Ludwig Tieck
Wunderlichkeiten
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Am andern Tag fuhr in einem zierlichen Wagen der Maler Reishelm vor das große Haus, welches der Prinz Xaver bewohnte. Er stieg ab, sendete den Wagen zurück, zog die Glocke und das große Thor öffnete sich. Eduard Winter guckte von seinem Fenster herab, der Maler begab sich nach der Treppe, indem er leicht und freundlich den jungen Mann im Vorbeigehen begrüßte. Plötzlich kehrte er um, und da das Fenster schon wieder geschlossen war, rief er: Portier! Niemand ließ sich sehen, er wiederholte also den Ausruf, und da sich Niemand zeigte, zog er den innern Glockenzug. Mit der Nachtmütze auf dem Haupte warf sich 247 jetzt der junge Mann mit halbem Leibe aus seiner Loge und schrie laut: Der Teufel ist Ihr Portier! Ich bin Ihr Schüler, Sie erhabner Farben-Mischmasch, und so können Sie mich »Eduard!« oder »Winter!« oder »Hundejunge!« rufen, oder wie Sie wollen, Zögling, Schüler, Genie, Affengesicht oder Maulaffe mich nennen, denn alles dies bezeichnet meine Abhängigkeit von Ihnen, oder Vertraulichkeit; so können Sie mich Du, Er, Sie, Ihr, tituliren – aber Rache sei Ihnen geschworen, ewige, unbegrenzte, wenn ich das »Portier« noch ein Mal aus Ihrem Munde vernehme.

Schon gut, schon gut, Eduard, sagte der Maler; ich bitte, das Packet, welches für mich kommen wird, an sich zu nehmen; ich werde es, wenn ich wieder wegfahre, meinem Bedienten übergeben. Haben Sie die Güte, Herr Winter, denn es möchten zerbrechliche Sachen in der Schachtel seyn.

So gehört es sich, antwortete Eduard. Ich werde es mir zur besondern Ehre rechnen, die Sachen, die dem größten Künstler unseres Jahrhunderts angehören, unter mein wachsamstes Auge zu stellen. In allen Angelenheiten haben Sie nur über Ihren unterthänigsten Diener zu befehlen.

Der Maler zog den Hut ab und ging lachend die Treppe hinauf. Er hat doch Ambition, sagte er zu sich selbst, vielleicht kann noch etwas aus ihm werden. Oben war im geräumigen Zimmer schon Alles zum Malen eingerichtet, das Fenster auf die gehörige Art verhängt und die Staffelei aufgestellt. Auch das junge Frauenzimmer erschien, dessen Portrait von dem geschickten Künstler gefertigt werden sollte. Maria war nicht mehr in der ersten Jugend, aber schön und edel gebaut, ihr braunes Auge war ausdrucksvoll, ihr Lächeln reizend, und wenn sie sprach, war ihre Physiognomie anmuthig belebt. Ihre Stellung im Hause des Fürsten war so unbestimmt, daß sie ebensowol für eine Freundin als 248 Dienerin gelten konnte. Die Gemahlin Xavers, die Fürstin Adelaide, war mit ihr in vertrauten Stunden wie mit einer Schwester, und sie würde das verständige Wesen auch in Gesellschaft noch mehr ausgezeichnet und herzlicher behandelt haben, wenn manche der stolzen Verwandten nicht einen Anstoß daran genommen hätten, wodurch der stille, leutselige Fürst, der gern mit aller Welt in Frieden lebte, veranlaßt wurde, seine Gemahlin zuweilen zu ermahnen, daß sie sich weniger hingeben und auf ihren Stand und ihre Stellung zur Welt mehr Rücksicht nehmen sollte. Die Fürstin fügte sich nur ungern diesen Einschränkungen, weil sie nicht bloß in der Einsamkeit des Zimmers oder auf dem Lande ihrem Herzen folgen wollte und ihre junge Freundin wirklich eben so sehr achtete wie liebte. Genoß Maria dieses Vorzuges, so traf es sich auch wohl, daß sie einer Demüthigung ausgesetzt war, wenn der stolze Graf, der Schwager des Fürsten, ihr einmal in den Zimmern begegnete, denn er gab sich ganz die Miene, sie als eine Kammerjungfer zu behandeln. So ward das Glück, welches die Arme in diesem großen Hause genoß, ihr zuweilen auf empfindliche Art verkümmert.

