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Geburt der Theresia de Cabarrus. – Die Geldleute und ihre Familien im achtzehnten Jahrhundert. – Herr de Cabarrus. – Theresia's Kindheit. – Ein Heirathsantrag. – Theresia in Paris. – Sie heirathet den Monsieur de Fontenay. – Porträt der Madame de Fontenay. – Eine Abendgesellschaft bei Madame de la Briche. – Häusliche Scenen. – Wie man in Paris im Jahre 1788 lebte. – Außerhalb von Paris. – Klatsch. – Das Verbrüderungsfest. » La Terreur« (die Schreckenszeit). – Monsieur und Madame de Fontenay verlassen Paris. – Ankunft in Bordeaux. – Scheidung der jungen Ehe.
Johanna Maria Ignatia Theresia de Cabarrus erblickte am 31. Juli 1773 auf einem Schloß in der Nähe von Madrid das Licht der Welt. Der Name Johanna, den sie in der Taufe erhielt, war wohl der ihrer Pathe, den Namen Maria aber erhielten damals fast alle Mädchen, der Name Ignatia steht in Beziehung zu dem Tage ihrer Geburt, der dem in ihrem Heimathlande hochverehrten heiligen Ignatius geweiht ist, der Name Theresia ist noch hinzugefügt, weil die Heilige, die ihn führt, im Lande weit und breit in noch höherer Verehrung als der heilige Ignatius stand, die drei anderen aber für eine vornehme Spanierin nicht Klang genug, nicht Resonnanz genug hatten. Geleitet von ihrer hohen Schutzpatronin gedieh die kleine Theresia vortrefflich an Schönheit sowohl wie an Weisheit, die Schönheit blieb ihr bis zu ihrem Lebensende, allein – mit der Weisheit haperte es mitunter.
Ihr Vater, Franz de Cabarrus, war kein Spanier, sondern Franzose; der Name aber ist offenbar baskischen Ursprungs; die Mutter war ebenfalls Französin, hieß mit ihrem Mädchennamen Galabert, und hatte sich von Monsieur Franz de Cabarrus erobern und entführen lassen, war jedoch erst nach einigen Jahren zur Ehe mit ihm geschritten.
Man möchte aus diesen Umständen den Schluß ziehen, daß die Erziehung der kleinen Theresia eine nicht gerade normale war. Nächstdem, um das spätere Leben der Dame richtig zu beurtheilen, ist es nöthig, darauf hinzuweisen, daß die Familie Cabarrus aus lauter Geld machenden Leuten bestand; von diesen sagt Brunetères, daß sie wohl reich, aber nicht moralisch zu sein verstanden hätten: sie äfften eben dem Adel nach – tout comme chez nous – hielten sich aber nur an Muster der Liederlichkeit und der Eleganz im Lasterleben.
Die Pompadour galt damals als ein Modell für die Erziehung der den Kreisen der haute finance angehörenden jungen Damen. Wer weiß, ob nicht zu den ehrgeizigen Wünschen dieses Monsieur Franz de Cabarrus auch der zählte, in seinem Töchterlein einst die Maitresse eines Königs zu sehen!
Die Geldleute hatten mit dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts gewaltig an Ansehen gewonnen; Ludwig XV hatte ihnen ein gewisses Relief dadurch gegeben, daß er ihren Kreisen die hübsche Johanna Antoinette Poisson entnahm, um sie zur »Würde« einer Maitresse zu erheben – auch die Eltern dieser Poisson hatten ihre Tochter ganz besonders für eine solche Stellung erzogen. In den Augen unserer Zeit ein in hohem Grade empörendes Verfahren, damals aber fand man Nichts dabei – es durften übrigens nur die hervorragendsten Familien auf eine so »ehrenvolle Schande« für ihre Töchter zählen. Hatte nicht der Papa der Madame de Montespan, als er hörte, daß Ludwig XIV die schöne Dame zur Maitresse auserwählt habe, seiner rückhaltslosen Freude in den Worten Luft gemacht:
»Gott sei Dank! Endlich zieht Glück in mein Haus ein!«
Hierin liegt ein Ausdruck vom Geiste der Zeit; derselbe hatte sich auch unter Ludwig XVI noch nicht geändert, er war auch noch derselbe unter dem Direktorium, und Herrn de Cabarrus wäre es wohl, falls er noch gelebt hätte, durchaus recht gewesen, daß seine Tochter die Maitresse eines der Direktoren der Republik wurde – war Barras nicht auch so etwas wie ein König? Auch Franz de Cabarrus dachte gewiß wie Herr de Montespan, und wünschte, soviel Vortheile, soviel »Ehre« wie möglich aus der »hohen Stellung« seiner Tochter zu ziehen. War er doch nahe daran, zum Gesandten für Spanien bestimmt zu werden.
Voltairsche Ideen hatten sich in der bürgerlichen Gesellschaft des achtzehnten Jahrhunderts eingenistet, und es ist anzunehmen, daß auch in der Seele der jungen Theresia Cabarrus kein Gott existirte – ebenso wenig wie Moral. Wozu hätte auch das Alles genützt in einer ihrer Auflösung entgegeneilenden Gesellschaft?
Monsieur Franz de Cabarrus, welcher im Jahre 1752 zu Bayonne geboren war, scheint ein Nachkomme jener kühnen Seefahrer gewesen zu sein, jener Conquistadores, die mit ihren Schiffen die Meere durchfurchten und an den Ufern Amerikas landeten. Ein Cabarrus hinterließ einer Bucht der Isle Royale, eine halbe Meile von Ludwigsburg Lairtulier: »Les femmes célèbres de la révolution«, Paris, 1840. seinen werthen Namen. Theresias Vater hatte in Madrid ein Bankhaus begründet, das er durch seine mit Pfiffigkeit gepaarte Thätigkeit schnell emporbrachte; er nannte das Haus »Bank des heiligen Carl« – eine feine Aufmerksamkeit für Se. Majestät Carl III von Spanien!
Cabarrus' Name wurde mit der Zeit in demselben Sinne berühmt, wie der Law's: der erkenntliche König verlieh ihm den Grafentitel.
Das Verdienst – man könnte ja auch sagen der Verdienst – erregt so leicht den Neid Derer, die keins besitzen: davon konnte auch der Graf de Cabarrus ein Lied singen; die Welt liebt Diejenigen, die sich über sie erheben, nicht: sie zieht die Mittelmäßigkeiten vor; dies fiel ganz besonders in Bezug auf den Hof Carl III auf. Dem Emporkömmling, dem neuen Grafen, wurden Hunderte von Schwierigkeiten bereitet, allein nun zeigte der geschickte Finanzier auch als Staatsmann ein solches Talent, daß Joseph, der spätere König von Spanien, ihn in Anerkennung desselben zu seinem Finanzminister erkor.
Der Herr Graf hatte drei Kinder, außer der Tochter zwei Knaben: der älteste, Theodor, wurde später Gründer eines Handelshauses in Bordeaux, die Firma lautete »Cabarrus Söhne u. Cie.« Der zweite nahm Dienste in der Armee der französischen Republik und fiel auf dem Felde der Ehre.
Theresia war das reizendste Mädchen, welches man sich nur denken kann! In jenem Ueberfluß, jener Sorglosigkeit aufgewachsen, die der Frauenschönheit so förderlich ist, zeichnete sie sich auch durch das heitere Temperament der Töchter des Landes aus. Theresia hatte zwar die besten Lehrer, die in Madrid aufzutreiben waren, allein die Herren taugten darum doch nicht viel und ihr Vater sah sich veranlaßt, sie nach Paris zu schicken: die Bildung der spanischen Damen erhob sich damals kaum über das Niveau der Pariser Dienstmädchen – wir hören dies bestätigt von der Herzogin von Abrantes, die sich 1805 längere Zeit in Spanien aufhielt.
Vielleicht hatte der Graf Cabarrus noch andere Gründe, weshalb er seine Tochter nach Frankreich schickte: in Madrid sind nämlich die Menschen gar heißblütig, der gute Vater wollte vielleicht vermeiden, daß seiner Tochter Theresia Dasselbe passire, wie ihrer Mutter, Marie-Antoinette, geborenen Galabert.
