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Der Schauplatz der Handlung ist ein altmodisches kleinbürgerliches Mansardenzimmer mit vergilbter, billiger Tapete aus Großvätertagen. Über dem geschweiften Plüschkanapee zur Linken hängt in kitschigem Goldrahmen ein billiges Blumenstück im Vierfarbendruck. Die beiden Fenster im Hintergrund scheinen auf irgendeine Brandmauer hinauszugehen; jeder Flügel ist in drei Scheiben geteilt. Lange nichtgewaschene cremefarbige, helle Vorhänge ohne Übergardinen sind zu beiden Seiten der Fenster gerafft, zwischen beiden Fenstern ein altmodisches Frauenbild in ovalem Rahmen, darüber ein unförmig großer Geschäftskalender, der als Datum eine große Acht trägt, oder irgendein anderes Datum, das weit zurückliegt, so daß man erkennt, wie lange er nicht abgerissen worden ist. Rechts vom Fenster auf einem Wandbrett ein Vogelbauer, in der Ecke ein Kachelofen mit Blechrohr nach oben, an dem eine Wäscheleine mit Wäsche zum Trocknen festgemacht ist, auf der oberen Ofenkante eine Kaffeemühle, in der Durchsicht eine bauchige, runde, tönerne Kaffeekanne, in der offenbar Kaffee gewärmt wird. Eine altmodische Kommode steht zwischen den Fenstern, darauf ein Lautsprecher und mehrere Nippsachen. In der Bühnenmitte ein viereckiges Rohrtischchen, das mit einer weißen Klöppeldecke bedeckt ist, darauf ein Blumenstrauß in einer billigen Vase. Vor dem Kanapee ein runder Tisch mit Plüschdecke und leuchtender Posamentenkante. In der schrägen Seitenwand ein Dachfenster, durch das helles Licht auf den Tisch fällt. Von den Fensterstöcken verbreiten Blumentöpfe mit blühenden Pflanzen eine gewisse Gemütlichkeit.
Die Frau (Liesl Karlstadt) trägt über ihrem Kleid eine blaue Schürze mit weißer Kante, später kommt sie in einem langen, altmodischen Kleid mit einem komischen Kapotthut, den sie aber schließlich gegen den weißen »Theaterschal« vertauscht.
Der Mann (Karl Valentin) ist gut genährt, hat einen struppigen Vollbart und eine Glatze, die nur durch wenige zur Seite gekämmte Haare gegen die Stirn abgegrenzt ist. Seine weite dunkle Hose schlägt viele Falten, die helle, oft geflickte Weste ist aufgeknöpft. Sein Chemisett hat einen niedrigen breiten Gummiumlegekragen, unter dem eine altertümliche schwarze Binde, wie sie früher die Handwerker trugen, durchgezogen ist, deren Enden sich über der Brust kreuzen und steif zur Seite stehen. Später zwängt er sich in einen alten Gehrock und eine dunkle Weste, zu der er eine gestreifte Hose trägt. Die Schnürbänder seiner unförmigen schwarzen Schuhe sind oft geknotet, ein Ungetüm von 126 Regenschirm und ein »Goggs« mit riesengroßem Kopf und lustig rundgeschwungener Krempe schmücken ihn, wenn er sich endlich zum Ausgang fertig gemacht hat. Die Weste hat er allerdings noch nicht zugeknöpft, als er zum Schluß die Theaterkarten in der Hosentasche findet.
Die Nachbarin ist eine unordentlich angezogene Frau im Küchengewand mit einer Schürze von unbestimmter Scheuerlappentönung. Ihre grauen Haare sind ungepflegt und stehen unordentlich nach allen Seiten. Sie trägt eine schmierige, henkellose Tasse in der Hand.
Beim Aufgehen des Vorhangs sieht man den Mann am Tisch sitzen und Zeitung lesen.
Die Frau kommt eilig herein: Du, Alter, denk dir nur, jetzt geh ich eben über die Treppen rauf, da begegnet mir unser Hausfrau und hat mir schon wieder was g'schenkt – rat amal, was s' mir g'schenkt hat?
Der Mann: Sei net kindisch, sag's halt.
