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1. Die Finsterthaler.

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D Die Finsterthaler haben ihren Namen von dem Dorfe Finsterthal. Wer dieses Dorf liegen sah, der konnte sogleich ahnen, wie es zu diesem Namen kam. Es lag nämlich in einem tiefen Tale und hohe Berge mit dichten Wäldern umgaben dasselbe ringsum, so daß Frau Sonne ganz wenig hineinscheinen konnte. Darum war es in Finsterthal schon am Tage sehr dunkel; des Nachts aber war es ganz und gar finster darin. Oft lag auch noch ein dicker, düsterer Nebel auf diesem Dorfe, der die Dunkelheit gewaltig vergrößerte.

Mit dieser äußeren Finsternis stimmte nun auch der innere Zustand der Einwohner genau überein. Ihr Verstand war gar sehr verfinstert, sie waren ungemein unwissend und darum auch über alle Maßen abergläubisch; ja der Aberglaube war in diesem merkwürdigen Dorfe so recht zu Hause.

Hier in Finsterthal glaubten die Leute nicht nur alles mögliche, sondern auch noch viel mehr Unmögliches dazu. Was andere Leute nicht einmal im Traume glauben mochten, weil sie es mit ihrer besseren Einsicht nicht in Einklang bringen konnten, das war den Finsterthaler Bürgern noch gut genug, das konnte sich mit ihrer grenzenlosen Unwissenheit und ihrer unglaublichen Gedankenlosigkeit gar wohl vertragen.

So glaubten sie an Gespenster von allerlei Art, an schwarze und weiße, an feuerige und an solche, die wie Spinnenweben aussahen, an vernünftige und unvernünftige; sie gingen nie in ihre schönen Wälder hinein; denn nach ihrem Aberglauben hausten darin Basilisken, Drachen, Lindwürmer und ähnliche fabelhafte Tiergespenster; ja sie hatten des Nachts auch schon geflügelte Pferde gesehen, die keine Köpfe hatten, und Hunde, die Augen wie Feuerkugeln hatten.

Welch verderbliche Folgen die Gespensterfurcht und der damit verbundene Aberglaube bei den Finsterthalern haben konnten, zeigt uns folgender Vorfall.

Eine Finsterthaler Bäuerin wollte einmal kurz vor Weihnachten ihre alte Base im Nachbardorfe Thorheim besuchen. Als sie den Thorheimer Waldteich erreicht hatte, wurde sie plötzlich von einem heftigen Schneegestöber überrascht, das von einem eisigen Sturmwind begleitet war. Sie sah sich deshalb genötigt, in einem unbewohnten Fischerhäuschen, das nahe am Teiche unweit der sogenannten Teichmühle lag, ihre Zuflucht zu suchen. Kaum aber war sie dort eingetreten, da schlug der gewaltig tosende Sturm die Türe hinter ihr zu und die arme Bauersfrau war eingesperrt. Sie fing nun in ihrer großen Angst an, laut und flehentlich um Hilfe zu rufen; aber niemand kam um zu helfen. Es ging zwar gar mancher an der Hütte vorüber, welcher der Armen Erlösung hätte bringen können, allein jeder eilte möglichst schnell vorbei, weil in dieser Gegend die einfältige Sage ging, daß es im Teiche spuke; ein Meerweibchen, so hieß es, sei einst von einem fliegenden Drachen aus einem fernen Meere in den Teich getragen worden; und dieses Wassergespenst habe schon manchen Finsterthaler, der zu lange am Ufer des Teiches weilte, mit in die Tiefe hinabgezogen. So mußte denn, von allen verlassen, die unglückliche Bäuerin sieben volle Tage ohne Speise und Trank die qualvollsten Stunden in diesem Fischerhäuschen zubringen. Endlich, am achten Tage, führte die Vorsehung einen Mann vorüber, welcher die wimmernde Stimme der armen Frau vernahm und deutlich die Worte zu hören glaubte: »Gebt mir Wasser, rettet mich, sonst muß ich sterben! Allein auch diesen befiel so große Furcht, daß er es nicht übers Herz brachte, der Sache nachzugehen. Er lief schleunigst nach Finsterthal zurück und erzählte im Wirtshause sein merkwürdiges Erlebnis. Aber kein Finsterthaler war zu bewegen, nach dem Fischerhäuschen zu gehen; denn es dunkelte bereits und bei Nacht war die Gefahr am Teiche doppelt groß; und schließlich, so meinten die heldenhaften Finsterthaler, könnte sich das Meerweibchen selbst in der Fischerhütte eingesperrt haben, um mit List ein Opfer anzulocken. Am anderen Morgen hörte ein fremder Kaufmann, der im Dorfe geschäftshalber war und eben dasselbe verlassen wollte, von dem sonderbaren Vorkommnis. Sogleich ließ er sich an das Häuschen führen; ohne Zagen sprengte er die Türe auf und trat beherzt hinein; doch plötzlich prallte er entsetzt zurück. Sein Begleiter, der glaubte, das Wassergespenst würde alsbald herausstürzen, suchte sofort das Weite und lief angstvoll auf und davon. Aber nicht die Furcht vor einem Gespenst war es, die den wackeren Kaufmann so erschütterte, sondern der Anblick, der sich ihm darbot, entsetzte ihn so furchtbar: er fand die bedauernswerte Frau schrecklich abgemagert am Boden in einem Zustande liegen, der dem Tode ähnlich zu sein schien. Er benetzte ihre Schläfen mit Wasser und gab ihr, als sie wieder zum Bewußtsein kam, zu trinken; dann trug er sie ins Dorf zurück. So rettete der edle Fremdling ein Menschenleben vor dem sicheren Tode, dessen Untergang die törichten Finsterthaler in ihrem Aberglauben ruhig auf ihr Gewissen genommen hätten.

Die Finsterthaler glaubten auch an einen Alp, einen Hockauf, einen dreibeinigen Hasen, einen Bieresel, einen Berggeist, an viele Heckemannchen und an ein wütendes Heer.

Sie glaubten ferner recht getreulich an Hexen und an alles, was zum Hexenkram gehörte, nämlich, daß die Hexen und Hexenmeister mit dem Teufel in besonderer Bekanntschaft standen, daß dieser böse Feind bisweilen persönlich zu ihnen käme oder als ein feuriger Drache durch den Schlot oder Schornstein in ihr Haus fahre und ihnen allerlei Zaubermittel brachte; sie waren weiter fest überzeugt, daß die Hexen in der Walburgisnacht auf Besen und Ofengabeln auf den Blocksberg führen und dort ihre Tänze abhielten; sie wußten auch, daß die Hexen sich in Katzen und Hunde verwandeln und mit des Teufels Hilfe auf übernatürliche Weise mancherlei sonderbare und merkwürdige Dinge hervorbringen könnten; sie glaubten sogar, daß die Hexen dem Vieh die Milch nehmen und es leicht auf zauberische Art töten könnten; ja, sie hatten sogar schon Hexen gesehen, welche die Menschen krumm und lahm machen können; und sie hatten schon wiederholt gehört, daß die Hexen bei ihren feierlichen Mahlzeiten auch Menschenfleisch essen.

Die abergläubischen Finsterthaler waren in ihrem törichten Wahn auch recht fest davon überzeugt, daß es weise Männer und Frauen gäbe, welche die Hexen bremsen oder quälen und die vielen Uebel, die von diesen herrührten, durch gewisse Kräuter wieder vertreiben könnten; ja, diese weisen Männer und Frauen besaßen auch die Fähigkeit, jedem zu sagen, wohin seine gestohlenen Sachen gekommen wären.

Die einfältigen Einwohner des Dorfes Finsterthal glaubten ferner, daß viele weise Leute das Bannen verständen, daß diese sich selbst fest oder auch unsichtbar machen und das Gewehr und Feuer versprechen könnten; die weisen Leute hatten endlich auch die Macht, die Geister zu zitieren und mit deren Hilfe wahrzusagen.

Von dem, was in der Natur, am Himmel und in der Luft vorging, glaubten die törichten Finsterthaler auch sehr vieles, was verständige Menschen, welche die Natur besser kannten, nicht für wahr halten konnten.

Die Irrwische, die nur aus leuchtenden Dünsten bestehen, hielten sie schon für Geister. Das Nordlicht war für sie ein sicheres Zeichen eines nahen Krieges. Die Kometen betrachteten sie als die zuverlässigen Vorboten großer Landplagen. Das Schreien der Eulen und das Pfeifen der Heimchen war ihnen ein unzweideutiges Zeichen des Todes. Und wie erschraken sie erst des Abends in ihrer Stube vor dem Pick-pick-pick der sogenannten »Totenuhr«, das den baldigen Tod eines Hausgenossen anzeigen sollte! Und was steckte hinter dieser unheimlichen »Totenuhr«? Oder, woher kam dieser geheimnisvolle Laut? Sehr einfach! Es leben nämlich unter faulenden Balken und in alten Holzmöbeln schwarze Käfer, die sogenannten Totenkäfer, welche durch die erwähnten Laute ihre Kameraden herbeilocken wollen; dem Menschen aber tun sie weiter nichts zuleide, als daß sie seine alten Holzmöbel, manchmal auch Bücher und andere Gegenstände, durchlöchern.

Außerdem wußten die Finsterthaler auch bei ihren täglichen Geschäften noch viele und besondere abergläubische Dinge in Ausübung zu bringen. Sie glaubten zum Beispiel: wenn der Flachs geraten solle, so müßte der Lein in einem langen Sack mit großen schnellen Schritten auf das Feld getragen und aus einem blauen Tuche gesät werden. Wenn der Weizen keinen Brand bekommen sollte, so durfte er an keinem solchen Wochentag gesät werden, auf welchen in demselben Jahre eine Sonnenfinsternis gefallen war oder fallen konnte; wenn die Sperlinge den Weizen im Sommer nicht auffressen sollten, so müßte der Sämann, wenn er die drei ersten Würfe täte, die Augen zudrücken. Die Gänse müsse man entweder an einem Dienstag oder an einem Freitag rupfen. Wenn jemanden auf dem Felde oder im Garten von gewissen Früchten etwas gestohlen wurde, so glaubten sie, daß diese Art von Früchten unter zehn Jahren nicht wieder geraten würden.

Die Finsterthaler legten überhaupt auf lächerliche Vorzeichen aller Art, auf glückliche oder unglückliche Tage den größten Wert und richteten darnach ihre Handlungen ein. So wichen sie zum Beispiel allen in Trauer gekleideten Personen furchtsam aus; denn sie meinten, ein Zusammentreffen mit solchen Personen könnte den Tod eines Familienmitgliedes zur Folge haben. Sie waren auch überaus unglücklich, wenn sie einen Sarg sahen; denn auch das bedeutete für sie einen Todesfall in der Familie oder mindestens im Hause. Ebenso hüteten sie sich peinlich, bei Tisch Salz zu verschütten; denn das mußte totsicher Streit und Zank geben! Auf gute Kleidung sahen sie sehr, nicht etwa weil sie eitel und hoffärtig waren oder für die Mode einen besonderen Geschmack hatten; nein, dazu waren sie ja viel zu dumm; sie trugen gute Kleider deshalb, weil sie glaubten, zerrissene Röcke bringen baldige Not. Aepfel pflückten und aßen sie gerne, denn das verhieß ihnen großen Reichtum. Welch ein vernünftiger Grund aber kann für einen verständigen Menschen darin liegen, daß ihm eine Person in Trauerkleidern begegnet oder daß ein Sarg an ihm vorüber in ein Sterbehaus getragen wird? Aus welchem Grunde sollte es üble Folgen haben, wenn einer Salz verschüttet? Oder welch schlimmen Einfluß sollte der Freitag oder der Montag, die als Unglückstage in verschiedener Hinsicht galten, auf die Handlungen und Unternehmungen der Menschen ausüben können? Ebenso unsinnig war es, daß die Finsterthaler dreizehn Personen nie an einem Tische essen ließen; denn sie glaubten, es müsse sonst noch im nämlichen Jahre eine von diesen sterben; dagegen setzten sie sich bei Hochzeiten und Trauergelagen ruhig mit hundert Personen zu Tische, von denen doch sehr wahrscheinlich vielleicht mehr als eine das Jahr nicht überlebte.

Auch gar manche Zeiten des Jahres hatte sich der Aberglaube der Finsterthaler zu ganz besonderen Torheiten ausersehen. So glaubten die Jungfern dieses Dorfes, daß sie in der Andreas- und in der Thomasnacht, in der Christ- und in der Neujahrsnacht ihre zukünftigen Männer einladen und sehen könnten. Sie brauchten bloß einen Tisch für zwei Personen decken, auf dem neunerlei Speisen stehen mußten. Wenn der zukünftige Mann erschien und von den Speisen etwas übrig ließ, so mußten diese Reste als ein heiliges Andenken sehr sorgfältig aufbewahrt werden; doch durfte dieser von diesem Andenken nach der Heirat nie etwas erfahren, sonst war ein großes Unglück unausbleiblich. Manche Mädchen, deren Eltern arm waren und darum für so reichliche Speisen nicht das nötige Geld hatten, begnügten sich mit einem weniger kostspieligen Mittel: sie kauften sich, um in der Christnacht ihren zukünftigen Mann wenigstens im Traume zu sehen, am Tage vor dem heiligen Abend für einen Pfennig die letzte Semmel einer Semmelzeile; sie schnitten sich von der Rinde dieser Semmel ein Stückchen ab, trugen es den ganzen Tag mit sich herum und legten es abends bei Sonnenuntergang unter ihr Kopfkissen. War nun am anderen Morgen von der Semmelrinde etwas abgenagt, was doch im höchsten Falle bloß durch eine Maus geschehen sein konnte, dann bildeten sich die Finsterthaler Jüngferlein fest ein, sie würden übers Jahr reich und glücklich verheiratet sein. Als Brautleute hielten es diese Mädchen für ein gutes Zeichen, wenn es an ihrem Hochzeitstage ihnen in den Brautkranz regnete; auch glaubten sie, wer zuerst von den beiden Brautleuten den rechten Fuß auf den Teppich vor dem Altare setze oder beim Händegeben die Hand oben habe, werde auch im neuen Hauswesen die Oberhand bekommen.

Und wie die Lebenden selbst bis an die Stufen des Altars, so begleitete in Finsterthal der Aberglaube auch die Toten ins kühle Grab. Die Finsterthaler duldeten es um alles nicht, daß eine Leiche mit dem Kopfe voran zum Hause hinausgetragen wurde. Sank auf dem Gottesacker der Grabhügel eines Verwandten ein, was doch beim Zusammenbrechen des Sarges oder infolge anderer natürlicher wie zufälliger Ursache leicht geschehen konnte, so war ihnen das schon wieder ein sicheres Zeichen dafür, daß bald jemand aus der Verwandtschaft sterben werde. Starb dann zufällig bald darauf die Großmutter, so war an ihrem Tode natürlich nur das Einsinken des Grabhügels schuld, wenngleich die Großmutter schon sechsundneunzig Jahre alt war und infolge ihrer Altersschwäche keine Stunde länger gelebt hätte. Die Grabesruhe ihrer Toten entweihten sie dadurch, daß sie mit Hilfe von Hexen die Geister ihrer Verstorbenen zur Enthüllung der Zukunft heraufzubeschwören versuchten. Bei solchen Anlässen forderten die Hexen den leichtgläubigen Finsterthalern viel Geld für Wein, Milch und Zauberwasser ab; denn sie gaben vor, sie müßten damit nach Sonnenuntergang die Gräber auf dem Gottesacker dreimal begießen, damit die zu befragenden Toten in der Geisterstunde aus ihren Gräbern hervorstiegen und ihnen die Zukunft enthüllten. Wie sehr die Finsterthaler in dieser und anderer Hinsicht von den Hexen und Wahrsagern betrogen wurden, werden wir im folgenden noch oft hören.

All dieses und noch vieles andere, das ebenso töricht und dumm war, glaubten und taten die alten Einwohner in Finsterthal von ganzem Herzen; und wer sie jemals in ihrem Aberglauben irre machen oder gar auslachen wollte, den haßten sie zeitlebens aus ganzer Seele, den verachteten sie, den hielten sie für einen sehr bösen Menschen, der keinen Glauben hätte und mit dem man also keine Gemeinschaft haben dürfe.

