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Vierter Akt

Die Kapelle. Rechts der Altar. Gegenüber den Zuschauern die verriegelte Tribüne, wo Dom Balthasar seine Buße tut. Unter der Tribüne eine Tür. Rechts die Kanzel.

Dom Militien am Altare beendigt die Messe, stimmt das ›Ite missa est‹ an und lehrt zur Sakristei zurück. Die Mönche antworten im Chor: Halleluja! Der Prior steigt langsam die Kanzel hinauf. Die Mönche versammeln sich in drei Reihen rings um den Altar.

Die Gläubigen stehen gedrängt hinter ihnen vor der Kanzel.

Der Prior macht das Zeichen des Kreuzes.
Im Namen des Vaters ... des Sohnes ...

In diesem Augenblicke, da die Gläubigen die Kapelle verlassen wollen, erhebt sich plötzlich ein Lärm auf der Tribüne, und Dom Balthasar erscheint verstört hinter den Gitterstäben.

Dom Balthasar hinter den Stäben.

Ich habe gemordet, meinen Vater gemordet,
Und man schließt mich gewaltsam vor euren Blicken
Wie ein wildes Tier in den Zwinger ein,
Um das Schrein
Meiner Reue und heißen Gewissenspein
In mir zu ersticken!

Der Prior
Unseliger!

Dom Marc wirft sich zu Füßen des Kruzifixes. Er bleibt dort im Gebete während der ganzen folgenden Szene.

Dom Balthasar zum Volke.
Ich bin der Mönch Balthasar,
Mein altes Verbrechen, das nie gebüßte,
Hat wie ein Sturm meine Seele verwüstet!
Ich bin der Mönch Balthasar,
Der gegen eure Sünden und Fehle
Streng gepredigt und aufbegehrte,
Indes er selber vor dein Altar
Seine eigne Verdammnis in ruchloser Seele
Nährte und mehrte!

Der Prior
Der Mensch ist toll, hört nicht auf ihn!

Dom Balthasar
Mein Vater war reich, mein Vater war gut
Für meinen Zorn, meinen Übermut,
Und ich habe ihn dennoch, von Wein umnachtet,
Schandbar wie einen Hund geschlachtet.

Der Prior
Hört nicht auf ihn! Hört nicht auf ihn!
Um Gottes Gnade, hört nicht auf ihn!

Dom Balthasar
Ein Schuldloser büßte
An meiner Statt die Tat am Schafott,
Er schrie zum Himmel um Gnade und küßte
Im Sterben noch den gekreuzigten Gott.
Ich stand dabei und sah kalt und stumm
Auf sein entsetzlich Martyrium.
Ein Wort hätt gehindert, ein einziges nur,
Daß das Schwert auf ihn nicht herniederfuhr.
Und ich hab es getötet, dies Wort, habs verschlungen,
Zwischen den Zähnen hab ich es niedergerungen.

Der Prior auf Balthasar weisend, zu den Mönchen.
Reißt ihn mit Gewalt von dort droben herab!

Dom Balthasar
Ich, ich, der sündige Mönch Balthasar,
Der einst ein Herzog, ein Großer war,
Mit blutigen Händen hab ichs getan!
Mit diesen Händen, seht sie nur an,
Die wilder waren als reißende Zähne,
Hab ichs getan!
Doch jene,
Die mein Verbrechen bestrafen sollten,
Sie wollten
Auf diesen Händen, den ewig befleckten,
Das unabwaschbare Blut daran
Nicht entdecken.
Doch heute, da ihr es alle erfahren,
Geht es verkünden,
Geht es erzählen von Haus zu Haus,
Oh, schreit es weit in die Welt hinaus!

Der Prior
Deine Reue ist ein Verbrechen!

Zu den Mönchen, die hinaufgeeilt sind.

Stoßt die Stäbe ein! Reißt ihn aus dem Kloster, tot oder lebend!

Dom Balthasar
Auf offenem Markt, in Martern und Leiden
Will ich sterben als katholischer Christ,
Wie einstens jener gestorben ist,
Der meine eigene Schuld gebüßt,
Um vor der Welt sich mit ihr zu bekleiden!

Man hört die Schläge der Beile gegen das Holz.

Dom Balthasar
Ich bin wie ein Bündel schwarzer Verbrechen,
Alle Dornen der sieben Todsünden stechen
Wie grimmige Nägel in mich ohne Ruh!
Der Mönchsmantel deckt mich als Lüge zu,
Denn mein Leib ist eitel Aussatz und Schwäre!
Ich bin wie der Wolf, der mit bösem Begehren
Im heiligen Kelche das Gottesblut
Umwittert und durch seine Gier entweiht!
Ich will, daß die Welt in den Bann mich tut,
Ich will, daß mir jeder ins Antlitz speit!
Man schlag mir sie ab, meine mördrischen Hände,
Man entreiß mir die Kutte, die ich immer noch schände,
Man rufe, man reize den Pöbel der Runde,
Ich biete mich willig den Fäusten und Schlägen,
Ich reck meine Stirne den Steinen entgegen,
Die sie verwunden!
Ich will, daß man mit aller erdenklichen Schärfe
Meinen Leib, den die Sünden beschweren, vernichte,
Und dann, nach dem blutigen Strafgerichte,
Seine Fetzen in alle vier Winde hinwerfe!

Den Mönchen ist es endlich gelungen, die Tür einzustoßen und Dom Balthasar zu fassen. Sie schleppen ihn herab und stoßen ihn vor dem Prior in die Knie. Dieser wendet sich sogleich an die Menge.

