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Marget

Eine Bauerngeschichte

Wenn man von Hirtlbach nach Gramling geht, liegt am Eingang des Dorfes rechter Hand das Matheisanwesen. Ein kleines Wohnhaus mit vier hochgelegenen Fenstern in der Front; zur Haustüre führt die Gred, eine Freitreppe, hinauf. Über der Türe ist in einer blau ausgemalten Nische ein Heiliger aus Sandstein und es wird wohl der Leonhardi sein, weil ein Gaul neben ihm steht.

Der beste Schmuck des Hauses ist aber seine Sauberkeit, die sich auch im geräumten Hofe, um Scheune und Stall bemerklich macht.

Ende der neunziger Jahre regierte beim Matheis eine Wittib, Apollonia Schmauß mit Namen, den aber kaum jemand im Dorfe kannte, denn für die Gramlinger hieß sie die Matheissin.

Ihr Mann war schon in die zehn oder zwölf Jahre tot und sie hatte mit zwei heranwachsenden Buben richtig gehaust.

Das Anwesen, etwa 60 Tagwerk groß, war schuldenfrei, und wenn es der Martin als der Ältere übernahm, konnte er seinem Bruder Hansgirgl ohne viel Beschwerden ein Elterngut von achttausend Mark hinausgeben. Das brachte ihm seine vorhabende Hochzeiterin, eine Tochter vom Sexer in Paindorf, doppelt und dreifach mit.

Und da wären wir schon mitten in den Angelegenheiten, um die es beim Matheis derzeit Kümmernisse und Verdrießlichkeiten gab.

Nämlich die Apollonia Schmauß war noch gut beieinander mit sechsundfünfzig Jahren, und wenn der Martin auf ihre Gebrechlichkeit hätte warten müssen, wär ihm die Zeit lang geworden.

Ein altes Weib und ein steinerner Grand, sagt man in Gramling und da umeinander, ist ein ewiges Werk.

Aber die Matheissin wußte wohl, daß ein Mensch mit nahezu dreißig Jahren zum Heiraten und Übernehmen reif war, und sie hätte sich nicht ungern zur Ruh gesetzt, wenn halt eines nicht gewesen wäre.

Der Martin war eigentlich nicht der Richtige für den Hof. Viel besser hätte der Hansgirgl hingepaßt, der in allem das Gegenteil von seinem Bruder war.

Schon äußerlich; ein bildsauberer, hochgewachsener Bursch, stark, flink, gescheit in der Arbeit und lustig und gutherzig.

Besonders wenn sie das letztere dachte, seufzte die Matheissin, denn vom Martin versah sie sich nicht lauter Schönes.

Der war ein nissiger Kerl, der die Laus um den Balg schinden konnte, und sicher einmal alles, was er im Austrag reichen mußte, mit Widerwillen und Zögern gab.

Zur Zeit, wo er noch nicht Herr war, nahm er sich freilich zusammen, aber man sah wohl, wenn er einen Zorn in sich hineinfraß, wie es in seinen Augen stand, daß er jede vermeintliche Kränkung mit Zinsen heimzahlen werde.

Und verdrossen war er von jungauf über die Gunst, die man überall, daheim und im Dorf dem Flachskopfeten, dem Hansgirgl bezeigte.

Die Mädel schauten ihm lieber nach und lachten – saudumm, sagte der Martin – wenn er ihnen bloß Grüß Gott zurief, aber auch die Bauern gaben ihm im Wirtshaus Bescheid und redeten gerne mit ihm, denn er verstand was von der Arbeit und vom Vieh und vor allem verstand er es, achtungsvoll zuzuhören und den älteren Leuten recht zu geben.

Und was war das selbigesmal für ein Getue gewesen, wie der Hansgirgl als schwarer Reiter in den ersten Urlaub gekommen war!

Wie die Hennen um einen Gockel waren die Weiberleute um den Flachskopfeten herumgetanzt, sagte der Martin, der mit seinem kurzen Fuß militärfrei geblieben war.

Überall stand ihm der Mensch im Weg, am meisten natürlich daheim.

War es doch, als hätte er anzuschaffen, so mausig machte er sich im Stall, wenn einem Gaul was fehlte oder eine Kuh krank wurde.

Immer redete er drein; das Misten war ihm nicht recht, Kunstdünger bestellte er, beim Anbauen war seine Meinung die richtige und es war sogar vorgekommen, daß er ihm, dem künftigen Herrn, Grobheiten machte, weil er die Ochsen mißhandelt habe.

»Mein Tag kommt noch,« dachte der Martin oft. »Wart nur, Bürschei, in der ersten Stund, wo ich den Hof hab, packst dein Glump z'samm und außi, sag i, du Herrgotts … du Schleicher, du falscher!«

Denn bei der Mutter verstand es der Flachskopfete, redete ihr nach dem Maul und tat ihr schön, und sie gab's ihm zurück mit Hansgirgl hin und Hansgirgl her. Wär's nicht so gegen Recht und Brauch und Herkommen gewesen, wer weiß, was geschehen wäre? »Dös is a Kreuz und koa Herrgott dran!« seufzte die Matheissin, die alles voraussah und doch nichts ändern konnte.

Oft ertappte sie sich bei dem Gedanken, wie schön alles hätte sein können, wenn der Martin nicht gewesen wäre.

Aber er war einmal da und war der Ältere und da ließ sich nichts machen. Außer das eine, daß sie die Übergabe hinausschob und selber das Regiment führte.

Vielleicht gelang es ihr, für den Hansgirgl eine gute Heimstatt zu finden und sein Glück zu sichern, so lang sie selber noch Matheissin war.

So hielt sie fleißig Umschau und redete oft mit dem Hansgirgl übers Heiraten.

In Gramling war keine Aussicht. Nirgends ein einschichtiges Mädel auf einem guten Hofe und so mußte sie schon an auswärts denken. Aber was weiß eine Bäuerin, die das ganze Jahr daheim hockt?

Über die nächste Nachbarschaft sah sie nicht hinaus und da wollte sich auch nichts Rechtes zeigen.

Beim Luckas in Weidach war wohl eine Tochter da, die das Sach einmal kriegen sollte, aber der Hof war überschuldet und mit achttausend Mark war da wenig gerichtet.

Auch beim Stadelscheck in Irzenhamm hätte der Hansgirgl einheiraten können, aber … es war wieder ein Aber da.

Die einzige Tochter hatte ein lediges Kind, und wenn man auch darüber hätte wegsehen können, das Schlimme war, daß sie überhaupt nicht viel taugte und mit den Knechten schon öfter ins Gerede gekommen war.

Der Hansgirgl hatte bloß gelacht, wie sie eine Andeutung gemacht hatte.

Kein geflicktes Gewand kaufe er nicht für neu, hatte er dabei gesagt.

Aber er hatte der Mutter in der Hauptsache recht gegeben, daß es für ihn das Gescheiteste wäre, in einen guten Platz einzuheiraten, und da war sie noch mehr in Eifer gekommen und hatte ihrem Vetter, dem Gerzer in Aufhausen, geschrieben. Der trieb Holz- und Viehhandel und kam weit herum, so daß er noch am ehesten was ausfindig machen konnte.

Der Gerzer ließ sich's nicht zweimal sagen und kam bald herüber. Er sah die Sache ganz leicht an, und meinte, er wisse eine Reihe von Anwesen, wo ein richtiger Bursch einheiraten könne, aber, sagte er, umsonst sei der Tod und sogar der koste das Leben.

Er brauche es nicht umsonst zu tun, versicherte die Matheissin, und es solle schon ein richtiger Brocken für ihn abfallen.

Der Gerzer wollte es genauer haben, denn, sagte er, ein Brocken komme dem einen groß und dem andern klein vor. Er verlangte dreihundert Mark und ließ bis auf hundertfünfzig herunterhandeln.

Aber dann blieb er fest, und die Matheissin dachte, für eine gute Gelegenheit wär's am Ende nicht zu viel und eine mitterne brauche man ja nicht anzunehmen.

Wie hernach der Gerzer mit Handschlag sein Sicheres hatte, nannte er fünf oder sechs Anwesen her. Wie man's aber näher besprach, blieben bloß mehr zwei, die gelten konnten.

Das eine hieß beim Beni in Aufhausen und war nur zu loben. An die achtzig Tagwerk guter Boden, fünfzehn Stück Vieh, vier Roß.

Und das Madel?

No ja, schon eine kreuzbrave Person, ein bissei scharf, aber gerade deswegen eine allerbeste Hauserin; nicht übrigs schön, sagte der Gerzer, indessen der Hansgirgl sei doch ein vernünftiger Mensch und wisse, daß man von der Schönheit nichts herunterbeiße.

Nun war der Hansgirgl gescheit und bedachtsam und er sagte nicht ja und nicht nein, als ihm der Gerzer die Gelegenheit mit rühmenden Worten pries.

Freilich war ein schönes Anwesen nicht zu verachten und freilich war Schönheit keine Hauptsache, aber so geschwind müsse es ja nicht sein, und schon den Sonntag darauf mit dem Gerzer vorsprechen, das wolle er nicht.

»Warum nacha net?« fragte der Helfer ungeduldig. »Was ma will, muaß ma frisch anpack'n …«

»Ja, des sell scho …«

»Und o'g'schaugt is no lang it kafft …«

»Scho …«

»Und dös Umanandfrag'n bei die Leut is für gar nix. Der oa sagt so und der ander sagt so, es gibt aa gnua sellane, de wo dir an Hof und ihr an richtig'n Mo net vergunna. Da verstechen s' die nacha bei ihr und vor deiner reden s' schlecht über sie. So was muaß hoamli bleib'n, denn bal's amal in de Leut Mäuler kimmt, is scho dreiviertel nix mehr.«

»Scho, aber …«

»Was aber?«

»Auf Knall und Fall mag i net.«

»Brauchst ja net glei mög'n. Mi redt do grad vom O'schaug'n.«

»Bal mir amal trent san, kimmt's umanand und du sagst ja selm, daß dös für nix guat is …«

»Ah! Dös machen wir scho so, daß koa Mensch was spannt. Du kimmst zu mir ummi und mir gengan beim Beni in Stall eini, si hamm a so allaweil was zum verkaffa, a Sau oder a Kaibi, und mit dera G'legenheit gengan mir aa ins Haus und du schaugst dir d' Mariann a weng o und dischkrierst mit ihr …«

»I sag net, daß i net kimm,« antwortete Hansgirgl, »aber wia g'sagt, den Sunntag no net; da kunnt i überhaupts net, weil i auf Hirtlbach zum Preiskegln ummi geh, aber vielleicht über acht Tag …«

»Ja, vielleicht … mei Liaba, so g'ring muaßt da's net o'schlag'n; da is leicht was versammt.«

»Is s' bis jetzt ledi blieb'n, werd s' a Woch länger a no ledi sei.«

»Also, na sag'n ma, am Sunntag über acht Tag.«

»Gilt scho … bal'st d' nix mehr hörst, kimm i.«

 

Altbayerische Bauernbuben wissen schon früh, daß man nicht alles sagen soll, was man sich denkt, und sie halten sich an die Regel, und je älter sie werden, desto hintersinniger werden sie.

Darum ließ auch der Hansgirgl nichts davon merken, daß er gleich den Plan gefaßt hatte, dem Beni die seinige anzuschauen.

Natürlich allein und so, daß sie nichts im voraus wußte, denn war er mit dem Gerzer hingegangen, so hätte er schon tags zuvor eine Botschaft hingeschickt und die Mariann und die Wirtschaft wären auf den Glanz hergerichtet gewesen.

Der Hansgirgl hatte es anders vor und fuhr zwei Tage später, wie Schranne in Dachau war, bei der der Gerzer nie fehlte, mit dem Rad nach Aufhausen.

Vom Wirtssohn hatte er sich einen karierten Janker und ein Kappel zu leihen genommen, so daß man ihn leicht für einen Metzgerburschen halten konnte.

Er ging ins erste Anwesen und fragte, ob nicht eine Sau zu kaufen wäre. Und weil die Bäurin ganz gern ein paar halbwüchsige losgeworden wär, fing er zu handeln und zu kritisieren an, wie nochmal ein Viehhändler, und unterbot so, daß der Handel nichts wurde.

Er hatte aber zwischen hinein unauffällig, wie er meinte, herausgebracht, wo das Benianwesen war, aber wie er nun unverrichteter Dinge ging, sagte die Bäuerin recht spöttisch: »Wenn'st vielleicht glaabst, du kriagst beim Beni was Billigeres, da werst di schö schneid'n.«

»Warum moanst d'?«

»Dös werst scho sehg'n … d' Mariann waar grad de Recht.«

Hansgirgl fragte noch ein wenig hinum und herum und erfuhr, daß beim Beni keine Bäurin, aber eine haarscharfe Tochter da sei, die das Regiment führe.

»Und mit dera werst d' net firti …«

»No ja, was ma net kriagt, laßt ma steh,« sagte er gleichgültig und ging schnurgerade zum Beni hinüber.

Die Schärfe schreckte ihn nicht ab; im Gegenteil, es klang ihm ehnder wie ein Lob, daß ein lediges Mädel schon als genaue Hauserin galt.

Also ging er in den Hof und stellte das Rad an den Brunnen. Wie sich niemand zeigte, pfiff er grell durch die Finger.

»Höi, was ist denn? Is da gar neamd dahoam?«

Nicht lang, so schrie von der halbgeöffneten Stalltüre her eine messerscharfe Stimme:

»Was willst denn?«

Hansgirgl schaute hin.

Ein Kopf schob sich aus der Türspalte hervor und er sah nicht viel mehr als ein Kopftüchel und ein paar unfreundliche Augen.

»Geh no außa, na sag i dir's scho …«

»Mi hamm it Zeit für an jeden.«

»Brauchst da's grad für mi hamm. A Handel werd na do no geh.« Das Weibsbild trat zögernd in den Hof heraus und war, wie man fürs erste sehen konnte, um und um voll Dreck.

Bei der Stallarbeit kann man nicht aufgeputzt sein, wie bei einer Tanzmusik, aber auch im Kittel kann eine, die auf sich schaut, noch sauber sein.

Die Mariann war schon ausnahmsweis schmierig und sah aus, als hätte sie den Mist nicht mit der Gabel, sondern mit den Händen weggeräumt.

Die Haare hingen ihr aus dem Kopftüchel heraus und ihre Augen verrieten abweisendes Mißtrauen und ätzende Schärfe.

»Was nacha?« fragte sie grob.

»Hast koane Fackein, koa Sau, koa Kaibi? I nimm alls und braucht net amal viel kost'n.«

»Für de dumma G'spaß stell i mi net her. Wer bischt denn überhaupts?«

»A Metzger, der bar zahlt. Habt's gar nix zum verkaffa?«

»Wann du was kaffa willst, werst net mit'n Radl kemma.«

»Heut will i bloß was o'schaug'n; wann ma was g'fallt, kimm i wieda,« sagte Hansgirgl und lachte über den heimlichen Nebensinn, den seine Worte hatten.

Aber das verdroß die Mariann, deren zuwideres Gemüt keine Heiterkeit vertrug.