Damit nun auch ihre Kinder nicht aus der Art schlagen möchten, so suchten sie dieselben ebenfalls in allen Arten des Aberglaubens getreulich zu unterrichten und wohl zu befestigen. Wenn ein kleines Kind etwa schreien wollte, so wurde ihm schon zugerufen: »Sei still! Der Herscheklas oder der schwarze Mann kommt.« Da erschraken denn die armen Kinder sehr, sahen sich bedenklich und ängstlich um und merkten schon, daß es draußen nicht sicher und geheuer sei. Waren aber die Kinder schon etwas größer, so daß sie mehr begreifen konnten, so erzählten ihnen die Alten an den langen Winterabenden so viele fürchterliche und absonderliche Geschichten von Gespenstern, von Hexen, von fliegenden Drachen und dergleichen Dingen, daß ihnen die Haare zu Berge stiegen. Dadurch wurden die Kinder so furchtsam, daß sie sich nicht mehr getrauten am Abend allein vor die Stubentür, geschweige denn auf die Straße zu gehen. Mußte nun ja einmal eins hinaus, so war es ihm immer so zu Mute, als wenn an allen Ecken und Enden lauter böse Geister ständen und als wenn einer hinter dem andern dahergeschlichen käme und es an seinem Rockzipfel packen wollte. Wie angst diesen Kindern sein mußte, wenn sie in ihre finstere Kammer schlafen gehen mußten, werdet ihr euch selber vorstellen können. Oft mußten sie mit der Rute ins Bett getrieben werden. Und wenn sie darin lagen, und es regte sich etwa eine Maus in der Kammer, da fuhren sie zusammen, zogen die Bettdecke fest über die Ohren und über den Kopf und guckten nicht eher wieder heraus, als bis der helle Morgen da war. Oft gerieten sie des Nachts in einen großen Angstschweiß, hatten die schwersten und fürchterlichsten Träume, als wenn alle die unheimlichen Geister und schrecklichen Hexen, von denen sie des Abends erzählen gehört hatten, mit den gräßlichsten Gebärden auf sie los kämen und sie mit Haut und Haar verschlingen wollten. So wurden die armen Kinder von vergeblicher Furcht gequält, bloß weil sie so abergläubisch waren und sich Dinge einbildeten, welche gar nicht da waren und gar nicht da sein konnten.

Den Alten und den erwachsenen Leuten ging es nicht viel besser; diese konnten doch des Nachts noch weniger in der Stube, auch nicht immer im Bett bleiben; denn ihrer Geschäfte wegen mußten sie zuweilen auf den oberen Boden, in den Keller, in den Stall, auf den Hof und oft wohl noch weiter gehen. Wenn das nun etwa gar in der zwölften Stunde und noch dazu in der Advent- oder Fastenzeit geschehen mußte, wo nach ihrer Meinung alle Gespenster auf den Beinen waren, ach da gruselte und grauselte es auch ihnen gewaltig! Da waren sie flüchtig auf den Beinen! Auch in der Stube mußten sie manchmal schon Angst genug ausstehen. Wenn z. B. ein Hund heulte oder ein Käuzchen vor dem Fenster sich hören ließ, da sah es schon gefährlich genug aus. Draußen aber schien die Gefahr freilich noch viel, viel größer zu sein. Denn da gab es eigentlich so vielerlei Gespenster, die sie sich einbildeten und wenn auch diese nicht wirklich da waren, so gab es doch alte Stöcke, Irrlichterchen, Menschen und Tiere und andere Wesen und Dinge genug, die sie in der Dunkelheit gar füglich für Gespenster und böse Geister ansahen. Wenn sie nun denn hinaus und etwa an einem Ort vorbei mußten, an dem es nicht sicher und geheuer schien, da war auch ihnen, den Alten, gar jämmerlich zu Mute. Da durfte sich nur ein Blättchen regen, so fuhr ihnen schon der Schrecken durch alle Glieder. Da durfte nur eine Katze miauen oder vor ihnen quer über den Weg laufen, so war es schon eine Hexe, die entweder ihnen oder ihrem Vieh nachstellen wollte.

Darum suchten sich die Finsterthaler auch auf das sorgfältigste vor bösen Geistern, Unholden und Hexen zu bewahren und zu schützen. Sie nahmen sich wohl in acht, daß sie des Morgens nicht nüchtern oder ungewaschen über die Gasse gingen. Sie vergaßen auch nicht, bei ihrem Morgen- und Abendgebet das Kreuz vor sich zu machen. Das war nun freilich wohl gut, wenn nur dies alles in der rechten Absicht geschehen wäre. Anstatt aber, daß sie zu Gott gebetet hätten, er möge sie vor Sünden und Torheiten, vor Aberglauben und anderen wirklichen Uebeln bewahren, baten sie nur um Schutz gegen böse Geister und Hexen oder gegen solche Uebel, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden waren. Anstatt daß sie andächtig und von Herzen hätten beten sollen, plapperten sie nur mit dem Munde und meinten dabei totsicher, die bloßen Worte hätten schon die Kraft, alles Böse wegzutreiben. Und anstatt daß sie sich beim Bekreuzen an Jesum den Gekreuzigten erinnert, sich durch ihn getröstet und ermuntert hätten, ihm ähnlich zu werden, glaubten sie vielmehr, das Kreuz, das sie mit der Hand gemacht hatten, könne schon viel Gutes bewirken und sie auch gegen alle Zauberei und Hexerei beschützen. Deswegen machten sie an alles, was sie hatten, drei Kreuze und zwar nicht allein auf den Brotteig, sondern auch an alle Türen, ja sogar an die Krippen in den Ställen. Wenn sie ein Stück Vieh gekauft hatten und es in ihren Stall einführen wollten, so legten sie erst ein Dreikreuzmesser auf die Türschwelle. Wenn eine Kuh ein Kalb bekam, so durfte unter neun Tagen nichts aus dem Hause verborgt werden, wenn auch der beste Freund gekommen wäre und der größte Verdruß hätte entstehen können. Kurz: Bei ihrem ganzen Hauswesen hielten sie das für die Hauptsache: Menschen und Vieh gegen Zauberei zu verwahren. Alles übrige, so meinten sie, wären nur Kleinigkeiten und Nebensächlichkeiten. Wenn sie nun das Ihrige getan oder besser gesagt ihre abergläubischen Gebräuche peinlich beobachtet hatten und dann doch sehen mußten, daß eine Kuh nicht viel oder keine gute oder überhaupt keine Milch gab, so suchten sie die Ursache hievon nicht etwa in der natürlichen Beschaffenheit des Viehes oder in der mangelhaften Wartung und fehlerhaften Fütterung oder in der unzureichenden Anlage des Stalles und in dergleichen Dingen, sondern ihr erstes und letztes Wort war allemal dieses: »Die Kuh muß behext sein.« Sie meinten also, sie müßten die Kunst, sich und ihr Vieh gegen böse Geister und Hexen zu verwahren, doch wohl nicht recht verstehen.

Je weniger indes die einfältigen Bewohner von Finsterthal durch ihre eigenen abergläubischen Gebräuche etwas Gutes hervorzubringen oder etwas Böses zu vertreiben imstande waren, desto froher waren sie, wenn ihnen sonst jemand, womöglich Fremde, für Geld und gute Worte auf ähnliche Weise Hilfe zu bringen versprach. Und solche gottlose Leute fanden sich nun bei diesen Finsterthalern auch in Menge ein, welche ihnen bei ihren abergläubischen Geschäften mit »Rat und Tat« an die Hand gingen und ihre Torheit sich trefflich zu Nutze zu machen wußten. Diese dachten sich: im Trüben ist gut fischen, und bei solchen Leuten kann man doch noch etwas verdienen. Fast täglich gingen gewisse Weiber im Dorfe herum, welche Kräuter und Wurzeln feil boten, die man den Kühen geben sollte, wenn sie ein Kalb bekommen hätten. Sie schwuren darauf, daß jeder Kuh, die von diesen Kräutern etwas bekäme, die Hexen das ganze Jahr über nichts anhaben könnten. Die Männer, welche Arzneien im Dorfe herumtrugen, lösten besonders viel Geld ein, zumal wenn sie Zettel bei sich hatten, auf welchen es gedruckt zu lesen war, daß von diesen Arzneien die Kühe viele und gute Milch gäben und durch dieselben von aller Zauberei befreit werden würden.

Was aber den Finsterthalern noch besonders lieb war, das war dieses: daß sich ein Arzt, oder wie sie sagten, ein Doktor bei ihnen niederlassen wollte. Dieser kam aus einer fremden Gegend, teilte gedruckte Blätter im Dorfe aus und rühmte sich darin, daß er mit Gottes Hilfe alle Leibesschäden heilen und alle Krankheiten vertreiben könne, sie möchten Namen haben, wie sie wollten. Es war aber alles erlogen, was dieser Wundarzt zu können vorgab. Eben weil er von der Arzneikunst nichts gründlich verstand und dazu noch ein leerer Schwätzer war, so wollte sich ihm in seinem Vaterlande kein Kranker anvertrauen. Er hatte auch gar keine Lust, noch etwas zu lernen. Darum reiste er mit seiner Frau und einem Hannswurst von einem Dorfe zum andern, nicht um die kranken Leute gesund zu machen, sondern um ihnen durch seine Großsprechereien das Geld abzulocken. Bei uns würde er wohl wenig eingeheimst haben. In Finsterthal aber war er den einfältigen Bewohnern höchst willkommen. Da erhielt er Geld genug.

Den ersten Abend mußte der Hannswurst zuerst auf das Theater und dann auch hinter dem Tisch seine Streiche und Künste machen. Es kamen so viele Zuschauer, daß manche von außen durch die Fenster hineinsehen mußten. Alles, was der Hannswurst machte, ging freilich, wie leicht zu denken ist, natürlich zu. Aber seine Künste waren alle schon darauf eingerichtet, die Augen der Zuschauer zu betrügen. Der Spieler war in seinen nichtswürdigen Künsten auch so geübt, daß selbst die klügsten Finsterthaler nicht imstande waren, den Betrug zu bemerken. So legte er z. B. einen Brief auf den Tisch, ließ sich ein Stück Silbergeld geben und sagte: »Geben Sie acht, meine Herren! Dies Geld will ich hier auf dem Tische ohne Feuer in diesem Papiere zerschmelzen.« Nun legte er den Brief zusammen, schlug mit einem Zauberstöckchen darauf, murmelte Hokuspokus und einige andere unverständliche Worte dazu und als er den Brief wieder öffnete, sahen alle, daß das Geld geschmolzen und ganz flüssig war. Er bog dann den Brief wieder zusammen, machte es ebenso, wie vorhin, und als er ihn wieder öffnete, war das Geld wieder da und wieder ebenso, wie er es zuvor in den Brief gelegt hatte. Es war ein doppelter Brief: Der eine Teil wurde unterwärts, der andere oberwärts gebogen. In dem einen Teil befand sich etwas Quecksilber; in den andern Teil aber wurde das Geldstück gelegt. Nun drehte der Taschenspieler den Brief in der Geschwindigkeit herum und zeigte den Leuten einmal das Quecksilber, das andermal das Geldstück. Und mit seinen übrigen Kunststücken hatte es eine ähnliche Bewandtnis. Wären nun die Zuschauer verständige Leute gewesen, so würden sie alle diese Gaukeleien für natürlich gehalten haben, wenn sie auch den Grund davon nicht jedesmal sogleich eingesehen hätten. Denn man weiß ja, daß es außer solch betrügerischen Spielern auch in der Natur sehr viele Dinge und Erscheinungen gibt, die sehr wunderbar und den Menschen unbegreiflich sind. Was für bewunderungswürdige Kunststücke können nicht mit dem Magnet und mit gewissen Spiegeln und Gläsern gemacht werden! Davon wußten aber die Finsterthaler nichts! Alles, was sie nicht begreifen konnten, hielten sie für Zauberei. Mit welchem Erstaunen sie nun die Künste dieses Taschenspielers angesehen haben, kann man sich leicht vorstellen. Kein Stückchen wurde gemacht, ohne daß nicht einer dem andern seine Verwunderung durch einen Seitenstoß zu erkennen gab oder ihm ins Ohr flüsterte: »Das geht nimmermehr ordentlich und mit rechten Dingen zu; der Mensch kann mehr als unser einer!« Indessen ging die Frau des Doktors fleißig unter den Zuschauern herum und sammelte einige Teller voll Geld ein. Dem Taschenspieler gefiel das schöne Geld sehr wohl und er erbot sich sehr gerne, den folgenden Abend wiederum zu spielen.

Auch der Doktor freute sich über den reichlichen Gewinn seines Hannswurstes sehr und zweifelte nun nicht mehr, daß auch er an diesem Orte noch ein hübsches Stück Geld verdienen werde.

Am folgenden Tage kamen auch wirklich allerhand Patienten zu ihm. Zuerst kam eine große Anzahl Weiber mit kleinen Kindern, welche die »zehrenden Dinger« haben sollten. Wenn nämlich die kleinen Kinder kränklich sind und abzehren, ohne daß man recht weiß, was ihnen fehlt, dann sagen abergläubische Leute – und natürlich die Finsterthaler erst recht –, sie hätten die zehrenden Dinger und das wären gewisse Würmchen mit schwarzen Köpfen, die man bisweilen in der Haut gewahr würde, die aber auch inwendig im Körper, ja sogar im Kopfe stecken könnten. Das letztere war wohl bei allen Finsterthalern der Fall! Diese zehrenden Dinger sollen den kleinen Kindern von bösen Leuten angemacht oder angehext werden. Verständige Aerzte aber versichern, daß diese sogenannten wilden oder zehrenden Dinger nichts Gefährliches sind; und das, was man in der Haut für Würmchen ansehe, sei nichts anderes als eine Folge von Unreinlichkeit. Dieses Uebel soll vornehmlich daher kommen, wenn die Kinder nicht oft genug gewaschen und gebadet werden. Die Finsterthaler Weiblein pflegen nun ihre Kinder eben gar selten und höchstens nur im Gesicht um die Nase herum zu waschen; darum werden sie so sehr von den wilden Dingern oder vielmehr von Schmutz und Unreinigkeit geplagt. Die Finsterthaler Mütter wußten freilich auch selbst schon, wie man diese zehrenden Dinger vertreiben könnte. Sie gingen nämlich dreimal nacheinander an einem Dienstag oder an einem Freitag in einen Garten, holten stillschweigend neunerlei Holz und hingen es den kranken Kindern an. Auch jetzt hatten die Weiblein dieses Mittelchen schon angewendet; es hatte aber leider nichts, rein gar nichts helfen wollen. Darum nahmen sie nun ihre Zuflucht zu dem neuen Doktor. Dieser Marktschreier gab ihnen natürlich zu seinem Vorteil sogleich recht und sagte ihnen, daß nicht sie schuld seien, sondern daß andere böse Leute diese Krankheit ihren Kindern durch Hexerei verursacht hätten. Und weil er natürlich auch für diese Krankheit ein sehr kostbares Sälbchen bei sich hatte, so gab er einer jeden Frau etwas davon und befahl ihnen angelegentlich, die Kinder damit fleißig einzuschmieren und sie ja nicht über ein fließendes Wasser zu tragen. Und so wurden also die Kinder eingeschmiert und die Frauen ausgeschmiert.

Da die Weiber von dem Doktor abgefertigt waren, so kamen auch einige Männer, welche von dem kalten Fieber kuriert werden wollten. »Da muß etwas verschrieben werden,« sagte der Doktor. Er nahm also zwei Zettelchen, schrieb einige unbekannte Figuren und Wörter darauf, bog sie zusammen und hing sie ihnen vermittelst eines Fadens um den Hals. So oft nun das Fieber wieder käme, sollten sie die Zettelchen recht fest an die Brust drücken und nach neun Tagen dieselben rückwärts in ein fließendes Wasser werfen; dann würden sie fortfließen und das Fieber mitnehmen. Bei dem einen Manne hörte das Fieber wirklich auf, weil er sich's so fest einbildete, es müßte aufhören, oder auch weil er sich ein solches einbildete und in Wirklichkeit gar keines hatte! Bei dem andern aber verlor sich das Fieber nicht eher, als bis er noch zu einem ordentlichen Arzte gegangen war; dieser wurde nun aber auch desto gesünder, weil ihm der richtige Arzt ein Brechmittel verschrieben und damit seinen schlechten Magen wieder ganz eingerichtet hat. Jener hingegen, den nur der Wunderarzt kuriert hatte, blieb immer noch schwächlich und krank, weil sein Magen nicht besser wurde. Nach einem halben Jahre bekam er erst recht ein hitziges Fieber. In dieser gefährlichen Krankheit brauchte er nun wieder einen geschickten Arzt, und es hätte ihm vielleicht auch wieder geholfen werden können, wenn nicht ein großer abergläubischer Schrecken dazu gekommen wäre, indem sich eine Eule oder ein sogenannter Sterbekauz vor seinem Fenster hören ließ. Ihr wißt, daß diese Vögel des Nachts gern nach dem Schein des Lichtes fliegen. Da nun in der Mitternacht im ganzen Dorfe kein Licht brannte, als in der Stube dieses Kranken, so flog eben die Eule gerade nach seinem Fenster; sobald sie sich da hören ließ, glaubte der Kranke, nun müßte er gewiß sterben; und seit diesem Augenblick verschlimmerte sich auch seine Krankheit so sehr, daß er hernach wirklich daran sterben mußte.