Theresia war damals erst 12 Jahre alt, allein viel größer und entwickelter als junge Mädchen in diesem Alter zu sein pflegen: sie war schlank, von lancirter Gestalt: man konnte sie nicht sehen, ohne sich in sie zu verlieben! Es war mithin ganz klug vom Grafen de Cabarrus, daß er sie aus einem Lande entfernte, allwo die That dem Verlangen auf dem Fuß zu folgen pflegt – konnte die außerordentliche Schönheit Theresias nicht die größten Unannehmlichkeiten herbeiführen?
Sogar der Onkel Galabert, der nach Madrid gekommen war, hatte sich nicht entblödet, seiner Nichte den Hof zu machen. Ja der Onkel hatte – in allen Ehren allerdings – um die Hand Theresias geworben. Dieser ehrenwerthe Galabert war wie behext, ganz umsponnen von den Zaubern, von dem magischen, dem magnetischen Einfluß Theresias: er sprühte förmlich von inneren Feuern, aber … man kann doch unmöglich einen Backfisch im Flügelkleide mit dem Ring am Finger und dem Onkel an der Hand vor den Altar treten lassen!
Feststeht, daß eines schönen Tages Fräulein Theresia von Madrid abreiste und ihre beiden Brüder ihr das Geleit gaben. Es war zu Ende 1785 oder zu Anfang 1786, als die drei Kinder am Quai d'Anjou zu Paris anlangten; dort hatte ein Freund ihres Vaters, Monsieur de Boisgeloup, ein Haus: der Herr war königlicher Rath im Parlament von Paris.
Die Kinder blieben nur vorläufig bei ihm, etwas später kam nämlich der Graf Cabarrus selbst, und da der Aufenthalt in Paris demselben ausnehmend zusagte, so kaufte er ein Haus an der Place des Victoires und ließ sich in demselben mit seiner Descendenz nieder.
Der Himmel mag wissen, wie es zuging: in Paris wurde Theresia noch schöner, als sie in Madrid gewesen war. War es die Grazie der Pariserinnen, die sie sich schnell anzueignen verstand, waren es die Kunstgriffe und Schelmenstreiche der Mode, in denen sie Außerordentliches leistete, kurzum Theresia de Cabarrus stand als unerreichbar da – sogar in der Weltstadt Paris.
Waren die Mängel in ihrer Erziehung der Vorwand für ihre Abreise nach Frankreich gewesen, in Frankreich angekommen, dachte Niemand mehr daran, eine Besserung eintreten zu lassen; Bälle, Theater, Diners, Soupers, Zerstreuungen aller Art traten an Stelle der so wünschenswerth erschienenen Studia. Eine moralische, eine religiöse Erziehung »Seit zehn Jahren,« sagt Mercier, der um das Jahr 1788 schrieb, »geht die beau monde nicht mehr in die heilige Messe – allenfalls des Sonntags der Dienerschaft wegen; diese aber weiß, daß es nur ihretwegen, ihr zum Vorbilde geschieht.« ging der jungen Dame fast ganz ab: kein ernster Gedanke faßte Wurzel in ihrem Kopf. Pflicht war nur ein Wort, der Rest: unklare Auffassungen! Theresia kam, verleitet durch die ihr dargebrachten Huldigungen, bald zu einer Selbstbewunderung und Selbstanbetung, welche all ihre Gedanken in Anspruch nahm. Frauenschönheit hat ja einen unschätzbaren Werth, allein sie ist doch nicht Alles. Gut ist es, wenn sich ihr noch einige solide Eigenschaften hinzugesellen, diese aber, das darf nicht vergessen werden, hatten damals keinen »hohen Cours.«
Madame de Cabarrus, geborene Galabert, war bald nach der Niederlassung ihres Gemahls in Paris ebenfalls dorthin und zu ihm gezogen. Da der Graf gern Staat mit seiner schönen Tochter machte, so führte er sie überall in den Familien seiner zahlreichen Bekannten ein. Sehr schnell hatte sich Theresia auch die Kunst angeeignet, eine anmuthige Verbeugung zu machen – damals keine leichte und hochgeschätzte Fertigkeit; Schmeicheleien flogen ihr zu, man beglückwünschte sie ihres Verbeugungstalents wegen – wie süß duftet solcher Weihrauch im Näschen eines Backfisches! Zudem hatte Theresia sich einige Phrasen angeeignet, welche sie sehr geschickt zu verwerthen verstand, indem sie dieselben in allen Farben der Coketterie schillern ließ.
Ach über die Coketterie! Nicht schöne Frauen sogar können sich durch sie schön machen: aus schönen Frauen macht sie Zauberinnen, die mit einem Wink ihres Stabes die Männer hinreißen – auf die Knie!
Will man Forneron H. Forneron: »Histoire génerale des émigrés.« Glauben schenken, so war Theresia zunächst sehr eingenommen für einen Herrn de Méréville, einen Sohn des Marquis Laborde; sie hatte allabendlich in den schattigen Bosquets des Laborde'schen Parkes mit ihm ein Stelldichein; allein der Marquis wollte von der Heirath seines Sohnes Nichts wissen. Die junge Dame war natürlich empört, ließ sich aber mitten aus ihrer Empörung schnell von einem Andern, nämlich dem Monsieur de Fontenay, heirathen.
Man darf, wenn man die Sitten der damaligen Zeit bedenkt, es Theresia doch nicht allzu übel nehmen, wenn sie mit einem jungen Manne im Dunkeln spazieren ging; hatte nicht eine Herzogin, die Herzogin von Burgund, zur Zeit des »großen Königs« dasselbe gethan? Erzählt uns nicht Saint Simon in seinen Memoiren, daß zu Marly die Dauphine ganze Nächte lang bis Morgens um drei oder vier Uhr im Garten mit jungen Herren caressirend umherlief?
Es ist wohl möglich, daß Forneron, welcher Memoiren nacherzählt, deren Autor zu nennen ihm verboten ist, Recht hat, wenn er andeutet, daß Fräulein de Cabarrus, der die Heirath mit dem Erben der prachtvollen Besitzung des Generalpächters Laborde versagt war, nur aus – wie soll man sagen: »Niederträchtigkeit?« – sich dem Monsieur de Fontenay zuwandte. Bestimmtes darüber kann man nicht ermitteln: feststeht, daß ihre Eltern eifrig bemüht waren, sie zu verheirathen. Sie hatte, wie verlautet, einen sehr vornehmen Freier, den Prinzen Listenay (?) abgewiesen. Sie, ihrerseits, war abgelehnt worden von dem Marquis Ducrest, welcher später Vater jener Georgette Ducrest (Mad. Bochsa) wurde, welche »Memoiren über die Kaiserin Josephine« schrieb. Diese Georgette Ducrest Mémoires sur l'impératrice Joséphine III, 178. meint:
»Mlle. de Cabarrus, spätere Madame Tallien, hat, gut wie immer, die Weigerung des Marquis Ducrest, sie zu heirathen, vergessen und sich stets bemüht, diesem Herrn Dienste zu erweisen.«
Mademoiselle Theresia wußte ihren eigenen, wenigstens ihren äußeren Werth ganz genau abzuschätzen, auch war sie ehrgeizig, hatte Charakter, deshalb können wir der Ansicht nicht zuneigen, sie habe den Mons. Fontenay aus den von Herrn Forneron in's Treffen geführten Gründen geheirathet; vielmehr ist anzunehmen, daß sie lediglich dem Wunsch ihres Vaters entsprach.
Sie war erst fünfzehn und ein halbes Jahr alt. Ein junges Mädchen in diesem Alter, und wüßte es auch schon sehr viel von Dingen, die es noch nicht zu wissen braucht, macht kaum zwischen den Männern eine Unterscheidung; die Männer erscheinen ihr Alle gleich häßlich oder gleich hübsch, und im Allgemeinen nimmt solch ein unerfahrenes Wesen mit einer an Begeisterung grenzenden Bereitwilligkeit Den zum Gatten an, den die Eltern ihr ausgesucht haben. Diese ganz jungen Mädchen sehen in der Ehe nur die »Madame«, zu der die Ehe sie macht. Der Contur ihrer Persönlichkeit ist ja noch ein ganz verschwommener, klar wird er erst, und erscheint in festen Linien mit fünfundzwanzig Jahren.
Ist eine junge Dame bis zu diesem Alter noch unverheirathet, so hat sie bereits Erfahrungen hinter sich, hat beobachtet und nachgedacht: sie wird sich mit solcher Gefügigkeit nicht mehr verheirathen lassen: sie verlangt einen Mann nach ihrem Geschmack und darin hat sie Recht. Sie irrt sich zuweilen in ihrer Wahl, allein ein Mann, der doch mit weit größerer Freiheit, mit viel mehr Erfahrung wählt, irrt sich noch weit häufiger!
