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Ich glaube es nicht

Pucki stand im Schulhof neben ihrer Klassenkameradin Thusnelda Reichert und biß, wie immer, an den Fingernägeln.

»Du sollst nicht beißen«, mahnte Thusnelda, »dir tun die Finger doch schon weh. Eines Tages wirst du krank.«

»Ach nein«, lachte Pucki, »von so 'nem bißchen Nagel werde ich nicht krank.«

»Aber die Finger werden schlimm.«

»Ach nein, die werden nicht schlimm, da müßten schon längst alle zehn Finger schlimm geworden sein, und sie werden nicht schlimm. Ich glaub' das nicht.«

»Es wird schon noch kommen«, beharrte Thusnelda.

Pucki biß unentwegt weiter. Ihr Gesicht nahm einen immer nachdenklicheren Ausdruck an. »Glaubst du, was sie uns gesagt hat?«

»Wer?«

»Fräulein Caspari.«

»Von der schlimmen Tat?«

»Ja. – Ich glaube es nicht! Ich habe schon manche schlimme Tat gemacht, und es ist nicht gleich die Strafe gekommen. Die Niepeljungen machen auch viel Schlimmes; manchmal bekommen sie Prügel, manchmal werden sie eingesperrt, manchmal merkt es keiner. Es stimmt also nicht!«

»Es wird schon stimmen, Pucki.«

»Ich glaube es eben nicht.«

In der letzten Unterrichtsstunde war den Kindern von der Lehrerin gesagt worden, daß jede schlimme Tat bestraft würde. Wenn auch die Eltern mitunter das Unrecht nicht merkten, so käme die Strafe doch von anderer Seite.

Pucki überlegte auf dem Heimwege alle die törichten Streiche, die sie in letzter Zeit begangen hatte. Da war vieles, was bisher noch ungestraft geblieben war. Von nun an wollte sie genau aufpassen, ob Fräulein Caspari recht behielt.

Bei der Ankunft im Forsthause hob Pucki die Nase hoch. Es duftete ganz wunderbar.

»Waffeln!« jauchzte sie. »Mutti bäckt Waffeln!«

Sofort war sie in der Küche und stellte fest, daß sie sich nicht getäuscht hatte. Auf einem Glasteller lag bereits eine ansehnliche Menge knuspriger Waffeln. Die Mutter stand am Herd und buk lustig drauflos.

»Schenkst du mir eine?«

»Nein, Pucki, es gibt in wenigen Minuten Mittagessen. Erst zum Nachmittagskaffee wirst du Waffeln bekommen. Lauf rasch einmal zu Agnes und sieh nach, ob alles in Ordnung ist.«

Pucki warf noch einen begehrlichen Blick auf den Teller mit den geliebten Waffeln, dann verließ sie die Küche. Im Kinderzimmer war Waldi und spielte mit der Puppe. Die kleine Agnes lag im Wagen.

»Hier ist doch alles in Ordnung«, sagte Pucki unwillig, »was soll ich hier?«

In demselben Augenblick begann Agnes zu weinen. »Sei still!« rief Pucki. »Warum schreist du denn, ich bin doch hier!« Als die Kleine nicht mit Weinen aufhörte, versetzte ihr Pucki ein paar Schläge auf die Händchen. Die Schläge waren nicht derb gewesen, trotzdem begann Agnes noch heftiger zu schreien.

Als Frau Sandler herbeigeeilt kam, zog Pucki sich beschämt in die Zimmerecke zurück. Sie stellte fest, daß ihr Betragen dem kleinen Schwesterchen gegenüber nicht nett gewesen war. Wenn Fräulein Caspari recht hätte, würde auf diese böse Tat von irgendwoher eine Strafe kommen. Da aber die Mutti nicht wußte, daß sie die Schuld an dem lauten Schreien des Schwesterchens trug, konnte es keinen Verweis geben. Pucki schwieg daher.

Als das Mittagessen beendet war, schlich Pucki hinaus in die Küche.