Jetzt wurde der Doktor zu einem anderen Manne gerufen, welcher schon ziemlich lange krank gelegen war. Er hatte große Leibschmerzen. Der Stadtarzt, den der Mann bisher gebraucht hatte, hielt diese Krankheit für ungefährlich; und es schien auch, als ob seine Arzneien jetzt anschlagen wollten. Manchmal kam es dem Kranken vor, als wenn etwas Lebendiges in seinen Eingeweiden wäre. Sobald diese Vermutung des Kranken der Finsterthaler Kurpfuscher vernommen hatte, ging er zu dem Patienten, untersuchte ihn und sprach:

»Ja, ja, mit euerer Krankheit ist es sehr schlimm. Und wenn ihr da noch zehn Aerzte aus der Stadt kommen ließet, so könnten sie euch doch nicht helfen. Ihr müßt es ja selbst fühlen, daß entweder Frösche oder Mäuse in euerem Leibe sind. Und die sind euch hineingehext worden. Aber diese Kanaille, die euch dieses Uebel angemacht hat, muß es euch auch wieder abnehmen, wenn sie recht angegriffen wird. Dazu wird nun freilich manches erforderlich sein, nämlich ein Pulver, womit geräuchert, und ein gewisser Balsam, womit der Leib eingeschmiert wird. Ich habe beides bei mir und schon manchem damit geholfen, dem kein Doktor hat helfen können.«

»Was soll ich euch dann geben, Herr Doktor,« fragte der Kranke voll der Hoffnung, »wenn Ihr mir auch helft?«

»Zwölf Taler,« antwortete der Doktor, »und wenn ihr mir die Hälfte davon sogleich gebt, dann soll die Hexe, die euch die Tierchen in den Leib gesetzt hat, noch diesen Abend vor euerem Fenster tanzen und mir versprechen, daß sie euch die Krankheit binnen neun Tagen wieder abnehmen will.«

Der arme Kranke hatte nun nicht einmal einen einzigen Taler im Hause; aber seine Leute gingen sogleich zu einem guten Freund und borgten das Geld, damit dem kranken Manne oder vielmehr dem Doktor geholfen würde.

Wie gings denn aber, als der Abend kam? Da wird doch der Doktor sein Versprechen haben erfüllen müssen? Allerdings! Er räucherte, was er nur konnte und wußte! Die Leute, die in der Stube waren, guckten immer durch die Fensterscheiben hinaus, um zu sehen, ob denn die berüchtigte Hexe bald käme. Endlich kam sie! Sie sprang wütend rund um das Haus herum und tat so jämmerlich, als wenn sie vor lauter Schmerzen nicht zu bleiben oder zu stehen wüßte. Je kläglicher aber sie tat, desto mehr räucherte der Arzt, bis sie endlich gar vors Fenster kam und ihm versprach, daß sie gerne dem Manne das Uebel binnen neun Tagen wieder abnehmen wollte, wenn er nur mit dem Räuchern nachließe und sie nicht mehr so quälte. Damit war denn der Doktor und alle Leute im Hause sehr wohl zufrieden und das Räuchern wurde sofort eingestellt. Wißt ihr aber, welches die vermeintliche Hexe war? Es war des Doktors eigene Frau, die sich so verstellen mußte! Der abergläubische Patient aber, der noch nicht wußte, daß es keine Hexen gibt, glaubte wirklich, es sei eine dagewesen und er werde nun gewiß von seiner Krankheit bald befreit werden. Er war auch wirklich an demselben Abend viel munterer als sonst, er fühlte weniger Schmerzen, er hatte in der darauffolgenden Nacht einen ruhigeren Schlaf und befand sich auch am andern Tag noch ziemlich wohl. Entweder hatte also die vorige Arznei des Stadtarztes noch so gute Wirkung getan oder die Besserung kam daher, weil sich der Mann so gute Hoffnung machte und weil durch das Räuchern auch die Luft in der Stube etwas besser geworden war. Wer weiß denn, wie lange man keine frische Luft mehr in diese Krankenstube gelassen hatte. Und an das so nützliche Räuchern mit Wacholderbeeren hatten diese Leute vermutlich auch noch nicht gedacht. Es war also ganz und gar natürlich, daß der kranke Mann jetzt einige Erleichterung verspürte. Aber davon konnte er doch nicht gesund werden. Die Krankheit war zu hartnäckig, die Hoffnung des Patienten war falsch; die guten und heilsamen Arzneien hatte er zum Fenster hinausgeschüttet; und der Wunderbalsam, mit welchem er seinen Leib einschmierte, hatte keine Kraft. Nach einigen Tagen wurde also der Mann wieder kränker und den zehnten Tag nach dem Räuchern starb er – vor Angst und Schrecken. Es wurde ihm sein Leib geöffnet und es fand sich in seinen Eingeweiden nichts, weder Frösche noch Mäuse.

So wurden nun viele Kranke von diesem Doktor betrogen oder gar zu Tode kuriert. Er aber wußte sich allemal herauszuhelfen und die leichtgläubigen Leute zu bereden, daß er die Schuld nicht habe, sondern, daß sie selbst etwas übersehen haben müßten. Und er hatte sich schon einen ganzen Beutel voll Geld gesammelt, ehe noch jemand an seiner Kunst zu zweifeln anfing. Manche seiner Patienten waren auch zufälliger Weise unter seiner Behandlung wieder gesund geworden. Diese lobten ihn und wünschten, daß es diesem Ehrenmanne doch gefallen möchte, bei ihnen zu bleiben. Der Doktor selbst glaubte auch keinen besseren Ort für seine Zwecke finden zu können als dieses Finsterthal. Er erkundigte sich also bei seinem Wirte, ob nicht ein Haus im Dorfe feil sei, das für ihn passend sei.

»Ein Haus ist zwar feil«, sprach der Wirt, »aber ich kann dem Herrn Doktor nicht raten, es zu kaufen. Dort steht es am Ende des Dorfes, es ist eines der schönsten und besten Häuser, aber es soll nicht geheuer, nicht sicher darin sein; es sollen sich Gespenster darin sehen haben lassen; und das ist auch die Ursache, warum es seit einigen Jahren leer steht und keinen Käufer bis jetzt finden konnte, obgleich es sehr wohlfeil sei und billig verkauft werden würde.«

»An Gespenster habe ich auch schon gedacht«, sagte ganz selbstverständlich der Doktor, »in dem Haus muß irgend ein Geist sein, sonst könnte ein so hübsches Häuschen nicht leer stehen. Sagt, lieber Wirt! Wißt Ihr etwa Näheres über den Spuk in diesem Hause?«

»Hexen und Unholde, Geister und Gespenster aller Art«, erwiderte der Hauswirt und machte dabei ein sehr nachdenkliches Gesicht, »fahren, kommen und gehen durch die engen Gitter und Löcher dieses Hauses.«

Der Doktor sah etwas zur Seite und machte sich am Fenster etwas zu schaffen; denn er mußte über diesen abergläubischen Menschen unwillkürlich lachen und dachte dabei:

»Einfaltspinsel, eine Hexe kann zwar durch kein Gitter fahren, so wenig ein Kamel durch ein Nadelöhr geht; aber ich werde die Sache gründlich ausnützen.«

Dann wandte er sich wieder an seinen Hauswirt und sprach in allem Ernste weiter:

»Die Löcher und die Gitter, lieber Wirt, die werde ich sofort vermauern lassen; dann kann keine Hexe mehr hinein.«

»Das hilft gar nichts, Herr Doktor«, unterbrach geschäftig der Wirt, »das gleiche tat bereits der letzte Besitzer; die Gespenster und die Hexen kamen aber trotzdem; denn der Teufel räumte jedesmal die Steine aus den zugemauerten Stellen weg und schloß dann die Löcher schnell wieder zu. Das Haus ist eben einmal verhext.«

»Den Geist oder die Hexe oder was sonst für ein Gespenst in diesem Hause spukt, das kann ich hoffentlich bannen,« sprach lächelnd der Doktor.

»Seien Sie ja vorsichtig, Herr Doktor,« so warnte der biedere Hauswirt nochmals allen Ernstes, »dem letzten Besitzer kostete dieses Haus das Leben! Zuerst hatte ihm die Hexe die Glieder gelähmt und ihn ums Augenlicht gebracht; bald darauf bekam er plötzlich so furchtbare Magenschmerzen, daß er in wenigen Stunden verstarb. Bei der Oeffnung der Leiche fand man in seinem Magen Nadeln, Haare, Bürsten, Nägel und dergleichen Dinge; das alles hatte ihm die böse Hexe hineingezaubert.«

Der Doktor mußte abermals das Lachen halten, sagte aber in voller Selbstbeherrschung und mit ernster Miene:

»Seid ohne Sorge und kümmert euch nicht um mich; ich fürchte mich nicht; ich werde trotzdem das Haus kaufen.« »Und«, das dachte er nur mehr, »mit diesem Hause und mit euch Finsterthalern um so bessere Geschäfte machen!«

All diese Mitteilungen waren dem listigen und verschlagenen Doktor so recht nach seinem Wunsche. Er kaufte das schöne Haus und bekam es für ein wahres Spottgeld. Ohne jede Furcht zog er mit seiner Frau und seinem Hannswursten hinein. Die Finsterthaler staunten darob gewaltig, glaubten aber alle, daß der Doktor, wenn er erst den Geist bemerken werde, seinen Kauf bitter und dann zu spät bereuen werde. Zu ihrer Verwunderung aber vergingen mehrere Wochen, ohne daß sich der Doktor über etwas in dem Hause beschwert hätte. Sie fragten ihn also, ob er denn noch nichts in seinem Hause bemerkt oder gar gesehen habe.

»Jawohl«, antwortete der schlaue Doktor, »in der ersten Woche kam alle Nacht ein Geist und wollte mich necken. Aber ich ging gleich zu einem Mönch, ließ den Geist bannen und ihn in jenen Wald dorthin tragen; dort mag er nun gehen und machen, was und so lange er will. Es hat mich die Sache freilich viel Geld gekostet, aber nun habe ich auch meine Ruhe davor. Ich muß eben dabei auch das in Rechnung ziehen, daß ich das Haus desto wohlfeiler erstanden habe.«

Kaum hatte dieses ein gewisser Mann im Dorfe gehört, so kam er sogleich zum Doktor gelaufen und sagte, er wolle auch gern von einem Geiste befreit werden. Dieser Mann bildete sich auch einen Geist ein; denn seines Nachbars Licht hatte des Nachts einigemal aus dem Kellerloch herüber in sein Haus geschimmert und diesen Schimmer und seinen eigenen Schatten hatte dieser dumme Mensch in seiner Angst für ein feueriges und schwarzes Gespenst angesehen. Er bat also den Doktor flehentlich, er möge ihm doch sagen, wo der Mönch wohne, der die Gespenster wegschaffen könne. Er habe leider auch ein solches in seinem Hause, das ihn schon einige Male erschreckt habe, und dieses wollte er gerne wegtragen lassen.

»Ja, ja,« sagte dazu der Doktor, »das wollt ich Euch wohl gerne sagen, wenn ich könnte; aber der Mönch hat mir's streng verboten. Wenn Euch aber soviel daran gelegen ist und Ihr etliche zwanzig Taler aufzuwenden gedenkt, so will ich dafür sorgen, daß der Mönch morgen abends zu Euch herkommt und Euch Eueren Wunsch erfüllt.«

Das war dem Manne natürlich desto lieber. Er gab dem Doktor das verlangte Geld und dieser bewerkstelligte nun die ganze Sache. Sein Hannswurst mußte eine Mönchskutte anziehen, sich des Nachts in der zwölften Stunde in das Haus des abergläubischen Mannes verfügen und den Geist zitieren. Damit ihm nun seine Kunst nicht fehl schlagen möchte, so schlich sich der Herr Doktor heimlicher Weise auch mit in das Haus und versteckte sich in einer Ecke. Als nun der vermeintliche Mönch oder der Hannswurst seine Geisterbeschwörung vollendet hatte, kam das alte Gespenst aus einer Ecke hervorgekrochen, ließ sich aufhocken und zum Hause hinaustragen.

So schändlich auch dieser Mann betrogen war, so war er doch im Herzen froh, seines Gespenstes los zu sein und bereute es keineswegs, daß er seine beste Kuh verkauft und das Geld für die Wegschaffung dieses Gespenstes verwendet hatte. Er hatte es ja selbst zum Hause hinaustragen sehen und war also fest überzeugt, daß es nun wirklich fort sei; denn was die Augen sehen, – so pflegte er zu sagen, – das glaubt auch das Herz.

Die Betrüger aber lachten ihn im geheimen tüchtig aus und freuten sich über ihren schändlichen Gewinn; und weil ihnen diese erste Probe so gut gelungen war, so suchten sie dergleichen Stückchen mehr zu spielen. Wo auch die Leute bisher noch nichts von Gespenstern gespürt hatten, da wußte es der Herr Doktor schon so zu veranstalten, daß sich welche sehen ließen, damit sein Hannswurst in seiner Mönchskutte doch etwas wegzutragen bekäme und damit viel Geld verdienen könnte.

Da die Leute in Finsterthal durch die Vermittlung dieses Doktors nach ihrer Meinung von so manchem Gespenste befreit worden waren, so erkundigten sich ein Mal einige Nachbarn bei ihm, was es denn wohl mit dem Alp für eine Bewandtnis habe und ob der Mönch nicht auch diesen wegschaffen könnte. Gerne hätte der Doktor auch von diesem Aberglauben einen Profit gemacht. Weil er aber nicht wußte, wie er es anfangen sollte, so fand er es für gut, diesmal die Wahrheit zu sagen.

»Vor dem Alp«, sagte er, »braucht ihr euch eben nicht zu fürchten; denn es gibt keinen. Und wenn ihr wirklich meint, er drücke euch, so ist es nur das Geblüt, welches euch im Schlafe nach der Brust läuft und euch da drückt und ängstigt. Diejenigen werden leicht von diesem vermeintlichen Alp oder vielmehr von ihrem eigenen Geblüt gedrückt, welche vollblütig sind, welche im Schlafe auf dem Rücken und mit dem Kopfe zu tief liegen oder die kurz vor dem Schlafengehen ihren Magen mit Speisen zu sehr beschwert haben.«

Einer von diesen Bauern wollte dem Doktor die Einwendung machen, daß er selbst einmal den Alp nach seinem Bette herkommen gesehen habe; der andere aber meinte gar, er habe ihn einmal in den Händen gehabt. Der Doktor aber fertigte sie sehr kurz ab und sagte:

»Das sind lauter ängstliche Träume und Einbildungen gewesen, die euch im Schlafe dazu gekommen sind. Das muß ich besser verstehen als ihr.«

Wahrscheinlich war der Doktor diesmal unter anderm auch deswegen so aufrichtig, damit er diese Leute ein andermal wieder desto leichter betrügen könnte.

Man könnte noch vieles von den schändlichen Betrügereien dieses gewissenlosen Doktors erzählen, z. B. davon, wie er die Diebe in seinem Obstgärtchen gebannt oder stehend gemacht hat. Aus dem aber, was wir bisher von diesem durchtriebenen Menschen gehört haben, läßt sich schon schließen, wie es mit dem Bannen und anderen ähnlichen Stücken zugegangen ist und noch zugeht.