Die Frau: Da schau her, zwei Theaterbilletten für'n Faust – was sagst denn du dazu?
Der Mann: Dank schön! Warum geht's denn net selber nei, des alte Luada?
Die Frau: Ja mei, sie wird halt koa Zeit ham.
Der Mann: So so, sie hat keine Zeit, aber wir müssen schon Zeit habn.
Die Frau: Aber sei doch net so undankbar.
Der Mann: Da siehst doch ganz deutlich, daß die Frau irgendwas gegen uns hat, sonst tat s' doch net ausgerechnet uns die Karten schenken.
Die Frau: Aber sie wollte uns doch nur eine Freude bereiten.
Der Mann: Sie uns?! Haben wir vielleicht ihr schon mal eine Freude bereitet?! – Niemals!
Die Frau: Also willst mitgehn? Ja oder nein?
Der Mann: Wann geht denn des an?
Die Frau: Des weiß i net – i geh nunter und frags nochamal.
Der Mann: Des geht halt um halb acht Uhr an.
Die Frau: Jetzt is ja schon dreiviertel sieben Uhr, da tät ma nimmer fertig werden! Aber die Theater gehn doch meistens erst später an – um acht Uhr.
Der Mann: Naa, zwischen halb acht und acht Uhr geh'ns an.
Die Frau: Naa, vor acht Uhr auf keinen Fall; immer gehn die Theater erst später an; weißt noch, vor vier Wochen war'n ma amal in an Frühschoppen, der ist erst um zehn Uhr angegangen. 127
Der Mann: Ja, was mach ma denn da?
Die Frau: Überleg dir's halt net lang, komm!
Der Mann: Gegessen ham ma auch noch nicht.
Die Frau: Das Essen ist fertig.
Der Mann: Ja, i werd scho fertig, kampelt bin ich gleich.
Die Frau: Das kannst hernach machen, jetzt eß' ma z'erst.
Sie geht ab. Der Mann nimmt einen Spiegel und stellt ihn auf den Tisch; der Spiegel fällt immer wieder um. Die Frau kommt mit Tellern und Besteck.
Die Frau: So, jetzt schaun ma, daß wir weiterkommen. Ja gibts denn des auch – stell'n halt auf.
Der Spiegel bleibt stehen, aber nur verkehrt herum.
Der Mann: Ich kann doch net soo neinschaun.
Die Frau: Dreh ihn halt um.
Der Mann dreht den Spiegel um, aber nun bleibt er wieder nicht stehen, sondern fällt immerzu um. Die Frau stellt ihn richtig hin. Der Mann kämmt sich Bart und Haare.
Die Frau: Jetzt möcht ich bloß wissen, was da zu kämmen gibt – da kannst doch keinen Scheitel mehr machen, aus der Mordstrumm-Platt'n.
Der Mann: Das bin ich noch so gewöhnt von früher her.
Die Frau: Wie nur der Mensch so eitel sein kann – für wen richtst dich denn gar so schön z'samm, mir g'fallst, und wem andern brauchst net g'fallen.
Der Mann: Vielleicht sitzt im Theater ein sauberes Madl neben mir.
Die Frau: Die wird dann grad dich anschauen, die schaut doch den Faust an!
Der Mann: I mein ja in der Pause . . .
Die Frau geht und bringt das Essen, eine Schüssel mit Kraut und Würstchen.
Der Mann: Schon wieder Eintopf!
Die Frau: Bei uns hats doch noch nie was anderes geb'n.
Jedes kriegt eine Wurst, er nimmt sie, zieht sein Metermaß aus der Hosentasche, mißt beide Würste, gibt der Frau die kleinere und behält die längere für sich; dann fahren beide hastig mit ihren Gabeln ins Kraut, die Gabeln verfangen sich ineinander, sie ziehen vergeblich jeder nach seiner Seite daran. Endlich schlägt er die Gabeln mit seinem Messer auseinander. Während des Hin- und Herziehens schaut er auf den Regulator an der Wand.
Die Frau: Da, jetzt ist sie krumm, jetzt weiß ich wenigstens, wer unsere Gabeln immer so kaputt macht. Jetzt eß ma aber schnell. 128
Der Mann: Schnell soll man nicht essen, das ist ungesund.