»Minna – ich habe mich nicht ganz satt gegessen, ich habe noch ein kleines Loch im Bauch. Schenkst du mir eine Waffel?«

»Nein, die Waffeln bleiben für heute nachmittag. Deine Mutti bekommt Besuch; für dich sind auch Waffeln übrig, doch erst zum Kaffeetrinken.«

»Minna, ich glaube, mein Magen knurrt furchtbar.«

»Warum hast du dich mittags nicht satt gegessen?«

»Weil mir Waffeln viel besser schmecken als Gemüse.«

Pucki öffnete die Tür zur Speisekammer und betrachtete mit leuchtenden Augen den Teller mit dem Waffelberg.

»Merkst du es, wenn ich mir eine Waffel nehme?«

»Freilich merke ich das.«

»Woran merkst du denn das, Minna?«

»Ich habe die Waffeln gezählt.«

»Wieviel sind es denn?«

»Dreißig Stück.«

Pucki blieb in der Speisekammer und versuchte die Waffeln auf dem Teller zu zählen. Es waren viel mehr als dreißig. Da entstand in dem Kopf des Kindes der Plan, etwas von dem leckeren Gebäck zu nehmen. Pucki wußte genau, daß ihr das Naschen streng verboten war. Aber die Waffeln dufteten so verführerisch, und außerdem waren es viel mehr, als Minna sagte, so daß es gewiß nicht schaden konnte, wenn sie davon aß. Zum Kaffee wollte Pucki etwas weniger oft zulangen, dann war die schlimme Tat wieder ausgeglichen.

Eben wollte sie eine Waffel ergreifen, als Minna in der Tür der Speisekammer erschien, das Kind am Arm erfaßte und herauszog. »Willst du etwa naschen? Das könnte schlimm ausgehen, Pucki, denn ein Kind, das nascht, wird vom lieben Gott bestraft.«

»Sind's wirklich dreißig Waffeln, Minna?«

»Mach, daß du aus der Küche kommst, ich habe zu arbeiten.«

»Darf ich dem Plüschli nicht eine Waffel geben oder dem Harras?«

»Du sollst hinausgehen«, rief Minna ärgerlich.

Zunächst suchte Pucki das kleine Rehkitz auf, das in den letzten Wochen recht tüchtig gewachsen war. Jedesmal, wenn Pucki den Stall betrat, sprang ihr das Tier erfreut entgegen und rieb sein Köpfchen an Puckis Kleid.

»Du bist auch meine liebe Freundin, dich habe ich furchtbar gern!« Dann rief das Kind nach Harras und klagte ihm sein Leid. »Wenn du noch klüger wärst, lieber Harras, müßtest du durchs Speisekammerfenster springen und mir eine Waffel holen.«

Harras bellte freudig, doch Pucki stellte mit Bedauern fest, daß dieser Plan unausführbar sei.

»Nun müssen wir bis zum Kaffeetrinken warten, dabei habe ich doch so großen Waffelhunger!«

Eine Stunde später befahl die Mutter ihrem Töchterchen, das neue rosa Kleidchen anzuziehen, weil Besuch käme.

»Nun will ich einmal sehen, Pucki, ob du mein liebes, verständiges Mädchen bist. Das neue Kleidchen hat die gute Großmama mit sehr viel Mühe gestickt. Sieh dich also recht vor. Wenn es sauber bleibt, bekommst du eine Belohnung.«

»Du wirst deine Freude haben, Mutti, ich werde es nicht ein bißchen zerknüllen.«

Tatsächlich stolzierte Pucki in der nächsten halben Stunde behutsam durch die Zimmer. Sie traute sich nicht einmal, sich niederzusetzen, und als Harras kam und an ihr hochspringen wollte, wehrte sie mahnend ab.

»Heute mußt du mich hübsch in Ruhe lassen, lieber Harras, damit ich noch extra was bekomme, denn das Kleid hat die Großmutti mit viel Mühe gestickt.«

Auch Minna sollte das schöne Kleid sehen. Pucki ging in die Küche, um sich ihr zu zeigen. Aber Minna war nicht da. Auf der Anrichte stand der Teller mit den Waffeln. Puckis Herz tat einige rasche Schläge, dann griff sie beherzt nach zwei der leckeren Waffeln. Sie wollte wieder aus der Küche huschen, aber da sah sie Minna kommen, in jeder Hand einen Eimer mit Wasser.