»Mi laß'n net an jeden in Stall. Zum ausspekulieren hamm mir nix.«

Eigentlich hatte sie gar nicht so unrecht. Und wär sie sonst ein Weibsbild gewesen, das ihm gefallen hätte können, so wär der Hansgirgl durch ein bissel Grobheit nicht abgeschreckt worden.

Aber je länger er sie anschaute, desto grauslicher kam sie ihm vor. An der war schon gar nichts, was einem gefallen konnte. Und außerdem: grob sein und grob sein ist ein Unterschied.

Daß man gegen einen fremden Menschen nicht gleich zutatig ist, versteht sich von selber und gehört sich auch.

Die gar zu Freundlichen taugen nichts.

Aber die Mariann war schon so gallbitter, daß man's auf der Stelle kannte, wie das ihr recht eigentlicher Humor war, und sie hatte ein schieches Geschau, das sich an keinem Sonntag in ein freundliches verkehren konnte.

Das alles dachte der Hansgirgl in der Geschwindigkeit, und obwohl ihm das Weibsbild nichts sehen lassen wollte, hatte es ihm soviel gezeigt, als er brauchte.

»Na schmeißt mi pfeilgrad außi?« fragte er gleichmütig.

»Geh no amal zua! Du bist scho lang gnua umanand g'stanna …«

»Vo mir aus. Aber wissen möcht i na do scho, ob du 's Recht hast. Is denn da Bauer net da? Oder g'hört der Hof dei?«

»Für di werd dös g'langa, daß i de Tochter bin. Und jetzt machst, daß d' weita kimmst!«

»So? De Tochter bist? Dös g'langt mir überalln hi und an Gang hast mir aa derspart.«

»Dir an Gang?«

»Ja. 's Wiederkemma. Fragst d' an Gerzer, der ko dir an Auskunft geb'n und sagst eahm, es waar oana da g'wen von Gramling, der si g'wiß nimma sehg'n laßt. Pfüad di, schöne Mariann!«

Er setzte sich aufs Rad und schaute noch einmal lachend um.

Da stand die Mariann und glotzte ihm nach.

Vielleicht war ihr ein Licht aufgegangen, denn daß der Gerzer schon mit ihr geredet hatte, war sicher.

»Siehgst as, du dappige Loas,« sagte der Hansgirgl vor sich hin. »So waar's, wenn ma net a weng hell waar. Wia'r eppa dös grausliche Weibsbild schö to hätt, wann i mit'n Gerzer am Sunntag kemma waar? O du Kratzbürst'n, du ganz abscheilige! Di wenn's bei da Nacht stehl'n, bringen s' di beim Tag wieder hoam. Aber mi ko'st du net moana, du …«

Beim Durl, wo er zuvor gewesen war, stand die Bäurin vor der Türe und schrie ihm höhnisch nach.

»Daß dir gar a so pressiert? Hast recht billig ei'kafft?«

Aber der Hansgirgl gab ihr keine Antwort und sauste den Hohlweg hinunter.

Es war ihm recht frei und ganz ausgelassen zumut, als war ihm eine Last abgenommen, denn in der letzten Zeit, wie es Ernst wurde mit der Rederei vom Heiraten, war es ihm um sein lediges Leben ganz leid geworden.

So vergingen etliche Wochen und aus den Wochen wurden Monate.

Die Ernte war herum und in Gramling brummte bald da und bald dort in einem Hofe die Dreschmaschine.

Der Martin hatte ein fuchsteufelwildes Gesicht aufgesetzt, weil die Mutter noch immer nicht dergleichen tat, als wenn sie übergeben wollte.

»Muaß dös sei, daß mir der Sexer aufsagt und sei Rosl an andern gibt?« fragte er an einem Sonntag, als er die Mutter allein in der Stube antraf.

»Was du allaweil hast. Der gibt s' scho koan andern.«

»Freili net. Der Sexer laßt si wahrscheinli für'n Narren halten.«

»Dös will mi net. Amal werd's scho.«

»Amal ja; so muaß ma red'n.«

»Tua no net gar a so grob! I wer toa, was da Brauch is, und zwinga laß i mi durchaus gar it.«

»Von zwinga sagt ma net, aber so was muaß ma do richtig ausmacha und bal's amal ausg'macht is, nacha muaß 's aa gelt'n.«

»Bis jetzt hamm mir no nix ausg'macht und des sell sag i dir no amal, wenn i siech, daß du mi grad treib'n und zwinga mögst, na g'freut's mi glei gar it.«

»Ja, g'freu'n … I woaß scho, wer schuld is.«

»Neamd is schuld, daß da's woaßt. Gar neamd. Du waarst scho so, daß du dir no a ganze Feindschaft ei'bild'n tatst geg'n an Hansgirgl. Aber da will i nix hör'n …«

Mürrisch schlich sich Martin aus der Stube und ging ohne Plan und Vorhaben den Hügel hinterm Anwesen hinauf.

Er redete halblaut vor sich hin und ein grimmiger Zorn trieb ihm das Wasser aus den Augen.

»Der Hundsbua! Der Hundsbua … der scheinheilige!«

Er setzte sich auf einen Zaun und sah ins Dorf hinunter.

Aus den Schornsteinen des Wirtshauses stieg der Rauch kerzengerade in die Höhe, und dem Martin fiel ein, daß an diesem Nachmittag vom Burschenverein ein Theaterstück gegeben wurde.

»Genovefa« hieß es und da kamen Besucher aus der ganzen Umgebung.

Die konnten lustig sein und sich unterhalten, bloß er mußte auf der Abseiten allein mit seinem Verdrusse heim.

Unter die Burschen paßte er nicht mehr und zu den Bauern gehörte er nicht.

Die Jungen schauten ihn spöttisch an, die Alten fragten ihn, und aus den Fragen hörte er auch den Hohn heraus.

»Was is denn, Martl? Rührt si no nix? Wann machst denn amal Hozet?«

Er mußte freundlich Antwort geben und womöglich sagen, es pressiere ihm weiter nicht oder die Mutter sei noch gut beim Zeug und da dürfe man's nicht verlangen, daß sie schon einer Jungen Platz mache.

Und er mußte freundlich zahnen oder eine ganz gleichgültige Miene aufsetzen, denn wenn er sich seinen Gram ankennen ließ, hörten sie gar nicht auf, recht wehleidig und mitfühlend zu fragen, damit sie dann hinter ihm tuscheln konnten.

»Der Matheissin den ihrigen treibt's schiech um, möcht übernehmen und derf net. Vielleicht steht ihm d' Rosl noch um. Ich wann der Sexer war, ich möcht den ewigen Hochzeiter g'wiß net und schauet mir um oan, der frischweg heiraten ko …«

Deswegen mochte er nicht mehr unter die Leute gehen, denn die trösten sich mit dem andern sein Elend und wenn's schon wirklich einmal einer ehrlich meinte mit seinem Mitleid, war's ihm erst recht ekelhaft.

Der Gotterbarm schmeckt hantiger wie der Neid.

Der Rauch quoll dicker aus dem Wirtskamin und zeigte an, wie brav da drunten gesotten und gebraten wurde.

Sie konnten leicht lustig sein, die andern, aber er hatte wieder sein Teil weg durch die Unterredung mit der Mutter.

Warten – pressiert net – amal werst d' scho der Bauer.

Und eigentlich schuld war niemand, wie der flachskopfete Falschhauser, der Heimlichtuer, der – –!

 

»O mei Bua!« seufzte die Matheissin. »Mit dir is aa'r a Kreuz … Hätt'st d' no an Gerzer net verschmacht, der hätt dir scho lang oani zuabracht … Aber des sell Stückl in Aufhausen, natürli dös hat'n schiach vadross'n und laßt si aa denk'n.«

»Mit dem is zerscht nix,« sagte Hansgirgl und lachte in der Erinnerung an seine Gäufahrt. »Der hätt' mi schö ausg'schmiert und i glaab eahm nix mehr. 's Gscheitest waar, selm oane find'n.«

»Wia willst denn du find'n, bal'st it suachst? Und wia willst denn du suacha, bal'st koa G'leg'nheit it hast? Dös geht do it a so, daß ma umanand lafft und fragt, wo a ledige Tochta steht! Dös hat alls sein Furm. Wia is denn bei mir g'wen? Hat mir halt aa da Zauner Barthl an Matheissen verrat'n. Und an Schaffler von Weichs hätt i aa heirat'n kinna. Den hätt mir a Basl zuabracht, aber halt, daß er oanauget war und a weng bresthaft, aber in Gotts Nam dreißgi, bal da Matheis it herganga waar, hätt's wohl da Schaffler toa müass'n. Gar so leicht is it g'schaugt und bei de Mannsbilder aa it. Du muaßt it moan, daß 's so viel Weibsbilder geit, de wo passet san. De oa hat nix, de ander ko nix, de dritt mag it arbet'n, ja, mei liaba Mensch, es braucht scho was. Bäurin sei is net gar so leicht, gar aus mit die Deanschtbot'n, de ma heut kriagt. Ös Mannsbilder schlagt's dös alls z'gring o …«

Hansgirgl lachte gutmütig.

»I nimm's net g'ring …«

»Jo, jo … Dös is amal net anderst bei enk. Dei Vata war aa net anderst. Was hast denn allaweil für a Lamento! hat er g'sagt. Moanet ma scho, es gang bei ins gar nimmer um, sagt er. Es geht scho um, hab i g'sagt, aber es geht aa dahi. Ös moants allaweil, sag i, a Guld'n, der verdeant is, der is scho derhaust. Und wia oft de Kreuzer ausanand laffen, bis s' wieda zu an Guld'n z'sammkemma, vo dem wißt's ös wohl nix und was ma'r it woaß, des sell acht ma net.«

»Aber grad weil dös a rare Kunst is, nimm i 's net leicht mit'n Heiret'n.«

»Nimmst as net leicht … ja, mei Bua, an ung'wisse Sach is dös allaweil und es g'hört a Glück dazua, daß ma de Richtig derrat. Vor da Hozeit weist koane ihre Fehler auf.«

»Siehgst, dös hab i mir aa denkt, drum bin i selbigsmal als Metzgerbursch nach Aufhausen ummi.«

»No, a weng drecki bei da Stallarwat …«

»Geh weida, Muatta, so sauber muaß oani do scho sei, daß ma damit beieinand sei mag.«

»Ma muaß viel g'wohna, und es g'wohnt si alls.«

»Na … an de hätt i mi net g'wohnt.«

»Siehgst, Hansgirgl, i hab mir scho an öften denkt, daß du bei da Militari a weng ei'bilderisch worn bist. Du hast dir von de Stadtischen a weng was abg'numma …«

»Han sauberne Madeln drin, dös muaß wahr sei,« sagte Hansgirgl.

»Siehgst as, da hamm ma's …«

»Na, da hamm mir gar nix, Muatta, dös woaß i gut, zum Hausen auf dan Bauernhof g'hört wieder an anderne, als wia zum spaziern führ'n.«

»Sagt ma, aber du denkst mehra dro, als wia 's dir z'kenna gibst. Ja, mei Bua, war waar dös für an Umstand, bal'st di du an so a Ziefern hi'hänga tatst!«

»Da brauchst koan Angst net hamm. Da war scho ausg'hängt, wia 's Parole Heimat g'hoaß'n hat.«

»I moan aber do …«

»Nixi. Solang i beim Korps war, dös is amal klar, hab i mi scho a weng zuawi g'macht zua r'a Herrschaftsköchin …«

»Is aa it recht.«

»Warum it? Ihr hat's g'fall'n und mir hat's paßt. Aber vo dem braucht ma nix red'n, da han i no nia net dro denkt, de ganz Zeit it.«

Die Matheissin schüttelte mißbilligend den Kopf, aber der frische Bursch war doch ihr ganzer Stolz und es ließ sich leicht denken, daß er auch den stadtischen Weibsbildern gefallen hatte.

»Es werd guat sei,« sagte sie, »bal dös wahr is, daß du koane Dummheit'n nimmer im Kopf hast. Aber was na dös wer'n soll, da siech i mi gar it außi. Der Marti werd all Tang hantiger und grantiger …«

»Der werd's derwart'n kinna …«

»Er werd scho müass'n, aber wann du gar it dergleicha tuast, ja, mein Bua, gar z'lang derheb i 's na do net. Und was is mit dir, wann i übergib?«

»Dahoam bleib i net als Knecht bei dem unguat'n Deifi …«

»Und in an fremd'n Deanscht? I mag's gar it denk'n, daß du di verdinga sollst da umanand.«

»Es gibt anderstwo aa Bauern.«

»Na, Bua, dös will mir gar it an Sinn, daß i di als Knechtl furt geh sehg'n müaßt … Werd's do scho inser Herrgott net woll'n … i sag's ja, wenn'st no oani aufgangst!«

»Tua di net aba kümmern, Muatta! Wer woaß, wia's geht? I han eppas an Sinn, aber red'n mag i no net drüber.«

»Moanst du de Wittiberin, die Ecklin in Albersbach?«

»Na, von dera moan i gar nix …«

»Waar aber …«

»Nix waar's, Muatta. De mit ihre drei Kinder soll sie an Alt'n suacha.« – »Was hoscht na in Sinn?«

»Es laßt sie heut no net sag'n. Bal's da überhaupts amal was zum Verzähl'n gibt, nacha bist du de erst, de was erfahrt. Aber jetzt wann i red', is für gar nix.«

»Was werd dös eppa sei?«

»Vorläufi gar nix, als wia an Ung'wißheit.«

»Sollst ma's do sag'n …«

»Na, es tat di grad bekümmern. Laß no guat sei, in a paar Tag oder in a Wocha kann i vielleicht mehra sag'n …«

Hansgirgl ging und ließ die Matheissin erst recht in einer argen Kümmernis zurück, denn so ein Geheimnis, dem man nicht ankann und von dem man doch gewiß weiß, daß es um einen herum ist, das drückt schon elendig.

Jeden Tag zupfte die Matheissin den Hansgirgl am Ärmel und winkte ihn in die Stube hinein.

»Was is, Bua, ko'st d' ma's heut no it sag'n?«

»Na, Muatta.«

»Mir kannst da's do leicht sag'n. Du woaßt do, daß i nix verred.«

»Zweg'n dem is ja net, Muatta, aber es is ja no nix da zum verzähl'n. Es muaß erst was kemma.«

»Es muaß was kemma, sagst? A Botschaft?«

»Jawoi, a Botschaft. Aber es kunnt leicht sei, daß s' ausbleibet. Na hättst di umasunst kümmert.«

»I kümmer mi a so viel mehra. Wenn ma gar nix woaß. Sag mir wenigstens dös, woher daß kemma soll, die Botschaft?«

»Woher? No, daß de arm Seel an Fried hat, vo Kirchbach.«

»Kirch … bach? Da han i no gar nix vernumma. Ist dös enterhal Dachau?«

»Droberhal … a ziemlichs Trumm. Aber mehra kann i dir net sag'n.«

»Kirchbach … da is mir gar nix bekannt. Wer kannt dir denn da oani verrat'n hamm? Von der Freundschaft wer?«

»So tatst du allaweil weida frag'n, gel? Wart no a paar Tag, na gib i dir a richtige Auskunft.«

Jessas! Jessas! Ist das was, wenn man sich so abmartern muß!