Am 21. Februar 1788 trat Theresia de Cabarrus mit Herrn Johann Jakob Devin de Fontenay in den Stand der heiligen Ehe. Der Gemahl war Ritter und königlicher Parlamentsrath. Ch. Nauroy, auf den wir uns gern beziehen, wenn es sich um Daten des Civilstands-Registers handelt, macht in seinem Werk » Le Curieux« die obigen Angaben. Er war kein Greis, auch kein gereifter Mann, aber er war hübsch – etwa 26 Jahr alt. Er gehörte einer bürgerlichen Familie von Paris an, die mehr als einen Krämer zu den Ihrigen zählte; man hatte ihn jedoch nicht für zu »niedrig geboren«, für zu gering angesehen, um einen Parlamentsrath aus ihm zu machen. Sein Vater war nach Nauroy Gerichtspräsident; sein Haus in der Rue des Francs Bourgeois No. 31 steht heut noch. Der Onkel des Mons. Devin de Fontenay, Herr de Laverdy, war Advokat beim Parlament, später Minister. Er wird in allen Memoiren der Zeit genannt.
Unser junger Ehemann besaß ein Vermögen von beinahe einer Million Franks, war also unzweifelhaft sehr gut situirt, nur in Bezug auf seinen Namen war nicht Alles in Ordnung. Sein Großvater, ein gewisser Devin, hatte, weil er in Fontenay aux-Roses ein Haus besaß, sich kurzer Hand Devin de Fontenay genannt: es war damals so der Brauch.
Der soeben vermählte Mons. de Fontenay hatte unter anderen Ländereien auch das Marquisat Boulai käuflich an sich gebracht und nahm nach seiner Verheirathung ohne Weiteres den Marquistitel an Mercier sagt in seinem » Tableau de Paris«: Die pecuniär emporgekommenen Herren klettern gern auch eine Stufe höher auf der socialen Leiter; sie suchen ihre Herkunft zu verwischen und sind besonders versessen darauf, aus ihren Landgütern Marquisate zu machen. – kein Hahn krähte darnach!
Das junge Ehepaar war durchaus repräsentationsfähig: wie stolz fühlte sich Theresia als Marquise! Keine Ahnung beschlich sie, daß innerhalb von drei oder vier Jahren die französische Gesellschaft eine ganz veränderte Physiognomie haben, die ganze Herrlichkeit der Titulaturen dahin sein werde, daß sie sich von ihrem Marquis scheiden und von einem revolutionären Plebejer würde heirathen lassen.
Als Heirathsgut brachte Theresia in ihre Ehe mit: erstens ihre Schönheit, zweitens ihre Jugend, drittens eine baare Mitgift von etwa einer halben Million. Es gehörten ihr in den Champs Elysees vier Häuser: eines in der Rue des Gourdes, später Rue des Blanchisseuses, eins in der Rue Marbeuf, es ist die nachherige » Chaumière Tallien,« eins in Passy in der Rue Bizet und eins, welches in den »Petites Affiches« verzeichnet steht.
Etwas über fünfzehn Jahre alt – ein halbes Kind! Da giebt es noch unerblühte Knospen, einige Frühlinge noch und sie werden brechen.
Theresia überragte durch die Höhe ihrer Gestalt die meisten Frauen, sie war geschmeidig wie eine Weidenruthe. Ueber den großen, weit offnen Augen wölbten sich schöngeschwungen die dunkeln Brauen, in den sammetweichen Blicken dieser schönen Augen flimmerte es zuweilen wie Diamantenschein, zuweilen aber konnten die Blicke auch kalt und gebieterisch, dann wieder mild sein, als kämen sie aus Engelsaugen. Männer zitterten, wenn ein Blick sie traf.
Der Mund Theresia's war klein und schien mit seinem halb lockenden, halb skeptischen Lächeln mehr für die kleinen Narrheiten der Liebe zu passen, als für den Kuß, in welchem zwei Seelen sich berühren. Zu diesem Munde paßte Nichts so gut als ein ironisches, ein wenig mokantes Lächeln. Die Haare sind schwarz und glänzend wie Seide. »Sie versuchen,« sagt eine Dame Marquise de Lage: »Souvenirs.« , »sich mit den Augen, sich mit dem Munde ins Einvernehmen zu setzen, um dem Gesicht etwas Ernst beizubringen. Allein es wären viele Jahre und viele Heirathen nöthig, ehe dieses Ziel erreicht wäre. Zunächst kann der jungen Dame nichts ihr etwas keckes, siegestrunkenes Wesen, welches wahrscheinlich ein Erbtheil ihres Großvaters, des Conquistadors war, nehmen; auch jene Miene der Unabhängigkeit nicht, welche den Männern, die sich stets so gern unter ein Joch fügen, und einem Unterrock Folge leisten, so sehr gefällt. Ihre Zähne sind weiß und so schön, als wären es künstliche, sie zeigt sie, wenn sie lacht und sie lacht um Nichts und ohne ihr Gesicht zu verziehen. Und die Nase! Wie oft hat diese nicht ihre Besitzerin in Zorn versetzt, weil sie sich unterfängt, in ihren Flügeln von fast ebenso schwellender Form zu sein, wie die Lippen. Man soll von dieser Nase nicht reden, sie verdient es nicht! Das ein wenig hervorstehende Kinn deutet Willenskraft an und Ehrgeiz. Ein Ensemble von Heiterkeit, Sinnlichkeit, Romantik, Zuversicht, Ironie, Grazie, Kraft sucht einen harmonischen Einklang mit dem pikanten, temperamentvollen und kindlich gutherzigen Gesichtsausdruck.«
Im Salon steht das melodische Lachen der jungen Marquise stets lustigen Einfällen zur Verfügung, kann sich jedoch auch Fesseln anlegen und zu einem Lächeln dahinschwinden, das zur Bewunderung hinreißt und bezaubernd ist in des Wortes ganzer Bedeutung. Und nun der Ton der Stimme – welch liebliche Musik! Vielleicht ist etwas Studium darin, allein sie weckt in der Tiefe der Herzen ein Echo; man vernimmt es, wenn sie redet oder es klingt in Träumen. Um seinem Eindruck zu wehren, müßte man sich, wie Ulysses, vor den Sirenen die Ohren zuhalten. Die junge Dame kennt die ganze Macht ihrer Stimme und versteht es, dieselbe mit allen möglichen Teufeleien verbunden zur Geltung zu bringen: im Plänklerkriege der Liebe greift Theresie zu allen Waffen ihres reichen Arsenals. Es hat gewiß schon Einer oder der Andere die Bemerkung gemacht, daß große Coketten nur Waffen für den Angriff, keine für die Vertheidigung besitzen.
Diese Schultern, diese Arme waren von plastisch schöner Form, hatten aber doch einen Fehler: sie ließen sich zu oft von den Lippen Derer berühren, welchen man sich für eine Aufmerksamkeit erkenntlicher zeigen oder von welchen man irgend einen Dienst erwiesen haben wollte. Die Haltung ist zwanglos, ohne alle Façon: vielleicht das Resultat sorgfältiger Spiegelstudien, allein man merkte Nichts davon. Daß ihre Gestalt ein wenig über die der anderen Damen emporragte, genirte Theresia ganz und gar nicht, was doch bei vielen ihrer Geschlechtsgenossinnen, die in einer ähnlichen Lage sind, der Fall zu sein pflegt. Auch den Mons. de Fontenay genirte es nicht, es scheint beinahe, als habe er die Reize seiner jungen Gemahlin überhaupt nicht hoch genug geschätzt – überhaupt nicht recht zu ihr gepaßt. Es sprechen sich M. de Norvins J. de Norvins »Mémorial.« Wir kommen später noch einmal darauf zurück. und die noch nicht herausgegebenen »Memoiren,« welche Forneron citirt, dahin aus, daß Mons. de Fontenay klein und rothhaarig war, Eigenschaften, denen die Damen gerade nicht freundlich gegenüberstehen. Von der sonstigen äußeren Beschaffenheit des Herrn weiß man aber so gut wie Nichts, besser unterrichtet ist man über seine moralischen Eigenschaften, dank den Indiscretionen seiner bezaubernden Gemahlin. Er hatte nämlich gar keine. Daß die junge Ehe von Anfang an zu wünschen übrig ließ und schließlich Aergerniß erregte, ist eine leider constatirte Thatsache. Gleich nach der Heirath hatte sich das junge Paar in einem Hause auf der St. Louis-Insel niedergelassen. Es gehörte ein Garten zu demselben. Wer, von Notre Dame kommend, in die Rue Saint Louis einbiegt, sieht zu seiner Rechten ein großes Haus, dessen Fassade die Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt: heut trägt es die Nummern 51, 53, 55 und 7 der Rue Budé, früher Rue Guillaume. Dies ist das alte Fontenay'sche Haus. C. Nauroy: »Le Curieux.«
Den friedlich stillen Stadttheil hatte sich das junge Ehepaar, man weiß nicht recht weßwegen, ausersehen. Er glich einem Provinzialstädtchen inmitten der Metropole; die Fontenays wohnten dort nur den Winter, den Sommer über dagegen in Fontenay-aux-Roses. Beide aber liebten die große Welt über Alles und Monsieur F. hat sich beeilt, seine Gemahlin überall einzuführen, diese aber war ganz bei der Sache und störte das Vergnügen ihres Mannes durchaus nicht.