Dergleichen Betrüger, wie der Doktor einer war, fanden sich noch gar viele in und um Finsterthal ein. So gefiel es auch den Zigeunern da ganz besonders gut. Diese kamen alle Jahre einigemal in diese Gegend und hatten in der Nähe des Dorfes ihre Hauptniederlage. Obgleich die Finsterthaler Leute eine gewisse Furcht vor den Zigeunern hatten, weil sie so schwarz aussahen und aus Aegypten oder aus Ostindien stammen sollten, so sahen sie diese Landstreicher doch auch recht gern, weil sie ihnen so manches Mittelchen gegen Zauberei und Hexerei bekannt machten und den Jungfern und Junggesellen so vielerlei Gutes wahrsagten. Ob es eintreffen werde, das konnten die Zigeuner freilich nicht wissen; aber das konnten sie doch wohl voraussehen, daß sie allemal ein größeres Stück Speck oder mehr Mehl und mehr Eier bekommen würden, wenn sie Gutes, als wenn sie Böses prophezeiten. Deswegen schwatzten sie diesen Leuten allerlei Dinge vor, die sie gerne hörten, und baten sich zugleich dasjenige von ihnen aus, was sie sich am meisten wünschten. Wo aber gute und schöne Worte nichts helfen wollten, da prophezeiten sie desto mehr Böses und wünschten Menschen und Vieh Hexen, Gespenster und alles Unglück auf den Hals. Und nun glaubten diese einfältigen Leute, weil es die Zigeuner gesagt und gewünscht hätten, so müßte es wahr sein und könnte nur zu leicht eintreffen; sie gingen also in ihrer Angst hin und holten ihnen alles, was sie zum Leben brauchten. Daher konnten die Zigeuner bei ihrem Feuer die besten und feinsten Leckerbissen sieden und braten, während manch dummer Finsterthaler, der sich von ihnen hatte wahrsagen lassen, seine Suppe ungeschmalzen essen mußte.

Immer konnten die Zigeuner freilich nicht bei diesem Dorfe liegen bleiben; sie mußten weiter und zusehen, ob nicht auch in anderen Dörfern noch solche Narren wohnten, die sich gerne wahrsagen oder etwas gegen Zauberei und Hexerei verordnen ließen.

Wenn die Zigeuner weggezogen waren, so waren die Finsterthaler darum noch lange nicht ganz verlassen. Ihre Begierde, zukünftige und verborgene Dinge zu ergründen und zu wissen, war im Lande weit und breit bekannt: Darum fanden sich noch allerhand zweifelhafte Subjekte ein, welche ihnen die Zukunft zu offenbaren versprachen, die doch eigentlich kein Mensch, sondern nur Gott allein wissen kann. Manche dieser Leute wahrsagten ihnen aus den Händen und aus dem Gesichte, manche aus der Kaffeetasse oder aus den Sternen, manche schlugen ihnen dazu auch noch die Karten. Da erfuhren denn die Finsterthaler, was für Glück oder Unglück ihnen noch bevorstehe, ja sogar, wie lange sie noch leben würden und in welchem Jahre der jüngste Tag kommen werde. Ja, sie warteten nicht einmal immer, bis diese Betrüger zu ihnen kamen, sondern sie gingen ihnen mit ihrem guten Gelde sogar oft stundenweit entgegen. Wenn ihnen nämlich etwas gestohlen wurde, so gingen sie zu einem Zigeuner oder zu einem Fallmeister und ließen sich um teueres Geld von ihm sagen, wer der rechte Dieb sei. Sie glaubten wirklich, der weise Mann habe so etwas, etwa einen Erdspiegel oder doch ein anderes unmögliches Ding, woraus er sehen könne, wer der Dieb sei und wohin er die gestohlenen Sachen gebracht habe. Sie glaubten auch, er könne dem Diebe ein Zeichen antun oder ihn so bremsen, daß er das Gestohlene wieder bringen müßte. Obgleich sie nun schon sehr oft von solchen weisen Männern greulich belogen und betrogen worden waren, so ließen sie sich in ihrem verwerflichen Aberglauben keineswegs irre machen. Was der Dieb mitgenommen hatte. das büßten sie ungern ein. Den Gulden aber, den sie dem weisen Manne für seine Hilfe mitbringen mußten, den gaben sie mit Vergnügen her, und wenn es auch der einzige war, den ihnen der Dieb noch zurückgelassen hatte. Nur das war ihnen nicht lieb, wenn sie hinterdrein dem Amtmanne noch ein paar Taler bringen sollten. Nach dem Geschwätz, welches der weise Mann gemacht hatte, glaubte nämlich mancher, er könne nun schon vermuten, wer der Dieb gewesen sei. Wenn er nun nach Hause kam, so sagte er den Leuten seine Meinung oder setzte auch wohl gar denjenigen zur Rede, auf den er Verdacht hatte. Wenn nun dieser Mensch doch unschuldig gewesen ist, so sollte ihn eine solche Beschuldigung oder eine so schlimme Nachrede nicht geschmerzt haben? Der Mensch wollte sich nicht zu einem Diebe machen lassen; er ging also vors Gericht; und der andere, der ihn dank des Rates des weisen Mannes verleumdet hatte, mußte für seine Beschuldigung noch ein paar Taler Strafe zahlen. Da kamen denn die Finsterthaler durch ihren einfältigen Aberglauben immer mehr herunter und immer tiefer ins Elend hinein: die meisten wurden zusehends ärmer. Wer nicht sehr viel Vermögen hatte und neben dem abergläubischen Zeug auch noch andere gute Mittel fleißig gebrauchte, welche das, was der Aberglaube verdorben oder weggenommen hatte, wieder einigermaßen verbesserten oder ersetzten, der geriet nach und nach in tiefste Not und in größte Armut. Es war z. B. kein Nachbar in Finsterthal, der nicht einen oder mehrere Taler aufwendete, um sich einen Lappen von einem Gehenkten zu verschaffen, damit er damit seine Pferde streichen könnte, auf daß sie schön, fett und glänzend würden. Diejenigen nun, die sich ganz auf die Kraft dieses Lappens verließen und weiter nicht viel an den Pferden taten, als daß sie dieselben täglich damit bestrichen – das war freilich gut, hätte aber ebenso auch mit einem anderen Lappen geschehen können –, mußten gar bald sehen, daß ihre Pferde gleichwohl immer elender wurden und oft auch krepierten. Die andern aber, die ihre Pferde neben diesem abergläubischen Mittel auch gut und ordentlich fütterten, sie zur rechten Zeit tränkten, sie von Staub und anderen Unreinigkeiten befreiten und sie bei der Arbeit nicht überluden und überanstrengten, diese brachten es freilich dahin, daß ihre Pferde stark und fett wurden und daß sie jenen Taler, den sie gleichsam zum Fenster hinaus geworfen hatten, durch ihren Fleiß wieder verdienten. Diese letzteren nun, die bei ihrem Aberglauben doch noch fleißige Arbeiter und ordentliche Hausväter waren, konnten freilich noch vermögende Leute bleiben und sich auch eher etwas zu gute tun als jene Faulen und Liederlichen.

Indes hielt man diejenigen, welche noch mehr als andere Vermögen hatten, deren Pferde noch gut aussahen und die von ihren Kühen viel Milch und Butter bekamen, für Hexen und Hexenmeister. Das mußten sie sein, sie mochten wollen oder nicht.

»Denn woher können sie es denn haben?« sagte Hanns, da einst in einer gewissen Gesellschaft das Gespräch auf diese Leute kam. »Wer weiß, was sie machen, daß ihre Pferde so glänzen und sie so viele Butter verkaufen können! Ich und meine Frau haben solche Künste nicht gelernt und wollen sie auch nicht lernen.«

»Dieser Meinung bin ich auch,« versetzte Michel. »Habt Ihr denn gesehen, was gestern abends in Euerer Nachbarschaft auf einmal für ein Feuer war? Das war ja ein Höllenspektakel! Eurer alten Nachbarin habe ich schon lange nicht getraut, weil sie mir um die Augen her immer so rot ausgesehen hat. Im vorigen Jahr hatte sich meine Frau einmal mit ihr gezankt und den Tag darauf brach meine Kuh ein Bein.«

»Ja! ja!« sagte Hanns, »die wird es auch sein, die mich um mein Pferd gebracht hat. Sie hat mir auch oft nachgesehen, wenn ich in den Stall gegangen bin und mein Vieh füttern wollte. Einmal wollte sie gar einen Rechen bei mir borgen.«

Diese Reden hörten mehrere mit an. Sie wurden weiter erzählt und alle Leute im Dorfe schöpften daraus einen großen Argwohn gegen die alte Frau, die sich doch ebensosehr vor allen bösen Leuten fürchtete und wohl noch mehr Kreuze an ihren Türen, Ställen und Krippen gemacht hatte als Hanns und Michel. Endlich wurde es ihr selbst gesagt, daß Hanns und Michel so übel von ihr gesprochen und daß man sie deswegen im ganzen Dorfe in einem so schlimmen Verdachte habe. Die arme Frau erschrak über diese unheilvolle Nachricht ganz furchtbar, es kränkte und schmerzte sie so sehr, daß sie die bittersten Tränen darüber weinte und tagelang vor Kummer weder essen noch schlafen konnte. Dann aber wurde sie so aufgebracht über Hannsen, daß sie hinüber in sein Haus lief und ihm ihre Meinung in sehr derben Worten sagte. Sie nannte ihn einen faulen und liederlichen Kerl, einen Tagdieb und einen Taugenichts. Hanns aber schimpfte sie eine alte Hexe, packte sie beim Kopf und an den Haaren und warf sie zur Tür hinaus. Nun kam die Sache vors Amt; es entstand ein langer Prozeß und Hanns mußte hohe Unkosten und große Strafe zahlen. Als er beim letzten Termin sein Strafgeld und die Unkosten bezahlt hatte und aus der Stadt nach Hause gehen wollte, winkte ihm der Torschreiber und sagte:

»Nun, Hanns, wie ist die Sache abgelaufen?«

»Nicht gut für mich,« antwortete Hanns kleinlaut, »das Pferd war erst verloren und blieb verloren, aber nun habe ich das Fohlen auch noch verkaufen und das Geld dafür dem Amtmann bringen müssen.«

»Ei! ei!« sprach da der Torschreiber und grinste schadenfroh und pfiffig zugleich, »Ihr seid wirklich zu bedauern! Ihr hättet aber auch nicht gleich von bösen Leuten und von Hexen sprechen und diesen die Schuld geben sollen. Ich wollte wohl besser wissen, was Euch um euere Pferde gebracht hat. Die Pferde stehen Euch nicht im Stalle und dafür muß ein Mittel gebraucht werden.«

»Was braucht man denn da?« fragte Hanns.

»Ihr müßt,« antwortete der Torschreiber, »ein lebendiges Pferd vor der Stalltür begraben.«

»Aber,« sagte Hanns betroffen, »ich habe ja nur noch ein einziges Pferd und auch kein Geld, daß ich mir hernach wieder andere Pferde kaufen könnte!«

»Nun, so begrabt dies eine,« versetzte spöttisch der Torschreiber, »so wißt Ihr hernach gewiß, daß Euch keines wieder krepieren kann!«

Hanns merkte nun, daß der Torschreiber ihn arg verspottete und wollte fortlaufen. Der Torschreiber aber rief ihn wieder zurück und fuhr in seinem Spotte fort:

»Wenn Euch das Mittelchen mit dem Pferde nicht taugt, so will ich Euch ein anderes sagen, das so recht probat gegen die Hexerei ist. Ihr müßt drei junge Hunde nehmen, die die Augen noch nicht offen haben, und müßt sie unter der Schwelle eueres Stalles bei Vollmond begraben; sie dürfen aber ja nicht mit bloßen Händen angefaßt werden!«

»Ach! das habe ich schon lange getan,« erwiderte Hanns, »und wer weiß, woher die Leute in der Stadt dies Mittelchen erst gelernt haben? Ob es schließlich nicht auch von uns herrührt?«

Der Torschreiber wollte noch etwas sagen; aber Hanns wollte nichts mehr wissen; er sprang fort.

So mußte sich der arme Hanns wegen seines Aberglaubens, der ihm ohnehin soviel Geld und Verdruß gekostet hatte, auch noch verspotten lassen. Seinen Mitnachbarn aber ging es um kein Haar besser. So oft sie in eine Stadt oder in ein Dorf kamen, wo die Einwohner mehr Verstand und bessere Einsicht hatten, da wurden sie wegen ihrer Torheiten gefoppt und ausgelacht. Und wenn in jenen Städten und Dörfern jemand eine abergläubische Aeußerung machte und z. B. etwa sagte: Einem jungen Hunde müsse man von einem Bettelmann den Namen geben lassen, sonst könnten ihn die Diebe leicht zum Stillschweigen bringen; oder: Am Bartholomäustag dürfe man nicht auf den Krautacker gehen, weil da Barthel die Häupter austeile; oder: Wenn eine Kuh krank sei, so müsse man ein Erbtuch um sie herum binden, das habe mehr Kraft als ein anderes Tuch – usw.; kurz: wenn jemand im Ernst so etwas vorbrachte, da lachte man und pflegte nur zu sagen: Du redest, als wenn du von Finsterthal wärest! Und so wurden die Finsterthaler wegen ihres Aberglaubens in jener ganzen Gegend zum Sprichwort.

Was aber für Hannsen noch das Schlimmste war, das war dieses: Durch den fatalen Streit zwischen ihm und seinen nächsten Nachbarsleuten war eine große Feindschaft und Verbitterung entstanden. Täglich mußten diese Leute neben einander hergehen und mit einander verkehren; keiner aber konnte den andern aufrichtig ansehen oder ihm von Herzen einen guten Morgen oder Abend wünschen. Denn ihre Herzen waren voll Haß und Argwohn. Sonst konnte doch Hanns seine Nachbarsleute in der Not um Hilfe bitten, auch manchen Dienst von ihnen erwarten, jetzt aber konnte und durfte er sie um nichts mehr ansprechen. Und so, wie es zwischen diesen beiden Nachbarn war, so war es fast im ganzen Dorfe. Der Aberglaube machte die Leute argwöhnisch und mißtrauisch gegen einander und verursachte viel Zank, Streit und Feindschaft, sodaß keiner seines Lebens mehr froh werden konnte. Es traf aber auch bei ihnen ein, was man im Sprichwort sagt: Friede ernährt, Unfriede verzehrt.

Es gab Leute genug im Finsterthal, welche durch das Vertrauen auf abergläubische Mittel, durch Liederlichkeit und Streitsucht um ihr Vermögen gekommen waren und die auch auf keinen grünen Zweig wieder kommen konnten, weil sie von ihren Torheiten eben nicht abließen. Nun aber kamen einmal zwei von solchen Nachbarn sehr schnell wieder empor: sie bezahlten ihre Schulden, ließen ihre Häuser ausbessern oder aufbauen; sie kauften auch mancherlei, was nur ein wohlhabender Bürger kaufen konnte, und bezahlten alles mit barem Gelde. Diese mußten nun nach der Meinung einiger Dorfbewohner unbedingt einen Schatz gefunden haben; wieder andere waren der Ansicht, diese hätten sich wohl ein paar Heckemännchen oder Hecktaler angeschafft. Von den Heckemännchen dachten sie, es wären ganz kleine lebendige Kreaturen, welche man etwa in einer Schachtel aufheben könnte, und so oft man dieselbe öffne, läge ein Dukaten darinnen, den man herausnehmen könnte. Die Hecktaler aber sollten täglich oder wöchentlich einen neuen Taler neben sich liegen haben. Daß es nun solche Heckemännchen und Hecktaler nicht geben könne, braucht man einem verständigen Menschen wohl nicht erst zu sagen. Und was man sonst von Schätzen gesprochen hat, daß dergleichen hie und da in der Erde ständen, daß gewisse Geister sie in ihrer Gewalt hätten, aber auch gezwungen werden könnten, sie herauszugeben und anderes mehr, das ist alles auch erlogen gewesen. Es kann ja wohl an manchen Orten etwas Geld in der Erde liegen, das etwa einmal bei einer Feuersbrunst verloren gegangen oder in Kriegszeiten dort vor den Feinden versteckt worden ist. Wo aber solches Geld verborgen liegt, kann niemand wissen und auch niemand eher sagen, als bis man eben beim Umgraben der Erde einmal darauf kommt. Die Bauern sind die rechten Schatzgräber; diese wissen die besten Schätze aus der Erde zu bringen und zwar mit dem Pfluge und der Egge. Aber diese Art Schätze zu graben, wurde in Finsterthal von vielen mißkannt oder gar für nichts geachtet. Von den bewußten Nachbarn wußte man freilich auch gewiß, daß sie ihr Geld nicht durch ihren Fleiß oder etwa durch eine Erbschaft erhalten hatten. Daher glaubten eben viele, diese müßten entweder Schätze gegraben oder sonst etwas Verdächtiges in ihren Häusern haben; sie sprachen davon ganz öffentlich, so daß es die verdächtigen Nachbarn bisweilen selbst in ihre eigenen Ohren hören konnten. Und diese verantworteten sich auch nicht viel gegen derartige Beschuldigungen; das wiederum machte die anderen in ihren abergläubischen Gedanken noch gewisser und manche, die auch notwendig Geld brauchten, sagten zu einander: »Wenn wir nur auch einen solchen Schatz zu heben wüßten!« Mit den Heckmännchen und den Hecktalern schien es ihnen doch eine noch zu bedenkliche Sache zu sein; denn sie meinten, ein Besitz solcher Männchen oder Taler wäre schon so viel, als wenn sie einen bösen Geist im Hause hätten.

