunzehn Tage an.
Einige Officiere benutzten den unfreiwilligen Aufenthalt nahe dem Gestade Ombays zu einem Ausfluge nach den nächstliegenden Theilen der Insel, die einen recht lieblichen Anblick boten. Sie landeten bei dem Dorfe Bitouka und näherten sich einer Gruppe Eingeborner, welche mit Bogen, Pfeilen und »Kris« (dies sind 45 bis 60 Centimeter lange, meist geschlängelte Dolche der Malayen und anderer asiatischer Volksstämme) bewaffnet waren und Panzer und Schilder aus Büffelhäuten trugen. Diese Wilden hatten ein sehr kriegerisches Aussehen und schienen sich vor Feuerwaffen nicht besonders zu fürchten; ihrer Aussage nach vermochten sie während der zum Laden eines Gewehres nöthigen Zeit eine große Menge Pfeile zu verschießen.
»Ihre Pfeilspitzen, sagt Gaimard, bestanden aus sehr hartem Holze, aus Knochen oder sogar aus Eisen. Die vorräthigen, fächerartig geordneten Pfeile führte der Krieger an seiner linken Seite im Gürtel des Säbels oder Kris mit sich. Die meisten Einwohner trugen, am rechten Schenkel oder am Gürtel befestigt, eine Menge geschlitzte Latanenblätter, durch welche wieder roth oder schwarz gefärbte Blätter derselben Art gesteckt waren. Das fortwährende Geräusch von Denjenigen, welche mit diesem sonderbaren Schmucke ausstaffirt waren, dazu noch das Scharren und Schlagen, wenn Panzer und Schild in Berührung kamen, und endlich das Ertönen der kleinen Schellen, einer ferneren Zugabe ihrer Kriegertoilette – alles das verursachte einen solchen Heidenlärmen, daß wir uns des Lachens nicht erwehren konnten. Weit entfernt, sich dadurch verletzt zu fühlen, folgten die Ombayer vielmehr unserem Beispiele. Arago Jacques Arago, der Bruder des berühmten Astronomen. führte vor ihnen einige Taschenspieler-Kunststückchen aus, welche sie gewaltig in Erstaunen setzten. Wir begaben uns nun geraden Weges nach dem auf einer benachbarten Anhöhe gelegenen Dorfe Boutika. In einer Hütte, an welcher wir vorüberkamen, sah ich an der Decke etwa zwanzig menschliche Kinnladen hängen und drückte den Wunsch aus, gegen meine kostbarsten Tauschgegenstände einige derselben einzuhandeln. Man antwortete mir darauf aber nur: »Palami!« (Das ist geheiligt!) Wahrscheinlich hingen diese Knochen hier als Trophäen zur Erinnerung an einen über irgendwelche Feinde erfochtenen Sieg.«
Dieser kurze Ausflug hatte um so mehr Interesse, als die Insel Ombay von Europäern bisher nur sehr selten besucht worden war. Die wenigen Schiffe, welche daselbst gelandet waren, hatten alle über die wilden, kriegslustigen Stämme, von denen einzelne sogar als Menschenfresser geschildert werden, mehr oder weniger zu klagen gehabt.
So wurde z. B. im Jahre 1802 ein Boot von der »Rose« überfallen und dessen Besatzung gefangen genommen. Zehn Jahre später kehrte der allein an's Land gegangene Kapitän der »Inacho« mit vielen Pfeilschußwunden von da zurück. Im Jahre 1817 endlich wurden alle Leute von der Schaluppe einer englischen Fregatte, welche ausgefahren waren, um Holz zu fassen, erschlagen und aufgezehrt. Ein zweites bewaffnetes Boot, das am nächsten Tage zur Aufsuchung der Ausgebliebenen abgesendet wurde, fand von diesen nur noch blutige Ueberbleibsel und von der gänzlich zerstörten Schaluppe einige umherliegende Trümmer.
Unter diesen Umständen konnten die Franzosen von Glück sagen, mit den wilden Cannibalen so erträglich ausgekommen zu sein, was sich gewiß geändert hätte, wenn die »Uranie« hier vor Anker liegen blieb.
Am 17. November ankerte dieselbe vor Dille. Nach Austausch der gewöhnlichen Höflichkeitsbezeigungen mit dem portugiesischen Gouverneur theilte Freycinet diesem mit, was er für sein Schiff bedürfe, und erhielt umgehend eine Antwort des Statthalters, der ihm die schleunigste Herbeischaffung von Nahrungsmitteln zusicherte. Auch die gesammte Mannschaft wurde ebenso feierlich als herzlich aufgenommen, und als Freycinet Abschied nahm, sandte ihm der Gouverneur als Erinnerung zwei kleine Knaben und zwei Mädchen aus dem Königreiche Failacor im Innern von Timor.
»Diese Race ist in Europa unbekannt,« sagte Don Jose Pinto Alcofarada d'Azevedo e Souza, um sein Geschenk nicht etwa abgeschlagen zu sehen. Freycinet mochte dagegen die triftigsten Gründe anrufen, er mußte wohl oder übel einen der beiden kleinen Knaben behalten, welcher auf den Namen Joseph Antonio getauft wurde und in Paris, sechzehn Jahre alt, an einer skrophulösen Krankheit starb.
Die Bevölkerung von Timor erscheint auf den ersten Anblick vollkommen asiatisch; geht man aber näher darauf ein, so findet man in den centralen, minder besuchten Gebirgen eine Neger-Race mit krausen Haaren und sehr wilden Sitten, welche an die Urbewohner von Neu-Guinea und Neu-Irland erinnert und wahrscheinlich auch zuerst allein hier gehaust hat. Diese Methode eingehender Forschung, welche gegen Ende des 16. Jahrhunderts von dem Engländer Crawfurd inaugurirt wurde, hat in unseren Tagen durch die gelehrten Arbeiten der Doctoren Broca und E. Hamy eine recht fruchtbringende Entwickelung erfahren. Dem zweiten dieser Gelehrten verdankt man über jene Urbevölkerung sehr sorgfältige Studien, welche die »Natur« und das » Bulletin de la Societé de Geographie« zur Belehrung und Unterhaltung ihrer Leser regelmäßig wiedergeben.
Von Timor aus begab sich die »Uranie« nach der Meerenge von Bourou, zwischen den Inseln Wetter und Roma, und bekam die pittoreske Insel Gasses in Sicht, die mit dem schönsten, dichtesten Grün, das man sich nur vorstellen kann, bedeckt ist; dann wurde sie durch stärkere Strömungen nach der Insel Pisang geführt, in deren Nachbarschaft man drei von Einwohnern der Insel Guebe besetzten »Corocores« begegnete.
Diese haben dunklen Oliven-Teint, abgeplattete Nasen und wulstige Lippen; sie sind zum Theile stark und kräftig gebaut und von athletischem Aussehen; zum Theile zärtlich und schwächlich, oder auch untersetzt und von geradezu abstoßender Erscheinung. Die meisten tragen weiter nichts als ein mit einem Taschentuche am Gürtel befestigtes Beinkleid.
Es wurde auch ein Ausflug nach der kleinen Insel Pisang unternommen, welche vulcanischen Ursprunges ist, und deren trachitische Laven sich zu fruchtbarer Pflanzenerde zersetzen.
Nachher fuhr man zwischen bisher wenig bekannten Inseln weiter nach Rawak, wo die Corvette am 10. December zu Mittag vor Anker ging.
Die Insel Rawak ist klein, fast unbewohnt, und obwohl die Reisenden wiederholt Besuche von den Einwohnern von Waigiou erhielten, fanden sie doch nur wenig Gelegenheit, über die betreffende Menschenrace nähere Kunde einzuziehen. Auch die Unkenntlich der Sprache der Eingebornen und die Schwierigkeit, sich mit Hilfe des Malayischen, von dem jene nur einzelne Worte begriffen, zu verständigen, machten jeden derartigen Versuch desto unfruchtbarer.
Sofort nach Auffindung eines geeigneten Platzes wurden die Instrumente aufgestellt und man begann, neben den nicht vernachlässigten geographischen Arbeiten, physikalische und astronomische Beobachtungen.
Rawak, Boni, Waigiou und Manouaroa, von Freycinet die Papua-Inseln genannt, liegen alle fast genau unter dem Aequator. Waigiou, die größte derselben, mißt im Durchmesser zweiundsiebzig Meilen. Das niedrige Land, welches dessen Ufergebiet bildet, ist sehr sumpfig; die Küste selbst steil, von Madreporen-Riffen umgeben und von vielen durch den Wogenschlag ausgehöhlten Grotten durchlöchert.
Die Vegetation auf diesen Inseln und Eilanden übertrifft jede Vorstellung. Hier grünen die herrlichsten Bäume, darunter die ungeheure »Barringtonia«, deren gewaltiger Stamm stets nach dem Meere zu geneigt steht, so daß die obersten Zweige sich in demselben baden; die Scaevola lobelia, neben Feigenbäumen, Wurzelträgern, Casuarinen mit geradem, schlankem Schafte, welche bis vierzig Fuß hoch aufsteigen, dem »Rima«, dem Takamahaka, dessen Stamm über zwanzig Fuß Umfang erreicht; dem Hundsschwamm aus der Familie der Leguminosen, der mit rosenartigen Blüthen und goldigen Früchten besetzt erscheint; außerdem wuchern an niedrigen feuchten Plätzen noch Palmen, Muscat- und Jambobäume, sowie prächtige grüne Bananen.
Wenn die Flora also wirklich überraschend reich decorirt ist, so steht ihr die Fauna dagegen bedeutend nach. Man trifft auf Rawak kaum andere Vierfüßler als Kletterbeutelthiere und wild gewordene Schäferhunde. Waigiou besaß indeß auch Hornschweine und eine Art Zwerg-Eber. Auch Federvieh gab es nicht so viel, als man erwartet hätte, da Körner erzeugende Pflanzen, welches jenes als Nahrung bevorzugt, unter dem dichten Schatten der Wälder nicht gut gedeihen mochten. Es fanden sich nur »Calaos« (dies sind Hornvögel), deren an den Enden mit großen einzeln stehenden Federn versehene Flügel beim Fliegen ein lautes Geräusch verursachen, Papageien, welche stark vertreten schienen, Taucherkönige, Turteltauben, Citronenvögel, wilde Sperber, Helmtauben und, obwohl die Reisenden keine zu Gesicht bekamen, vielleicht auch Paradiesvögel.
Die Menschen selbst, die Papuas, sind geradezu abschreckend häßlich.
Die flache Stirn, sagt Odet-Pellion, der gedrückte Schädel, ein Gesichtswinkel von 75º, der große Mund, kleine tiefliegende Augen, hervorspringende, Backenknochen, eine dicke, an der Spitze bis an die Oberlippe niedergedrückte Nase, dürftiger Bart – eine Eigenthümlichkeit, welche man bei allen Völkern dieser Gegend wiederfindet – mäßig breite Schultern, ein dicker Leib und verhältnißmäßig dünne Gliedmaßen, das sind die unterscheidenden Merkmale dieses Volkes. Ihr Haupthaar ist der Natur und der Form nach sehr verschieden; gewöhnlich bildet es eine unförmliche Perrücke aus welligem oder schlichtem Haar, das meist von Natur gekräuselt und oft gegen acht Zoll lang ist; es beschreibt sorgsam gekämmt, künstlich noch mehr gekräuselt und nach allen Seiten ausgesträubt, mit Hilfe eines Fettes, welches dasselbe hält, eine förmliche Kugel rings um den Kopf. Sie stecken in diese Haarwulst, mehr zur Zierde als zur Erhöhung der Haltbarkeit, noch einen großen Kamm mit fünf bis sechs Zähnen.
Die unglücklichen Eingebornen leiden unter einer schrecklichen Geißel; der Aussatz herrscht unter ihnen so verbreitet, daß wohl der zehnte Theil der Bevölkerung davon befallen ist. Die Krankheit entsteht ohne Zweifel durch die Ungesundheit des Klimas, die deletären Ausdünstungen der Sümpfe, in welche das Meerwasser mit der Fluth eintritt, durch die Feuchtigkeit der dichten Wälder und die Nachbarschaft der schlecht in Stand gehaltenen Gräber, vielleicht auch durch den unmäßigen Genuß von Muscheln, welche die Eingebornen gierig verschlingen.
Alle Wohnungen sind, nahe dem Ufer, auf dem Lande oder auf dem Meere selbst, auf Pfählen errichtet. Diese meist an schwer zugänglichen Stellen erbauten Häuser bestehen aus vielen, in den Boden eingetriebenen Stämmen, an denen mittels Baststricken andere Querhölzer befestigt sind, welche den Fußboden tragen. Zugeschnittene und mit einander verbundene Palmenblätter bilden das Dach der Wohnung, die nur eine Eingangsthür hat. Wenn diese Hütten im Wasser errichtet sind, so stehen sie mit dem Lande durch eine Art Bockbrücke in Verbindung, deren Laufbahn rasch zugezogen werden kann. Um jedes Haus zieht sich ein mit Geländer versehener Balkon hin.
Ueber das gesellschaftliche Leben der Eingebornen konnten die Reisenden leider nichts erfahren. Ob sie in großen Gemeinden etwa unter der Autorität eines oder mehrerer Häuptlinge lebten, ob jedes Dorf seinen eigenen Häuptling hatte, ob die Bevölkerung zahlreich war oder nicht, darüber war keine Aufklärung zu erlangen. Die Eingebornen nennen sich selbst Alfourous. Sie scheinen mehrere eigenthümliche Idiome zu haben, die von der Sprache der Papuas wie der Malayen erheblich abweichen.
Die Bewohner dieser Inselgruppen scheinen sehr erfinderisch zu sein; sie verfertigen recht sinnreiche Fischereigeräthe, verstehen sich auf die Bearbeitung des Holzes, auf die Zubereitung des Markes aus dem Sagobaume, ferner drehen sie Töpfe und bauen Oefen zur Sagobereitung: sie weben Matten und Teppiche, flechten Körbe und modelliren sogar Statuen und Götzenbilder. Quoy und Gaimard haben z. B. an der Küste von Waigiou, im Hafen von Boni ein Standbild aus weißem Thon gefunden, das unter einem Schutzdache in der Nähe eines Grabes errichtet war. Dasselbe stellte einen aufrechtstehenden Mann mit zum Himmel erhobenen Händen dar; der Kopf war aus Holz geschnitzt, Wangen und Augen aus eingelegten Muscheln hergestellt.
Nachdem die »Uranie« Rawak angelaufen, bekam sie am 6. Januar 1819 die niedrigen, von Riffen umgebenen Ayou-Inseln in Sicht, welche noch wenig bekannt waren und deren Geographie viel zu wünschen übrig ließ. Die beabsichtigte Vornahme hydrographischer Untersuchungen wurde vielfach durch Fieberanfälle, welche über vierzig Personen betrafen, unterbrochen.
Am 12. Februar kam das Schiff an, den Inseln der Anachoreten und am nächsten Tage bei den Admiralitäts-Inseln vorüber, ohne daselbst jedoch vor Anker zu gehen.
Bald darauf erschien die Korvette vor San Bartholomé, das die Eingeborenen selbst Pulusuk nennen und welches zum Archipel der Carolinen gehört. Schnell entwickelte sich ein lebhafter, ziemlich geräuschvoller Tauschhandel mit den Eingebornen, ohne daß diese sich bewegen ließen, das Schiff selbst zu betreten. Es ging bei dem Handel mit wahrhaft rührender Ehrlichkeit zu und von Uebervortheilung war auf keiner Seite die Rede. Poulouhat, Alet, Tamatam, Allap, Fanadic und viele andere Inseln dieses Archipels zogen nach und nach vor den entzückten Augen der Franzosen vorüber.
Am 17. März 1819 endlich, das heißt achtzehn Monate nach seiner Abfahrt von Frankreich, gelangte Freycinet endlich nach den Mariannen und ging an der Küste von Guaham auf der Rhede von Umata vor Anker.
Als die Franzosen eben im Begriffe waren, an's Land zu gehen, erhielten sie den Besuch des Oberst Medinilla y Pineda und des Major Louis de Torres, des zweithöchsten Beamten der Colonie. Diese Officiere unterrichteten sich sorgfältig über alle Bedürfnisse der Seefahrer und sicherten ihnen die Befriedigung derselben in kürzester Zeit freundlich zu.
Freycinet beeilte sich, einen geeigneten Platz zur Errichtung eines provisorischen Hospitals aufzufinden, und sandte schon am nächsten Tage seine Kranken, zwanzig an Zahl, dahin ab.
Das ganze Officiercorps erhielt eine Einladung zum Diner bei dem Gouverneur. Man begab sich zur bestimmten Stunde dahin, fand aber nur einen mit leichtem Backwerk und Früchten besetzten Tisch vor, in dessen Mitte zwei Punschbowlen dampften, was die Gäste natürlich nicht wenig wundernahm. Man fragte sich unter der Hand, ob etwa Fasttag sei, und warum man sich nicht setzen könne; da aber Niemand im Stande war, hierüber, ohne indiscrete Fragen zu stellen, zu antworten, so unterließ man alle weiteren Bemerkungen und that der Mahlzeit alle Ehre an.
Da kam eine zweite Ueberraschung. Die Tafel wurde abgetragen und mit verschieden zugerichteten Fleischspeisen besetzt, mit einem Wort zu einem reichlichen Diner hergerichtet. Den Imbiß, den man vorher eingenommen und der hier zu Lande »Refresco« genannt wird, war nur dazu bestimmt gewesen, den Appetit der Gäste zu erregen.
Jener Zeit erschien der Tafelluxus auf Guaham geradezu zu grassiren. Zwei Tage später nämlich nahmen die Officiere wiederum an einem Schmause unter fünfzig Gästen Theil, bei dem zu jedem Gericht, und deren gab es drei, nicht weniger als vierundvierzig Schüsseln mit verschiedenen Fleischspeisen aufgetragen wurden.
»Derselbe Theilnehmer, erzählt Freycinet, berichtet, daß diese Mahlzeit zwei Ochsen und drei tüchtigen Schweinen das Leben gekostet, ohne das Wildpret, Geflügel und die Fische zu zählen. Nur selten, glaube ich, hatte man eine ähnliche Schlächterei zu solchem Zwecke gesehen. Unser Gastgeber nahm ohne Zweifel an, daß Leute, welche lange Zeit die Entbehrungen einer weiten Seereise erlitten hatten, nun überreichlich bewirthet werden müßten. Der Nachtisch stand an Ueberfluß und Abwechslung der eigentlichen Mahlzeit nicht im Geringsten nach, und auch auf diesen folgten noch Kaffee, Thee, Cremes, verschiedene Liqueure u. s. w. Da nun das »Refresco« nach landesüblicher Sitte ebenfalls nur eine Stunde vorher verzehrt worden war, so wird man sehr leicht einsehen, daß selbst der unerschrockendste Gastronom hier über nichts Anderes als höchstens über die – Unzulänglichkeit seines Magens zu klagen gehabt hätte.«
Diese Schmausereien und Feste ließen das eigentliche Ziel der Mission aber nicht aus den Augen verlieren. Man unternahm fleißig Ausflüge in naturgeschichtlichem Interesse und beobachtete die Magnetnadel, während Duperrey sich mit der Aufnahme des Uferlandes von Guaham beschäftigte.
Die Korvette war inzwischen im Hafen von San Louis vor Anker gegangen, und das Officiercorps, sowie die Kranken, hatten in Agagna, der Hauptstadt der Insel und dem Sitze der Regierung, Unterkommen gefunden. Hier veranstaltete man zu Ehren der Fremdlinge Hahnenkämpfe, ein Schauspiel, das in allen spanischen Besitzungen in Oceanien allgemein beliebt ist, und führte Tänze auf, welche, wie man sagte, Ereignisse aus der Geschichte Mexikos darstellten. Die Tänzer, lauter Schüler des Collegium von Agagna, trugen reiche Seidencostüme, die erst unlängst von Jesuiten aus Neu-Spanien mitgebracht worden waren. Darauf folgten Uebungen mit Stöcken, ausgeführt von Carolinern, und andere Schaustellungen fast ohne Unterbrechung. Den meisten Werth legte Freycinet aber auf die Nachrichten über Sitten und Gebräuche der alten Bewohner des Landes, die er von dem Major Louis de Torres erhielt. Letzterer hatte sich, als Landes-Eingeborner, gerade mit diesen Fragen sehr eingehend beschäftigt.
Wir werden nicht verfehlen, diese interessanten Aufschlüsse auszugsweise mitzutheilen, müssen aber zuerst von einem Ausfluge nach den Inseln Rota und Tinian berichten, deren zweite uns schon von den Schilderungen früherer Reisender her bekannt ist.
Auf einem kleinen, aus acht »Proas« (Malayenbooten) bestehenden Geschwader brachte man die Herren Borard, Gaudichaud und Jacques Arago nach Rota, wo ihr Erscheinen überall Verwunderung und Schrecken erregte. Es hatte sich nämlich das Gerücht verbreitet, daß die Korvette von Aufständischen aus Amerika besetzt sei.
Von Rota aus fuhren die Proas nach Tinian, dessen unfruchtbare öde Ebenen die Reisenden an die Gestade des Endrachtslandes erinnerten. Hier muß sich demnach seit der Zeit, da Lord Anson die Insel als ein irdisches Paradies schilderte, Vieles geändert haben.
Von Magellan am 6. März 1521 entdeckt, erhielt der Archipel der Mariannen zuerst den Namen Islas de las Velas latinas (Inseln der lateinischen Segel), und später los Ladrones (Diebes-Inseln) benannt.
Nach Pigafetta soll der berühmte Admiral davon nur Tinian, Saypan und Agoignan gesehen haben. Fünf Jahre später besuchte der Spanier Loyasa die Inseln wieder und fand hier, anders als Magellan, einen sehr freundlichen Empfang; im Jahre 1565 wurden sie darauf von Miguel Lopez de Legaspi als spanische Besitzungen erklärt. Erst 1669 begann jedoch der Pater Sanvitores dieselben zu kolonisiren und mit dem Christenthum bekannt zu machen. Wir übergehen Freycinet's Schilderungen der Ereignisse, welche mit der Geschichte dieses Archipels zusammenhängen, als unzuverlässig, obwohl er Manuscripte und Werke aller Art zur Hand hatte, die es ihm ermöglichen mußten, gerade hierüber weitere Aufschlüsse zu geben und der Wissenschaft recht erwünschte Dienste zu leisten.
Da die Reisenden die wahrhaft unglaubliche Fruchtbarkeit der Papua-Inseln und der Molukken noch in frischem Gedächtniß hatten, machte der Reichthum mancher Inseln der Mariannen auf sie einen weniger tiefen Eindruck. Die Wälder von Guaham bieten, trotz ihrer Ueppigkeit, doch nicht den gigantischen Anblick der Urwälder in den Tropen; sie bedecken den größten Theil der Insel, während man da und dort auch ungeheuere Weideplätze findet, auf denen weder ein Brotfruchtbaum, noch eine Cocospalme zu sehen ist.
Im Innern der Wälder wurden von den Eroberern künstliche Rasenplätze geschaffen, um für das Hornvieh, das sie in großer Menge eingeführt hatten, Futter zu gewinnen.
Agoignan, eine Insel mit Felsgestade, erscheint aus der Ferne dürr und unfruchtbar, obschon dieselbe in Wirklichkeit mit dichtem Gehölz bedeckt ist, das auch auf die höchsten Gipfel hinaufsteigt.
Rota freilich bildet ganz und gar ein undurchdringliches Gebüsch, aus dem überall Brotfruchtbäume, Tamarinden, Feigenbäume und Cocospalmen hervorragen.
Tinian endlich bietet einen keineswegs verlockenden Anblick. Obwohl die Franzosen nirgends Landschaften trafen, wie sie von früheren Reisenden so prächtig geschildert wurden, so kamen sie doch, im Hinblick auf den Erdboden und die große Menge abgestorbener Bäume, zu der Ueberzeugung, daß die alten Schilderungen nicht als gänzlich aus der Luft gegriffen anzusehen seien, umsomehr, als der südöstliche Theil der Insel durch dichte Wälder jetzt so gut wie unzugänglich geworden war.
Die Bevölkerung erschien zur Zeit Freycinet's sehr gemischt und die Zahl der Eingebornen betrug wohl kaum die Hälfte derselben.
Die vornehmeren Classen der Bewohner der Mariannen übertrafen ehedem die Europäer durchgängig an Größe und Stärke; jetzt war die Race degenerirt, und nur auf Rota bekam man sie noch in unverfälschter Reinheit zu Gesicht.
Als unermüdliche Schwimmer, geschickte Taucher und tüchtige Fußgänger mußten die Bewohner der Mariannen bei Gelegenheit ihrer Verheirathung ihre Gewandtheit in allen diesen Körperübungen durch Proben bethätigen. Auch jetzt findet man diese Eigenschaften deutlich ausgebildet, obwohl der allgemeine Volkscharakter den Stempel der Trägheit oder wenigstens der Gleichgiltigkeit trägt.
Ehen werden im Allgemeinen sehr frühzeitig geschlossen; die Männer zählen dabei fünfzehn bis achtzehn Jahre, die Mädchen nur zwölf bis fünfzehn, gewöhnlich sind dieselben sehr fruchtbar, und man erzählt Beispiele von Familien mit zweiundzwanzig von derselben Mutter gebornen Kindern.
Wenn man in Guaham verschiedenen, von den Europäern eingeschleppten Krankheiten begegnet, wie der Lungenschwindsucht, den Blattern und anderen, so scheinen wieder andere doch hier heimisch gewesen zu sein, oder haben sich mindestens ganz eigenthümlich und abnorm umgestaltet. Zu den letzteren gehört die Elephantiasis und der Aussatz, von denen auf Guaham drei, ihren Symptomen und Folgezuständen nach verschiedene Formen vorkommen.
Vor der Besitznahme der Insel lebte das Volk hier von Fischen, den Früchten des Brotfruchtbaumes, von Reis, Sago und anderen stärkmehlhaltigen Pflanzen. War ihre Nahrung eine sehr einfache, so gilt ganz dasselbe noch mehr von der Kleidung. Sie gingen eben gänzlich nackt – ohne ein Wein- oder Feigenblatt. Auch heute noch laufen die Kinder bis zum zehnten Lebensjahre völlig nackt herum.
Ein Reisender aus dem 18. Jahrhundert, der Schiffskapitän Pages, erzählt z. B., daß er zufällig in die Nähe eines Hauses gekommen sei, »vor dem eine Indianerin von zehn bis elf Jahren sich behaglich sonnte. Sie kauerte ganz nackt am Boden und hatte das Hemd neben sich liegen. Als sie meiner ansichtig wurde, fährt der Reisende fort, stand sie sofort auf und nahm dasselbe um. Obwohl sie jetzt keineswegs decent aussah, hielt sie selbst sich doch für genügend bekleidet, da sie mit jenem primitiven Kleidungsstücke ja – die Schultern bedeckt hatte; nun incommodirte es sie nicht im geringsten, mir gegenüberzutreten.«
Die Bevölkerung muß früher bedeutender gewesen sein, wofür noch die Ruinen zeugen, die man fast überall findet, Trümmer von Wohnstätten, welche von aufgemauerten Pfeilern getragen wurden. Der erste Reisende, der das erwähnt, war Lord Anson. Von ihm rührt auch eine etwas phantastische Abbildung einer solchen Wohnung her, welche die Gelehrten von der »Uranie« indeß, wie der nachfolgende Passus beweist, wenigstens erkannt haben müssen.
»Die Beschreibung, welche man in Anson's Reisebericht findet, ist zutreffend; die Ruinen aber und die auf verschiedene Weise mit dem Mauerwerk halbverwachsenen Baumzweige verleihen allen Bauwerken ein anderes Aussehen als damals; die Kanten der Pfeiler sind allmälich stumpf geworden und die sie bekrönenden Halbkugeln haben ihre Rundung eingebüßt.«
Von den neuen Wohnungen besteht nur ein Sechstel aus Stein, doch findet man in Agagna Bauwerke, von denen einige wegen ihres Umfanges, andere auch wegen der Eleganz, Majestät und Feinheit ihrer Verhältnisse hoch interessant sind; hierzu gehören das Colleg St. Jean de Latran, die Kirche, das Presbyterium, der Palast des Gouverneurs und die Kaserne.
Vor der Unterwerfung unter spanische Gewalt zerfielen die Bewohner der Mariannen in drei Classen: die Vornehmen, die Halb-Vornehmen und die Plebejer. Die Letzteren, die Parias des Landes, sagt Freycinet ohne Angabe der Quelle, auf welche er sich stützt, standen auch der Körpergröße nach gegen die anderen Classen zurück. Wir wagen nicht zu entscheiden, ob diese Thatsache durch einen Racen-Unterschied zu erklären, oder ob sie nur die Folge der Jahrhunderte langen Unterdrückungen dieser Kaste ist.
Den Plebejern war der Eintritt in eine höhere Kaste unmöglich gemacht und die Schifffahrt unbedingt verboten. Noch damals fand man unter jeder dieser Kasten Zauberinnen, Priesterinnen oder »Heilerinnen«, welche sich stets nur mit der Behandlung je einer Krankheit beschäftigten – womit noch keine Garantie gegeben ist, daß sie dieselbe besser kannten.
Der Bau von Piroguen stand nur den Vornehmen zu; sie gestatteten höchstens den Halb-Vornehmen, sie bei der Arbeit zu unterstützen, welche für sie von großer Wichtigkeit und eines ihrer theuersten Privilegien war. Was die Sprache betrifft, so ähnelt sie zwar dem Malayischen oder Tagalischen, das auf den Philippinen üblich ist, besitzt aber doch ihren eigenen Charakter. Freycinet's Bericht enthält auch noch eine Menge Angaben über die eigenthümlichen Gebräuche der früheren Bewohner der Mariannen, es würde aber zu weit führen, die betreffenden Abschnitte hier wiederzugeben, so viel des Interessanten sie auch für den Philosophen und den Geschichtsschreiber bieten.
Zwei Monate schon lag die »Uranie« still im Hafen; es wurde Zeit, die Fahrt und die weiteren Forschungen wieder aufzunehmen. Freycinet und seine Officiere benützten also die letzten Tage zu verschiedenen Besuchen, um für den ihnen bereiteten, überaus herzlichen Empfang gebührend zu danken.
Der Gouverneur wollte aber nicht nur keinen Dank für die Aufmerksamkeiten annehmen, mit denen er die Franzosen seit zwei Monaten geradezu überhäuft hatte, sondern schlug auch jede Bezahlung für Alles, was zur Wiederausrüstung der Korvette geliefert worden war, von vornherein aus. Er entschuldigte sich sogar in einem höchst liebenswürdigen Briefe, daß es ihm nicht möglich gewesen sei, ihnen mehr zu liefern, da wegen der seit sechs Monaten herrschenden Dürre auf Guaham jetzt an Verschiedenem Mangel sei.
Vor der Stadt Agagna wurde Abschied genommen.
»Nicht ohne herzliche Rührung, sagt Freycinet, schieden wir von dem liebenswürdigen Manne, der uns sein Wohlwollen auf jede erdenkliche Art erwiesen hatte. Ich war zu bewegt, um den Gefühlen, die meine Seele erfüllten, Ausdruck zu verleihen; die Thränen aber, die sich mir aus den Augen drängten, werden ihm überzeugender als Worte meine Erregung und Betrübniß bewiesen haben.«
Vom 5. bis 16. Juni setzte die »Uranie« die Untersuchung des nördlichen Theiles der Mariannen fort und widmete sich den schon oben erwähnten Beobachtungen.
Um die Fahrt nach den Sandwichs-Inseln zu beschleunigen, benutzte der Kapitän eine eben aufspringende Brise, die ihn nach höheren Breiten führte, wo er günstigere Winde aufsuchen konnte. Je weiter die Seefahrer in diesem Theile des Pacifischen Oceans vordrangen, desto dichtere und kältere Nebel herrschten daselbst, welche die Fahrzeuge mit einer ebenso unangenehmen, als der Gesundheit schädlichen Feuchtigkeit erfüllten. Außer einem tüchtigen Schnupfen kam die Mannschaft jedoch ohne weitere gefährliche Erkrankungen davon. Nachdem sie so lange Zeit der glühenden Tropenhitze ausgesetzt gewesen war, gewährte ihr diese Witterung sogar eine gewisse Erleichterung.
Am 6. August wurde die Südspitze von Hawaï umschifft, um nach der Westküste zu gelangen, wo Freycinet einen bequemen und sicheren Ankerplatz zu finden hoffte. Die an diesem und dem folgenden Tage herrschende vollständige Windstille benutzte man, um sich mit den Einwohnern in Verbindung zu setzen, deren in großer Anzahl herbeigeströmte Frauen sofort das Schiff besteigen wollten, um ihren gewohnten Handel zu beginnen; der Commandant verbot ihnen aber, das Deck zu betreten.
Einer der »Arii« beeilte sich, dem Kapitän als Neuigkeit mitzutheilen, daß der König Kamehameha gestorben und dessen junger Sohn Riorio die Regierung angetreten habe.