So war das Jahr 1788 gekommen. Frankreich stand am Vorabend der Revolution: man weiß, in welchem Flor gerade um diese Zeit die Pariser Salons standen: bald sollte sich der Sturm erheben und Alles in Trümmer werfen, die Scherben in alle Ecken und Enden der Welt schleudernd. Die Schönheit, die vollendete Grazie der Mme. de Fontenay machten indeß Furore. Ein junger Mann, Herr de Norvins-Monbreton, welcher damals im Salon der Mad. de la Briche verkehrte, war gerade anwesend, als das junge Paar seine Antrittsvisite machte. Es ist interessant zu lesen, was er darüber sagt, zumal sein Bericht zugleich eine Schilderung einer der feinsten Salons der damaligen Zeit enthält:
»An einem der letzten Sonntage, an welchem Stadt und Vorstädte sich verabredet zu haben schienen, ein ansehnliches Contingent in den Salon der Mad. de la Briche zu entbieten, als bereits die Spieltische ihre Freunde um sich versammelt hatten, und Mlle. Belz, nachherige Mme. Chéron, vor dem Klavier Platz genommen hatte, um, begleitet von der Harfe Viotti's, der Gesellschaft einen musikalischen Hochgenuß zu bereiten, wurden Graf und Gräfin Noailles angemeldet; jener ein Sohn der Prinzessin de Prix, diese eine Tochter des Hofbankiers de Laborde. Die Bewunderung hatte sich eben gelegt und das junge Paar Platz genommen, die Boston-Parthien waren wieder im Gange zur Beruhigung der älteren Herren und Damen, hier und dort hörte man das Geflüster vertraulicher Gespräche, wie z. B. zwischen mir und meinem Studiengenossen, Carl de Noailles; Viotti und die Belz ließen wieder ihre schmelzenden Accorde vernehmen, als von Neuem die Pforte des Salons sich aufthat und » Monsieur et Madame de Fontenay, née de Cabarrus« gemeldet wurden. Klavier, Violine verstummten, die Karten blieben wieder auf den Tischen liegen … allgemeines tiefes Schweigen! Ach! Um der Ehre der Wahrheit willen muß ich es sagen: die reizende Gräfin Noailles war in diesem Augenblick vom Thron gestoßen. Die Krone ihres blonden Haares hatte allen Glanz verloren gegenüber der schwarzen, wie polirte Lava glänzenden Frisur der göttlichen Andalusierin; so muß sich die Mutter der Menschheit ausgenommen haben, als sie in göttlicher Vollendung vor ihrem Schöpfer stand. Der Vater der Menschheit aber hatte in Herrn de Fontenay denn doch keinen entsprechenden Vertreter! Das allgemeine erstaunte Stillschweigen fand sein Ende in den bewillkommnenden Worten der Madame de la Briche: man hörte ihre zarte Stimme über den ganzen Salon hin. Wenn Mad. de Noailles von nun an die zweite in Rom war, ihr Gemahl hatte sein Scepter nicht verloren – man möchte fast bedauern, von diesem Standpunkt aus gesehen, daß er und Mlle. de Cabarrus nicht ein Paar geworden wären – die Vorsehung hatte es anders bestimmt.« J. de Norvins: »Mémorial« I. 167-70.
Herr von Norvins, der später eingekerkert wurde, verdankte sein Leben nur den vereinten Bemühungen der Damen de Staël, de Valence, der Tochter der Genlis und der schönen Theresia, er hätte, so möchte man voraussetzen, aus Dankbarkeit den Mund allzu voll genommen, dem ist jedoch nicht so. Mit Theresias Schönheit gleichen Schritt hielt ihr gutes Herz: gehört eine vollkommen schöne Frau zu den Seltenheiten, eine Frau, vollkommen durch ihre Herzensgüte ist nicht minder selten! Man erinnere sich Montaigne's, welcher in dem Capitel »Die drei guten Frauen« sagt, zu Dutzenden wären sie nicht anzutreffen. Es ist gut für die Männer, daß alle in ihrer Naivetät sich einbilden, sie hätten das Glück gehabt, eine dieser Ausnahmen gefunden zu haben, aber es ist die Frau, die ihnen einredet, und wäre es die häßlichste, daß sie hübsch ist. Jeder weiß, daß man stets glauben muß, was die Frau sagt.
Mad. de Fontenay war also die Vollendung selbst. Es blieb allerdings in moralischer Beziehung Einiges zu wünschen übrig, in jenen Zeiten aber kümmerte sich Niemand um solche Bagatellen – ihr Mann war ebenfalls ein Kind seiner Zeit: kaum verheirathet, knüpfte er ein Verhältniß mit einem Ladenmädchen an und nahm keinen Anstand, dasselbe in seinem Hause unterzubringen. H. Forneron: »Histoire générale des émigrés« II, 157. Man darf auch diesem abscheulichen, einer rechtmäßigen Frau zugefügten Schimpf gegenüber die Sitten der Zeit, die Mode nicht unberücksichtigt lassen. Fontenay war ein ganz moderner Herr, ein Spieler, ein Roué, wenn er in das Haus seiner Frau eine Maitresse einschmuggelte, so that er, was so viele andere Modeherren thaten. Eine Maitresse hatte in einem »feinen« Haushalt damaliger Zeit eine quasi legitime Stellung.
»Als ich in der Gesellschaft mein Debüt machte,« berichtet der berühmte Kanzler Pasquier, »wurde ich gleichzeitig den legitimen Frauen und den Maitressen meiner Herren Verwandten vorgestellt; die Freunde des Hauses brachten einen Abend bei der Frau, den andern bei der Maitresse zu.« Pasquier: »Mémoires« I, 48.
Die mit vollem Recht empörte Theresia meinte, es bliebe ihr nichts Anderes übrig, als es ebenso zu machen, wie ihr Gemahl; sich zu beschäftigen, in häuslicher Beschäftigung die verlorene Ruhe zu suchen, kam ihr nicht in den Sinn, wie alle Coketten, zeigte sie Zeit ihres Lebens eine große Abneigung gegen alle Arbeit. Sie schaffte sich also Liebhaber an – diese Art der Zerstreuung war damals so verbreitet, daß Niemand einen Vorwurf wider sie erhob, auch der Gemahl nicht.
»Ich erlaube Dir Alles,« sagte ein eben verheiratheter Modeherr zu seiner Frau, »ich erlaube Dir einen Jeden, nur Prinzen und Lakaien nehme ich aus.«
Wurde auffälliger Skandal vermieden, so drückte man ein Auge zu. Es gab damals in diesen Schichten der Gesellschaft sozusagen keine normale Ehe mehr.
»Man findet wohl noch«, so lesen wir in den Memoiren einer Dame, »unter den Leuten niederen Standes Etwas wie eine gute Ehe, in den höheren Schichten der Gesellschaft kenne ich kein Beispiel ehelicher Zuneigung und Treue. Die lange, die Sitten so schwer schädigende Regierung Ludwigs XV hatte, diese Zustände zu schaffen das ihrige beigetragen: man rühmte sich von »einer Leidenschaft« beherrscht zu sein, man ließ dem Sinnenrausch die Zügel schießen. Wer sollte es der Frau Marquise, einer geborenen Spanierin, verargen, wenn sie sich auf spanische Art rächte: »Auge um Auge, Zahn um Zahn!«
In ihrem Salon empfing die Marquise die sich so liebenswürdig frei bewegende und freidenkende Jugend, die an der Schwelle der Revolution erblühte: die Gebrüder Lameth, Felix Le Pelletier, Saint Fargeau, den man »das Blondchen« nannte wegen der hellen Farbe seines Haares, d'Aiguillon und Andere. Alle diese jungen Herren suchten eine Ehre darin, junge hübsche Frauen zu entehren – unter ihnen suchte sich die Marquise den Rächer ihrer Ehre aus.
