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7.
Möckern

Am 15. Oktober abends gab es im Rathauskeller von Halle keinen leeren Platz mehr. Die in der alten Universitätsstadt untergebrachten Offiziere, freiwilligen Jäger und Landwehrleute, welche vor Ausbruch des Krieges die Lehren der dortigen alma mater eingesogen, erinnerten sich hier der einstigen lustigen Studentenzeit und kneipten und sangen und lachten, als ob sie fröhliche Ferien und nicht todbringende Schlachten vor sich hätten. Es ist ja auch ein Glück, wenn der Soldat trotz Strapazen und Gefahren den frischen Mut bewahrt, und deshalb stimmten auch die älteren Offiziere heiter mit ein und sangen lustig mit, als es klang: »Was kommt dort von der Höh', was kommt dort von der ledernen Höh', ça ça ledernen Höh', was kommt dort von der Höh'?« Die Antwort war aber nicht »ein Postillon«, sondern »Napoleon«. Ein treffender Spottvers folgte auf den andern und alle wurden mit stürmischer Begeisterung von den Anwesenden gesungen. Hierauf folgten aber auch ernstere alte Studentenlieder, so natürlich das » Gaudeamus igitur«, dann »Brüder lagert euch im Kreise« usw. Zuletzt trug ein freiwilliger Jäger das von dem Lützower Theodor Körner erst vor wenigen Monaten gedichtete und von Himmel komponierte Gebet während der Schlacht: »Vater ich rufe Dich« vor und in gehobener, ja andächtiger Stimmung sangen es alle nach.

Der Morgen des 16. war schon vorgerückt, als die Massen der schlesischen Armee Halle verließen und den Marsch auf Leipzig antraten. Da heute voraussichtlich harte Kämpfe zu bestehen waren, so hatte Blücher die Leute vorher abkochen und essen lassen, um ihre Kräfte möglichst zu steigern. In zwei Kolonnen rückte Blüchers Armee vor, rechts auf der geraden Straße von Halle über Schkeuditz marschierte das Korps Yorcks, links das Korps Langerons, die Nachhut bildete das Korps Sackens.

Beim Abmarsch hoffte Blücher noch immer links neben seiner Armee die des Kronprinzen von Schweden erscheinen zu sehen. Er hatte ja ein langes und breites mit demselben unterhandelt und letzterer seine Mitwirkung zugesagt.

Der Alte ritt bei den Vortruppen Yorcks und lauschte mit immer wachsender Aufmerksamkeit auf den von Wachau her vernehmbaren, von Minute zu Minute heftiger werdenden Kanonendonner. Da erschien der englische Kriegskommissär Stewart und meldete ihm, daß der Kronprinz, anstatt wie ausgemacht, von Landsberg über Delitzsch gegen Leipzig vorzugehen, heute überhaupt nur bis Landsberg zu marschieren und im Lauf der nächsten Tage nach Halle abzubiegen gedenke.

Das war dem alten Blücher zu bunt und deshalb klang seine Antwort auf diese Meldung nicht sehr respektvoll.

»Da haben wir es wieder! Millionen-Schwerenots-Donnerwetter über den Racker! Aber er soll wenigstens uns nicht aufhalten. Wir müssen vorwärts, mag's biegen oder brechen!«

Blücher wußte vom Gegner vor sich nichts. Aber er hörte das Schlachtengetöse südlich Leipzig und unerschütterlich stand nunmehr die Überzeugung in ihm fest, daß er drauf gehen müsse, um einen möglichst großen Teil der französischen Streitmacht auf sich zu ziehen und im Norden von Leipzig festzuhalten.

Wir wissen, daß dieser Entschluß des alten Haudegens die böhmische Armee vor einer schweren Niederlage bewahrte.

Blücher erteilte seinen Vortruppen den Befehl, schnell auf Leipzig und das Gelände links davon vorzugehen, den Feind aufzusuchen und nachdrücklich anzugreifen, wo man ihn fände. Da die Nordarmee links von ihm ausblieb, so mußte er besorgen, in seiner linken Flanke von den aus der Gegend von Düben heranmarschierenden Truppen des Marschalls Ney angepackt zu werden. Das wäre auch der Fall gewesen, wenn nicht heute Frau Fortuna beliebt hätte, auch einmal beim alten Blücher zu sein.