»Ich soll nicht naschen, ich darf nichts nehmen, es ist unrecht«, so schoß es dem kleinen Mädchen durch den Kopf. Leider war keine Zeit mehr, die Waffeln zurück auf den Teller zu legen. – Was beginnen? In der nächsten Sekunde huschte Pucki unter den Topfschrank. Ein geblümter Vorhang, der vom letzten Brett bis zur Erde hing, versteckte sie. Pucki mußte sich allerdings recht zusammenkauern und verhielt sich lautlos in dem Versteck. Minna würde bald wieder die Küche verlassen, um noch mehr Wasser zu holen, dann wollte sie schnell davoneilen.

Als Pucki in ihrer unbequemen Stellung saß, fiel ihr ein, daß das Kleidchen, das sie anhatte, ja nicht unsauber werden durfte. Nun war es gewiß schon mächtig zerknüllt. Wenn Minna doch erst wieder aus der Küche ginge! – Die Waffeln, die Pucki verspeiste, schmeckten jetzt gar nicht so gut wie sonst.

Da öffnete sich die Küchentür noch einmal; die Mutter erschien.

»Nanu – der Teller mit dem Gebäck ist ja so unordentlich geworden.«

»Sollte Pucki doch einige Waffeln genommen haben?« sagte Minna verärgert. »Ich habe es ihr noch extra verboten.«

»Wenn Sie es Pucki verboten haben, Minna, wird sie es auch nicht getan haben.«

»Na, na, Pucki ist eine kleine Naschkatze.«

»Leider«, erwiderte die Mutter und seufzte leicht, »es macht mich mitunter recht traurig.«

Pucki kauerte sich noch mehr in ihrem Versteck zusammen. Ihr wurde plötzlich siedendheiß. – Nun endlich verließ die Mutter die Küche, nur Minna blieb zurück. Vorsichtig schob Pucki den Vorhang zur Seite, um zu sehen, was Minna wohl treibe. Sie schüttete eben Kartoffeln in den großen blauen Napf und wusch sie ab. Pucki wußte, das waren die Kartoffeln, die für die Hühner und das Schwein gekocht wurden. Da würde Minna noch lange waschen.

Plötzlich hob Minna die Schüssel, um das unsauber gewordene Wasser in den Ausguß zu gießen. Dabei glitt ihr die Schüssel aus der Hand, Kartoffeln und Schmutzwasser ergossen sich in die Küche, und unter dem Topfschrank bildete sich ein kleiner See.

Pucki sah voller Entsetzen, wie sich die Stickerei am Rande des Kleides dunkel färbte. Sie wagte jedoch nicht, aus ihrem Versteck zu kommen. Die blauen Kinderaugen füllten sich mit Tränen. Wenn Minna nur bald aus der Küche ging! Doch Minna begann mit dem Aufsammeln der Kartoffeln, dann ergriff sie einen Aufwischlappen und den Schrubber. Puckis Herz pochte wie ein Hammer.

»Lieber Gott, ich will nie wieder eine Waffel nehmen, nur laß die Minna nicht unter den Topfschrank gucken.«

Im nächsten Augenblick wurde der geblümte Vorhang aufgehoben: Ein kleines Mädchen, im rosa Kleidchen, hockte mit tränenüberströmtem Gesicht in der nassen Ecke.

»Pucki!«

»Fräulein Caspari hat doch recht! – Ach, Minna, jetzt bin ich ganz schmutzig!«

Minna begann zu schelten. »Was tust du unter dem Topfschrank?«

Pucki kam hervorgekrochen und schaute mit jämmerlicher Miene an sich herunter. Wie sah das schöne Kleid aus! Auch das weiße Unterröckchen war naß und schmutzig geworden. Durch die weißen Schuhe war das Wasser gedrungen, und die Knie, auf denen das Kind gelegen hatte, waren gleichfalls feucht.

»Willst du endlich sagen, was du unter dem Topfschrank wolltest?«

»Ach, Minna – es ist sehr schlimm.«

»Du, Pucki –« Minna stellte sich drohend vor die Kleine, »wolltest du etwa Waffeln stehlen? – Hast du vielleicht schon eine genommen?«

»Ja«, klang es kleinlaut.