Zu ihrem Glück oder Unglück fanden sich auch bald etliche Männer, die ihnen nicht nur sagten, wo dergleichen Schätze in der Erde ständen, sondern die sich auch erboten, ihnen dieselben zu heben. Bei vernünftigen Leuten würde ein solcher Schatzgräber schon äußerst vorsichtig sein und seine Sache sehr listig anstellen müssen, ehe er einen Bauern hintergehen könnte. In Finsterthal hingegen brauchten diese Betrüger wenig und oft gar keine List anwenden. Da machten sie sichs recht bequem und gruben den Leuten die Schätze in ihren eigenen Häusern ein und zwar entweder in der Haustenne oder im Keller; es geschah des Nachts in der zwölften Stunde. Die Schätze waren allemal mit Geld oder anderen kostbaren Sachen vergraben worden, die sich dann in der Erde vermehren sollten. Das Geld oder die Sachen nahmen die Schatzgräber von den Leuten in der Stube in Empfang; die Leute aber mußten in der Stube zurückbleiben und durften mehrere Stunden lang weder Fenster noch Stubentür öffnen; inzwischen hatten die Schatzgräber genug Zeit, in der Tenne oder im Keller ein wenig herumzupoltern und zu geistern; dann schlichen sie sich ganz leise zur vorderen oder hinteren Haustür hinaus und verschwanden mit dem Schatze, den sie nun für sich in der Tasche hatten, über Berg und Tal auf Nimmerwiedersehen! Den betrogenen Leuten aber wurden in der Stube Zeit und Weile recht lang, bis sie den erhofften Schatz erhalten sollten. Gerne hätten sie die Stubentür ein wenig geöffnet und dem Schatzgräber bei seiner geheimnisvollen Arbeit zugesehen; aber sie fürchteten eben, daß ein böser Geist sie beim Schopf nehmen könnte, oder daß etwa der Schatz, der vielleicht schon vergrößert und vermehrt aus der Erde hervorgestiegen sein könnte, sich ob ihrer Neugierde plötzlich wieder hinabsenken würde, so daß sie ihn in ihrem Leben überhaupt nie zu sehen bekämen. Schließlich kam ihnen diese Schatzgräberei doch merkwürdig lange vor und so wagten sie endlich, die Türe ganz leise zu öffnen und in die Hausflur hinauszugehen. Was sahen sie aber dort? Leider! Rein gar nichts, als was es alle Tage in ihrer Tenne und in ihrem Keller zu sehen gab! Sie suchten in allen Ecken und an allen Enden; es war aber weder ein Schatzgräber noch viel weniger ein Schatz zu finden; und sie sahen nun bald mit Erstaunen und großer Betrübnis ein, daß sie betrogen worden waren.

»Was sollen wir nun anfangen?« sprach da ein Freund zu dem andern, »nun sind wir noch ärmer als vorher! Zum Schatzgraben scheinen wir wahrlich kein Glück zu haben. Es wird wohl kein anderer Rat und Ausweg bleiben, als daß wir uns ein Heckemännchen oder einen Hecktaler anschaffen. Wenn wir nur wüßten, wo wir eins oder das andere bekommen könnten.«

Einige Tage darauf kam wirklich ein Mann ins Dorf, welcher ihnen ganz heimlich dergleichen Dinge zum Kaufe anbot. Er hatte in einer anderen fernen Gegend gewisse Wurzeln gesammelt, von denen er leicht annehmen konnte, daß sie den Finsterthalern gänzlich unbekannt seien. Diese verkaufte er ihnen als Heckemännchen und verlangte dafür in seiner Unverfrorenheit drei Dukaten für ein Stück.

»Euere Heckemännchen sind aber sehr teuer!« sprachen die Finsterthaler ziemlich kleinlaut und enttäuscht.

»Ja, ja, liebe Leute,« erwiderte der betrügerische Mann, »Ihr müßt eben auch bedenken, daß das Ausgraben der Wurzeln, aus denen diese Wundermännchen entstehen, mit den merkwürdigsten Vorfällen und mit den größten Gefahren verbunden ist; denn das Aechzen und Stöhnen der Wurzel kostet dem, der sie ausreißt, sogar das Leben!«

»Ihr lebt aber noch immer!« riefen da die Finsterthaler wie aus einem Munde ebenso lebhaft wie erstaunt.

»Gewiß, gewiß,« beschwichtigte sie der fremde Mann, »Ihr sollt auch hören, wie umsichtig ich es anstelle, damit ich jedesmal mit heiler Haut davonkomme. Seht! Ich verstopfe mir stets auf das sorgfältigste die Ohren, damit ich ihr Stöhnen und Seufzen gar nicht höre und so mehr Mut bekomme; ich gehe dann Freitags vor Sonnenaufgang mit einem ganz schwarzen Hunde an jenen Ort, wo diese Wurzeln wachsen; ich bekreuze sie zuerst dreimal und befreie dann die Wurzel behutsam von der Erde, so daß sie nur mehr mit einigen Fasern im Erdboden steckt; mehr darf ich nicht tun; denn das Ausreißen der Wurzel würde mir den Tod bringen.«

»Ja, das müßt Ihr aber doch tun, lieber Mann!« fielen ihm die erregten Finsterthaler ungeduldig und neugierig zugleich ins Wort, »wie kämt Ihr denn sonst zu diesen wundersamen Heckemännchen?«

»Geduld! Geduld! Laßt mich doch ausreden, liebe Leute!« sprach mit gewichtiger Miene besänftigend der schlaue Handelsmann, »zu was glaubt Ihr denn, daß ich den schwarzen Hund bei mir habe? Seht! Diesem binde ich mit einem Schnürchen, das drei Tage lang in Zauberwasser gelegen war, die Wurzel an den Schwanz; dann laufe ich eiligst davon und halte hinter mir ein großes Stück Fleisch her; der Hund läuft natürlich dem Fleisch nach und reißt damit die Wurzel völlig aus der Erde; in demselben Augenblick aber, in dem die letzte Faser von der Erde getrennt ist, fällt der Hund tot um. Ihr müßt also jetzt sehr wohl einsehen, daß mich diese Heckemännchen selbst sehr teuer kommen; denn ich muß mir jedesmal einen neuen Hund kaufen und das Fleisch kann ich auch nicht mehr gebrauchen; es muß sofort samt dem Hunde verscharrt werden. Von der Angst, die ich dabei ausstehen muß, will ich gar nicht reden; die ist unbezahlbar.«

»Freilich«, erklärten nun mit vollem Ernste die einfältigen Finsterthaler, »das ist eine andere Sache! Jetzt begreifen wir recht wohl, daß Euere Heckemännchen keineswegs zu teuer sind. Wir würden sie auch gerne kaufen, aber wir – fürchten uns davor! Sag an: Können sie uns noch etwas anhaben?«

»Gott bewahre! Nicht im mindesten!« versicherte der Händler, »Ihr müßt sie nur sorgsam hegen und pflegen, damit sie Euch auch reichen Nutzen bringen. Wer sie vernachlässigt, schadet sich nur selbst, wie folgende Geschichte beweist. Also horcht auf! »Ein Handwerksmann hinterließ vor Jahren bei seinem Tode unter anderen Sachen auch ein kleines schwarzes Kästchen, in dem ein Heckemännchen war. Seine jüngere Tochter Hedwig warf das Kästchen nach des Vaters Tod weg, da sie von Heckemännchen und ihrem Werte noch nichts wußte. Maria, die ältere Tochter, aber hatte schon oft gehört, daß jeder, der ein Heckemännchen besitze, ein angenehmes Leben hätte und niemals Mangel litte. Sie fragte deshalb ihre Schwester Hedwig nach diesem Männchen, da sie es nirgends vorfand; und sie wußte doch bestimmt, daß unter der väterlichen Verlassenschaft ein solches vorhanden war. Hedwig aber gestand nicht, daß sie dieses Männchen weggeworfen hatte; denn sie wollte Uneinigkeit und Zwist vermeiden. Maria suchte aufs neue alle Winkel, Kästen und Truhen durch, aber das Männchen war nirgends zu finden. Eines Tages nun fand sie das Kästchen zufällig im Garten; sie war sehr froh und pflegte das vernachlässigte Männchen von nun an doppelt gut und sorgsam. Sie heiratete einen reichen Kaufmann, der bald Bürgermeister und ein hochangesehener Mann wurde; Maria, seiner Frau, fehlte es nie an Geld; sie war reich und glücklich. Ihre Schwester Hedwig aber mußte ihre Nachlässigkeit bitter büßen: sie wurde krank und geriet in äußerste Armut, die sie frühzeitig ins Grab brachte. Also, liebe Finsterthaler, schaut auf Euere Heckemännchen! Vor allem müßt Ihr sie, wenn Ihr sie zum erstenmal in Euer Haus bringt, daheim mit rotem Wein waschen, in weißes und rotes Leinen einwickeln und dann in einem Kästchen acht Tage lang schlafen lassen. Später müßt Ihr sie dann alle Feiertage baden und bei jedem Neumonde mit einem neuen weißen Hemdchen versehen.«

»Das wollen wir gerne tun!« riefen freudig die betörten Finsterthaler, »Aber sagt uns nun noch: Bringen uns diese Wundermännchen dann auch wirklich Glück ins Haus?«

»Diese Heckemännchen«, sprach der Schwindler mit gehobener Stimme, »werden dem, der sie gut hält, reichen, unendlichen Segen bringen! Sie werden Euch auf Befragen künftige und geheime Dinge offenbaren! Sie bringen Euch Glück in Prozessen! Sie schützen Euch vor Krankheiten! Sie vermehren Euch Geld, Hab und Gut! Ihr werdet nie mehr verarmen! Denn jedes Geldstück, das Ihr nachts zu dem Heckemännchen in das Kästchen legt, wird am andern Morgen verdoppelt sein! Wenn Ihr die Dienste eines solchen Wundermännleins lange genießen und sicher gehen wollt, daß es nicht abstirbt, dann dürft Ihr es nicht allzusehr anstrengen! Vor allem müßt Ihr Euch das merken: Ihr dürft nicht mehr als ein Geldstück in jeder Nacht zu ihm ins Kästchen legen! Finsterthaler! Wenn Ihr das alles gewissenhaft befolgt, dann werdet Ihr in Bälde unendlich reich sein!«

Die atemlos lauschenden Finsterthaler rißen darob ihre Augen weit auf; sie strahlten vor Freude und fanden keinen Ausdruck für ihr grenzenloses Staunen. Das alles aber, was ihnen dieser Betrüger vorschwätzte, glaubten diese großen Toren in ihrer Gewinnsucht Wort für Wort. Und jeder, der nur einigermaßen das nötige Geld dazu hatte oder auftreiben konnte, der kaufte sich so ein Wunderding und hoffte gar bald ein reicher und glücklicher Bauer zu werden.

Freilich gar manche fürchteten sich allzusehr vor diesen kleinen Geisterchen; sowie dies der schlaue Handelsmann merkte, bot er diesen Hasenfüßen sogleich Hecktaler an, die sich ohne weitere Umstände von selbst vermehren sollten. Für die Falschmünzen aber mußten die Finsterthaler wohl viermal so viel zahlen, als sie in Wirklichkeit wert gewesen sind. Alle, die nun von dieser Schwindelware gekauft und dafür ihr letztes Geld ausgegeben hatten, glaubten also wirklich, nun wäre ihnen doch endlich aus aller Not geholfen. Fast alle Stunden sahen sie nach, ob nicht etwa ein Dukaten oder ein neuer Taler daneben läge; aber sie schauten stets vergebens nach; sie fanden immer nichts. Und nach wenigen Wochen sahen sie gar, daß die vielgerühmten Heckemännchen gestorben und manche Taler ganz weg gewesen waren.

Was es mit diesen Heckemännchen für eine Bewandtnis habe, das konnten sie noch immer nicht erraten; von den Talern aber sagten sie, das wären gewiß keine Hecktaler, sondern solche Taler gewesen, welche wieder heimgingen; denn daß es auch Geld von dieser Art gäbe, wollten die Finsterthaler schon mehrmals erfahren haben. Sie wußten ja auch ein Mittel dafür: so oft sie nämlich Korn verkauft oder sonst Geld eingenommen hatten, mußte solches Geld von allen, die im Hause waren und zum Hause gehörten, in die Hände genommen werden; oder es mußte wenigstens in ein Gefäß gelegt werden, worin alle die Hausbewohner ihre Hände gewaschen hatten. Wenn es hierauf vom Hausvater gut verwahrt und so recht aufgehoben wurde, sodaß es kein böses Kind vertragen, kein untreues Gesinde und kein anderer diebischer Mensch entwenden konnte, dann blieb das Geld da und ging nicht wieder heim.

Viele Finsterthaler hatten es versucht, sich ohne Mühe so viel Geld zu verschaffen, als jene obengenannten Nachbarn auf eine so unbegreifliche Weise erhalten hatten; aber alle waren leider von den Schatzgräbern und Heckemännchenskrämern schändlich betrogen worden. Und nun, da sie einander ihren Verlust und Schaden mit Schmerzen und Jammer klagten und dabei noch immer nicht klug aus der Sache werden konnten, zeigte sichs endlich, woher jene viel beneideten Nachbarn ihr Geld hatten. Es war nämlich einige Jahre vorher in der Nähe von Finsterthal ein Kästchen mit viel Geld verloren worden; das hatten diese gefunden und dem rechtmäßigen Herrn nicht wieder zurückgegeben, obwohl im ganzen Dorfe und auch bei ihnen darnach gefragt worden war. Sie hatten vielmehr das Geld so lange versteckt, bis sie dachten, nun wäre die Geschichte vergessen und nun könnten sie es ohne Gefahr verwenden. Diese unehrlichen Leute glaubten nun zwar, ihre Sache sehr schlau und listig angestellt zu haben; aber durch Gottes Schickung kam alles klar an den Tag, Und da diese Männer das Geld schon alles ausgegeben hatten, so wurde ihnen fast alles Hab und Gut abgenommen, das sie noch hatten. Was ihnen jetzt zur Strafe widerfuhr, das hatten sie längst geahnt und gefürchtet; darum hatten sie es auch immer gern gehört, wenn die Leute sagten, sie hätten Schätze oder Heckemännchen, als wenn sie auf die rechte Spur gekommen wären. Wäre die Sache noch nicht an den Tag gekommen, so würden sich diese schlechten Nachbarn auch noch Hexenmeister haben nennen lassen und hätten dazu wohl auch ganz stille geschwiegen.

Und was für ein schreckliches Unheil hätte nicht hieraus wieder entstehen können! Es gab damals auch noch solche Betrüger und Betrügerinnen, die sich wirklich für Hexenmeister und Hexen ausgaben. Wenn nun deren einer nach Finsterthal gekommen wäre, wer wüßte, ob er für ein gutes Lehrgeld nicht auch Lehrlinge in der Hexerei bekommen hätte.

In Finsterthal kam es jedoch gar nicht so weit, daß ein Betrüger die abergläubischen Leute auch noch im Hexen hätte unterrichten und sie so vollends ins Verderben hätte stürzen können. Denn dazu waren diese Dörfler viel zu dumm und einfältig. Es wurden bei ihnen auch keine Hexen verbrannt, obgleich es viele gerne gesehen haben würden, wenn manche Weiber, die von ihren guten und gesunden Kühen viel Milch und Butter bekamen, verbrannt worden wären. Auch manch geschickten und fleißigen Handwerksleuten, die viele und gute Kunden hatten, wünschten sie in ihrer Einfalt und Nächstenliebe gar oft den Feuertod.