Die Frau: Da hast a Kraut! Sie steht auf und gibt ihm Sauerkraut auf seinen Teller.
Der Mann wirft es zornig mit der Hand zurück: Ich nimm mir mei Sach scho selber.
Er schaut in den Spiegel hinein.
Die Frau: Mach doch keine Geckerl, unter'm Essen brauchst doch nicht in den Spiegel schaun.
Der Mann: Gerade da – dann hat man zwei Portionen.
Beide essen sehr geräuschvoll.
Der Mann: Was mach ma denn mit unserem Buben, wenn er von der Arbeit heimkommt?
Die Frau: Da hab ich schon dran denkt. – 's Essen müß ma ihm warmhalten, und bevor wir fortgehen, müß ma ihm an Zettel schreiben – iß nur du weiter, den schreib ich gleich. Sie holt aus der Kommode Papier und Tinte. Dann schreib ich, daß wir nicht daheim sind.
Der Mann: Des brauchst ihm net schreiben, das sieht er ja selber – aber des mußt ihm schreiben, daß wir fortgangen sind.
Die Frau: Das mein ich ja! Ich schreibe ihm, daß wir nicht da sind, weil wir abwesend sind.
Der Mann: Schreib: München, den –
Die Frau: Nein, ich schreib: Lieber –
Beide: Ja, wie hoaßt jetzt der?
Die Frau: Du als Vater wirst doch wissen, wie der Bub heißt –
Der Mann: Du als Mutter mußt es viel eher wissen.
Die Frau: Weil man eben immer Bub zu ihm sagt, ja wie heißt er denn?
Der Mann: Wart – ich frag die Nachbarin.
Die Frau: Naa – da wer'n ma doch selber drauf komma, Jeßmarandjoseph – ah Joseph heißt er – Also: Mein lieber Joseph –
Der Mann: Das kannst net schreiben, weil er mir auch g'hört.
Die Frau: Dann schreib ich halt unser lieber Joseph, daß d' a Ruah gibst. – Unser lieber Joseph . . .
Der Mann: Sehr geehrter Herr, unser lieber Joseph –
Die Frau: Dein Essen steht in der Küche am Ofen, mach es dir warm, weil es schon kalt ist . . .
Der Mann: Es ist bereits Dezember –
Die Frau: Ich meint' doch 's Essen – kalt ist und weil wir ins Theater gehen müssen.
Der Mann: Wenn ma net mögen, müß ma net . . . 129
Die Frau: Dann schreib ich dürfen – können – wollen – sollen –
Der Mann: – werden.
Die Frau: Dann sind wir doch schon fort, wenn er den Zettel liest.
Der Mann: Dann schreibst: gegangen sind.
Die Frau: Sollte das Theater aus werden, dann kommen wir vielleicht bestimmt nach Hause. Es grüßt dich
Der Mann: Hochachtungsvollst
Die Frau: Deine fortgegangenen Eltern, nebst Mutter.
Der Mann: Bei die Eltern ist doch d' Mutter schon dabei!
Die Frau: Dann mach i halt an Punkt, sonst liest des Rindviech weiter.
Der Mann: Jetzt schreib noch hin: Solltest du aber das Essen lieber kalt mögen – dann brauchst du es nicht warm zu machen.
Die Frau: Weil es sonst zu heiß wird. So, den legen wir jetzt am Tisch her. Oder vielleicht sieht er ihn da net glei – er geht doch meistens bei der Tür herein, dann legen wir den Zettel am Boden her –
Der Mann: Dann tritt er drauf mit die schmutzigen Stiefel und kann ihn nicht mehr lesen.
Er stellt den Brief auf das Seitentischerl, wo er ihn an die Blumenvase lehnt.
Die Frau: Das ist nichts, da, mit dem Blumenbukett, da meint er ja, er hat Namenstag.
Der Mann: Er hat aber kein' Namenstag.
Die Frau: Aber das irritiert ihn – also das ist nichts.
Der Mann lehnt den Brief an den Spiegel: Das ist großartig, da schau her, jetzt wenn er kommt, stellt er sich daher, schaut in den Spiegel hinein und denkt sich, was ist denn das für ein Zettel? Dann sieht er ihn.