Damals stand sie in der Blüthe ihrer Entwickelung. Was das sagen will, kann man den folgenden Worten Pasquier's entnehmen:
»Ich habe den Glanz der Kaiserzeit gesehen, ich sehe täglich seit der Restauration die Entfaltung neuer Reichthümer, nichts aber hat bisher, wie mir scheint, den Glanz von Paris in den letztverflossenen Jahren seit dem Frieden von 1783 bis 1789 erreicht.« Pasquier: »Mémoires I, 42.«
Hier noch ein Ausspruch Talleyrand's, der damals noch den Titel Abbé de Périgord führte und zu den lustigsten Abbés am Hofe zählte:
»Wer damals,« sagt er, »nicht gelebt hat, weiß nicht wie süß es ist zu leben.« Guizot: »Mémoires pour servir à l'histoire de mon temps« I, 6.
Madame de Staël, die für des Lebens Süßigkeiten ebensoviel Verständniß hatte wie der Herr Abbé, und davon naschte, sowie es nur irgend anging, Madame de Staël, im Genuß ihrer Jugend, im Genuß des väterlichen Ansehens und eines bedeutenden Vermögens, äußert sich folgendermaßen:
»Diejenigen, die in jener Zeit lebten, werden sich nicht versagen können, einzugestehen, daß niemals und nirgends soviel Leben war, soviel geistiger Schwung.«
Madame de Staël, die überallhin fuhr wie ein Wirbelwind, mag wohl irgend welchen geheimen Grund gehabt haben, eine solche Aeußerung zu thun, allein auch die Vicomtesse de Noailles, die keinerlei Veranlassung hatte, so zu reden, stimmt in den enthusiastischen Chor mit ein und sagt: »Die Gesellschaft stellte damals eine wunderbare Verschmelzung aller geistigen Errungenschaften dar, die Probleme der Philosophie regten die Thätigkeit der Gedanken an, es gab keine feurigeren Apostel der Evangelien der Philosophie, als die Herren der höchsten Gesellschaft: es war ein köstliches Leben!« Vicomtesse de Noailles: »Vie de la princesse de Poix.«
Es ist nicht nöthig, daß man das Alles Wort für Wort glaubt; Madame de Noailles war damals jung, Madame de Staël war ihr ganzes Leben lang jung und zudem damals noch verliebt in den faden Gecken Narbonne; auch Talleyrand und Pasquier steckten noch in den Illusionen der Jugend und der Liebe, unter solchen Umständen erscheint Einem bekanntlich Alles bewundernswerth.
Madame du Deffand ließ sich im Jahre 1768 über die Pariser Salons ganz anders vernehmen, sie schreibt:
»Was für eine Gesellschaft fand man vor? Dummköpfe, die mit Gemeinplätzen um sich werfen, die Nichts empfinden, von Nichts wissen: einige wenige geistreiche Leute, voller Eigendünkel, eifersüchtig, neidisch, boshaft: man muß sie entweder hassen oder verachten.« Correspondance de Madame du Deffand I, 505.
Sie sagt dann weiter:
»Ich fasse Alles zusammen, was man unter der guten Gesellschaft versteht, ich möchte es am liebsten die dumme Gesellschaft nennen.«
Oft kommt Madame du Deffand in ihren Briefen auf das Thema und ihre Meinung zurück, allein hier müssen wir doch bemerken, daß diese Dame nicht viel Geist, wenig Herz und gar keinen Patriotismus besaß. Die alte egoistische Person hat in ihrer Blindheit gesehen, was die jungen Leute, die durch die Prismen ihrer Illusionen guckten, nicht sehen konnten. Ihrem Urtheil zollt übrigens kein Geringerer als Voltaire Beifall.
»Diese Wahrheiten werden kaum nach dem Geschmack der Damen sein, die sich gefeiert sehen möchten.
Man darf also der Madame de Staël, der Madame de Noailles, dem Herrn Pasquier, dem Abbé de Périgord gerade nicht aufs Wort glauben. Sicherlich aber gab es in dieser französischen Gesellschaft, die sich, je mehr sie den Tod schon in den Gliedern fühlte, erregte und bewegte, höchstens fünf oder sechs Salons, in welchen es wirklich seine Conversation unter Ausschluß aller Trivialitäten und Klatschereien gab. Wir haben jetzt (1898) in Paris eine große Anzahl von Salons, die in Bezug auf den Ton, die Gerechtigkeit der Kritik, den Geschmack, die Wahl der Unterhaltungsthemata, weit über jenen stehen; sie haben dafür ein damals nicht existirendes Gebrechen: es fehlt ihnen die animirte Stimmung, die der Ausdruck geistigen Wohlbefindens und guter Laune ist. Es ist ein aus Amerika importirtes Uebel. Die Damen sitzen, die Herren stehen und man hört Bühnenkünstler singen oder declamiren: dies nur, weil die Einladenden mit dem Reichthum des Hauses zu prahlen wünschen. Mögen reichgewordene Krämer doch auf diese Weise ihre Dollars klingen lassen, weil sie nicht im Stande sind, sich in das Klingeling der Geister zu mischen: das läßt sich leicht begreifen. Man kann nicht zeigen, was man nicht hat: wenn man nichts hat, wie Geld, ist man sehr arm. Daß sich wohl unterrichtete und geistvolle Leute so weit amerikanisiren, daß sie die Gebräuche bornirter Emporkömmlinge annehmen – das ist unbegreiflich! Die so hübschen, so geistsprudelnden Töchter Frankreichs sollten sich dawider auflehnen und nicht ihr Licht unter den Scheffel stellen.
Und nun zurück zu Madame de Fontenay: ihre Reize, ihre Beweglichkeit und Munterkeit trugen nicht wenig zur Erheiterung der Pariser Salons bei – ihre Leichtfertigkeiten aber wohl am meisten. Sowie sie in einem Salon erschien, hörte sogleich jede Unterhaltung – gleichviel ob politisch oder litterarisch – auf. Ihr siegreiches, triumphirendes, etwas schelmisches Wesen trug nächst ihrer Erscheinung selbst die Schuld. Die Herren hielten mitten in ihrer Debatte über »die Reise des jungen Anacharsis in Griechenland« inne – dieses Buch hat ein ganzes Jahr lang den Unterhaltungsstoff in den Salons abgegeben – um sich um die junge Marquise zu schaaren. Es traten jene reizenden Scherze, jene leichtgeschürzten Controversen, jene kleinen Geschichtchen in ihr Recht, die den Grundton der Unterhaltung bildeten, ehe sich in die Salons die barbarischen Wörter: Deficit, Steuern, Schuldbuch, Reformen, Generalstaaten u. A. eindrängten. O! Ueber diese graciöse Sorglosigkeit, als ob unter dem spiegelglatten Parquet der Gesellschaft nicht die Revolution schon auf der Lauer läge, als ob der erwachende Löwe nicht schon die Mähne schüttele und bald Alles in Scherben gehen solle.