Die Matheissin ging dann tramhappet herum und verbohrte sich in den Namen Kirchbach … Kirchbach …

Wia da Bua no grad auf Kirchbach kimmt?

Endlich kam die Erlösung. Ein paar Tage später brachte der Postbote nicht bloß den Glonntaler Boten, sondern auch einen Brief für Hans Georg Schmauß, Bauernssohn in Gramling.

Und eine halbe Stunde später trat der Hansgirgl lachend in die Küche und blinzelte der Mutter zu.

Die Matheissin schickte die Dirn, die den Butter rührte, weg. Sie solle das Geschirr am Brunnen waschen, sagte sie, den Butter mache schon sie fertig.

Und wie sie endlich allein war mit dem Hansgirgl, fragte sie hastig.

»Was geit's … Hoscht d' jetzt de Botschaft?«

»Jetzt hab i's und jetzt kann i dir's aa verzähl'n.«

»Na mach no grad!«

»Zeit lassen, Muatta, es geht it so g'schwind. Da muaß oans nach dem andern kemma. Und dös sag i dir glei, du muaßt net moana, daß de Sach jetzt scho in Richtigkeit is. Eigentli is ja no gar nix, es muaß si erst zoag'n ob's was werd.«

»Braucht's ja net, wann ma nur amal woaß, wo aus und wo an,« stimmte die Matheissin eifrig zu.

Sie hatte Angst, daß er am Ende wieder umstehen und noch einmal warten wolle.

Aber so grausam war der Hansgirgl nicht und er erzählte.

Die Matheissin drehte den Hebel am Butterfaß, setzte aus und drehte wieder.

 

»Also,« fing der Hansgirgl gemächlich und lang gedehnt an … »also … wia'r i selbigesmal g'sehg'n hab, was mir der Gerzer in Aufhausen für oane vermoant hat, da hab i mir denkt, mei liaba Mensch, da derrat i mir nix G'scheit's. A Zeitlang hab i mir denkt, mir pressiert ja nix …«

Jessas, Jessas, wenn dem Hansgirgl nur das Erzählen pressiert hätte! Aber jetzt holte er sich aus der oberen Gilettasche eine Zigarre heraus, biß die Spitze ab und suchte links und rechts in seinen Taschen nach einem Zündholz. Endlich fand er eins, strich es am Hosenboden an und – Gott sei Dank! weil nur grad die Zigarre einmal brannte! –

»Also, i hab mir denkt, pressieren tuat nix, i wart und vielleicht geh i amal was Richtigs auf. Aber nacha hab i do g'sehg'n, wia der ander umtreibt, der Marti und daß er dir gar koan Ruah laßt …«

»Dös is wohl wahr,« seufzte die Matheissin.

»No ja, na hab i mir do wieda denkt, es waar guat, wenn i amal auf a g'wiß kam, aber nomal o'fanga mit'n Gerzer, dös hätt i gar it mög'n. Und wia'r i so hin und her überleg, les' i mal beim Wirt drent'n dös bayrische Bauernblattl. Es war vor a drei Wocha, i bin alloa an an Tisch g'sessen und i woaß selm net, warum, i les halt weida und les aa de Anzeigen, de hint stengan.

Und da kimm i auf was, dös is mir glei ganz g'spassi fürkemma, als wann's akrat für mi g'schrieb'n g'wesen waar.

A Bauerntochter auf an netten Sach, net z'groß, aber guat, möcht si vaheirat'n mit an braven, anständigen Menschen, der die Bauernarwat kennt und g'sund und katholisch is.

In da Stadt drin han i wohl scho öfters g'hört, daß so was gibt.«

»Geh! Dös is na do scho ausg'schamt, bal si oani in da Zeitung ausschreibt …« unterbrach ihn die Matheissin.

»Jetza hast was g'sagt. Siehgst, dera Meinung bin i vielleicht aa'r amal g'wen, aber, wia'r i jetzt so viel übers Heiret'n nachdenkt hab, wia's d' ma du zuag'redt hast und wia's d' mir an Gerzer daher bracht hast, da hab i mir denkt, dös mit der Zeitung is des Dümmste no lang net.«

»Aber Hansgirgl, schau, wann i mit'n Gerzer red, da woaß ma do wia und was und kennt si anand …«

»Was hab i kennt? Gar nix. I hab von der sell'n Mariann net mehra g'wißt, als dös, was der Gerzer daherg'redt hat. Mehra wia lüag'n ko oani in da Zeitung aa net.«

»Aber mi derfragt do alls, wann ma'r am Platz is.«

»Kam erscht drauf o. Wann i zerscht mit'n Gerzer nüber waar und hätt' darnach g'fragt, wurd i net viel erfahr'n hamm. Was ko denn oana vom andern sag'n, wenn er scho was sag'n will? Daß ma nix Unrechts woaß, daß sie koa Kind hat oda koa Liabschaft, daß sie arwat und dahoam s' Sach z'sammahebt. Mehra hätt i g'wiß net g'hört, weil si d' Nachbarn net gern drei mischen, weil ma koa Feindschaft net will und weil si z'letzt jeder denkt, probier's selm, na werst as scho sehg'n. Ma muaß si do auf seine Aug'n valass'n und auf sein Verstand. Und dös nämli werd sei, wenn ma oani durch de Zeidung kenna lernt.«

»Zeidung! Bal ma scho Zeidung sagt!«

»Daß s' halt was Ung'wohntes is, Muatta, gar aus für an Bauernmenschen. Aber warum is dös schiacha, als wann a Schmuser umanand lafft, und biat a guate Bauerntochter heut dem und morg'n dem o? Und handelt weg'n tausad Mark hinum und herum? Da g'fallt's mir scho besser, wenn oane frischweg sagt, i hab dös und dös und möcht heirat'n und bal a richtiger Bursch dös nämliche will, soll er mir schreib'n. Dös hat eigentli an schönern Furm, als wann oan so a Schmuser lauter guate Eigenschaften hersagt, de er ja do net woaß und net kennt.«

»Aber wenn mi halt gar nix woaß von so oaner.«

»Dös ko ma derfrag'n.«

»Na mach no weida, Hansgirgl, hast scho was dafragt?«

»Ja und na. Von koan Nachbarn no net; von ihr selm han i an Brief kriagt, aber jetzt tua no staad, i muaß oans nach dem andern verzähl'n. Also beim Wirt, dös hab i dir g'sagt, da hab i's g'lesen. Es san mehra sellane Anzeigen in dera Zeidung g'stand'n.«

»Ja, wia si no d' Weibsbilder trau'n!«

»Sie unterschreiben si do net!«

»Net? Ja, nacha woaß mi ja gar nix! Net amal an Nam!«

»Da gibt ma a Wort o, oder a Zahl und schickt den Brief an de Zeidung, und de Zeidung, de woaß, wer dös is und schickt na den Brief an die richtig Adreß.«

»Da kenn i mi net aus, mei liaba Bua. Da waar i wohl z'dumm dazua.«

»Bal'st as no brauchetst, tatst da's scho lerna. D' Weiberleut san gar hell, wenn s' was woll'n. Aber jetzt muaßt d' mi scho verzähl'n lassen, sunst hock'n mir morg'n no beinand und du woaßt nix.«

»Ja, tua no grad weida!«

»Also, es san mehra sellane Anzeigen drin g'standen, aber de andern han i wohl net g'acht, grad de oa. Da is mir g'wen, als wenn s' mi o'red'n tat. Hansgirgl, nimm mi, i bin de Richtig! I ho d' Zeidung wegg'legt und ho mir denkt, papperlapapp, dös is a Schmarrn, na bin i am andern Tisch ummi und hab eahna Karten spiel'n zuag'schaut, aber net hat's mi derlitt'n, i ho allaweil wieder dro denk'n müass'n. Hansgirgl, übersiech's net! Grad so is g'wen, als wenn oane hinter meiner stand und saget mir dös ins Ohr …«

»Na, was du allssammete daher bringst!«

»Net mehra, als wahr is. Also wia's mi so druckt hat, hab i mi nomal de Zeidung g'holt und les de Anzeig nomal. Da Wirt fragt mi no aa, möchst du was kaffa, Hansgirgl? fragt er, weil du de hinterst Seit'n so genau schtudierst? Na, sag i, aber i hab grad was g'les'n von a'ra Dreschmaschin, dös hat mi a weng verintressiert. Kaffa will i's wohl it. Und na hab i 'n g'fragt, ob er de Zeidung no braucht und wia'r a mir's lassen hat, hab i's ei'g'schob'n. Dahoam han i mi na hi'g'hockt und hab an Briaf aufg'setzt an dös Madel, und hab'n wieder z'rissen, aber es hat ma koan Ruah net lassen und an etla Tag darnach han i nomal g'schrieb'n, aber glei richtig.«

Die Matheissin vergaß das Butterrühren über ihrem Erstaunen; sie setzte sich auf einen Stuhl und legte die Hände im Schoß zusammen.

»Ja Bua, ja Bua, jetz sag mir no grad, was dir du allssammete traust! G'schrieb'n hast?«

»Pfeigrad,« sagte Hansgirgl lachend.

»Ja, was ko ma denn schreib'n, bal ma'r oan gar it kennt?«

»Was i g'schrieb'n hab? Daß i a lebfrischer Bursch bin, grad g'wachsen und voller Schneid auf die Arwat. Und daß a Madel wohl z'frieden sei kunnt, bal sie koan schlechtern net kriagt …«

»Ja, so was!«

»Is vielleicht it wahr, Muatta?«

»I moanet scho aa, daß si oane d' Finga o'schlecka derfet,« bestätigte die Matheissin, »und gar oane, de wo si in da Zeidung ausschreibt … Und jetzt hast an Antwort kriagt?«

»Ja, und ihra Bild hat s' ma g'schickt.«

»'s Bild? Wo hast as denn?« fragte die Matheissin und stand lebhaft auf.

»Bleib no hocka; i zoag dir's scho.«

Hansgirgl holte aus seinem Janker den sorgfältig in Zeitungspapier gewickelten Brief und brauchte lang, bis er seiner ungeduldigen Mutter das Bild gab.

Da sah die Matheissin eine Person mit der Bamberger Haube auf dem Kopfe, deren Bänder rückwärts zu zwei mächtigen Maschen verbunden waren; der Oberkörper steckte in einem Wamesle mit enganschließenden Ärmeln.

Die Matheissin schaute beinahe verächtlich auf die fremdländische Tracht und sagte ohne langes Besinnen: »De g'fallt mir scho gar it.«

Sie hätte ihr aber wohl gefallen können, wenn sie näher hing'schaut hätte, denn unter dem g'spaßigen Bamberger Gupf schaute ein schmales, ernsthaftes Gesicht hervor, in dem zwei klare, ehrliche Augen saßen.

»Laß dir no Zeit, Muatta!« sagte der Hansgirgl, und er wär vielleicht bös geworden, wenn er nicht bedacht hätte, wie eigensinnig die älteren Weiberleut sind.

»Schiach is s' amal g'wiß net,« fuhr er fort, »und proper kimmt s' ma für und scho hundertmal säubriger, als wia de sell Loas in Aufhausen.«

»Geh zua!« wehrte die Matheissin ab. »Schaug dir nur grad a sellas Trag'n o, dös is ja ganz narrisch!«

»Es werd halt so sei, wia's dort da Brauch is. Es ko net überall 'n gleich sei.«

»Aba de Haub'n! Na … na! dös is ja wia'r a Fasinacht!«

Und die Matheissin lachte wegwerfend, als sie das Bild zurückgab.

Hansgirgl wickelte es sauber ein und wollte es in die Tasche stecken.

»Lest mir den Briaf it für?« fragte die Alte. »I möcht na do wiss'n, was sie schreibt.«

»Bal'st as du grad für a Fasinacht nimmscht, werd di da Briaf it bekümmern,« murrte der Hansgirgl.

»Jetzt bist scho wieder obenaus …« begütigte sie. »Mi sagt grad, daß oan so was ung'wohnt is.«

»No ja … na les i 'n halt für.«

 

Werter Herr Schmauß!

Ihren Brief habe erhalten und will ich aufrichtig antworten, aber nicht daß Sie glauben, ich schreib halt so an jeden, sondern ich schreib bloß an Ihnen, weil Ihr Brief so ehrlich gewesen ist, daß ich mir gedacht habe, es ist Ihnen gewiß ernst. Denn es haben mehrere geschrieben, aber es hat mir nichts gefallen und habe ich schon gedacht, daß es vielleicht schlecht ausgelegt wird, wenn man in der Zeitung ausschreibt, daß man heiraten möchte.

Ich will Ihnen alles nach der Wahrheit sagen. Ich heiße Margaret Kriegbaum und bin die einzige Tochter. Dadurch, daß mein Vater vor einem halben Jahre gestorben ist, bin ich ganz verwaist, denn meine Mutter ist schon seit zehn Jahr tot. In diesem Sommer bei der Ernte hat ein Vetter von mir ausgeholfen, wir haben auch einen alten Knecht.

Mein Vetter ist im Verdruß fortgegangen, weil er gedacht hat, ich nehme ihn. Er ist aber Witwer und hat zwei Kinder, auch ist er mir zu alt.

Und da habe ich gedacht, wie viele sich schon unglücklich verheiratet haben, weil sie den Verwandten und Nachbarn nachgegeben haben. Deswegen habe ich diese Anzeige in das Blatt gebracht und vielleicht findet sich ein Mann, der der Richtige ist.

Mein elterliches Anwesen ist nicht gar groß, aber der Boden ist gut und es hat alles eine schöne Lage. Es sind 57 Tagwerk, das meiste ist Acker, doch füttern wir 8 Kühe und 4 Ochsen, auch haben wir ein Pferd.

Es ist das Ansehen schon wert und wenn Sie glauben, daß es Ernst werden kann, so ist Ihnen vielleicht der Weg nicht zu weit.

Auch lege ich Ihnen mein Bild dazu und habe die Bitte, daß Sie das Ihrige schicken, wenn Sie meinen, daß es etwas werden kann und sonst bitte ich, daß Sie das meinige zurückschicken.

Ich schicke Ihnen einen Gruß in die Ferne.

Margaret Kriegbaum

P. S. Sie werden es schon richtig aufnehmen und nicht anderst, als wie es gemeint ist.

 

Es trat eine Pause ein.

Der Hansgirgl schob den Brief in die Tasche und die Matheissin rührte den Butter, auf den sie ganz vergessen hatte.

»Schreib'n ko si guat, des sell muaß ma ihr lassen,« sagte sie nach einer Weile. »A so hätt's i meiner Lebtag it füra bracht.«

»Deinerzeit hat ma an so was it denkt, Muatta.« – »Da hat ma wohl it dro denkt. Aber was hoscht jetzt an Sinn?«

»Ja …« Hansgirgl kratzte sich hinter die Ohren.