Als nämlich Ney ebenfalls den Kanonendonner von Wachau vernahm, lenkte er seine Divisionen dorthin ab, um seinem Kaiser beizustehen. Spät am Nachmittage erfuhr er, wie schlecht es dem Marschall Marmont unter den Hieben Blüchers erging, weshalb er wieder umkehrte. Daher kam er überall zu spät und konnte weder bei Wachau noch bei Möckern eingreifen. Ein weiterer Glückszufall war der, daß in der Nacht vom 15. zum 16. herumstreifende Kosaken bei Lindenhain auf eine Anzahl Munitionswagen des französischen Korps Reynier stießen und diese in die Luft sprengten. Die Meldungen darüber veranlaßten Reynier, am nächsten Tage sich ebenfalls südlicher zu wenden. Sonst wäre er mit seinem Korps wirklich in die linke Flanke der schlesischen Armee gestoßen.

Da kamen fast gleichzeitig von verschiedenen Seiten zwei Ordonnanzoffiziere bei Blücher angesprengt.

»Meldung von der Avantgarde des Yorckschen Korps. Auf der Straße nach Wahren und Möckern, sowie links davon ziehen sich schwache feindliche Abteilungen, höchstens drei bis vier Bataillone in die genannten Ortschaften zurück.«

»Meldung von der Avantgarde der Russen des Generals von Langeron. Starke feindliche Truppenmassen, etwa drei Brigaden nebst Artillerie und Kavallerie, marschieren über Badefeld auf Breitenfeld (nördlich von Wiederitzsch) zurück. Auch bei Wiederitzsch sind stärkere Abteilungen des Gegners sichtbar.«

Blücher besann sich nicht lange.

»Also stehen die Franzosen nördlich Leipzig. Yorck soll mit seinem Korps von Lützschena links abbiegen und sich auf Lindenthal wenden, den Major Hiller aber mit seinen acht Bataillonen der Avantgarde auf Wahren und Möckern im Marsche lassen. General von Sacken bleibt vorläufig bei Radefeld stehen und sichert die linke Flanke der Armee. Dem General Langeron werde ich persönlich meinen Befehl erteilen.« Sprach's, gab seiner braunen Vollblutstute die Sporen und jagte quer über das Feld zu den gegen Radefeld vordringenden Russen. Er wollte den General Langeron antreiben zum Vorgehen.

Auf französischer Seite hatte Marschall Marmont soeben den Abmarsch aus seinen bisherigen Stellungen vorwärts Leipzig angetreten. Er glaubte in aller Ruhe, dem Befehle Napoleons gemäß gegen Wachau rücken zu können. Da sah er die entwickelten Massen Yorcks und Langerons. Sofort ließ er in der Stellung bei Klein- und Groß-Wiederitzsch und Lindenthal halten und zog seine Nachtruppen an sich. Er hatte die Möglichkeit eines ungehinderten Abzuges nunmehr verloren und mußte den Kampf annehmen.

Der schlesischen Armee war für den heutigen Tag auch das russische Korps des Generals von St. Priest unterstellt. Dasselbe war aber noch weit zurück.

Mit diesem betrug die Stärke der Armee Blüchers am 16. Oktober etwa 60 000 Mann. Das jedoch fast ausschließlich zum Kampfe gelangende Korps Yorcks hatte heute 20 848 Mann.

Bei den Franzosen kamen die Korps von Ney und Reynier gar nicht in das Gefecht. Das Korps des Marschalls Marmont einschließlich der ihm unterstellten polnischen Division Dombrowski war etwa 21 000 Mann stark.

Ungefähr um 12 Uhr drangen Langeron gegen Breitenfeld (nördlich von Wiederitzsch), Yorck gegen Lindenthal vor. Da sausten die ersten Granaten des Feindes daher. Der ansprengende alte Blücher befahl Langeron, sofort gegen Lindenthal vorzugehen.

Nach blutigem Kampfe wichen alle französischen Vortruppen auf ihre Hauptstellung in Möckern und auf die Höhen nordöstlich dieses Dorfes zurück. Dort wollte Marmont den Hauptwiderstand leisten.

Unterdessen drang Major von Hiller mit den acht Avantgardenbataillonen des Yorckschen Korps auf der Straße von Schkeuditz gegen Leipzig vor und nahm im ersten Anlaufe die Dörfer Stahmeln und Wahren.

