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4. Ameisenepiphyten.

Streptocalyx angustifolius, Anthurium scolopendrium und Codonathe sp. bei Manáos

Tafel 6. Streptocalyx angustifolius, Anthurium scolopendrium und Codonathe sp. bei Manáos.

(Nach photographischer Aufnahme von E. ULE, 1901.)

Wer die Vegetation der Amazonaswälder aufmerksam beobachtet, dem werden in Nestern angehäufte Pflanzen epiphytischer Gestalt auffallen. Zuweilen sind die Bäume bis in die höchsten Höhen wie überladen mit solchen kompakten Vegetationsmassen, die oft riesige Dimensionen annehmen und wie Storchnester oder Heubündel aussehen. Die dort angehäuften Pflanzen wachsen sämtlich in Ameisennestern und sollen deshalb Ameisenepiphyten genannt werden.

Sie haben alle Beerenfrüchte, deren Samen die Ameisen an geeignete Stellen auf Bäumen und Sträuchern aussäen und sie mit Erde umgeben. Keimen nun die Samen, so·schleppen die Ameisen immer mehr Erde hinzu, wodurch das Wachstum der Ameisenepiphyten gefördert wird und sie sich oft üppig entwickeln können. Nicht allein sind die Nester porös und können Feuchtigkeit schnell aufsaugen, sondern die Ameisen schleppen auch Nährstoffe hinzu, wodurch diese Gewächse leichter gedeihen als andere Epiphyten. Sie unterscheiden sich auch von letzteren durch üppigeres Wachstum, größeren Blattreichtum und weniger ausgesprochenen xerophytischen Bau. Die in Ameisennestern wachsenden Pflanzen sind diesen fast alle eigentümlich, wenn auch ein Teil derselben mit den eigentlichen Epiphyten nahe verwandt ist oder nur als Varietät aufgefaßt werden kann.

Verdanken nun etwa ca. 16 Pflanzenarten ihr Dasein den Ameisen, so gewinnen diese durch das Auswachsen der Wurzeln Festigkeit für ihre Nester und durch das üppige Laubwerk Schutz vor den heftigen Regengüssen. ALFRED MÖLLER hat in seiner interessanten Arbeit Vergl. SCHIMPERS Bot. Mitteil. aus den Tropen, Heft 6. geschildert, wie Ameisen Pilzkulturen treiben, welche er deshalb Pilzgärten genannt hat. Hier haben wir es aber mit der Zucht höherer Gewächse durch Ameisen zu tun, und deshalb sollen diese Gebilde kurz als Ameisengärten bezeichnet werden Ameisengärten im Amazonasgebiet von E. ULE. ENGLERS Botan. Jahrb., Bd. XXX, Heft 2, Beiblatt No. 68.. Auf Tafel 6 wird ein solcher Ameisengarten dargestellt, der einige der häufigsten Ameisenepiphyten enthält. Die Bromeliacee in der Mitte mit verkürztem Blütenstand ist Streptocalyx angustifolius MEZ, der namentlich in den großen Ameisennestern hoch oben auf den Bäumen wächst. Die schmalen Blätter werden oft bis 3 m lang und sind fleischiger als bei anderen Epiphyten. Die lanzettförmigen Blätter gehören zu Anthurium scolopendrium KUNTH. var. Poiteauanum ENGL. und die kleineren etwas gekerbten zu einer noch unbeschriebenen Codonanthe, einer Gesneriacee, von der auch einige Blüten sichtbar sind.

Epiphyten, die auf einer niederen Stufe der Ausbildung stehen, sind im Amazonasgebiet besonders reichlich vertreten. Man kann dahin rechnen, erstens die Hemiepiphyten, also solche Gewächse, die von ihrem luftigen Standort später Nährwurzeln zum Boden senden; zweitens Humusepiphyten, das sind solche, welche nur da gedeihen, wo sie schon eine Humusschicht vorfinden, wie z. B. Arten von Hillia, Peperomia, Lycopodium etc., und drittens die eben geschilderten Ameisenepiphyten.

Geringere Verbreitung der Epiphytenvegetation bei verminderter Artenzahl, jedoch mit einigen Endemismen kennzeichnet die Flora des Amazonenstromes vor der anderer tropischen Länder Amerikas. Stellenweise treten die Epiphyten auch hier in ihrer ganzen Ueppigkeit auf, und sind es besonders die Ameisenepiphyten, welche im Landschaftsbilde der Amazonaswälder eine Rolle spielen. Bei einer Schilderung der Epiphyten durften daher die Ameisengärten nicht fehlen. Sie bieten jedoch des Interessanten so viel, daß sie in einem der folgenden Hefte eingehender behandelt werden sollen.


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