Für Hexerei und ihre Anwendung hatten also die Finsterthaler kein Talent. Aber um so mehr glaubten sie dafür an das Dasein der Hexen und zwar ebenso fest wie an jeden anderen Unsinn. Vor Hexen und Feen, die sie oft miteinander verwechselten, hatten sie, wie man so sagt, eine Heidenangst: sie fürchteten diese gefährlichen Wesen ärger als den Tod.

Die Finsterthaler dachten sich die Feen, die sie gewöhnlich für böse Geister hielten, als ungemein zierliche Gestalten, die einen listigen und boshaften Blick haben, die gerne grünlich gekleidet sind und eine leuchtende Scharlachmütze tragen. Sie nannten deshalb den roten Fingerhut auch »Feenmütze« und erwiesen dieser schönen Pflanze aus Furcht vor den bösen Feen eine abergläubische Verehrung. Ebenso verehrten sie auch alte einsame Dornbüsche, weil sie meinten, daß diese den Feen heilig seien. Auch jedes altertümliche Geräte, das sie bei ihren Arbeiten zufällig im Felde fanden, schrieben sie den Feen zu; sie waren der Ansicht, daß diese es verloren oder vergessen hätten. Mit besonderem Eifer suchten sie auf ihren Wiesen nach Pfeilspitzen aus Feuerstein, die nach ihrem Aberglauben die Feen im Scherze oder aus Rache auf das Vieh abschossen.

Die Finsterthaler erzählten sich auch die sonderbarsten Geschichten von Kämpfen und Schlachten, welche Feen und Schattengestalten mit Menschen in der Dämmerung ausfochten; am Morgen sollen dann Blutstropfen an der Stelle sichtbar gewesen sein, wo diese Erscheinungen sich gezeigt hatten. Ein Messer mit einem schwarzen Hefte wurde bei solchen Gelegenheiten für besonders wirksam gehalten, den Zauber zu lösen. Darum hatten auch die meisten Männer von Finsterthal ein solches Wundermesser, das nicht nur gegen Feenzauber, sondern überhaupt gegen Gespenster aller Art Schutz gewähren sollte.

Die anmutigsten Täler waren nach der Ansicht der Finsterthaler die Sammelplätze der Feen. Man nannte diese Gegenden »freundliche Oerter«. Hier trieben die Feen ihre Lieblingsbeschäftigung: sie bleichten am Ufer eines Baches Leinwand und sangen dazu seltsame und rührende Lieder. Hier hielten sie auch ihre festlichen Zusammenkünfte ab und ergötzten sich mit ihrer Königin bei wundersamer Musik an lieblichen Reigen und glänzenden Gastmählern. Beim ersten Hahnenschrei jedoch verschwanden die lustigen, luftigen Gestalten urplötzlich; die köstlichsten Speisen verwandelten sich in Aas, die kostbarsten Kristallbecher wurden zu gewöhnlichen Steinen und alle Tische und Geräte, die sie benützt hatten, erlitten ähnliche Verwandlungen. Der Feenzauber war wie ein Licht erloschen!

Die Pflanzen, die in jenen märchenhaften Tälern wuchsen, sollen unter dem besonderen Einfluß und Schutz der Feen gestanden sein. Deshalb wurden die Kräuter dieser Gegenden von schlauen alten Weibern vielfach gesammelt, die damit ehrsamen Wundärzten gewaltig in die Kur pfuschten und abergläubischen Leuten viel Geld abnahmen. Diese alten Frauen, welche wegen ihrer wundärztlichen Quacksalbereien auch »Knocheneinrichterinnen« genannt wurden, standen bei den Finsterthalern selbstverständlich in hohen Ehren.

Auf die »weiße Fee«, welche die Finsterthaler auch Hausfee nannten, setzten sie großes Vertrauen; sie hielten dieses gespensterhafte Wesen für die einzige Fee, welche den Menschen wirklich und ständig anhänglich sei; ihre treue Fürsorge soll diese Fee den Erdenpilgern dadurch bewiesen haben, daß sie immer unsichtbar zugegen gewesen sei und ihren Schützlingen zur rechten Zeit Warnungen oder gute Ratschläge ins Ohr geflüstert habe; auch soll sie den Menschen ihren Tod rechtzeitig durch Trauerklagen angekündigt haben. Andere gute Feen sollen in der Neujahrsnacht die menschlichen Behausungen mit ihrem Besuche beglückt haben. Deshalb bereiteten die Finsterthaler in dieser Nacht den Feen in einem besonderen Zimmer, dessen Türen und Fenster offen blieben, ein köstliches Mahl, dessen Ueberreste am anderen Morgen unter die Familienmitglieder verteilt wurden. Wer nämlich die Feen in dieser Nacht reichlich bewirtete, erwartete in aller Zuversicht einen reichen Segen im kommenden Jahre. Daß da mancher nichtsnutzige Tagdieb gerne einmal eine »Fee« spielte und sich auf Kosten seiner abergläubischen Mitmenschen in aller Ruhe tüchtig vollaß, das kann sich jeder vernünftige Mensch denken.

Die Finsterthaler behaupteten auch, sie hätten in Begleitung der weißen wie überhaupt der guten Feen öfters ein zusammengeschrumpftes altes Männlein gesehen, das wie ein Schuster gekleidet und gewöhnlich mit dem Ausbessern von Schuhen beschäftigt gewesen sei. Dieser Kobold soll einen Geldbeutel besessen haben, welcher wie die Fortunatusbörse unerschöpflich war. Mancher soll versucht haben, diesem hilfreichen Hausgeist seinen Schatz zu entreißen; aber das Männchen verhinderte dies immer dadurch, daß es seinen Gegner durch eine List dahin brachte, die Augen abzuwenden, worauf es verschwand. Solange man nämlich diesen Hausgeist fest im Auge behielt, konnte er nicht entfliehen. Auch andere nützliche Hauskobolde, wie Erdmännlein und Erdweiblein, die man auch Wichteln nannte, sollen die weißen und die guten Feen begleitet haben. Diese Zwerge, deren männliche Wesen man sich mit langen Haaren und Bärten wie Baummoos vorstellte, wohnten in unterirdischen Felsklüften und in Bergen; sie ließen sich aber auch am hellen Tage sehen und halfen den Menschen ihre häuslichen Arbeiten verrichten. Sie waren im allgemeinen sehr gutmütige und hilfreiche Geschöpfe und sollen manch armen Leuten zu einem Schatze verholfen haben; wenn sie aber geärgert oder gar beleidigt wurden, dann konnten sie unausstehlich werden; dann wurden sie furchtbar zornig und bitterböse und rächten sich dank ihrer unüberwindlichen Körperkraft an ihren Peinigern unerbittlich hart.

Der Glaube an die Macht der Hexen war in Finsterthal weit mehr verbreitet als der Feenzauber. Nach der Meinung dieser Dörfler konnten die Hexen, welche durch einen Bund mit dem Teufel ein geheimes Wissen sich angeeignet hatten, den Lauf der Natur aufhalten und dadurch allerlei schädliche Wirkungen hervorrufen. Das Wort »Hexe« war deshalb für die Finsterthaler der Ausbund alles Schlechten und Bösen. Den Hexen schrieben sie daher auch alles erdenkliche Unheil zu. Besonders hatten es die Hexen auf das Vieh, auf das Getreide, die Feldfrüchte und die Ackerbaugeräte abgesehen. Kühe melken, Milchnäpfe umwerfen und alles, was in Ordnung war, in Verwirrung zu bringen, gehörte zu dem Unfug und zu dem Spuk, den diese unheimlichen Wesen trieben. Die Finsterthaler fabelten sich auch vor, die Hexen hätten die Macht, die Gestalt bestimmter Tiere anzunehmen; so erschienen sie ihnen besonders als Hunde, Katzen, Hasen und Fliegen. Als Hasen sollen sie vor allem den Kühen sehr geschadet haben. Wenn beim Buttern die Butter ausblieb, so wurde dies auf Rechnung einer Hexe geschrieben. Die Finsterthaler glaubten ferner, daß die Hexen in gewissen Nächten die Häuser der Menschen heimsuchten, indem sie durch den Kamin in die Küche fuhren. Die abergläubischen Dorfbewohner reinigten deshalb abends, ehe sie zu Bette gingen, fein säuberlich ihren Herd und stellten ein Gefäß mit Wein und Wasser hin, um die Hexen zu versöhnen. Sogar »Wind und Wetter machen« konnten die Hexen; deshalb nannte man scharfe Gewitter »Hexenwetter« und ihre vermeintliche Urheberin »Wetterhexe«.

Auch auf die Gesundheit der Menschen und namentlich der Kinder sollen die Hexen großen Einfluß gehabt haben. Wenn ein Kind oder ein kleines Mädchen krank wurde, dann sagten die einfältigen Finsterthaler: »Das hat eine Hexe entführt, um es zu einer Gespielin oder Wärterin einer jungen Fee zu machen!« Ueber einen solchen Fall berichtet auch ihre Dorfchronik. Das kranke Kind war dann nach ihrer Meinung nur ein Ebenbild, das die Hexe an Stelle des Geraubten gebracht hatte und das deshalb nach und nach hinwelken und sterben mußte. Törichte Eltern wandten in solchen Fällen oft die unmenschlichsten Mittel an, um zu erfahren, ob ihr Kind wirklich krank oder ein sogenannter Wechselbalg sei; sie setzten zu diesem Zwecke ihr Kind ohne jede Kleidung bei der bittersten Kälte auf die Straße; hielt das arme Kind diese Kraftprobe aus, dann schrieben sie die Erkrankung natürlichen Ursachen zu und ließen schleunigst einen Doktor holen. Sie meinten nämlich: wenn das kranke Kind aus der Feenwelt oder sonstwoher stamme, dann hielte der Geist eine so unwürdige Behandlung nicht aus und müßte sogleich verschwinden.

Von dem Leben und Treiben der Hexen unter sich machten sich die Finsterthaler die merkwürdigsten Vorstellungen. Nach ihrem Aberglauben hielt der Teufel zu gewissen Zeiten große Hexentage ab, auf denen diese ihren Bund mit dem Satan erneuern mußten. Zu diesen Festen fuhren die Hexen mit fliegenden Haaren auf Besen, Gabeln, Stöcken, manchmal auch auf Böcken und Hunden, durch die Luft auf den Blocksberg oder auf einen anderen Berg. Nach dieser Hexenfahrt feierten sie dort ihren Hexensabbat und führten um des Teufels Thron einen Ringeltanz, den sogenannten Hexentanz, auf. Hernach fand ein großes Hexenmahl statt, bei welchem sie neben Pferdefleisch auch Menschenfleisch gegessen haben sollen. Die Gegenstände, die sie zu ihrer Hexenfahrt benützten, rieben sie vorher mit Hexensalbe ein, damit ihre Leiber von der Luft getragen würden. Diese Schmiere sollen sie aus dem Fleische toter Kinder, die sie nachts in den Friedhöfen ausgruben, sowie aus Mohn und Schierling zubereitet haben. Die Hexen bei ihrem Tun und Treiben zu belauschen war sehr gefährlich; denn sie rächten sich immer bitter und stets sofort. So soll einmal ein Finsterthaler Bauer eine Hexe beobachtet haben, die eben im Begriffe war zum Hexentanz auszufahren. Wie die Hexe das merkte, nahm sie das neugierige Bäuerlein sogleich mit in die Lüfte und ließ es nach langer Fahrt fallen. Als der Bauer am andern Morgen erwachte, lag er vor den Toren einer großen, unbekannten Stadt. Er brauchte lange, bis er wieder in sein geliebtes Heimatdorf fand, wo er neben der Angst und dem Schaden auch noch das Gespötte seiner schadenfrohen Mitbürger hatte. Ein andermal belauschte ein Dorffischer am Ufer eines Sees zwei Hexen, welche eben ihre Gabeln mit Hexensalbe einschmierten. Als ihn die beiden erblickten, verschwand er sofort, von unsichtbarer Hand ergriffen, in den Tiefen des rauschenden Wassers. Die Hexen verwünschten zudem den See, so daß kein Fisch mehr darin leben konnte. Auch alle Versuche, neue Fische in den See zu setzen, blieben für immer erfolglos. Ein anderer, ein Bursche, der zu den mutigsten des Dorfes zählte, wollte einmal einer berüchtigten Hexe im Walde auflauern; es gelang ihm auch wirklich, dieselbe zu fangen; doch in dem Augenblick, in welchem er den Körper der Hexe in seinen Händen hielt, verwandelte sich der Hexenleib in einen Strohwisch. Mit dem Stroh in der Hand fanden ihn tags darauf einige Kameraden. Der Bursche aber blieb zeitlebens lahm und krumm.

Die Finsterthaler hatten also vor den Hexen einen heiligen Respekt; sie fürchteten sie über alles; und sie haben auch mit ihnen die allertrübsten Erfahrungen gemacht; denn es traf diese armseligen Dörfler noch ein anderes großes und schweres Unglück, an dem einzig und allein eine Hexe schuld gewesen sein soll: eine Frau räucherte einmal in ihrem Stalle, nicht etwa um die schlechte Luft darin zu verbessern, sondern um die bösen Hexen zu quälen und zu vertreiben, auf daß sie von ihrem Vieh ablassen möchten. Als sie die Kohlen im Räuchertopf angeblasen und eine Handvoll Wunderkräuter darauf gelegt hatte, stellte sie den Topf nieder und ging erst noch in die Küche, um nach dem Essen zu sehen. Indessen fingen im Stalle ihre »Wunderkräuter«, an denen sie wahre Wunder erleben sollte, lichterloh zu brennen an. Das Feuer ergriff mit Windesschnelle das daneben liegende Stroh und ehe die unvorsichtige Frau wieder in den Stall kam, stand alles in hellen Flammen: das ganze Haus geriet alsbald in Brand; das Feuer war nicht mehr zu löschen; es griff zu den Nachbarn über und brannte fort und fort, bis schließlich das ganze Dorf in Schutt und Asche lag. Vielleicht wäre das Feuer im Entstehen doch zu löschen gewesen, wenn jemand hätte löschen wollen. Aber da liefen alle nach einem Juden, der das Feuer besprechen sollte. Und als dieser seine Sprüche aus dem alten Testament vergebens hergesagt hatte, suchten sie wieder einen Christen, welcher im Namen der heiligen Dreieinigkeit dem Feuer gebieten sollte, daß es stille stände; so nämlich mißbrauchten die abergläubischen Finsterthaler sogar den hochheiligen Namen Gottes. Indessen hatte das Feuer schon zu weit um sich gegriffen, so daß alles Löschen eben nichts mehr helfen wollte.

Die bedauernswerte Frau, die dieses Unglück zum größten Schaden und Jammer des Dorfes angerichtet hatte, wurde alsbald vor das Amt gerufen und gefragt, was sie denn gemacht habe, daß in ihrem Hause ein solches Feuer entstanden sei.