Die Frau: Wir schauen freilich nein, weil wir wissen, daß da ein Zettel liegt – aber er hat ja keine Ahnung, jetzt, wenn er nicht neinschaut?
Der Mann: Das ist Grundbedingung, daß er neinschaut.
Die Frau: Wenn er aber net neischaut, dann hast den Zettel umsonst hing'stellt.
Der Mann: Jaso, halt, ich hab's – jetzt schreibst nochmal an Zettel: Wenn du heimkommst, schaue sofort in den Spiegel.
Die Frau: Also: – Wenn du heimkommst, schaue sofort in den Spiegel hinein, dann siehgst du was – schreib ich. So – jetzt ham ma uns so lang mit der Schreiberei aufg'halten – jetzt 130 gehts auf sieben Uhr – is gut, daß das Theater erst um acht Uhr angeht.
Der Mann: Um halb acht Uhr gehts an.
Die Frau: Ich mein, abspülen tu ich erst morgen früh, sonst wird's zu spät. Sie serviert ab.
Der Mann sucht überall herum, zieht die Schubladen auf und schüttelt den Kopf. Fanny, wo hast denn mei Kragenknöpferl?
Die Frau: Jetzt geht wieder d' Suche nach dem Kragenknöpferl an, hunderttausend Kragenknöpferl hab ich dir schon heim –
Der Mann: Des is zuviel – oans brauch ich bloß.
Die Frau: Ich möcht bloß wissen, wo du die Kragenknöpferl immer hinbringst, ich glaub, du frißt sie direkt.
Sie nimmt die Knopfschachtel und zeigt sie ihm. – Der Mann stürzt auf sie zu, beide stoßen mit ihren Köpfen zusammen, er wühlt gierig in der Schachtel, endlich findet er ein Kragenknöpferl und hält es ihr triumphierend unter die Nase.
Die Frau: Jetzt mach ich mich fertig – ah, in d' Küch muß ich nochmal. Sie geht ab.
Der Mann ruft ihr nach: Wo is denn mein Kragen?
Die Frau: Wo'stn gestern hing'legt hast.
Der Mann quält sich mit dem Umbinden des Kragens ab, bringt es aber nicht fertig, das Kragenknöpferl durch das zweite Knopfloch des Bündchens zu schieben: Fanny, mach mir mein Kragen ein, bevor ich narrisch werd.
Die Frau stürzt mit der Brennschere im Haar wieder herein: Du mußt mir schon mei Ruh lassen, sonst werd ich auch nicht fertig – was soll ich denn tun?
Der Mann: Mein Kragen sollst mir einmachen, sonst wirf ich ihn hintern Ofen.
Die Frau: Da, halt amal d' Scher! Sie faßt die Lockenschere an den Holzgriffen und hält ihm das heiße Eisenteil hin.
Der Mann: Au – dumme Gans, gibts mir die heiße Scher so in d'Hand.
Die Frau: Ja, wie soll ich dir's denn sonst geben, ich kann dir's doch net so geben! Sie faßt die Schere am Metallteil an und hält ihm die Holzgriffe unter die Nase, dabei brennt sie sich auch. Au!
Der Mann läßt sein Kragenknöpferl auf den Boden fallen: Jetzt hab ich mei Knöpferl hinuntergeworfen.
Er reißt ein paarmal die elektrische Zuglampe herunter und stößt sich den Kopf an.
Die Frau: Jetzt hat er wieder kein Knöpferl – also wenn'st so 131 weitermachst, dann kommen wir viel zu spät, des sag i dir glei. Sie sucht das Knöpferl. Vielleicht ist's untern Diwan?
Der Mann: Der is ja hingemal'n, da unter de Kommode is es hing'falln!
Sie bückt sich suchend, er hebt die Kommode etwas auf, das Geschirr und die Nippsachen fallen herunter.
Die Frau: Jessasmarandjoseph, mei schöns G'schirr!
Sie schimpft wütend weiter.
Der Mann lacht: Da is ja's Knöpferl! Wo is denn mei Kragen –?