»Schämst du dich nicht?«

»Ja – ich schäme mich.«

»Nun mach, daß du aus der Küche kommst, ich will solch unartiges Mädchen nicht länger sehen.«

Da stand nun Pucki im Flur, wischte mit den nassen Händen die Tränen aus den Augen und wußte nicht recht, wie sie der Mutter ihren Streich gestehen sollte. Gedrückt schlich sie ins Kinderzimmer, in dem Waltraut saß und hell auflachte, als sie die beschmutzte Schwester sah.

»Hu, du Dreckfink!«

»Bist du still!«

»Ätsch, wie du aussiehst!«

Da schlug Pucki mit den unsauberen Händen auf Waldi ein und packte sie an den Haaren, so daß die Kleine, die sich anfangs energisch wehrte, schließlich ein lautes Schreien ausstieß. Agnes stimmte mit ein. Da kam die Mutter ins Zimmer gelaufen. Obwohl sich Pucki sofort scheu in die Zimmerecke drückte, fiel ihr Blick sogleich auf das unsaubere Kleid.

»Was ist denn hier los?«

»Sie hat mich gehauen«, weinte Waltraut.

Pucki stand stumm da, beide Zeigefinger im Mund.

»Pucki!«

Noch rührte sich Pucki nicht. Sie wäre gar zu gern zur Mutter geeilt, um ihr Unrecht zu gestehen, aber Trotz und Scham hielten sie in der Ecke fest.

»Mit ihren schmutzigen Händen ist sie mir ins Gesicht gefahren«, weinte Waltraut. Dann stürzte sie auf die größere Schwester zu und schlug mit beiden Fäustchen auf Pucki ein. Pucki ließ es ruhig geschehen. Sie fühlte sich so schuldbeladen. Die Schläge hatte sie verdient.

»Wie siehst du denn aus, Pucki?« fragte die Försterin streng. »Wo bist du gewesen?«

Als keine Antwort kam, trat Frau Sandler dicht vor ihr Töchterchen hin und fragte streng: »Willst du endlich reden, Pucki?«

»Ach, Mutti, Mutti – –«

Dann erfolgte die Beichte. Schweigend zog Frau Sandler dem Töchterchen das rosa Kleidchen aus, holte den Strickstrumpf herbei und gab ihn Pucki in die Hände.

»Du strickst bis zum Kaffeetrinken ununterbrochen und sprichst kein Wort. Dann bekommst du Schwarzbrot ohne Aufstrich, und dann strickst du noch eine Stunde. – Du gehst aus diesem Zimmer nicht heraus. Waltraut werde ich später rufen, damit sie die Tanten begrüßt. Waltraut bekommt Waffeln zu essen und Schokolade zu trinken. Du bist ein recht unartiges Mädchen, Pucki.«

Die Gescholtene setzte sich in die Ecke. Träne auf Träne tropfte auf den Strumpf. Waltraut stellte sich vor die Schwester und sah sie an. Doch Pucki sagte kein Wort. Nur hin und wieder kam ein unterdrücktes Schluchzen aus der kleinen Brust.

Noch schmerzlicher war es, als Minna das Brot und den Kaffee brachte. Trotzdem verzehrte Pucki alles. Es war doch wenigstens eine Unterbrechung des entsetzlichen Strickens. Wenn nur erst die Mutti wieder gut wäre! – Fräulein Caspari hatte doch recht, nur bei Agnes stimmte es nicht. Pucki hatte die kleine Schwester ja vor Tisch geschlagen, und keiner hatte es gesehen. So glaubte Pucki auch jetzt noch, daß auf manche schlimme Tat doch keine Strafe folge. Freilich, für das Waffelnehmen war sie sehr schwer bestraft worden, aber Agnes konnte sie wohl doch hin und wieder einen kleinen Klaps geben, wenn sie so sehr schrie, ohne daß dafür eine Strafe kam. –

Als Pucki am anderen Tage aus der Schule kam, nahm sie der Vater bei der Hand.

