Moritz August von Thümmel
Wilhelmine's Werdegang
Moritz August von Thümmel

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Der glücklich angelangte Magister fand seine berostete Pfarre zu einem Palaste verwandelt, als er hineintrat. Ein Dutzend Bediente seines gnädigen Gönners hatten in seiner Abwesenheit die herkulische Arbeit unternommen, Stuben und Kammern zu säubern, und in der Küche herrschte ein ansehnlicher Koch, dessen eigensinnige Befehle tausend Geräte verlangten, deren Namen noch nie in diesem Dorfe waren gehört worden. Seine donnernden Flüche flogen in der Küche herum, daß der erschrockene Pfarrherr mit einem Schauer vorbeiging, sich in sein ruhiges Museum setzte, und das Gesangbuch zur Hand nahm. Als ein Fremdling in seiner eigenen Behausung, getraute er sich nicht jetzt von dem vornehmen Koche etwas zu essen zu fordern; lieber versäumte er das Mittagsmahl, und tröstete sich politisch mit dem fröhlichen Souper.

Die dritte kritische Stunde des Nachmittags brach an, und lud durch ihren Glanz den Neid des ungebetenen Superintendenten und aller Amtsbrüder auf den Hals des armen Verlobten. Strenge dich an, Muse! und hilf mir das Gewühl der Vornehmen beschreiben, die sich jetzt in das Haus des Pfarrherrn sammelten. Zuerst erschien der lackierte Schlitten des Hofmarschalls, an der Spitze vieler andern. Vier deutsche Hengste, chinesisch geschmückt, zogen ihn, und ein vergoldeter Jupiter regierte den schnurrbärtigen Kutscher. – Ein musikalisches Silbergeläute hüpfte auf dem Rücken der Pferde, indem unter ihren stampfenden Füßen die fröhliche Erde davonflog. Schon von ferne erkannte der zitternde Pfarrherr seinen Gönner, und an seiner Rechten die geputzte Braut. Mit unbedachtsamer Höflichkeit ging er dem fliegenden Schlitten entgegen – aber sein wilder Führer schwenkte die knallende Peitsche und wendete mit seinen vier Schimmeln im vollen Trabe um, daß der Magister, mit verzerrtem Gesichte, eilig wieder zurücksprang. Mit majestätischem Anstande stieg nun die einnehmende Wilhelmine von dem samtenen Sitze, und da verriet sich zugleich auf einige süße Augenblicke für den entzückten Bräutigam ihr kleiner vorgestreckter Fuß bis an die Höhe des seidenen Strumpfbandes, auf welchem mit Pünktchen von Silber ein zärtlicher Vers des Voltaire gestickt war; ach wohin weiß doch nicht ein französischer Dichter zu schleichen! Gesteht es nur, ihr Deutschen! Bis dahin ist noch keiner von euern größten Geistern gedrungen. Sobald sie ausgestiegen war, umrauschte ein buntfarbiger Stoff diese verdeckten Schönheiten. Eine schneeweiße türkische Feder blähte sich auf ihren gekräuselten Haaren, und bog sich neugierig über ihren wallenden Busen, der unter den feinen Spitzen aus Brabant hervorblickte, wie der volle Mond hinter den Sprößlingen eines jungen Orangenwäldchens. Nach ihr sprang der ansehnliche Hofmarschall unter die Menge der erstaunten Bauern, die heute Arbeit und Tagelohn vergaßen, um das Fest ihres Hirten zu begaffen. Ein gewässertes Band hing schief über dem lazurblauen Samte seines Kleides; und der milde Einfluß seines Gestirns zeigte sich auf allen Gesichtern, und nötigte dem unhöflichsten Drescher den Hut ab. Alle Blicke wandten sich jetzt einzig auf den gestempelten Herrn – nicht einer fiel mehr auf Wilhelminen. Diese werden wir noch oft, dachten die Bauern, als Frau Magisterin bewundern, aber einen Hofmarschall sieht man nicht alle Tage. So vergißt man das alles bescheinende Licht des Olymps, wenn eine seltene Nebensonne erscheint, die plötzlich entsteht und verschwindet.