Als sich wieder einiger Wind erhob, segelte die »Uranie« nach der Bai von Karakakua weiter, und Freycinet wollte eben einen Officier zur Sondirung des Ankerplatzes absenden, als eine Pirogue vom Ufer stieß, welche den Gouverneur der Insel an Bord brachte. Kouakini, mit dem Beinamen John Adams (so hieß derselbe), versicherte dem Kapitän, daß er Alles finden werde, um sein Schiff nach Bedarf zu verproviantiren.
Dieser junge Mann von etwa neunundzwanzig Jahren und von riesigem, aber proportionirtem Körperbau überraschte den Kapitän durch seine ausgebreiteten Kenntnisse. Als er gehört, daß die »Uranie« auf einer Entdeckungsreise begriffen sei, fragte er:
»Habt Ihr das Cap Horn umschifft oder seid Ihr um das Cap der Guten Hoffnung gekommen?«
Dann erkundigte er sich nach Napoleon und ob es wahr sei, daß die Insel St. Helena mit der ganzen Bevölkerung untergegangen sei. Es war das jedenfalls ein Scherz eines lustigen Walfischfahrers gewesen, den jener schon nur halb geglaubt hatte.
Kouakini theilte Freycinet ferner mit, daß, wenn nach Kamehameha's Tode auch der Friede nicht eigentlich gestört worden wäre, doch die Einheit der Monarchie durch einige Häuptlinge, welche nach Unabhängigkeit strebten, etwas bedroht gewesen sei. In den Regierungskreisen herrschte in Folge dessen noch eine gewisse Unsicherheit, doch hoffte man, dieselbe bald verschwinden zu sehen, vorzüglich wenn der Commandant sich herbeiließe, eine Freundschaftserklärung zu Gunsten des jungen Fürsten abzugeben.
Freycinet ging mit dem Prinzen an's Land, um ihm einen Besuch abzustatten, und kam in dessen Wohnung, wo seine Gattin, eine große, wohlbeleibte Frau, auf einem mit Matten bedeckten europäischen Bettgestell lag. Hierauf wollten Beide die Schwestern Kouakini's, Kamehameha's Witwen, aufsuchen, trafen diese aber nicht an und begaben sich nun nach den Werften und Werkstätten des verstorbenen Königs.
Hier waren vier Schuppen, bestimmt zum Bau von Kriegspiroguen; unter anderen standen europäische Boote; ferner lag daselbst Schiffsbauholz aufgespeichert neben Kupferzainen und einer Menge Netzen; außerdem fanden sich eine Schmiede-, eine Faßbinderwerkstätte, und in den, dem ersten Minister Kraïmoko gehörigen Räumen vielfache Instrumente, wie Compasse, Sextanten, Barometer, Uhren und sogar ein Seechronometer.
Man verwehrte den Fremden den Eintritt in zwei andere Magazine, in denen Pulver, Munition, starke Branntweine, Eisen und Stoffe verschiedener Art aufbewahrt wurden.
Uebrigens lagen diese Etablissements jetzt ziemlich öde, da der neue König seinen Sitz in der Bai von Koaïhaï aufgeschlagen hatte.
Freycinet segelte auf dessen Einladung dorthin und wurde von einem Lootsen geführt, der sich sehr aufmerksam erwies und den Eintritt von Witterungswechseln ziemlich sicher vorherzubestimmen wußte.
»Der Monarch, berichtet der Commandant, erwartete uns am Strande in der Parade-Uniform eines englischen Schiffskapitäns und umgeben von seinem ganzen Hofe. Trotz der entsetzlichen Dürre und Unfruchtbarkeit dieses Theiles der Insel bot die wunderliche Versammlung von Männern und Frauen ein wirklich großartiges und pittoreskes Bild. Der König stand vorn allein; seine ersten Officiere in einiger Entfernung hinter ihm; die Einen trugen prächtige Mäntel aus rothen und gelben Federn oder aus scharlachfarbenem Tuche, Andere einfache Kragen von denselben Stoffen, in denen zwischen den beiden, grell von einander abstechenden Farben schwarze Streifen sichtbar waren; Einige derselben trugen eine Art Helme.
»Eine ziemlich große Anzahl an verschiedenen Stellen aufmarschirter Soldaten verliehen dem Bilde durch ihr buntes, aber keineswegs gleichmäßiges Costüm große Abwechslung und einen eigenthümlichen Reiz.«
Es war derselbe Fürst, der später mit seiner jungen, hübschen Frau nach England kam, wo Beide starben, und von wo deren sterbliche Ueberreste vom Kapitän Byron auf der Fregatte »la Blonde« nach Hawaï übergeführt wurden.
Freycinet erneuerte sein Gesuch um Proviant, und der König versicherte ihm, daß nicht zwei Tage vergehen sollten, bis alle seine Wünsche erfüllt wären. Wenn an dem guten Willen des jungen Fürsten gewiß nicht zu zweifeln war, so mußte der Befehlshaber leider die Erfahrung machen, daß die obersten Beamten sich nicht im mindesten beeilten, ihm zu gehorchen.
Bald nachher statteten die Officiere den Witwen Kamehameha's einen Besuch ab. Quoy entwirft von dem ergötzlichen Empfange folgendes pikante Bild.
»Es war, sagt er, ein wirklich fremdartiges Schauspiel, in einem beschränkten Gemach acht oder zehn Massen halbnackten menschlichen Fleisches zu sehen, von denen die kleinste wenigstens dreihundert Pfund wog, und die auf dem Erdboden auf dem Bauche lagen. Nur mit Mühe fanden wir ein Plätzchen, wo wir uns in derselben Weise hinstreckten, um nicht gegen die übliche Sitte zu verstoßen. Mehrere Diener waren fortwährend beschäftigt, entweder mit einem Federwedel Kühlung zuzufächeln oder eine angezündete Pfeife umherzureichen, welche von Mund zu Mund ging und aus der Jeder einige Züge that; andere Diener massirten die Fürstinnen … Es ist leicht erklärlich, daß unsere Unterhaltung nicht eine gar zu lebhafte wurde, doch halfen uns wenigstens ausgezeichnete Wassermelonen, welche man Allen angeboten, die Langweile zu verheimlichen.«
Freycinet besuchte später auch den bekannten John Young, der so lange Zeit der treue Freund und weise Rathgeber des Königs Kamehameha gewesen war. Obwohl jetzt alt und kränklich, machte er Freycinet doch vielfache schätzenswerthe Mittheilungen über diesen Archipel, in dem er seit dreißig Jahren lebte und mit dessen Geschichte sein Name eng verknüpft war.
Der Minister Kraïmokou hatte bei einem Besuche der »Uranie« auch den Schiffsgeistlichen, Abbé de Quelen, gesehen, dessen Tracht ihm offenbar auffiel. Als er hörte, daß das ein Priester sei, äußerte er gegen den Commandanten den Wunsch, getauft zu werden. Seine Mutter, sagte er, habe noch auf dem Sterbebette das Sacrament empfangen und ihm das Versprechen abgenommen, sich, sobald er Gelegenheit fände, derselben Ceremonie zu unterwerfen.
Freycinet gab seine Zustimmung und traf Veranstaltung, dem Akte eine gewisse Feierlichkeit zu verleihen, vorzüglich weil Riorio demselben mit seinem ganzen Hofstaate beiwohnen wollte.
Während der Ceremonie beobachteten Alle wirklich eine ehrfurchtsvolle Haltung; gleich nach Beendigung derselben stürzte sich der ganze Hof aber auf den Imbiß, den der Commandant hatte auftischen lassen.
Es war wirklich erstaunlich, die Wein-, Rum- und Branntweinflaschen sich leeren und die Speisen aller Art, welche aufgetragen waren, verschwinden zu sehen. Zum Glück kam die Nacht bald heran, sonst hätten Riorio und die meisten seiner Höflinge und Officiere wohl kaum wieder an's Land geschafft werden können. Zuletzt mußte man ihm noch zwei Flaschen Branntwein mitgeben, um, sagte er, auf die Gesundheit des Commandanten und auf dessen glückliche Weiterreise zu trinken. Seine Begleiter hielten sich für verpflichtet, dasselbe Verlangen zu stellen.
»Es ist nicht zuviel gesagt, erzählt Freycinet, daß diese königliche Gesellschaft binnen zwei Stunden so viel trank, aufzehrte und mitnahm, als hingereicht hätte, zehn Personen drei Monate lang zu beköstigen.«
Zwischen dem Königspaare und dem Commandanten wurden verschiedene Geschenke gewechselt. Unter den von der jungen Königin dargebotenen Gaben befand sich auch ein Federmantel, ein auf den Sandwichs-Inseln damals schon recht seltenes Kleidungsstück.
Freycinet lichtete sofort die Anker, als er vernahm, daß bei der Insel Mowi ein Handelsschiff mit großen Vorräthen von Schiffszwieback und Reis liege, aus dem er seinen Bedarf leicht decken zu können hoffte. Er beschloß also, vor Raheina anzulegen, an welchem Orte Kraïmokou übrigens die zur Verproviantirung des Fahrzeuges erforderlichen Schweine abliefern sollte. Der Minister erwies sich bei diesem Geschäfte aber so wenig zuvorkommend, forderte so hohe Preise und lieferte so magere Schweine, daß man selbst zu Drohungen schreiten mußte, um ihn anderen Sinnes zu machen. Kraïmokou war hier offenbar durch einen Engländer, einen aus Port Jackson entwichenen Sträfling, beeinflußt; sich selbst überlassen, würde er gewiß anders gehandelt und sich gegen die Fremden mit gewohnter Freundlichkeit benommen haben.
An der Insel Waihou lag Freycinet bei Honolulu vor Anker. Den herzlichen Empfang, den er hier von Seiten einiger daselbst wohnenden Europäer fand, ließ ihn nur bedauern, daß er sich nicht gleich zuerst hierher gewandt hatte, wo er Alles fand und bequem erlangen konnte, während er auf den beiden anderen Inseln trotz guten Willens doch manchen Schwierigkeiten begegnete.
Der Gouverneur dieser Insel, Boki, ließ sich ebenfalls durch den Schiffsgeistlichen taufen, wozu ihn freilich nur der Umstand veranlaßte, daß sein Bruder dasselbe gethan hatte. An intelligentem Aussehen stand er den Sandwichern von den anderen Inseln bedeutend nach.
Einige Bemerkungen über die Eingebornen sind interessant genug, um hier auszugsweise wiedergegeben zu werden.
Alle Reisenden stimmen überein, daß die Fürsten und Häuptlinge eine den anderen Bewohnern an Körpergröße und Intelligenz überlegene Race bilden. Fettsucht findet man bei ihnen sehr häufig, vorzüglich aber bei den Frauen, welche sogar schon in sehr jungen Jahren oft einen wirklich monströsen Embonpoint zeigen.
Der allgemeine Typus ist nicht unangenehm und die Frauen sind manchmal wirklich hübsch zu nennen. Die Lebensdauer ist kurz, und nur selten sieht man einen Greis von siebenzig Jahren. Der schnelle Verfall der Körperkraft und das vorzeitige Ende dürften wohl der allgemein herrschenden Ausschweifung zuzuschreiben sein.
Nachdem er den Sandwichs-Archipel verlassen, studirte Freycinet in diesem Theile des Oceans die starken Abweichungen des magnetischen Aequators unter niedrigen Breiten. Er segelte dabei nach Osten zu weiter.
Am 7. October gelangte die »Uranie« auf die südliche Halbkugel und befand sich am 19. desselben Monats in Sicht der Gefährlichen Inseln. Oestlich vom Archipel der Schiffer-Inseln wurde ein, auf den Karten noch nicht verzeichnetes Eiland entdeckt, das nach dem Namen der Gattin Freycinet's Insel Rosa getauft wurde. Das blieb indeß die einzige neue Entdeckung während der Fahrt.
Die Lage der Inseln Pylstaart und Howe wurde berichtigt, und am 13. November endlich bekam man die Hafenlichter von Port Jackson oder Sidney zu Gesichte.
Freycinet erwartete wohl, die Stadt, welche er seit sechzehn Jahren nicht gesehen, gewachsen zu finden, erstaunte aber gewaltig über den Anblick einer völlig europäischen Großstadt, die hier in ihrer fast wilden Umgebung wunderbar gedieh.
Verschiedene Ausflüge in die Umgebungen belehrten die Franzosen über die schnellen Fortschritte der Kolonie. Schöne, sorgfältig unterhaltene Straßen, besetzt mit Eukalypten, welche Péron als die »Riesen der australischen Forste« bezeichnet, gut gebaute Brücken, Wegsteine, welche die Entfernung angaben, Alles wies auf eine gut organisirte Straßenpolizei hin. Hübsche Landhäuser, zahlreiche Büffelheerden, sehr gut bearbeitete Felder legten für den Fleiß und die Ausdauer der Ansiedler ein rühmliches Zeugniß ab.
Der Gouverneur Macquarie und die ersten Behörden des Landes wetteiferten in Zuvorkommenheit gegen die Officiere, welche manche Einladung ablehnen mußten, um ihre Arbeiten nicht zu sehr zu vernachlässigen. So brachte man sie in Begleitung von Militärmusik zur See nach Paramatta, dem Wohnsitze des Gouverneurs. Mehrere Officiere besuchten die in freundlicher Gegend am Ufer des George-Flusses gelegene kleine Stadt Liverpool, sowie die Flecken Windsor und Richmond, die sich in der Nähe des Hawkesbury-Flusses erhoben. Inzwischen wohnte ein Theil des Stabes einer Kängurujagd bei und gelangte unter Ueberschreitung der Blauen Berge bis nach der Niederlassung Bathurst.
Den freundlichen Beziehungen, welche sich bei seinem zweimaligen Aufenthalte entwickelt und befestigt hatten, verdankte Freycinet eine Menge interessanter Nachrichten über die australische Kolonie. Auch das Capitel, in dem er Neu-Süd-Galles bespricht und die wunderbaren und raschen Fortschritte der Kolonie schildert, erregte in Frankreich ein lebhaftes Interesse, da man hier die Entwicklung und den zunehmenden Wohlstand Australiens nur sehr unvollkommen kannte. Seinen Aufzeichnungen kommt jetzt ein desto höherer Werth zu, weil sie ein verläßliches Bild der Kolonie aus dem Jahre 1825 geben.
Die unter dem Namen: die australischen Alpen bekannte Gebirgskette, trennt Neu-Süd-Galles in einiger Entfernung von der Küste von dem Innern des australischen Festlandes. Fünfundzwanzig Jahre hindurch bildete dieselbe ein ernsthaftes Hinderniß des Verkehrs mit dem Binnenlande, das unter Maquarie's Verwaltung beseitigt wurde. Jetzt war eine, in vielfachen Windungen durch die Felsen verlaufende Straße angelegt, welche den Zugang zu ungeheueren, von mächtigen Wasserläufen durchzogenen Ebenen bildete.
Die höchsten, auch mitten im Sommer mit Schnee bedeckten Gipfel dieser Bergkette erreichen wohl dreitausend Meter Höhe.
Bei der Messung der bedeutendsten Pics, wie des Exmouth, Cunningham u. a., überzeugte man sich auch, daß Australien, das nur Einen großen Wasserlauf, den Schwanenfluß, haben sollte, deren weit mehr besaß; in erster Linie ist hier der aus der Vereinigung der Nepean und der Grose entstehende Hawkesbury-Fluß und der Brisbane zu nennen, da der Murray damals noch nicht bekannt war.
Zu jener Zeit hatte man schon mit der Ausbeutung vieler Kohlen- und Schieferlager, einiger Eisengruben, und mit dem Abbau von Kalk- und Sandstein, Porphyr und Jaspis begonnen; dagegen kannte noch Niemand den Reichthum des Bodens an Gold, der die Verhältnisse der jungen Kolonie später so schnell umgestalten sollte.
Der Erdboden erscheint an der Küste unfruchtbar und ernährt hier nur wenig magere Büsche. Beim weiteren Vordringen in das Innere findet man dagegen reiche Feldmarken, ungeheure Weideplätze oder Wälder mit gigantischen Bäumen, welche, durch ein Gewirr von Lianen verbunden, unwegsame Dickichte bilden.
Eine bemerkenswerthe Erscheinung ist auch die Gleichheit der Race auf diesem ausgedehnten Continent. Ob man Eingeborne aus der Bai der Seehunde, dem Endrachts-Lande, vom Schwanenflusse oder aus Port Jackson vor sich hat, stets ließen die Farbe der Haut, der Haare, die Gesichtszüge, kurz die ganze äußere Erscheinung keinen Zweifel über den gemeinschaftlichen Ursprung derselben aufkommen.
Fische und Muschelthiere bilden die Grundlage der Nahrung der Bevölkerung an den Küsten oder den Flußufern. Die Bewohner des Binnenlandes leben von den Ergebnissen der Jagd und essen Opossum- und Kängurufleisch, verzehren auch Eidechsen, Schlangen, Würmer und Ameisen, die sie mit Eiern und Farrenkrautwurzeln zu einem Teige verarbeiten.
Die Eingebornen gehen überall vollständig nackt, doch verschmähen sie es nicht, beliebige europäische Kleidungsstücke, deren sie habhaft werden können, anzulegen. Im Jahre 1820 sah man z. B. in Port Jackson eine alte Negerin, eingehüllt in die Ueberreste einer alten wollenen Decke, und mit einem kleinen grünseidenen Frauenhute auf dem Kopfe, eine unglaublich lächerliche Erscheinung, umherwandeln.
Manche Eingeborne fertigen sich jedoch Mäntel aus Opossum- und Känguru-Fellen, die sie mit Sehnen des Kasuars zusammennähen, doch ist diese Art Kleidung noch selten.
Die von Natur schlichten Haare werden stark eingefettet und zu Strähnen geflochten. Durch Anbringung eines Büschels Gras in deren Mitte thürmt man sie unmäßig in die Höhe und verziert diesen Wulst mit einigen Cacadufedern oder klebt mittels Harz wohl auch Menschenzähne, Holzstücke, Hundeschwänze oder Fischgräten daran.
Obwohl das Tättowiren in Neu-Holland nicht gerade gebräuchlich ist, so sieht man doch zuweilen Eingeborne, die sich in symmetrischen Linien mit grellen, stark von einander abstechenden Farben das Gesicht bemalt haben. Ebenso pflegt man manchmal den ganzen Körper mit rothen und weißen Strichen und eigenthümlichen Figuren zu bedecken, was der schwarzen Haut ein wirklich diabolisches Aussehen verleiht.
Diese Wilden hegten früher die Ueberzeugung, daß sie nach dem Tode in die Wolken oder auf die Gipfel der höchsten Bäume versetzt würden, wo sie in Gestalt kleiner Kinder im Ueberflusse schwelgten. Seit der Einwanderung der Europäer aber hat ihr Glaube sich geändert, und jetzt hoffen sie nach dem Tode weiß zu werden und in fernen Ländern zu wohnen. In ihrer Meinung sind die Weißen Vorfahren von ihnen, welche im Kampfe fielen und jene neue Gestalt erhielten.
Bei der Zählung von 1819, für jene Zeit die sorgsamste, die bisher angestellt wurde – ergab für die Kolonialbevölkerung, das Militär nicht eingerechnet, 25.425 Seelen. Die auffallende Minderzahl der Frauen gegenüber den Männern hatte zu mancherlei Ungelegenheiten geführt, denen man durch Absendung vieler jungen Mädchen abzuhelfen suchte, die sich hier schnell verheiratheten und Familien bildeten, wodurch sich auch die Moral der Sträflinge erfreulich hob.
In Freycinet's Berichte ist ein sehr langes Capitel allen Angelegenheiten gewidmet, welche zu der politischen Oekonomie in Beziehung stehen. Die verschiedenen Arten des Bodens und die für denselben passenden Sämereien, die Industrie, Thierzucht, der Landbau, die Fabriken, der Handel, die Verkehrsmittel, die Verwaltung – alle diese Fragen finden sich, auf Grund der damals neuesten Unterlagen sehr eingehend und mit einem Verständniß behandelt, das man von einem Manne, dem diese Fächer eigentlich ferne lagen, gewiß kaum erwartet hätte. Man findet hier auch eine Darstellung der Vorschriften, nach denen die Sträflinge der Kolonie sich vom ersten Tage ab zu richten hatten über die Strafen, welche sie bedrohten, wie über die Erleichterungen und Belohnungen, welche man ihnen gerne gewährte, wenn ihre Aufführung zu keinem Tadel Veranlassung gab. Gleichzeitig enthielt der Bericht sehr scharfsinnige, begründete Bemerkungen über die Zukunft der australischen Kolonie.
Nach langem und fruchtbringendem Aufenthalte setzte die »Uranie« am 25. December 1819 ihre Fahrt fort und steuerte einen südlichen Kurs, um unter Neu-Seeland und der Campbell-Insel hinweg, den Weg nach dem Cap Horn einzuschlagen. Einige Tage später entdeckte man an Bord ein Dutzend entflohener Sträflinge, war von Neu-Holland aber schon zu weit entfernt, um diese dahin zurückschaffen zu können.
Die Küste von Feuerland wurde erreicht, ohne daß ein bemerkenswerther Zwischenfall die von aushaltenden Westwinden begünstigte Fahrt unterbrochen hätte. Am 5. Februar kam das Cap Desolation in Sicht. Das Cap Horn wurde ohne Unfall umschifft, und die »Uranie« ging im Hafen des Guten Fortgangs vor Anker, dessen mit hochaufstrebenden Bäumen bedeckte und von vielen Wasserfällen benetzte Ufer jene trostlose Dürre nicht zeigten, welche sonst die Länder dieses Theiles von Südamerika kennzeichnet.
Der Aufenthalt hierselbst währte nur kurze Zeit, und die Korvette segelte auf der Weiterreise unter dichtem Nebel in die Lemaire-Straße ein. Hier war die See sehr unruhig, es herrschte ein heftiger Wind und so dicker Nebel, daß man Land, Meer und Himmel gar nicht mehr zu unterscheiden vermochte.
Der Regen und die vom Winde getriebenen Dunstmassen nöthigten die »Uranie«, wegen der einbrechenden Nacht nur das Schönfahrsegel und das eingereffte große Marssegel beizubehalten, wobei sie dem Seegang recht gut Widerstand leistete. Man hatte den Wind im Rücken und beglückwünschte sich schon, von demselben weit von der Küste weggeführt zu sein, als plötzlich der Ruf »Land vor dem Bug und ganz in der Nähe!« allgemeinen Schrecken verbreitete, da unter diesen Umständen ein Schiffbruch unvermeidlich schien.
Nur Freycinet gewann nach einem Augenblick des Zögerns seine Selbstbeherrschung wieder. Vor dem Schiffe konnte unmöglich Land sein; er ließ also mit geringer Abweichung nach Osten den nördlichen Kurs weiter einhalten, und es zeigte sich sehr bald, daß seine Annahme die richtige war.
Am zweitfolgenden Tage klärte sich das Wetter auf, das Besteck wurde gemacht, und da dasselbe zeigte, daß man sich nicht weit von der Bai des guten Fortgangs befand, blieb dem Commandanten die Wahl, die Küste Amerikas oder eine der Ma-louinen anzulaufen. Er entschied sich für das letztere.
Unter anhaltendem Nebel passirte man die Insel Conti, die Marville-Bai und das Cap Duras, während eine günstige Brise das Schiff nach der Bai der Franzosen trieb, wo demnächst angehalten werden sollte. Schon beglückwünschte man sich gegenseitig, so schweren Gefahren entronnen zu sein und eine so anstrengende Reise ohne ernsteren Unfall zurückgelegt zu haben. Für die Matrosen, wie Byron sagt:
The woorst was over, and the rest seemed sure. … war das Schlimmste gethan und das Uebrige schien gesichert.
Noch stand den Seefahrern aber eine harte Prüfung bevor.
Beim Einsegeln in die Bai der Franzosen waren alle Hände bereit zur Thätigkeit. Ueberall standen Wachen, und fortwährend sondirte man den Grund, als erst bei zwanzig, bald darauf bei achtzehn Faden Tiefe Felsen gefunden wurden. Das Schiff lag nur noch eine halbe Meile vom Lande.
Freycinet ließ aus Vorsicht um zwei Quart schwenken, doch eben diese Maßregel sollte verderblich werden. Die Korvette stieß plötzlich sehr heftig gegen einen Felsen unter Wasser, während die Sonde auf jeder Seite desselben zwölf bis fünfzehn Faden Tiefe anzeigte. Das Riff, auf welches das Fahrzeug lief, konnte also nicht breiter sein als die Korvette selbst. Wirklich erwies es sich später als die hervorspringende Spitze einer größeren Felsenmasse.
Zerbrochene Holzstücke, welche auf die Oberfläche des Wassers kamen, verriethen die Schwere der erlittenen Beschädigung. Alles eilte an die Pumpen, Freycinet befahl sofort, ein Stück Segelzeug unter dem Kiel wegzuziehen, das sich mit dem einströmenden Wasser dabei in das Leck eindrängt und dessen Oeffnung wenigstens verkleinert. Auch das genügte nicht. Obwohl alle Mann, Officiere und Matrosen an den Pumpen arbeiteten, erreichte man doch nichts Anderes, als daß man das Schiff an der Stelle hielt. Es blieb nun kein anderer Ausweg übrig, als dasselbe auf den Strand zu setzen.
Mit diesem Beschlusse war aber noch nichts geschehen, es galt auch, so schwierig es sein mochte, denselben auszuführen. Ueberall nämlich rahmten steile Felsenmassen das Ufer ein, und nur im Grunde der Bai entdeckte, man eine seichte Stelle, welche sich zum Stranden eignete. Der Wind war inzwischen umgesprungen, allmälich brach die Nacht herein und das Schiff stand schon halb voll Wasser.
Man kann sich wohl leicht vorstellen, welche Seelenangst der Commandant erleiden mochte. Zum Glücke gelang es jedoch, am Strande der Pinguin-Insel aufzulaufen.
»Jetzt hatte die Erschöpfung meiner Leute, sagt Freycinet, einen solchen Grad erreicht, daß an keinerlei Arbeit zu denken war und ich ihnen eine längere Ruhe bewilligen mußte, da unsere gegenwärtige Lage später gewiß noch manche Anstrengung nöthig machte. Ich selbst freilich konnte keine Ruhe finden. Von tausend quälenden Gedanken bestürmt, erschien mein ganzes Leben mir nur noch wie ein Traum. Dieser plötzliche Uebergang aus Verhältnissen, wo sich Alles zum Besten zu wenden schien, in die, in welchen ich mich augenblicklich befand, bedrückte mich wie ein lästiger Alp; es war mir wirr und wüst im Kopfe, und nur schwierig konnte ich die nöthige Sammlung gewinnen, welche die jetzige Lage vor allen Dingen erheischte. Meine Reisegefährten alle hatten bei dem Unglück, dem wir beinahe zum Opfer fielen, nach Kräften ihre Schuldigkeit gethan, und es ist mir ein Bedürfniß, ihnen öffentlich dieses Lob zu ertheilen.«
Als es wieder Tag wurde, bemächtigte sich der Schiffbrüchigen beim Anblicke der Umgebung eine düstere Traurigkeit.
Auf dem unfruchtbaren Strande grünte kein Baum, kein Hälmchen Gras. Rings herrschte das Schweigen der Einöde, ganz ähnlich wie in der Bai der Seehunde.
Jetzt war aber keine Zeit, den Kopf hängen zu lassen. Es galt, die Journale, das Beobachtungsmaterial, Alles, was unter so vielen Gefahren und Mühen gesammelt worden war, vor dem Untergange zu retten.
Wenn dies auch nach Wunsch gelang, so erlitt die Sammlung doch manchen Schaden. Einzelne Kästen mit reichlichem Inhalt, die im untersten Raume verstaut waren, gingen ganz verloren, andere wurden wenigstens durch Meerwasser arg beschädigt. Am meisten zu leiden hatten von diesem Unfall die naturgeschichtlichen Sammlungen und das große Herbarium, auf dessen Erwerbung Gaudichaud so unendliche Mühe verwendet hatte. Die Merinoschafe, welche man der Freigebigkeit des Herrn Mac Arthur in Sidney verdankte und deren Einführung in Frankreich versucht werden sollte, sowie die übrigen lebenden Thiere wurden an's Land geschafft.
Zunächst errichtete man nun Zelte, sowohl für die Kranken des Schiffes, als auch für die Officiere und Matrosen. Lebensmittel, Schießbedarf holte man aus dem Wrack und brachte sie geschützt vor der Unbill des Wetters unter. Die Branntweinvorräthe wurden bis zu der Zeit zurückgestellt, wo man von hier wieder abreisen würde, und es verdient rühmlich hervorgehoben zu werden, daß während des dreimonatlichen Aufenthaltes der Franzosen an diesem Platze nicht ein einziger Rum- oder Branntweindiebstahl vorkam, obwohl sich Alle nur mit Wasser begnügen mußten.
Ein Theil der Mannschaft bemühte sich nun nach Kräften, die größeren Beschädigungen der »Uranie« auszubessern, ein anderer Theil erhielt den Auftrag, durch Jagd und Fischfang den Unterhalt der Schiffbrüchigen zu sichern. Seelöwen, Möven, Enten, Sarcellen und Bekassinen gab es zwar in großer Menge; es hätte aber zu viel Pulver gekostet, von diesen Thieren so viel zu erlegen, als man täglich zur Nahrung brauchte. Zum Glück fand man da auch zahlreiche, sehr stumpfsinnige Plattfische, welche mit Stöcken erschlagen werden konnten, und diese in so überreicher Menge, daß sich fünfundzwanzig Mann vier bis fünf Monate bequem davon ernähren konnten. Endlich gelang es, einige Pferde zu tödten, die seit der Niederlassung der hier von Bougainville gegründeten Kolonie in Wildheit lebten.
Am 28. Februar kam man zu der Ueberzeugung, daß die geringen Hilfsmittel, über welche man gebot, unzureichend seien, die Havarien der Korvette auszubessern, zumal da die wiederholten Stöße des Schiffes auf den Grund jene eher noch verschlimmert hatten.
Was war da zu thun?
Sollte man warten, bis zufällig ein Schiff in die Bai der Franzosen einlief?
Das hieß, die Matrosen dem Müßiggang überlassen und der Unordnung Thür und Thor öffnen.
Erschien es nicht vortheilhafter, aus den Trümmern der »Uranie« ein kleineres Fahrzeug zu erbauen?
Man besaß auch noch eine große Schaluppe. Sollte diese, wenn sie höher gebaut und mit einem Deck versehen wurde, nicht Montevideo erreichen und von da ein Schiff holen zu können, um das Personal und das Material der Expedition fortzuschaffen?
Freycinet beschloß, diesen Weg einzuschlagen, und von diesem Augenblicke an wurde keine Minute verloren. Die Matrosen schienen Alle neues Leben und neue Kraft zu gewinnen, so daß die Arbeit rasch vorwärts ging. Jetzt wünschte der Commandant sich Glück dazu, seinerzeit in Toulon in den verschiedensten Gewerben erfahrene Seeleute angeworben zu haben. Schmiede, Segelmacher, Seiler, Zimmerer – Alle widmeten sich mit größtem Eifer der Aufgabe, die ihnen oblag.
Ueber die auszuführende Reise machte man sich keinerlei Gedanken. Nur dreihundertfünfzig Meilen trennten die Malouinen von Montevideo, und die zu dieser Jahreszeit vorherrschenden Winde mußten es der »Espérance« – so taufte man die verwandelte Schaluppe – ermöglichen, diese Strecke binnen wenigen Tagen zurückzulegen.
Immerhin mußte man darauf Rücksicht, nehmen, daß es dem gebrechlichen Fahrzeuge vielleicht nicht gelingen könne, den La Plata zu erreichen. Deshalb beschloß Freycinet, sogleich nach der Abfahrt desselben noch den Bau einer Goëlette von hundert Tonnen beginnen zu lassen.
Obwohl diese verschiedenartigen und vielfachen Arbeiten fast alle Kräfte in Anspruch nahmen, wurden doch auch die gewöhnlichen astronomischen, physikalischen, naturgeschichtlichen und hydrographischen Beobachtungen nicht vernachlässigt, als ob man hier nur ruhig vor Anker läge.
Endlich war das Schiffchen fertig und wurde vom Stapel gelassen. Die Instructionen für seinen Befehlshaber, Kapitän Duperrey, wurden aufgesetzt, die Leute zur Besatzung desselben ausgewählt, die Lebensmittel eingeschifft, und schon war die Abreise für den zweitfolgenden Tag, den 19. März 1820, festgesetzt, als der Ruf: »Ein Schiff! Ein Schiff in Sicht!« erscholl. Eine Slup unter vollen Segeln fuhr eben in die Bai ein.
Man feuerte mehrere Kanonenschüsse ab, um deren Aufmerksamkeit zu erregen, und der Führer derselben beeilte sich in Folge dessen, an's Land zu kommen.
Mit kurzen Worten theilte Freycinet jenem mit, auf welche Weise er mit seinen Leuten an diesen Strand verschlagen worden war.
Der Führer der Slup erklärte, daß er zu einem größeren amerikanischen Schiffe, der Brigg »General Knox«, gehöre, welche bei der Insel West, der westlichsten Spitze der Malouinen, mit dem Robbenfange beschäftigt sei.