Sie setzte sich jetzt so, wie es der Maler von ihr verlangte, und indem das Licht auf das schöne volle Antlitz fiel, rief der Künstler aus: O wenn doch ein Titian dieses frische, edel belebte Angesicht jetzt auf die todte Leinwand hinfärben könnte! Meine Kunst ist viel zu schwach, diese Reize wiederholen und nachschreiben zu können. Bedenke ich nun vollends, daß dieses Brustbild wahrscheinlich für einen entzückten Liebhaber und Bräutigam bestimmt ist, so möchte ich vollends verzweifeln.

Sie fangen mit Schmeicheln an, erwiederte Maria, wahrscheinlich um mir so die beste Stimmung zu erregen, wie Sie glauben, und mich zum freundlichsten Ausdruck zu 249 zwingen. Indessen kann ich Sie versichern, daß Ihre Voraussetzung eine falsche ist, denn mein Bildniß ist edlen Freunden bestimmt, in deren Andenken ich gern fortleben möchte.

Die Fürstin trat herein, um den Maler arbeiten zu sehen und ihrer Freundin Gesellschaft zu leisten. Indem die beiden Frauen so malerisch neben einander saßen, konnte der prüfende Künstler sich nicht entscheiden, welche er für die schönere halten sollte. Das Angesicht der Fürstin war feiner und gleichsam durchsichtiger; die blässere, zartere Wange war nur mit einem leichten Rosenschimmer wie überflogen; der Mund war unendlich lieblich und von einem beinah stehenden melancholischen Lächeln umspielt. Das klare blaue Auge war von langen dunkeln Wimpern beschattet, was dem durchdringenden Blicke einen süßen Zauber gab. O wie glücklich würde ich seyn, rief der entzückte Maler aus, wenn ich diese beiden Gestalten, so schwesterlich vereint, in diesem lieblichen Contraste, einmal zeichnen und malen dürfte!

Das könnte sich ja wol fügen, erwiederte die Prinzeß; ich wünsche es selbst, so im Bilde wie im Leben mit meiner holden Freundin verbunden zu seyn.

Maria küßte ihr die Hand, worüber der Maler unzufrieden war, welcher bat, bei dieser ersten Sitzung die Stellung nicht zu verändern. Jetzt trat auch der Fürst mit leisen bedächtigen Schritten in das Zimmer und lehnte sich über den Stuhl seiner Gemahlin. Unser Freund Reishelm, begann Adelaide, wünscht, mich auf ein zweites Bild, so wie wir hier sitzen, zu bringen. Wäre es Ihnen, Fürst, nicht auch erfreulich?

Das blasse ernste Gesicht Xavers verfinsterte sich, indem er diesem Vorschlage nachsann. Kann seyn, sagte er endlich mit zögerndem Ton, indem er die Hand von der Lehne des 250 Stuhles zurückzog und sich in einen Armsessel niederließ; es würde sich artig ausnehmen, nur wäre es mir erfreulich, wenn Sie etwa dann Beide als Schäferinnen oder Gärtnerinnen gekleidet erschienen. Das Allegorische oder Verblümte ist immer unter solchen Umständen das Schicklichste. Ein solches Gemälde erhält auch dadurch einen poetischen Werth, weil man es sonst, ohne derlei Zuthat, leicht für Familienbildniß nehmen könnte.

Maria wurde roth und die Fürstin war verstimmt. Der Maler, welcher die Verhältnisse kannte, erzählte mit geläufiger Zunge einige Stadtneuigkeiten und ging dann zu lustigen Anekdoten über. Von diesen war der Fürst, ob er gleich niemals lachte, ein großer Freund. Der Maler, der in der Stadt berühmt war, daß er das Talent besitze, das Komische gut vorzutragen, und dessen treffliches Gedächtniß eine Unzahl von Schwänken und Seltsamkeiten aufbewahrte, war auch deshalb vom Fürsten sehr geliebt. So schwatzend und malend verging die Zeit, und das Gesicht Xavers, das von Natur einen finstern Ausdruck hatte, wurde mit jeder Minute mehr erheitert.