Ein anderer Schlitten, unter dem Zeichen des Mars, der (eine seltsame Erfindung des witzigen Bildhauers) auf einem Ladestock ritt, lieferte zwei aufgedünstete Müßiggänger am Hofe, Kammerherren genannt. Einst hatten sie in ihrer Jugend als hitzige Krieger einen einzelnen furchtsamen Räuber verjagt, und sich und dem geängstigten Prinzen das Leben gerettet. Zur Belohnung hatten sie sich dieses untätige Leben erwählt, genossen einer feistmachenden Pension, erzählten immer die große Tat ihres Soldatenstandes – und gönnten gern ihre lärmende Gegenwart einem jeglichen Schmause. So lebten einst die Erhalter des Kapitols, jene berühmten Gänse, von den Wohltaten der dankbaren Römer; ohne Furcht, geschlachtet zu werden, fraßen sie den ausgesuchtesten Weizen von Latiums Feldern, für einen wichtigen Dienst, den eine jede andere schnatternde Gans mit eben der Treue verrichtet hätte. Der flüchtige Merkur und vier schnaubende Rappen brachten die pygmäische Figur eines affektierten Kammerjunkers gefahren. Stolz auf einen eingebildeten guten Geschmack, ersetzten seine reichen Kleider den Mangel seines Verstandes. Zuversichtlich besah er heut eine glänzende Weste, die, wie die weiße Wamme eines drolligen Eichhörnchens, unter seinem rotplüschenen Rocke hervorleuchtete; und fröhlich dachte er an die Verdienste der weit kostbarern zurück, die sich noch in seiner Garderobe befanden. Ein paar blitzende Steinschnallen und eine Dose von Saint-Martin erschaffen, waren ihm das, was einem rechtschaffenen Manne ein gutes Gewissen ist – sie machten ihn zufrieden mit sich selbst, und dreist in jeder Gesellschaft. Jetzt lief er gebückt in die Pfarre hinein; gebückt, als ob sein kleiner Körper befürchtete, an die altväterische Haustüre zu stoßen, die gotisches Schnitzwerk verbrämte. Nun aber kam unter der Anführung einer gefälligen Minerva ein einzelner vernünftiger Mann gefahren, der, wenig geachtet von den Weisen des Hofs, den Befehlen seines Herzens mit strengem Eigensinne folgte. Nie erniedrigte er sich zu der Schmeichelei, und nie folgte er der Mode des Hofes, die das Hauptlaster des Fürsten zu einer Tugend erhebt, und durch Nachahmung billigt. Vergebens – (konnte es wohl anders sein?) hoffte er in diesem Getümmel ein nahes Glück, hier wo man nur durch seine Ränke gewinnt, und wo die Blicke der Großen mehr gelten, als ein richtiger Verstand und Tugend und Wahrheit. Er war es, der Wilhelminen zuerst mit glimpflichen Worten vor der weiten Gefahr warnte, in die ihr Leichtsinn und die verjährte List eines wollüstigen Hofs ihre Jugend verwickelte, der ihr zuerst den Gedanken erträglich und wünschenswert machte, wiederum die heitere gesundere Luft ihres Geburtsorts zu atmen. Mit innerer Befriedigung sah er, daß der heutige Tag seine Bemühung krönte und dieses frohe Gefühl beschäftigte ihn einzig in dem Taumel einer törichten Gesellschaft. Ungern sah ihn der Hofmarschall in dem Kreis seiner Lust. – Er aber ertrug ungekränkt diese ehrende Verachtung und gab sich gern einem unruhigen Tage preis, um ein verirrtes Mädchen in einer glücklich entschlossenen Tugend zu stärken. Zischt ihn aus – ihr Lieblinge und Weisen des Hofs! Was helfen ihm alle seine Verdienste? Daß sie einst vielleicht in Stein gehauen, auf seinem Grabmale sitzen und weinen? O wie töricht! den Geboten des Himmels zu gehorchen, wo ein Fürst befiehlt, und auf dem einsamen Wege der Tugend zu wandeln, wo noch kein Hofmann eine fette Pfründe erreicht hat. Wenn eine falsche schwankende Uhr des Stadthauses den Vorurteilen der Bürger gebietet, so betrügt uns oft unsere wahre Kenntnis der Zeit um ihren Gebrauch: denn hier, wo ein jedes dem allgemeinen Irrtume folgt, den eine summende Glocke ausbreitet, und die entfernte Sonne für nichts achtet, was hilft es hier dem gewissen Sternseher, daß er sich alleine nach ihren Befehlen richtet – und den Wahn der Stadt verlacht – und seine Stunden nach der Natur mißt? Mit allen seinen Kalendern wird er bald sein Mittagsmahl – bald den Besuch bei seiner Geliebten und den Torschluß versäumen.