Darauf hin wurde ein Officier beordert, sich mit dem Befehlshaber des genannten Schiffes ins Einvernehmen zu setzen, inwieweit jener im Stande sei, den Franzosen Hilfe zu leisten. Dieser verlangte aber nicht weniger als 135.750 Francs für die Ueberführung der Schiffbrüchigen nach Rio; das war denn doch eine etwas unverschämte Forderung. Der französische Officier wollte ohne Zustimmung seines Vorgesetzten keinen bindenden Vertrag eingehen und ersuchte deshalb den Amerikaner, sich nach der Bai der Franzosen zu begeben.
Während dieser Unterhandlungen erschien noch ein anderes Fahrzeug, die »Mercury«, Kapitän Galvin, in der Bai. Dasselbe hatte auf der Fahrt von Buenos-Ayres nach Valparaiso mit einer Ladung Kanonen, im Begriff, das Cap Horn zu doubliren, ein bedeutendes Leck bekommen und sich gezwungen gesehen, die Malouinen betreffs Ausbesserung desselben anzulaufen. Für die Franzosen war das ein glücklicher Zufall, da die Concurrenz der beiden Schiffe nur zu ihrem Vortheile dienen konnte.
Freycinet bot sofort dem Kapitän Galvin an, ihm zur Reparatur der Havarien seine Leute und Matrosen zur Verfügung zu stellen, mit dem Bemerken, daß, wenn seine Zimmerleute im Stande wären, den Schiffsrumpf wieder auszubessern, er jenen ersuche, ihn selbst und seine Leute nach Rio de Janeiro zu befördern.
Nach Verlauf von vierzehn Tagen waren die Reparaturen beendigt. Die Unterhandlungen mit »General Knox« zerschlugen sich wegen der ungeheueren Forderung des amerikanischen Kapitäns, welche Freycinet nicht bewilligen wollte. Auch mit Kapitän Galvin bedurfte es mehrerer Tage, um handelseinig zu werden, und diesen zu folgendem Vertrage zu bestimmen:
1. Der Kapitän Galvin übernimmt es, die Schiffbrüchigen, ihre Papiere, Sammlungen und Instrumente, ebenso wie Alles, was von Ueberresten der »Uranie« unterzubringen ist, nach Rio zu schaffen.
2. Die Schiffbrüchigen haben sich unterwegs vom eigenen Proviant zu verköstigen.
3. Am Bestimmungsorte angelangt, bezahlen die Franzosen binnen zehn Tagen die Summe von 97.740 Francs.
So endete die beschwerliche Verhandlung, wie man sieht, immer noch unter sehr drückenden Bedingungen.
Vor der Abfahrt von den Malouinen bereicherte der Naturforscher Gaudichaud das elende Land noch mit mehreren Pflanzenarten, die ihm für spätere, hier verweilende Seefahrer nützlich werden zu können schienen.
Einige Details über diesen Archipel dürften nicht ganz ohne Interesse sein. Aus einer großen Anzahl Eilande und zwei Hauptinseln, Conti und Mailand, bestehend, liegt diese Gruppe zwischen 50º 57' und 52º 45' südlicher Breite, 60º 4' und 63º 48' westlicher Länge von Paris verstreut. Die Bai der Franzosen am Ostende der Insel Conti bildet eine ausgedehnte, mehr tiefe als breite Bucht mit steilen felsigen Ufern.
Die Temperatur ist trotz der hohen, Breite der Inseln eine ziemlich milde. Schnee fällt nicht viel und bleibt auch auf den höchsten Bergspitzen nicht über zwei Monate lang liegen. Fließende Gewässer frieren niemals zu, und auch auf Seen und Sümpfen erlangt das Eis höchstens einmal einen Tag über genügende Festigkeit, um einen Menschen zu tragen. Nach den Beobachtungen Weddell's, der von 1822 bis 1824 dieselbe Gegend besuchte, sollte sich die Lufttemperatur seit vierzig Jahren merkbar gehoben haben, wofür er als Ursache die veränderte Richtung der großen Eisfelder angiebt, die jetzt mehr nach der Mitte des Atlantischen Oceans treiben und dort zum Schmelzen kommen.
Nach der Meinung des Naturforschers Quoy scheint es, daß die Malouinen, in Anbetracht der geringen Tiefe des Meeres, das sie von Amerika trennt, und der Uebereinstimmung der Grasebenen hier mit den Pampas bei Buenos-Ayres, ehemals einen Theil des Festlandes gebildet haben.
Diese Ebenen sind niedrig, sumpfig, mit hohem Grase bedeckt und stehen im Winter unter Wasser. Man findet hier ausgedehnte Lager von schwarzem Torf, der ein vortreffliches Brennmaterial abgiebt.
Diese eigenthümliche Natur des Erdbodens verhinderte das Gedeihen der Bäume, welche Bougainville hier acclimatisiren wollte und von denen zur Zeit des Aufenthaltes Freycinet's keine Spur mehr zu entdecken war. Die größte und hier am meisten vorkommende Pflanze ist eine Art Schwertlilie – ein ausgezeichnetes Viehfutter – unter der sich viele Seehunde und unzählige Plattfische aufzuhalten pflegen. Diese war es, welche die ersten Reisenden von der Ferne aus für großes Buschwerk angesehen hatten.
Sellerie, Küchenschelle, Kresse, Löwenzahn, Orseille und Pimpinelle sind die einzigen Nutzpflanzen, welche auf dem Archipel vorkommen.
Bezüglich der Thiere hatten sich die von den französischen und spanischen Kolonisten eingeführten Büffel, Schweine und Pferde auf der Insel Conti zwar stark vermehrt, ihre Zahl war aber, da die Walfischfänger denselben eifrig nachstellten, bald merklich herabgegangen.
Das einzige auf den Malouinen wirklich einheimische Thier ist der antarktische Hund, dessen Schnauze ganz und gar an die des Fuchses erinnert. Von den Walfischjägern wird er auch nicht anders als Fuchs- oder Wolfshund genannt. Früher sollen diese Thiere sehr bösartig gewesen sein; so erzählt man z. B., daß sie sogar in's Wasser gesprungen wären, um Byron's Leute anzufallen. Jetzt begnügen sie sich mit Kaninchen – die es hier in Menge giebt – wenn die Robben, auf welche sie gern Jagd machen, ihnen entschlüpfen.
Am 28. April 1820 ging die »Mercury« mit Freycinet und seinen Begleitern nach Rio de Janeiro in See. Kapitän Galvin aber hatte Eines vergessen, den Umstand nämlich, daß sein Schiff unter der Flagge von Buenos-Ayres, welches mit den Portugiesen im Kriege lag, in Rio mit Beschlag belegt und er nebst seinen Leuten als Gefangene behandelt würden. Er wünschte also den mit Freycinet eingegangenen Vertrag wieder zu lösen und bemühte sich, dessen Zustimmung zu einer Landung in Montevideo zu erhalten. Der französische Befehlshaber gab aber nicht nach, und so wurde an Stelle des ersteren ein anderer Contract aufgesetzt.
Durch denselben wurde Freycinet für Rechnung der französischen Marine Eigenthümer der »Mercury«, die er um die früher stipulirte Summe erwarb.
Am 8. Mai gelangte man nach Montevideo, wo Freycinet das Commando des Schiffes übernahm, dem er den Namen »Physicienne« beilegte. Der Aufenthalt hierselbst wurde zur besseren Ausrüstung, zur ordentlichen Verstauung der Fracht und zur Revision der Takelage benützt, während man gleichzeitig den nöthigen Wasser- und Mundvorrath für die Fahrt nach Rio einnahm, welches die »Physicienne« nicht ohne mannigfache Beschädigungen zu erleiden erreichte.
Das Fahrzeug hatte ein so wenig kriegerisches Aussehen, trotz des Kriegswimpels, der am Top des Großmastes flatterte, daß es die Zollbeamten hier wie jedes andere Handelsschiff untersuchen wollten.
Wegen unabweislicher und umfassender Reparaturen mußte Freycinet bis zum 18. September in Rio de Janeiro verweilen. Dann endlich schlug er den Weg nach Frankreich ein und ging am 13. November 1820 in Havre nach einer Reise von drei Jahren und zwei Monaten vor Anker, bei welcher er 18.862 Seemeilen, gleich 23.577 französischen Lieues, zurückgelegt hatte.
Wenige Tage später kam Freycinet, ziemlich schwer erkrankt, nach Paris und übergab dem Secretariat der Akademie der Wissenschaften die Tagebücher von der Reise, welche nicht weniger als einunddreißig Quartbände füllten. Gleichzeitig überreichten die Naturforscher der Expedition, Quoy, Gaimard und Gaudichaud, die von ihnen zusammengestellten Sammlungen. Darunter befanden sich vier neue Arten von Säugethieren, fünfundvierzig von Fischen, dreißig von Reptilien, Mollusken, Spinnen, Polypen u. s. w.
Freycinet wurde, gemäß der strengen Gesetze, vor ein Kriegsgericht gestellt, um sich wegen des Verlustes seines Schiffes zu verantworten. Dasselbe sprach ihn aber nicht allein vollständig frei, sondern er erntete noch für seine Energie, seine Geschicklichkeit und die zweckmäßigen Maßnahmen unter den geschilderten, traurigen Umständen die Lobsprüche aller Richter. Kurz darauf empfing ihn selbst Ludwig XVIII. persönlich, und als er ihn beim Verlassen des königlichen Cabinets begleitend sagte: »Sie sind als Fregattenkapitän hier eingetreten und gehen als Linienschiffskapitän wieder fort! Danken Sie mir nicht, sondern sagen Sie einfach, wie jener Jean Bart seinerzeit zu Ludwig XIV.: »Sir, daran haben Sie recht gethan!«
Seitdem widmete sich Freycinet mit allem Fleiße der Publication der Resultate seiner Expedition. Schon das Wenige, was wir von derselben mittheilten, läßt erkennen, wie groß diese waren. Der bis zum Exceß gewissenhafte Forscher wollte auch nichts erscheinen lassen, wogegen irgend ein Einwand erhoben werden könnte, und hielt darauf, daß seine Arbeiten nach allen Seiten auf der Höhe der Wissenschaft standen. Es ist leicht zu begreifen, wie viel Zeit er zum Ordnen des überreichlich mitgebrachten Materials verwenden mußte. Als ihn am 18. August 1842 der Tod ereilte, hatte er gerade an den merkwürdigsten und interessantesten Theil seiner Arbeit, der die Volkssprache in Oceanien und auf den Mariannen behandelt, noch nicht einmal die letzte Hand angelegt.
Gegen Ende des Jahres 1821 erhielt der Marineminister, Marquis de Clermont-Tonnere, von zwei jungen Officieren, Duperrey und Dumont d'Urville, den Plan zu einer neuen Reise vorgelegt. Der Erstgenannte war seit kaum einem Jahre nach Frankreich zurückgekehrt; als zweiter Officier Freycinet's auf der »Uranie« hatte er der Expedition durch seine allgemeinen wissenschaftlichen und hydrographischen Kenntnisse sehr wichtige Dienste geleistet. Der Zweite, ein Mitarbeiter des Kapitän Gauttier, zeichnete sich bei einer zu hydrographischen Zwecken unternommenen Fahrt im Mittelländischen und Schwarzen Meere rühmlichst aus. Er beschäftigte sich vorzüglich mit Botanik und alterthümlicher Kunst, und war der Erste, welcher auf den hohen künstlerischen Werth der eben aufgefundenen Venus von Milo aufmerksam machte.
Die jungen Gelehrten wollten die Naturgeschichte in ihrem ganzen Umfange, den Magnetismus, die Meteorologie und die Bestimmung der Erdgestalt zu Gegenständen ihrer Beobachtungen machen.
»Was die Geographie betrifft, sagt Duperrey, so beabsichtigten wir, theils durch directe Beobachtung, theils durch Zeitvergleichung, die Position einer großen Anzahl Punkte, vorzüglich in den dichtgesäeten Archipelen des Großen Oceans festzustellen, welche bisher zu so vielen Schiffbrüchen Veranlassung gaben und durch die Natur und Gestalt der niedrigen Inseln, Korallenbänke und Klippen so merkwürdig sind. Ferner wollten wir neue Fahrstraßen durch den Gefährlichen Archipel und die Gesellschaftsinseln neben den von Quiros, Wallis, Bougainville und Cook eingeschlagenen Wegen aufsuchen; unsere hydrographischen Aufnahmen womöglich mit den von den Fahrten d'Entrecasteaux' und Freycinet's nach Polynesien, Neu-Holland und den Molukken her bekannten verknüpfen; wir gedachten, eingehend die von Magellan entdeckten Carolinen zu untersuchen, über welche man, mit Ausnahme der neuerdings von Kotzebue erforschten östlichen Theile, nur sehr unbestimmte Kenntnisse besaß, welche meist von Missionären, nach den Erzählungen verschiedener, in ihren Piroguen verirrter und von Winden nach den Mariannen verschlagener Wilden herrührten. Ebenso sollten Sprache, Charakter, Sitten und die äußere Erscheinung der Inselbewohner zum Gegenstände genauer und voraussichtlich interessanter Beobachtungen gemacht werden.«
Die Marine-Aerzte Garnot und Lesson wurden mit den naturgeschichtlichen Arbeiten betraut, während man zum Stabe des Schiffes die unterrichtetsten Officiere heranzog. Zu den letzteren gehörten unter Anderen Lesage, Jacquinot, Bérard, Lottin, de Blois und de Blosseville.
Hocherfreut über das von den Veranstaltern dieser Reise vorgeschlagene Programm, übermittelte die Akademie der Wissenschaften diesen eingehende Instructionen, in welchen die Desiderata der Wissenschaft niedergelegt waren. Gleichzeitig stellte man den Reisenden die besten Instrumente aller Art zur Verfügung.
Das für die Fahrt bestimmte Schiff war ein kleiner Dreimaster von nur zwölf bis dreizehn Fuß Tiefgang, die »Coquille«, ein Reserveschiff aus dem Hafen von Toulon.
Die zur Instandsetzung, Befrachtung und Ausrüstung nothwendigen Arbeiten verzögerten die Abfahrt der Expedition bis zum 11. August 1822. Sie kam am 28. desselben Monats in Teneriffa an, wo die Officiere und Gelehrten nach den reichen Ernten, welche ihre Vorgänger hier eingeheimst, doch noch auf eine nicht ganz fruchtlose Nachlese hofften; da dem Sanitätsrathe der Insel aber Nachrichten über den Ausbruch des gelben Fiebers auf Mittelmeerschiffen zugegangen waren, wurde die »Coquille« einer vierzehntägigen Quarantäne unterworfen.
Zu jener Zeit waren gerade die politischen Anschauungen so erregte und herrschte auf Teneriffa eine solche Gährung, daß die Einwohner Tag für Tag nahe daran waren, von Worten zu Thätlichkeiten überzugehen. Unter diesen Verhältnissen bedauerten die Franzosen die Vereitelung ihrer Absichten natürlich weniger, als es sonst der Fall gewesen wäre. Die acht Tage, welche sie an diesem Platze zubrachten, wurden denn auch nur zur Verproviantirung der Corvette und zu astronomischen und magnetischen Beobachtungen verwendet.
Am 1. September lichtete man die Anker und unternahm am 6. October eine Untersuchung der Inseln Martin Vaz und Trinidad. Die ersteren bestehen aus hohen Felsen von wirklich abschreckender Kahlheit; Trinidad ist ein hohes felsiges Land und fast ebenso unfruchtbar, doch krönen wenigstens einige Bäume den südlichen Theil der Insel. Diese ist übrigens keine andere als die oft erwähnte Insel Ascension, welche drei Jahrhunderte das Ziel so vieler Forscher war.
Der berühmte Halley hatte im Jahre 1700 von dem Eilande für seine Regierung Besitz genommen, die es den Portugiesen abtrat, als diese eine Niederlassung an der Stelle gegründet, wo sie La Pérouse noch 1785 antraf. Die nutzlose und kostspielige Kolonie wurde später wieder aufgelassen und jetzt hat die Insel keine anderen ständigen Bewohner als Hunde, Schweine und Ziegen, die Nachkömmlinge der früher eingeführten Thiere.
Von Trinidad aus hatte Duperrey die Absicht, sich direct nach den Malouinen zu begeben; er erlitt aber auf dem Wege sehr bald verschiedene Unfälle, die ihn an der Insel Katharina anzulegen zwangen. Nur an diesem Platze konnte er hoffen, das zum Ersatz des verloren gegangenen Takelwerks nothwendige Holz und auch Lebensmittel zu finden, die bei dem hier herrschenden Ueberflusse leicht zu beschaffen sein mußten.
Wenn man sich der genannten Insel nähert, fühlt man sich von dem großartigen und pittoresken Anblick ihrer dichten Wälder angenehm überrascht, in denen Sassafras- und Lorbeerbäume, Cedern, Orangen und verschiedene Wurzelträger sich mit Bananen und Palmen mischen, die ihre zierlichen Wipfel bei der sanften Brise wiegen.
Als die Korvette Anker warf, waren nur vier Tage verflossen, seitdem Brasilien das Joch der Hauptstadt (Lissabon) abgeschüttelt, seine Unabhängigkeit erklärt und den Prinzen Dom Pedro d'Alcantara zum Kaiser ausgerufen hatte. Der Commandant sendete in Folge dessen, um verläßliche Nachrichten über diese politische Wandlung zu erhalten und um zu erfahren, wie sich die neuen Machthaber seiner Expedition gegenüber verhalten würden, eine aus den Herren d'Urville, de Blosseville, Gabert und Garnot bestehende Mission nach Nossa Senhora del Desterro, der Hauptstadt der Insel, ab.
Die Verwaltung der Provinz lag in den Händen einer Junta, welche die Franzosen sofort ermächtigte, sich ihren Holzbedarf fällen zu lassen, und den Befehlshaber des Forts von Santa Cruz anwies, deren wissenschaftliche Arbeiten mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu unterstützen.
Lebensmittel waren freilich nur mit Mühe zu erhalten, da die Händler, aus Furcht vor unerwarteten Ereignissen, ihre Vorräthe nach Rio geschafft hatten. Hierdurch erklären sich die Schwierigkeiten, denen der Commandant der »Coquille« in einem Hafen begegnete, der von den Kapitänen Krusenstern und Kotzebue so warm empfohlen worden war.
»Die Einwohner, heißt es in dem Berichte, lebten in der Ueberzeugung, daß bald feindliche Truppen landen würden, um sie wieder zu unterwerfen, das hieß ihrer Anschauung nach, sie wieder zu Sklaven zu machen. Das am 1. August 1822 erlassene Decret, welches alle Brasilianer zur Vertheidigung der Küsten zu den Waffen rief und ihnen befahl, auf jeden Fall bei einer Ueberrumplung Widerstand zu leisten, hatte diese Befürchtungen erweckt. Die eben so wohlwollenden als energischen Anschauungen, welche Prinz Dom Pedro entwickelte, hatten eine hohe Vorstellung von dessen Charakter und Emancipations-Projecten erweckt. Voller Vertrauen zu seinen Plänen, entzündete sich bei den zahlreichen Parteigängern für die Sache der Unabhängigkeit ein Enthusiasmus, der um so geräuschvoller zum Durchbruch kam, als die Geister so lange Zeit unter knechtischem Drucke gehalten worden waren. In ihrer ausgelassenen Freude hatten sie die Städte Nossa Senhora del Desterro, Laguna und San Francisco auf's reichste illuminirt und zogen, Lobgesänge zu Ehren Dom Pedro's anstimmend, durch die Straßen.«
Dieser Enthusiasmus, der in allen Städten aufloderte, wurde dagegen von den friedliebenden, allen politischen Umwälzungen abholden Landbewohnern keineswegs getheilt; und wenn Portugal in der Lage gewesen wäre, seine Einsprüche mit der Absendung eines Geschwaders zu unterstützen, unterliegt es keinem Zweifel, daß diese Provinz bald wieder zur Botmäßigkeit gebracht worden wäre.
Am 30. October ging die »Coquille« wieder unter Segel. Oestlich vom Rio de la Plata von einem plötzlichen Sturme, den man dort »Pampero« nennt, überfallen, entging sie diesem jedoch ohne Beschädigung.
Duperrey machte hier recht interessante Beobachtungen über die Strömung des la Plata. Schon Freycinet hatte gefunden, daß das Wasser dieses Flusses noch hundert Meilen östlich von Montevideo eine Stromgeschwindigkeit von zwei und einhalb Meile in der Stunde besaß. Der Befehlshaber der »Coquille« überzeugte sich aber, daß die Strömung selbst in noch weit größerer Entfernung nachweisbar ist; er wies auch nach, daß das durch den Ocean zurückgestaute Wasser sich in zwei Arme theilte, welche längs der Küsten auf beiden Seiten seiner Mündung hinflossen: endlich leitete er von den erdigen Bestandtheilen, die der la Plata, wo er schnell fließt, mit sich führt, die sich aber, wenn die Stromgeschwindigkeit nachläßt, jahraus jahrein an der Küste Amerikas niederschlagen, die geringe Tiefe des Meeres zwischen diesen Gegenden und den Magellan-Ländern her.
Vor der Einfahrt in die Bai der Franzosen segelte die von günstigem Winde getriebene »Coquille« quer durch ungeheuere Schaaren von Walfischen und Delphinen, Plattfischen und schwärmenden Phaëtons, die sich gewöhnlich in dieser, oft von Stürmen heimgesuchten Gegend aufhalten.
Duperrey und einige seiner Begleiter kehrten nicht ohne ein gewisses Gefühl von Genugthuung jetzt nach den Malouinen zurück, dem Lande, das ihnen nach dem Scheitern der »Uranie« drei Monate lang als Zufluchtsort gedient hatte. Sie besichtigten das Gestade, wo ihr Lagerplatz gewesen war; die Reste der Korvette bedeckte schon der Sand, und was man davon wahrnahm, zeigte überall die Spuren der Plünderung durch habgierige Walfänger, welche von Zeit zu Zeit hierher kommen. Im Ganzen fand sich nichts als Trümmer aller Art, zerbrochene Caronaden (kurze Schiffskanonen), Fragmente von der Takelage, Fetzen von Kleidungsstücken, Reste von Segeln und andere kaum noch erkennbare Gegenstände, vermischt mit Knochen von den Thieren, welche einst den Schiffbrüchigen als Nahrung dienten.
»Dieser Schauplatz eines noch verhältnißmäßig neuen Unfalls, so lautet der Bericht, machte einen trostlosen Eindruck, den in unseren Augen die Dürre und Unfruchtbarkeit des Bodens und der Zustand des Himmels, welcher zur Zeit unseres Besuches bedeckt und regnerisch war, nur noch verschlimmern konnten. Immerhin übte er auf uns eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus und hinterließ in unserer Seele eine unbestimmte melancholische Stimmung, die auch lange nach der Abreise von den Malouinen nicht weichen wollte.«
Duperrey's Aufenthalt auf den Malouinen verlängerte sich bis zum 17. December. Man hatte sich inmitten der Ruinen der von Bougainville gegründeten Niederlassung so gut als möglich eingerichtet, um die verschiedenen Reparaturen vorzunehmen, welche der Zustand der Korvette erheischte. Jagd und Fischfang deckten reichlich die Bedürfnisse der Mannschaft; außer Früchten und Gemüsen fand sich Alles in großer Menge, und so bereiteten sich die Leute im Schoße des Ueberflusses vor, den Gefahren der Meere um das Cap Horn zu trotzen.
Anfangs hatte man gegen heftige Nordwestwinde und starke Strömungen anzukämpfen; dann folgten sich stürmische Böen und dichte Nebel, bis die Seefahrer am 19. Januar 1823 endlich die Insel Mocha erreichten, welche wir schon kurz zu erwähnen Gelegenheit hatten.
Duperrey verlegt sie unter 38º 20' 30'' südlicher Breite und 76º 21' 55'' westlicher Länge und schätzt ihren Umfang auf vierundzwanzig Meilen. Die Insel, welche eine Kette mittelhoher Berge bildet, die bis zum Meere hin abfallen, hat oft zum Stelldichein der ersten Erforscher des Pacifischen Oceans gedient. Hier fanden Freibeuter und Kauffahrer wilde Pferde und Schweine, deren Fleisch einen sprichwörtlich gewordenen Leckerbissen lieferte. Man traf hier auch frisches klares Wasser, ebenso wie europäische Früchte, Aepfel, Pfirsiche und Kirschen von Bäumen, welche die Eroberer angepflanzt hatten. Im Jahre 1823 freilich war davon fast Alles verschwunden oder von kurzsichtigen Walfängern zerstört.
Etwas weiter hin kamen die beiden »Mamelles«, welche die Mündung des Biobio bezeichnen, das Eiland Quebra-Ollas und die Insel Quiriquina in Sicht, dann öffnete sich vor den Blicken der Reisenden die Bai Conception, wo nur ein einziger englischer Walfänger vor Anker lag, der sich zur Rückreise um das Cap Horn anschickte, und dem man Briefe und einen vorläufigen Bericht über die erzielten Resultate übergab.
Am Tage nach der Ankunft, als die Sonne die Bai beleuchtete, erschien das Bild von Traurigkeit und Oede, das die Seefahrer schon Tags zuvor erschreckt hatte, noch auffallender. Die Häuser in Trümmern, die Straßen der Stadt ohne Leben, am Strande ein paar erbärmliche halbversenkte Piroguen, neben denen wenige Fischer in schmutziger Kleidung umherirrten, Hütten ohne Thüren und Läden, vor denen einige zerlumpte Frauen saßen und sich gegenseitig kämmten, das war das beklagenswerthe Bild, welches der Flecken Talcahuana bot.
Um den Contrast mit dem Elend der Einwohner noch greller erscheinen zu lassen, hatte die Natur Hügel und Wälder, Gärten und Weinberge mit ihrem reichsten Schmucke bekleidet; überall leuchteten prächtige Blumen und lockten saftige Früchte, deren satte Farbe ihre Reife verrieth. Eine unausstehliche Sonnengluth, ein Himmel ohne jedes Wölkchen machten das ganze Bild noch ergreifender.
Diese Trümmer, diese Zerstörung, dieses Elend waren die unzweifelhaften Folgen der Revolutionen, welche hier eine auf die andere folgten.
In St. Katharina waren die Franzosen Zeugen der Unabhängigkeitserklärung Brasiliens gewesen; hier wohnten sie nun dem Sturze des Präsidenten O Higgins bei. Dadurch, daß dieser die Einberufung des Congresses umging, die Pflanzer den Kaufleuten durch Erhöhung der directen Steuern und Herabsetzung der Zölle opferte, hatte O Higgins, den man daneben noch der Unterschlagung öffentlicher Gelder beschuldigte, den größten Theil der Bevölkerung gegen sich eingenommen.
An der Spitze der Bewegung, die sich gegen ihn vorbereitete, stand der General Don Ramon Freire y Serrano, der den Seefahrern ausdrücklich zusicherte, daß die kommenden Ereignisse der Verproviantirung der »Coquille« in keiner Weise hinderlich sein sollten.
Am 26. Januar trafen zwei Korvetten bei Conception ein; sie hatten einen Franzosen, Oberst Beauchef, an Bord, der zu dem General Freire mit einem von ihm organisirten Regiment stieß, das durch Haltung, Disciplin und Ausbildung entschieden das vorzüglichste in der chilenischen Armee bildete.
Am 2. Februar statteten die Officiere der »Coquille« dem General Freire in Conception einen Besuch ab. Je mehr man sich der Stadt näherte, desto zahlreicher wurden die verwüsteten Felder, die niedergebrannten Häuser, desto seltener die nur noch mit Lumpen bedeckten Einwohner. Am Eingang von Conception war auf einem Mast der Kopf eines berüchtigten Räubers aufgesteckt, eines wahrhaften wilden Thieres, Benavidez mit Namen, der alle nur erdenkbaren Verbrechen begangen hatte und den man in Chile noch lange Zeit nach seinem Tode verwünschte.
Der Anblick der Stadt selbst war womöglich noch trauriger. Conception, das von den siegreichen Parteien abwechselnd eingeäschert wurde, bestand nur noch aus Schutthaufen, zwischen denen da und dort halbnackte Einwohner umherirrten, die Reste einer früheren reichen Bevölkerung. In den Straßen wuchs jetzt Gras, der Palast des Bischofs und die Kathedrale, fast die einzigen noch aufrechtstehenden Gebäude, waren doch der Unbill jeder Witterung preisgegeben und, wenn nicht bald eine Aenderung eintrat, ebenfalls vom Untergange bedroht.
General Freire hatte, bevor er offen gegen O Higgins auftrat, Frieden geschlossen mit den Araucaniern, kraftvollen Wilden, welche ihre Unabhängigkeit zu bewahren gewußt haben und immer bereit waren, in das spanische Gebiet selbst einzufallen. Einzelne Abtheilungen derselben wurden sogar unter die chilenischen Truppen eingereiht. Duperrey, der sie selbst sah und von dem General Freire oder dem Oberst Beauchef weitere verläßliche Auskunft über dieselben erhielt, entwirft von ihnen ein nicht besonders schmeichelhaftes Bild.
Im Besitz schneller Pferde, tragen die Araucanier eine lange Lanze, ein mächtiges, fast säbelartiges Jagdmesser, das bei ihnen »Machete« heißt, und den Lasso, den sie sehr geschickt zu handhaben verstehen.
Von nicht außergewöhnlicher Gestalt und kupferfarbenem Teint, geben ihnen die kleinen, schwarzen, lebhaften Augen, die abgeplattete Nase und die dicken Lippen einen thierischen Ausdruck. Sie zerfallen in verschiedene Einzelstämme, sind sehr raublustig und liegen in Folge dessen fast stets untereinander im Kriege.
»Wenn man sie in ihren »Taldos« zuweilen Besiegte aufnehmen und diese selbst vertheidigen gesehen haben will, heißt es in dem Berichte, so treibt sie zu solchen scheinbar edelmüthigen Handlungen doch nur der Geist der Rache. So z. B. wenn sich unter den Feinden ein Stamm befand, den sie auszurotten wünschten. Bei ihnen beherrscht der Haß alle anderen Leidenschaften, und dieser allein bietet eine gewisse Garantie für ihre Treue. Sie sind Alle von erprobter Tapferkeit, heftig, ja ungestüm und erbarmungslos gegen ihre Feinde, die sie mit entsetzlichem Gleichmuthe niedermetzeln. Bei ihrer Herrschsucht und Rachbegierde mißtrauen sie stets jedem Unbekannten, sind aber gastfreundlich und freigebig gegen Die, welche sie als Freunde betrachten. Heftig in allen Leidenschaften, bewachen sie ihre Freiheit mit glühender Eifersucht und sind jeden Augenblick entschlossen, ihre Rechte mit den Waffen in der Hand zu vertheidigen. Auch die geringste Beleidigung vergessen sie niemals, das Wort Verzeihung kennen sie nicht und es erfüllt sie ein unersättlicher Durst nach dem Blute ihrer Feinde.«
Das ist das Bild, welches Duperrey unter Garantie der Aehnlichkeit von diesen wilden Kindern der Anden entwirft, die wenigstens das Lob verdienen, seit dem 16. Jahrhundert schon allen Anstrengungen fremder Eroberer getrotzt und ihre Unabhängigkeit voll und ganz bewahrt zu haben.
Nach dem Abmarsch des General Freire mit seinen Truppen machte sich Duperrey die günstigeren Umstände zunutze, sein Schiff, so gut es anging, zu verproviantiren. Wasser und Schiffszwieback waren bald an Bord geschafft; dagegen forderte die Zuführung von Steinkohle einige Zeit, obwohl man diese, welche in einem Tagebau einfach gesammelt wurde, fast kostenlos erhielt, da nur die Mauleseltreiber und der Transport derselben bis zum Meere bezahlt werden mußten.
Gestalteten sich die Verhältnisse während des Aufenthaltes der »Coquille« in Conception auch keineswegs günstig, so vermochte der allgemeine Jammer doch nicht, die traditionellen Lustbarkeiten des Carnevals ganz zu unterdrücken. Diners, Gesellschaften und Bälle kamen wieder auf die Tagesordnung und man bemerkte den Abmarsch der Truppen eigentlich nur daran, daß es etwas an Herren fehlte. Die französischen Officiere veranstalteten aus Dankbarkeit für den ihnen zu theil gewordenen ausgezeichneten Empfang in Talcahuano zwei Bälle, und mehrere Familien aus Conception scheuten selbst die Reise dahin nicht, um denselben beizuwohnen.
Leider schließt der Bericht Duperrey's mit dem Zeitpunkte, wo er Chili verließ, und wir besitzen kein officielles Document, um die Einzelheiten dieser interessanten und erfolgreichen Fahrt zu schildern. Außer Stande, dem Originale Schritt für Schritt folgen zu können, wie das bezüglich der anderen Reisenden der Fall war, sind wir gezwungen, uns mit einem Auszuge aus den uns zugänglichen Auszügen zu begnügen, eine undankbare, für den Leser ebenso unangenehme, wie für den Schriftsteller schwierige Aufgabe, der sich nur an dürre Thatsachen halten kann und seine Arbeit nicht mit persönlichen Beobachtungen und mancherlei fesselnden Anekdoten der Reisenden zu würzen vermag.
Zum Glück sind einige Briefe des Seefahrers an den Marineminister veröffentlicht worden, und wir entnehmen diesen die hier folgenden Details.