Als der Maler anfing, von einem merkwürdigen Diebstahl zu erzählen, der die Stadt seit einigen Tagen in Bewegung setzte, rief der Fürst: Nein! Freund! sprechen wir nicht von dergleichen Gegenständen. Seit, jetzt wird es etwas über ein Jahr seyn, der kostbare Schmuck meiner Gemahlin auf so unbegreifliche Art entwendet wurde (ein Verlust, den ich immer noch nicht verschmerzen kann), mag ich von solchen Geschichten nichts mehr wissen und hören. Nicht allein, daß ein unschätzbares Gut unsers Hauses verloren gegangen ist, habe ich auch den Verdruß erleben müssen, daß man dem Uebelthäter niemals auf die Spur gerathen ist.

Wir müssen es vergessen, sagte die Fürstin, und ich 251 habe mich dessen schon seit lange entschlagen. Auch schien es Ihnen, mein Gemahl, damals selbst eine Gewissenssache, dem Raube zu gründlich nachzuforschen.

Ja wohl, meine Geliebte, sagte der Fürst mit einem Seufzer; ich war dazumal in eine seltsame, mir jetzt unbegreifliche Gemüthsstimmung versetzt. Theils Ihre Bitten, theure Adelheid, da Sie bei Ihrer zu weichen Stimmung eine Entdeckung beinahe zu fürchten schienen, theils das Einreden meines Beichtvaters, eines zu frommen Mannes, brachten mich dahin, die Untersuchung nach einiger Zeit fallen zu lassen. An diesem Schmuck, den ich von meiner Mutter erbte und den ich Ihnen bei unsrer Verlobung überreichte, nachdem er neu gefaßt war, an diesen herrlichen Juwelen, die Ihre Schönheit noch glänzender heraushoben, hing mein menschlich thörichtes Herz zu sehr, und dies wollte mir nun eben jener fromme Mann zur Sünde machen. Er sei mir, so legten wir es uns aus, entrissen worden, daß er mich nicht noch mehr verstricke und meine Seele dem Heil entfremde; auch ohne mein Nachforschen würde jener Räuber und Sünder offenbar werden, und ich erhielte, wenn mein Gemüth sich erst geläutert und vom Irdischen mehr abgezogen hätte, den Schmuck alsdann von selbst zurück. Auch meine fromme Gemahlin bestärkte mich in dieser Ansicht, sie, die in zu großer Weiche schon vor dem Gedanken zitterte, daß der Entwender gestraft werden könne.

Die Sache hatte schon zu viel Aufsehen gemacht, sagte Adelheid, und ich war erst beruhigt, seitdem man sie zu vergessen anfing.

Doch bin ich bei jedem großen Hoffeste gekränkt, erwiederte Xaver, wenn ich Sie in dem gewöhnlichen Schmucke sehen muß; denn wahrlich, den vorigen verlorenen werde ich 252 niemals wieder auf irgend eine Weise ersetzen können. Er war fürstlich, königlich.

Sehr wahr, antwortete Adelheid, darum hat ihn mir auch manche Prinzeß beneidet. Es schimmerte wohl bei manchen hohen Damen eine kleine Schadenfreude durch die betrübte Miene, als sie mit mir den Verlust beklagen und mich trösten wollten.

Ein großer Mann trat jetzt mit einiger Heftigkeit durch die schnell aufgerissene Thür. Ah! mein lieber Bruder! rief die Fürstin aus: so unerwartet schon von Deiner Reise zurück?