Die Frau: Jetzt hat er wieder koan Kragen – das is er ja!
Der Mann: Nein, an Kragen, da is er ja.
Die Frau: Ich zieh mich jetzt an, dann is wenigstens eins fertig; soll ich das schwarze Kleid anziehn?
Der Mann: Ja –
Die Frau: Oder das braune?
Der Mann: Ja –
Die Frau: Ich kann doch net zwei Kleider anziehn!
Der Mann: Dann frierts dich net.
Die Frau: Wenn man nur dich um was fragt – jetzt ziag i amal 's braune an – dann sehn ma's schon, 's schwarze kann i dann immer noch anziehn. Sie geht ab.
Der Mann hat inzwischen Kragen und Krawatte umgebunden. Er sucht seine Schuhe und findet sie. Während er den einen anzieht, stellt er den anderen auf den Tisch. Beim Zuschnüren ärgert er sich über die Schuhbänder.
Die Frau kommt im braunen Kleid hereingestürzt: Geh, mach mir amal mei Kleid ein, das kann ich net allein.
Der Mann: Auweh – jetzt kommen wieder die fünfhundert Hakerln alle.
Die Frau: Nein, brauchst koa Angst ham, i hab ja an Reißverschluß hinmachen lassen. Der Mann macht den Reißverschluß zu. Des war doch früher furchtbar; wenn man ein Hakerl zugemacht hat, dann is das andere wieder aufg'hupft, und beim Ausziehen, wenn man eins aufgemacht hat, is des ander wieder zug'hupft.
Der Mann: Jetzt red net lang, schau, daß d' fertig wirst.
Das Schuhband reißt ihm ab, er schimpft und flucht vor sich hin.
Die Frau: Sei doch net so nervös! Ich weiß net, andere Leut gehn doch auch ins Theater.
Der Mann: Das sind auch keine Schuhbandl'n.
Die Frau: Das nächstemal zieh ich dir a paar Drahtseil ein – aber die reißt du auch noch ab. Sie geht ab. 132
Der Mann knüpft das Schuhband zusammen, steht dann auf, stampft ein paarmal mit beiden Füßen und zieht dann Weste und Jackett an.
Die Frau kommt mit ihrem Hut in der Hand wieder herein: Ich weiß net, der Hut, find ich, paßt net recht zu dem braunen Kleid.
Der Mann: Setz an andern auf – schick dich! Er setzt seinen Hut auf und ist fertig.
Die Frau: Und der macht mich furchtbar frech –
Der Mann: Der hat mir noch nie g'falln.
Die Frau: Ich setz das Theatertuch auf, das steht mir auch besser.
Der Mann: Das tust – aber geh – mach – wir kommen zu spät. Er trippelt nervös hin und her.
Die Frau sucht ihren Pompadour und ihren Fächer: Jetzt muß ich noch a bisserl aufräumen.
Der Mann schimpft: Ja, d' Stieg'n tät ich noch putzen und d' Fenster putzen, langweiliges Frauenzimmer.
Die Frau schimpft auch: Ja, sei nur net so grantig! Ich kann doch auch nichts dafür, daß i zwei Billetten gschenkt kriegt hab. –
Der Mann: Des Mistviech soll 's nächstemal selber ins Theater gehn und andere Leut net damit belästigen.
Er blickt sie wütend von unten herauf an; die Frau wehrt ihn mit den Händen ab.
Die Frau: Ich darf mich nur amal auf was g'freun, bei uns is amal a so, zum Arbeiten bin i 's ganze Jahr guat g'nua, aber –
Der Mann: Und i zum Verdienen.
Die Frau: Jetzt gehts scho wieder dahin, i kenn di schon, jetzt hörts wieder nimmer auf, jetzt wird an ganzen Weg g'stritten und im Theater drin wird g'stritten und die halberte Nacht hernach wird aa noch g'stritten! Aber des sag ich dir, auf a solches Vergnügen verzicht i von vornherein. Da bleib i lieber daheim und du gehst allein ins Theater.
Der Mann: Wie kann ich denn mit zwei Billetten allein ins Theater gehn?
Die Frau weint und setzt sich: Ich kann doch schließlich nichts dafür, wenn mir wer zwei Billetten schenkt.