«Ich habe geräuchert, Herr Amtmann,« antwortete die Frau. »Ich hätte es nicht getan, aber meine Kuh war gar zu sehr behext; da mußte ich zum Herrn Doktor gehen und der hat mir auch die Kräuter dazu gegeben.«

»Daß das Räuchern auch bei dem Vieh zuweilen nötig ist,« sprach der Amtmann, »will ich nicht bestreiten; daß aber Euere Kuh behext sei, das glaube ich wirklich nicht. Krank und elend wird das Tier wohl gewesen sein, weil es kein gutes Futter bekommen hat und auch sonst nicht gut gewartet worden ist. Auf diese Art ist manche Hausfrau ihre eigene Hexe!«

»Nein, Herr Amtmann,« versetzte die Frau, »vor dieser bösen Kunst soll mich Gott behüten, ich bin keine Hexe; aber geplagt werde ich von ihnen an allen Orten und bei jeder Gelegenheit, bald an mir selbst, bald an meinem Vieh mit Ungeziefer und dergleichen.«

»Stille! Stille nur!« unterbrach der Amtmann, »das alles wollen wir dahingestellt sein lassen. Aber sagt mir nur: Wie habt Ihr es denn gemacht, daß Euer Haus angebrannt ist?«

»Ich habe nichts gemacht,« antwortete die Frau, »als daß ich die Kohlen angeblasen und die vom Doktor verschriebenen Wunderkräuter darauf gelegt habe. Was aber die Hexe hernach gemacht hat, als ich nicht mehr beim Räuchertopf, sondern in der Küche war, das weiß ich nicht. Und mein Mann ist auch an dem Unglück mit Schuld: er hat an dem unheilvollen Morgen nicht in den Kalender gesehen und mir nicht gesagt, ob ein glücklicher oder unglücklicher Tag sei. Ich habe auch schon längst haben wollen, er sollte unser Haus von einem Zigeuner gegen Feuer verwahren oder besprechen lassen; er hat es aber nicht getan. Mir würde das Unglück wohl nicht begegnet sein; denn ich habe ja eine Glückshaube mit auf die Welt gebracht; aber mein Mann ist in einem bösen Zeichen geboren. Ja, ja, Herr Amtmann, das Unglück hat geschehen sollen, darum ist es auch geschehen; und schuld daran sind nur die bösen Hexen.«

Der Amtmann erstaunte über alle Maßen über den unerhörten Aberglauben dieser Frau. Er wußte nicht, was er mit ihr anfangen sollte. Endlich aber sprach er:

»Ihr scheint mir ein recht abergläubisches Weib zu sein. Ihr führt ja lauter Ursachen an, die es gar nicht gibt, die es gar nie geben kann, die also das Feuer auch nicht hervorbringen konnten. Von den wahren Ursachen aber wollt Ihr nichts wissen. Wenn das Räuchern nur um der bösen Hexen willen geschehen ist, so hätte dieses schon gänzlich unterbleiben können. Wenn Ihr aber dennoch räuchern wolltet, warum bliebet Ihr dann nicht bei Euerem Räuchertopf im Stall? Warum stelltet Ihr ihn nicht an einen Ort, wo nichts Brennbares daneben war? Euer Aberglaube und Euere grenzenlose Unvorsichtigkeit, das sind die wahren und einzigen Ursachen an dem Ausbruche des Feuers, das nicht nur Euch, sondern auch das ganze Dorf in namenloses Unglück gestürzt hat. Nun seht Ihr aber auch, wie furchtbar Gott Eueren Aberglauben bestraft hat. Wäret Ihr nicht so schon schwer genug gestraft, so würdet Ihr besonders wegen Euerer Unvorsichtigkeit noch eine besondere Strafe verdienen und auch erhalten. Indessen werde ich dem Fürsten die Sache berichten, und wir werden sehen, was der hohe Herr dazu sagen wird.«

Der Amtmann schrieb also einen ausführlichen Bericht und meldete dem Fürsten alles, was die Frau bei der Untersuchung gesagt hatte. Der Fürst erstaunte ebensosehr über den ungewöhnlichen Aberglauben dieser Frau; und weil er aus dem Berichte schließen konnte, daß auch die übrigen Finsterthaler ebenso abergläubisch wären und die gleichen Torheiten trieben, so ging ihm dies recht nahe; er war sehr betrübt, daß diese seine Untertanen sich äußerlich wie innerlich in so bedauernswerten und trostlosen Umständen befänden. Er überlegte deshalb angelegentlich wie ihnen wohl am besten und schnellsten zu helfen sei.

Bald darauf kamen einige Abgeordnete von der Gemeinde Finsterthal zum Fürsten und baten untertänigst um die Erlaubnis, zum Wiederaufbau ihrer Häuser, zum Bau einer Kirche und Schule eine Kollekte im Lande veranstalten zu dürfen. Der Herr Fürst nahm die Abordnung gnädig und huldvoll auf. Er liest sich auch in ein Gespräch mit den Abgesandten ein um zu erfahren, ob sie auch so mit Aberglauben behaftet wären wie jene Frau.

»Das Unglück, das Euch betroffen hat,« begann der Fürst, »ist mir schon bekannt. Ist es denn aber wahr, daß eine Frau die Torheit begangen hat in ihrem Stalle zu räuchern?«

»Ja,« antworteten die Finsterthaler, »das ist wahr. Doch kann man es der armen Frau wohl nicht verdenken; denn sie hat es der bösen Hexen wegen sehr wohl nötig gehabt. Sie muß aber vermutlich dabei etwas übersehen haben, entweder daß sie das Kreuz nicht richtig vor sich gemacht oder daß sie den Stall nicht recht verwahrt hat. Auch beim Löschen ist ein großer Fehler begangen worden: die Gemeindevorsteher haben zwar das Feuer besprechen lassen, aber nur durch einen Juden und einen gewöhnlichen Christen. Meine Mutter aber bleibt dabei, es könne niemand das Feuer besser versprechen als der Herr Fürst. Wenn nun einer so klug gewesen und gleich zu Ihro Durchlaucht hieher geritten wäre, so würden Sie uns Ihre Hilfe wohl nicht versagt haben?

Der Fürst mußte herzlich lachen, als er dies alles hörte. Er wußte nun mehr, als er wissen wollte, und sagte zu den abgesandten Männern:

»Ja, wenn ich nur zugegen gewesen wäre, ich hätte das Feuer schon versprechen wollen. Zum Feuer selbst wurde ich zwar nicht gesprochen haben, aber desto mehr zu Euch, daß Ihr nicht müßig dabei stehen und schauen, sondern tüchtig Hand anlegen und fleißig löschen solltet. Doch, dazu ist es nun zu spät. Ich merke überhaupt, daß ihr Finsterthaler noch sehr abergläubische Leute seid. Das ist nun wirklich fast ein noch größeres Uebel, als daß Ihr keine Häuser mehr habt. Wenn man nun Euch auch zum Wiederaufbau Euerer Häuser behilflich wäre und Ihr behieltet Eueren Aberglauben, so müßte man ja in größter Sorge sein, daß Ihr in kurzer Zeit wieder ein ähnliches Unglück anrichtet. Und wenn auch das nicht der Fall wäre, so könnt Ihr bei einem solchen Aberglauben doch nimmermehr wieder auf einen grünen Zweig kommen. Damit Euch also recht geholfen werde, so will ich Euerem Pfarrer den Auftrag geben, daß er Euch alle Jahre einige Predigten über den Aberglauben halten möge; dem Schulmeister aber will ich befehlen, daß er Euere Kinder beizeiten von der Torheit und Schädlichkeit des Aberglaubens unterrichten soll. Auch will ich Euch ein Buch schenken, in welchem alle abergläubischen Meinungen und Dinge recht schön widerlegt sind.«

Als die Finsterthaler Gemeindevertreter von einem Buche hörten, fragten sie, ob es etwa das Buch wäre, das von Doktor Faust handelte; dieses hätten sie schon gehabt und sie hätten auch gerne darin gelesen; es sei ihnen aber nun leider mitverbrannt.

»Hein, nein!« erwiderte lachend der Fürst, »das Buch handelt nicht von Doktor Faust. Das Buch, welches ich Euch schenken will, ist ganz das Gegenteil von dem, das Ihr gehabt hat; und es ist wirklich nicht schade, daß es mitverbrannt ist; denn durch dieses Euer Buch seid Ihr nur im Aberglauben bestärkt worden; durch das neue Buch, das ich Euch schenken will, sollt Ihr von Euerem unsinnigen Aberglauben befreit werden. Wenn Ihr mir nun ernstlich versprechen wollt, die Predigten Eueres Pfarrers von nun an recht aufmerksam anzuhören, Euere Kinder fleißig zur Schule zu schicken und recht oft mit ihnen in diesem neuen Buche zu lesen, so soll Euch zum Wiederaufbau Eueres Dorfes gerne und reichlich geholfen werden.«

Die Finsterthaler Abgeordneten stutzten darob gewaltig, als sie dieses hörten; sie schwiegen zuerst, dann aber sagten sie:

»Wir allein, Ihro Durchlaucht, können das nicht versprechen, da müssen wir erst die ganze Gemeinde darum fragen.«

»Nun gut?« erwiderte schmunzelnd der Fürst, »so gehet hin fragt sie darum!«

Als die Abgeordneten wieder zu ihrer Gemeinde kamen, machten sie dieselbe mit den Vorstellungen und Bedingungen des Fürsten bekannt. Einige protestierten stark dagegen und meinten, man dürfe sich nichts Neues aufbürden lassen. Andere sagten, wenn wir nicht tun, was der Fürst will, dann bekommen wir vielleicht keine Kirche und keine Schule wieder; alsdann lernen unsere Kinder nicht mehr lesen und schreiben; dann können sie aufs neue Jahr das güldne ABC nicht aufschlagen und können auch den Kalender nicht gebrauchen; und sie sehen ferner nicht, was für Wetter ist und wird; sie wissen auch nicht, wann gut Aderlassen, gut Schröpfen und Baden und gut Haarabschneiden ist.

Endlich ergriff der Klügste unter ihnen das Wort und sprach also:

»Es geht nicht anders an: wenn wir das eine wollen, dann müssen wir auch das andere zugeben. Es ist übrigens gar keine Gefahr dabei; die Predigten können wir ja immer mit anhören; wir können auch in dem neuen Buche lesen, nur müssen wir uns vorbehalten, daß wir hernach doch glauben dürfen, was wir wollen.«

»Das ist wahr!« riefen alle miteinander, »Ihr habt noch den klügsten Einfall.«

Einer klopfte diesem Manne auf die Achsel und sagte:

»Ich meine, Ihr müßt im März geboren sein! Denn ein Knabe, der in diesem Monat geboren ist, ist kunstreich, liebt die Wahrheit und kommt zu hohem Alter.«

Es sollte nun hierauf sogleich wieder ein Nachbar zum Fürsten gesandt werden. Mit aller Vorsicht wählte man dazu einen solchen, der im September geboren war; denn man glaubte, dieser würde viel Gunst bei Herren wie bei grauen finden. Dieser Mann hatte aber diese wichtige Reise kaum angetreten, da stieß ihm etwas auf, das er für ein Zeichen des Unglücks hielt: es war eine alte Frau. Sobald er diese erblickte, stand er bedenklich stille und dachte bei sich:

»Das wird eine liebliche Reise werden! Die erste Person, die mir begegnet, ist eine alte Frau. Da bin ich gewiß recht unglücklich.«

Er ging aber trotzdem noch eine Strecke Weges fort: aber nun kam ihm gar ein Schwein entgegengelaufen; er glaubte daraus schließen zu können, daß er da, wohin er gehen sollte, sehr übel ausgenommen würde. Nun verging ihm vollends die Lust und aller Mut; es schien ihm unmöglich, seine Reise fortzusehen. Er kehrte um, ging wieder nach Hause, sagte der Gemeinde, wie es ihm ergangen sei, und bat, daß man lieber einen andern Nachbarn zum Fürsten schicken mochte.

Die Finsterthaler Bürger kamen nun sofort zu einer Beratung zusammen und prüften diese Dorf alle auf das peinlichste; sie lobten die große Vorsicht ihres Mitbürgers und kamen darin überein, daß ein anderer diese höchst wichtige Reise antreten solle. Zu allem Unglück aber fand sich nur noch ein einziger, der sich getraute, zum Fürsten zu gehen; und dieser einzige war noch dazu im Juni geboren; und dies bedeutete nach ihrem Aberglauben, daß ein solcher bei großen Herren viele Widerwärtigkeiten haben werde. Da war nun guter Rat allerdings teuer! Endlich wagten sie doch, diesen Mann zum Fürsten abzusenden; es blieb schließlich auch kein anderer Ausweg mehr übrig. Der neue Abgesandte war so beherzt, daß er seine Reise alsbald und zwar eine Stunde vor Tagesanbruch antrat. Er mußte aber auch für diese Kühnheit büßen. Denn als er eine halbe Stunde gegangen und in einen dunklen Wald gekommen war, da hörte er ein gewißes Getöse in der Luft. Aengstlich blieb er stehen und horchte. Das Geschrei und das Getümmel kam näher und wurde immer stärker. Hu? Hu! Hu! gings in der Luft. Dem Manne stiegen die Haare zu Berge. Nun sah er gar allerlei große, schwarze, fürchterliche Figuren in der Luft hin und her ziehen, die feuerige Strahlen und Flammen von sich gaben. Da wußte er vollends vor Angst nicht, wo er sich verbergen sollte. Als sich der Lärm und das Wüten und Toben ein wenig gelegt hatte, da faßte er wieder Mut und fing an zu laufen; und er lief in einem fort, bis er das nächste Dorf erreicht hatte. Was er im Walde gehört hatte, war das, was abergläubische Leute das »wütende Heer« oder auch den »wilden Jäger« nennen. In Wirklichkeit aber waren es große Vögel, nämlich die größten unter den Eulen; diese halten sich in den Wäldern auf und heißen Uhu. Des Nachts fliegen sie in der Luft herum und machen ein fürchterliches Geschrei. Ihre Augen sind fast so groß, wie kleine Taler, und leuchten wie Feuerflammen, wenn es dunkel ist. Der Deputierte war indes sehr froh, daß er diesen vermeintlichen Luftgeistern so glücklich entgangen war. Im nächsten Dorfe erholte er sich wieder von seinem Schrecken und war im übrigen auf seiner Reife desto glücklicher.

Als er zum Fürsten gekommen war, sagte er ihm, daß seine Gemeinde sich die Predigten und den Schulunterricht gefallen lassen und auch in dem neuen Buche lesen wollte; nur das eine wollten sie sich ausbitten, nämlich daß man sie nicht mit Gewalt zwingen möchte, etwas anderes zu glauben, als was sie für wahr halten könnten.

»Gut,« sagte der Fürst, »diese Bitte will ich Euch gerne gewähren. Ihr werdet auch noch nie gehört haben, daß ich einen meiner Untertanen zu dem einen oder anderen Glauben gezwungen habe. Wenn Ihr also den Unterricht, den ich für nötig halte, nur fleißig und aufmerksam angehört und das neue Buch mit Verstand gelesen habt, dann könnt Ihr immer noch glauben, was Ihr wollt.«

Das war dem Manne von Finsterthal eine wahre und große Freude, daß seine und seiner Mitbürger Sache so nach Wunsch abgelaufen war. Frohen Herzens kehrte er in sein Dorf zurück und als er der Gemeinde erzählte, was er beim Fürsten ausgerichtet habe, da entstand eine allgemeine Freude im ganzen Orte.

»Ich habe aber auch,« sagte er zu ihnen, »etwas ausstehen müssen auf meiner Reise! Im Walde war es, als wenn das ganze höllische Heer gegen mich losgehen wollte; ich ließ mich aber nicht abschrecken, sondern entwand mich mutig dieser großen Gefahr!«

Nun wurden die Kollekten veranstaltet. Die Finsterthaler erhielten wirklich eine sehr reichliche Beisteuer, sodaß sie nicht nur ihre Häuser, sondern auch eine schöne Kirche und Schule wieder aufbauen lassen konnten.

Die Häuser durften aber nicht wieder so nahe aneinander gebaut werden, wie dies ehemals der Fall war; es mußte vielmehr jedes Haus dreißig Schritte von dem andern entfernt sein; so konnte dann, wenn etwa wieder ein Haus brennen sollte, das Feuer die anderen Häuser nicht so leicht ergreifen; auch konnte man auf diese Weise ein brennendes Haus von allen Seiten bequemer löschen. An einem Orte, wo alle Häuser zu nahe beieinander stehen, da kann gar leicht das ganze Dorf oder die ganze Stadt abbrennen, wenn erst auch nur ein Haus in Flammen steht. Hier in dem neuen Finsterthal war ein solch allgemeines Unglück nun nicht mehr zu befürchten. Dieses Auseinanderbauen der Häuser hatte aber noch einen anderen großen Nutzen: im Dorfe wie in den einzelnen Häusern, in denen es früher recht dunkel und düster gewesen war, war es nun viel heller und luftiger. Denn nun konnte die Sonne doch besser hineinscheinen und die Luft hatte auch einen freieren Zug darinnen. Diese äußere Verbesserung des Dorfes hatte an sich schon etwas Gutes und Wohltuendes für die Bewohner. Don dieser Zeit an waren die Finsterthaler Bauern weit weniger Krankheiten unterworfen, als dies ehedem der Fall war. Auch in ihren Köpfen schien es nun allmählich heller zu werden. Ihr Aberglaube schien sich nach und nach zu verlieren; und es ist wohl möglich, daß auch die äußere Verschönerung des neuen Dorfes etwas dazu beigetragen hat. Der Unterricht aber, den nunmehr Alte und Junge regelmäßig erhielten, tat freilich noch das beste bei der ganzen Sache.