Nachdem Madame de Fontenay den Winter aufs Angenehmste in der großen Welt verlebt hatte, verfügte sie sich aufs Land – sie hatte kein Glück in ihrer Ehe gefunden – eine an der Seite ihres Gatten, eine in ihrem Herzen glückliche Frau stürzt sich nicht in einen Wirbelwind von Feten und Bällen, sie weiß, wie süß es ist, in Négligé und Pantoffeln am glimmenden Kaminfeuer zu sitzen im traulichen Geplauder. Es war damals Mode, die Sommerzeit auf dem Lande zuzubringen. Alles, was zum Hofe zählte, verließ Versailles, die Haute volée Paris. Arthur Joung schrieb im September 1787: »Es ist jetzt Mode geworden, einige Zeit auf dem Lande zuzubringen; Paris ist während der Sommersaison jetzt wie ausgestorben; wer irgendwo ein Landhaus, ein Schloß hat, verfügt sich dorthin; was zurückbleibt an ärmeren Bekannten, kommt auf Besuch.« – Mercier in seinem » Tableau de Paris« sagt: Auf dem Pont-Royal gehört es zum guten Ton, zu sagen: »mir ist die Stadt schrecklich, ich gehe aufs Land.« Dem Beispiel der Königin folgend, welche mit ihrem Hirtenstabe und ihren mit bunten Bändern geschmückten Schafen in Trianon Villegiatur hielt, eilten die Wohlhabenden auf ihre Landgüter und beschäftigten sich – in seidenen Strümpfen – mit dem Ackerbau und – in schönen Phrasen – mit der Humanität: sie glaubten, das goldene Zeitalter wäre zurückgekehrt, weil sie sich in endlosen Plaudereien bei Tisch gegenseitig über die Unglücklichen, die Nichts zu essen hatten, Mitleid einflößten, weil sie vor Rührung über die Schäfergeschichten Florian's weinten und auf Rousseau's Gedankenpfaden lustwandelten, weil sie in allen Tonarten die unschuldige Lust der Leidenschaft, welche doch Nichts ist als die Stimme der Natur in der Brust der Menschen, besangen, und weil sie Diejenigen innig beklagten, welche durch thörichte Convenienz oder religiöse Satzungen am »Genuß« behindert wurden. Man schwelgte in Landluft, Landduft und zarten Gefühlen. Bouilly's und Florian's Werke, Greuze's Bilder sind voll von den Reflexen dieser in voller Auflösung begriffenen Gesellschaft. Der so stark herausgekehrte Geschmack an der Natur, die krankhafte Sentimentalität, die eine süße Rührung darin fand, die weißen Vließe der Lämmer mit bunten Bändern zu schmücken, hatte doch etwas Kränkliches – es schien fast, als ginge die Ansteckung von Trianon aus.
Tout Paris war also auf dem Lande – sollte etwa der Marquis de Fontenay eine Ausnahme machen? Leider war nur das Haus in Fontenay-aux-Roses nichts weniger als ein Herrensitz – trotzdem jagten Feste und elegante Zerstreuungen einander und Sommer und Herbst verliefen aufs Angenehmste. Dieses Schlaraffenleben sagte der jungen Frau außerordentlich zu, so schäferinnenartig zwanglos seine Tage dahin zu leben und dabei doch in allen Raffinements des Comforts zu schwelgen – das war einzig schön! Gern vergaß man Alles andere, namentlich die häßlichen Streitigkeiten zwischen Hof und Parlament, die damals anfingen, die Aufmerksamkeit aller Denkenden auf sich zu ziehen.
Dabei verkehrten in Fontenay-aux-Roses viele Herren vom Parlament: de Saint Fargeau, der sich selbst so gern reden hörte, kam, auch sein Bruder Felix, der »kleine Blonde«, stellte sich ein, dem die Dame des Hauses ebenso gefiel wie er ihr, Herr d'Aligre, der das Geld mehr liebte als die Damen, de Trudaine, d'Espremesnil, Ferrand und Herren voll feierlicher Würde sah man ein- und ausgehen. Freteau, liebenswürdig und süß wie Honig, de Saint Vincent, etwas trivial, aber ganz benommen von der Schönheit der Marquise, die er andichtete, zu der er mit größerem Ernste sprach, als wenn er auf der Rednertribüne das Wort ergriff.
Als man nach Paris zurückkehrte, fand man schon Vieles verändert: namentlich der Ton in den Salons war ein anderer geworden. Die Revolution rückte näher und näher. Die Mißgriffe, die Uebergriffe der Monarchie – eine geistreiche Dame meinte, dieselben wären noch das Beste am ancien régime gewesen – hatten am socialen Körper einen Absceß zur Folge gehabt; der Absceß war allmählich reif geworden. Die Politik drängte sich jetzt in Alles hinein, sie entstellte Alles.
»Meine Abende«, erzählt der Graf Ségur, früherer Gesandter am Hofe Catharina II von Rußland, »brachte ich damit hin, die verschiedenen Gesellschaften der Hauptstadt zu besuchen; ich fand sie animirter, vielleicht auch geistvoller als früher, Langeweile gab es nicht. Allein sie hatten doch ihren mir angenehmsten Zug verloren, es war von jenem feinen Schliff, jener Urbanität von damals keine Spur mehr vorhanden. Die politischen Leidenschaften hatten sich in die Salons gedrängt und dieselben völlig umgewandelt; es waren aus ihnen Arenen geworden, in denen sich die heterogensten Anschauungen tummelten; die Politik war der einzige Unterhaltungsstoff: die Galanterie war entflohen, von den Musen keine Spur mehr zu finden! Jeder sprach laut und hörte wenig auf Andere; im Ton der Stimme, im Blick spiegelte sich eine gereizte Stimmung. Oft fand man in ein und demselben Salon zwei Meinungen, die wie feindliche Vorposten auf einander schossen. Es dauerte auch nicht lange und die zunehmenden Streitigkeiten und Feindschaften zerstörten diese gesellschaftlichen Vereinigungen vollends – den Frauen aber fügten die veränderten Zustände den größten Nachtheil zu. Comte de Ségur: »Mémoires« II, 212.
Einmal wurden sie von den Männern um der Politik willen vernachlässigt, sodann, wenn sie selber sich in die Streitigkeiten mischten, thaten sie es mit einer so großen Leidenschaftlichkeit, daß ihr Zartgefühl, ihr Liebreiz darunter litten. Leidenschaft kleidet die Frauen oft gut, nur nicht, wo es sich um Politik handelt. Ueber politische Themata regen sie sich so auf, daß sie ins Gestikuliren kommen, sich erhitzen und häßlich werden.
Die Marquise de Fontenay aber hatte zuviel Geist, um in die Unterhaltung anders einzugreifen, als mit einem süßen Lächeln: auf diese Weise hatte sie stets Recht.
Das Jahr 1789 war für sie von großer Bedeutung: sie wurde Mutter. Am 2. Mai schenkte sie der Welt ihr erstes Kind, einen Knaben, der in der Taufe die Namen Anton Franz Theodor Dionysius Ignatius erhielt. Dieser Knabe ist das einzige Kind, welches Theresia aus ihrer Ehe mit dem Marquis de Fontenay hatte. Er ist später Offizier geworden und war im Generalstabe des General Thiébault während des Feldzuges in Portugal (1808), er ist als ein tüchtiger Offizier bekannt. Er war groß, schön, der Mutter wie aus den Augen geschnitten, dabei ein liebenswürdiger Mensch. »Ich nahm ihn,« sagt General Thiébault, »in den Generalstab auf, weil er fertig englisch sprach.« Er ist als Oberstlieutenant am 10. Februar 1815 eines frühen Todes gestorben. In demselben Jahre ließ sie sich von der berühmten Malerin Le Brun porträtiren. Vielleicht hatte sie dafür bestimmte Gründe; jedenfalls waren ihre Besuche im Atelier der großen Künstlerin in der Rue St. Honoré für sie sehr interessant: wer hätte den heitern, geistvollen Ausdruck ihrer Züge, ihr unnachahmliches Lächeln besser wiedergeben können; und jetzt stand die Marquise ja in der vollen Blüthe ihrer Schönheit!
Im Atelier der Le Brun traf Theresia zum ersten Male mit Herrn Tallien zusammen – so erzählte sie selbst am Schluß ihres Lebens. Ob es wahr ist? Sie hat vielleicht nur dem sonderbaren Drange nachgegeben, welchen Frauen oft haben, wenn sie gewisse, außerordentliche Ereignisse ihres Lebens in ein poetisches Licht rücken wollen. Sie hat wohl nur die sonderbare Art, wie sie Bekanntschaft mit Tallien machte, idealisiren wollen durch Beihülfe ihrer Phantasie.
Hier die Geschichte, wie sie Tallien's Bekanntschaft gemacht haben will.