Gerade als die preußischen Jäger und Schützen zum Sturm auf Stahmeln ansetzten, erschienen in den Büschen auf dem rechten Elsterufer grau uniformierte Schützen und drangen gegen die Leipziger Straße heran.

Ein Offizier trat auf den preußischen Kommandeur zu und meldete: »Oberleutnant Gebler mit 55 Jägern des zweiten österreichischen Feldjägerbataillons, vom Armeekorps des Feldzeugmeisters Grafen Gyulai entsendet, um die Verbindung mit der schlesischen Armee herzustellen. Ich bitte Dich, Herr Major, erlaube mir und meinen Jägern, den Angriff auf jenes Dorf mit Deinen Preußen mitzumachen«. Die österreichischen Offiziere sprachen damals jeden Offizier mit »Du« an.

»Mit Vergnügen, Herr Kamerad. Schließen Sie sich dem ersten Bataillon des Regiments Nr. 2 an.«

Nach der Einnahme dieses Dorfes und Wahrens sollte Möckern genommen werden. Major Klüx führte seine Landwehrmänner, sowie Jäger und Schützen heran. »Drauf! Das Dorf wird schnell uns gehören!«

So dachte man zu jener Stunde noch und ahnte nicht, daß sich um dasselbe der blutigste Kampf des ganzen Feldzuges entspinnen sollte, daß bald an 4000 Tote und Verwundete der Preußen und fast ebensoviele der Franzosen in und neben demselben herumliegen würden!

Die vorgeschobenen feindlichen Plänkler wichen. Die preußischen blieben ihnen auf den Fersen, das geschlossene Bataillon folgte.

»Bravo, unsere Leute sind schon drinnen. Vorwärts Musketiere! Müßt den Jägern auf dem Fuße folgen, sonst können sie sich nicht im Dorfe halten. Die Jäger werden von den Franzosen geworfen! Donnerwetter, das sind zu viele. Da können wir das Dorf nicht stürmen. Herr Adjutant, reiten Sie zum Major Hiller, ich lasse um Unterstützung bitten.«

Major Klüx setzte sich wieder an die Spitze seiner Landwehrleute und rückte von neuem vor, während Major Hiller ihm das Leibgrenadierbataillon als Unterstützung nachsandte.

Schneidig drangen die ostpreußischen Landwehrmänner vor und sicher hätten sie die ihnen gegenüberstehenden Franzosen geworfen und wären in Möckern eingedrungen, wenn nicht der Marschall Marmont eine Batterie von 40 Geschützen auf der Höhe nordöstlich des Dorfes hätte auffahren lassen. Diese schmetterte den tapferen Anstürmenden ein furchtbares blutiges Halt entgegen. Vergebens war aller todesverachtender Mut der Landwehrleute, der Jäger und Schützen; auch der zweite Sturm mißlang.

Nun warf Major Klüx einen Teil seiner Leute den aus Möckern vorbrechenden Franzosen entgegen. Der Gegner führte aber neue Kräfte der Division Lagrange heran; es entstand ein lebhaftes Schützenfeuer.

Während dieses Geplänkels waren Leute des Bataillons Wedel doch in die äußersten Häuser, in den sogenannten Herrenhof gedrungen und hatten die Franzosen, die sie dort fanden, hinausgeworfen oder erschlagen. Major Klüx zog die Leibgrenadiere vor und begann den dritten Sturm. Bis in die Hauptstraße des Dorfes brachte ihr ungestümer Mut die tapferen Preußen. Nach harter, verzweifelter Gegenwehr wurden sie wieder, zum drittenmal, geworfen. Nun drangen die siegreichen Franzosen hinter den weichenden Preußen nach. Die Batterie Wedell nahm letztere auf. Sie erfaßte ihre Pflicht richtig, indem sie feuerte und immer weiter feuerte, obwohl der Feind sich unaufhaltsam näherte.

Atemlos kommt ein Kanonier von rechts angelaufen. Wegen des Pulverdampfes sieht der Batteriechef nicht, wie es auf seinem rechten Flügel zugeht.