Am 15. Februar 1823 segelte die »Coquille« von Conception nach Payta ab, von wo aus sich im Jahre 1595 Alvarez de Mendana und Fernandez de Quiros zu der Entdeckungsreise eingeschifft hatten, die ihre Namen so berühmt machen sollte; vierzehn Tage später überfiel die Korvette aber in der Nähe der Insel Laurenzo eine Windstille, welche Duperrey veranlaßte, in Callao zur Einnahme frischer Nahrungsmittel Halt zu machen.
Bekanntlich bildet Callao den Hafen von Lima. Die Officiere benutzten also die Gelegenheit, auch der Hauptstadt von Peru einen Besuch abzustatten. Sie trafen es hiermit nicht gerade glücklich. Die Damen der besseren Gesellschaft befanden sich in den Seebädern von Miraflores und die hervorragendsten Männer waren ihnen dahin gefolgt. Jene mußten sich also darauf beschränken, die Wohnstätten und bedeutendsten öffentlichen Bauwerke der Stadt in Augenschein zu nehmen, worauf sie am 4. März nach Callao zurückkehrten. Am 9. desselben Monats warf die Korvette schon in Payta Anker.
Die Lage dieses Ortes zwischen dem terrestrischen und dem magnetischen Aequator machte diesen vorzüglich geeignet zur Beobachtung der täglichen Schwankungen der Magnetnadel. Die Naturforscher unternahmen gleichzeitig wiederholte Ausflüge nach der Wüste von Piura; sie sammelten daselbst interessante Muschelpetrefacte in tertiärem Boden, der mit den Erdschichten in der Nähe von Paris vollkommen übereinstimmte.
Nach Sammlung alles Dessen, was irgend ein wissenschaftliches Interesse bieten konnte, nahm die »Coquille« ihren Weg wieder auf und segelte auf Tahiti zu.
Bei dieser Fahrt ereignete sich ein Zwischenfall, der vielleicht den Untergang der Expedition herbeiführen, jedenfalls aber schwere Hindernisse für die Fortsetzung derselben mit sich bringen konnte. In der Nacht zum 22. April befand sich die »Coquille« in der Nähe des Gefährlichen Archipels, als der wachthabende Officier plötzlich das Geräusch von an Riffen sich brechenden Wellen vernahm. Er ließ sofort beilegen, und am Tage darauf überzeugte man sich, daß das Schiff damit einer großen Gefahr entgangen war.
Kaum anderthalb Meilen trennte die Korvette von einer niedrigen, dichtbewaldeten und rings mit Felsen umgebenen Insel. Diese ernährte einige Bewohner und es kam auch eine Pirogue in die Nähe des Fahrzeugs; die Besatzung derselben weigerte sich aber, an Bord zu kommen; Duperrey mußte davon absehen, dieses Land zu besuchen, das den Namen Clermont Tonnere erhielt; überall donnerte die Brandung heftig an den Felsenriffen und er vermochte nur, der Küste vorsichtig in kurzer Entfernung zu folgen.
Am nächsten Tage und an den darauffolgenden wurden einige unwichtige Eilande entdeckt, denen man die Namen Augier's, Freycinet's und Lostanges' beilegte.
Am 3. Mai mit Sonnenaufgang bekam man endlich den grünen Strand und die bewaldeten Höhen von Tahiti in Sicht. Wie seine Vorgänger, fand auch Duperrey die totale Umänderung der Sitten und Gebräuche der Einzelnen bestätigt.
Keine Pirogue ruderte der »Coquille« entgegen. Es war gerade die Stunde des Gebets, als sie in die Bai von Matavaï einfuhr, und die Missionäre hatten die gesammte Bevölkerung der Insel, gegen siebentausend Individuen, nach der Hauptkirche von Papahoa zusammengerufen, um über ein neues Gesetzbuch zu verhandeln. Die tahitischen Redner gaben, wie es scheint, den unsrigen nichts nach. Eine große Anzahl derselben besaß ein ausgesprochenes Talent, mehrere Stunden zu predigen, um nichts zu sagen und die schönsten Projecte unter den Blumen ihrer Beredsamkeit zu begraben.
D'Urville berichtet über eine dieser Sitzungen wie folgt:
»Der Maler der Expedition, Lejeune, wohnte allein der Sitzung des nächsten Tages bei, wo der Volksversammlung verschiedene politische Fragen unterbreitet wurden. Diese währte mehrere Stunden, während der viele angesehene Männer nach der Reihe das Wort ergriffen. Der glänzendste Redner der Versammlung war der Häuptling Tati. Die Hauptfrage, welche zur Verhandlung kam, betraf eine jährliche Steuer, welche jeder Mann mit fünf Bambus Ein gebräuchliches Maß auf Tahiti. Oel erlegen sollte. Weiter debattirte man über gewisse Zölle, welche theils für Rechnung des Königs, theils für die Missionäre erhoben werden sollten.
Wir erfuhren später, daß der erste Theil dieser Vorlage angenommen worden war, während der zweite, die Missionäre betreffend, von diesen selbst, in Erwartung eines Mißerfolges, zurückgezogen wurde. Etwa viertausend Personen nahmen an dieser Art Nationalversammlung theil.«
Seit etwa zwei Monaten hatte Tahiti die früher geführte englische Flagge abgeschafft und eine eigene angenommen, doch beeinträchtigte diese friedliche Revolution in keiner Weise das Vertrauen zu den Missionären. Letztere nahmen die Franzosen sehr zuvorkommend auf und lieferten ihnen zu den gewöhnlichen Preisen Alles, was sie bedurften.
Die auffallendste und eigenthümlichste Umwandlung bei diesen Leuten zeigte sich in dem Auftreten der Frauen. Früher von unerhörter Leichtfertigkeit, wie Cook, Bougainville und andere Forscher jener Zeit bezeugen, trugen sie jetzt die größte Bescheidenheit, Zurückhaltung und Decenz zur Schau, so daß die Insel wirklich den ergötzlichen und doch offenbar unwahren Anblick eines einzigen großen Klosters darbot.
Von Tahiti aus lief die »Coquille« die Nachbarinsel Borabora an, die zu derselben Gruppe gehört und gleichfalls europäische Gewohnheiten adoptirt hatte.
Vom 9. Juni ab steuerte die Korvette nach Westen, kam nach und nach an den Inseln Salvage, Eoa, Santa Cruz, Bougainville und Bouka vorbei und ging endlich in dem, durch seinen prächtigen Wasserfall an der Küste Neu-Irlands bekannten Hafen Praslin vor Anker.
»Die freundschaftlichen Beziehungen, welche sich hier zu den Eingeborenen entwickelten, lieferten uns verschiedene Aufschlüsse über die Geschichte der Ureinwohner, welche frühere Reisende offenbar nicht zu erlangen im Stande gewesen waren.«
Wir beklagen umsomehr die Nichtveröffentlichung des ganzen Berichtes dieser Reise, als der vorstehende Satz, der sich in einer kurzen Notiz in den »Annalen der Reisenden« findet, nur die Neugierde reizt, ohne sie zu befriedigen.
Der Fähnrich Poret de Blosseville – derselbe, der später mit der »Lilloise« im Eise des Pols verschollen ist – begab sich trotz aller Einreden der Wilden einmal nach einem nahen Dorfe. Hier zeigten ihm diese eine Art Tempel, wo sich auf einer mit Mauern umschlossenen Plattform mehrere ungestaltete und merkwürdige Götzenbilder erhoben.
Von dem Kanal St. Georges wurde eine genaue Karte aufgenommen; dann besuchte Duperrey die früher von Schouten im Nordosten von Neu-Guinea entdeckten Inseln, zu deren Erforschung er die drei Tage vom 26. bis 28. August verwendete. Vergeblich bemühte sich der Forscher dann, die Inseln Stephens und Carteret aufzufinden, und kam bei Vergleichung seines Kurses mit dem d'Entrecastraux', im Jahre 1792, zu dem Schlusse, daß diese Gruppe mit dem vor langer Zeit von Dampier entdeckten Providence-Archipel identisch sein werde.
Am 3. September kam die Nordspitze Neu-Guineas in Sicht. Drei Tage später lief die Korvette in den beschränkten und felsigen Hafen von Offak, an der Nordwestküste von Waigiou, einer der Papua-Inseln, ein. Forest ist der einzige Reisende, der dieses Hafens Erwähnung that.
Duperrey gereichte es auch zu hoher Genugthuung, diesen fast noch jungfräulichen Erdwinkel, den kaum der Fuß eines Europäers betrat, untersuchen zu können. Von geographischem Standpunkte erschien es von besonderem Interesse, das Vorhandensein einer mehr südlich gelegenen Bai zu constatiren, die nur eine schmale Landzunge von Offak trennte.
Zwei Officiere, d'Urville und de Blosseville, beschäftigten sich mit dieser Aufnahme, welche Bérard, Lottin und de Blois de la Calande mit der verknüpften, welche Duperrey bei der Fahrt der »Uranie« an dieser Küste vorzunehmen Gelegenheit gehabt hatte. Das Land erwies sich außerordentlich reich an Erzeugnissen der Pflanzenwelt, und d'Urville brachte hier eine Sammlung zu Stande, welche wegen der Neuheit ihrer Typen ebenso kostbar erscheint, wie wegen der auffallenden Schönheit derselben.
D'Urville und Lesson hatten sich, begierig, die Einwohner der Insel, welche zur Race der Papuas gehören, kennen zu lernen, auf einem mit sieben Mann besetzten Boote eingeschifft.
Schon waren sie unter strömendem Regen eine große Strecke weit gefahren, als sie plötzlich eine auf Pfählen errichtete und mit Latanenblättern bedeckte Hütte wahrnahmen. Unfern davon kauerte, in einem dichten Gebüsche halb versteckt, ein junger Wilder; nicht weit von ihm lagen etwa ein Dutzend frisch gepflückter Cocosnüsse offen da, welche die Seeleute geradezu einluden, sich an denselben zu erquicken. Die Franzosen begriffen, daß dieselben eine von dem jungen Wilden dargebrachte Gabe seien, und ließen sich ein solches, recht wünschenswerthes Geschenk nicht zweimal anbieten. Bald trat der durch die friedliche Haltung der Seeleute beruhigte Eingeborne selbst hervor, während er das Wort »Bongous« (gut!) wiederholte und zu verstehen gab, daß diese Cocosnüsse von ihm herrührten. Seine zarte Aufmerksamkeit wurde mit dem Geschenke eines Halsbandes und eines Paares Ohrgehänge gelohnt. Als d'Urville nach seinem Boote zurückkam, sah er daselbst ein Dutzend Papuas, die mit den Ruderern scherzten, schmausten und es sich überhaupt wohl sein ließen.
»Sie hatten mich bald umringt, sagt er, indem sie fortwährend: »Kapitan, bongous!« riefen und mich mit Freundschaftsbezeugungen überhäuften. Die Leute sind im Allgemeinen von kleinerer Statur, von schlankem und schwächlichem Körperbau und leiden von der Lepra; ihre Züge erscheinen nicht gerade unangenehm; ihre Stimme ist sanft, ihr Auftreten ernst, höflich und in ihrer Erscheinung spricht sich deutlich eine gewisse angeborne Melancholie aus!«
Unter den antiken Statuen, an denen das Louvre so reich ist, befindet sich eine, die Polyhymnia vorstellend, welche wegen des Ausdrucks melancholischer Schwärmerei, dem man an antiken Statuen sonst nicht zu begegnen pflegt, weit berühmt ist. Es erscheint wunderbar, daß d'Urville bei den Papuas diese an der antiken Statue so unverkennbar charakterisirten Züge wiedergefunden haben will.
An Bord benahm sich eine andere Gesellschaft Eingeborner sehr ruhig und zurückhaltend, wodurch sie sich auffallend von den meisten Urbewohnern Oceaniens unterschied.
Denselben Eindruck empfingen die Franzosen durch einen Besuch bei dem Rajah der Insel und auch durch den, welchen dieser an Bord der »Coquille« abstattete. In einem der Dörfer der südlichen Bai fand man eine Art Tempel mit grob gearbeiteten, buntbemalten und mit Federn und Matten geschmückten Bildsäulen. Es gelang aber nicht, über den Gottesdienst der Eingebornen und inwieweit jene Götzenbilder dabei in Frage kommen, nur das Geringste zu erfahren.
Am 16. September ging die »Coquille« wieder unter Segel, folgte dem Nordrande der zwischen Een und Yang gelegenen Inseln, machte einen kurzen Halt bei Cayeli und erreichte Amboine, wo der Gouverneur der Molukken, Merkus, sie besonders wohlwollend aufnahm, und die Seefahrer von den schweren Strapazen der Reise einmal sorglos ausruhten.
Am 27. October erst segelte die Korvette wieder ab und steuerte westlich von den Inseln Turtle und Lucepara auf Timor zu. Dann bestimmte Duperrey die Lage der Vulcaninseln, bekam die Inseln Wetter, Babé, Dog, Cambing in Sicht und stellte, in die Ombaystraße einfahrend, längs der Inselkette, die sich von Ombay und Panter aus bis Java erstreckte, vielfache Messungen an.
Nachdem er eine Karte von Java entworfen und die Trials vergeblich an der ihnen zugeschriebenen Stelle gesucht hatte, begab sich Duperrey nach Neu-Holland, an dessen Westküste er wegen widriger Winde nicht hinabsegeln konnte. Am 10. Januar 1824 umschiffte er endlich die Insel Van Diemen. Sechs Tage später sah er die Leuchtfeuer von Port Jackson und ließ am folgenden Tage die Anker vor der Stadt Sidney fallen.
Der von dem Eintreffen der Expedition schon vorher unterrichtete Gouverneur Sir Thomas Brisbane bereitete derselben einen ausgezeichneten Empfang, unterstützte die Verproviantirung, that sein Möglichstes, um die Reparatur der vielfachen Beschädigungen der Korvette zu beschleunigen, und gewährte d'Urville und Lesson die Mittel, eine fruchtbringende Excursion jenseits der Blauen Berge nach der Ebene von Bathurst zu unternehmen, deren Naturschätze die Europäer bisher nur sehr mangelhaft kannten.
Erst am 20. März verließ Duperrey Australien wieder, Jetzt schlug er den Kurs nach Neu-Seeland ein, das von seinen Vorgängern immer etwas vernachlässigt worden war, und rastete in der Bai von Manawa, im Grunde der weit ausgedehnten Bai der Inseln. Physikalische und geographische Beobachtungen, sowie wissenschaftliche Untersuchungen nahmen hier die Zeit der Officiere in Anspruch. Gleichzeitig lieferte das häufige Zusammentreffen von Leuten aus der Mannschaft mit Eingebornen neue Aufschlüsse über die Sitten, die religiösen Vorstellungen und die Sprache eines Volkes, das bisher alle Bemühungen der Missionäre vereitelt hatte. Die einzige Anerkennung, welche diese Wilden der fortgeschrittenen Civilisation zollten, bestand in der Annahme der verbesserten Waffen, mit deren Hilfe sie ihre kriegerischen blutigen Gelüste leichter befriedigen konnten und welche sie schon in großer Menge besaßen.
Am 17. April verließ die »Coquille« ihren Ankerplatz und segelte nach der Linie hinauf bis Rotuma, das Kapitän Wilson im Jahre 1797 entdeckt, aber nicht besucht hatte. Die sanftmüthigen und gastfreundlichen Eingebornen hier ließen es sich angelegen sein, den Seefahrern Alles zu liefern, was sie an Nahrungsmitteln bedurften. Es dauerte jedoch nicht lange, da überzeugte man sich, daß die Eingebornen sich das Vertrauen, das sie einzuflößen verstanden, zunutze machten, um allerlei Gegenstände zu stehlen, zu deren Wiederherausgabe man sie nur mit Mühe bewegen konnte. Es wurden nun strenge Befehle gegeben und auf der That ertappte Diebe in Gegenwart ihrer Stammesgenossen durchgepeitscht, worüber die Zuschauer freilich nur etwas lauter lachten als die Bestraften selbst.
Unter den Wilden befanden sich auch vier Europäer, welche einige Zeit vorher von dem Walfahrer »Rochester« desertirt waren. Ebenso wenig bekleidet wie die Eingebornen, tättowirt und ganz wie sie mit gelbem Pulver bedeckt, waren dieselben nur an der etwas helleren Hautfarbe und den geweckteren Zügen erkenntlich. Zufrieden mit ihrem Schicksale, hatten sie sich in Rotuma einen häuslichen Herd gegründet und hofften hier, ganz frei von den Sorgen, Beunruhigungen und Schwierigkeiten des civilisirten Lebens auch ihre Tage zu beschließen. Nur einer von ihnen wünschte auf der »Coquille« zu bleiben, was ihm von Freycinet bewilligt wurde, wogegen der Häuptling der Insel aber so lange Einspruch erhob, bis er erfuhr, daß zwei Deportirte aus Port Jackson auf der Insel zurückzubleiben wünschten.
Trotz des Interesses, welches dieses nur wenig bekannte Volk den Naturforschern bot, mußte man doch weiterreisen. Die »Coquille« nahm nun zunächst die von Maurelle im Jahre 1781 entdeckten Inseln Coral und St. Augustin auf. Darauf lief sie die Insel Drummond an, deren sehr dunkel gefärbte Einwohner mit schwächlichem Gliederbau und wenig intelligenter Physiognomie einige sogenannte Weihkesselmuscheln gegen Messer und Angeln vertauschten; ferner die Inseln Sydenham und Henderville, mit völlig nackt einhergehenden Bewohnern, und später die Inseln Woolde, Hupper, Hall, Knox, Charlotte und Matthews, welche den Gilbert-Archipel bilden, endlich die Mulgraves- und Marshalls-Archipele.
Am 3. Juni sah Duperrey die im Jahre 1804 von dem amerikanischen Kapitän Croser aufgefundene Insel Ualan. Da dieselbe auf der Seekarte noch nicht verzeichnet stand, beschloß der Commandant, sie eingehender zu untersuchen. Kaum hatte der Anker in den Grund eingegriffen, als Duperrey nebst einigen Officieren schon an's Land ging. Sie fanden daselbst ein sanftmüthiges freundliches Völkchen, das ihnen Cocosnüsse und Brotbaumfrüchte anbot und sie durch eine herrliche Landschaft bis zur Wohnung des ersten Häuptlings, des »Uroß tôn«, wie sie ihn nannten, geleitete. Duperrey schildert die Landschaften, durch welche sie kamen, bevor sie jene hohe Person fanden, in folgender Weise:
»Wir glitten friedlich quer über ein geräumiges Bassin, das grünende Uferwälder einrahmten. Hinter uns strebten die hohen Berggipfel der Insel, bedeckt mit üppigem Grün, empor, aus dem die schlanken biegsamen Schafte der Cocospalme emporragten. Vor uns erhob sich, inmitten der Wasserfläche, die kleine Insel Leilei, eingefaßt von hübschen Cabanen der Einwohner und von einem freundlichen Hügel bekrönt … Rechnet man hierzu noch einen herrlichen Tag und eine höchst angenehme Temperatur, so wird man sich leicht unser Entzücken bei dieser Art Triumphzug in Begleitung eines einfachen, friedlichen und zuvorkommenden Volkes vorstellen können.«
Eine von d'Urville auf achthundert Köpfe geschätzte Volksmenge erwartete die Boote und Piroguen vor einem sauberen, hübschen Dorfe mit wohlgepflasterten Straßen. Die ganze Gesellschaft, die Männer auf der einen, die Frauen auf der anderen Seite, beobachtete ein durch keinen Laut unterbrochenes Schweigen. Zwei Häuptlinge nahmen die Reisenden bei der Hand und führten sie nach der Wohnung des Uroß tôn. Die fortwährend schweigende Menge blieb draußen stehen, während die Franzosen in die geräumige Hütte eintraten.
Bald erschien der Uroß tôn, ein abgezehrter, schwächlicher Greis, den die Last seiner Jahre – er mochte mindestens achtzig zählen – offenbar drückte. Aus Höflichkeit erhoben sich die Franzosen bei seinem Eintritt, ein Gemurmel der Umstehenden bedeutete ihnen jedoch, daß sie damit gegen die Sitte verstießen.
Sie sahen sich jetzt um. Alle Anwesenden lagen mit der Stirne auf dem Boden. Selbst die Häuptlinge machten von dieser kriechenden Ehrerbietung keine Ausnahme. Der Greis, den die Kühnheit der ruhig stehen gebliebenen Fremden anfangs überraschte, gebot seinen Unterthanen Ruhe und setzte sich zu jenen. Er klopfte ihnen auf die Wangen, Schultern und Schenkel als Freundschaftsbeweis für die kleinen Geschenke, die man ihm und seiner Frau überlassen hatte. Die Erkenntlichkeit des Fürstenpaares fand ihren Ausdruck in dem Geschenke von sieben »Tots«, von denen fünf aus den feinsten Geweben bestanden.
Nach der Audienz besuchten die Franzosen das Dorf und erstaunten nicht wenig, hier zwei kolossale Mauern aus Korallen zu finden, von denen einzelne Blöcke gewiß mehrere tausend Pfund wogen.
Trotz einiger Diebereien der Häuptlinge verlief der zehntägige Aufenthalt ganz friedlich, und das gute Einvernehmen, das zwischen den Ualanern und den Franzosen vom ersten Augenblick an herrschte, wurde in keiner Weise gestört.
»Man erkennt leicht, sagt Duperrey, welche Wichtigkeit die Insel Ualan dereinst noch erlangen kann. In der Mitte der Carolinen gelegen, bietet sie den Schiffen, welche von Neu-Holland nach China segeln, sichere Häfen zur etwaigen Ausbesserung von Schäden, aber auch Wasser und verschiedene Nahrungsmittel im Ueberflusse. Die Bevölkerung ist zugänglich und friedfertig und dürfte bald im Stande fein, Seefahrern ein auf dem Meere unentbehrliches Nahrungsmittel zu liefern, da wir ihnen zwei tragende Zuchtsauen überlassen haben, die sie mit großer Erkenntlichkeit annahmen.«
Duperrey's Voraussetzungen sind nicht in Erfüllung gegangen, und die Insel Ualan hat, obschon eine Fahrstraße von Europa nach China, südlich von Van-Diemen, hier vorüberführt, auch heute noch keine höhere Bedeutung erlangt als vor fünfzig Jahren. Der Dampf hat die gesammte Schifffahrt so sehr umgestaltet und so radicale Veränderungen hervorgerufen, wie sie die Seefahrer zu Anfang des Jahrhunderts nimmermehr vorhersehen konnten.
Die »Coquille« hatte Ualan kaum zwei Tage verlassen, als sie am 17., 18. und 23. Juni schon wieder andere Eilande auffand, welche die Eingebornen mit den Namen Pelelap, Takai, Aoura, Ougai und Mongoul bezeichneten. Es sind das die Mac Askyll und Du-perrey-Gruppen, deren Bewohner den Ualanern ähneln und welche ebenso, wie die auf den Radaks-Inseln, ihre Häuptlinge »Tamons« nennen.
Am 24. desselben Monats segelte die »Coquille« durch die Hogeleu-Gruppe, welche Kotzebue unter zu hoher Breite gesucht hatte, und die der Commandant aus einigen von den Eingebornen ausgesprochenen Namen erkannte, die sich auf der Karte des Pater Cantova wiederfinden. Die hydrographische Aufnahme dieser Inselgruppe, welche gegen dreißig Meilen Umfang hat, vollendete de Blois vom 24. bis 27. Juni.
Diese Inseln sind meist hoch und von vulkanischen Bergkuppen bekrönt; andere verriethen durch die Form ihrer Lagunen den madreporischen Ursprung.
Die Einwohner sind klein, häßlich und leiden an widerlichen Krankheiten. Wenn das Sprichwort: » Mens sana in corpore sano« jemals seine Anwendung per Anthiphrasin finden kann, so ist es hier, denn die Eingebornen scheinen geistig sehr wenig entwickelt und stehen entschieden tief unter den Ualanern. Auch hier scheinen sich schon fremdartige Moden eingebürgert zu haben. Verschiedene Eingeborne trugen z. B. spitzige Hüte, ähnlich denen der Chinesen; Andere waren mit geflochtenen Matten bekleidet, welche ein Loch hatten, um den Kopf hindurch zu stecken, etwa wie der Poncho in Südamerika; Alle legten aber keinen Werth auf Spiegel, Halsbänder und Schellen; sie verlangten nach Aexten und Eisen, was auf ihre häufigere Berührung mit Europäern hindeutete.
Nachdem sie die Inseln Tamatan, Fanendik und Ollap, d. h. die Märtyrer-Inseln der alten Karten, angelaufen und rings um die, ihnen von Arrowsmith und Malaspina zugeschriebene Position vergeblich nach den Inseln Namourek und Ifelouk gesucht, lief die »Coquille«, die noch längs des nördlichen Theiles von Neu-Guinea hingesegelt war, am 26. Juli an der Südostküste im Hafen Doreï ein und verweilte daselbst bis zum 8. August.
Der Aufenthalt hier lieferte ungemein reichhaltige Ergebnisse bezüglich der Naturgeschichte, Geographie, Astronomie und Physik. Die Eingebornen dieser Insel gehören zu den Papuas reinster Race. Ihre Wohnungen bestehen aus ziemlich großen, auf Pfählen errichteten Hütten, nach denen man auf einem Stück eingekerbten Holz oder Brett emporsteigt, das jeden Abend hereingezogen wird. Die Eingebornen der Küste liegen, so scheint es, mit denen aus dem Innern, den Harfou-Negern oder Arfakis, in fortwährender Fehde. Unter Führung eines jungen Papua gelang es d'Urville, bis zu den Wohnstätten der Letzteren zu gelangen. Er fand hier sanfte gastfreundliche und höfliche Leute, welche keineswegs dem Bilde entsprachen, das ihre Feinde von ihnen entworfen hatten.
Von dieser Station aus durchsegelte die »Coquille« nochmals die Molukken, rastete nur sehr kurze Zeit bei Surabaya an der Küste von Java und erreichte am 30. October Isle de France und Bourbon. Nach einem letzten Halt bei St. Helena, wo die französischen Officiere das Grab Napoleon's besuchten, und bei Ascension, wo sich seit 1815 eine englische Kolonie angesiedelt hatte, lief die Korvette am 27. April 1825 in Marseille ein, nach einer Reise von einunddreißig Monaten und dreizehn Tagen, während welcher ohne Verlust eines Mannes, ohne Kranke und ohne Havarien 24.894 Lieues zurückgelegt worden waren.
Der höchst bemerkenswerthe Erfolg dieser Expedition gereichte dem jungen Befehlshaber ebenso zur hohen Ehre, wie allen Officieren, die sich mit unermüdlichem Eifer wissenschaftlichen Beobachtungen aller Art gewidmet hatten.
Es waren zweiundfünfzig Karten und Pläne gezeichnet und nicht nur an Exemplaren reiche, sondern auch durch deren Neuheit werthvolle Sammlungen aus den drei Naturreichen zusammengebracht worden. Wörterverzeichnisse sehr verschiedener Sprachen, mit deren Hilfe man die Geschichte der Wanderungen der oceanischen Volksracen reconstruiren zu können hoffte, merkwürdige Aufschlüsse über die Erzeugnisse der besuchten Plätze, über den Zustand des Handels und der Industrie der Bewohner, Beobachtungen betreffs der Gestalt der Erde, magnetische, meteorologische und botanische Untersuchungen – das war die reiche wissenschaftliche Fracht, welche die »Coquille« heimbrachte und deren Veröffentlichung die gelehrte Welt mit erklärlicher Ungeduld entgegensah.
Expedition des Baron von Bougainville. – Aufenthalt in Ponditscherry. – Die »weiße Stadt« und die »schwarze Stadt«. – Die Rechte und die Linke Hand. – Malakka. – Singapore und sein Aufblühen in jüngster Zeit. – Aufenthalt in Manilla. – Die Bai von Tourane. – Die Affen und die Einwohner. – Die Marmorfelsen von Fay-Foë. – Cochinchinesische Diplomatie. – Die Anambas. – Der Sultan von Madura. – Die Madura- und die Allas-Straßen. – Cloates und die Trials. – Van Diemen. – Botany-Bai und Neu-Süd-Galles. – Santiago und Valparaiso. – Heimkehr um das Cap Horn. – Expedition Dumont d'Urville's auf der »Astrolabe«. – Der Pic von Teyde. – Australien. – Aufenthalt bei Neu-Seeland. – Tonga-Tabou. – Die Escarmouches. – Neu-Britannien und Neu-Guinea. – Die ersten Nachrichten über das Schicksal La Pérouse's. – Vanikoro und dessen Bewohner. – Aufenthalt bei Guaham. – Amboine und Manado. – Ergebnisse der Expedition.
Die Expedition, welche dem Baron von Bougainville anvertraut wurde, war eigentlich weder eine wissenschaftliche, noch eine Entdeckungsreise im engeren Sinne des Wortes. Ihr Hauptzweck bestand darin, im fernsten Osten die Flagge Frankreichs zu zeigen und den nicht selten ziemlich wenig scrupulösen Regierungen unzweideutig zu beweisen, daß Frankreich seine Angehörigen und Interessen überall und zu jeder Zeit zu schützen gewillt sei. Die Instructionen des Schiffskapitäns lauteten unter Anderem auch dahin, dem Beherrscher von Cochinchina einen Brief des Königs und gewisse Geschenke zu überreichen, die auf der »Thetis« eingeschifft wurden.
Bougainville sollte sich dabei, wo es anging, mit hydrographischen Studien beschäftigen, ohne damit seine Fahrt unnöthig zu verzögern, und möglichst umfassende Nachrichten über den Handel, die Erzeugnisse und Tauschmittel der von ihm besuchten Länder sammeln.
Zwei Schiffe wurden seinem Befehle unterstellt. Das eine, die »Thetis«, eine ganz neue Fregatte, führte vierundvierzig Kanonen und dreihundert Matrosen; bisher hatte, außer der »Boudeuse«, noch kein so starkes französisches Schiff eine Reise um die Erde ausgeführt; das andere war die Glattdeckskorvette »l'Espérance« mit vierundzwanzig Caronaden auf dem Deck und hundertzwanzig Mann Besatzung.
Das erste dieser Fahrzeuge stand unter unmittelbarem Befehle des Barons Bougainville, und sein Stab war aus besonders gewählten Officieren zusammengesetzt, unter denen man die Namen Longueville's, Lapierre's und Baudin's fand, welche später zum Linienschiffs-Kapitän, Viceadmiral und Contreadmiral avancirten. Die »l'Espérance« wurde von dem Fregattenkapitän de Nourquer du Camper befehligt, der als zweiter Officier der Fregatte »Kleopatra« schon einen großen Theil der vorgeschriebenen Route der neuen Expedition kennen gelernt hatte. Zu ihren Officieren gehörten Turpin, der spätere Contreadmiral, Deputirte und Generaladjutant Louis Philipp's, Eugen Penaud, der spätere Generalstabsofficier, und Médéric Malavois, der Gouverneur von Senegal wurde.
Kein Specialgelehrter, die man sonst so freigebig, z. B. der »Naturaliste« und überhaupt jedem nach Entdeckungen aussegelnden Schiffe beigegeben hatte, begleitete die Schiffe des Barons von Bougainville, was dieser während der ganzen Fahrt lebhaft bedauerte, da auch die Aerzte wegen der ihnen zufallenden Sorge für die Kranken einer so zahlreichen Mannschaft, auf den Halteplätzen kaum Zeit gewannen, sich länger vom Bord zu entfernen.
Bougainville's Reisetagebuch beginnt mit folgender wohlbegründeten Bemerkung:
»Vor noch nicht vielen Jahren gehörte eine Reise um die Erde zu den gewagtesten Unternehmungen, und es ist kaum ein halbes Jahrhundert verflossen, daß eine solche Expedition hinreichte, dem Führer derselben einen gewissen Ruhm zu verleihen … Das war damals die schöne Zeit, das goldene Zeitalter des Erdumseglers, und die Gefahren und Entbehrungen, mit denen er zu kämpfen hatte, wurden ihm hundertfach vergolten, wenn er, reich an werthvollen Entdeckungen, die Gestade des Vaterlandes wieder begrüßte … Jetzt hat sich das geändert; die Glorie ist verblaßt; man macht jetzt eine Reise um die Erde, etwa wie man früher durch Frankreich fuhr! …«
Was würde der Baron Yves Hyacinthe Potentien de Bougainville, der Sohn des Viceadmirals, Senators und Mitglieds des Instituts, heutzutage sagen, wo alle Welt die so vervollkommneten prächtigen Dampfschiffe und die genauesten Karten besitzt, welche auch die weitesten Seefahrten fast zum Spiele gemacht haben?
Am 24. März verließ die »Thetis« allein die Rhede von Brest; sie sollte ihr Begleitschiff, die »Espérance«, die schon vor einiger Zeit abgefahren war, um Rio de Janeiro anzulaufen, in Bourbon antreffen. Ein kurzer Aufenthalt in Teneriffa, wo die »Thetis« nur schlechten Wein und wenig Lebensmittel, die sie brauchte, einkaufen konnte, die Besichtigung der Inseln des Grünen Vorgebirges und des Caps der Guten Hoffnung aus einiger Entfernung, die Aufsuchung der fabelhaften Insel Saxemburg und einige gespensterhafte Erscheinungen während einzelner Nächte waren die einzigen Vorkommnisse auf der Fahrt bis zur Isle Bourbon, wo die »Espérance« schon vor ihrem Begleitschiffe eingetroffen war.