Ja, geliebte Schwester, sagte der Eintretende, indem er den Fürsten umarmte; ich höre, Du lässest Dich malen, und stürme deshalb so ungemeldet herein. – Er stellte sich dem Maler zur Seite. Aber nein! rief er überrascht; es ist ja nur die Mamsell! Ei, die Jungfer lassen sich von unserm trefflichen Reishelm portraitiren. Oder ist es ein Studium, Professor, welches Sie machen wollen? Auch an hübschen Grisetten ist immer etwas zu lernen.

Mein Bruder, sagte die Fürstin, Maria sitzt dem Herrn, weil ich sie darum ersucht habe; denn ich wünsche ihr Bildniß zu behalten, wenn sie einmal unser Haus verlassen sollte.

Wie so? sagte der Graf; geht sie in einen andern Dienst? Sollte sie irgend eine Ursach haben, hier unzufrieden zu seyn?

Maria war abwechselnd bald roth, bald blaß geworden.

Jetzt stürzten ihr die Thränen aus den Augen, und mit einem lauten Seufzer, der ihrem beklemmten Herzen Luft machen sollte, stand sie auf, verbeugte sich, indem sie zitterte, vor dem Fürsten und ging mit schwankenden Schritten in ein anderes Zimmer. Jetzt erhob sich auch die Prinzeß und 253 sagte bloß zum Bruder, dem sie einen bedeutenden Blick zuwarf: Auf Wiedersehen! Der Maler legte die Palette in sein Kästchen und empfahl sich. Unten im Thorwege rief er: Herr von Winter! Eduard guckte angekleidet schnell aus seinem Fenster herunter und sagte sehr höflich: Ei! zu viele Ehre, mein gnädiger Herr und berühmtester Kunstpatron, ich werde Ihnen gleich das angekommene Packet überreichen. – Nehmen Sie vielmehr dies Kästchen, mein lieber Eduard, sagte der Maler freundlich, und geben Sie beides meinem Bedienten, den ich senden will. – Er lernt Manieren, sagte der junge Mensch, er fügt sich und gewiß soll er mich, er mag wollen oder nicht, zu einem großen Maler machen.

Im Zimmer oben sahen sich Prinz Xaver und der Graf lange schweigend an. So ist es also wahr? Es ist dahin gekommen, daß man mich, mich, einem Dienstboten aufopfert? Je älter meine Schwester wird, je unwürdiger behandelt sie mich. Und Sie dulden das?

Lieber Bruder, sagte Prinz Xaver verlegen und stotternd, erlauben Sie mir, zu bemerken, daß Sie den Streit fast geflissentlich aufsuchen. Meine Gemahlin achtet, liebt und verehrt Sie, wie es der Schwester zum älteren Bruder geziemt, – Sie verlangen aber, daß sie im Innern ihres Hauses sich nach Ihnen und Ihren Grundsätzen geniren soll. Sie verletzen ein Frauenzimmer, das von guter Familie ist, wenn auch bürgerlich entsprossen, welches Adelheid gern hat, sie liebt und immer wie eine Freundin behandelt. Sie hat Ihnen schon in so weit nachgegeben, daß sie dieselbe allen größern, besonders den förmlichen Gesellschaften entzieht, aber im eignen Hause und Zimmer darf sie doch vertraut mit ihr umgehen.

Vertraut! das ist es eben, rief der verstimmte Graf. Hat meine Schwester nicht Tanten und Cousinen? Drängen 254 sich nicht die Vornehmsten und Edelsten zu ihr? Sie darf nur wählen. Das ist aber die neue Art und Weise, die immer mehr überhand zu nehmen droht, daß der Vornehme und Adelige sich mit dem Bürgerlichen gemein macht: und dieser dankt es jenem nicht, sondern wird unverschämt, und sucht, wenn erst eine Schranke überstiegen ist, alle zu überspringen.

Sie mögen nicht Unrecht haben, Graf, antwortete der Prinz; ich kann aber gegen meine Gemahlin, die ich hoch verehren muß, nicht den Tyrannen spielen. Und, ich muß es selbst gestehen, ist diese Marie nicht schön, wohlgesittet, von feinem Betragen, mißbraucht sie je die Güte und das Vertrauen meiner Gattin? Ist sie nicht bescheiden, sanft und verständig? Was können Sie nur gegen sie haben?