Zwei würdige Gesellschafter beschlossen den Einzug in einem alten Schlitten, den ein unscheinbares Bildnis beschwerte. – Ob es einen nervigten Vulkan oder einen aufgeblähten Midas vorstellte, war für die Kunstrichter ein Rätsel. Ein halbgelehrter Patritius, ehemaliger Hofmeister des Marschalls, an Stande, so wie an Wissenschaft, weder Pferd noch Esel – nahm die eine Hälfte des bretternen Sitzes ein, und auf der andern saß ein graugewordener Hofnarr, der mühsam den ganzen Weg hindurch auf Einfälle dachte, in Versen und Prosa, die hohe Gesellschaft zu erlustigen: aber sein leerer Kopf blieb ohne Erfindung. Oft weinte der Arme, daß sein Alter ihm das Ruder aus den Händen wand, das er solange glücklich regiert, und um welches sich jetzt der fürstliche Läufer, der Oberschenk und eine dicke Tirolerin rissen.

Niemand ward mehr erwartet, als die junge Komtesse. Der Hofmarschall stand unbeweglich an dem offenen Fenster, und seine feurigen Blicke fuhren, durch ein ungeduldiges Fernglas, auf den Weg hin, wo die schöne Clarisse herkommen sollte. Wimmernd rang der angstvolle Magister die Hände, und versicherte ohn' Aufhören dem argwöhnischen Hofmann: »Die junge Dame werde gewiß kommen. Ach! sagte er, sie hat mir ja mit der aufrichtigsten Miene versprochen, meine schwere Bedingung erfüllen zu helfen, und sie wird mich gewiß nicht in meinen Nöten verlassen.« Unterdessen war auch schon der teure Mann angelangt, der dies Brautpaar fester verbinden sollte. Auf dem benachbarten Dorfe, wo niemand die Reizungen einer Wilhelmine kannte, hatt' er von den drei Seiten seiner hölzernen Kanzel trotzig gefragt: Ob jemand wider das Aufgebot seines Freundes etwas einzuwenden hätte? Und dreimal hatt' er die Verleumdung mit diesen mächtigen Worten gebannt: Der schweige nachmals stille! Sein frommfarbigter Mantel bedeckt' ein wildes Herz; ohne Neigung war er ein Geistlicher, und in diesem gezwungenen Stande ward er selbst in einem Amte mager, das seit dreihundert Jahren die Schwindsüchtigen fett gemacht hatte. Mosheim und Gramern kannt' er nicht: er sprach aber gern von dem General Zieten und von dem lustigen Treffen bei Roßbach. Seine Bauern, wild wie er selbst, konnt' er lange nicht durch die Bibel bezähmen – aber es glückte ihm nach einer neuen Methode. Denn eh' er seinen Rednerstuhl bestieg, besah er sein florentinisches Wetterglas, und rief prophetisch alle die Veränderungen von seiner Kanzel, die es ihm ankündigte. Bald wahrsagte er der ungezogenen Gemeinde Regen und Wind in der Heuernte: bald aber beglückte er sie, zum Troste, mit einem warmen Sonnenschein in der Weinlese. Die gerührten Bauern bewunderten den neuen Propheten, besserten ihr Leben, und besetzten seitdem alle Stühle der Kirche. Nach einer lange gefeierten Pause – erschien endlich die erseufzte Göttin, köstlich in ihrem Schmucke, und wunderschön von Natur: und welch ein Glück für den