Bourbon kannten alle Seefahrer zu jener Zeit schon so hinreichend und so genau, daß nach Erwähnung der beiden offenen Rheden von St. Denis und von St. Paul darüber kaum noch etwas zu sagen übrig blieb.
St. Denis, die im Norden von Bourbon und am Fuße einer geneigten Ebene gelegene Stadt, ist eigentlich ja nichts anderes als ein großer Flecken ohne Umplankung oder Mauern, in dem jedes Haus von einem Garten umgeben ist. Von öffentlichen Bauwerken ist nichts zu sagen, außer etwa über den Palast des Statthalters, der eine, die ganze Rhede beherrschende Lage hat, über den botanischen Garten und den für Acclimatisation, der aus dem Jahre 1817 herrührt. Der erstere, inmitten der Stadt, bietet schöne, leider nur wenig besuchte, aber vortrefflich gepflegte Spaziergänge. Ihn zieren Eukalypten, die Riesen der australischen Flora, Phormium tenax oder der Neuseeländische Hanf, die Casuarina oder Pinie von Madagaskar, der Baobab mit überraschend dickem Stamme, ferner Averrhoa-, Breiapfelbäume und Vanillesträucher, während ihn Kanäle mit fließendem Wasser befeuchten. Der zweite, angelegt auf einem Hügel mit staffelförmigen Terrassen, über welche mehrere Bäche herabrieseln, war für die Acclimatisation der Bäume und Gewächse aus Europa bestimmt. Apfelbäume, Pfirsiche, Aprikosen-, Kirschen- und Birnbäume gedeihen hier ausgezeichnet und hatten der Kolonie schon sehr werthvolle Stöcklinge geliefert. Man cultivirte in diesem Garten auch den Weinstock, den Theestrauch und mancherlei andere ausländische Gewächse, unter denen Bougainville die »Laurea argentea« mit glänzenden Blättern besonders hervorhebt.
Am 9. Juni verließen die beiden Fahrzeuge die Rhede von St. Denis. Nachdem sie die Bänke de la Fortune und von Saya de Malfa umschifft, auf hoher See an den Seschellen vorübergekommen, und dann zwischen den Atolls der Malediven – an jene kaum über das Wasser emporragenden, mit dichten Bäumen, aus denen einzelne Cocospalmen hervorragen, bedeckten Inseln – angelaufen waren, bekamen sie die Insel Ceylon und die Koromandelküste in Sicht und gingen vor Ponditscherry vor Anker.
Dieser Theil Indiens entspricht nun keineswegs der bestrickenden Vorstellung, welche sich die Europäer nach den dithyrambischen Schilderungen der Schriftsteller, die seine Wunder preisen, vielleicht gemacht haben.
Die Zahl der Wohnhäuser und öffentlichen Bauwerke von Ponditscherry ist sehr gering, und wenn man die Pagoden besichtigt, die vielleicht das größte Interesse erwecken, und die »Dampfkessel« (das sind warme Quellen) besucht hat, deren Nützlichkeit ihre einzige Empfehlung ist, so ergötzt man sich nur noch an den charakteristischen Scenen, die sich jeden Augenblick in der, in zwei bestimmt verschiedene Theile zerfallenden Stadt dem Blicke darbieten.
Dem einen Theil der »Weißen« Stadt, mit zierlichen Häusern, aber verlassenen und stillen Straßen, dürfte wohl Jeder die »Schwarze Stadt« mit ihren Bazars, Jongleurs, den massiven Pagoden und den anziehenden Tänzen der Bajaderen vorziehen.
»Die indische Bevölkerung der Koromandelküste, heißt es in dem Berichte, zerfällt in zwei Classen, die »Rechte Hand« und die »Linke Hand«. Diese Theilung schreibt sich von der Zeit der Regierung eines Nabab her, unter der das Volk sich empörte; alle Diejenigen, welche dem Fürsten treu blieben, wurden durch den Namen die Rechte Hand ausgezeichnet, während die Anderen die Linke Hand genannt wurden. Diese beiden großen Vereinigungen, welche die Bevölkerung in zwei fast gleich zahlreiche Abtheilungen scheiden, stehen sich wegen der Rangstellung und den Vorrechten, die der Ersteren als Freunden des Fürsten zuertheilt worden waren, stets feindlich gegenüber. Die Ersteren sind indeß im Besitze der Aemter geblieben, während sich die Anderen mit dem Handel und Gewerben beschäftigen. Um unter denselben aber Frieden zu erhalten, hat man ihnen ihre früheren Processionen und Ceremonien untersagen müssen …
Die Rechte und die Linke Hand zerfallen dann selbst wieder in achtzehn Kasten oder Stände voller Prätensionen und Voreingenommenheiten, welche auch schon die Jahrhunderte lange Berührung mit Europäern nicht abzuschwächen vermochte. Dadurch entsteht ein so gespanntes Verhältniß, daß blutige Zusammenstöße nicht ausbleiben könnten, wenn die Hindus nicht Entsetzen vor Blut hätten und ihr Charakter sie nicht von Gewaltthätigkeiten abhielt.
Diese Milde der Sitten und die fortwährende gegenseitige Eifersucht allein vermögen die merkwürdige Erscheinung zu erklären, daß sich über fünfzig Millionen Menschen unter das Joch von fünfundzwanzig- bis dreißigtausend Ausländern beugen ließen.«
Die »Thetis« und die »Espérance« segelten am 30. Juli von der Rhede von Ponditscherry aus über den Golf von Bengalen und liefen die Nikobaren und Poulo-Penang an, einen Freihafen, in dem gleichzeitig dreihundert Schiffe lagen. Dann begaben sie sich nach der Straße von Malakka und hielten vom 24. bis 26. August in diesem holländischen Hafen an, um einige Beschädigungen der »Espérance« so auszubessern, daß diese wenigstens bis Manilla See halten konnte. Die Beziehungen zu dem Residenten und den Einwohnern gestalteten sich sehr freundlich und erhielten durch verschiedene, theils zu Lande, theils auf der »Thetis« zu Ehren der Könige von Frankreich und der Niederlande veranstaltete Feste unzweifelhaften Ausdruck.
Die Holländer waren übrigens schon darauf vorbereitet, diese Niederlassung den Engländern abzutreten, was kurze Zeit darauf wirklich geschah. In Bezug auf die Fruchtbarkeit des Bodens, der Annehmlichkeit der Lage und die Leichtigkeit der Beschaffung der verschiedensten Bedürfnisse übertrifft übrigens Malakka viele seiner Rivalen beiweitem.
Bougainville verließ diese Rhede am 26. August und hatte während der weiteren Fahrt durch die Meerenge von widrigen Winden, Windstillen und Gewittern nicht wenig zu leiden. Gerade diese Gegenden werden von malayischen Seeräubern vorzüglich heimgesucht. Obwohl die Division stark genug war, um keinen Feind fürchten zu müssen, so stellte der Befehlshaber doch Schildwachen aus und traf alle nothwendigen Maßregeln, um gegen einen Ueberfall gesichert zu sein. Hier sieht man sonst nicht selten mehrere jener, mit gegen hundert Mann besetzten Proas, und so manches Handelsschiff ist schon von den unverbesserlichen Piraten geraubt worden.
Die Division bemerkte während der Fahrt aber nichts Verdächtiges und segelte unbehelligt nach Singapore.
Die Bevölkerung dieser Stadt zeigt eine eigenthümliche Mischung. Hier trifft man Europäer, in deren Händen sich vorzüglich der Handel befindet, aber auch armenische und arabische Kaufleute; Chinesen, welche sich meist mit Landbau beschäftigen, doch zuweilen auch Handwerke betreiben, um die Bedürfnisse der Einwohnerschaft zu befriedigen. Die in diese aufblühende Civilisation gleichsam verschlagenen Malayen leben entweder als niedere Diener, oder bleiben bei ihrer Indolenz und ihrem Elend völlig verborgen. Die wegen Verbrechen aus ihrem Vaterlande vertriebenen und verbannten Hindus betreiben jene unaussprechlichen Gewerbe, welche die Hefe des Volkes in allen großen Städten gerade noch vor dem Hungertode bewahren.
Erst 1819 halten die Engländer von dem malayischen Sultan von Djohor die Berechtigung erkauft, sich in der Stadt Singapore niederzulassen. Der kleine Flecken, in dem sie sich damals festsetzten, zählte kaum hundertfünfzig Seelen; bald erhob sich aber, Dank dem rastlosen Eifer Sir Stamfard Rafle's, eine Stadt an Stelle der bescheidenen Hütten der früheren Bewohner; durch eine weise Verwaltung, Aufhebung aller Zölle und die Vortheile der Lage an einem geräumigen sicheren Hafen vollzog sich schnell eine an's Wunderbare grenzende Umwandlung aller Verhältnisse.
Die Garnison hier betrug nur dreihundert Sipahis und dreißig Artilleristen; Festungswerke waren noch nicht angelegt, und das ganze Artilleriematerial beschränkte sich auf eine Batterie von zwanzig Festungs- und ebensoviel bronzenen Feldkanonen.
Singapore bildete im Grunde nur eine große Waarenniederlage. Madras liefert hierher Baumwollengewebe; Caleutta das Opium, Sumatra den Pfeffer; Java Arak und Gewürze; Manilla Zucker und Arak; und alle genannten Waaren werden von diesem Platze aus nach Europa, China, Siam u. s. w. versendet.
Oeffentliche Gebäude finden sich keine. Es giebt weder städtische Magazine, noch Docks, Werfte oder Kasernen; doch existirte eine kleine Kirche für die bekehrten Eingebornen.
Am 2. September nahm die Division ihren Weg wieder aus und erreichte ohne Unfall den Hafen von Cavite. Der Commandant der »Espérance«, du Camper, der bei einem mehrjährigen Aufenthalte in Luzon die hervorragendsten Einwohner kennen gelernt hatte, erhielt den Auftrag, sich nach Manilla zu begeben, um den Gouverneur von der Ankunft der Fregatte und dem Grunde ihres Einlaufens in den Hafen Mittheilung zu machen, und gleichzeitig sich auch zu unterrichten, welchen Empfang die Franzosen hier zu erwarten haben dürften.
Die neuerliche Intervention der letzteren in Spanien nämlich versetzte diese dem Gouverneur gegenüber in eine etwas delicate Lage. Don Juan Antonio Martinez war ja durch die Regierung der Cortes, welche die Franzosen gestürzt hatten, auf seinen Posten berufen worden.
Die Befürchtungen des Commandanten bestätigten sich indessen nicht, und er fand bei den spanischen Behörden sowohl freundliche Aufnahme als die größte Bereitwilligkeit, ihm behilflich zu sein.
Die Bai von Cavite, wo die Schiffe Anker geworfen hatten, wird tagtäglich mehr von Schlamm aufgefüllt, bildete aber doch den wichtigsten Hafen der Philippinen. Die Spanier besaßen hier ein gut ausgerüstetes Fort, in welchem Indier aus der Nähe arbeiteten, die freilich ebenso geschickt und intelligent wie träge waren.
Während nun die »Thetis« im Innern frisch bekleidet und die »Espérance« verschiedentlich ausgebessert wurde, überwachten mehrere Beamten und Officiere die Nahrungsmittel und die Herstellung des neuen Thauwerkes.
Das letztere wurde aus »Abaka«, das sind Fasern der Banane, die man gewöhnlich als »Manilla-Hanf« bezeichnet, angefertigt; es bewährte sich jedoch, trotz der großen Elasticität, die man ihm allgemein zuschreibt, an Bord der Schiffe nicht eben besonders gut.
Der Aufenthalt in diesem Hafen wurde leider durch Erdbeben recht bedauerlich gestört; auch verheerten Manilla einige Typhons. Am 24. October fand ein so heftiges Erdbeben statt, daß der Gouverneur, die Truppen und ein Theil der Einwohner eiligst aus der Stadt entfliehen mußten. Der Schaden durch dasselbe wurde auf drei Millionen Francs geschätzt; eine Menge Häuser stürzten zusammen, acht Personen wurden unter den Trümmern begraben und sehr viele andere trugen Verletzungen davon.
Kaum begann die Bevölkerung, sich ein wenig zu beruhigen, als ein entsetzlicher Typhon dem Unheil die Krone aufsetzte. Dieser hielt nur während eines Theiles der Nacht zum 31. October an, und bei Sonnenaufgang des nächsten Tages hätte man glauben können, nur einen bösen Traum gehabt zu haben, wenn nicht der Anblick der verwüsteten Felder, das beklagenswerthe Bild, welches die Rhede mit sechs auf die Küste geworfenen und vielen anderen, fast vollständig zerstörten Fahrzeugen darbot, dafür zeugten, daß das Unglück leider auf Wahrheit beruhte. Rings um die Stadt war das Land arg mitgenommen, die Ernte verloren, selbst die stärksten Bäume waren entwurzelt und die Dörfer zerstört. In der That ein erschütterndes Schauspiel!
Auf der »Espérance« hatte der Sturm den Großmast und den Besan einige Fuß über dem Deck weggebrochen und die Schanzkleidung weggeführt. Die »Thetis« entging dem entsetzlichen Orkan glücklicher und trug ernsthafte Beschädigungen nicht davon. Die Trägheit der Arbeiter und die Menge von Festtagen, während denen dieselben feiern, bestimmten Bougainville, sich einstweilen von seinem Begleitschiffe zu trennen und am 12. December nach Cochinchina abzusegeln.
Bevor wir den Franzosen aber nach jenen selten besuchten Ländern folgen, wollen wir mit ihnen Manilla und dessen Umgebungen ein wenig durchstreifen.
Die Bai von Manilla ist ohne Zweifel eine der schönsten und geräumigsten der Welt, in der ganze Flotten Platz finden würden; ihre beiden Zugänge sind noch nicht befestigt, weshalb es im Jahre 1798 zwei englischen Fregatten möglich wurde, in diese einzudringen und unter den Kanonen der Stadt mehrere Schiffe zu rauben.
Den Horizont schließt eine Bergkette ab, die im Süden mit dem Taal, einem jetzt nahezu erloschenen Vulcan, endet, dessen Eruptionen früher wiederholt Unglück angerichtet haben. In der Ebene mit üppigen Reisfeldern, beleben hübsche Weiler oder einzelne Häuser die Landschaft.
Dem Haupteingange der Bai gegenüber erhebt sich die Stadt, welche gegen 160.000 Einwohner zählt, mit ihrem Leuchtthurm und den weitgestreckten Vorstädten. An derselben vorbei fließt der Passig, ein aus dem Baisee entspringender Strom, und diese ausnahmsweise Lage sichert ihr Vorzüge, um welche sie manche Hauptstadt beneiden dürfte.
Die Garnison betrug zu jener Zeit, die Milizen ungerechnet, zweitausend Mann. Neben der fortwährend durch einige Schiffe vertretenen Kriegsmarine des Staates war auch eine eigene Kolonialmarine organisirt worden, die man, entweder wegen der Kleinheit der Fahrzeuge oder wegen deren Schnelligkeit, mit dem Namen »Sutil« bezeichnete. Diese Seemacht, in der die Besetzung aller Officiersgrade dem General-Gouverneur überlassen war, bestand aus Goëletten und Kanonenschaluppen zur Vertheidigung der Küsten und Handelsschiffe gegen die Piraten der Sulu-Inseln. Obwohl diese Einrichtung ziemlich viel kostete, kann man doch nicht sagen, daß sie etwas Besonderes geleistet hätte. Bougainville belegt das mit einem sehr schlagenden Beispiele: Als die Suluaner im Jahre 1828 dreitausend Bewohner von den Küsten Luzons geraubt hatten, wurde ein Zug gegen sie ausgerüstet, der 140.000 Piaster Unkosten verursachte, um jenen – sechs Mann zu tödten!
Auf den Philippinen herrschte zur Zeit des Aufenthaltes der »Thetis« und »Espérance« eine gewisse Gährung, und der Rückschlag der Ereignisse, welche die Hauptstadt mit Blut befleckt hatten, machte sich hier sehr bedauerlich fühlbar. Die Niedermetzlung der Weißen durch die Indier am 20. December 1820, die Erhebung eines Regiments und die Ermordung eines früheren Gouverneurs, de Folgueras, waren die ersten Stöße, welche die Herrschaft Spaniens erschütterten. Die Mestizen, die im Verein mit den Tagals die reichste und fleißigste Volksclasse und die wirklich eingeborne Bevölkerung darstellen, machten damals den Behörden manche Sorge, denn es war bekannt, daß sie darauf ausgingen, Alles zu vertreiben, was nicht von den Philippinen selbst herstammte. Sie befehligten die einzelnen Regimenter und hatten die meisten öffentlichen Aemter inne, mit einem Worte, sie besaßen einen weitgehenden Einfluß und es lag die Befürchtung nahe, daß man jetzt vielleicht am Vorabend einer jener Revolutionen stehe, welche Spanien schon seiner schönsten Kolonien beraubt haben.
Die Fahrt der »Thetis« nach Macao wurde durch steife Böen, widrige Winde und eine desto fühlbarere kalte Temperatur erschwert, weil die Seefahrer mehrere Monate lang sich unausgesetzt in einer Wärme von 27 Grad befunden hatten. Kaum griff der Anker in den Grund des Cantonflusses ein, als auch schon eine große Anzahl einheimischer Fahrzeuge die Fregatte umringte, um Gemüse, Fische, Orangen und eine Menge der früher so seltenen, heutzutage zwar weitverbreiteten, aber immer noch ziemlich kostbaren Kleinigkeiten anzubieten.
»Die zwischen dürren Hügeln eingezwängte Stadt Macao, sagt der Bericht, macht sich schon aus weiter Ferne durch die glänzende Weiße ihrer Häuser bemerkbar. Sie liegt mit der Front nach Osten, und die am Strande errichteten eleganten Häuser folgen genau den Contouren des Ufers. Es ist dies das vornehme Quartier der Stadt, welches die Fremden bewohnen; hinter demselben steigt das Land steil empor; neben anderen Gebäuden zeichnen sich zwei Klöster durch ihre reiche Architektur aus, und alles das ist von den crenelirten Mauern der Forts umschlossen, auf denen die weiße Kriegsflagge Portugals weht. Im Norden und Süden der Stadt reichen die in drei Etagen angelegten Batterien bis zum Meere herab, und nahe vor der ersten erhebt sich eine Kirche, deren Porticus und äußere Decorationen einen geradezu bezaubernden Eindruck machen. Mehrere Sampanen, Dschonken und Fischerboote am Strande beleben das Bild, dessen Rahmen freundlicher erscheinen würde, wenn die Hügel rings um die Stadt nur nicht gar so kahl wären.«
Durch die günstige Lage für den Zwischenhandel Chinas mit der übrigen Welt erfreute sich Macao, eines der Ueberbleibsel des portugiesischen Kolonialbesitzes, lange Zeit des besten Gedeihens. Im Jahre 1825 war das nicht mehr der Fall, und die Stadt erhielt sich eigentlich nur noch durch den Schmuggelhandel mit Opium.
Die »Thetis« hielt sich in Macao allein zu dem Zwecke auf, Missionäre auszuschiffen und die französische Flagge zu zeigen.
Bougainville verließ die Stadt also schon am 8. Januar 1825 wieder.
Bis zur Bai von Tourane verlief die Weiterreise ohne jeden bemerkenswerthen Zwischenfall. Als Bougainville aber hier anlangte, hörte er, daß der französische Agent Chaigneau von Huë nach Saigon gereist sei, um ein Barkschiff nach Singapore zu miethen. Der Commandant wußte nun nicht, an wen er sich wenden sollte, und er befürchtete schon, da die einzige Person, welche seine Absichten befördern konnte, abwesend war, einen totalen Mißerfolg seiner Mission. Er sandte in Folge dessen eiligst einen Brief an den Agenten, in dem er diesem den Zweck seines Erscheinens mittheilte und ihn ersuchte, sich in Begleitung einiger Officiere möglichst bald wieder in der Hauptstadt Huë einzufinden.
Die Zeit bis zum Eintreffen einer Antwort benutzten die Franzosen zu einer eingehenden Untersuchung der Bai und ihrer Umgebungen, sowie der berühmten Marmorfelsen, welche alle Reisenden aufsuchten.
Einzelne Schriftsteller, und vorzüglich Horsburgh, nennen die Bai von Tourane eine der schönsten und geräumigsten der ganzen Erde. Bougainville ist anderer Meinung und erklärt nur einen sehr kleinen Theil derselben für sicher. Das Dorf Tourane liegt am Ufer des Meeres, nahe dem Eingange des Kanals von Faye-Foë, an dessen Ufer sich ein von französischen Ingenieuren erbautes Fort mit Glacis, Bastionen und trockenen Gräben erhebt.
Die als alte Verbündete betrachteten Franzosen wurden stets wohlwollend und ohne Mißtrauen aufgenommen. Nicht so die Engländer, denen man verbot, an's Land zu gehen, während die Mannschaft der »Thetis« Erlaubniß zur Jagd und zum Fischfang erhielt, auch ungehindert sich überall hin begeben konnte, um Lebensmittel zu erlangen.
Dank der ihnen gestatteten Freiheit, durchstreiften die Officiere das Land und machten recht interessante Beobachtungen. Einer von ihnen, de la Touanne, entwirft von den Eingebornen folgendes Bild:
Ihr Wuchs ist eher unter als über mittel, und nach dieser Seite stehen sie etwa auf derselben Stufe, wie die Chinesen in Macao. Ihre Haut ist gelblichbraun und das Gesicht flach und rund, die Physiognomie ohne Ausdruck und ihre dunklen Augen erscheinen nicht so geschlitzt wie die der Chinesen. Sie haben eine breite Nase, einen großen Mund und wulstige Lippen, welche um so häßlicher aussehen, als sie durch die Gewohnheit der Männer wie der Frauen, mit Betel und Kalk gemischten Arek zu kauen, stets unreinlich und geschwärzt erscheinen. Die den Männern an Größe gleichkommenden Frauen bieten kein angenehmes Aeußere und die widerwärtige Unreinlichkeit beider Geschlechter raubte ihnen auch noch jeden Reiz.«
Das Elend der Bewohner fällt umsomehr auf, als sich das Land durch große Fruchtbarkeit auszeichnet, ein Contrast, der den Egoismus und die Sorglosigkeit der Regierung ebenso, wie die unersättliche Habgier der Mandarinen deutlich erkennen läßt.
Wenn die Felder Mais, süße Pataten, Manioc, Tabak und Reis liefern und ihr Aussehen für die sorgfältige Bearbeitung derselben spricht, so tummeln sich im Meere unzählige Fische und bergen die Wälder eine große Anzahl von Vögeln, Tigern, Rhinocerossen, Büffeln und Elephanten, ebenso wie Affen, die man überall in vielköpfigen Heerden antrifft. Vier Fuß hoch, mit dunklem Gesicht, perlgrauem Leibe, schwarzen Schenkeln und rothen Beinen, haben sie außerdem eine Art rothes Halsband und einen weißen Gürtel, was ihnen gerade das Aussehen verleiht, als wären sie bekleidet. Ihre Muskelkraft ist außerordentlich groß und sie springen von Zweig zu Zweig auf kaum glaubliche Entfernungen hin. Man kann kaum etwas Possirlicheres sehen, als ein Dutzend dieser Burschen, wenn sie, auf den Bäumen sitzend, Grimassen schneiden oder schier unmögliche Verrenkungen ausführen.
»Als ich mich einmal allein am Waldessaume befand, sagt Bougainville, verwundete ich einen derselben, der die Nase in die Sonnenstrahlen herausgesteckt hatte. Er faßte sich mit beiden Händen nach dem Gesicht und fing so jämmerlich an zu heulen, daß ihn bald dreißig Kameraden umringten. Ich beeilte mich, die Flinte wieder zu laden, da ich nicht wissen konnte, wie die Sache ablief, denn es giebt derartige Thiere, welche auch vor einem Angriffe auf den Menschen nicht zurückschrecken; die Gesellschaft nahm jedoch den Verwundeten in die Mitte und verschwand im tiefen Walde.«
Ein anderer Ausflug galt den Marmorfelsen des Flusses Fay-Foë; hier fanden sich sehr merkwürdige Höhlen; in einer derselben sieht man eine Säule von der Decke herabhängen, deren Fuß ganz frei über dem Boden schwebt. Stalaktiten gab es in der Höhle nicht, doch rauscht in ihrem Hintergrunde ein Wasserfall herab.
Etwas weiter hin, unter freiem Himmel, besuchten die Franzosen die Ruinen eines alten Bauwerkes in der Nähe einer Grotte mit einem Götzenbilde. Von einer Ecke derselben lief ein Seitengang aus, dem Bougainville folgte und der ihn nach einer »ungeheuren Rotunde mit Oberlicht führte, welche eine mindestens sechzig Fuß hohe Bogenwölbung abschloß. Stelle man sich verschiedenfarbige Marmorsäulen vor, von denen einige freilich aus Bronze zu bestehen scheinen, weil Zeit und Feuchtigkeit einen grünlichen Ueberzug auf denselben hervorgebracht haben, Lianen, welche durch die Giebelsteine gewachsen sind und, die einen bündelförmig, die anderen als einzelne Seile herabhängen, als sollten Kronleuchter daran befestigt werden; ferner Gruppen von Stalaktiten über unseren Köpfen, welche riesigen Orgelpfeifen ähnlich erschienen; ältere, verstümmelte Statuen, häßliche, aus Stein gemeißelte Ungeheuer; endlich eine große Pagode, welche freilich nur einen sehr kleinen Theil des gewaltigen Raumes einnimmt, dann denke man sich alle diese Gegenstände in einem Rahmen vereinigt und von unbestimmtem, zitterndem Lichte erhellt, so wird man annähernd eine Vorstellung von dem Eindruck gewinnen, den wir an dieser Stelle erhielten.«
Am 25. Januar 1825 gesellte sich die »Espérance« wieder zu der Fregatte. Zwei Tage später erschienen zwei Gesandte des Hofes von Huë, welche von Bougainville den Brief, den dieser mitbrachte, verlangten. Da der Befehlshaber aber Auftrag hatte, jenen nur dem Kaiser selbst zu überreichen, so führte dies ziemlich lange und recht kindische Verhandlungen herbei.
Die ceremoniösen Förmlichkeiten, welche die cochinchinesischen Gesandten beobachteten, erinnerten Bougainville an die Erzählung von jenem Gesandten und dem Gouverneur von Java, welche, um sich an äußerer Würde und diplomatischer Gewandtheit zu überbieten, vierundzwanzig Stunden beisammen blieben und dann schieden, ohne daß Einer von ihnen nur das Wort genommen hätte. Der Commandant gehörte nun zwar nicht zu den besonders langmüthigen Leuten, er konnte aber die nachgesuchte Audienz auf keine Weise erhalten, und die ganze Sache lief zuletzt auf einen Austausch von Geschenken hinaus, der keinen Theil irgendwie verpflichtete.
Erreicht wurde dabei nur das eine Resultat, daß der Kaiser die bestimmte Versicherung abgab, er werde stets mit Vergnügen französische Schiffe in seine Häfen einlaufen sehen, wenn dieselben die Gesetze des Landes beachteten.
Seit 1817 waren die Franzosen fast die einzigen gewesen, welche mit Cochinchina, Dank der Gegenwart ihrer Residenten in Huë erträglich ausgekommen waren, und es hing eigentlich nur von ihnen ab, diese Ausnahmestellung, welche ihnen alte freundschaftliche Beziehungen zu der cochinchinesischen Regierung erworben hatten, fort und fort zu bewahren.
Die beiden Fahrzeuge verließen die Bai von Tourane am 17. Februar mit der Absicht, die Anambas-Inseln zu besuchen, die bisher noch nicht erforscht worden waren. Am 3. März kam dieser Archipel in Sicht, der aber seiner Gestalt nach keineswegs mit den auf der englischen Karte des chinesischen Meeres eingezeichneten Anambas übereinstimmte. Mit großer Befriedigung sah Bougainville vor seinen Augen eine Menge Inseln und Eilande auftauchen, welche für die Zeit der Moussons treffliche Ankerplätze bieten mußten.
Die beiden Schiffe segelten in die Mitte des Archipels ein, den sie hydrographisch aufnahmen. Während die Boote mit dieser Arbeit beschäftigt waren, näherten sich zwei zierlich gebaute Canots. Das eine derselben legte an der »Thetis« an, und ein Mann von etwa fünfzig Jahren, die Brust mit Narben bedeckt und die rechte Hand zweier Finger beraubt, stieg an Bord. Er war schon bis zum Zwischendeck hinabgekommen, als der Anblick der Waffenständer und der Kanonen ihn veranlaßte, eiligst nach seiner Pirogue zurückzukehren.
Am nächsten Tage kamen zwei andere, von wild aussehenden Malayen besetzte Canots herbei. Diese brachten Bananen, Cocosnüsse und Ananas, die sie gegen Schiffszwieback, ein Taschentuch und zwei kleine Beile eintauschten.
Es fanden noch wiederholte Zusammenkünfte mit den, mit Kris (d. s. Malayendolche) und halblangen, eisernen zweischneidigen Lanzen bewaffneten Eingebornen statt, die im Grunde doch weiter nichts waren, als ehrlose Seeräuber.
Obwohl die Franzosen nur einen Theil dieser Insel untersuchten, zeichnen sich die Informationen derselben doch durch ihre Neuheit vortheilhaft aus.
Die erste Bedingung für die Existenz einer zahlreichen Bevölkerung ist stets hinreichendes Wasser. Das giebt es hier aber sehr wenig. Die fruchtbare Erde bildet ebenfalls nur eine sehr dünne Lage und die Berge sind alle durch enge Schluchten, nicht durch sanfte Abhänge von einander getrennt, so daß an einen Anbau derselben kaum zu denken ist. Mit einziger Ausnahme der Cocospalmen erreichen selbst die Bäume nur eine mittelmäßige Höhe. Nach Aussage der Eingebornen soll sich die Bevölkerung auf zweitausend Seelen belaufen, doch schien Bougainville auch diese Zahl zu hoch gegriffen.
Die günstige Lage der Inseln an den beiden Straßen der Schiffe, welche mit China Handel treiben, hätte dieselben schon längst der Aufmerksamkeit der Seefahrer empfehlen müssen. Jedenfalls trägt der Mangel an Allem, was Seeleute brauchen, die Schuld, daß man dieselben so gut wie unbeachtet gelassen hat.
Die geringe Zuvorkommenheit und das Mißtrauen, das Bougainville bei diesen Insulanern fand, der hohe Preis der Waaren und der Wechsel des Moussons in den Sundameeren bestimmten den Commandanten, die Erforschung dieses Archipels aufzugeben, um so schnell als möglich nach Java zu gelangen, das er seinen Instructionen gemäß anlaufen sollte.
Am 8. März lichteten beide Fahrzeuge die Anker, fuhren längs der Inseln Victory, Barren, Saddle und Camel hin, passirten die Gaspar-Straße, wozu sie nur zwei Stunden brauchten, während die Durchfahrt bei widrigen Winden zuweilen mehrere Tage in Anspruch nimmt, und trafen dann in Surabaya ein, wo sie die erste Nachricht von dem Tode Ludwig's XVIII. und der Thronbesteigung Karl's X. erhielten.
Da die Cholera, welche auf Java 1822 nicht weniger als 200.000 Opfer gefordert hatte, noch immer wüthete, gebrauchte Bougainville die Vorsicht, seine Mannschaft, geschützt vor der Sonne, an Bord zu behalten, und untersagte ausdrücklich jeden Verkehr mit den mit Früchten beladenen Schiffen, da der Genuß dieser Früchte für Europäer, vorzüglich zu Anfang der Regenzeit, sehr gefährlich und schädlich ist. Trotz seiner weisen Vorsicht brach doch die Ruhr auf der »Thetis« aus und veranlaßte mehrere Todesfälle.
Die Stadt Surabaya liegt eine Stunde von der Mündung des Flusses, und man kann nach derselben nur auf kleinen, durch Seile gezogenen Fahrzeugen gelangen. Die Umgebung ist sehr belebt, und Alles zeugt für eine thätige und geschickte Bevölkerung. Da eine Expedition nach der Insel Celebes alle Mittel der Regierung erschöpft hatte und alle Magazine leer waren, mußten die Franzosen sich an chinesische Händler wenden, d. h. an die unverschämtesten Diebe, die man sich nur denken kann. Es giebt keine List, deren sie sich nicht bedienten, keine Art von Betrug, die sie nicht versuchten. So ließ der Aufenthalt bei Surabaya eigentlich bei Allen einen keineswegs angenehmen Eindruck zurück.
Dagegen konnten die Franzosen die Aufnahme seitens der Notablen der Kolonie und die Zuvorkommenheit aller Beamten nur loben.
Nach Surabaya zu kommen, ohne den Sultan von Madura zu besuchen, dessen Gastfreundlichkeit einen Weltruf erlangt hat, wäre ebenso unmöglich, als in Paris zu sein, ohne Versailles und den Trianonpark gesehen zu haben.