Ihr Porträt war beinahe vollendet, als eines Tages Monsieur de Fontenay, der ein Urtheil über dasselbe hören wollte, einige kunstverständige Freunde in das Atelier in der Rue St. Honoré mitbrachte. Während man sich prüfenden Blickes um die Staffelei drängte, trat ein junger als Corrector in einer Druckerei beschäftigter Mann herein. Er hatte Druckabzüge für den ebenfalls anwesenden Herrn de Rivarol bei sich. Der junge Mann sagte, er hätte in Rivarol's Wohnung vorgesprochen, eine Dienerin habe ihm gesagt, er solle sich in das Atelier der Madame Le Brun verfügen, woselbst er ihren Herrn treffen würde. Er habe im Auftrage der Druckerei zu bestellen, daß es unmöglich wäre, an einigen Stellen das Manuscript zu entziffern. Nun soll der Autor in seiner gewohnten sarkastischen Weise einige Bemerkungen gemacht und der Corrector in fein-ironischer Weise darauf geantwortet haben, wodurch er die Lacher auf seine Seite brachte. Man fuhr dann alsbald wieder fort, über das Porträt und seine Aehnlichkeit zu debattiren, fand, daß einige kleine Partien das Original nicht erreichten, konnte oder nicht recht angeben, worin dies eigentlich läge. Nun habe Madame Le Brun den Corrector Tallien um seine Meinung befragt. Dieser habe mit vielem Ernst und im Bewußtsein der Richtigkeit seines Urtheils die Fehler des Porträts zum nicht geringen Erstaunen aller Anwesenden richtig bezeichnet. Da er in seiner Kritik Ausdrücke angewandt habe, wie »das Spiel des Lichtes« und ein »Colorit á la Velasquez«, so soll Madame de Fontenay ihn gefragt haben, ob er im Atelier von Velasquez Anmerkung des Uebersetzers: Der berühmte spanische Maler, Hofmaler Philipp IV, Don. Diego Velasquez de Silva ist schon 1660 gestorben! gewesen sei. Tallien hätte sich in halb verbindlicher, halb mokanter Weise verneigt, und an Rivarol die Bitte um Wiedereinhändigung der Probeabzüge gebeten.
Dieser Anekdote, von der Prinzessin Theresia Chimay erzählt, ist gegenüber zu halten, daß Rivarol im Atelier der Madame Vigée-Le Brun nicht verkehrte: es hat zwischen dem berühmten Plauderer und der berühmten Künstlerin keinerlei Berührungspunkte gegeben. Was Mad. Le Brun in ihren » Souvenirs« über Rivarol sagt, ist, daß er bei seiner ersten Begegnung ihr durch seine elegante Erscheinung und seine große Geschwätzigkeit, die leider den Reiz seiner Unterhaltung beeinträchtigt habe, ausgefallen wäre. Madame Le Brun: »Souvenirs« II, 332 und de Lescure: »Rivarol«, p. 176.
Das große Verbrüderungsfest Anmerkung des Uebersetzers. Das Bundes- oder Verbrüderungsfest, welches am 14. Juli 1790 in Erinnerung an die im Jahre zuvor an diesem Tage durch einen tumultuirenden Volkshaufen erfolgte Wegnahme der Bastille gefeiert wurde, war für die Bevölkerung von Paris ein großes Ereigniß. Die weite Fläche des Marsfeldes war mit Rasenstufen umgeben worden und glich einem ungeheuren Amphitheater. Viermalhunderttausend Zuschauer hatten sich eingefunden. In der Mitte der Arena war ein Altar errichtet worden, um welchen in weitem Halbkreise der König mit der gesammten königlichen Familie, die Mitglieder der Nationalversammlung, die städtischen Behörden, die Deputationen der Departements, die Armee und die Nationalgarde Aufstellung genommen hatten. Vierhundert Priester, in weißen Chorhemden und mit dreifarbigen Binden geschmückt, gruppirten sich um den Altar, an welchem der Bischof von Autun (Talleyrand) die Messe celebrirte. Nachdem dies geschehen, trat Lafayette, der an diesem Tage zum Commandeur aller Nationalgarden in Frankreich ernannt worden war, vor den Altar – oder vielmehr: er wurde auf den Schultern von Grenadieren vor den Altar getragen. In seinem Namen, im Namen der Truppen und der Departements sprach er folgende Worte: »Wir schwören, der Nation, dem Gesetz und dem Könige auf ewig treu zu sein, aus allen Kräften die von der Nationalversammlung beschlossene, vom König angenommene Verfassung aufrecht zu erhalten und mit allen Franzosen vereint zu bleiben durch unauflösliche Brüderschaft.« Kanonen, Fanfaren mischten sich in die Jubelstimmen der 400 000 Kehlen. Der König aber trat vor und sprach: ( Mignet: Histoire de la Révolution.) »Ich, König der Franzosen, schwöre, alle mir durch die Verfassungsurkunde des Staates ertheilte Macht dahin zu verwenden, daß die von der Nationalverfassung beschlossene und von mir angenommene Verfassung aufrecht erhalten werde.« Die Königin aber hielt in ihren Armen den Dauphin empor und rief: »Mein Sohn schließt sich mit mir diesen Gesinnungen an.« – Der Salut der Kanonen, der Fahnen und Banner machte den Beschluß – der Jubel des Volkes aber nahm kein Ende! rückte heran; ganz Paris rüstete sich für diesen Jubeltag. Die Freunde der Fontenay, de Lameth, La Fayette, Le Pelletier de Saint Fargeau und wie sie Alle hießen, nahmen theil – sollte die schöne Marquise fernstehen? Eine zum Enthusiasmus neigende Seelenstimmung war ihr zwar nicht eigen, diese paßte nicht zu ihrem Scepticismus, nicht zu ihrem etwas spöttischen Wesen, allein Theresia verfügte sich mit dem Gatten und den Freunden nach dem Festplatz. Seit Wegnahme der Bastille durch einen aufrührerischen Volkshaufen hatte sie zudem einige Befürchtungen in Bezug auf die Solidität der alten monarchischen Maschinerie. Die dunklen Wolken, die sie am politischen Horizonte aufsteigen und täglich höher heraufziehen sah, gefielen ihr nicht.
»Ich habe,« so schreibt ein College Fontenay's, »dem großen Verbrüderungsfeste beigewohnt. Zufällig begegnete ich, gerade als ich eintraf, der schönen Mad. de Fontenay, die später die berühmte Mad. Tallien wurde. Sie theilte, wie ich ihren Worten entnahm, alle meine Befürchtungen in Bezug auf die Zeitumstände, all mein Grauen vor der nächsten Zukunft.« Pasquier: »Mémoires.« I. 76. Der Verfasser sagt weiter: »Ich habe oft dieser Begegnung gedacht, der damaligen Uebereinstimmung in unseren Anschauungen und wie dann so plötzlich Alles anders wurde und uns das Schicksal so weitgetrennte Wege führte. Das ihrige ging durch die Gefängnisse der Schreckenszeit, durch die behaglichen Räume von Tallien, Barras und Ouvrard zur Vermählung mit dem Prinzen Chimay. Möge man über ihr Privatleben sagen und denken was man will, alle Diejenigen, welche Gelegenheit hatten, sie näher kennen zu lernen, werden ihr die Huldigungen, die ihrer großen Schönheit gebühren, die aufrichtige Anerkennung ihrer edlen Herzenseigenschaften nicht versagen können. Sie fand die Freude ihres Lebens darin, in schwierigen Lagen und den gefährlichsten Augenblicken mit ihrer Hülfe bei der Hand zu sein.«
Diese Befürchtungen aber waren dem Verkehr mit den Freunden nicht hinderlich; es wird mitgetheilt, daß im Jahre 1791 die Marquise der Stern der Gesellschaften im Marais (Stadttheil) war. Biographie Michaud. Supplément. Zu ihrem gewohnten Bekanntenkreise hatte sich auch Favières gesellt, Parlamentsmitglied und späterer Verfasser von »Lisbeth« und anderen dramatischen Werken. Favières war es, der die ein wenig beunruhigte Gesellschaft zerstreute.