Hofmarschall! ohne Gouvernante erschien sie. Die Furcht vor einem Hochzeitgeschenke hatte diese geizige Seele zurückgehalten; und die sonst nie von der Seite ihrer jungen Dame wich, überließ heute zum ersten Male den langbewahrten Schatz einem listigen Geliebten, der die Zeit zu gebrauchen weiß. Mit funkelnden Augen empfing er die Schöne, auf deren Wangen sich eine warme Röte verbreitete, da sie ihm die glassierte Hand reichte, die auch in dem Augenblicke zärtlich gedrückt war. Und nun war die ganze Bedingung erfüllt, die das Schicksal des armen Dorfpfarrers bestimmte. Die vornehme Versammlung begleitete ihn zur vollen Kirche, wo er durch ein vielbedeutendes Ja! vor der ganzen Gemeinde gesprochen, von seiner reizenden Braut alle die mystischen Rechte der Ehe, und das beschlossene Glück und Unglück seines gefesselten Lebens, mit Freuden empfing. Mit einer zurückhaltenden bescheidenen Miene empfing auch sie von seinen Lippen das Blankett der Liebe, worauf die eigensinnige Zeit ihre Befehle schreiben wird, die kein Tränenguß auslöscht. Ein geheimer Neid saß in den glatten Stirnen und in den Runzeln der weihlichen Gemeinde: aber die Männer blickten ihren beweibten Hirten mit lächelndem Mitleid an; denn die Erinnerung ihres ehemaligen glücklichen Traums, der heute auch über ihrem Pfarrherrn schwebte, – und das wache Bewußtsein ihres jetzigen Schicksals brachte ein ernsthaftes Nachdenken in ihre Gemüter. Und nun besaß der Beglückte seine Braut, die ihm kein Sterblicher wieder entreißen konnte. Nun hab' ich sie endlich erhascht, die fröhlichen Minuten, dachte er, die mir vier Jahre lang entwischt waren; und voll Empfindung seines Glücks, drückte er oft seiner angetrauten Wilhelmine die kleine Hand, und führte sie mit triumphierender Nase nach Hause. Aber ein wunderlicher unversehener Gedanke, der sich wider alles Vergnügen auflehnte, stieg jetzt aus dem klopfenden Herzen der armen Verlobten empor. – Ist dies nicht, seufzte sie bei sich selbst, das Leichengepränge deiner Schönheit? Klägliches Geschenk der Natur, das keinem weniger hilft, als der es besitzt! Was für unruhige Tage hast du mir nicht verursacht! und jetzt begräbst du mich sogar in einer schmutzigen Pfarre? Aber ihr weiser Freund und Ratgeber entdeckte kaum diesen unzufriedenen Gedanken in ihrem bekümmerten Gesicht, als er durch einen ernsthaften Blick gen Himmel geschlagen, ihr denselben verwies, sie mit ihrem Schicksal versöhnte, und ihr eine kleine tugendhafte Träne ablockte.

Ein mathematischer Fourier hatte indes die hochzeitliche Tafel geordnet. Ehe man sich setzte, bewunderte man seinen Geschmack in einer minutenlangen Stille, und faltete dabei die Hände. Schimmernder Wein, der, wie die Begeisterung der Liebe, nicht beschrieben, der empfunden werden muß, blickte durch den geruchvollen Dampf der teuern Gerichte, wie das Abendrot unter dem aufsteigenden Nebel hervor.