Nach einem am Lande eingenommenen kräftigen Frühstück bestieg das Officiercorps der Schiffe mehrere vierspännige Kutschen. Die Straßen waren aber in so schlechtem Zustande und die Pferde so abgetrieben, daß man mehr wie einmal im Morast stecken geblieben wäre, wenn nicht viele, an den schlimmsten Stellen des Weges als Wachen aufgestellte Leute die Wagen weiter geschoben hätten. Endlich kam man in Bacalan an, und die Kutschen hielten in dem dritten Hofe des Palastes daselbst, am Fuße einer Treppe, auf der der Erbprinz und der erste Minister die Reisenden erwarteten.
Der Fürst Adden Engrate gehörte zur berühmtesten Familie des Indischen Archipels. Er trug das Civilcostüm der javanischen Häuptlinge. Ein langer geblümter indischer Rock verhüllte fast die chinesischen Pantoffeln, ein weißes Vorhemd mit goldenen Knöpfen unter einer kurzen Weste aus braunem Tuch mit Diamantenknöpfen und ein um den Kopf geknüpftes Taschentuch, über das noch ein mit Visir versehener Helm emporragte, gaben dieser hohen Persönlichkeit fast das groteske Aussehen einer Carnevals-Amazone, wenn die Feinheit seines Benehmens und die Würde seiner Haltung nicht den halb lächerlichen Eindruck seiner Kleidung gemildert hätten.
Der Palast oder »Kraton« bestand aus einer Reihe mit Gallerien versehener Gebäude, in denen Schirmdächer und Vorhänge eine erquickende, frische Temperatur erhielten. Kronleuchter, europäische Möbel von bestem Geschmack, Spiegel und Glasgefäße vollendeten den Schmuck der geräumigen Säle und Zimmer. Eine zusammenhängende, nach dem Garten zu liegende Wohnung, ohne Fenster nach der Hofseite, ist für die »Ratou« (Fürstin) und die Odalisken bestimmt.
Der Empfang hier war ein recht herzlicher und das nach europäischer Art servirte Frühstück ließ nichts zu wünschen übrig.
»Die Unterhaltung, sagt Bougainville, wurde englisch geführt und an Toasten fehlte es nicht, wobei der Fürst unsere Gesundheit mit Thee aus einer Flasche ausbrachte, den er ganz wie Madeira in ein Glas goß. Als geistliches Oberhaupt seiner Staaten befolgte er mit aller Strenge die Vorschriften des Korans, trank niemals Wein und brachte einen großen Theil seiner Zeit in der Moschee zu. Doch ist er daneben ein sehr guter Gesellschafter, und in seiner Unterhaltung bemerkt man nichts von der Engherzigkeit, die man bei einem so geregelten Leben voraussetzen könnte. Freilich verläuft dasselbe nicht ganz und gar unter Gebeten, und die Scenen, welche uns vorgeführt wurden, dürften eine ganz andere Anschauung über seine Sitten erwecken, wenn die Religion des Propheten ihren Anhängern nicht wirklich einen weiten Spielraum gestaltete.«
Im Laufe des Nachmittags besuchte man die Remisen mit schönen Wagen, von denen einige, auf der Insel selbst gebaute, so ausgezeichnet gearbeitet sind, daß man sie von den importirten auf keine Weise zu unterscheiden vermag. Später wurde ein Bogenschießen veranstaltet. Bei der Rückkehr nach dem Palaste empfing die Gäste eine etwas melancholische Musik, dann und wann unterbrochen von dem Jauchzen und den grotesken Sprüngen des Hofnarren, der von seiner Gewandtheit und Geschmeidigkeit die besten Proben abzulegen suchte. Nach dem Tanze oder vielmehr der Nachahmung von Stellungen der Bajaderen ging es zum Spiel, wonach Jeder die wohlverdiente Ruhe suchte. Am nächsten Tage gab es neue Spiele, neue Aufführungen aller Art. Zuerst war ein Kampf zwischen erwachsenen Männern und Kindern arrangirt; dann folgten Wachtelkämpfe und endlich Exercitien eines Elephanten und eines Kameels. Nach dem Frühstück unternahm man eine Spazierfahrt, darauf Bogenschießen, Sackhüpfen, Balancirübungen mit Körben u. s. w., und auf diese Weise vergehen alle Tage bei dem Sultan.
Der Respect und die Ehrfurcht, die man dem Fürsten erwies, waren wirklich erstaunlich. Niemand bleibt in seiner Gegenwart stehen, sondern Jeder wirft sich zu Boden, bevor er mit ihm spricht. Man bedient ihn knieend, und es geht so weit, daß selbst sein vierjähriges Kind die Händchen faltet, wenn es mit ihm plaudert.
Bougainville benützte den Aufenthalt in Surabaya, um in den Bergen von Tengger den Vulcan Broumo zu besuchen. Dieser Ausflug, bei dem er auf eine Strecke von fast hundert Meilen durch die Insel kam, gehört zu den interessantesten von allen.
Surabaya enthält merkwürdige Bauten, meist das Werk eines früheren Gouverneurs, des Generals Dändels, unter anderen den Bauhof, das Münzhotel, das einzige seiner Art in Java, und das Hospital mit vierhundert Lagerstätten auf einem recht gut gewählten Platze.
Die vor Surabaya gelegene Insel Madura, welche bei hundert Meilen Länge fünfzehn bis zwanzig Meilen Breite hat, erzeugt nicht genug, um ihre Bevölkerung zu ernähren, obwohl letztere nur dünn gesäet ist.
In die Herrschaft über diese Insel theilen sich der Sultan von Bacalan und der von Sumanap, welche den Holländern jährlich, abgesehen von außerordentlichen Aushebungen, sechshundert Mann Recruten stellen.
Seit dem 20. April hatten sich die ersten Symptome von Dysenterie gezeigt. Zwei Tage später gingen die Schiffe unter Segel. Sie brauchten sieben volle Tage, um die Meerenge von Madura zu passiren, fuhren dann an der Küste von Lombock hinauf und segelten durch die Allaß-Straße zwischen Lombock und Sumbava.
Die erste dieser Inseln bietet vom Fuße der Berge bis zum Meere mit ihrem grünen Teppich, aus dem da und dort zierliche Baumgruppen emporragen, einen reizenden Anblick. An dieser Küste fehlt es nicht an guten Ankerplätzen, und Wasser nebst Holz findet sich in Menge.
Auf der anderen Seite erheben sich kahle Bergkuppen und ein hohes Gestade, zu dem eine Kette steiler und nicht anzulaufender Inseln jede Annäherung unmöglich macht; hier muß der Schiffer auch vor den Korallen im Grunde und vor trügerischen Strömungen auf der Hut sein.
Ein zweimaliger Aufenthalt bei den Dörfern Baly und Peejow zum Zwecke der Einnahme von Nahrungsmitteln gestattete den Officieren, diesen Theil der Küste hydrographisch aufzunehmen.
Nach der Ausfahrt aus der Meerenge suchte Bougainville vergeblich nach der Insel Cloates, was sehr erklärlich erscheint, da schon seit achtzig Jahren Schiffe über den Punkt, wo diese liegen sollte, hinweggefahren waren. Die Trials, jene Felsen, welche das Schiff »Fredensborgs-Slot« im Jahre 1777 auffand, wären nach dem Kapitän King nichts Anderes als die Montebello-Inseln, auf welche die Beschreibung der dänischen Seefahrer vollkommen paßte.
Bougainville's Instructionen enthielten auch den Auftrag, die Umgebung des Schwanenflusses zu untersuchen, wo die französische Regierung einen Ort zu finden glaubte, um die unglücklichen Gefangenen aus den Bagnos dahin zu schaffen. England hatte aber seine Flagge auf dem Nuits- und Leuwin-Land, im Hafen Roi Georges, in der Bai des Geographen, dem kleinen Hafen Leschenaut und an dem Schwanenflusse gehißt. Die beabsichtigte Untersuchung wurde damit also gegenstandslos. So wie die Umstände lagen, mußte man von Anfang an auf dieselbe verzichten, schon wegen der Verzögerung der französischen Expedition, welche, statt im Monat April hier einzutreffen, erst gegen Mitte des Mai, d. h. mitten im Winter dieser Gegenden, daselbst ankam. In der That bietet die Küste hier keinerlei Schutz; sobald der Wind sich erhebt, entsteht ein furchtbarer Wellenschlag, und die Erinnerung an die Gefahren, welche die »Geographe« einst hier zu bestehen hatte, lebte noch zu frisch im Geiste der Franzosen.
Die schlechte Witterung begleitete die »Thetis« und »Espérance« bis nach Hobart-Town, das umfänglichste Etablissement der Engländer auf Van-Diemens-Land. Trotz des lebhaften Wunsches, den der Commandant hegte, hier anzulaufen, mußte er doch des Sturmes wegen darauf Verzicht leisten und bis Port Jackson hinaufsegeln.
Den Eingang desselben bezeichnet ein schöner Leuchtthurm aus Granit von sechzig Fuß Höhe, dessen mit Gas gespeiste Laterne bei klarem Wetter acht bis neun Meilen weit zu sehen war.
Der Gouverneur, Sir Thomas Brisbane, empfing die Expedition ungemein freundlich und traf sofort alle erforderlichen Maßregeln, um den nöthigen Proviant zu beschaffen. Es wurde dazu eine Submission veranstaltet, welche den erhofften Zweck nach Wunsch erfüllte.
Die Korvette mußte auf den Strand gesetzt werden, um die nöthigen Reparaturen am Rumpfe derselben vornehmen zu können; diese Arbeiten sowohl wie die geringfügigeren, welche die »Thetis« veranlaßte, nahmen nur wenig Zeit in Anspruch.
Uebrigens wurde der Aufenthalt von dem Officiercorps nach Kräften ausgenützt, da sich dieses für die wunderbaren Fortschritte der Strafkolonie auf's höchste interessirte. Während Bougainville alle Werke, welche bisher über Neu-Süd-Galles erschienen waren, begierig studirte, durchstreiften die Officiere die Stadt und erstaunten sehr über die unzähligen Bauten, welche der Gouverneur Macquarie hat errichten lassen, wie Kasernen, das allgemeine Krankenhaus, Markthallen, Pflegeanstalten für Waisen, bejahrte Leute und Geistesschwache, das Gefängniß, Forts und der Regierungspalast, Springbrunnen, Stadtthore, endlich die »Ställe der Regierung«, welche Jedermann auf den ersten Anblick für deren eigenen Palast selbst halten könnte.
Das freundliche Bild verdüsterten freilich auch einzelne Schatten. Die breiten, geraden Straßen waren nicht gepflastert und in der Nacht recht unsicher, so daß mehrere Personen inmitten der großen Georges-Street, d. i. die bewohnteste Straße von Sidney, überfallen und beraubt werden konnten. Wenn das schon in den städtischen Straßen vorkam, so kann man sich denken, daß die Umgebungen noch weit unsicherer waren. Vagabundirende Sträflinge durchzogen in Banden von sogenannten »Busch-rangers« (Strauchdieben) die Landschaft, und hatten sich so sehr vermehrt, daß die Regierung einzig zum Zwecke ihrer Verfolgung eine Compagnie von fünfzig Dragonern errichten mußte.
Die französischen Officiere unternahmen auch mehrere interessante Ausflüge nach Parramatta am Ufer des Nepeau, eines sehr eingeengten Flusses, wo sie die Domäne Regentville besichtigten; ferner nach den Ebenen von Emu, einem stattlichen Etablissement für Landbau und gleichzeitig Musterfarm, endlich besuchten sie auch das Theater, wo ihnen zu Ehren eine Festvorstellung gegeben wurde.
Man weiß, wie gern im Allgemeinen die Seeleute ein Pferd besteigen. Auf solchen aber begaben sich die Franzosen nach den Ebenen von Emu. Die edlen, aus England eingeführten Thiere waren auch hier nicht entartet und immer sehr lebhaft, wovon sich einer der jüngeren Officiere selbst überzeugen sollte. Sich an unseren Führer, Herrn Cox, wendend, sagte er zu diesem in gutem Englisch: »Ich liebe das Reiten sehr!« – da lag er auch schon, vom Pferd geworfen, im Grase und mußte das Lachen der Anderen noch in den Kauf nehmen, zumal da der geschickte Reiter ohne weiteren Schaden davon kam.
Jenseits der Kulturen des genannten Herrn Cox erstreckt sich der Wald, der »Offene Wald«, wie die Engländer sagen, den man zu Pferde passiren kann, wo nichts den Weg versperrt, ein Wald aus Eukalypten und verschiedenen Akazienarten, nebst Casuarinen mit ihrem dunklen Laubwerke.
Am nächsten Tage unternahm man mit Booten eine Spazierfahrt auf dem Nepean, einem Zuflüsse des Hawkesbury. Dieser Ausflug erwies sich für die Naturgeschichte als sehr fruchtbar. Bougainville bereicherte seine Sammlung mit Enten, Wasserhühnern, einer recht hübschen Species des Taucherkönigs, »Kingsfisher« genannt, und mit Cacudus. In den Wäldern vernahm man den unangenehmen Schrei des Leiervogels und zwei anderer Vögel, von denen einer das Klingen einer Schelle, der andere das Kreischen einer Säge zum Verwechseln nachahmt. Das sind jedoch nicht die einzigen Vögel, welche wegen der Eigenthümlichkeit ihrer Stimme die Aufmerksamkeit erregen; außer jenen ist noch der »Pfeifer«, der »Scheerenschleifer« und der »Kutscher« zu nennen, welch' letzterer das Knallen der Peitsche nachahmt, sowie der »Laghing jakaß«, der unaufhörlich lacht, so daß es einem zuletzt die Nerven erregt.
Sir John Cox beschenkte den Commandanten auch mit einem Paar Wassermaulwürfen, den sogenannten Arnithorynken. Die Lebensweise dieser merkwürdigen Amphibien war den europäischen Naturkundigen noch sehr wenig bekannt, und viele Museen besaßen überhaupt kein Exemplar derselben.
Ein fernerer Ausflug galt den Blauen Bergen, wo man das berühmte Königsplateau, »Kings Table-Land«, besuchte, das eine prächtige Aussicht bietet. Nur mit großer Anstrengung gelangt man auf dasselbe hinauf, und plötzlich sieht man unter seinen Füßen sich einen Abgrund von sechzehnhundert Fuß Tiefe öffnen; es ist ein unendlicher Teppich mit saftigem Grün, der sich von diesem Punkte aus auf zwanzig Meilen hin ausbreitet; zur Linken und zur Rechten zeigte sich der Berg, wahrscheinlich durch ein Erdbeben, zerrissen, denn die klaffenden Ränder paßten überall noch vollkommen zu einander; ganz in der Nähe stürzt sich ein Bergstrom herab, der in schäumenden Wasserfällen den Grund des Thales erreicht; es ist das der unter dem Namen »Aspley's Water-Fall« bekannte Katarakt. Ferner nahm man an einer Kängurujagd in den Cox-Pastures mit Herrn Mac Arthur theil, einem der Männer, denen Neu-Süd-Galles sein Gedeihen vorzüglich verdankt.
Bougainville legte während seines Aufenthaltes in Sidney auch den Grundstein eines Denkmals zu Erinnerung an La Pérouse. Dasselbe wurde in Botany-Bai an derselben Stelle errichtet, wo sich das Lager des berühmten Seefahrers befunden hatte.
Am 21. September endlich gingen die »Thetis« und die »Espérance« unter Segel. Sie kamen in weiter Entfernung bei Pitcairn vorüber, ferner bei der Osterinsel und bei Juan Fernandez, jetzt einem Deportationsorte für chilenische Verbrecher, nachdem es ein halbes Jahrhundert lang im Besitze der Spanier gewesen war, die hier den Weinstock anpflanzten. Am 23. November ankerte die »Thetis«, welche bei einem dichten Nebel die »Espérance« verloren hatte, in Valparaiso, wo sie die Division des Admirals Rosamel antraf.
Auf der Rhede herrschte jetzt recht reges Leben; der damalige Dictator, General Ramon Freire y Serrano, den wir schon früher erwähnten, bereitete eben einen Kriegszug gegen die Insel Chiloe vor, die sich noch in spanischem Besitze befand.
Bougainville stimmt vollkommen mit dem russischen Reisenden Lütke darin überein, daß die Lage Valparaisos seinen Namen nicht im geringsten rechtfertigt. Die Straßen desselben sind schmutzig, eng und so steil, daß man darin nur schwierig fortkommt. Der einzige freundliche Theil ist die Vorstadt Almendral, welche, an Gärten und Weinberge gelehnt, ohne den entsetzlichen Staub, den der Wind hier zu jeder Jahreszeit aufwirbelt, noch angenehmer erscheinen würde. Im Jahre 1811 zählte Valparaiso nur vier- bis fünftausend Seelen; 1825 hatte sich diese Volkszahl verdreifacht und war noch immer in raschem Wachsthum begriffen.
Als die »Thetis« hier vor Anker lag, befand sich auch die englische Fregatte »La Blonde« daselbst, unter dem Befehle des Lord Byron, dem Enkel des Forschers, dessen Entdeckungen wir erzählt haben. Durch ein mindestens merkwürdiges Zusammentreffen hatte dieser eben auf der Insel Hawaï ein Denkmal zu Ehren Cook's gesetzt, als Bougainville, der Sohn des Erdumseglers, dem Byron in der Magellanstraße begegnete, in Neu-Süd-Galles den Grundstein zu dem Denkmale La Pérouse's legte.
Bougainville benutzte die lange Zeit, welche die Einnahme von Proviant für die Division in Anspruch nahm, zu einem Ausflug nach Santiago, der dreißig Meilen landeinwärts gelegenen Hauptstadt Chilis.
Die Umgebungen dieser Stadt sind entsetzlich kahl, ohne Wohnstätten oder cultivirte Ländereien. Man bemerkt die Nähe der Stadt erst an den auftauchenden Glockenthürmen und glaubt noch in den Vorstädten zu sein, wenn man sich schon in der Mitte derselben befindet. An öffentlichen Bauten fehlt es indessen nicht; zu erwähnen sind davon das Münzhôtel, die Universität, der erzbischöfliche Palast, die Kathedrale, die Jesuitenkirche und das Schauspielhaus, letzteres freilich so schlecht beleuchtet, daß man darin das Gesicht der Zuschauer nicht erkennen kann. An Stelle der Alameda war jetzt die Cañada getreten, wo sich die feine Welt des Abends an den Ufern des Rio Mapocho versammelte. Nachdem man die Merkwürdigkeiten der Stadt erschöpft, wandte man sich den Umgebungen zu und besuchte den Salto de agua, einen Wasserfall von zweihundert Toisen Höhe, nachdem man nur schwierig hinaufgelangt, und den Cerito de Santa Lucia, auf dem sich ein kleines Fort, das einzige Vertheidigungswerk der Stadt, erhebt.
Die Jahreszeit schritt voran, und man hatte keine Zeit mehr zu verlieren, um nicht die für die Umschiffung des Cap Horn günstigere Zeit verstreichen zu lassen. Am 8. Januar 1826 stachen die beiden Fahrzeuge denn wieder in See. Sie doublirten das Cap ohne Unfall, konnten wegen fortwährender Nebel und heftigen Gegenwinden an den Malouinen nicht landen und warfen am 8. März auf der Rhede von Rio de Janeiro Anker.
Hier lagen die Verhältnisse besonders günstig, um den Franzosen zu gestatten, die ganze Stadt und den Hof gründlich kennen zu lernen.
»Der Kaiser, sagt Bougainville, war bei unserer Ankunft noch auf einer Reise, und dessen Rückkehr gab zu Festen und Gelagen Veranlassung, welche die ganze Bewohnerschaft in Bewegung setzten, weil sie für eine kurze Zeit die Eintönigkeit, welche sonst in dieser, für Fremde geradezu langweiligen Stadt herrscht, glücklich unterbrachen. Die Umgebungen derselben sind jedoch entzückend, und der ungeheure Hafen, das Rendezvous aller auf dem Atlantischen Ocean handeltreibenden Nationen, bietet ein ungemein belebtes Bild; jeden Augenblick laufen hier Schiffe aus oder ein, kreuzen sich die Boote, oder donnern die Kanonen der salutirenden Kriegsschiffe oder die der darauf antwortenden Festungswerke, wenn diese nicht wegen eines Jahrestages oder bei Gelegenheit des Festes irgend eines Heiligen abgefeuert werden; endlich tauschen die Officiere der fremden Marinen Höflichkeiten gegeneinander aus, indem sie entweder sich gegenseitig, oder die diplomatischen Vertreter beim Hofe von Rio de Janeiro besuchen.«
Am 11. April segelte die Division wieder ab und lief am 24. Juni 1826 in Brest ein, ohne von Rio de Janeiro aus irgendwo noch einmal gehalten zu haben.
Wenn Bougainville während dieser Reise auch keine neue wichtige Entdeckung machte, so muß man sich dabei seiner Instructionen erinnern, welche ihm nur vorschrieben, die französische Flagge an denjenigen weit entfernten Plätzen zu zeigen, wo sie bisher nur selten gesehen worden war.
Man verdankt diesem Officier dennoch viele interessante und zum Theil neue Aufschlüsse über die von ihm besuchten Länder. Verschiedene von der Division ausgeführte Arbeiten versprachen späteren Seefahrern wichtige Dienste zu leisten, und man muß anerkennen, daß der hydrographische Theil – die einzige Wissenschaft, welche man aus Mangel an Specialgelehrten zu pflegen im Stande war – zahlreiche und verläßliche Ergebnisse lieferte. Man kann mit dem Commandanten der »Thetis« nur übereinstimmen, wenn er in seiner Vorrede bedauert, daß die Regierung und die Akademie der Wissenschaften es nicht für angezeigt hielten, diese Fahrt zu benützen, um neue Erfahrungen aller Art zu sammeln, welche die reichen Schätze der von Bougainville's Vorgängern gesammelten Aufschlüsse gewiß noch vermehrt hätten. –
Die Expedition, mit der der Kapitän Dumont d'Urville betraut wurde, sah der Marineminister nur für ein Mittel an, die beträchtliche Menge wissenschaftlicher Ausbeute, welche Kapitän Duperrey von 1822 bis 1824 gesammelt hatte, zu vervollständigen.
Kein Officier eignete sich hierzu mehr als Dumont d'Urville, der als zweiter Officier Duperrey's gedient und auch den Plan zu dieser Fahrt bis in alle Einzelheiten ausgearbeitet hatte. Die Theile Oceaniens, welche er erforschen wollte, weil sie seiner Meinung nach die Aufmerksamkeit des Geographen und Reisenden vor Allem verdienten, waren Neu-Seeland, die Fidschi-Inseln, der Loyalty-Archipel, Neu-Britannien und Neu-Guinea.
Wir werden, wenn wir dem Reisenden Schritt für Schritt folgen, sehen, wie weit er diese Aufgabe vollendete.
An diese Expedition knüpfte sich auch noch ein Interesse anderer Art; doch lassen wir lieber die dem Seefahrer eingehändigte Instruction selbst sprechen.
»Ein amerikanischer Kapitän, heißt es darin, will in den Händen von Eingebornen einer Insel zwischen Neu-Caledonien und den Luisiaden ein Ludwigs-Kreuz und Medaillen gesehen haben, welche von dem Schiffbruche des berühmten Seefahrers La Pérouse herrühren könnten, dessen Verlust so schmerzlich bedauert wurde. Es ist freilich nur sehr geringe Hoffnung vorhanden, daß die Opfer jenes Unfalles daselbst noch lebten; doch würden Sie Seiner Majestät ein großes Vergnügen bereiten, wenn es Ihnen gelingen sollte, nach so vielen Jahren des Elends und der Verbannung einen der unglücklichen Schiffbrüchigen seinem Vaterlande wieder zuzuführen.«
Das der Expedition gesteckte Ziel war also ein vielfaches; der Zufall begünstigte sie aber in dem Maße, daß es gelang, fast alle erwarteten Resultate zu erreichen.
Im Monat December 1825 erhielt Dumont d'Urville seinen Commandobrief und wurde ermächtigt, alle Personen, die ihn begleiten sollten, selbst auszuwählen. Zu seinem zweiten Officier ernannte er Jacquinot und wählte als wissenschaftliche Mitarbeiter Quoy und Gaimard, welche die Fahrt der »Uranie« mitgemacht hatten, und als Arzt Primivère Lesson.
Als Fahrzeug suchte er sich die »Coquille« aus, deren vortreffliche Eigenschaften er ja kannte; er gab ihr nur zur Erinnerung an La Pérouse den Namen »Astrolabe« und schiffte auf derselben achtzig Mann Besatzung ein. Am 25. April 1826 wurden die Anker gelichtet und bald hatte man die Berge von Toulon und die Küsten Frankreichs aus den Augen verloren.
Nach kurzem Aufenthalte in Gibraltar hielt die »Astrolabe« bei Teneriffa an, um vor der Ueberfahrt über den Atlantischen Ocean einige frische Lebensmittel einzunehmen. Der Commandant benützte diese Station, um den Pic von Teyde zu besteigen. D'Urville, nebst Quoy, Gaimard und einigen Officieren, folgte einem ziemlich schlechten Wege durch die mit Schlacken bedeckte Landschaft.
Je mehr man sich aber Laguna nähert, desto anziehender wird die Scene. Diese ziemlich große Stadt hat nur eine geringe, indolente arme Einwohnerschaft.
Von Matanza bis Orotava findet sich eine herrliche Vegetation, und der Weinstock mit seinen grünen Reben verleiht dem reichen Bilde noch einen besonderen Reiz.
Orotava ist eine kleine Seestadt, deren Hafen nur sehr mangelhaften Schutz bietet; gut gebaut und angelegt, würde sie vielleicht angenehm zu nennen sein, wenn die steilen Abhänge in deren Straßen nicht den Verkehr zu sehr erschwerten.
Nach dreistündigem Steigen durch wohl angebaute Felder gelangt man in die Region der Kastanien. Jenseits der letzteren beginnen die Wolken und der Reisende schreitet, völlig durchnäßt von dem dichten Nebel, unter nicht besonders angenehmen Empfindungen dahin. Noch weiter oben fängt die Region des Haidekrautes an; über dieser klärt sich dann die Atmosphäre, die Pflanzen verschwinden gänzlich und der Boden wird mager und unfruchtbar. Hier findet man dann nur zersetzte Laven, Schlacken und Bimssteine in Menge, während ein ungeheueres Wolkenmeer unter den Füßen des Wanderers wogt.
Bisher von den Wolken oder den hohen ihn umgebenden Bergen verdeckt, wird der Pic endlich sichtbar. Die Steigung ist jetzt nicht mehr so groß und man überschreitet ausgedehnte Ebenen von trostloser Traurigkeit, welche die Spanier ihrer Nacktheit wegen »Cañadas« genannt haben.
Um zu frühstücken, rastete man in der Piniengrotte, bevor man sich anschickte, die gewaltigen Basaltstücke zu erklimmen, welche, im Kreise angeordnet, die Umgebung des Kraters bilden, der heutzutage ziemlich von Asche ausgefüllt ist.
Nun begiebt man sich nach dem eigentlichen Pic, nach dem eine Art Esplanade, deren Namen Estancia de los Ingleses ist, hinaufführt.
Hier verbrachten die Reisenden die Nacht, zwar nicht so gut wie in ihren Kabinen, doch ohne allzu viel von der sogenannten Bergkrankheit zu leiden, die anderen Reisenden so fühlbar zugesetzt hatte. Nur lieferten ihnen die Flöhe eine förmliche Schlacht, bei welcher der Commandant kein Auge zuzuthun vermochte.
Um vier Uhr Morgens brach man wieder auf und erreichte bald eine Esplanade, welche Alta Vista heißt. Von hier aus giebt es nun keinen Weg mehr und man muß unter großen Beschwerden bis nach dem Zuckerhute klettern, wobei man fortwährend an Schneemassen vorüberkommt, die, geschützt vor den Sonnenstrahlen, niemals zum Schmelzen kommen. Der Gipfel ist sehr steil und dessen Besteigung um so beschwerlicher, als die Bimssteine, auf die man tritt, immer abwärts rollen und das Fortkommen verhindern.
»Um sechs Uhr dreißig Minuten, sagt Dumont d'Urville, kamen wir auf den Gipfel des Zuckerhutes an. Es ist das offenbar ein halb geschlossener Krater mit dünnen, ausgeschweiften Wänden, dessen Tiefe sechzig bis achtzig Fuß beträgt und der außen mit Obsidiantrümmern, Bimssteinen und Lavablöcken bedeckt ist. Am Rande desselben dringen Schwefeldämpfe hervor und bilden sozusagen eine Rauchkrone, während der Grund völlig erkaltet erscheint. Auf dem Gipfel wies das Thermometer elf Grad; doch glaube ich, daß es dabei noch von den Dampfausströmungen beeinflußt wurde; denn im Grunde des Kraters zeigte es, nach neunzehn Grad in der Sonne, nur noch eine Temperatur von neuneinhalb Grad im Schatten.«
Das Herabsteigen ging auf einem anderen Wege ohne Unfall vor sich, wobei die Reisenden noch Cueva de la Nieve besichtigten und den Wald von Agua Garcia besuchen konnten, den ein klarer Bach durchströmt, und wo d'Urville viele Pflanzenexemplare sammelte.
In Santa Cruz sah der Commandant in dem Kabinet des Major Megliorini, inmitten von Waffen, Muscheln, Thieren, Fischen und höchst verschiedenen Gegenständen auch eine complete Guanche-Mumie, welche die einer Frau sein sollte. Sie lag in genähte Felle eingehüllt und maß in der Länge etwa fünf Fuß vier Zoll; die Hände waren groß, und die Gesichtszüge schienen ziemlich regelmäßig gewesen zu sein.
Die Gräberhöhlen der Guanchen enthielten Vasen aus Thon oder Holz, dreieckige Petschafte aus gebranntem Lehm und eine Menge Scheibchen aus demselben Material, welche, in Form von Rosenkranzkugeln aufgereiht, dieser verschwundenen Race vielleicht zu demselben Zwecke gedient haben, wie die »Guipos« den Peruanern.
Am 21. Juni ging die »Astrolabe« wieder unter Segel und lief la Praya an den Inseln des Grünen Vorgebirges an, wo d'Urville den englischen Kapitän King zu treffen hoffte, von dem er wichtige Mittheilungen betreffs der Fahrt an den Küsten Neu-Guineas zu erhalten erwartete. Dieser hatte la Praya leider schon seit sechsunddreißig Stunden verlassen. Die »Astrolabe« nahm deshalb schon am folgenden Tage, dem 30. Juni, ihren Weg wieder auf.
Am letzten Juli kamen die Felseninseln Martin Vaz und Trinidad in Sicht. Die letztere schien vollkommen unfruchtbar zu sein, denn man gewahrte auf derselben nur ein sehr dürftiges Grün nebst einzelnen verkrüppelten Bäumen, welche in Felsenspalten wurzelten.
D'Urville hatte zwar lebhaft gewünscht, wenigstens einige botanische Nachforschungen auf der verlassenen Insel vorzunehmen; die Brandung an der Küste erwies sich aber als so heftig, daß er es nicht für gerathen hielt, ein Boot durch dieselbe zu entsenden.
Am 4. August segelte die »Astrolabe« über der Stelle, wo die Insel Saxembourg liegen sollte, die endlich von den französischen Seekarten verschwinden dürfte, wie es bezüglich der englischen schon lange geschehen war; später kam man, unter einer Reihe heftiger Windstöße, welche das Schiff beträchtlich anstrengten, in der Nähe der Inseln St. Paul und Amsterdam vorüber, und am 7. October ankerte das Fahrzeug im König Georgs-Hafen an der Küste von Australien.
Trotz des heftigen Seeganges, und der fast ausnahmslos schlechten Witterung während der hundertacht Tage, welche die »Astrolabe« auf dem Meere zugebracht, unterließ d'Urville doch niemals seine gewohnte Beobachtung über die Wirkungen des Rollens des Schiffes, über die Höhe der Wellen an der Nadelbank, welche er zu achtzig bis hundert Fuß schätzte, und gleichzeitig über die Temperatur des Meerwassers in verschiedenen Tiefen.
Als Kapitän Jacquinot am rechten Ufer der engen Einfahrt zur Prinzessinnen-Bai einen schönen Wasserplatz, und unfern davon einen geeigneten Punkt zur Errichtung eines Observatoriums ausfindig gemacht hatte, schlugen die Segelmacher daselbst bald Zelte auf, während einige Officiere eine Rundfahrt um die ganze Bai unternahmen und andere mit einzelnen Urbewohnern Verbindungen anzuknüpfen suchten.
Einer der letzteren ließ sich bestimmen, an Bord zu kommen. Man hatte alle mögliche Mühe, ihn zum Weglegen eines brennenden Banksiazweiges zu bewegen, den er zu tragen gewohnt war, um immer Feuer bei der Hand zu haben, und sich den Leib und überhaupt die Vorderseite des Körpers damit zu erwärmen. Uebrigens verweilte er sehr ruhig zwei Tage lang an Bord und aß und trank seelenvergnügt vor dem Küchenherde. Seine am Lande zurückgebliebenen Landsleute bemühten sich unaufhörlich, ihre friedliche Gesinnung an den Tag zu legen, und scheuten sich sogar nicht, drei ihrer Kinder nach dem Lagerplatze mitzubringen.