»Ich hab de Tag her allerhand an Sinn g'habt. Oamal han i mir denkt, geh, laß 's guat sei, de G'schicht hat koa Wert, und nacha han i mir's wieder a so fürg'stellt, wia dös waar, wenn i mit an Schmuser umanand ziaget. Woaßt scho, wia's is, Muatta, so oana lobt sei Sach übern Schell'nkini und d' Wahrheit derfragst do erst darnach, bal's scho z'spaat is. Und jetza, seit i den Briaf kriagt hab, kimmt's ma so vor, als wann dös Madel ganz was Aufrichtigs waar. Aba freili, es is halt in da Fremd und ob ma si eig'wohnt …«

»Dös sag i aa,« fiel die Matheissin eifrig ein. »In da Fremd hat all's an andern Furm. D' Leut san anderst, d' Arwat is anderst …«

»Dös sell scheuch i net. Da Unterschied is gar so groß net und was anderst is, lernt si schnell, aba no ja … g'wöhna brauchat's scho … g'wöhna …«

»Und hoscht nirgends koan Rat und koa Hülf. Schau, bal du da umanand a Heirat machst und es feit eppas …«

»Was is nacha, Muatta? Wer ko oder mag oan in sei Hauswesen drei' reden? Und bei wem findat i a Hülf? Wann scho amal dös o'gang, daß ma si mit'n Geld frett'n müaßt, waar's eh scho g'feit.«

»No ja, ma is aber do bekannt und hat sei Freundschaft.«

»Sagt ma und do muaß a jeder sei Supp'n alloa auslöffeln und wer tuat denn aa dös, daß er seine Kümmernis aus'n Haus außi tragt?«

»Und vo mir sagst na gar nix?«

»Von dir, Muatta? Wann du amal im Austrag bist, was kunn'st ma viel helfa? Und s' Gringste machat dir grad an Vadruß her mit dem andern. Und müaßt i mi net schama, wenn i zu dir gang, weil i mir selber nimma z'rat'n wissat?«

»Aba ma siecht si do, ma redt mitanand.«

»Sell scho und es kam mir aa it leicht o, wann i so weit furt waar …«

Die Vorstellung einer langen oder gar dauernden Trennung überkam jetzt die Matheissin mit Macht.

Sie ließ den Butter jählings stehen und hockte sich ganz gebrochen und hilflos auf den Küchenhocker.

Sie fing bitterlich zu weinen an und wenn sie sich mit dem Schürzenzipfel ihre Tränen abgewischt hatte, kamen immer wieder neue.

»Na waar's aa so,« schluchzte sie, »daß mi ganz verlassen war … Du bischt weg und der ander … Du woaßt ja selm, wia unguat daß er is …«

»Waar's viel anders, bal i in Aufhausen drent waar?«

»I kann do ummi geh und …«

»Dös tatst du gar it … na, Muatta, auf lang kannt'st it ummi und kamst wieda hoam, waar da Vadruß größer, wia z'erscht. Jetz laß no guat sei. De G'schicht braucht überleg'n und no bin i net furt.«

»Du gehst ja do! I kenn's guat.«

»I woaß it, aber wenn's wirkli so kam, nacha müassat'n mir scho schau'gn, daß du dei richtig Ordnung hättst …«

Die Matheissin tröstete sich und stand langsam vom Hocker auf.

»Dös is a Kreuz,« seufzte sie. »Was all's über oan kimmt …«

»No is nix kemma und jetzt bfüad di Good, Muatta, i fahr no am Möslacker hintri. Mir hamm g'hoamgart lang gnua …«

 

In den nächsten Wochen ging es dem Hansgirgl wie allen Leuten, die vor einem wichtigen Entschlusse stehen, der sie aus dem gewohnten Geleise führen soll.

Den einen Tag kam er ihm verlockend vor, den andern gleich gar unsinnig.

Die Mutter zog ihn oft in eine Ecke und wisperte so eifrig mit ihm, daß es dem Martin auffiel und ihn zum schwärzesten Verdacht brachte.

Am Ende wollte die Mutter gegen Herkommen und Sitte und gegen Zusage und Versprechen den Hof nicht ihm, sondern dem flachsköpfigen Duckmäuser übergeben.

Er wollte sie geradeheraus fragen, aber dann bedachte er, daß eine solche Zwiesprache zu Zorn und Heftigkeit führen und mehr verderben als gut machen könne.

So besann er sich auf was anderes und ging eines Sonntags früh zum Sexer nach Paindorf hinüber, heimlich und ohne daheim was von seinem Gange zu sagen.

Der Sexer kam gerade aus der Kirche, als der Martin anlangte.

Er war schlecht aufgelegt, denn seine Bäuerin hatte ihm den Tag vorher verraten, daß die Rosl vom jungen Matheissen in der Hoffnung wäre.

So groß war das Unglück nicht und als eine Schande sah es wohl niemand an, weil die Rosl mit dem Martin so gut wie versprochen war.

Aber gebraucht hätte es das auch nicht, brummte der Sexer, daß sich der Martin die Hypothek auf die künftige Heirat genommen hätte.

»Ah, bist da?« knurrte er den Schwieger an. »I woaß scho zweg'n was daß d' kimmst. D' Muatta hat ma's scho g'sagt …«

»Was hat's g'sagt?«

»G'stell di net … de Gaudi, dös d' mir da herg'macht hast, de hat s' mir verrat'n.«

»Ah so …«

»Ja … a so … Gar so hätt's na wohl it pressiert! In a richtigen Haus hätt's dös wohl it braucht. Jetzt könnt's Tauf und Hozet mitanand hamm.«

»Jetz is scho, wia's is …«

»Freili, und mir muaß recht sei. G'fragt werd ma da it.«

»Frag'n … frag'n … da wer'n no net leicht amal oa g'fragt wor'n sei.«

Das stimmte und wie es der Martin so trocken sagte, mußte der Sexer beinahe lachen. Aber er hielt es zurück und blieb mürrisch.

»Was is na jetzt? Bringst d' vielleicht d' Botschaft, daß dei Muatta endli amal an Ei'sehg'n hat? Zeit waar's.«

»Wohl waar's Zeit, aba …«

Martin schob ingrimmig seinen Hut zurück und schaute fuchsteufelswild auf den Boden.

Dem Sexer schoß ein Verdacht ein.

»Oho! Habt's enk am End gar z'trag'n?«

»Sell it … aba … I kenn mi selm nimmer aus und … möcht … paß auf, i brauchat di, daß du mit da Muatta redst …«

»Du bist do selm a g'wachsenes Mannsbild …«

»Na … paß auf … woaßt, i hab scho oft g'redt und is no gar it lang her und z'viel red'n kannt schad'n und … paß auf … laß dir sag'n … woaßt, i moa net, a so red'n, sondern a weng hint umma frag'n … woaßt … paß auf …«

»Was gackst denn du a so daher? Jetzt muaß i scho nomal frag'n, hat's was geb'n? Waar ja net aus, jetzt weil 's Madl da hockt!«

»Gar nix hat's geben. Mi kimmt grad was dumm für. Da Hansgirgl, der Flachskopfete … woaßt, der hat's allaweil besser kinna mit da Muatta, i hab da's a so scho g'sagt …«

»Sollt'st d' as halt du a kinna!«

»Es is net oana wia der ander. I tua mei Sach und de Schmeichelei mit dera hab i's net. Und vor an etla Wocha hab i mit da Muatta g'redt über dös, daß de G'schicht amal richtig wer'n muaß und da is si belzi wor'n und dera Zeit, da hat sie Hoamlichkeiten mit dem andern. I woaß wohl net was, aber mir g'fallt gar nix mehr. Allbot stecken s' beinand und grad gnädi hamm s' as. Jetzt hab i mir denkt, dös G'scheitest waar, wann du umma gangst zu uns und tatst amal red'n mit der Muatta. Bei dir is de Sach wieder anderst, als wia bei mir. Dir muaß s' na do scho bessa Red und Antwort geb'n …«

»Ummi geh? Zu enk? Dös schauget so aus, als wann i enk nachlaffen tat … Dös paßt mir scho gar it.«

»Koa Mensch glaabt, daß du wem nachlaffst.«

»Dös G'red hat ma glei am Buckel. Überhaupts, wann i g'wißt hätt, daß dös a so a Marterei werd, hätt i z'erscht it mög'n. Übers Jahr geht de Gaudi scho furt. An Kirta übergibt d' Muatta, im Auswärts übergibt s', auf Georgi werd's richti. Und derweil is Jakobi und Micheli kemma und heut is no grad a so wia z'erscht …«

»Mi werd dös z'widerna sei, als wia dir, Sexer. Dös sell ko'st da denk'n …«

»Vo dem hab i was! Müass'n mir krank sei für di? Und jetzt is der Ramasuri aa no dazua kemma. Hat dös Weibsbild, dös dumm, a Kind, aber koan Hochzeita.«

Martin zuckte die Achseln. Er gab sich heimlich recht, daß er die Hypothek auf die Sexer Rosl hatte, sonst wäre ihm der Alte am End gar noch umgestanden.

»Was is na dabei, wann'st amal zuakehrst?« sagte er ruhig. »Dös is bei ander Leuten aa da Brauch.«

»Wann all's sei Richtigkeit hat, scho … aba … na also, na geh i in dera Woch amal ummi, aba dös sag i dir glei, um schö Weda halt i net o und bal dei Muatta vielleicht moant, es waar gar no a Gnad, nacha wer'n mir ins net leicht red'n mitanand.«

»Dös sell tuat si net und i moan, wann si dir an Versprach gibt, und du waarst Zeug'n, na hätt ma was g'wiß und kunnt de Sach advikatisch macha, bal's gar it anderst gang.«

»Freili, an Prozeß führ'n um an Hochzeita, dös gang mir grad no ab …«

»So weit werd's it geh, aba mi sagt grad. Und nacha kimmst d' in dera Woch?« – »Jetz is scho g'sagt.«

»Is d' Rosl drin?« fragte Martin an der Haustüre.

»Na. Sie und d' Muatta san no unterwegs. Wer'n scho no an Ratsch hamm.«

»Nacha laß i s' schö grüaß'n und sag Bfüa Good. I tracht hoam.«

»Is g'scheiter aa, sinst gibt's a lang's G'red und i bin froh, wann i heut nix mehr hör davo.«

Dem Martin ging es so wie dem Sexer, daß er den Weiberleuten, die viel fragen und allaweil das nämliche noch einmal hören wollen, gern aus dem Weg ging.

Zwei Tage später fuhr der Sexer auf seinem Berner Wägelchen beim Matheissen in den Hof herein. Er kam aber nicht von der Paindorfer Seite her, denn er hatte einen größeren Umweg gemacht, damit es aussehen konnte, als käme er von Hirtlbach, wo er ein Geschäft gehabt habe, sagte er zur Matheissin.

»Vorbei fahr'n hab i na do net mög'n.«

»Hast du mit'n Marti was z'red'n?«

»Ja, allerhand und nix Schön's. Vadruß hab i dahoam. Ko'st da's wohl denk'n.«

»I woaß gar nix.«

»Hat dir der Martin nix verzählt?«

»Koa Wort.«

»Kindstauf hamm ma aufs neu Jahr. G'freut di wohl aa, daß d' Großmuatta werst?«

Die Matheissin tat nicht erschrocken, aber recht verdrossen schaute sie darein.

»I ho mir's do glei denkt, daß 's nix G'scheit's net is, wia'r i di in Hof hab eina fahr'n sehg'n. Der hat's ja net derwart'n kinna, der Mensch, der unguate. Wart, i hol dir'n, na schimpf'n no richti z'samm!«

»Bleib do; es is g'scheiter, mir red'n z'erscht mitanand; mit'n Schimpfen werd jetzt aa nix besser.«

»Dem g'hört's amal gesagt …«

»I schenk's eahm net, aber mir zwoa sollt'n überleg'n, ob ma de G'schicht net guat mach'n kunnt'n.«

»Was ko denn i guat macha dabei?«

»Du vastehst mi scho … siehgst, Matheissin, i bin it gern her kemma und i woaß scho, ma laßt si it gern drei'red'n in sei Sach, aber dahoam hab i's G'flenn und wissen möcht i aa, wia mei Rosl dro is.«

»Du moanst zweg'n da Heirat?«

»No freili. G'hoaß'n hat er's an Madel scho vor an Jahr. Natürli, daß dös net braucht hätt, aba ma woaß ja, wia's geht, bal ma jung is.«

»Da werd's aa nix hamm. So schlecht is er do net, daß er 's Madel sitzen laßt.«

»Vo dem sag i nix. Aber wia lang soll's denn no umanand hocka? Schau, Matheissin, i möcht dir nix ei'red'n, aba i muaß di wohl frag'n. Hoscht du was geng an Martin?«

»Hamm? Na … Wia kimmst denn auf dös?«

»Ma macht si halt seine Gedank'n, net? Bal's allaweil hoaßt, an Hirgscht, oder auf's Frühjahr kriagt er an Hof und na is do wieder nix …«

»Er is der Älter und kriagt'n. Aba daß i mi treib'n laß, dös sell gibt's net.«

»Treib'n … treib'n … Dös will mi net und es stand mir net o. Aber daß ma si bekümmert, dös sell werst aa vasteh.«

»I vasteh di scho. Aber dös sag i dir und sag's an Martin aa, i laß mi net treib'n und laß mi net zwinga.«

»Waar aa verkehrt. I machet's ja grad so. Bloß dös sell, Matheissin, net, dös derf mi do scho sag'n, an Unfried'n soll's it geb'n. Ös wollt's do mitanand haus'n und bal dös mit da Zwidernis o'fangt, geh, dös möcht i do net!«

»Vo mir aus gibt's koan Vadruß und i will nix, als was recht is …«

»Woaß ma und i wer's an Martin aa richtig sag'n, bal mir nacha mitanand dischkrier'n. Mir is ja scho g'holfa, weil i a G'wißheit hab …«

»Aber treib'n laß i mi gar it.«

»Und sollst aa gar it. Aba – no ja – dös ander woaßt ja du selm, daß 's koa guat net tuat, wan ma 's gar z'lang außi schiabt«.

Die Matheissin hörte den Sexer wohl gehen, aber sie ließ sich nicht darauf ein, die Übergabe auf eine bestimmte Zeit zu versprechen.

»Es geht all's sein Gang,« sagte sie. »Und es muaß all's sein Furm hamm.«

»Der Furm waar halt, daß s' vaheirat waar'n, vor de Gaudi is.«

Die Kindstaufe meinte der Sexer, aber die Matheissin blieb tapfer und sagte, da sei sie nicht schuld und deswegen jetzt rapiti kapiti übergeben falle ihr nicht ein. So groß sei das Unglück nicht und sei auch schon öfter dagewesen und wenn es den Sexer verdrieße, solle er nur dem Martin das Richtige sagen.

Und damit ging sie hinaus, um ihn zu holen. Dabei sein wollte sie bei der Zwiesprache nicht, denn sonst gab es wieder eine Presserei und Drängerei und ihr lag doch auch die Sorge um den Hansgirgl auf.