Jetzt ergriff der schimmernde Hofmarschall die warme weiche Hand der blauäugigen Wilhelmine, führte sie an die oberste Stelle der Tafel, und bat den dankbaren Magister, sich neben seine Göttin zu setzen, und nicht durch den Zwang eines Neuvermählten die Freuden der Tafel zu stören. Ach! wie gibt hier die veränderliche Zeit ihr Recht zu erkennen! Er, – der ehemals dem weinenden Pfarrherrn seine Geliebte entzog, gibt sie ihm jetzt bei einem freigebigen Gastmahle geputzt und artig wieder zurück, und macht ihm alle sein ausgestandenes Leiden vergessen. So überschickte einst der große Agamemnon seine Chriseis dem belorbeerten Priester des Apoll, die der königliche Liebhaber der väterlichen Sehnsucht lange Zeit vorenthielt. Prächtige Geschenke und eine Hekatombe mußten den Alten trösten, und seinen Gott versöhnen, und in hohen Tönen besang der Dichter der Ilias die Geschichte, wie ich jetzt die Hochzeit eines Magisters besinge.

Der Schmaus ging an! Ein köstliches Gericht verdrängte das andere, und Bacchus und Ceres tanzten um den Tisch her. Der freimütige Scherz, die feine Spötterei, und das fröhliche Lächeln, vertrieben unbemerkt die taumelnden Stunden des Nachmittags, und der Geist der Komtesse und des Champagners durchbrauste die fühlbaren Herzen der Gäste. Alles war munter und fröhlichen Muts. Nur der Magister und der Hofnarr, – immer in sich gekehrt, saßen unruhig an der frohen Tafel. Den einen überfiel bald ein theologischer Skrupel, bald ein Gedanke seiner künftigen Liebe; und der andere ängstete sich heimlich, daß es in seinem Gehirne so finster, wie eine durchnebelte Winternacht, aussah. Wie oft buhlte er vergebens um das belohnende Lächeln des Marschalls, und wie oft verfolgte sein schwerer Witz die flüchtigen Reden des lustigen Kammerjunkers! aber eh' er sie erreichte, waren sie von der Gesellschaft und von dem Redner selber vergessen, und mit Verdruß nahm er wahr, daß niemand seine Einfälle begriff, und alle seine witzige Mühe verloren ging. Ein alter hungriger Wolf schleicht so dem Fuchse nach, der unbekümmert durchs Gras scherzt, den verdrießlichen Räuber bald nach dieser, bald nach jener Seite hinlockt, und endlich doch seiner groben Tatze entwischt. Zur Erholung der gesättigten Gäste, deren immer sich anstrengender Witz manchmal schlaff zu werden begann, rief der kluge Hofmarschall den Verstand des sinnreichen Konditors zu Hilfe, der so oft seine Wirkung zeigt, wenn die langweiligen Reden des Fürsten seinen Hof einzuwiegen bedrohen – und – auf einmal reizt' eine überzuckerte Welt die weiten Augen der Gäste. Faunen und Liebesgötter und nackende Mädchen, in einem poetischen Brennofen gebildet, scherzten ohn' Aufhören im funkelnden Grase. In der Mitte entdeckte sich eine lachende Szene unter einer hohen arkadischen Laube, von ewigem Wintergrün. Die porzellane Zeit war es, die mit einer furchtbaren Hippe den zerbrechlichen Amor in der Laube herumjagte. – O, wie wird es ihm gehen, wenn er sich einholen läßt! denn der kleine lose Dieb hat der Zeit ihr Stundenglas listig entwendet, und schüttelt den Sand darinnen untereinander, worüber die hohe Gesellschaft sich innerlich freute. Ein voller Teller lustiger Einfälle, in buntem Kraftmehle gebacken, streute neues Vergnügen über die Tafel. Welche Vermischung von Dingen! Stiefel und Unterröcke, Ferngläser und Schnürbrüste, Kürasse und Palatins, Spiegel und Larven klapperten untereinander. Jedes öffnete eine Figur, die ihm das Ungefähr oder seine Neigung in die Hand gab; und die ausgewickelten Orakelsprüche wurden laut gelesen. Ein Putzkopf lieferte dem Hofmarschall eine feurige Liebeserklärung. – Lächelnd sah er seine gräfliche Nachbarin an, und überreichte ihr die bunten Lose. Sie ergriff einen Federhut, und las stotternd eine prophetische Beschreibung des verliebten Meineids ab. Furchtsam gab sie den Teller von sich. – Ein ungesalznes Epigramm auf den Hymen lag in einen Strohhut gehüllt und ward von dem Kammerjunker aus seinem Staube gezogen, und mit lautem Lachen ausposaunt. – Die lose Wilhelmine zerrieb eine Knotenperücke, die in Knittelversen den Kammerjunker würdig widerlegte. – Nach ihr ergriff, aus verliebter Ahnung, der Magister ein schneeweißes Herz, worin eine witzige 3 geätzt war. Bedächtig öffnete er es und fand diese wenigen Worte: Ich liebe einen um den andern. – Wer hätte es diesem falschen Herzen ansehen sollen, rief er voller Verwunderung, und klebte mühsam die beiden Hälften wieder zusammen. Alle noch übrige Devisen wurden von den beiden Kammerherren und dem Hofnarren zerknickt, die ganz still die noch verborgenen Schätze des Witzes für sich einsammelten, wie der Geizhals das wohlfeile Korn auf die teuern Zeiten der Zukunft.