Während des hiesigen Aufenthaltes erschien auch ein von acht Engländern besetztes Boot. Sie erzählten eine wenig glaubhafte Geschichte, wie sie hier zurückgelassen worden wären, welche den Befehlshaber auf den Gedanken brachte, daß die Leute wohl entlaufene Sträflinge sein möchten, eine Vermuthung, die sich durch die verdutzten Gesichter derselben zur Gewißheit erhob, als man ihnen vorschlug, sie nach Port Jackson zurückzubefördern. Am folgenden Tage trat jedoch einer derselben als Matrose ein, zwei andere meldeten sich als Passagiere; die fünf letzten zogen es jedoch vor, am Strande zu bleiben und die elende Existenz, die sie inmitten der Wilden hatten, fortzuführen.
Inzwischen wurden die hydrographischen und astronomischen Beobachtungen fortgesetzt, während die Jäger und die Naturforscher sich bemühten, neue Pflanzen- und Thierspecies einzusammeln. Der bis zum 24. October sich hinziehende Aufenthalt gab der Mannschaft Gelegenheit, sich von der beschwerlichen Reise bis hierher ordentlich zu erholen, die nöthig gewordenen Reparaturen auszuführen, Holz und Wasser zu fassen, einen Plan der Umgegend aufzunehmen und werthvolle vegetabilische und zoologische Sammlungen anzulegen.
Nach den von ihm angestellten vielseitigen Beobachtungen verwunderte es d'Urville, daß die Engländer am König Georgs-Hafen noch keine Niederlassung begründet hatten, da dieser ebenso für die von Europa direct nach Neu-Süd-Galles steuernden Schiffe, wie für diejenigen, welche bei ungünstigem Jahreszeitenwinde um das Cap nach China oder den Sunda-Inseln segeln, gleich günstig gelegen war.
Die Erforschung der Küste wurde bis Port Western fortgesetzt, welchen Ankerplatz d'Urville dem Hafen Dalrympe vorzog, bei dem Ein- und Ausfahrt stets mit Schwierigkeiten, oft mit Gefahren verknüpft sind. Port Western war bisher übrigens nur aus den Berichten Baudin's und Flinders' bekannt; es erschien also nutzbringender, diese noch wenig besuchte Stelle in Augenschein zu nehmen. Die schon im König Georgs-Hafen betriebenen Arbeiten wurden ebenso auch in Port Western fortgesetzt und führten den Commandanten zu folgenden Schlüssen:
»Port Western, sagt er, bildet einen zum Ein- wie zum Aussegeln gleichmäßig geeigneten Ankerplatz; der Grund desselben ist ausgezeichnet und Holz daselbst leicht zu beschaffen. Mit einem Worte, sobald es gelungen sein wird, noch einen bequemen Wasserplatz aufzufinden (woran auf die Dauer nicht zu zweifeln ist), wird derselbe einen sehr wichtigen Zufluchtsort in einer Meerenge, wie der Baß-Straße, darstellen, wo steife Winde oft tagelang in der nämlichen Richtung wehen und Strömungen die Schifffahrt unter solchen Umständen als sehr gefährlich erscheinen lassen.«
Vom 19. November bis zum 2. December segelte die »Astrolabe« weiter an der Küste, ohne anderen Aufenthalt als in der Jervis-Bai hin, wo man prächtige Eukalypten-Wälder fand.
Die Aufnahme der Franzosen in Port Jackson seitens des Gouverneurs Darling und der Kolonialbehörden war so herzlich als möglich, obwohl d'Urville's wiederholtes Verweilen an verschiedenen Punkten Neu-Hollands die englische Regierung einigermaßen beunruhigt hatte.
Seit drei Jahren war die Stadt wieder ganz auffallend gewachsen und schöner geworden, und obschon die Bevölkerung der Kolonie noch nicht auf 50.000 Seelen geschätzt wurde, gründeten die Engländer doch fortwährend neue Niederlassungen.
Der Commandant sandte von Sidney aus Depeschen nach Frankreich, begleitet von einigen Kisten mit Naturproducten. Dann ging er, nach vollendeter Einnahme neuen Proviants und anderer nothwendiger Gegenstände, wieder unter Segel.
Es scheint uns nutzlos, mit Dumont d'Urville in Neu-Süd-Galles zu verweilen: er widmet zwar der Geschichte und den Verhältnissen dieser Kolonie im Jahre 1826 einen ganzen Band seines Berichtes; wir haben davon indessen schon wiederholt zu sprechen gehabt. Wir verlassen also lieber mit ihm Sydney am 19. December und folgen dem Seefahrer durch die Windstillen, Meeresströmungen und Stürme, welche sein Eintreffen in der Tasman-Bai bis zum 14. Januar 1827 verzögerten.
Noch hatte sich keine Expedition mit der Untersuchung dieser, von Cook bei seiner zweiten Reise gesehenen Bai beschäftigt.
Mehrere Piroguen mit etwa zwanzig Eingebornen, darunter die Hälfte scheinbar Häuptlinge, legten an der »Astrolabe« an. Sie stiegen voll Vertrauen an Bord und einige verweilten daselbst mehrere Tage lang. Später kamen noch Andere, die in der Nähe ihren Lagerplatz aufschlugen, und nun begann ein friedlicher Tauschhandel.
Mehrere Officiere bestiegen die die Bai beherrschenden, mit dichtem Walde bedeckten Anhöhen.
»Da fanden sich, sagt d'Urville, keine Vögel, keine Insecten, nicht einmal Reptilien; das vollständige Fehlen jedes lebenden Wesens und die absolute Stille ringsum machten einen feierlichen und doch traurig stimmenden Eindruck.«
Vom Gipfel jener Höhen hatte der Commandant auch noch eine andere Bai, die Admiralitäts-Bai, bemerkt, die durch einen Kanal mit der, in welcher die »Astrolabe« lag, zusammenhing. Er wünschte dieselbe zu untersuchen, da sie, von oben aus gesehen, noch sicherer zu sein schien als die Tasman-Bai. Heftige Strömungen brachten ihn bei diesem Unternehmen aber wiederholt dem Untergange nahe. Wäre die »Astrolabe« an das felsige, schroffe Ufer geworfen worden, so ging das Schiff mit Mann und Maus verloren, ohne eine Spur von dem Schiffbruche zu hinterlassen. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen gelang es d'Urville jedoch, die enge Einfahrt zu passiren, was ihm nur den Verlust einiger Stücke des Kielschweines kostete.
»Um das Andenken an die Anwesenheit der »Astrolabe« hier zu sichern, heißt es in dem Berichte, nannte ich diese gefährliche Straße die Einfahrt der Franzosen; ohne dringenden Grund hierher zu gehen, würde ich indessen Niemandem rathen … Wir nahmen nun das schöne Wasserbecken, in dem wir uns befanden, mit aller Muße in Augenschein. Es verdient an und für sich gewiß die Lobsprüche, die ihm Cook zutheilte, und vorzüglich würde ich einen hübschen kleinen Hafen, einige Meilen südlich von der Stelle, wo jener Kapitän ankerte, warm empfehlen … Unsere Fahrt durch die Einfahrt der Franzosen lieferte den unwiderleglichen Beweis von der Inselnatur des Landes bei Cook's Cap Stephens. Dasselbe wird von Tavaï Pounamou durch das Bassin der Strömungen getrennt. Die Vergleichung der unserigen mit der von Cook entworfenen Karte zeigte recht deutlich, wie viel dessen Arbeiten noch zu wünschen übrig ließen …«
Die »Astrolabe« segelte bald darauf in die Cook-Straße ein, an der Königin Charlotte-Bai vorüber und umschiffte das, aus übereinander gethürmten Bergen gebildete Cap Palliser. Zu seinem großen Erstaunen überzeugte sich d'Urville, wie viele Ungenauigkeiten sich in die Arbeiten des großen englischen Seefahrers eingeschlichen hatten, und er weist in dem hydrographischen Theile seines Reiseberichtes auf verschiedene Punkte hin, wo er Fehler von fünfzehn bis zwanzig Minuten gefunden hat.
Des Commandanten Absicht ging nun dahin, die östliche Küste der Nordinsel Ika-Na-Mawi zu untersuchen, auf der man Schweine, doch keinen »Pounamou«, d. i. grünen Nephrit, findet, aus welchem die Neu-Seeländer ihre kostbarsten Geräthe herstellen, während die Südinsel eben diesen, dagegen keine Schweine liefert.
Zwei Eingeborne, welche trotz allen Abredens an Bord zu bleiben wünschten, wurden doch recht trübe gestimmt, als sie am Horizont die Küsten ihres heimatlichen Districts verschwinden sahen. Sie bedauerten jetzt, freilich zu spät, die Kühnheit, diese Reise gewagt zu haben. Das Wort Kühnheit sagt hier in der That nicht zu viel, denn sie fragten die Franzosen wiederholt, wann sie nun von diesen verzehrt werden würden, und erst nach Verlauf mehrerer Tage beruhigte sie nach dieser Seite die freundliche Behandlung durch die Fremden.
D'Urville segelte immer längs der Küste weiter. Die Caps Turn-again und Cook's Kidnappers wurden umschifft und die Unfruchtbare Insel mit ihrem Ipah kam in Sicht.
In Cook's Bai von Tologa brachten Eingeborne nach der Korvette Schweine und Kartoffeln, welche sie gegen ziemlich werthlose Gegenstände vertauschten. Als sich auch noch andere Piroguen zeigten, suchten die an Bord befindlichen Neu-Seeländer den Kapitän zu bestimmen, auf dieselben Feuer geben und ihre Landsleute tödten zu lassen. Als jene aber an Bord kamen, gingen sie ihnen entgegen und begrüßten sie auf's Freundschaftlichste. Dieses sonderbare Benehmen erklärt sich durch das gegenseitige Mißtrauen und die rege Eifersucht der Landesbewohner. »Sie wollten nur allein die von dem Besuche der Fremdlinge erhofften Vortheile genießen und schienen ganz verzweifelt, auch ihre Nachbarn daran theilnehmen zu sehen.« Daß diese Erklärung die richtige war, sollten weitere Erfahrungen bestätigen.
Auf der »Astrolabe« verweilte eben eine Anzahl Neu-Seeländer, darunter ein gewisser Shaki, den sein hoher Wuchs, die kunstreichere Tättowirung, das stolze Auftreten und die Unterwürfigkeit, mit der seine Landsleute sich an ihn wendeten, bald als Häuptling erkennen ließen. Als diese nun eine nur mit sieben bis acht Mann besetzte Pirogue an die Korvette heranrudern sahen, verlangten Shaki und die Anderen dringend von d'Urville, die Ankömmlinge niederschießen zu lassen; sie baten sich sogar Gewehre aus, um das selbst auszuführen. Die neu Angelangten waren aber kaum an Bord gestiegen, als alle daselbst Anwesenden sie mit größter Zuvorkommenheit begrüßten, und selbst Shaki, der vorher am heftigsten gegen jene eiferte, einen anderen Ton anschlug und ihnen ein paar Beile anbieten ließ, die er selbst erst erhandelt hatte.
Diese Häuptlinge von wildem, kriegerischem Aussehen und über und über tättowirtem Gesichte befanden sich kaum einige Minuten auf dem Schiffe, und d'Urville schickte sich eben an, mit Hilfe eines von Missionären veröffentlichten Wörterbuches einige Fragen an sie zu richten, als dieselben das Verdeck plötzlich verließen, in ihre Piroguen sprangen und so schnell als möglich das Weite zu gewinnen suchten.
Um sich ihrer zu entledigen, hatten ihre Landsleute denselben nämlich vorgelogen, daß sie auf der »Astrolabe« nicht sicher seien und die Franzosen die Absicht hätten, sie zu ermorden.
In der Bai von Tologa, deren ursprünglicher Name Houa-Houa lautet, verschaffte sich d'Urville die erste Kenntniß von dem »Kiwi«, und zwar durch eine, mit Federn dieses Vogels geschmückte Matte, ein Prachtstück der Eingebornen. Der an Größe etwa einem kleineren Truthahn gleich kommende Vogel soll, wie der Strauß, nicht eigentlich fliegen können. Man stellt demselben des Nachts mit Fackeln und Hunden nach.
Es ist das derselbe Vogel, der auch den Namen »Apteryx« erhalten hat. Was d'Urville von den Eingebornen über ihn hörte, erwies sich als ziemlich zutreffend. Der Apteryx von der Größe eines Hahnes und bräunlichem Gefieder steht dem Strauße nahe; er bewohnt dunkle, feuchte Waldungen und zieht nur des Abends nach Nahrung aus. Da ihm die Eingebornen schonungslos nachstellen, war diese merkwürdige Vogelart schon damals sehr vermindert und ist heute ungemein selten geworden.
D'Urville setzte die hydrographische Untersuchung der Küsten der Nordinsel Neu-Seelands weiter fort und traf täglich mit Eingebornen zusammen, die ihm Kartoffeln und Schweine brachten.
Nach Aussage der Eingebornen lagen die verschiedenen Stämme fortwährend mit einander im Kriege, und das soll der eigentliche Grund der Abnahme der Bevölkerung sein. Die Leute verlangten immer Gewehre, begnügten sich zuletzt aber mit Pulver, das man ihnen im Austausch gegen ihre Waaren überließ.
Am 20. Februar hatte die Korvette in der Nähe des Cap Runaway einen Sturm zu bestehen, der auch bis zum nächsten Tage anhielt und sie wiederholt zu versenken drohte.
Dann fuhr sie in die Bai des Ueberflusses ein, in deren Hintergrunde sich der Berg Edgecumbe erhebt, segelte hierauf längs des Ufers derselben hin und lief die Inseln Haute und Major an; die Witterung war während der ganzen Untersuchung aber so schlecht, daß die auf Grund derselben entworfene Karte wenig Vertrauen verdient.
Die Korvette gelangte hierauf nach der Bai Mercure, bekam die Insel de la Barrière in Sicht, drang in die Bai Shouraki ( alias Hauraki) ein, lief Poule-et-les-Poussins, so wie die »Armen Ritter« an und kam endlich nach der Bai der Inseln.
Die Stämme, welche d'Urville hier vorfand, waren mit einem Kriegszuge gegen die der Baien Shouraki und Waikato beschäftigt. D'Urville ging an's Land, um die von Cook nur unzulänglich erforschte Bai Shouraki zu untersuchen, und machte dabei die Wahrnehmung, daß Neu-Seeland in dieser Gegend eine Menge überaus sicherer Häfen und tieferer Wasserbecken besitzt. Da d'Urville erfahren hatte, daß man bei Verfolgung des Waï-Mogoïa-Flusses nach einer Stelle gelangen könne, die nur eine sehr kurze Wegstrecke von dem großen Hafen Manukau an der Nordküste der Insel trennte, schickte er mehrere Officiere aus, sich davon zu überzeugen, und erhielt jene Angaben bestätigt.
»Diese Entdeckung, sagt Dumont d'Urville, kann für etwaige Niederlassungen in der Bai Shouraki von großem Interesse werden, welches sich noch erhöhen dürfte, wenn weitere Untersuchungen lehren sollten, daß der Hafen von Manukau zur Aufnahme größerer Schiffe geeignet wäre, denn eine solche Niederlassung würde hier einen bequemen Zugang zu zwei Meeren, nach Osten und nach Westen hin, besitzen.«
Rangui, einer der »Rangatiras« oder Häuptlinge jener Gegend, hatte von dem Befehlshaber wiederholt Blei zum Kugelgießen erbeten, dieser solches aber immer verweigert. Als er absegeln wollte, meldete man d'Urville, daß das Blei von der Sonde entwendet worden sei. Der Befehlshaber machte Rangui darüber heftige Vorwürfe und sagte diesem in strengem Tone, daß es ehrbarer Leute unwürdig sei, solche Diebereien zu begehen. Der Vorwurf schien dem Häuptlinge sehr zum Herzen zu gehen, und er entschuldigte sich mit der Ausrede, das sei ohne sein Wissen und durch keinen seiner Gefährten geschehen.
»Bald nachher, heißt es in dem Berichte, erweckte das Schallen von kräftigen Hieben und ein jämmerliches Geheul aus der Pirogue Rangui's meine Aufmerksamkeit. Da sah ich, wie Rangui und Tawiti aus Leibeskräften mit Pagaien auf einen Mantel losschlugen, der einen Mann zu bedecken schien. Ich erkannte aber leicht genug, daß die beiden schlauen Häuptlinge nur gegen eine Bank der Pirogue wütheten. Nachdem diese Posse eine Weile angedauert hatte, zerbrach Rangui die Pagaie in den Händen. Der Geschlagene schien niederzustürzen und Rangui rief mich mit dem Bedeuten an, daß er den Dieb gezüchtigt habe, und fragte, ob ich nun befriedigt sei. Ich bestätigte dies, lachte aber innerlich über die List der Wilden, eine List, von der man übrigens bei anderen, in der Civilisation weiter vorgeschrittenen Völkern auch gelegentlich Beispiele findet.«
D'Urville nahm die schöne Insel Wa-Hiki in Augenschein und vollendete die Untersuchung des Kanals der »Astrolabe« und der Bai Hauraki. Er segelte nach Norden bis zur Bai der Inseln und zu dem Cap Maria Van Diemen, d. i. die nördlichste Spitze Neu-Seelands, »wohin sich die abgeschiedenen Geister der Waidouas begeben, um von hier aus ihren Flug nach den Hallen des ewigen Ruhmes oder den Abgründen der Finsterniß anzutreten«.
Die Bai der Inseln belebte zur Zeit der Anwesenheit der »Coquille« eine zahlreiche Bevölkerung, mit der damals recht freundliche Beziehungen zu Stande kamen. Jetzt war das Schweigen der Einöde an Stelle des regen Treibens der früheren Tage getreten. Der Ipah, oder vielmehr der Pah von Kahou-Wera, der einen fleißigen Stamm beherbergte, stand verlassen; der Krieg hatte hier mit allen seinen Schrecken gewüthet. Die streitbaren Schaaren von Songhui hatten geraubt, was sie erlangen konnten, und den ganzen Stamm von Paroa in alle Winde vertrieben.
In der Bai der Inseln hatten sich englische Missionäre niedergelassen. Trotz ihres Eifers konnten sie sich noch keiner Erfolge bei den Eingebornen rühmen und die Nutzlosigkeit ihrer Bemühungen lag klar zutage.
An dieser Stelle endigte übrigens die sehr umfassende hydrographische Aufnahme der Ostküste Neu-Seelands. Seit Cook's Zeit war keine so sorgfältige, mit so vielen Gefahren verknüpfte und eine so lange Küstenstrecke einschließende Untersuchung dieses Landes ausgeführt worden. D'Urville leistete mit dieser höchst gewissenhaften Arbeit der geographischen Wissenschaft wie der Schifffahrt einen sehr dankenswerthen Dienst. Er hatte unter plötzlichen und heftigen Stürmen ganz außergewöhnliche Eigenschaften entwickelt, ohne hier seiner vielfachen Strapazen und stets bewährten Opferwilligkeit zu erwähnen; dennoch ließ man ihn nach der Heimkehr nach Frankreich sehr unbeachtet oder übertrug ihm doch nur Aufgaben, die ihm keine Gelegenheit boten, sich auszuzeichnen, und denen jeder andere Kapitän ebenso gut gewachsen gewesen wäre.
Als D'Urville am 18. März 1827 Neu-Seeland verließ, steuerte er nach Tonga Tabu. Er bekam zunächst die Inseln Curtis, Macauley und Sunday zu Gesicht, suchte vergeblich die Insel Vasquez de Maurelle und gelangte am 16. April nach Namouka. Zwei Tage später sah er Eoa; bevor er jedoch Tonga Tabu erreichte, mußte er noch ein entsetzliches Unwetter erleben, das die »Astrolabe« dem Untergange nahe brachte.
Einige, seit langen Jahren auf Tonga Tabu ansässige Europäer theilten dem Commandanten alles Wissenswerthe bezüglich der Eingebornen mit. Drei Häuptlinge oder »Eguis« theilten sich hier in die Herrschaft, während der Oberpriester oder »Touïtonga«, der ein weitreichendes Ansehen genossen hatte, eben verbannt war.
Auf Tonga hatte sich eine wesleyanische Mission angesiedelt; man ersah aber aus Allem, daß diese Methodisten-Prediger keinen Einfluß auf die Eingebornen zu gewinnen vermochten; die wenigen Bekehrten wurden auch wegen ihrer Apostasie allgemein verachtet.
Als die »Astrolabe« vor Anker ging, nachdem sie glücklich allen Gefahren durch widrige Winde, Strömungen und Klippen entronnen, wurde sie sofort mit einer unglaublichen Menge von Früchten, eßbaren Wurzeln, Schweinen und Geflügel überschüttet, welche die Eingebornen fast gegen nichts vertauschten. D'Urville kaufte für die heimischen Museen auch gleichzeitig Waffen und mancherlei Erzeugnisse der Industrie dieser Wilden ein, z. B. Mordkeulen, meist aus Casuarinaholz und prächtig geschnitzt oder mit Perlmutter oder Walfischknochen kunstvoll ausgelegt.
Die Gewohnheit, sich ein oder zwei Fingerglieder als Sühnopfer für die Gottheit in schweren Krankheitsfällen abzuschneiden, bestand noch immer fort.
Seit dem 28. April hatten sich die Eingebornen stets sehr friedlich benommen, so daß es zu keinerlei Streitigkeiten kam, als d'Urville am 9. Mai mit fast allen Officieren einen Besuch bei dem hervorragendsten Häuptlinge, Namens Palou, abstattete. Dieser empfing sie ganz außergewöhnlich scheu und zurückhaltend, und wenig übereinstimmend mit den lärmenden und enthusiastischen Kundgebungen der früheren Tage. Das Benehmen der Insulaner rief auch das Mißtrauen des Befehlshabers wach, der, im Hinblick auf die geringe Zahl seiner auf der »Astrolabe« zurückgebliebenen Leute, eine lebhafte Besorgniß nicht unterdrücken konnte. Es war in seiner Abwesenheit jedoch nichts vorgekommen. Aber nur an der Aengstlichkeit Palou's scheiterte damals ein Complot, das auf nichts Geringeres abzielte, als auf die Gefangennahme des ganzen Stabes; mit der Mannschaft wäre man dann leicht genug fertig geworden, da ein Theil derselben sich heimlich danach sehnte, das sorgenlose Leben dieser Wilden zu theilen. So faßte der Commandant wenigstens die Sachlage auf. Die späteren Ereignisse sollten ihm hierin Recht geben.
Diese Befürchtung veranlaßte d'Urville, Tonga Tabu so schnell als möglich zu verlassen, und am 13. desselben Monats war Alles fertig, am folgenden Tage unter Segel zu gehen. Der Cadett Dudemaine ging eben noch auf der großen Insel spazieren, während der Cadett Faraguet mit neun Mann beschäftigt war, von dem Eilande Pangoï-Modou Wasser zu holen und die Fluth zu beobachten. Einer der Eguis, Tahofa, befand sich noch mit vielen Eingebornen auf der »Astrolabe«, als die Piroguen auf ein Zeichen des Häuptlings plötzlich abstießen und nach dem Lande ruderten. Man forschte noch nach den Ursachen dieser plötzlichen Flucht, als man auch schon bemerkte, wie die Matrosen auf Pangoï-Modou mit Gewalt fortgeschleppt wurden. D'Urville wollte schon ein Geschütz abfeuern lassen, hielt es aber für sicherer, ein Ruderboot an's Land zu schicken, welches zwei Mann und den Cadetten Dudemaine aufnahm. Als dasselbe Boot noch einmal ausgesendet wurde, um die Hütten am Strande in Brand zu stecken und womöglich einige Geißeln einzufangen, ward es mit Flintenschüssen empfangen. Ein Eingeborner wurde darauf getödtet und mehrere andere verwundet, aber auch ein Corpora! der Marinesoldaten hatte so viele Bajonettstiche erhalten, daß er zwei Stunden später den Geist aufgab.
D'Urville hegte natürlich wegen des Schicksals seiner Matrosen und des diese anführenden Faraguet die schlimmsten Besorgnisse. Es blieb ihm nichts übrig als ein Angriff auf das heilige Dorf Mafanga, das die Gräber mehrerer Häuptlingsfamilien enthält. Am folgenden Tage umringte aber diesen mit Erdwällen und Palissaden umgebenen Platz eine so zahlreiche Menge, daß gar nicht daran zu denken war, ihn durch einen Angriff in die Hände zu bekommen.
Man legte also die Korvette dichter an's Land und beschoß das Dorf, freilich ohne anderen Erfolg, als daß dadurch ein Insulaner zu Boden gestreckt wurde. Die erschwerte Beschaffung von Lebensmitteln, ein andauernder Regenfall und die fortwährende Unruhe, in welcher sie die Kanonade der Franzosen erhielt, bestimmten jedoch die Eingebornen, nachzugeben. Sie lieferten die Leute, denen übrigens kein Leid widerfahren war, aus, begleiteten den Friedensschluß mit einem Geschenke von Schweinen und Bananen, und am 24. Mai verließ die »Astrolabe« definitiv die Inseln der Freunde.
Es war übrigens die höchste Zeit, denn d'Urville's Lage erschien nach einer Mittheilung des Obersteuermannes kaum mehr haltbar, da er höchstens noch auf fünf oder sechs Matrosen sicher rechnen durfte, während die übrigen bei passender Gelegenheit Alle zu den Wilden übergelaufen wären.
Tonga Tabu ist madreporischen Ursprungs und besitzt eine sehr starke Humusdecke. Pflanzen aller Art und vorzüglich Bäume gedeihen hier vortrefflich; die Cocospalme, deren Schaft noch schlanker emporsteigt als anderwärts, und die Bananen gelangen zu wahrhaft wunderbarer Entwickelung. Das Land ist flach und einförmig; wer eine Viertelmeile in die Insel hineingekommen ist, braucht nicht weiter zu gehen, um von derselben eine richtige Vorstellung zu gewinnen. Die Bevölkerung beträgt etwa 7000 Köpfe mit ausgesprochen polynesischer Physiognomie.
»Sie vereinigen in sich, sagt d'Urville, die entgegengesetztesten Eigenschaften. Sie sind edelmüthig, gefällig und gastfreundlich, aber gleichzeitig beutegierig, frech und zur Verstellung geneigt. In demselben Augenblick, da sie den Fremden mit Zärtlichkeiten und Freundschaftsbeweisen überhäufen, überfallen sie ihn wohl auch und berauben ihn, wenn ihre Habgier oder Eigenliebe nur einigermaßen aufgestachelt wird.«
Die Bewohner von Tonga Tabu stehen den Einwohnern Tahitis an Intelligenz unzweifelhaft voran. Die Franzosen konnten sich nicht genug wundern über den vortrefflichen Zustand der Kawa-, Bananen- und Yams-Pflanzungen, über die besondere Sauberkeit der Wohnungen und die Zierlichkeit der Einfriedigungen. Auch die Befestigungskunst war ihnen nicht fremd, wie d'Urville selbst erfuhr, und sich auch bei einem Besuche des befestigten Dorfes Hifo überzeugen konnte, das er von soliden Palissaden und einem fünfzehn bis zwanzig Fuß breiten, halb mit Wasser gefüllten Graben umschlossen fand.
Am 25. Mai begann d'Urville die Untersuchung des Viti- oder Fidschi-Archipels. Er hatte zunächst das Glück, einen Eingebornen von Tonga zu treffen, der seines Handels wegen auf den Fidschis ansässig, früher schon Tahiti, Neu-Seeland und Australien besucht hatte. Dieser Mann, ebenso wie ein Insulaner aus Guaham, leistete dem Commandanten dadurch sehr wesentliche Dienste, daß er ihm die Namen von über zweihundert zu der Gruppe gehörigen Inseln angeben, und im voraus deren Lage und die der sie einschließenden Riffe bezeichnen konnte.
Gleichzeitig sammelte der Hydrograph Gressien das nöthige Material, um eine Karte der Fidschi-Inseln zu skizziren.
Eine Schaluppe erhielt Befehl, an der Insel Laguemba zu landen, wo ein Anker lag, den d'Urville, weil er zwei von den seinigen bei Tonga verloren hatte, gern zu haben wünschte. Anfangs sah Lottin, der jenes Boot befehligte, nur Weiber und Kinder am Ufer; bald liefen aber Bewaffnete herbei, trieben die Weiber zurück und trafen Anstalt, die Matrosen zu umzingeln und sich des Bootes zu bemächtigen. Ihre Absichten traten nur gar zu deutlich zutage; Lottin ließ also sofort das Boot wieder frei machen und erreichte den Strand, ehe es noch zu einem Zusammenstoße kam.
Achtzehn Tage lang kreuzte nun die »Astrolabe« trotz stürmischen Wetters und grober See im Archipel der Fidschis, besichtigte die Inseln Laguemba, Kandabon, Viti-Lebou, Oumbenga, Vatou-Lele, Ounong-Lebou, Mololo u. s. w. und vorzüglich den noch fast ganz unbekannten südlichen Theil der vielgliedrigen Gruppe.
Die Bevölkerung steht, nach d'Urville's Ansicht, auf der Grenze zwischen der kupferfarbenen oder polynesischen und der schwarzen oder melanesischen Race. Die Eingebornen erscheinen sehr muskulös und stark, womit auch ihr hoher Wuchs übereinstimmt. Sie sind Antropophagen und machen auch kein Hehl daraus.
Am 11. Juni steuerte die Korvette auf den Carteret-Hafen zu; sie fand dabei nach und nach die Inseln Eronnan und Annatom, die Loyaltys, eine Gruppe, von der d'Urville die Inseln Chabrol und Halgan entdeckte; ferner die kleine Gruppe der Beauprès-Eilande, die Riffe der Astrolabe, welche um so gefährlicher sind, als sie von den Beauprès-Eilanden gegen dreißig und von Neu-Caledonien gegen sechzig Meilen entfernt liegen, endlich die Insel Huon und die nördliche Reihe der neucaledonischen Riffe.
Von hier aus erreichte d'Urville die Luisiaden-Inseln binnen sechs Tagen; das schlechte Wetter aber, das an deren Küste herrschte, veranlaßte ihn, nicht den vorherbestimmten Kurs einzuhalten und die Torres-Straße zu vermeiden. Der Commandant meinte, daß die von ihm beabsichtigte Untersuchung der Südküste Neu-Britanniens und der Nordküste Neu-Guineas für die Wissenschaft nutzbringender sein werde.
Die Insel Rossel und das Cap Delivrance wurden besichtigt, und man begab sich nach Neu-Irland, um frisches Holz und Wasser zu fassen.
Hier langte man am 5. Juli bei trübem, regnerischem Wetter an und hatte alle Mühe, den Eingang zum Carteret-Hafen zu erkennen, wo d'Entrecasteaux seinerzeit acht Tage lang verweilte.
Die Franzosen erhielten hier zu wiederholten Malen Besuch von etwa zwanzig Eingebornen, dem Anscheine nach die ganze Bevölkerung dieses Platzes. Es waren das stumpfsinnige Wesen, welche nicht die geringste Neugierde gegenüber den vielen Gegenständen, die man ihnen zeigte, an den Tag legten.
Auch ihr Aeußeres sprach nicht zu deren Gunsten. Vollkommen nackt, schwarz von Haut und kraus von Haar, die Nasenscheidewand von einem Knochenstücke durchbohrt, gaben sie höchstens einiges Verlangen nach Eisen zu erkennen, ohne aber zu verstehen, daß man ihnen das nur im Austausch für Früchte und Schweine überlassen würde. Finster und mißtrauisch, weigerten sie sich, irgend Jemand nach ihren Dörfern zu führen. Während des hiesigen, wenig fruchtbringenden Aufenthaltes wurde d'Urville von einer Darmentzündung befallen, an der er mehrere Tage lang schwer zu leiden hatte.
Am 19. stach die »Astrolabe« wieder in See und folgte der Küste Neu-Britanniens. Diese Fahrt wurde aber durch sehr neblige feuchte Witterung, durch Platzregen und Hagelschläge unterbrochen, welche das Schiff zwangen, sich vom Lande wieder zu entfernen, nachdem es kaum in seine Nähe gekommen war.
»Man muß, sagte d'Urville, diese Gegenden selbst und unter den nämlichen Umständen wie wir besucht haben, um sich eine richtige Vorstellung von den wirklich unglaublichen Regengüssen machen zu können; man muß daneben ähnliche Arbeiten, wie diejenigen, welche uns oblagen, ausgeführt haben, um über die Angst und Unruhe richtig zu urtheilen, die eine solche Fahrt zu bereiten im Stande ist. Nur selten erstreckte sich unser Horizont weiter als auf hundert Toisen, und wir konnten nur mit größter Vorsicht manövriren, weil uns unsere Position fast stets unbekannt blieb.
Im Allgemeinen fielen denn auch unsere Arbeiten über Neu-Britannien bei den unerhörten Strapazen und den Gefahren, denen die »Astrolabe« dabei ausgesetzt war, weit weniger genau aus als die anderen Untersuchungen und Messungen während der Reise.«
Bei der Unmöglichkeit, durch den St. Georges-Kanal zu segeln, mußte d'Urville durch die Dampier-Straße gehen, deren südliche Oeffnung fast vollständig durch eine Kette von Klippen versperrt ist, auf denen die »Astrolabe« auch zweimal auflief.