»Zum Sexer sollst eini geh!« sagte sie, als Martin auf ihr Rufen kam. »Der hat a Neuigkeit für di. Macht's as no aus mitanand!«

Die Zwiesprache wurde nicht so grimmig, wie es der erzürnte Vater der Matheissin versprochen hatte.

Er fragte mit Blinzeln und Augenzwinkern, ob die Alte außer Hörweite sei und sagte dann:

»Es feit so weit it, aba ei'spreiz'n tuat s' a si fest.«

»Hat sie si außer lassen gegen deiner, wann i an Hof kriag?«

»Wann, dös sell hat s' it g'sagt, aber daß d'n kriagst, dös hat si schon versproch'n.«

»Na kann'st du allaweil an Zeug'n macha …«

»Zu dem kimmt's wohl it, aber sie sagt, sie mag sie net treib'n und net press'n lass'n.«

»Treib'n! Dös is do scho ausg'schamt, bal ma do no vom Treib'n redt und sie halt mi seit an Jahr für'n Narr'n.«

»Dös ko'st ihr danach hi'reib'n, aba net jetzt. Du bist scho a rechter Lapp aa! Bal ma von oan was will, is ma net unguat damit. Staad heb'n und schö toa.«

»Dös muaß ma kinna und i ko's amal net.«

»Na bist d' schö dumm. Wann ma grad a paar Dezimal von an Nachbarn hamm will, muaß ma süaß toa und di kam's hart o um an ganz'n Hof …«

Derweil saß die Matheissin in der Kuchl und sinnierte. Freilich hatte sie gesagt, daß ihr die zuwidere Geschichte mit der Sexer Rosl nichts ausmache und daß sie sich deswegen nicht zur Eile antreiben lasse, aber sie sah viele ungute Stunden kommen, nachdem es jetzt einmal so weit war.

Je länger sie die Übergabe hinauschob, desto verdrossener wurde der Martin und die Rosl dazu, und wenn sie dann einmal im Austrag hockte, und einmal kam's ja doch dazu, hernach hatte sie Feindseligkeit und Abscheulichkeit gegen sich.

Und der andere, der Hansgirgl war vielleicht hundert Meilen weit weg und konnte ihr kein Trost und keine Hilfe sein.

Was sie schon seit Wochen mit sich herumtrug, wurde ihr jetzt ein fester Vorsatz.

Sie wollte nicht in Gramling bleiben. In Dachau drin lebte die Schwester vom Matheissen und hatte ein kleines Häusel, wo sie seit dem Tod von ihrem Bauern in Ruhe hauste.

Vor Jahren hatte sie einmal gesagt, es wäre ihr ganz passend, wenn die Matheissin zu ihr zöge; sie könne ihr ein Zimmer abtreten und die Kuchl hätten sie gemeinschaftlich.

Oft hatte sie daran gedacht und jetzt wollte sie den Hansgirgl darum angehen, daß er der alten Berglbäuerin schreibe, ob sie noch so gesonnen wäre.

Und sagte sie zu, hernach wollte sie übergeben und nach Dachau ziehen, um dort ein christliches und Gott wohlgefälliges Leben zu führen und ihre Ruhe zu haben.

 

Der Hansgirgl war in dem Hin und Her und in seiner Unentschlossenheit schlecht aufgelegt und dazu kam jetzt auch eine Zeit, wo die Arbeit weniger und die Gelegenheit zum Nachsinnieren mehr wurde.

Herrschaftsseiten! Wie einem das zuwider werden konnte, sich an einem Tag was fest vornehmen und am andern wieder zweifelhaft werden!

Zuerst hatte er hie und da den Brief noch einmal gelesen und das Bild der Margaret Kriegbaum angeschaut, jetzt wollte er schon gar nichts mehr davon sehen und hatte das Schreibets mitsamt der Photographie zu oberst in seinen Kasten versteckt.

Wie ihm nun die Mutter die Geschichte von der Sexer Rosel erzählte und ihn anging, daß er der Berglbäuerin schreiben solle, gab er sich einen Ruck.

»Woaßt was, Muatta, da schreib'n mir gar it lang, da fahr i auf Dachau eini und red glei richtig damit; d' Arwat is jetzt net viel, weil mir ausdrosch'n hamm und mir paßt's grad. I hab unterderhand in Hirtlbach drent a schöne Gerst'n kafft, de möcht i gern an Ziaglerbräu geb'n …«

»Da woaß ja i gar nix, daß du Handel treibst?«

»A hundert Markl san schnell vadeant; zweg'n was hätt i dös G'schäft an andern ummi lassen soll'n?«

»Da hoscht wohl recht, Bua …«

»Da Martin braucht nix z'wissen und bal er fragt, sagst eahm, i hätt zweg'n an Militari eini müass'n …«

»I sag oafach, i woaß it. Du kimmst ja so auf d' Nacht wieder außa?«

»Bal's geht, scho so Muatta. Kannt aber sei, daß i mit'n Handel aufhalt und an Zug nimma dawisch, na liegt ja aa nix dro. Versaamt is jetzt net viel.«

»Na, na, laß do no Zeit, Bua, und sagst zu da Berglbäurin, bal sie no so g'sinnt is, waar's mir scho ganz recht.«

»Und wann moanst d' Muatta, daß 's was wer'n kunnt?«

»Ja mei, schau. Am liabern morg'n, wann's no mit dir amal a Richtigkeit hätt! Siehgst, jetzt hamm s' g'sagt, daß da Beni z' Aufhausen so viel Geld vadeant hätt mit'n Holz. Wann'st no selbigsmal …«

»Vo dem is koa Red nimmer, und is nia oani g'wen. Da hat mir 's O'schaug'n g'langt.«

»Und hoscht oiwei no dös an Sinn mit der sell'n da drob'n?«

»I woaß it, Muatta, da fragst mi umasunst. I ho's ja net g'sehg'n und ung'schaugter woaß ma do gar nix.«

»Ja no, Bua, schau, deszweg'n muaß ma si oane suacha, de wo nacheter hiebei is. Auf de Weit'n ko'st net amal a Roß kaffa.«

»Freili net, Muatta,« sagte der Hansgirgl und es kam der Matheissin so vor, als wenn er dabei ein bissel geschmunzelt hätte. »Aber jetzt is d' Hauptsach, daß du mit der Berglbäuerin z'toa kimmst und i fahr glei morg'n auf Dachau eini. Wart'n hat koan Wert it.«

Die Alte war es zufrieden. Sie sah halt wieder, wie sich der brave Mensch um sie annahm.

An andern Tag in aller Frühe war Hansgirgl auf dem Weg zur Station und er sah wirklich sauber aus im kurzen Janker, der nach der guten Art noch silberne Knöpfe hatte, im bunten Gilet und in der ledernen Hose, die vom Knie abwärts in Röhrenstiefeln steckte.

Der Matheissin war es aufgefallen, daß er sich gar so auf den Glanz hergerichtet hatte, aber sie wußte, daß er überhaupt was auf sich hielt, und meinte, er wolle vor den Dachauern gut bestehen.

Nach dem Packel, das er in Papier eingewickelt in der Hand hielt, fragte sie schon und der Hansgirgl sagte ihr, es wäre sein zweiter Janker, an dem es was auszubessern gab und er wolle ihn, weil es sich gut treffe, zu einem Dachauer Schneider bringen.

Es war nicht wahr, denn in dem Packel waren ein paar Socken, ein Hemd und ein frischer Kragen, aber warum er die mitnahm, wollte er der Alten nicht sagen.

Da war es am besten, sie freundlich anzulügen.

So ging er nun bald auf der hart gefrorenen Straße, bald auf Feldwegen der Station zu und war bei einem viel besseren Humor als die ganzen Tage her.

Denn er hatte jetzt etwas ganz fest vor und er hatte es heimlich vor, ohne daß jemand eine Ahnung davon hatte.

So was macht einen gleich lustig, voraus, wenn es nach Abenteuer und Reisen ins Blaue hinein schmeckt.

Denn wegen der Berglbäuerin hatte der Hansgirgl nicht sein bestes Gewand angelegt und den andern Dachauern zulieb auch nicht, es sollte schon weiter gehen, über die Donau hinüber bis ins Fränkische hinauf.

Und wenn er daran dachte, schob er den Hut einmal nach links und einmal nach rechts hinüber und pfiff einen Landlerischen vor sich hin.

Es freute ihn, daß er gar so verwegen war und etwas tat, an was sich so leicht keiner hingetraut hätte.

Als er an die kleine Station kam, war es noch dämmerig und der Stationsdiener, der Vorstand und Expeditor und Wagenschieber zugleich war, rieb sich den Schlaf aus den Augen und gähnte, als er ihm das Billett zum Schalter hinaus schob.

Der Hansgirgl stand noch nicht lang auf dem Bahnsteig, da hörte man schon die Lokomotive heran ächzen und schnaufen, als käme sie die Lauferei bei dem kalten Morgennebel besonders hart an.

Sie pfiff auch nicht beim Einfahren, sondern heulte ganz wehleidig und pfauchte und hustete eine lange Zeit, als sie nun still stand.

Im Wagen war es auch noch ziemlich dunkel, und man sah wohl, daß etliche Leute darin saßen, konnte sie aber nicht erkennen.

Die Leute unterhielten sich halblaut miteinander, und dem Hansgirgl war es manchmal, als käme ihm eine Stimme bekannt vor.

Hinter der Station Arnbach wurde es heller, und nun sah er auf der andern Seite den Gerzer bei ein paar Mannsbildern und Weibsleuten hocken und richtig, die jüngere davon war die Mariann vom Beni in Aufhausen.

Sie schaute bloß einmal zum Hansgirgl hinüber und schien ihn zu erkennen, denn sie wandte sich ab und schob ihr wollenes Kopftuch so weit vor, daß man bloß mehr die spitzige Nase sah.

Da der Hansgirgl hörte, daß die Leute hie und da vom Notari redeten, konnte er sich denken, was sie in Dachau wollten.

Der Alte neben dem Gerzer war vermutlich der Vater der Mariann, und der Jüngere, der neben ihr saß und aus seinen hervorquellenden Augen ziemlich dumm darein schaute, konnte ihr Zukünftiger sein.

Sie fuhren vermutlich zum Notar, um die Übergabe und den Ehevertrag zu verbriefen.

»Wia leicht kannt i an den seiner Stell hocken!« dachte der Hansgirgl. »Bfüad di God, bal's a so außi ganga waar!«

Es war ihm gleich noch freier zumut und es kam ihm auch wieder seltsam vor, daß ihm ein Zufall gerade jetzt das Geschick vor Augen hielt, dem er entronnen war.

Als er in Dachau hinter den andern ausgestiegen war, kam der Gerzer auf ihn zu.

»Wia geht's dir denn?«

»Mi geht's guat.«

»Kennst de?«

Der Gerzer deutete mit dem Kopf nach der Mariann.

»Freili. I ho ja amal Fackein g'handelt mit ihr.«

»Ja, Fackein g'handelt. Mei Liaba, mit dem G'spassettl hast as übersehg'n. Jetzt hat s' dir der ander wega g'schnappt.«

»Zweg'n meiner hätt er net schnappen braucha … da hetts net pressiert.«

»Da kimmst du nia z'toa, Hansgirgl, bal du koan Ernst net host.«

»I schnapp halt net so leicht.«

»Na, paß auf, sei g'scheit, i wissat dir oane, de waar glei no besser, wia'r an Beni de sei.« – »No bessa?«

»Ja. Aba koan Nama sag i dir nimma, mei Liaba. Wann'st d' mit mir gehst, is recht.«

»Tuast du heut scho wieda angeln und hast grad an Fisch dro?«

»Heunt ko's freili net sei, aba den Sunntag, wenn'st magst.«

»Woaßt was, Gerzer, i wart no a weng. Vielleicht findst no a besserne, wia de besser.«

»Mach no deine G'spaß. Werst scho sehg'n was d' derwartst. Vielleicht kimmst no amal selm.«

»Und wann i kimm, host du allaweil an Wurm an der Angel.«

»Bal'st di no net täuscht. Jetzt bfüad di!«

»Adjes!«

Hansgirgl lachte hinter dem Gerzer her, der seinen Leuten nacheilte, und ging zum oberen Markt hinauf zur Berglbäuerin.

Die Alte freute sich über den Besuch und war gleich damit einverstanden, daß die Matheissin zu ihr ziehen sollte.

»Sag ihr no grad, es is dös G'scheitest, was sie toa ko. Is ja a Marterei, dahoam hocka und zuaschaug'n, wia'r a Junge auf oamal all's anderst hamm will und wia nix mehr recht waar a so, wia's z'erscht g'wen is. Bal ma nix sagt, muaß ma'r an Verdruß abi schluck'n und bal mi was sagt, hat ma d' Grobheit und d' Feindschaft und mirkt erst recht, daß ma der gar neamd mehr is. Und so was tuat weh, mei Liaba, wann mi z'erscht o'g'schafft hat und moant, mi hat all's aufs Beschte g'richt. Na, da bin i net zum hamm g'wen. I hab ma Sach gnua g'sehg'n bei anderne, wia dös is, bal a Junge regiert. Und ko'st sag'n, was d' magst, sie kriag'n allmal recht und bal's aa der eigne Bua is, er steht do auf der andern Seit'n. Sag nur da Muatta, sie soll si ja it b'sinna und soll si ja it verführ'n lass'n mit guate Wort. De sell'n han billi vor der Übergab, aba danach woaß mi nix mehr davo. Na, na, sie soll no kemma und sagst ihr, es is mir koa Tag it z'fruah. Mir hausen aufs schönste mitanand, sagst ihr, mir gengan mitanand in d' Fruahmeß und in Rosenkranz, mir koch'n mitanand und bal oas amal krank werd, hat ma'r a Hülf und an Beistand. Es is a ganz an anders Macha, sagst ihr, als wia dahoam, wo ma de Leut im Weg umgeht.«

Hansgirgl dankte ihr für die Zusage und gab ihr in allem recht. Es sei freilich das Beste, was die Mutter tun könne, denn der Martin vertrage sich ohnehin nicht gar so gut mit ihr.

»Siehgst as! No, mei Liaba, wann dös jetza scho is, wia kam dös darnach, wenn a Junge im Haus is, de wo hetzt? Und hetz'n tean s' allsammete, da is oane wia de ander. Und vasteh tean s' all's bessa und wenn s' aa gar nix verstengan. Aber was is denn mit dir? Werst d' halt wo ei'heiret'n gel? Hast dir scho an richtig'n Platz ausfindi g'macht?«

»No net. Dös is ja da Muatta ihr Bekümmernis.«

»Sollt'st halt dazua toa, schau! Wann i no mehra tauget, i gang dir scho oana auf, aber a so kimm i ja net weida z'geh als in d' Kircha und wieda hoam. Da derfragt ma natürli nix.«

»I dank dir schö, Basel, aber i wer scho oane finden.«

»Muaßt d' aber fleißi schaug'n; de Guat'n genga schnell weg.«

»I schaug scho … Aber jetzt muaß i geh, i ho no allerhand G'schäft.«

»Na, bfüad di Good und richt's a so aus bei da Muatta. Sagst ihr, sie tuat si ja viel leichter, wia'r i seiners Zeit. I hab mi erst umtoa müassen, daß i dös Häusel kriagt hab, aber sie woaß im voraus, wo sie an Unterschlupf hot. Jetzt laß di nimmi aufhalten und grüaß ma s' recht schö.«

Der Hansgirgl, dem die Unterhaltung schon ein wenig zu lang gedauert hatte, machte sich davon und ging auf die Post, wo er den Expeditor um Auskunft über seine Fahrt nach Kirchbach ersuchte. Der freundliche Herr sah im Fahrplan und im Ortsverzeichnisse nach und gab ihm den Rat, mit dem Postzug, der nach zwölf Uhr abgehe, bis Nürnberg zu fahren, dort zu übernachten und am nächsten Morgen wieder einen Postzug bis Hirschaid zu benützen. In Hirschaid müßte er aussteigen und etwa eine Stunde bis Kirchbach zu Fuß gehen.