Die verdrießliche Langeweile fing wieder an, den angenehmen Lärm der Gesellschaft zu unterdrücken, als der schlaue Hofmarschall es zeitig bemerkte, und ein frohmachendes Hochzeitgeschenk aus seiner Tasche hervorzog. Er wickelt' es aus dem umhüllten Papier, und ermunterte die übrigen Gäste seinem Beispiele zu folgen. Ungezwungen stellte er sich hinter den Stuhl der angenehmen Braut, und hing ihr ein demantnes Kreuz um, das an einem schwarzmoornen Bande zwischen dem schönen Busen hinunterrollte. – O, was für ein Bewußtsein durchströmt' jetzt die blutvollen Wangen der Schönen! Mit ungewisser Stimme dankte sie dem galanten Herrn. Lange konnte sie nicht ihre widerstrebenden Augen in die Höhe schlagen, und die unzeitige Scham brachte sie in eine kleine Verwirrung. Ein solches Gefühl durchdringt oft die treulose Brust eines Hofmanns, wenn sie nun zum ersten Male unter dem erteilten Ordenssterne klopft. Furchtsam glaubt er, die Gemahlin des Fürsten möchte das Verdienst erraten, das ihm dies Ehrenzeichen erwarb. Selbst den ihm unbekannten lakonischen Worten des Sterns traut er nicht, und er wird es nicht eher wagen, sich unter seinen Neidern zu brüsten, bis ihm sein trostreicher Schreiber die goldenen Buchstaben verständlich gemacht hat.

Was für köstliche Geschenke häuften sich nicht in dem Schoße der glücklichen Wilhelmine. – Spitzen und Ringe und Dosen und künstliche Blumen. – Ach, dachte da der Pastor, – ach! so viel Reichtum habe ich ja nicht in meinem zehnjährigen beschwerlichen Amte gesammelt – und wie wunderbar! als Herr seines Weibes dankt' er, – auch er! seinen großmütigen Gönnern für diese Geschenke. Man sah es an dem satirischen Lächeln der Gäste, wie gut seine fröhlichen Danksagungen angebracht waren.

 


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