Als die erste Predigt über den Aberglauben gehalten wurde, war die Kirche so voll, wie dies früher nie der Fall gewesen war. Alle wollten doch hören und wissen, was denn der Herr Pfarrer nun vorbringen würde.

Diese Predigt fing mit den Worten an, die der Apostel Paulus einst zu den Athenern sagte: Ihr Männer von Athen, ich sehe, daß ihr in allen Stücken abergläubisch seid. »Dies, meine Freunde,« sprach der Herr Pfarrer, »möchte ich heute auch Euch zurufen: Ihr Einwohner von Finsterthal, ich sehe, ja ich habe es schon lange gesehen, daß auch Ihr in allen Stücken sehr abergläubisch seid. Ich habe Euch auch schon in manchen Predigten vor diesem großen Fehler gewarnt. Ich habe Euch auch gesagt, daß der Aberglaube eine große und schwere Sünde ist, weil dabei der hochheilige Name Gottes so oft mißbraucht wird, weil der abergläubische Mensch seines Herzens Vertrauen nicht auf Gott seht, sondern immer weiter von Gott abweicht und seine Hilfe, ja sein ganzes Glück in solchen Dingen und auf solchen Wegen sucht, welche Gott und seinen Geboten oft geradezu entgegen sind. Ich habe Euch auch gezeigt, wie sehr sich der Abergläubische durch bösen Verdacht, durch Zank und Streit an seinem Nächsten versündigt, den er doch aus ganzer Seele lieben und von dem er um der Liebe willen alles Gute hoffen sollte. Schon dieses allein hätte Euch bewegen sollen, allem Aberglauben zu entsagen. Aber gleichwohl scheinen meine bisherigen Mahnungen und Vorstellungen die erwünschte Wirkung noch nicht hervorgebracht zu haben.

Da ich nun heute auf allerhöchsten Wunsch und Befehl unseres Herrn Fürsten von dem Aberglauben insonderheit zu Euch reden soll, so will ich Euch noch einen anderen Beweggrund zu Gemüte führen und Euch sagen und zeigen:

 

Daß der abergläubische Mensch sich auch
an sich selbst sehr versündigt,

oder:

Daß der Aberglaube nicht nur eine große
Sünde, sondern auch eine große Torheit ist.

 

Es scheint wirklich, als wenn viele unter Euch den Aberglauben für eine unvermeidliche Sünde hielten oder als wenn sie dächten, es ginge nicht anders an, als daß man zu abergläubischen Mitteln seine Zuflucht nehmen müsse; denn wenn man das Feuer brauche, so suche man es auch in der Asche? O, meine lieben Freunde! Wenn der Aberglaube wirklich nötig wäre und Euch wahren Vorteil bringen könnte, dann wäre er ja Wahrheit und nicht mehr »Aber-Glaube«, dann würde ihn Gott gewiß auch nicht verboten haben. Aber hört doch, wie nachdrücklich er dieses Laster schon den Israeliten verboten hat! Es soll nicht unter Dir gefunden werden ein Weissager oder ein Tagwähler oder einer, der auf Vogelgeschrei achte, der ein Zauberer oder Beschwörer oder ein Wahrsager oder Zeichendeuter, oder einer, der die Toten frage. Denn wer solches tut, ist dem Herrn ein Greuel? Man kann und darf also unmöglich glauben, daß unter diesen und dergleichen Meinungen und Handlungen wirklich etwas Wahres und Nützliches verborgen sei, und zwar schon deshalb nicht, weil sie Gott ausdrücklich verboten hat, der die Wahrheit liebt und den Menschen gewiß alles Gute gönnt. Wollt Ihr nun, da Ihr doch gute Christen sein wollt, nicht eben dieses Zutrauen zum lieben Gott haben und glauben, daß er es auch da mit Euch gut meint, wenn er Euch vor dem Aberglauben warnen läßt? Und denkt doch auch nur darüber nach, wie es Euch bisher mit Euerem Aberglauben ergangen ist? Ihr habt leider fleißig genug in der Asche gesucht: was habt Ihr denn nun darinnen gefunden? Zeigt mir doch einen Vorteil, den Euch der Aberglaube gebracht hat? Müßt Ihr denn nicht vielmehr selbst gestehen, daß Euch der Aberglaube von einer Torheit zur anderen verleite, von einem Unglück ins andere gestürzt hat?

Was für eine furchtsame und zaghafte Kreatur ist nicht der abergläubische Mensch! Er fürchtet sich, wo nichts zu fürchten ist! Ein rauschend Blatt, ein bloßer Schein kann ihm den größten Schrecken einjagen! Und wenn er das nötigste und nützlichste Geschäft vorhat, es kommt ihm aber etwas in den Weg, das er für ein böses Zeichen hält, dann ist sogleich aller Mut verloren und er ist nun nicht mehr imstande, etwas Tüchtiges auszurichten, freilich macht sich der abergläubische Mensch auch viele angenehme Hoffnungen. Aber er hofft, wo nichts zu hoffen ist, und findet sich so zuletzt in seinen Hoffnungen betrogen. Er hofft reich zu werden und versinkt in Armut; er sucht Gesundheit und findet Krankheit und oft den Tod; er will ein Uebel vertreiben und macht es nur noch größer oder zieht sich ein neues Unglück zu. Denn er verachtet die rechten Mittel, die Gott verordnet hat, und gebraucht dafür solche, die keine Kraft haben oder die gar eine verkehrte Wirkung zur Folge haben. Er sucht nicht Rat bei verständigen und erfahrenen Männern, sondern bei Betrügern. Was vernünftige Leute ihm sagen, das ist ihm zu gewöhnlich; er will gerne etwas Besonderes, etwas Auffälliges, etwas Wunderbares haben, wodurch er recht schnell und ohne viel Mühe und Arbeit zu seinem Ziele kommen kann; er will betrogen sein! Und ach! Wie sehr wird er nicht von bösen und hinterlistigen Menschen oft betrogen? Diese Betrüger begehen dadurch freilich auch eine schwere Sünde und können nicht ungestraft bleiben. Diejenigen aber, die ihnen Gehör schenken, empfangen ihre Strafe fast immer zuerst, indem sie jämmerlich betrogen und um das Ihrige gebracht werden.

Bedenket es doch nun selbst, meine Freunde, ob dies nicht alles bei Euch eingetroffen ist? Ja, bedenkt es doch, was für ein großes Unglück der Aberglaube zuletzt noch über unser ganzes Dorf gebracht hat? Warum hat wohl Gott dieses schreckliche Unglück zugelassen? Gewiß auch darum, daß Ihr die Torheit und Schädlichkeit des Aberglaubens endlich einmal erkennen und einsehen sollt. O! So erkennet doch Euere Torheit! Aber lasset auch ab davon? Kehrt doch endlich von Eueren falschen, bösen Wegen zu Gott zurück, den Ihr verlassen habt? Suchet Euer Glück bei ihm? Ihr werdet es gewiß bei ihm finden? Er wird Euch nach dem Weinen wieder Freude schenken. Wenn ihr Euch noch vor etwas fürchten wollt, so fürchtet Euch vor der Sünde, die dem lieben Gott so unendlich zuwider ist, die Euch aber nie wahren Vorteil bringen kann, sondern die Euch zeitlich und ewig unglücklich machen würde. Wer Sünde tut»der ist vom Teufel, der macht sich dem Teufel ähnlich und treibt seine Werke. Ein solch böser Mensch muß sich auch vor dem Teufel fürchten; denn alle bösen Menschen kommen einmal zu ihm in die Hölle, in die ewige Pein. Wahre Christen aber, die Jesu Christi Religion erleichtert und gebessert und auch vom Aberglauben befreit hat, haben gar nichts von bösen Geistern zu befürchten. Sie können getrost sein bei Tag und bei Nacht, im Leben und im Sterben. Diese werden auch nie und nimmer in ihren Hoffnungen zu Schanden, denn sie hoffen auf den Herrn. O! Möchtet Ihr Euch doch alle durch Christus erleuchten und wieder auf den rechten Weg bringen lassen! Wie bald würden sich dann auch Euere äußeren Verhältnisse wieder verbessern! Und welch ein glückliches Dorf würde dann nicht auch das unsrige wieder werden! Also kehrt zurück zu Euerem Herrn und Heiland! Tuet Buße um Euerer unsterblichen Seele willen! Dann wird Gott wieder bei Euch sein und bleiben und Euch und Euere Rinder segnen mit irdischen und mit ewigen Gütern! Urnen!

»Der Herr Pfarrer hat Recht; es ist uns mit Recht so gegangen, wie er gesagt hat«, dachten wirklich die meisten und faßten den ernstlichen Vorsatz, ihren Aberglauben abzulegen. Auf einmal konnte das freilich nicht geschehen, weil sie noch immer nicht recht wußten, was zum Aberglauben gehört und nicht gehört. Denn es schickte sich nicht, daß der Herr Pfarrer auf der Kanzel ihnen alles gesagt hatte. Da sie aber hernach auch fleißig in dem Buch, das ihnen der Fürst geschenkt hatte, lasen, so fanden sie gar vielerlei, wodurch ihre abergläubischen Meinungen und Handlungen gründlich widerlegt wurden; dann hörten sie auch von ihren Kindern vieles, was diesen in der Schule vom Aberglauben und seinen schlimmen Folgen erzählt wurde; und so gingen ihnen nach und nach die Augen auf, es wurde immer heller in ihrem Verstände, die Gespenster, bösen Geister, Hexen und alle anderen abergläubischen Dinge und Ungeheuerlichkeiten verschwanden. Und nun lebten die Leute bei Tag und bei Nacht ruhig, glücklich und zufrieden. Nun lernten sie auch über die Ursachen und Wirkungen der Dinge besser nachdenken, lernten die rechten Mittel zu ihrem Glücke kennen und gebrauchen, lernten beten und arbeiten und ihre Hoffnung auf Gott setzen. Und nun gingen allen ihre Geschäfte viel glücklicher von statten, ihre Verhältnisse verbesserten sich von Tag zu Tag, und Finstertal, das sonst so verachtet und verschrien war, wurde bald eines der angesehensten und wohlhabendsten Dörfer im ganzen Lande.

Nun erst, als die Finsterthaler von ihrem Aberglauben geheilt und befreit waren und die Torheit und Schädlichkeit desselben voll und ganz eingesehen hatten, erkannten sie, wie gut es ihr Fürst, ihr Pfarrer und ihr Schulmeister mit ihnen gemeint hatten; und sie dankten ihnen für ihren guten Rat und Unterricht aus ganzem Herzen.

Dem Doktor ging es aber von nun an sehr schlecht und jämmerlich. Sein gewissenloser Helfershelfer, der Hannswurst, starb zwar noch vor dem großen Brande, aber er fand verdientermaßen ein sehr trübseliges und schreckliches Ende. Schon damals konnte er mit seinen gewöhnlichen Künsten nicht mehr so viel verdienen, daß er den Branntwein hatte bezahlen können, den er so gern trank. Er hatte noch immer etwas Nützliches lernen und ein brauchbarer Mensch werden können; denn er war noch gut bei Jahren, kräftig und gesund und bei gutem Verstande; aber er wollte nichts lernen, er hatte keine Lust dazu. Er ließ sich lieber noch in der Kunst, auf dem Seile zu tanzen, unterrichten. Als er nun in der nächsten Stadt sich zum ersten Mal mit dieser seiner neuen Kunst sehen lassen wollte und im besten Tanzen war, stürzte er plötzlich zum größten Schrecken aller Zuschauer aus steiler Höhe vom Seil herunter auf das Pflaster, wo er mit zerschmettertem Kopfe auf den Steinen tot liegen blieb.

Der Doktor lebte noch; aber auch sein Haus und alles, was er hatte, war bei dem großen Brande in den flammen umgekommen; und weil seine gottlosen Streiche und Betrügereien alle an den Tag gekommen waren, so fand er bei der Bevölkerung wenig Mitleid und noch weniger Unterstützung. Er konnte deshalb auch sein Haus nicht wieder aufbauen, ebenso wollte ihm auch niemand ein Quartier geben; vor Alter aber konnte er nicht mehr weiter ziehen. Im neuen Finsterthal bekam er nichts mehr zu verdienen; denn seine »Kunst« war zu Ende; alle Leute verachteten ihn und gingen ihm aus dem Wege; er schnürte daher sein Ränzel und ging in der Umgegend betteln; er schlief in Scheunen und Ställen und führte ein recht armseliges Leben, bis er einmal tot aufgefunden wurde.

Die übrigen Betrüger, die sich bisher von dem Aberglauben der Finsterthaler genährt und reich gemacht hatten, mußten nun auch schmachten oder etwas Richtiges lernen. Und wenn sie das beste Johanniskraut oder die schönsten Wunderkräuter brachten, so wurden sie schon vor den Türen abgewiesen und mußten froh sein, wenn sie aus Barmherzigkeit ein Stück Brot bekamen.

So klug und vorsichtig nun die Finsterthaler geworden waren, so wären sie doch bald wieder einmal verführt worden. Denn es gibt auch einen solchen Aberglauben, den auch ein kluger Mensch leicht für Wahrheit halten könnte. Wer also glaubt, er stehe, der mag wohl zusehen, daß er nicht falle. Es kam nämlich ein Mann zu ihnen, welcher ihnen versprach, sie zu lehren, wie man den Stein der Weisen mache; mit diesem Steine, so behauptete der Mann, könne man Eisen und andere Metalle in pures Gold verwandeln und sich also ohne viel Mühe und Umstände große Reichtümer verschaffen. Die Finsterthaler fragten nun den Mann, ob er denn für sich schon einen solchen Stein gemacht habe.

»Nein,« erwiderte der Mann, »ich habe aber schon lange daran laboriert und mein ganzes Vermögen daran gehängt. Nun hab ichs aber auch soweit gebracht, daß ich ganz gewiß weiß, wie und woraus er geschmolzen wird. Wenn Ihr mir nur noch sechszig Taler vorschießen wollt, damit ich die dazu nötigen Sachen aus der Apotheke kaufen kann, dann will ich den Stein machen und ihn hernach mit Euch teilen, und dann ist mir und Euch geholfen.«

Die Finsterthaler wußten wirklich nicht, was sie augenblicklich machen sollten. Einmal dachten sie, die Sache könnte wohl gut und richtig sein; dann aber erinnerten sie sich wieder an ihre Schatzgräbergeschichten und befürchteten, sie möchten wieder betrogen werden. Da sie nun mit sich nicht einig werden konnten, so holten sie sich beim Herrn Pfarrer Rat. Dieser aber warnte sie getreulich und sagte:

»Ich habe schon viele gekannt, die den Stein der Weisen gesucht haben; aber keinen habe ich gekannt, der ihn gefunden hat. Und es ist auch nicht zu glauben, daß ihn jemals einer finden wird. Gewöhnlich lassen die Leute, die einmal angefangen haben, an diesem Steine zu laborieren oder die Kunst »Gold zu machen« finden wollen, nicht eher davon ab, als bis sie ihr ganzes Vermögen zerschmolzen und durchs Feuer in die Luft gejagt haben. Habt Ihr nun Lust, das Eurige auch zu verjagen? Und was ist es mit Eueren guten Vorsätzen? Ihr habt doch dem Aberglauben feierlich abgeschworen?«

»Nein, nein,« sagten sie, »wenn es sich so verhält und dabei der Aberglaube im Spiele ist, dann wollen wir mit der Sache nichts zu tun haben; denn unseren guten Vorsätzen wollen wir niemals mehr untreu werden?«

Hoch befriedigt über diese treuherzigen Worte schickte der ehrwürdige Priester seine Pfarrkinder wieder heim.

Und die Finsterthaler hielten getreulich ihr Wort: sie schickten den Betrüger zu seiner sehr großen Enttäuschung wieder fort und arbeiteten von nun an desto fleißiger auf ihren Ackern, Wiesen und in ihren Werkstätten; und sie merkten gar bald, daß der Mensch, der auf Gott vertraut, auch mit seiner Arbeit Glück hat und so wahrhaft glücklich und zufrieden ist. Das wollen auch wir uns ins Stammbuch schreiben mit dem Vers:

Arbeit und Fleiß, das sind die Flügel,
Die führen über Strom und Hügel.


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