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Zweites Kapitel

In Nevada und Kalifornien.

Bei Ausbruch des Bürgerkrieges befand sich Mark Twain als wohlbestallter Lotse auf dem Flußdampfer ›Alonzo Childs‹. Erst als dies Fahrzeug in ein Widderschiff der Südstaaten umgewandelt wurde, gab er seinen Platz am Steuer auf. Infolge des Bürgerkrieges konnte von einem regelmäßigen und einträglichen Stromverkehr nicht länger die Rede sein.

Nach Hannibal zurückgekehrt, trat Clemens, der damals 24 Jahre alt war, als Freiwilliger in die Südarmee unter General Price ein. Seine militärische Laufbahn war jedoch von kurzer Dauer; die kleine unorganisierte Schar, die ihn zum Leutnant wählte, – fünfzehn Mann, alles in allem – verrichtete keine großen Thaten. Fast wäre dem jungen Clemens die Ehre zu teil geworden, von General Grant zum Gefangenen gemacht zu werden; es gelang ihm jedoch, zu entkommen, und er beschloß nun, sein Glück im fernen Westen zu suchen.

Sein älterer Bruder, Orion Clemens, war seit kurzem zum Vizegouverneur von Nevada ernannt worden; und mit diesem begab sich unser jugendlicher Abenteurer nach Carson City. Doch ließ ihn die Sorge, daß er von vorüberziehenden Unionstruppen erkannt und an den Norden ausgeliefert werden könne, auch hier keine Ruhe finden. Bis er die Gefahr für beseitigt hielt, wollte er sich lieber in eine abgelegene Bergwerksgegend zurückziehen und wählte die Niederlassung ›Aurora‹ zum Aufenthalt. Hier arbeitete er zuerst um Tagelohn in einer Quarzgrube, dann für eigene Rechnung als Goldgräber. Auf kurze Zeit war er einmal Mitbesitzer des berühmten Erzgangs von Combstock und Millionär, ohne es zu wissen. Er erfuhr es erst, nachdem er seinen Anteil verkauft hatte.

Nach Nevada strömten damals die Abenteurer aus aller Herren Länder. Bankerotte Kaufleute, Studenten, die den Bücherstaub abschüttelten, um Goldstaub zu suchen, entlaufene Mörder und Diebe, unglückliche Spieler, und der Auswurf der großen Städte, alle suchten dort eine Zuflucht. In der ganzen Gegend herrschte ein buntes und oft recht tolles Drängen und Treiben; Stulpenstiefel, Zahnstocher und Revolver bildeten, wie Mark Twain behauptet, die unentbehrlichsten Bestandteile der damaligen Tracht.

Von Aurora aus schrieb der junge Clemens eine Anzahl Briefe an die Herausgeber des ›Enterprise‹ in Virginia City und nahm 1862 eine Redakteurstelle bei diesem Journal an. Viele der humoristischen Skizzen, die seinen späteren Schriftstellerruhm begründeten, erschienen um diese Zeit und zwar zum erstenmal unter dem Namen Mark Twain. Im täglichen Verkehr war sein trockener Witz oft sehr unterhaltend für die Kameraden, doch fürchteten sie ihn auch wegen der losen Streiche und derben Scherze, die er mit ihnen trieb und gegen die sie nie genug auf ihrer Hut sein konnten.

Von Virginia City aus führte Mark Twains Weg naturgemäß nach San Francisco, dem Zufluchtsort aller Abenteurer der Westküste. Er litt damals an fortwährendem Geldmangel und ging, um Arbeit zu suchen, gleich nach seiner Ankunft auf das Bureau des ›Morning Call‹, einer Zeitung, für die er schon in Nevada verschiedene Artikel geschrieben hatte. Sein Anzug bestand aus einem abgeschabten Filzhut, einem blauen Soldatenmantel und Beinkleidern, die nur bis zu den Stiefelschäften reichten. George Barnes, der Redakteur, empfing ihn freundlich, forderte ihn auf, gleich, am nächsten Tage mit der Arbeit zu beginnen und händigte ihm eine Anweisung auf die Geschäftskasse ein, damit er sich anständige Kleider verschaffe.