Das mag Ihnen Alles so vorkommen, sagte der Graf mit scharfem Ton, es mag sich selbst Alles so verhalten, aber ich kann sie nicht leiden.

Sie können sie nicht leiden? Aber Ihre Gründe?

Ich habe gar keine Gründe, aber sie ist mir unausstehlich. –

Ei! ei! sagte der Prinz und klopfte dem Schwager leise auf die Schulter, Sie sind sonst kein Feind der schönen Mädchen, so wenig wie es Ihr Herr Vater war. Nicht? Gestehen Sie! Sie sind von unserm Mariechen wohl einmal abgewiesen worden? Denn sie hält streng auf ihre Tugend.

Welche Gedanken! sagte der Graf unwillig, und fühlte, wie eine leise Röthe über seine Wangen zog. Solch Mißtrauen möchte mich fast gegen Sie argwöhnisch machen. – Er lachte auf gezwungene Weise.

Herr Schwager! sagte der Prinz kurz und heftig, indem das magere blasse Gesicht voller Runzeln war und 255 die schwarzen Augen leuchteten: das kann unmöglich Ihr Ernst seyn.

Bitte, bitte um Vergebung, sagte der Graf fast demüthig; ich vergaß in einem Augenblick, daß Ihre streng geprüfte Tugend, Ihre wahre Frömmigkeit auch nicht den leisesten Scherz über diese Gegenstände duldet. Ich bin ein armer Sünder gegen Sie und bekenne mich als solchen. Aber auf jene Marie zu kommen, – glauben Sie mir nur, denn unmöglich kann mein Gefühl sich so sehr irren, – daß Sie es Beide noch einmal bereuen werden, Ihre Güte und Ihr Vertrauen so weggeworfen zu haben. Dies braune Auge der Person, welches so Viele schön finden wollen, ist mir unerträglich stechend und hinterlistig; ich lese Betrug und Lüge in diesem dreisten Blick, der sich immer vergeblich bestrebt, scheu und sittsam zu seyn. Dann ihre Art zu horchen, aufzulauern; der höhnische Mundwinkel dieser etwas zu vollen Lippen, das eigne Nasenrümpfen, das ich noch bei keinem Menschen in dieser Art gesehen habe. Und am ärgsten treibt sie alles dies, wenn einmal die vornehmsten Personen zugegen sind. Sie erhält Briefe, Packete, kein Mensch weiß woher; sie verschickt andere – Sie fragen nicht, wohin? Sie lebt wie eine Fürstin in Ihrem Hause, ganz unabhängig, und Sie, und selbst meine Schwester dürfen nach ihren auswärtigen Verbindungen nicht einmal fragen. Schickt sich das für ein abhängiges Wesen? – Sehen Sie, Prinz, so hätte ich Ihnen bei alle dem Gründe genug angegeben, warum mir diese Person fatal ist.

Nur ein Liebhaber oder ein Feind kann so scharf beobachten, sagte Xaver; doch bitte ich noch einmal, wie ich es schon öfter that, mäßigen Sie sich, um Ihrer Schwester Willen. Als ich vor sechs Monden etwa, auf Ihr Ansuchen, mein Bruder, meiner Gemahlin vorschlug, die arme Gräfin 256 Betty, die entfernte Cousine, als Gesellschafterin zu uns zu nehmen und Marien zu entlassen, da machte mir Adelheid eine Scene und eine Erschütterung, wie ich sie noch niemals erlebt habe. Darum stehen Sie ab von dieser Verfolgung, denn Sie gewinnen damit nichts und kränken nur Ihre Schwester. Es muß Ihnen, als einem erfahrenen Manne, ja auch einleuchten, daß Adelheid vielleicht ihre Marie nur um so mehr beschützt, je mehr sie von Ihnen und andern Verwandten verfolgt wird.

Kann seyn, brach der Graf kurz ab und entfernte sich mit kalter Begrüßung. Der Prinz ging, um seine Gemahlin aufzusuchen.