Der Mann: Auf das hab ich g'wart, marsch! Vorwärts ins Theater –
Die Frau: Ich hab mich so aufg'regt, du weißt, ich kann die Anschreierei nicht vertragen, ich will nicht mehr fortgehn und ich kann nicht mehr fortgehn; meinetwegen gehst ins Theater, mit wem du magst! Ich zieh mich jetzt aus und geh ins Bett, ich hab so viel Kopfweh kriegt, jetzt – 133
Der Mann: Dann nimmst a Kopfwehpulver! Er gibt ihr die Arznei.
Die Frau: Da brauch ich dich net dazu, geh hin, wos d' magst, i geh ins Bett. Sie schluckt die Arznei hinunter und geht ab.
Der Mann: Halt, hast as schon runtergschluckt? Schlucks rauf!
Die Frau: Hast mir was Falsches geb'n?
Der Mann: Weilst aber auch alles nunterfrißt!
Die Frau: Red, was hast mit denn geb'n?
Der Mann: Leopillen zum Abführen.
Die Frau: Da hast ja jetzt was Saubers angstellt, des sind ja Leo-Laxierpillen! Da stehts: Prompte Wirkung binnen einer Stunde! Jetzt is halb acht Uhr, da sitz ma dann grad im Theater um halb neun Uhr und da gehts dann los.
Der Mann: Um halb acht Uhr gehts los.
Die Frau: Ich mein ja bei mir; aber dann genga ma halt jetzt, vielleicht sind wir bis dahin wieder daheim. Ich möcht bloß wissen, ob's bei andere Leut auch so zugeht, wenns fortgehn, wie bei uns.
Der Mann: Genau so!
Die Frau: So kanns ja gar nirgends zugehn!
Der Mann: De sag'ns bloß net. Also gehn ma.
Die Frau: Und g'schlampert bist wieder anzog'n, des kann ma dir nimmer abg'wöhna, ja, was hast denn du für a Hemd an?
Der Mann: A Herrnhemd.
Die Frau: Mit dem Hemd wirst doch net ins Theater gehn woll'n, das ist ja dein ältestes, des hast ja schon vierzehn Tag an.
Der Mann: Des sieht ma doch net!
Die Frau: Nein, mit dem Hemd geh ich nicht fort, keinen Schritt, wenn dich da wer sieht, de Leut meinen ja, ich bin a Drecksau.
Der Mann: Des macht ja nichts.
Die Frau: Nein – du ziehst jetzt ein anderes Hemd an! Sie holt eins aus dem Wäscheschrank.
Der Mann: Aber den Tag werd ich mir merken; nie mehr, nie mehr ins Theater.
Die Frau: Komm, ich helf dir!
Er zieht sich aus bis aufs Hemd, im selben Moment kommt die Nachbarin herein. Sie hält eine Tasse in der Hand. Wie sie den ausgezogenen Mann sieht, schreit sie vor Schreck auf und läßt ihre Tasse fallen.
Die Frau: Warum klopfen S' denn net an, und du stehst nackat da! – Geh ins Schlafzimmer!
Er schlurft ab. 134
Die Frau: Wir haben keine Zeit, wir gehen ins Theater.
Die Nachbarin: Ah bittschön, a kleins bisserl a Salatöl wenn S' mir leihen könnten.
Die Frau: Sie kommen aber immer im ungünstigsten Augenblick daher, allaweil brauchen Sie was anders. Sie holt die Ölflasche. Also, wieviel woll'n S' denn?
Die Nachbarin: A kleins Tröpferl bloß.
Die Frau gibt ihr Öl in die Tasse. Inzwischen ist der Mann wieder hereingekommen. Er trägt seine Hose noch in der Hand und stößt seine Frau an den Ellenbogen, während sie gerade beim Einschenken ist.
Der Mann: Wo hast denn mei Hemd?
Das Öl rinnt der Frau auf ihr Kleid.
Die Frau: Jessas, das auch noch, das schöne Kleid, gleich weinen könnt ich.
Die Nachbarin: Das ist mir aber peinlich.