Hansgirgl schrieb sich alles genau auf, und da er noch zwei Stunden Zeit hatte, kehrte er beim Zieglerbräu ein, nachdem er sich vorher einen Briefbogen und ein Kuvert gekauft hatte.

In der Wirtschaft schrieb er an die Mutter, daß die Berglbäuerin gleich so freundlich gewesen sei und auf ihrem Versprechen fest bestehe und die Mutter solle es nur ja so machen, denn das habe er gesehen, daß sie bei der Base aufs beste aufgehoben sei. Er müßte ihr das schreiben, weil er es nicht gleich mündlich ausrichten könne, indem daß der Bräumeister seine Gersten nicht genommen habe, jedoch ihm einen guten Käufer in der Stadt verraten habe, der wo auch sonst gern Geschäfte mit ihm machen werde. Und das möchte er nicht hint lassen, weil er doch schon einmal auf dem Weg sei. Die Mutter solle sich nicht ängstigen, in ein paar Tagen sei er wieder daheim und habe sich dann wohl einen Batzen Geld verdient.

Den Brief gab der Hansgirgl auf, als er zur Bahn hinunterging, und um die Mittagszeit saß er schon im Zuge, der nach Nürnberg fuhr.

 

Es gibt einem nachdenklichen Menschen viel ab, wenn er in der Eisenbahn hockt und draußen zieht die Landschaft an ihm wie ein bunter Bilderbogen vorbei, Äcker, Wiesen, Wälder, kleine Häuseln, wo ein bescheidenes Leben unterm windschiefen Dach haust, stattliche Bauernhöfe, die breitspurig auf den Hügeln liegen und zu denen große, fettglänzende Äcker hinauflaufen, Landstraßen, die bergauf und bergab eilen, um bei dem nassen Herbstwetter heimzukommen in das behagliche Dorf, aus dem der Kirchturm mit seinem altbayrischen Zwiefel emporragt, kleine Feldwege, die vorbeihuschen und sich geschwind in einem schützenden Dickicht verstecken.

Und Leute sieht man auf den Straßen gehen oder fahren und begleitet sie in Gedanken zu Arbeit und Geschäft oder freut sich mit ihnen auf eine warme Wirtsstube, wo sie auf der Ofenbank eine wohl verdiente Maß Bier trinken.

Ein Bauernmensch sieht und denkt aber noch allerhand, was was einem Städtischen wenig oder nichts abgibt.

Zuerst ist alles so wie daheim, die Äcker, die Wiesen, die Bauart der Höfe, und man kann Arbeit, die geschieht oder schon geschehen ist, sachkundig beurteilen.

Hinter dem stattlichen Pfaffenhofen, in dem so viele Brauereien mit ihren Schornsteinen genußreiche Gedanken erwecken, wird es schon anders.

Da reiht sich ein Tagwerk mit gekreuzten Hopfenstangen ans andere, und man sinniert darüber nach, wie sich hierzuland die Leute mit dem Hopfenbau eingerichtet haben.

Ist man aber bei Ingolstadt über die Donau gefahren, dann wird alles fremd und ungewohnt.

Die Häuser schauen anders aus, sind lang nicht so stattlich, wie die daheim, und die Dächer, wie auch die Wände an der Wetterseite, sind mit Kalkschiefer gedeckt.

Felsen drängen sich an die Bahn her und in Tälern, die ein schlechtes Wachstum zeigen, liegen große Steinbrocken.

Ein ganz großer liegt gleich gar mitten in einem Dorf und kleine Häuser stehen um ihn herum.

Ein klarer, stiller Fluß windet sich durchs Tal und heißt Altmühl, wie dem Hansgirgl sein Gegenüber sagte.

Sie kamen ins Reden, und der Mann, der ein Schuster aus Pappenheim war, erzählte allerhand Seltsames von der Gegend, wie sie in Dörfern auf der Höhe einen argen Wassermangel hätten, weil sich nicht einmal das Regenwasser sammeln ließe, denn es falle förmlich durch den Boden.

Es hätten aber viele Leute guten Verdienst in den Kalksteinbrüchen, die es rundum überall gebe. Mit den Platten würden die Dächer gedeckt.

Wo denn er, der Hansgirgl, her wäre?

Als ihm dieser Auskunft gab, daß er in der Dachauer Gegend daheim sei, meinte der Schuster, da wachse freilich auch nicht viel, weil doch alles Moosgegend sei, und ob es wahr sei, fragte er, daß die Dachauer alle Sonntage rauften.

Der Hansgirgl antwortete ihm bescheiden, das mit dem Moos stimme nicht, es sei im Gegenteil hinterhalb Dachau der beste Getreideboden und mit dem Raufen treibe man es bei ihm daheim nicht ärger wie anderswo.

Der Schuster tat so, als glaube er dem jungen Menschen, aber sein verschmitztes Lächeln zeigte an, daß er doch auf seiner alten Meinung stehen bleibe. Denn sich bekehren lassen, gilt für dumm.

Der Pappenheimer Handwerksmeister war aber ein kluger und belesener Mensch, der dem unerfahrenen Bauernburschen gerne was zukommen ließ. Er erzählte ihm, daß sich von der Donau durchs Eichstädtische die Teufelsmauer ziehe, und ungebildete Menschen glaubten heut noch, daß der böse Feind sie aufgerichtet habe, als ihm unser Herrgott versprochen hatte, alles Land, das er in einer Nacht mit einer Mauer umschließe, sollte ihm gehören.

Der Teufel habe aber zuviel gewollt und sei nicht fertig geworden vor Hahnenkrähen. Da habe er zornig die Mauer umgeschmissen, so daß heute noch die Steine davon herumlägen

So erkläre sich's das ungebildete Volk, wer sich aber aus Büchern mehr Wissen geholt habe, der lache dazu, denn die Mauer sei in alten Römerszeiten als Schutzwall gebaut worden.

Es sei merkwürdig, was noch immer für Märlein umgingen. In seinem Heimatorte Pappenheim hätte man vor langer Zeit einen Daumen des heiligen Georg in der Schloßkapelle verehrt.

Wie nämlich einmal ein deutscher Kaiser gegen die Hunnen gezogen sei, da sei einem edlen Herrn von Pappenheim der heilige Georg erschienen und habe ihm einen schwäbischen Schuster im kaiserlichen Heere genannt, der solle gegen den tapfersten Hunnen im Zweikampf fechten. Und dann brach sich der heilige Georg von der einen Hand den Daumen ab und gab ihn dem Pappenheim, der dem Schuster anderntags seine Rüstung lieh. Und in dieser habe dann auch der Meister Knieriem den Hunnen besiegt. Darauf seien die andern abgezogen; der Daumen aber sei in die Schloßkapelle nach Pappenheim gekommen und dort hoch verehrt worden, bis er eines Tages weg kam.

Das sei vor vielen hundert Jahren gewesen, sagte der Schuster, und da könne man leicht lügen.

Hansgirgl war froh, wie der redselige Mann, den er nur schwer verstand, in Pappenheim ausstieg.

Er schaute wieder zum Fenster hinaus und wie sich nun ein trübseliger Novemberabend langsam niedersenkte, kam ihn ein starkes Heimweh an.

In der Dämmerung kam ihm alles noch viel fremdartiger vor.

Dies waren doch keine Wälder, wie die daheim!

Die langen, beinahe astlosen Föhrenstämme standen einer neben dem andern, und nur ganz oben saßen kümmerliche Wipfel; zwischen den Stämmen aber schimmerte der fahle Abendhimmel durch.

Da war doch gar nichts von dem dichten, dunkelgrünen Geheimnis eines Fichtenwaldes.

Und bald da, bald dort ragten Fabrikschornsteine in die Höhe und hinter den vielen große Fenstern der langen Gebäude glühte es rot auf.

Das war eine Welt, in der er sich ganz verlassen und einsam vorkam, und wie es nun Nacht wurde und hie und da aus der Ferne ein Lichtlein herüber grüßte, dachte er, wie anders es war, wenn er von Hirtlbach oder Ainhofen heim wanderte und von weitem ein Licht sah.

Da wußte er gleich, das war beim Christl auf der Leiten oder beim Eitel in Happach, und er konnte sich in die Stube hineindenken zu den Leuten, die gemütlich beieinander saßen, und er gehörte zu ihnen.

Hier aber wußte man gar nichts und war von fremden Menschen umgeben, die keine Teilnahme für einen hatten.

Ob es nicht doch recht unsinnig war, so ins Dunkel und ins Ungewisse hinein zu fahren zu einem Mädel, das von ihm so wenig wußte wie er von ihm?

Jetzt blitzten immer mehr Lichter auf, und weiter weg hob sich ein heller Schein heraus. Der Wagen rappelte über die Schienen, bald sauste links und bald rechts ein Zug an dem seinigen vorbei, und schon standen einige Leute auf und nahmen ihre Koffer herunter.

Auf seine Frage erfuhr er, daß man in Nürnberg ankomme, und gleich darauf fuhren sie auch in eine große, gedeckte Halle ein.

Die Schaffner liefen herbei, rissen die Türen auf und Hansgirgl nahm mit schwerem Herzen sein Packl zur Hand, stieg aus und ging den andern Leuten nach über eine Stiege hinunter und wieder eine Stiege hinauf und stand auch bald auf einem hell beleuchteten, großen Platz.

Ein riesiger Turm ragte finster in die Höhe, und unter ihm weg führte die Straße in die Stadt.

Hansgirgl fragte sich zu einem Wirtshaus durch, in dem er gute Unterkunft fand.

Da saß er nun in einem niedern, engen Gastzimmer am blank gescheuerten Tisch, und obwohl ihm das Schweinefleisch schmeckte, das man ihm vorsetzte, wurde er darum doch nicht fröhlich.

Nebenan saßen Leute, die fleißig Karten spielten, und das hätte ihn anheimeln können.

Denn es war Schafkopf, den in Gramling der Lehrer mit den Gendarmen und dem Wirt auch ein paarmal in der Woche spielte, aber wenn auch der Eichelober in Nürnberg genau so alles stach, wie sonstwo im Vaterlande, so kam beim Hansgirgl kein Verwandtschaftsgefühl auf.

Die Leute, die ziemlich laut und grob redeten und mit den Knöcheln krachend auf die Tischplatte schlugen, hatten eine Sprache, die er kaum verstand, und schauten den Bauernburschen in der sonderbaren Tracht beinahe spöttisch oder abweisend an.

Da trank der Hansgirgl sein Bier aus und machte es wie die kleinen Kinder, wenn sie übellaunig oder traurig sind. Er ging ins Bett.

 

Wie war aber doch alles anders am nächsten Tag auf dem Weg von Hirschaid nach Kirchbach!

Eine milde Herbstsonne schien auf das fruchtbare Regnitztal herunter und die fette Ackerkrume glänzte, daß es ein Staat war.

Das geübte Auge des Bauern sah gleich, wie alles sauber bearbeitet war, und noch mehr, wie sie hier jeden Fußbreit Boden ausnützten.

In den Wiesen standen in kurzen Abständen voneinander Obstbäume mit glatten, gepflegten Stämmen, die nicht so verwittert und vermoost waren wie die daheim.

Und was war Hirschaid für ein stattlicher Ort!

Ein solches Dorf gab es in der Dachauer Gegend nicht; dafür sah man aber, so weit der Blick reichte, kein Einzelgehöft, keinen Weiler.

Und so fiel unserm Hansgirgl noch allerhand auf, nicht zum wenigsten, daß fast an allen Fuhrwerken Ochsen angespannt waren und am meisten, daß er selber auf der Straße durch dieses fremde Land dahinmarschierte, einem fremden Mädel zuliebe.

Was einem doch alles auftreffen kann!

War's nicht so, als hätt wer das Leitseil in der Hand und trieb einen wohin, darnach einem nie der Willen gestanden hatte!

Ein paarmal juckte es den Hansgirgl, sich gegen den inneren Zwang aufzulehnen.

Wer kann sagen, daß man muß? Das wollen wir doch sehen!

Ich kann jetzt noch umkehren und mich in den nächsten Zug hinein hocken und heimfahren und kein Mensch weiß, daß ich da heroben gewesen bin.

So dachte der Hansgirgl und blieb stehen und sah hinter sich wieder gegen Hirschaid zu, wo die Eisenbahn war und die Freiheit.

Aber da hockte ihm was auf der Schulter und pisperte ihm in die Ohren.

Sei net so dumm, Hansgirgl, jetzt hast einmal das viele Geld zahlt fürs Billett und bist den weiten Weg herg'fahren. Wirst doch net den Narren machen und vor der Haustür umkehren!

Anschau'n mußt das Madel doch schon, und wenn's dir nicht g'fallt, fahrst heim und denkst, es ist nix g'wesen.

Aber auskennen tust dich doch, und g'scheiter bist wor'n und nochmal auf so eine Zeitungsgeschichte was geben, das fällt dir dann auch nicht mehr ein. Aber jetzt gehst hin, verstanden, und wenn's bloß zum Abg'wöhnen wär!

Und siehgst as, da hast as!

Derselbige unsichtbare Kobold rutscht vom Ohrwaschel weg und nimmt den Hansgirgl bei der Nasen und zieht ihn ganz unwiderstehlich fort, gradaus auf Kirchbach zu. Er laßt ihn gleich gar nicht mehr stehen bleiben, sondern reißt ihn buckel buckelab und nicht daß einer glaubt langsam, sondern geschwind.

Da kann er nichts machen und er muß halt doch.

Und dabei versank er so tief in Gedanken über den ganz g'spassigen Zwang, daß er ein Fuhrwerk nicht hörte, das hinter ihm kam. Darauf saß ein junger rotbackiger Bursch und schnalzte jetzt zum zweitenmal mit der Peitsche.

»Höi! Sa sei halt so gut und geh aus'n Waag!«

Der Hansgirgl sprang auf die Seite und grüßte freundlich lachend.

Da zog der Bursch die Zügel an und brachte seinen Gaul zum Stehen und fragte den fremdartig gekleideten Menschen, wo aus und wo an. Denn im Bambergischen sind die Leute neugierig.

»Auf Kirchbach,« sagte der Hansgirgl, aber wo er her kam, sagte er nicht.