»Du mußt heute sehr artig sein, mein Kind, dein kleines Schwesterchen wird sehr krank werden.«

»Was hat sie denn?«

»Der Onkel Doktor wird bald kommen. Die Händchen haben rote Flecken bekommen.«

»Die Hände haben rote Flecken bekommen?«

»Ja, Pucki, und nun fangen die roten Flecken auch schon am Halse an.«

»Ich – ich –«, sagte Pucki stockend, »ich hab' die Agnes wirklich nur auf die Hände gehauen, nicht auf den Hals.«

»Was – du hast dein kleines Schwesterchen geschlagen?«

»Ach, Vati, sie hat geschrien und immerfort geschrien, da habe ich sie ein bißchen auf die Hände geschlagen.«

»So ein schwaches Kindchen, das man leicht zerbrechen kann, hast du geschlagen? Weißt du denn nicht, daß man so kleine Kinder ganz behutsam anfassen muß, weil man sonst etwas an ihnen zerbricht? Habe ich dir das nicht schon mehrmals gesagt?«

»Ach, Vati – ich habe es doch nicht schlimm gemeint. – O weh, nun wird sie krank, weil ich sie gehauen habe! Nun stimmt es doch, daß jede schlimme Tat bestraft wird. – Ach, Vati, was machen wir nur? Die Waltraut habe ich auch gehauen. Wird das nun auch bestraft?«

Am nächsten Tage zeigten sich auch bei Waltraut rote Flecken im Gesicht und an den Händen. Und das Schwesterchen war über und über mit roten Flecken bedeckt.

»Masern«, sagte der Arzt. »Es ist wohl am besten, wenn Sie Pucki nicht erst absperren. Masern sind sehr ansteckend, ich nehme an, daß auch Pucki bereits den Keim zu dieser Krankheit in sich trägt.«

So wurde Pucki von den Geschwistern nicht ferngehalten. Sie mußte aus der Schule bleiben und stand viel am Bettchen der kleinen Agnes.

»Ich hau' dich nicht mehr, ganz bestimmt nicht mehr. Jetzt glaube ich, daß man für alles Böse, was man tut, bestraft wird. – Vati, wann gehen denn die schlimmen Flecken wieder weg?«

»Das dauert noch einige Wochen.«

»So doll habe ich doch nicht gehauen«, rief Pucki unter Tränen, »so doll braucht mich der liebe Gott nicht zu bestrafen!«

Zwei Tage später hatte Pucki auch die Masern. Im Schlafzimmer lagen die drei Kinder zusammen in ihren Betten. Bei Pucki zeigte sich die Krankheit am schlimmsten. Oft, wenn sie mit heißem Kopf in den Kissen lag, dachte sie an Fräulein Caspari: Sie hat schon recht gehabt!

Besuch durfte ins Forsthaus nicht kommen, obgleich Pucki häufig nach ihren Schulgefährtinnen verlangte. Sie wollte auch an die Niepelschen Knaben schreiben, doch hielt man alle von ihr fern. So hatte sie ausreichend Zeit, über ihre Streiche nachzudenken. Der einzige Trost, der ihr blieb, war der Mutter Versprechen, daß sie, wenn es ihr besser ginge, Waffeln bekommen sollte.

»Mutti, geht es mir nun besser?« fragte das kleine Mädchen an jedem Morgen.

Aber Wochen vergingen noch. Der Juni ging seinem Ende entgegen.

»Mutti, nun kommen doch bald die großen Ferien! Oh, habe ich lange Ferien gehabt! Kommt nun bald wieder die Rose Scheele?«

»Ja, Pucki, die Rose kommt auch in diesem Jahr wieder zu uns in den Wald. Wir haben das Stadtkind herzlich liebgewonnen, und auch Rose freut sich schon sehr, daß sie die Ferien wieder bei uns verleben darf.«

Pucki blickte sinnend zur Zimmerdecke hinauf. Vor zwei Jahren war Rose Scheele als blasses, trauriges Stadtkind mit vielen anderen Mädchen in die Försterei gekommen. Die beiden Kinder hatten sich herzlich angefreundet, und die Trennung war daher schmerzlich gewesen. Dann schrieb man sich fleißig Briefe.

Nun dauert es nicht mehr lange, dann kam Rose wieder her.

»Aber erst mußt du ganz gesund sein, mein liebes Kind.«

»Mir ist es so, Mutti, als wären alle meine Unarten mit den roten Flecken aus mir gegangen.«

»Das wollen wir hoffen«, lachte die Mutter.

Kaum waren Pucki und Waldi aus den Betten, als sie sich auch schon wieder stritten und prügelten.

»O weh«, sagte die Mutter, »ich glaube, es sitzen noch viele Unarten in dir, Pucki.«


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