Diese war indessen in Sorgen um die schwer gekränkte Marie und suchte diese durch Liebkosungen zu trösten und zu beruhigen. Marie hatte es tief gefühlt, wie sie sagte, daß ihre Beschützerin zu einer Nothlüge ihre Zuflucht habe nehmen müssen, daß sie das Bildniß für sich malen lasse. Nein, ich muß fort, rief sie aus, je mehr Gnade, Güte, ja Freundschaft und Liebe Sie mir beweisen, um so mehr muß ich mich gedemüthigt fühlen. Und soll ich den Zwist in Ihrer Familie begründen? Es muß doch einmal dahin kommen, daß ich aufgeopfert werde; also jetzt geschehe es, je früher je besser, denn unmöglich können Sie sich Ihrem leiblichen Bruder entziehen.

Trockne endlich Deine Thränen, sagte die Fürstin tröstend; Du siehst, wie ich Dich liebe, wie mein Gemahl Dich achtet. Du selbst sagtest, das Bild wäre für Freunde bestimmt; warum sollen wir nicht diese seyn? Und so war meine Erklärung ja keine Nothlüge und Unwahrheit.

Von meiner Seite doch, gnädige Frau, rief Maria aus; ja! denn, meine angebetete Freundin, Sie müssen es 257 erfahren: ich bin so gut wie versprochen und dieses Bildniß war für meinen Geliebten bestimmt.

Himmel! sagte die Prinzessin, was muß ich hören? O Maria, das fällt mir schwer wie ein Stein auf das Herz. Du mir entrissen? Du verheirathet? Sonderbar, daß ich diesen Gedanken bis jetzt niemals habe denken können! Die Möglichkeit ist mir nicht eingefallen. Aber, Liebste, – doch kein Unwürdiger? Keiner aus der armen und niedern Volksclasse? Doch kein Roher aus den höhern Ständen? Wer? Sprich! meine Neugier wird bis zur Angst gesteigert.

Als Zeichen Ihrer Gnade, sagte Marie, als Beweis Ihrer Huld und Freundschaft, beschwöre ich Sie, Verehrteste, gönnen Sie mir noch einige Tage mein Geheimniß. Wenn ich es entdecken darf, werden Sie gewiß meine Wahl billigen. Nur, um des Himmels Willen, keinen Wink davon Ihrem Herrn Gemahl oder irgend einem Menschen. Auf den Knieen möcht' ich Sie bitten.

Thörichtes Kind, sagte die Fürstin lächelnd, ich verspreche Dir, weder zu forschen, noch einem Andern davon zu sagen. Aber, Dich verlieren – bleibst Du in dieser Stadt?

Bitte! sagte Marie mit flehender Geberde und die Fürstin brach schnell ab, indem ihr Gemahl feierlich hereintrat. Dieser näherte sich Beiden und gab Marien die Hand, indem er sagte: Vertrauen Sie uns, liebe Marie, wir werden Sie schützen, es mag Ihnen zu nahe treten, wer es auch sei. Ja, geliebte Adelheid, ich habe so eben Ihrem Bruder sein Unrecht verwiesen, und ich hoffe, ich habe in Ihrem Sinne gehandelt. Er wird gewiß ein ander Mal vorsichtiger seyn, und deshalb, Marie, lassen Sie allen Kummer fahren, denn Sie sind in meinem Hause, meine Gemahlin ehrt und liebt Sie, und Sie stehen, als eine Person, die 258 unser volles Zutrauen verdient, unter meinem unmittelbaren Schutze.

Marie wollte die dürre feine Hand in dankbarer Rührung an ihre Lippen drücken, welches der Prinz aber nicht zuließ, sondern, fast zärtlich ihre Finger streichelnd, diese betrachtete, ihr dann die andere Hand, beinah wie segnend, auf das Haupt legte, sich zierlich verbeugte und dann das Zimmer verließ, indem er seiner Gemahlin den Arm bot und sie mit einiger Feierlichkeit in den Speisesaal führte. Marie folgte ihnen nachdenkend.



 << zurück weiter >>