Der Prior
Verlaßt alle den Raum!

Die Mönche drängen das Volk gegen die Tür.

Balthasar verfällt dem himmlischen Gericht.

Der Prior vor den Mönchen allein sprechend.
Höre mich an, Mönch Balthasar!
Du hast den Heiland verlacht und verspottet,
Der die Reue in Stille und Demut begehrt,
Du hast mit Toben, wüst und verrottet,
Die heilige Ordnung des Klosters zerstört!
Der Glaube in dir ist verblüht und verblaßt,
Du bist blind und bist taub, da du nicht sahst,
In welchem Rausch, welcher Trunkenheit
Du selbst deine Seele der Hölle geweiht!

Dom Balthasar
Mein Gott! Mein Gott!

Der Prior
Das Blut, das einst nur deine Hände bedeckt,
Nun hat es die Mauern des Klosters befleckt,
Wie ein Tier hast du bei uns nur hausen gewollt,
Daß dein Schmutz uns allen nun ankleben sollt!

Dom Balthasar
Mein Gott! Mein Gott! Mein Gott!

Der Prior
Höre mich an!
Ich hatte dich ausersehen, daß du der Mann
Dereinsten würdest, der auf meinem Pfade
Fortwandelnd Sorg und Mühe auf sich lade.
Doch Gott hat mir zur Zeit die Augen aufgetan,
Vor meinem Blick zerbrach er jäh das helle
Und klare Schiff, mit Weihrauch fromm beladen,
Das ich in dir fälschlich zu sehen glaubte.
Der Wind der Wut vertrocknete auf deinem Haupte
Das heilige Öl, damit die Priester ihre Stirne baden.

Dom Balthasar
Mein Gott!

Der Prior
Du scheinst mir nun viel gewisser verdammt,
Als wollte man dich in Feuer verbrennen.
Denn niemals mehr verlischt in dir die Stimme
Der Reue. Nie, o niemals flammt
Für dich Gebet und Wunsch: Gott wird dich nicht erkennen!
Nie wird man, nein, niemals für deine Seele
Voll Inbrunst irgendwann die Messe sagen,
Und dieser Stab,

Drohend.

den du geträumt zu tragen,
In nerv'ger Hand,

Er schlägt Balthasar.

du sollst ihn brennend und schwer,
Doch nicht als ein Zepter, um stolz zu regieren,
Nein, als gemeine Geißel sollst du ihn spüren!

Dom Balthasar
Schlagt zu, mein Vater! Schlagt zu! Schlagt zu!

Der Prior schwankend, er wird von den Mönchen unterstützt.
Ruchloser! Ruchloser! Ruchloser!

Ohne es zu merken, hat er den Stab aus den Händen fallen lassen.

Ein Mönch Balthasar bedrohend.
Du Henker Christi!

Ein anderer
Du Dieb der Buße!

Ein anderer
Du Schlacke von Ehrgeiz du!

Theodul
Schurke! Vatermörder! Kirchenschänder!

Er stößt Balthasar mit dem Fuße, so daß er auf das Gesicht fällt.

Der Prior, der sich noch einmal aufgerichtet hat.
Nein! Rafft ihn auf! Stoßt ihn hinaus
In die Schande, die Hölle, den Untergang!

Die Mönche heben Dom Balthasar auf und jagen ihn zur Tür der Kirche hinaus, die sie hinter ihm lärmend verschließen.

Und nun sei sein Schicksal auf ewig von allen
Im Hause getrennt. Sein Verbrechen falle
Schwerer noch als des Henkers Erz
Hin auf sein Herz.

Langes Schweigen. Thomas, der den Stab aufgerafft hat, schreitet langsam auf den Prior zu. Von diesem Momente an beginnen sich alle Mönche, mit Ausnahme Isebalds und Dom Marcs, um Thomas zu scharen.

Thomas den Prior scharf ansehend.
Mein Vater!

Der Prior nach einem Schweigen.
Nun, so sei's!

Auf die Tür deutend, durch die Dom Balthasar hinausgestoßen wurde.

Da jener selber seinem Anrecht untreu ward,
Die höchste Pflicht an sich selbst versäumt,
Und ich unter euch allen keinen mehr weiß
Von meiner Stärke und Herrscherart,

Auf Thomas deutend.

So mögt Ihrs sein, dem der Himmel einräumt,
In diesen kommenden und so gefährlichen Zeiten
Dies Kloster zu wahren und für ihn zu streiten.

Thomas gibt dem Prior den Stab zurück. All das scheint sich wie von selbst zu tun.

Sie gehen alle ab.

Dom Marc, der allein zurückbleibt, vor dem Kruzifix.
Aus der tiefsten Glut deiner Barmherzigkeit,
Mein Gott, hab Erbarmen
Mit meinem armen
Unseligen Bruder Balthasar!
Dir allein ja ist es bekannt,
Wie glühend, wie inbrünstig allezeit
Die Reue ihm seine Seele verbrannt,
Und wie er sich deinen Himmel ersehnt!
Mein Gott, o woll ihm zur Seite stehen,
Wenn die Menschen ihn quälen mit Martern und Wunden,
Wenn die Welt ihn richtet und grimmig verhöhnt,
Wenn seine Brüder ihn schänden und schmähen!
O woll in der blutigen Todesstunde
Ihn hilfreich umringen, ihn gnädig bewahren
Mit deinen rauschenden Engelscharen!


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