Eines Tages traf die Nachricht von der Verhaftung des Vaters der Marquise ein; dieselbe war in Madrid gleich nach dem Tode Carl III erfolgt. Die arme Theresia war außer sich und ließ sich gerade in ihren schmerzlichen Empfindungen und Befürchtungen gehen, als La Fayette in den Salon trat; sie eilte ihm entgegen und rief halb scherzend, halb unglücklich: »Geben Sie mir, General, eine Armee von Nationalgarden, um meinen Vater zu befreien.«
Die Frauen sind doch seltsame Wesen! So beunruhigt Mad. de Fontenay über die Zukunft war, so sehr ließ sie sich in allen möglichen Zerstreuungen gehen – sie versagte sich Nichts. Sie scheint dabei in Bezug auf gewisse intime Verhältnisse auf eine Geheimhaltung nicht viel gegeben zu haben, die » Chronique Scandaleuse« vom Jahre 91 2. April 1791 – Ch. Nauroy: »Le Curieux.« und das » Journal de la Cour et de la Ville« Nr. 6 und 14. nehmen kein Blatt vor den Mund. Es kam so weit, daß die Marquise sich veranlaßt sah, folgenden Brief an den Redakteur des zuletzt genannten Blattes zu richten:
»Sie sind ein zu aufrichtiger Freund der Wahrheit, mein Herr, um nicht die Hand dazu zu bieten, einem Gerücht zu begegnen, welches ebenso ehrenrührig für mich, wie beunruhigend für die hochachtbare Familie ist, der ich anzugehören die Ehre habe. Man sagt – ich kann es ohne Abscheu kaum wiedersagen – daß ich mich aus Patriotismus ein wenig zu eng der Reihe nach an Herrn von Lameth, Herrn von Montron, die Herren von Bozon, von Condorcet, von Noailles u. A. angeschlossen hätte. Unparteilichkeit, die ich mir zur Richtschnur genommen habe – ich gehörte zum Club von 1789 – kann allein Veranlassung zu solchen Verleumdungen gegeben haben. Ich ersuche Sie, in Ihrer nächsten Nummer den Unterschied zwischen »Unparteilichkeit« und »Gleichgültigkeit« klarlegen zu wollen; sie erscheinen schwerfälligen Geistern fast wie Synonyma. Ein Irrthum würde meine lebhafte Antheilnahme bloßstellen; ich würde bei diesem gerechtfertigten Widerruf nicht verlieren, denn er würde mich neben Karl Billette und seine Partei stellen und würde mich zugleich vor allen anständigen Leuten rehabilitiren.
Cabarrus Frau Fontenay.«
Brillant geschrieben kann man diesen Brief nicht nennen. Es scheint beinah, als habe diese »Clubdame« vor schwerfälligen Geistern keinen Vortritt. Man wird aber später von ihr Briefe finden, die dem eben mitgetheilten weit voranstehen Man sehe im »Anhang.«
Daß sie ihrem Gatten die Treue nicht wahrte, ist eine ausgemachte Sache:
Theresia liebte Herrn Felix Le Pelletier de Saint Fargeau. Sie hat dies selber später einer Frau zugestanden mit den Worten: »Ich war sehr nahe mit Saint Fargeau bekannt, der mir das Allerschlimmste angethan hat: trotzdem habe ich mich nicht von ihm lossagen können.« Ch. Nauroy »Le Curieux.«
Ihr Gemahl, der »Marquis,« war ebenso treulos; er verdient nicht, bemitleidet zu werden, er trägt augenscheinlich die Schuld am Wandel der »Marquise.« Es mag wohl unter den Gatten trotzdem zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen sein, Monsieur de Fontenay hatte viel auf dem Gewissen, namentlich auch die Verschwendung eines Theiles von der Mitgift seiner Frau – sehr laut durfte sein Lamento mithin nicht werden. Theresia hätte ihm mit einem Wort – und solches »eine Wort« verstehen die Frauen stets vortrefflich zu sagen – den Mund stopfen können.
Aeußerlich war dieser jungen Ehe von ihrem inneren Zerfalle Nichts anzumerken – vielleicht war dies nur deshalb möglich, weil beiderseits keine Spur von Liebe vorhanden war.
Mad. du Deffand sagte einmal zu Herrn de Pont-de Veyle: »Wir sind nun seit vierzig Jahren gute Freunde; sollte das nicht vielleicht daher kommen, weil keiner den andern liebt?«
Es ist wahr: schnell tödtet oft Liebe die Liebe; wenn man sich nicht mehr liebt, kommt man oft bald dahin, einander nicht mehr ausstehen zu können. Seltsam ist es, daß bei Fontenay und Frau, die ja nur äußerlich Liebe zeigten, die Ehe sich nach innen nicht besser gestaltet hat, da die Hauptsache jenes Zwiespaltes, die Liebe nämlich, doch glücklich beseitigt war.
Die Revolution aber schritt vorwärts mit Riesenschritten. Die » Terreur« stand auf ihrer Höhe: die Köpfe fielen wie Hagelkörner auf der » Place du Trône Renversé.« Der Aufenthalt in Paris war nicht sicher für Leute, die die Thorheit begangen hatten, sich im Jahre 1788 mit dem Marquistitel zu schmücken. Mochten Herr und Frau de Fontenay auch der Nation noch soviel patriotische Geschenke Am 28. Germinal d.J. II trägt Herr de Fontenay 16 946 Livres zur Zwangsanleihe bei. Die Acten im Archiv weisen ferner nacheinander folgende Gaben auf: zwei Decken, eine Rathsrobe, 2 Paar Strümpfe, 62 Livres, 500 Livres, 100 Livres, 100 Livres. Theresia betheiligt sich an den Spenden, wovon folgende Notiz spricht: für Duplicata bezüglich der Zwangsanleihe, Recepisse der freiwilligen Anleihe, ausgeschrieben auf Grund des Conventbeschlusses vom 24. August 1793. II. Jahr der Republik: Ich habe von Marie Therese Ignace Cabarrus-Fontenay die Summe von 9 000 Livres erhalten, für welche Besagte im großen Buch der Staatsschuld gemäß den Bestimmungen eingetragen werden soll. Geschehen zu Paris am 21. Februar des Jahres II der französischen Republik. darbringen, ja sogar einen Theil des ihnen verbliebenen Vermögens auf dem Altar des Vaterlandes opfern, sie waren verdächtig!
Es erschien denn auch bald darauf ein Erlaß, daß die früheren Adligen, die früheren Mitglieder des Parlamentes, in die Gefängnisse abzuführen wären. Die Bestimmungen lauten: Am 5. Brumaire des Jahres II: Auf Antrag eines Mitgliedes der Assemblée gènèrale bestimmt dieselbe, daß alle früheren ( çi-devant) Adligen, alle dem Richterstande angehörigen Personen, Präsidenten von Handelskammern, frühere Parlamentsräthe, Sekretäre des Königs, welche keine revolutionären Anschauungen an den Tag gelegt haben, sofort gefangen gesetzt werden. gez. Lemodin. Trotz aller patriotischen Gaben fürchtete Mons. de Fontenay, er habe nicht genügend revolutionäre Gesinnungen an den Tag gelegt, um für sein Marquisat und seinen Titel als Parlamentsrath aufzukommen – er versteckte sich also zunächst bei einem Freunde, hielt aber bald den Aufenthalt in der Provinz für sicherer und es gelang ihm auch glücklich, sich einen Paß zur Reise nach Bordeaux zu erwirken. Auf dem Dokumente hieß es: »Jean Jacques Devin fils ist in Familienangelegenheiten zu dieser Reise genöthigt.«
Es ist einigermaßen auffallend, daß Mad. de Fontenay mit von der Reise war, da doch seit einiger Zeit schon die Ehescheidungsklage eingeleitet worden war. Wahrscheinlich hat die gemeinsame Gefahr die Wiederannäherung veranlaßt; sie traten die Reise in ein und demselben Wagen an. Berichten Reisende nicht, daß, wenn in den Urwäldern von Brasilien, den Steppen Afrikas ein Brand entsteht, die Löwen neben den Gazellen Reißaus nehmen?
Die Terreur hatte dieselbe Wirkung in mehr als einem Haushalt hervorgerufen: man näherte sich einander wieder an der Hand der Furcht, alle gehässigen und rachsüchtigen Empfindungen waren verschoben bis man wieder in Ruhe sein würde. Ja, sowie man die Gefahr im Rücken hatte, kehrten auch die alten häßlichen Zustände zurück.
Die Gemeinsamkeit der Reise, der kleine vierjährige reizende Knabe, der die Eltern begleitete – Nichts vermochte die Wiederkehr der früheren gegenseitigen Gehässigkeit zu verhindern. Die Gatten waren noch so jung: er zählte dreißig, sie zwanzig Sommer und schon hatten sie Unwiederbringliches verloren.
Sie trafen glücklich gemeinsam in Bordeaux ein, aber nur, um sich sofort und definitiv zu trennen.
Am Tage seiner Ankunft in Bordeaux ließ sich Herr de Fontenay einen Paß für die Insel Martinique ausstellen – nahm Abschied von Frau und Kind – für immer.