Die Frau: Da hab ja i nichts davon – das Kleid is kaputt – is guat, daß bloß a Öl ist, des gibt wenigstens keine Flecken. Langt Ihnen das? Da! Sie gibt ihr die volle Tasse.
Die Nachbarin: Dank schön – viel Vergnügen. Sie geht ab.
Der Mann: Wo ist denn mein Hemd?
Die Frau: Da liegts doch auf dem Stuhl.
Der Mann hebt das Hemd auf, faltet es auseinander und hebt es hoch. Man sieht, daß es ein Kinderhemd ist: Jessas, Jessas.
Die Frau: Das is ja an Buam sei Hemd, das ist das einzige, das in der Schublade war, du bist ein g'schlamperter Kerl, du weißt ganz genau, daß du bloß zwei Hemden hast – und de reißt immer raus und sagst nichts davon, zieh halt a Brust an – da hast a frische Brust. Sie gibt ihm ein Gummi-Chemisett.
Der Mann: Die is ja zu lang.
Die Frau: Dann reißt du sie ab! Sie reißt die untere Hälfte des Chemisetts ab.
Der Mann: Schnell! Halb acht Uhr ist es!
Er zieht sich mit fliegenden Händen an, Chemisett, Krawatte, Uhr fallen dabei herunter, er steckt die Uhr in die Hose, da fällt sie durch das Bein; die Frau gibt ihm Weste, Jackett, Hut, Schirm und dann den Überzieher – er fährt ins Futter und dann mit dem Schirm in den Ärmel; ein fürchterliches Durcheinander entsteht.
Die Frau: Jetzt kommen wir zu spät, jetzt müssen wir mit der Straßenbahn fahren, dann steig'n mir aber gleich in den vorderen Wagen ein, daß wir früher hinkommen. Halt, den Operngucker haben wir noch nicht, den trägst du. Sie nimmt ein Opernglas im Futteral aus einer Schublade und reicht es ihm. 135
Der Mann läßt es fallen: Das ist kaputt.
Die Frau: Mir wärs schön g'nug. Sie macht das Etui auf. Ah, gut, daß keins drin war, das wär hin gwesen. Also, gehn ma jetzt – hast alles, die Schlüssel, die Geldbörse, a Taschentuch, dein Schnupftabak – hast im Schlafzimmer d' Fenster zugmacht, wenn ein Gewitter kommt? Sie schaut nach.
Der Mann: Komm, komm!
Die Frau: Also, mach 's Licht aus und sperr zu!
Der Mann im Finstern: Billetten hast du?
Die Frau: Nein, die hast du!
Der Mann: Nein, du – wart, mach a Licht.
Die Frau: Das waar ja jetzt die Höhe, wenn wir jetzt keine Billetten hätten. Sie schaut in ihre Tasche hinein. Ich hab doch mei Tascherl gar net aufg'macht. Da drüben bist g'sessen, und da hab ich dir die Billetten in die Hand geben.
Der Mann: Vielleicht hast du's darüber. Er geht an die Kommode und legt seine Hand hin.
Die Frau: Nein – ich weiß es ganz bestimmt. Sie haut die Schublade zu und zwickt ihm dabei die Finger ein.
Der Mann: Au – Au –. Er weint und lehnt sich an seine Frau.
Die Frau: Ich kann dir nur sagen, daß mir vor dem Theatergehn schon bald graust! Wenn wir nur die Billetten hätten, denn ohne Billetten lassens uns ja nicht hinein.
Der Mann: Halt! Er zieht die Theaterkarten aus der Hosentasche.
Die Frau: Da sinds ja; jetzt tu ich's aber gleich in mei Tascherl nei, sonst verlierst sie noch einmal, da schau, da hätt ma gleich draufschaun können, da stehts ja, wanns angeht: Anfang acht Uhr – wer hat jetzt wieder amal recht g'habt' – ich – die Frau hat immer recht – da stehts schwarz auf weiß – Anfang acht Uhr.
Der Mann: Ja stimmt, Anfang acht Uhr. Freitag, den 17. Juli.
Die Frau: Wieso Freitag? Heut ist ja erst Donnerstag!
Beide schauen sich entgeistert an; es fällt der Vorhang.