»Kerigbach? Dott bin i daham. Geh hä und hock di auf!«

Das ließ sich der Hansgirgl nicht zweimal sagen und so saß er auf dem Bock und merkte erst, wie er droben war, daß er jetzt ein scharfes Examen bestehen mußte.

Er sei wohl nicht von hier?

Nein, er komme aus dem Altbayrischen und habe ein Geschäft in Kirchbach.

So, so, ein Geschäft? Vielleicht was kaufen oder handeln?

N … ja. Eigentlich auch wieder nicht; es liege ihm grad so auf dem Weg, weil er nach Bamberg fahre und bei der Gelegenheit wolle er das abmachen.

So, so … vielleicht könne er ihm behilflich sein, sagte der Kirchbacher, er kenne Mensch und Vieh und wolle ihm gerne Auskunft geben. Mit wem er's zu tun habe?

M … ja …

Der Hansgirgl wollte schon sagen, er danke für die Freundlichkeit und er nehm's für geschehen an, aber da bedachte er, daß es nicht schaden könne, wenn er schon ein wenig was wisse, vor er zur Margret ins Haus kam.

Der Bursche gefiel ihm wohl, und wenn er auch ein bissel was merken würde, schadete es nichts, denn zuletzt, er mußte ja doch Nachfrag halten und in Kirchbach würden sie's bald genug heraus haben, wegen was der Fremde hergereist sei.

Also räusperte sich der Hansgirgl einmal und fragte geradeaus, ob sein freundlicher Kamerad auf dem Bock vielleicht die Margret Kriegbaum kenne.

Den Kriegbaum Göig sei Marget? Ob er die kannte? Die war doch weitschichtig verwandt mit ihm und war mit ihm in die Schul gegangen.

»Gagang,« sagte der Kirchbacher. Aber was denn die Marget zum Verhandeln hätt? Und gleich gar bis ins Altbayrische?

Es sei auch von keinem Handel die Rede, erwiderte der Hansgirgl. Er wolle ihr nur einen Gruß überbringen von einem Basel in München. Das sei oft in die Gegend gekommen und habe ihm aufgetragen, weil er doch schon nach Bamberg komme, solle er nach Kirchbach hinüber gehen und sich nach dem Mädel umschauen.

So log der Hansgirgl, der es beim Militär gelernt hatte, aber der Hutzen Georg – Göig hieß es im Bambergischen – schaute ihn von der Seite an und musterte ihn heimlich.

Er sagte sich im stillen, daß sein Passagier ein feines Börschla sei und er wollte schon noch dahinter kommen, was ihn aus weiter Ferne hergezogen habe.

Nun lobte er aber die Marget über alle Maßen, wie sie klug und sparsam und ernsthaft sei.

Der Hansgirgl merkte daran, daß ihm der andere in die Karten geschaut habe, und wurde um so einsilbiger und stiller, je gesprächiger sein Nachbar war.

Sie fuhren in Kirchbach ein und hielten bei einem ansehnlichen Hause.

Der Göig fragte seinen Fahrgast, ob er nicht eintreten wolle, und dem Hansgirgl paßte es gut, denn er wollte sich die Stiefel putzen, vor er seinen Besuch bei der Marget machte.

Dazu half ihm der Göig und forderte ihn hernach auf, in die Stube einzutreten.

Nach einer Weile kam eine Alte zu ihm herein, deren kleine, listige Äuglein vor Neugierde glänzten, und hinter ihr drein ging eine Junge, die ein farbiges Kopftüchel umgebunden hatte.

Ob er derselbige sei, der wo zur Marget auf B'süch wolle, fragte die Alte, und als er's bejahte, setzte sie gleich hinzu, sie glaube gar, er sei ein Hochzeiter und wenn's ihm gar so ums Heiraten zu tun sei, sie hätt' auch was Sauberes im Haus.

Der Hansgirgl sah zu der Jungen hinüber, die gleich schamhaft die Schürze vors Gesicht schlug, aber doch freundlich lachte.

Er kam schier in Verlegenheit, denn er wußte nicht, war's Spaß oder Ernst.

Und dabei konnte ihm das stramme Mädel wohl gefallen, aber der Hund, der zwei Hasen fangen will, kriegt keinen, dachte er und sagte lachend, er sei kein Hochzeiter, aber wenn in Kirchbach die bildsaubern Mädeln so leicht hergingen, wolle er eigens deswegen wieder kommen. Jetzt habe er bloß der Marget einen Gruß zu bestellen und müsse schon auf den Abend wieder fort.

Ob sie ihm das Kriegbaumanwesen nicht weisen könnten?

Die Alte winkte ihm, daß er neben sie zum Fenster hintrat und zeigte auf ein Haus, das etwas erhöht über den andern auf einem Hügel stand. Dort oben hause die Marget und wer sich da einmal hinein setze, der sei geborgen.

Und nun lobte auch sie das Mädel und zählte seine Vorzüge her, wie sie sparsam sei und das heiße mehr und sei noch was anderes, als bloß wenig ausgeben; es sei eine Kunst, die darin bestehe, alles zu übersehen und immer das Richtige zu tun. Und wie sie nicht bloß arbeiten, sondern auch anschaffen könne, trotz ihrer Jugend, und das sei das Schwerere, denn es brauche Anstand und Ernst gegen die Dienstboten und es brauche Verstand in allem.

Der Hansgirgl hörte aufmerksam zu und dachte, er wolle trotz allen Lobes die Augen gut aufmachen, denn Verwandte und Nachbarn rühmten auch, was nicht zu rühmen sei.

Er nahm mit freundlichem Danke Abschied und ging zum Hause der Marget Kriegbaum hinauf.

Ein rauhhaariger, alter Schnauz schloff aus seiner Hütte und bellte ein paarmal heiser; er schien aber den Ankömmling für rechtschaffen zu halten, denn er drehte sich gleich wieder langsam um und suchte sein Lager auf.

Es zeigte sich niemand und das war dem Hansgirgl gerade recht, denn nun ließ er seine Blicke umhergehen und musterte alles scharf.

Sauber, sagte er anerkennend zu sich selber. Und das mußte auch wahr sein, es lag und stand nichts im Hofe herum, Stall- und Tennentore waren geschlossen, die Türe der Wagenremise stand offen und man sah darin gute Ordnung gehalten.

Am Wohnhaus entlang lief ein gepflasterter Steig und vor der Haustüre lagen frische Fichtenreiser, die zum Abstreifen der Schuhe gehörten.

Als der Hansgirgl schon die Hand auf der Klinke hatte, trat er nochmal ein paar Schritte zur Seite und schaute durch ein Fenster ins Innere.

Und auch da gefiel ihm alles ausnehmend; der blank gescheuerte Boden der Stube und die Ordnung darin. Weder auf den Bänken, die an zwei Wänden entlang liefen, noch auf dem Lederkanapee neben dem Ofen, lagen Dinge, die ein flüchtiger Sinn liegen läßt.

Und jetzt klinkte der Hansgirgl die Türe auf und trat ein.

Im Flötz war niemand und so ging er noch weiter zu einer Glastüre, die in die geräumige Küche führte.

Darin stand ein mittelgroßes Frauenzimmer am Herd und stach Küchel aus dem brodelnden Schmalz.

Das prasselte und nahm die Aufmerksamkeit so in Anspruch, daß sie den Eintretenden nicht gleich gewahrte, und sie fuhr erschrocken herum, als er ruhig, wie ein alter Bekannter sagte: Grüß Gott, Marget!

Sie sah ihn erstaunt an und strich sich mit dem Handrücken über die erhitzte Stirne.

»Grüß Gott,« sagte sie. »Ich kenn Euch aber nicht.«

»A weng kenna mir uns do,« antwortete der Hansgirgl und schmunzelte. Dabei hielt er ihr die Photographie hin, die sie ihm vor Wochen geschickt hatte.

Sie wurde feuerrot.

»Herrjeß, Ihr seid der …?«

»Hansgeorg Schmauß von Gramling. Jawoll, der sell bin i.«

»Das hätt ich wohl net gedacht, daß Ihr daher kommt.«

»I selber net,« sagte er und lachte. »Wenn mir's wer g'sagt hätt vor acht Tag, daß i den Mittwoch in Kirchbach herob'n bin, hätt i's net glaabt.«

Sie wurde aufs neue rot, denn unterm Reden hatte sie Zeit gehabt, den stattlichen Menschen anzuschauen und er und sein ganzes Wesen gefielen ihr.

Aber nun müsse er sich an den Tisch setzen, sagte sie, denn sie müsse noch ihre Kücheln herausbacken und die Dienstboten müßten gleich kommen.

Er legte den Hut beiseite und nahm Platz. Beide schwiegen jetzt. Die Marget drehte und wendete ihre Kücheln und sah eifrig in die Pfanne; der Hansgirgl aber wandte die Augen nicht von ihr ab.

Es war ein guter Anblick, wie sie gewandt und wieder verschämt ihre Arbeit tat, zuweilen einen Blick auf ihn warf und gleich wieder wegsah.

Sie war keine blühende Schönheit und sah bei ihrem ernsthaften Wesen älter aus, als sie war; ihre Gestalt wäre neben den derben Mädeln in Gramling fast zierlich erschienen, zeigte aber doch bei aller Behendigkeit auch wieder Rundung und Fülle.

Was dem Hansgirgl aber am besten gefiel, das war etwas, was er mehr fühlte als sah, ein rechtes Behagen, das von ihr ausging und das sie ihm gleich nicht mehr fremd erscheinen ließ.

Nach den paar Worten war es ihm, als kenne er sie schon lange und stünde auf vertrautem Fuße mit ihr.

Nun drückte sie aber doch das Schweigen und sie fing eine Unterhaltung an.

Wie er denn plötzlich dazu gekommen sei, herzureisen und warum er nicht geschrieben habe.

Ja, schreiben! Er habe es etliche Male vorgehabt und wieder aufgegeben. Und er habe sich gedacht, wenn's schon dazu käme, müsse er ja doch herfahren und sich umschauen.

Das wohl, das verstehe sie gut, aber wenn er doch vor acht Tagen noch nicht daran gedacht habe.

Es sei auf einmal so über ihn gekommen. Daran gedacht habe er wohl öfter, seit er den Brief gekriegt habe, aber der Entschluß, so weit weg zu gehen, sei ihm nicht leicht angekommen. So oft er's vorgehabt habe, seien wieder Bedenken in ihm aufgestiegen. Er hab' mit niemand darüber geredet, als mit seiner Mutter. Natürlich, der habe er's nicht verheimlichen wollen. Und nun wisse sie wohl, wie alte Leute seien. Die meinten, daß schon drei Stunden hinterm Haus eine andere Welt läge, und hätten die größte Angst vor allem, was ihnen fremd sei. Aber nun sei ihm auf einmal das Hin und Her zuwider geworden und die Sach' aufgeben, ohne daß er hergekommen wäre, das hätte er nicht wollen. Und hätt's auch nicht können, weil ihn was dazu getrieben hätte.

Wie er das so ehrlich sagte und dabei nachdenklich vor sich hinsah, gefiel er der Marget noch besser.

Über alles das zu reden, meinte sie dann, wäre später Zeit; jetzt vor den Dienstboten müsse er als Bekannter gelten und er solle doch beim Essen mithalten.

Damit war der Hansgirgl wohl einverstanden und er hatte wiederum Gelegenheit, seine Betrachtungen anzustellen, als eine Magd und zwei Knechte in die Küche kamen und sich nach einem Vaterunser an den Tisch setzten.

Wenn man wissen will, wie es in einem Hause steht und ob guter Brauch darin herrscht, muß man bloß die Dienstboten ansehen; die zeigen es so gut wie ein Spiegel. Jeder Schlendrian und jede Nachlässigkeit oder auch jede Schwäche macht sich bemerkbar in ihrem Benehmen.

Wie sich ein Knecht hinsetzt und wieder aufsteht, wie er kommt und wie er geht und wie er Auskunft gibt auf Fragen und wie er selber fragt nach der Arbeit, darin zeigt sich auf der Stelle, ob der wirkliche Respekt, den sich bloß die Tüchtigkeit verschafft, vorhanden ist.

Dienstboten haben scharfe Augen und wissen gleich, wo sie über die Schnur hauen können. Ist aber alles ins rechte Verhältnis gebracht, dann ist ihnen selber wohl dabei und man merkt es nicht bloß an ihrem bescheidenen Auftreten, sondern auch an ihrem frischen und frohen Sinn.

Der Marget ihre waren gut gezogen. Der ältere Knecht machte seinen Bericht, daß er und der Hannes den letzten Dung hinausgefahren hätten und meinte, er solle am Nachmittag Laubstreu holen.

Marget besann sich kurz und wußte ihm dann eine andere Arbeit, die vorginge; es solle erst der Steg über einen Graben gerichtet werden.

Der Knecht redete kein Wort dawider, tat auch nicht mürrisch, wie man es nicht selten findet, sondern er hatte seinen Auftrag und war's zufrieden.

Nichts hätte dem Hansgirgl besser gefallen können, wie dieses bestimmte und ruhige Abmachen, denn er hatte daheim oft genug gesehen, wie in dem Hin und Her zwischen der Mutter und dem Martl die Dienstboten verdorben wurden, wie sie sich bald mit dem einen, bald mit dem anderen ausredeten, und wie alle, wenn sie eine Zeitlang da waren, das Maulen und Kritisieren anfingen.

Auch wie sich der Marget ihre Leute gegen ihn benahmen, tat dem Hansgirgl wohl.

Sie starrten ihn nicht neugierig oder verwundert an und es war, als wenn er schon ein dutzendmal mit ihnen am Tisch gesessen hätte.

Die Marget aber ließ ihnen auch ihr Recht und sagte ihnen, wer der Fremde wäre; ein Besuch, der von weit her, aus dem Altbayrischen gekommen sei.

Da erst meldete sich das ältere Knechtlein mit seinem Wissen und sagte, er habe sich's gleich gedacht, daß der Hansgirgl aus der Gegend um München sein müsse, denn die Tracht habe er gesehen, wie er vor Jahren einmal Triesdorfer Vieh zur Ausstellung beim Oktoberfest habe bringen müssen.

Hansgirgl gab ihm Bescheid, daß er aus dem Dachauer Bezirk sei und fragte nach der Triesdorfer Rasse und ob die in Kirchbach eingeführt sei.

Sie hätten den Heilsbronner Schlag, antwortete Marget, und der Unterschied wär' nicht groß. Dabei warf sie der Magd einen verweisenden Blick zu, denn das junge Weibsbild zog kichernd den Kopf ein, wie sie die spaßige Sprache des Fremden hörte.

Nach dem Essen betete man wieder ein Vaterunser und die Knechte gingen, während die Magd den Tisch abräumte.

Marget aber führte den Hansgirgl in den Stall und zeigte ihm ihre braunen Heilsbronner Kühe und ihre Vogtländer Ochsen.

Er griff sie an, und zeigte mit Schätzung und Fragen seine Sachkenntnis; auch den Gaul, der im Verschlag nebenan stand, musterte er als alter Kavallerist mit sichtbarem Verständnisse.

Über die Schweine, fünf an der Zahl, wußte er gleichfalls was zu sagen.