Die Beschäftigung muß Mark Twain jedoch wenig behagt haben. Stadtneuigkeiten und Polizeiberichte zu schreiben, war nicht nach seinem Geschmack. Wenn er irgend konnte, mied er es, den Verhandlungen auf dem Rathause beizuwohnen, und das Journal hatte wenig Nutzen von der Mitarbeiterschaft des unstäten, saumseligen Berichterstatters. Er selbst fühlte sich nicht an seinem Platz. So war er es denn wohlzufrieden, als ihm Barnes, dem zuletzt die Geduld riß, vorschlug, sich eine andere Anstellung zu suchen.

General Mc Comb, der mit Mark Twain befreundet war und eine hohe Meinung von seinem Schriftstellertalent halte, erzählt, Clemens sei ihm einmal auf der Straße begegnet und habe ihm mitgeteilt, daß er sich nächstens wieder als Lotse anstellen lassen wolle; Berichterstatter möge er nicht länger sein und er habe bereits eine Eingabe bei der Regierung in Washington gemacht, die wahrscheinlich berücksichtigt werden würde. Der General, dem dieser Entschluß höchlich mißfiel, redete Mark Twain aus allen Kräften zu, den Plan aufzugeben, indem er ihm vorstellte, daß er es bei seinen Gaben zu etwas weit Besserem bringen könne, als sein Leben lang einen Flußdampfer zu steuern. Wenn er das Zeitungswesen satt habe, so solle er ein Buch schreiben oder Skizzen und was ihm sonst in den Kopf käme. Bei seinem originellen, kernigen Stil würde er sicherlich ein Publikum finden, das ihn zu schätzen wisse, und mehr verdienen als im Lotsenberuf. Mark Twain nahm den Rat des Freundes an und blieb der Feder getreu, mit der er später sein Glück machen sollte.

Zunächst beteiligte er sich mit Bret Harte an der Herausgabe des ›Kaliforniers‹. Viele seiner besten Skizzen erschienen in dem Blatt und fanden durch häufigen Nachdruck auch in den Städten des Ostens Verbreitung. Das Unternehmen hatte jedoch nur kurzen Bestand. Eines schönen Tages brachen die beiden Redakteure zusammen nach den Bergen auf, um zu versuchen, ob es ihnen mit dem Goldgraben besser glücken werde. Das war jedoch nicht der Fall, und Mark Twain fand bei der Rückkehr nach San Franzisco obendrein, daß er seine Gesundheit stark geschädigt hatte. Um sich zu erholen, ging er als Zeitungsreporter nach den Sandwich-Inseln und schickte von Honolulu aus sehr lesbare Artikel über die dortigen Zustände und Lebensgewohnheiten an die ›Union‹ in Sakramento zur Veröffentlichung.

Die Schönheit der Sandwich-Inseln schildert er noch in spätern Jahren wie folgt:

»Kein fremdes Land in der ganzen Welt hat je einen solchen Reiz auf mich ausgeübt, mir eine so sehnsuchtsvolle und lebendige Erinnerung hinterlassen, die ich mein halbes Leben lang, weder schlafend noch wachend los werden konnte. Andere Eindrücke verbleichen, aber dieser bleibt; andere Länder schwinden mir aus dem Gedächtnis, aber dies kann ich nie vergessen. Seine balsamische Luft umweht mich stets, auf seinem Meer strahlt die Sommersonne, ich höre die Brandung an die Klippen schlagen und sehe seine blumenbekränzten Ufer, die schäumenden Wasserfälle, die gefiederten Palmbäume in der Mittagsruhe, die fernen Berggipfel, die wie Inseln über die Wolken ragen. Noch durchströmt mich das wohlige Gefühl, das ich dort in der Waldeseinsamkeit empfunden habe, das Plätschern des Baches tönt mir im Ohr und ich atme noch den Duft der Blumen, die vor mehr als zwanzig Sommern verwelkt sind.« –

Das milde Klima von Hawai stellte Mark Twains Gesundheit schnell wieder her. Nach zweimonatlicher Abwesenheit lehrte er neugekräftigt nach San Franzisco zurück, um dort den Kampf ums Dasein weiter fortzusetzen.


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