Wie Dampier und d'Entrecasteaux war auch d'Urville begeistert von dem entzückenden Anblicke der Westküste Neu-Britanniens. Ein gesunder Strand, ein amphitheatralisch aufsteigender Boden, Wälder mit dunklem Laubwerk oder üppige Wiesen und die beiden Spitzen des Glocester-Berges verleihen diesem Theile der Küste eine reiche Abwechslung, welche die Bogenlinien der Insel Rook noch vermehren.
Bei der Ausfahrt aus dem Kanal erscheinen in all' ihrem Glanze die Berge von Neu-Guinea; bald sieht man sie einen Halbkreis bilden und eine Bucht umschließen, welche den Namen Golf der Astrolabe erhielt. Nach und nach lief man die Schouten-Inseln, die Bucht des Ueberfalls, wo d'Urville einen Angriff der Eingebornen zurückweisen mußte, die Humboldt- und Geelwinck-Bai, die Inseln der Verräther, Tobie und Mysory und die Arsak-Berge entweder an oder kam an denselben vorüber, und die »Astrolabe« ankerte endlich im Hafen Doreï, wo sie ihre Untersuchungen mit denen der »Coquille« verknüpfen wollte.
Hier entwickelten sich bald recht freundliche Beziehungen zu den Papuas, welche eine Menge Paradiesvögel, aber nur wenig Nahrungsmittel an Bord brachten. Von Natur sanft und furchtsam, wagten sich die Eingebornen nur ungern in die Wälder, wo sie von Arfakis, den Bewohnern der Berge und ihren geschwornen Feinden, öfters überfallen worden waren. Ein mit Herbeischaffung von Wasser beschäftigter Matrose wurde von dem Pfeile eines dieser Wilden verwundet, den man für den hinterlistigen, gänzlich unmotivirten Angriff nicht einmal bestrafen konnte.
Hier ist der Boden überall so reich, daß man denselben nur zu wenden und das Unkraut zu entfernen brauchte, um die reichlichsten Ernten zu gewinnen; die Papuas sind aber so träge und verstehen vom Landbau so blutwenig, daß die Nährpflanzen meist unter Schmarotzern ersticken.
Die Einwohner sind ihrem Ursprunge nach sehr gemischt. D'Urville theilt sie in drei verschiedene Unterarten: die Papuas, die Mestizen, welche mehr oder weniger zur malayischen oder polynesischen Race gehören, und die Harfours oder Alfurus, die an den gewöhnlichen Typus der Australneger, der Neu-Caledonier und überhaupt der Oceanier schwarzer Race erinnern. Letztere sind die wirklichen Ureinwohner des Landes.
Am 6. September lief die »Astrolabe« nach einem ziemlich uninteressanten Aufenthalte, währenddem sich d'Urville nur wenig naturhistorische Gegenstände, außer etwa einige Mollusken, und auch keine verläßlichen Nachrichten über die Sitten, die Religion und die verschiedenen Racen Neu-Guineas verschaffen konnte, wieder aus und steuerte nach Amboine, wo sie am 24. September ohne Unfall eintraf.
Obwohl der Gouverneur Merkus auf einer Rundreise begriffen war, fand der Commandant in diesem Hafen doch nicht minder Alles, was er brauchte. Er wurde von den Behörden und Einwohnern auf die freundschaftlichste Weise aufgenommen, und diese ließen es sich angelegen sein, den Franzosen die Strapazen der langen gefährlichen Fahrt möglichst vergessen zu machen.
Von Amboine wandte sich d'Urville nach Tasmanien und Hobart-Town, ein Ort, den seit Baudin kein französisches Schiff berührt hatte; hier traf er am 17. December 1827 ein.
Fünfunddreißig Jahre vorher hatte d'Entrecasteaux an dieser Stelle nur wenige elende Wilde angetroffen, und zehn Jahre später fand Baudin überhaupt gar Niemand mehr vor.
Das erste, was d'Urville bei der Einfahrt in den Dervent-Fluß, noch bevor er bei Hobart-Town vor Anker ging, hörte, war, daß der englische Kapitän Dillon aus Tukopio bestimmte Nachrichten über den Schiffbruch La Pérouse's bei Vanikoro mitbrachte; er besaß sogar einen Säbelkorb, in dem er den Rest einer Waffe des Seefahrers vermuthete. In Calcutta angelangt, wo Dillon dem Statthalter von seiner Entdeckung Mittheilung machte, hatte dieser ihn sofort nach jener Stelle zurückgesandt, um die Schiffbrüchigen, welche etwa noch existiren könnten, und Alles, was von dem Schiffe übrig wäre, aufzunehmen.
Man kann sich leicht vorstellen, mit welchem Interesse d'Urville diese Neuigkeiten hörte, da gerade er besondere Instructionen erhalten hatte, alle Nachweise zu sammeln, die über das Schicksal des unglücklichen Seefahrers weiteres Licht verbreiten könnten, vorzüglich nachdem er in Namouka unwiderlegliche Beweise von dem Aufenthalte La Pérouse's auf dem Archipel der Freunde erlangt hatte.
In der englischen Kolonie waren zwar die Ansichten, inwieweit man der Erzählung des Kapitän Dillon trauen dürfe, getheilt, der Bericht aber, den jener Officier dem Gouverneur von Indien erstattet hatte, beseitigte bei d'Urville jeden etwaigen Zweifel. Unter Verzichtleistung auf seine weiteren Pläne bezüglich Neu-Seelands, beschloß er denn, die »Astrolabe« sofort nach Vanikoro, das er bisher nach Dillon nur unter dem Namen Mallicolo kannte, überzuführen.
Wir theilen hier kurz mit, was Dillon berichtet hatte.
Während des Aufenthaltes an den Fidschi-Inseln fand das Schiff, die »Hunter«, Gelegenheit, einen Deutschen, Namens Martin Bushart, dessen Frau und einen Laskarier, Namens Achowlia, aufzunehmen, welche die Eingebornen zu verzehren drohten, wie sie es mit allen übrigen europäischen Deserteuren, die sich in diesen Archipel verirrten, zu thun gewohnt waren. Die drei Unglücklichen baten nur darum, auf der ersten bewohnbaren Insel, welche die »Hunter« antreffen würde, abgesetzt zu werden. Sie wurden also nach einer der Charlotten-Inseln, nach Tukopia, unter 12° 15' südlicher Breite und 169° der Länge, befördert.
Im Monate Mai 1826 näherte sich Dillon, der früher zur Besatzung der »Hunter« gehört hatte, der Insel Tukopia, um zu erfahren, was aus den 1813 hier ausgeschifften Leuten geworden wäre.
Er fand in der That den Laskarier und den Deutschen. Der Erstere verkaufte ihm sogar einen silbernen Säbelkorb. Natürlich fragte Dillon, wie er in dessen Besitz gekommen sei. Der Deutsche erzählte, daß er bei seiner Ankunft auf Tukopia Schrauben, Aexte, Messer, eiserne Geräthe, Löffel und eine Menge andere Gegenstände gefunden habe, die, wie man ihm sagte, von Mallicolo, das heißt einer Inselgruppe, herrühren sollten, welche man mittelst Piroguen in zwei Tagen erreichen könne.
Dillon zog nun bei den Eingebornen weitere Erkundigungen ein und erfuhr, daß vor mehrern Jahren zwei Schiffe an den Strand dieser Inseln geworfen worden seien. Eines derselben war total untergegangen, die Matrosen des zweiten aber hatten aus den Trümmern ein kleineres Fahrzeug erbaut, auf dem sie abgefahren wären, während auf Mallicolo noch einzelne der Ihrigen zurückblieben. Der Laskarier wollte zwei jener Männer gesehen haben, welche durch verschiedene, den Häuptlingen geleistete Dienste einen gewissen Einfluß gewonnen hatten.
Dillon schlug jenem vergeblich vor, ihn nach Mallicolo zu geleiten; mehr Erfolg erzielte er bei dem Deutschen, der ihm bis in die Nähe der Insel – die Recherche d'Entrecasteaux' – begleitete. Windstille und Mangel an Nahrungsmitteln sollen Dillon aber verhindert haben, an derselben zu landen.
Bei seiner Ankunft in Ponditscherry übertrug ihm der Statthalter, nach Anhörung seines Berichtes, den Befehl über ein speciell zu weiteren Nachforschungen bestimmtes Fahrzeug. Das war im Jahre 1827. Dillon lief Tukopia an, verschaffte sich hier einen Dolmetscher und einen Lootsen und segelte hierauf nach Mallicolo. Hier erfuhr er von den Eingebornen, daß die Fremden, mit der Herstellung ihres Fahrzeuges beschäftigt, fünf Monate auf der Insel geblieben und daß sie übrigens als halb überirdische Wesen betrachtet worden seien, eine Meinung, welche ihr eigenthümliches Auftreten noch mehr bestärkte. Man habe sie z. B. mittels langer Stöcke mit dem Monde und den Sternen sprechen sehen; sie hätten ungeheure Nasen gehabt, und einige der Männer wären immer ziemlich still mit einer Eisenstange in den Händen stehen geblieben. Das waren die Vorstellungen, welche die Wilden von den astronomischen Beobachtungen, den dreieckigen Hüten und den Schildwachen der Franzosen bewahrt hatten.
Dillon erhielt von den Eingebornen mancherlei Reliquien von der Expedition. Er gewahrte auch im Meeresgrunde auf der Korallenbank, an der das Schiff zerschellt war, bronzene Kanonen, eine Glocke und Trümmer aller Art, die er pietätvoll sammelte und im Jahre 1828 nach Paris überbrachte, wo ihm der König zum Dank für seine Arbeiten eine Pension von viertausend Francs bewilligte. Weitere Zweifel konnten nicht erhoben werden, als Graf Lesseps, der Begleiter La Pérouse's, der diesen in Kamtschatka verließ, die Kanonen und das geschnitzte Heck der »Boussole« wiedererkannt, und man auf einem silbernen Leuchter das Wappen Colignon's, des Botanikers, gefunden hatte.
Von diesen interessanten und merkwürdigen Thatsachen erhielt d'Urville freilich erst viel später Kenntniß, denn vorläufig war ihm nur der erste Bericht Dillon's zu Ohren gekommen.
Aus Zufall oder vielleicht aus Furcht, daß Jemand zuvorkommen könnte, hatte dieser Kapitän es versäumt, die Position Vanikoros und den Kurs anzugeben, auf dem er von Tukopia dahin gelangt war. D'Urville meinte, diese Insel müsse der Banks- oder der Santa Cruz-Gruppe angehören, welche beide noch kaum bekannt waren.
Bevor wir jedoch dem Befehlshaber weiter folgen, wollen wir mit ihm kurze Zeit in Hobart-Town verweilen, das seiner Ansicht nach schon ziemliche Bedeutung erlangt hatte.
»Die Häuser daselbst, sagt er, stehen meist weit von einander und haben außer dem Erdgeschoß gewöhnlich nur ein Stockwerk; ihre Sauberkeit und Regelmäßigkeit verleiht ihnen jedoch ein recht hübsches Aussehen. Die Straßen sind nicht gepflastert, und das Fortkommen ist in denselben deshalb manchmal beschwerlich, doch hat man in mehreren wenigstens Trottoirs angelegt; übrigens ist der in ihnen herrschende Staub für die Augen oft sehr lästig. Das Regierungsgebäude liegt an einer recht geeigneten Stelle am Strande der Bai. Dieser Ort dürfte binnen wenigen Jahren weitere Annehmlichkeiten bieten, wenn die rings um denselben angepflanzten Bäume zu voller Entwickelung gelangt sind, denn die einheimischen erscheinen nicht gerade sehr passend, um als Schmuck zu dienen.«
Die Zeit während dieses Aufenthaltes wurde dazu benützt, die Vorräthe an Lebensmitteln zu ergänzen, Anker und andere höchst nothwendige Sachen anzuschaffen, das Fahrzeug neu auszuwägern, und eine Menge unumgänglicher Reparaturen an der Takelage auszuführen.
Am 6. Januar 1828 lief die »Astrolabe« wieder aus, nahm am 20. die Insel Norfolk auf, sechs Tage später den kleinen Vulcan Mathew, Erronan am 28., am 8. Februar die kleine Insel Mitre, und kam am nächsten Tage in Sicht von Tukopia an. Es ist dieselbe eine kleine Insel von drei bis vier Meilen Umfang, mit einer von Pflanzenwuchs bedeckten, ziemlich scharfen Bergspitze. Die Ostseite des Eilandes erscheint wegen der fortwährenden heftigen Brandung so gut wie unzugänglich.
Die Ungeduld Aller wächst und übersteigt fast alle Grenzen, als man drei Boote heranrudern sieht, in deren einem sich ein Europäer befindet.
Es ist der Deutsche Bushart, wie er selbst erklärt, der Dillon nach Mollicolo begleitet hatte. Der letztere verweilte damals ziemlich einen Monat über an der Unglücksstelle, um alle Ueberreste von der Expedition zu sammeln, wie d'Urville schon in Hobart-Town erfuhr. Auf der Insel befand sich kein Franzose mehr, der letzte war vor einem Jahre gestorben. Bushart hatte zwar anfänglich zugesagt, d'Urville zu begleiten, trat später aber von seinem Versprechen zurück und weigerte sich, an Bord der »Astrolabe« zu bleiben.
Vanikoro ist von Riffen umgeben, durch welche man nicht ohne Gefahr endlich eine Einfahrt fand, welche es der »Astrolabe« möglich machte, bei Onili und an derselben Stelle vor Anker zu gehen, wo auch Dillon gelegen hatte. Die Stelle des Schiffbruches befand sich auf der anderen Seite der Insel.
Es war nicht leicht, von den habgierigen, mißtrauischen, unverschämten und perfiden Eingebornen Auskunft zu erhalten. Ein Greis gestand endlich ein, daß die auf den Strand von Vanou geworfenen Schiffbrüchigen mit Pfeilen empfangen worden wären; daraus entwickelte sich ein Kampf, bei welchem zahlreiche Einwohner den Tod fanden; die »Maras« seien alle getödtet und ihre Schädel in Vanou eingescharrt worden. Die übrigen Knochen hätten die Eingebornen zur Ausrüstung ihrer Pfeile verwendet.
Man entsendete nun ein Boot nach dem Dorfe Nama. Die Zusicherung eines Stückes rothen Tuches bestimmte die Eingebornen nach langem Zögern endlich, die Franzosen nach dem Orte des Schiffbruches zu geleiten. Etwa eine Meile vom Lande, nahe bei Païou und gegenüber Ambi, in einer Art Lücke zwischen den Riffen, gewahrte man da und dort Anker, Kanonenkugeln, Geschütze und andere Gegenstände, welche bei den Officieren der »Astrolabe« jeden etwa noch gehegten Zweifel beseitigten.
Für Alle lag es klar auf der Hand, daß das Schiff den Versuch gemacht hatte, durch eine enge Einfahrt zwischen den Riffen zu gelangen, wobei es aufgelaufen sein mußte, ohne wieder flott zu werden. Die Besatzung mochte sich nach Païou haben retten können, um dort ein kleineres Fahrzeug zu erbauen, während das andere Schiff, das weiter draußen strandete, mit Mann und Maus untergegangen war.
Der Häuptling Moembe hatte sagen hören, daß die Einwohner von Vanou versucht hätten, das Schiff zu berauben, während sie von den Weißen vertrieben worden wären und dabei zwanzig Mann und drei Häuptlinge verloren hätten. Ihrerseits hätten sie dann alle an's Land gekommenen Franzosen ermordet; nur Zwei wären verschont worden und hätten drei Monate lang auf der Insel gelebt.
Ein anderer Häuptling, Namens Valiko, erzählte, eines der Schiffe sei außerhalb der Riffe, gegenüber Tanema, gescheitert; die Nacht über habe es fortwährend gestürmt, und fast alle Leute von demselben seien ertrunken, ohne das Land überhaupt betreten zuhaben. Die »Maras« (Matrosen) des zweiten Schiffes seien in großer Anzahl an's Land gekommen und hätten in Païou aus den Trümmern des gestrandeten Fahrzeuges ein kleineres erbaut. Während ihres Aufenthaltes sei es zu Streitigkeiten gekommen, wobei fünf Einwohner von Vanou und einer von Tanema, ebenso wie zwei »Maras« den Tod gefunden hätten. Nach Verlauf von fünf Monaten hätten die Franzosen dann die Insel verlassen.
Endlich versicherte ein anderer Greis, es wären zu den Matrosen des ersten Schiffes auch gegen dreißig von dem zweiten gestoßen, und Alle wären erst nach sechs bis sieben Monaten abgefahren.
Alle diese Angaben, die man den Leuten fast nur mit Gewalt entlocken konnte, stimmten in wichtigen Einzelheiten nicht miteinander überein; es schien jedoch, als ob die letzteren Versionen der Wahrheit am nächsten kamen.
Unter den von der »Astrolabe« gesammelten Gegenständen befanden sich ein Anker von etwa 1800 Pfund Gewicht, eine kurze, gußeiserne Kanone, ein Steinmörser aus Bronze, eine Stutzbüchse aus Kupfer, Bleiblöcke und andere Kleinigkeiten in schlechtem Zustande und von geringem Interesse.
Diese Fundstücke alle beherbergt heutzutage, nebst den schon von Dillon gesammelten, das in den Gallerien des Louvre untergebrachte Marine-Museum.
D'Urville wollte Vanikoro nicht verlassen, ohne dem Andenken seiner unglücklichen Landsleute ein Denkmal zu errichten. Das bescheidene Monument wurde auf dem Riffe selbst, inmitten einer Gruppe von Mangobäumen aufgestellt. Es besteht aus einem viereckigen Prisma von sechs Fuß Höhe aus Korallenblöcken, überragt von einer ebenso hohen viereckigen Pyramide aus »Koudi«-Holz, welche auf einer Bleitafel folgende Inschrift enthält:
Dem Andenken
La Pérouse's
und seiner Begleiter.
Die »Astrolabe«
14. März 1828.
Gleich darauf traf d'Urville Anstalt, abzureisen. Es war dazu auch die höchste Zeit, denn die große, durch fortwährende Platzregen erzeugte Feuchtigkeit hatte heftige Fieber hervorgerufen und nicht weniger als vierundzwanzig Mann auf's Lager gestreckt. Wenn der Befehlshaber noch genug arbeitsfähige Leute übrig behalten wollte, um die bei der Ausfahrt durch die enge Straße nothwendigen Manöver auszuführen, so mußte er sich nun beeilen
Der letzte Tag, den die »Astrolabe« noch bei Vanikoro verweilte, hatte den Commandanten, wenn das überhaupt nöthig gewesen wäre, über die Stimmung und Absichten der Eingebornen aufklären können. Er schildert die letzten Vorkommnisse dieser gefährlichen Station wie folgt:
»Gegen acht Uhr erstaunte ich, ein halbes Dutzend Piroguen von Tevaï auf uns zukommen zu sehen umsomehr als sich drei oder vier Bewohner von Manevaï an Bord befanden, welche dabei keinerlei Furcht verriethen, obgleich sie mir wenige Tage vorher gesagt hatten, daß die Einwohner von Tevaï ihre Todfeinde seien. Ich gab den Leuten aus Manevaï meine Verwunderung zu erkennen, doch diese lachten nur eigenthümlich und erklärten, sie hätten mit den Bewohnern von Tevaï Frieden geschlossen, und diese brächten nur Cocosnüsse her. Ich bemerkte aber sehr bald, daß die Neuankommenden nur Bogen und Pfeile bei sich führten. Zwei oder drei derselben stiegen ohne Umstände an Bord und näherten sich der großen Luke, um nach dem Zwischendeck zu sehen und sich zu überzeugen, wie viele Kranke da lagen. In ihren Augen blitzte gleichzeitig eine wahre teuflische Freude. Da meldeten mir einige Leute aus der Mannschaft, daß zwei oder drei Männer aus Manevaï dieses Verfahren schon seit drei bis vier Tagen beobachteten. Gressien, der ihre Bewegungen schon seit dem Morgen im Auge hatte, wollte bemerkt haben, daß die Krieger beider Stämme sich am Strande versammelten und eine lange Unterredung hatten. Noch mehrere Anzeichen verriethen, daß sie nichts Gutes im Schilde führten und ich kam zu der Ueberzeugung, daß uns eine ernste Gefahr drohe. Sofort befahl ich den Eingebornen, die Korvette zu verlassen und sich in ihre Piroguen zu begeben. Da wagten sie es, mich mit stolzen, herausfordernden Blicken zu messen, als wollten sie abwarten, ob ich meinen Befehl auch durchzuführen im Stande wäre. Ich begnügte mich, die sonst sorgfältig geschlossene Waffenkammer zu öffnen und in allem Ernste mit einer Hand nach den Gewehren, mit der anderen nach den Piroguen zu weisen; der unerwartete Anblick von zwanzig glänzenden Flinten, deren Wirkung sie kannten, machte ihnen schnelle Beine und befreite uns von ihrer bedrückenden Anwesenheit.«
Bevor wir diese Inselgruppe traurigen Andenkens verlassen, mögen einige, dem Berichte d'Urville's entnommene Details hier Platz finden.
Die Vanikoro-, Mallicolo- oder La Pérouse-Gruppe, wie Dillon sie nennt, besteht aus den beiden Inseln Recherche und Tevaï. Die erstere mißt im Umfange nicht weniger als dreißig, die zweite dagegen nur neun Meilen. Beide sind hoch, fast bis zum Meeresstrande mit undurchdringlichen Wäldern bedeckt und von einem sechsunddreißig Meilen langen Riffgürtel umschlossen, durch den nur an seltenen Stellen enge Fahrstraßen nach dem Lande führen. Die Einwohnerzahl wird zwölf- bis fünfzehnhundert Köpfe nicht übersteigen; es haust hier eine träge, widerliche, geistesbeschränkte, wilde, doch feige und beutegierige Race. La Pérouse konnte es nicht unglücklicher treffen, als inmitten einer solchen Bevölkerung zu, stranden, während er auf jeder anderen Insel Polynesiens gewiß wohlwollender aufgenommen worden wäre.
Die Frauen hier sind von Natur häßlich; die schweren Arbeiten aber, die sie verrichten, und die herrschenden Lebensgewohnheiten lassen sie nur noch widerwärtiger erscheinen.
Die Männer sind etwas weniger häßlich, doch klein, hager und zuweilen mit Geschwüren und Lepraknollen bedeckt. Als Waffen führen sie Bogen und Pfeile. Nach Aussage der Eingebornen verursachen die letzteren, welche aus Bambusstäben hergestellt und mit sehr feiner, mit zähem Harze befestigter Knochenspitze versehen werden, leicht tödtliche Wunden. Sie halten auch große Stücke darauf, und die Reisenden konnten sich nur mit Mühe einzelne Probestücke dieser Waffen erhandeln.
Am 17. März befand sich die »Astrolabe« endlich außerhalb der schrecklichen Riffe, welche einen Kranz um Vanikoro bilden. Der Commandant derselben beabsichtigte nun, die Inseln Taumako, Kennedy, Nitendi und die Salomons-Inseln aufzusuchen, wo er noch Spuren der Ueberlebenden von den Schiffbrüchen der »Boussole« und der alten »Astrolabe« zu finden hoffte. Der traurige Zustand seiner durch Fieberanfälle entkräfteten Mannschaft, die Erkrankung der meisten Officiere und der Mangel eines sicheren Ankerplatzes in diesem Theile Oceaniens bestimmten ihn aber, sich nach Guaham zu begeben, wo es seiner Meinung nach möglich wäre, einmal zu rasten.
Er wich damit von seinen Instructionen, welche ihm die Untersuchung der Torres-Straße zur Pflicht machten, allerdings sehr stark ab; da ihm aber vierzig, jetzt bettlägerige Matrosen abgingen, wäre es eine Thorheit gewesen, jene gefährliche Untersuchung mit mangelhaften Kräften zu wagen.
Am 26. April wurde nun der Hogolez-Archipel angelaufen, wo d'Urville die noch von Duperrey's Untersuchung her übrig gebliebenen Lücken ausfüllte, und erst am 2. Mai kamen die Gestade von Guaham in Sicht. Als Ankerplatz ward Umata erkoren, wo man leichten Zugang zu Wasser und ein gemäßigteres Klima als in Agagna fand. Als die Expedition aber am 29. Mai wieder unter Segel ging, waren noch keineswegs alle Kranken wieder genesen, was d'Urville Diätfehlern der Matrosen, die unmöglich zu einer angepaßten Lebensweise zu bestimmen waren, zuschreibt.
Noch verwaltete den Gouverneursposten in Guaham der gute Medinilla, über den schon Freycinet des Lobes voll war. Wenn dieser sich gegen die Expedition jetzt nicht so zuvorkommend erwies, so verschuldete das die schreckliche Dürre, unter der die Kolonie eben litt, ferner das Gerücht, daß die Leute von der »Astrolabe« an einer ansteckenden Krankheit litten, und endlich wohl die ziemlich bedeutende Entfernung Umatas von Agagna, welche d'Urville verhinderte, dem Gouverneur in dessen Residenz seine persönliche Aufwartung zu machen.
Nichtsdestoweniger übersendete Medinilla der Expedition frische Lebensmittel und Früchte in Menge und verleugnete überhaupt seine gewohnte Freigebigkeit niemals.
Nach der Abreise von Guaham kam d'Urville bei den westlichen Carolinen und den Gruppen der Elivi-, der Lütke'schen Uluthii-Inseln, ferner bei Gouap, Goulon und Pelew vorüber; die herrschenden Winde zwangen ihn auch, an Waigiou, Aiou, Asia und Guebe vorüber zu segeln, worauf er in die Bourou-Straße einfuhr, in Amboine vor Anker ging und von Seiten der holländischen Behörden sehr herzlich aufgenommen wurde. Hier fand der Commandant auch Nachrichten aus Frankreich vor. Das Ministerium fand die Arbeiten, die Strapazen und ausgestandenen Gefahren der Expedition nicht hoch zu schätzen; denn trotz der Vorschläge d'Urville's wurde kein einziger Officier durch eine Rangerhöhung erfreut.
Nach Bekanntwerden jener Nachrichten bemächtigte sich Aller eine gewisse Mißstimmung und Entmuthigung, welche der Befehlshaber nach Kräften zu bekämpfen suchte.
Von Amboine aus kam die »Astrolabe« durch die Banka-Straße nach Manado. Es ist das ein angenehmer Ort mit einem stark verschanzten, reichlich mit Kanonen bewehrten Fort. Der Gouverneur Merkus überließ d'Urville schöne Hornschweine, einen Sapioutang, ein Thier von der Größe einer kleinen Kuh, deren Schnauze und Beine es hat, nebst zwei zurückgebogenen Hörnern, ferner Schlangen, Vögel, Fische und Pflanzen, welche die naturhistorischen Sammlungen wesentlich bereicherten.
Nach Aussage d'Urville's nähert sich die äußere Erscheinung der Bewohner von Celebes mehr der der Polynesier als der Malayen. Er glaubte an denselben eher die Volkstypen von Tahiti, Tonga, Tabu und Neu-Seeland zu erkennen, als die der Papuas vom Doreï-Hafen, der Harfours von Bourou oder die eckigen und knochigen Gesichter der Malayen.
In der Nähe von Manado befanden sich goldhaltige Quarzminen, von denen der Commandant einige Steinproben erwarb, und ein im Innern gelegener See, der nach allgemeiner Annahme ungeheuer tief sein sollte. Dieser See ist der Tondano-See, aus welchem ein beträchtlicher Fluß, der Manado, seinen Ursprung nimmt, der vor seiner Einmündung in's Meer einen prächtigen Wasserfall bildet. Der Bergstrom, dem ein Basaltfelsen den Ausgang versperrte, hat sich eine Oeffnung durch denselben gebrochen und strömt in Form einer mächtigen Wassergarbe daraus hervor, die in einen Abgrund von neunzig Fuß Tiefe hinabstürzt.
Mit dem Gouverneur und den Naturforschern untersuchte d'Urville das schöne, von vulcanischen Bergen umschlossene Seebecken, neben dem man noch einzelne Fumarolen bemerkt; seine Tiefe beträgt aber überall nur zwölf bis dreizehn Faden, so daß er trocken gelegt eine vollkommen ebene Fläche bilden würde.
Am 4. August verließ man den Ankerplatz von Manado, der sich für die Genesung der Fieber- und Ruhrkranken der Expedition nicht besonders günstig erwiesen hatte. Am 29. desselben Monats traf diese in Batavia ein, wo sie indeß nur drei Tage lang verweilte.
Von hier aus durchsegelte die »Astrolabe« bis zu ihrer Heimkehr nach Frankreich nur längst bekannte Meere. Sie kam nach Isle de France, wo d'Urville den Kapitän Le Goarant antraf, der mit der Korvette »la Bayonnaise« eine Fahrt nach Vanikoro gemacht hatte. Er erfuhr, daß dieser Officier davor zurückgeschreckt war, in den Raum hinter dem Riffkranze einzudringen, und sich begnügt hatte, Boote auf Kundschaft auszusenden.
Die Eingebornen hatten das zur Erinnerung an La Pérouse errichtete Denkmal in Ehren gehalten und nur mit Mühe ihre Zustimmung zur Anbringung einer Kupfermedaille durch die Seeleute der »Bayonnaise« gegeben.
Am 18. November verließ die Korvette Isle de France wieder, hielt am Cap, bei St. Helena und Ascension an und traf am 25. März 1829, genau fünfunddreißig Monate nach ihrer Abfahrt, in Marseille wieder ein.
Schon bezüglich der Hydrographie allein waren die Resultate der Expedition höchst bemerkenswerthe, denn man verdankte dem unermüdlichen Fleiße Gressien's und Paris' nicht weniger als fünfundvierzig neue Karten.
Was die Naturgeschichte betrifft, so dürften die nachfolgenden Zeilen aus dem Berichte Cuvier's die beste Vorstellung von dem Reichthum der betreffenden Sammlungen erwecken:
»Die Kataloge zählen sie (die Species, welche man Quoy und Gaimard verdankte) nach Tausenden auf, und nichts beweist besser die rege Thätigkeit dieser Forscher, als die Verlegenheit, in der sich die Verwaltung des Jardin du Roi befindet, um Alles unterzubringen, was sie durch die letzten See-Expeditionen, und vorzüglich von der in Rede stehenden erhalten hat. Man hat Erdgeschosse und Kellerräume dafür in Anspruch nehmen müssen, und selbst die Magazine sind jetzt so vollgepfropft, das ist der richtige Ausdruck, daß man sie hat durch Zwischendecken theilen müssen, um mehr Plätze zu gewinnen.«
Auch die geologischen Sammlungen standen an Anzahl von Exemplaren nicht nach; hundertsiebenundneunzig Arten oder Varietäten von Felsgestein zeugen für den Eifer Quoy's und Gaimard's. Der jüngere Lesson hatte fünfzehn- bis sechzehnhundert Pflanzenspecies zusammengebracht. Kapitän Jacquinot hatte sich mit zahlreichen astronomischen Beobachtungen beschäftigt; der Befehlshaber selbst endlich, ohne seine Pflichten als Seemann und Chef der Expedition hintanzusetzen, Untersuchungen der Meerestemperatur in verschiedenen Tiefen und solche über meteorologische Phänomene angestellt, aber auch eine erstaunliche Menge schätzenswerther Beiträge für die Philologie und Ethnographie geliefert.
Wir glauben den Bericht über diese Expedition nicht besser abschließen zu können als mit der Wiedergabe folgender Stelle aus Dumont d'Urville's Memoiren, welche dessen Biograph Didot anführt:
»Dieser abenteuerreiche Zug übertraf alle bis jetzt unternommenen ebenso durch die häufigen und schweren Gefahren, die ihn bedroht haben, wie durch den Reichthum und die Mannigfaltigkeit der nach allen Seiten erzielten Resultate. Ein eiserner Wille verhinderte mich, vor irgend einem Hinderniß zurückzuweichen. Der Entschluß »zu sterben oder zu siegen« ließ kein Zaudern, keine Ungewißheit in mir aufkommen. Zwanzigmal habe ich die »Astrolabe« so dicht vor ihrem Untergange gesehen, daß in meiner Seele keine Hoffnung auf Rettung mehr lebte. Tausendmal setzte ich das Leben meiner Leute auf's Spiel, um die Vorschriften meiner Instructionen zu erfüllen, und während zweier auf einander folgenden Jahre kann ich versichern, daß wir täglich mehr ernsthaften Gefahren ausgesetzt gewesen sind, als sonst eine gewöhnliche lange Seereise überhaupt bedrohen. Muthig und voller Ehrgefühl, erkannten die Officiere zwar die Gefahren, denen ich sie tagtäglich aussetzte, aber sie thaten schweigend ihre Pflicht.«
Diesem bewundernswerthen Wetteifer von Eifer und Opferfreudigkeit verdankt man die erstaunliche Menge von Entdeckungen, Materialien und Beobachtungen für alle Zweige des menschlichen Wissens, welche den ausgezeichneten Arbeiten de Rossells, Cuvier's, Geoffroy', St. Hilaire's, Desfontaine's und anderer unparteiischer Beurtheiler und erfahrener Sachkenner zugrunde liegen.