Dann gingen sie in die Tenne und in lebhafter Zwiesprache fand eines beim anderen Freude an Arbeit und Wachstum und auch tüchtigen Verstand.

Wie dann aber Marget von ihren reich tragenden Gemüsefeldern und von der Obstbaumzucht sprach, besonders von der Kirschenernte, die in der Gegend viel bedeute, da sagte Hansgirgl geradeaus, daß er davon wenig oder eigentlich nichts verstehe. Sie hätten daheim wohl Obstbäume, aber niemand kümmere sich besonders darum und was sie trügen, das nehme man so als Dreingabe an.

Das ließe sich leicht lernen, wenn man nur guten Willen dazu habe, erwiderte Marget.

Den guten Willen habe er wohl und auch Freude dazu. Wie er von Hirschaid herüber gegangen wäre, hätten ihm die gepflegten Bäume besonders gefallen und er habe bei sich gedacht, wie viel daran in seiner Heimat versäumt werde. Nur freilich sei es auch viel rauher und kälter, wie hier herum. Er meine aber, daß ihm gerade das am meisten abgeben würde, was Neues zu lernen und darin Erfolg zu haben, wenn sie sonst auf gleich kämen.

Da wurde die Marget wiederum rot, und wie sich ihre Augen ganz flüchtig begegneten, konnte der Hansgirgl merken, daß auf der andern Seite der Widerstand nicht allzu grimmig sei.

Sie führte ihn zu einem Platze, der etwas erhöht lag und von wo aus sie über das Dorf weg das weite Tal vor sich liegen sahen. Es war ein freundlicher, lachender Anblick und Hansgirgl gestand sich zu, daß es im Frühjahr, wenn die vielen Kirschbäume blühten oder im Sommer, wenn das Getreide hoch stand, den Vergleich mit seiner Glonntaler Heimat recht wohl aushalten könne.

Marget zeigte ihm die Grenzen ihres Anwesens und sagte ihm alles genau an, wo Wintersaat angebaut sei, wo Sommersaat hinkomme und wo sie Gemüseland habe. Dann gingen sie zurück ins Haus und diesmal nicht in die Küche, sondern in die Stube.

Marget ersuchte aber ihren Gast, daß er die Stiefeln ausziehen solle, denn ihre Sorge um den blanken Boden war doch so groß, daß sie sich auch vom wichtigsten Besuche keinen Schmutz in die Stuben tragen lassen wollte. Sie selber schloff flink in ein Paar Pantoffeln und setzte sich auf die Ofenbank; der Hansgirgl mußte sich's auf dem Lederkanapee bequem machen.

Er war sonst nicht aufs Maul gefallen, wenn er mit einem Gramlinger oder Hirtlbacher Mädel beisammen war und wußte gut, wie man die Dinger mit Necken und versteckten Reden zum Lachen bringt und wenn man sie erst einmal so weit hat, auch dazu, daß sie einem zutraulich aus der Hand fressen.

Aber jetzt und hier blieb er schweigsam und dachte darüber nach, was er wohl sagen solle.

Dann ist's aber schon gefehlt, wenn es nicht von selber geht.

Und was hätt er auch sagen sollen?

Zu den Gramlinger Spassetteln hatte er nicht die Schneid und die streiften ja auch bloß so oben hin drüber weg.

Und da sollte es Ernst sein und außerdem war alles so ganz anders und ungewohnt.

Er sah in der Stube herum und warf auf jedes Blumenstöckl, das im Fenster stand, aufmerksame Blicke, er schaute zur Decke hinauf, als wenn er die Höhe abmessen müßte, aber er redete nicht.

Und je länger er wartete, desto härter war das Anfangen.

Da räusperte sich die Marget und strich ihren Schurz glatt.

Sie sah, daß sie die erste sein müsse und fragte, was er sich eigentlich gedacht habe über diese Anzeige. Wahrscheinlich, daß eine, die so was tue, keine Richtige sein könne.

Nein, sagte der Hansgirgl und da war er schon lebhaft, nein, das war ihm gar nie in den Sinn gekommen. Überhaupt's sei es das spaßigste Ding von der Welt, daß er die Anzeig' gelesen habe, denn die Zeitung sei ihm noch keine dreimal im ganzen untergekommen und beim Lesen sei ihm noch immer Weillang geworden und noch gar nie, aber auch nicht ein einziges Mal in seinem Leben, habe er eine solche Anzeige gelesen. Das hätt wohl so sein müssen und es könnt' kein Zufall sein.

Aber gerade deswegen, weil es ihm so seltsam und ungewohnt sei, meinte Marget, müsse er sich arge Gedanken gemacht haben.

Nein. Nicht einen einzigen, beteuerte Hansgirgl. Vielleicht, wenn ihm einer früher einmal so eine Anzeig' gezeigt hätte, hernach hätt er vielleicht geglaubt … no … ja …

Was er dann geglaubt hätte?

Der Hansgirgl kam in Verlegenheit. Beinahe hätte er was Dummes gesagt. Zum Beispiel, daß er sich vielleicht gedacht hätte, eine solchene kriege halt auf die reguläre Weis' keinen.

Aber mitten im Reden kam es ihm grob vor und er sagte: »Ja … no … so halt … net … i hätt g'laubt, dös is jetzt amal ganz was Rars oder Seltsams …«

Und was Unschickliches, ergänzte Marget, und sie werde ihm schon nicht im besten Licht erschienen sein.

G'wiß net …

Der Hansgirgl sagte es so aufrichtig, daß man's ihm glauben mußte.

Es war ihm überhaupt nicht wie eine Anzeig' vorgekommen, die auch andere Leute was anging. Sondern, es hätt sich gelesen, als wär's ein Brief, der bloß für ihn geschrieben war, denn es hätt sich so aufgetroffen, daß er gerad selbigesmal das gelesen hätt, und es hätt so zu seinem Hamur paßt, den er gehabt habe, Überhaupts zu allem, daß es wirklich gewesen sei, als hätt ihm wer geschrieben, der seine Gedanken erraten hätt und sein Vorhaben.

Und nun erzählte er von seiner Mutter und vom Martl und die Marget konnte gut heraus hören, daß sich die alte Bäurin drunten im Altbayrischen ganz besonders sorge um den netten Burschen, der neben ihr auf dem Kanapee saß und kein Falsch an sich hatte und alles so treuherzig daher brachte.

Aber trotzdem, ein bisserl Falschheit war doch dabei, denn von Aufhausen und der Beni Mariann erzählte der gute, so ganz und gar offene Hansgirgl nichts.

Braucht's nicht, daß so ein junges Frauenzimmer alles weiß und am End hätt es so ausgesehen, als wenn er landauf und ab nach den Weiberleuten ins Gäu fahre.

Aber wenn er schon so gut bei ihr bestehen wollte und auch bei ihr bestand, so hätte es bloß mehr ein Wort gebraucht und der Hansgirgl wollte schon aufstehen und auf der Ofenbank den richtigen Platz für die Entscheidung einnehmen, da klopfte es ans Fenster.

Ein freundlich lächelndes Gesicht schaute in die Stube herein und gehörte dem Schmied Mathes vom untern Dorf, der eine Gabel brachte, an die er einen neuen Zacken geschweißt hatte.

Es war schon sehr lobenswert vom Mathes, daß er den Gang nicht gescheut hatte, sonst hätte sie der Knecht einmal am Feierabend holen müssen. Eine solche Freundlichkeit mußte gut aufgenommen und der Mathes gefragt werden, ob er nicht ein wenig verweilen wolle.

Er sagte, das leide es kaum, war aber schon aus seinen Schuhen geschlüpft und in die Stube eingetreten.

Und kaum hatte man ihm ausgedeutscht, daß der Fremde auf Besuch gekommen sei, da quetschte schon die alte Gretla vom Nachbarn die Nase am Fenster breit und hatte ein paar Kaszwörgla mitgebracht für die Marget zum Probieren.

Und der Beil Hannes kam und ein Vetter von der Marget, und über ein kurzes saßen acht Nachbarn und Nachbarinnen auf der langen Bank, wie die Vögel auf einer Stange.

Sie hatten gehört, daß aus weiter Fremde ein Hochzeiter für die Marget gekommen war und wollten den Ding sehen.

Aber beileibe machte keines eine Andeutung darüber, sondern jedes wußte was zu fragen und zu sagen übers Wetter und die nächsten Aussichten.

Und derweil saß der Hansgirgl wie in einer Glaslaterne und mußte sich von allen Seiten beschauen lassen.

Hie und da stellte eins an ihn eine Frage und die deutschte dann die Marget aus, denn er selber hätte sie kaum verstanden.

Was er aber gut verstand, das war die ruhige und besonnene Art, mit der seine Wirtin das Gespräch an allen Klippen der Neugierde vorbei leitete, bis eins nach dem andern aufstand und indem es sich laut wunderte, daß es so viele Zeit vertragen habe, hinaus ging.

Das alte Gretla aber faßte die Marget am Arm und zog sie mit bis zur Türe, wo sie ihr etwas ins Ohr pisperte, was sie wieder arg erröten machte.

Die Verlegenheit hielt auch noch an, als sie wieder allein auf der Ofenbank saß, und sie getraute sich nicht, den Hansgirgl anzuschauen.

Sie verlor aber doch ein Wort über die zudringlichen Leute, die im Dorfe ein großes Gerede machen würden. Wenn sie nur wüßte, sagte sie, wie sie den Besuch so geschwind ausspekuliert hätten.

Da konnte ihr der Hansgirgl drauf helfen und er erzählte ihr, daß er mit einem jungen Menschen ins Dorf eingefahren wäre und sich in seinem Hause eine Weile verhalten hätte.

Marget wußte nach der Beschreibung gleich, daß es der Göig gewesen war und sagte, da wundere sie freilich nichts mehr, denn was die Hutzin wisse, sei so gut wie ausgetrommelt.

Ob ihr das sehr zuwider sei, fragte der Hansgirgl.

Ach, sie lasse die Leute reden.

»Aber wär's dann nicht gleich g'scheiter, wenn's wahr war?« fragte er. »Was?«

Aber wie der Hansgirgl schon einmal so weit war, kam er nicht mehr vom Weg ab.

Er setzte sich neben die Marget und faßte ihre rechte Hand, fest und derb, und sie legte ihre freie Hand auf seine Achsel.

So war's noch recht steif und fremdtuerisch, bis er sie unterm Kinn faßte und ihr ein herzhaftes Küßla gab.

»Wenn ich dir paß und recht bin,« sagte er, »so soll's gelten. Es hat mir glei alles g'fallen bei dir und i hab mi scho ganz ei'g'wöhnt.«

Er paßte auch der Marget aufs beste und sie gaben sich den Verspruch, der auf Lebenszeit gelten mußte.

 

Wer aber beschreibt das Erstaunen der Matheissin, als nun ihr Hansgirgl nach vier Tagen heimkam und ihr in die Kuchel die Neuigkeit brachte.

Sie mußte sich hinsetzen und den waghalsigen Buben anschauen und sich darauf besinnen, daß er doch ganz gewiß und wahrhaftig der ihrige sei.

Hernach aber, wie sich das Staunen ein wenig gelegt hatte, ging es an ein Fragen, das kein Ende nehmen wollte, bis ganz zuletzt auch ein kleiner Verdruß durchklang.

»A G'schäft hätt er, sagt er zu mir und a Gerschten müaßt er verhandeln und schreibt no aa, daß er in d' Stadt eini müaßt, weil er da a neue Bekanntschaft aufgeh kunnt z'wegen seiner Gerschten. Warum daß du mi a so a'g'log'n hoscht, des sell möcht i na do schon wiss'n. Daß d' as an Martl it g'sagt hoscht und sunst aa neamd, dös vasteh i guat, aba mir hätt'st na do scho an Deuta gebn kinna. Was moanst denn, wia mi da Martl plagt hat mit sein G'frag. Wia'st an zwoaten Tag it hoamkemma bischt, is a so ganz ausg'wesen. Glaabt hat er mir nix, no ja, und da hat er ja aa recht g'habt, aba daß mi Hoamlichkeit'n hamm mitanand, hat er g'sagt, und er woaß scho, sagt er, daß dös genga eahm geht und ob du vielleicht z' Dachau zum Notari ganga bischt, hat er g'fragt und grad umtrieb'n hat's 'n und umtrieb'n. Und den dritten Tag is ma selm scho nix mehr recht g'wen, weil i mir nix denga hab kinna. Und da is nacha dei Briaf daher kemma und no freili, i hab dir's wohl glaabt, weil mir dös gar it ei'g'fall'n waar, daß d' mi du o'bleameln tatst. Aba da Martl hat an Postbot'n bei'n Hof außi geh sehg'n und na is ganz aus g'wen. Jetzt, sagt a, siecht er's guat, daß mir an abkart'e G'schichte hamm und bal's it a so waar, brauchet i eahm ja bloß an Briaf zoag'n und des sell han i na aa it mög'n und so hat er mi de zwoa Tag hergemartert, daß 's a wahr's Unglück war und geschting is er zum Sexer ummi g'laffn und is fuchsteufelswild hoamkemma …«

»Und jetzt bin i wieder da …« sagte der Hansgirgl.

»Ja, jetzt bischt du do und is nix mehr, als wia'r a bissel an Urlaub. Nach heiligen Drei Kini, sagst, werst scho bald heiret'n und na wer'n ma wohl nix mehr von anand hamm …«

»Geh zua, Muatta, dös is amal a so. Kinda wer'n Leut. Und du werst wohl z'frieden sei, bal's ma guat geht.«

»Dös woaß ma nia …«

»Jo, dös woaß i ganz gewiß. Sie is a so, daß ma no grad an Stolz hamm ko, und 's Anwesen, da find'st da umanand koa sellas.« – »Es kimmt dir halt jetzt a so für …«

»Na, na, Muatta, dös han i g'nau g'sehg'n. Es feit si nix, aba scho gar nix. Und du, schau, da gib i net nach, du machst dir was Richtigs aus und gehst auf Dachau.«

»Ja, i bleib wohl it da, bal du nimma da bischt.«

Und so ging auch alles aufs beste hinaus.

Die Matheissin führte bei der Übergabe ihren Kampf gegen den Martl hartnäckig und siegreich durch und setzte sich bei der Berglbäuerin in die Behaglichkeit hinein.

Die zwei Alten hatten für Lebenszeit Stoff genug zum Dischkurieren, weil jede ein großes Hauswesen geführt hatte unter Sorgen und Ärgernissen mit schändlichen Dienstboten.

Die Bessere beim Erzählen war und blieb aber die Matheissin, denn was sie im Fränkischen bei der Hochzeit ihres Hansgirgl alles erlebt und gesehen hatte, das überstieg bei weitem alles, was man sich so im Dachauerischen vorstellt.

Indessen zeigte der Hansgirgl den Kirchbachern, daß der Unterschied zwischen herunten und droben nicht so groß sei; er wurde und blieb ein tüchtiger Bauer im Regnitzgrund und ein guter Mann zu seiner Marget, die ihm etliche Söhne schenkte. Lauter stramme Börschla.


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