»Herr Hauptmann, feindliche Schützen – sind dicht vor uns. – Wenn wir nicht abfahren – sind die Haubitzen verloren.«

»Stehen bleiben und feuern bis zum letzten Atemzug.«

Die rechte Haubitze war verloren. Als aber jetzt die Franzosen zur Eroberung der ganzen Batterie schreiten wollten, brachen durch den Pulverdampf, vom Major Hiller entsendet, brandenburgische Musketiere hervor und warfen die Angreifer zurück; die Geschütze waren gerettet.

Gegen das Dorf war Major Hiller selbst mit seinen letzten Bataillonen vorgegangen.

»Ramm, tamm, ramm, tamm« schlugen die Tambours den Sturmmarsch und, ohne feuern zu lassen, drang der Major mit seinen Preußen vor. Er hatte einen neuen Angriffsruf zum erstenmal ausgestoßen und hundertfach schallte es nach: »Es lebe der König, der König!«

Zum viertenmal wurde Möckern genommen und zwar mit Kolben und Bajonett. Von Haus zu Haus drangen die Preußen vor. Die beiderseitige Erbitterung hatte den höchsten Grad erreicht. Nun mußten die Franzosen verschiedene Höfe räumen. Rasch warfen die Fliehenden noch brennende Strohwische in die Häuser. Bald standen zahlreiche Gehöfte in Flammen. Mit den dort liegenden schwer verletzten Preußen fanden noch Hunderte von französischen Opfern der letzten Kämpfe den Tod durch Ersticken oder Verbrennen.

Und doch sollte das Dorf noch nicht den tapferen Angreifern gehören. In der Mitte von Möckern empfing diese ein Kartätschhagel, der jeden weiteren Erfolg unmöglich machte. Zudem drangen jetzt neue französische Massen von der Elster heran. Sie hatten den Fluß teils auf Stegen überschritten, teils aber in kühner Kampfeslust durchschwommen. Durch diesen Flankenstoß wurden die Preußen gezwungen, alle erlangten Vorteile wieder aufzugeben.

Yorck war mit dem Armeekorps gegen Lindenthal vorgegangen. Bald bemerkte er aber, daß die Franzosen all ihre Kräfte auf Möckern zurückzogen. Deshalb ließ er nun eine große Rechtsschwenkung vornehmen, so daß sein ganzes Korps jetzt die Richtung auf Möckern hatte.

Das russische Korps Langeron war im Vormarsche auf Klein- und Groß-Wiederitzsch geblieben. Dort war der alte Blücher, der fortwährend zu entschiedenem Draufgehen aneiferte. Von zwei Seiten drang nun die russische Infanterie gegen die genannten Dörfer vor. In denselben lag die polnische nur noch 4000 Mann starke Division Dombrowski. Etwa 20 000 Russen rückten jetzt gegen sie an. » Ce ne fait rien! – Wojarz zgynila, Polska zgynila! Dlatego byczæie œie, jak prawdzywe Polacy!« »Das macht noch nichts aus. – Die Schlacht verloren, Polen verloren. Darum schlagt euch als brave Polen.« »Und sie haben sich brav geschlagen.«

Nicht leicht wurde es der russischen Infanterie. In jedem Hause, ja in jedem Zimmer wehrten sich die tapferen Polen gegen die feindliche so gewaltige Übermacht und fügten derselben ganz bedeutende Verluste bei. Endlich mußten sie weichen. Sie zogen sich aber nicht weit zurück, sammelten sich wieder und gingen nun ihrerseits zum Angriffe vor. Wirklich gelang es ihnen, die überraschten Russen aus Wiederitzsch noch einmal hinauszuwerfen. Auch deren Reiterei mußte weichen und erlitt durch die polnische Artillerie schwere Verluste. Allein General Langeron selbst und General Rudzewitsch hielten die Fliehenden auf, ordneten sie und führten neue Jägerregimenter sowie das Regiment Schlüßelburg heran. Nun stürzten sich die Russen, ohne einen Schuß zu tun, auf die Dörfer und nahmen sie zum zweiten Male. Dombrowski wich. Durch das Abschwenken Yorcks und das Zusammendrängen der Russen gegen Wiederitzsch war in der Stellung der Verbündeten eine Lücke entstanden. In diese wollten die Polen nun hineinstoßen, fanden aber bald auch hier eine nicht zu bewältigende Übermacht gegen sich und mußten gegen Möckern zurückweichen. Um in dieser Lücke Anordnungen zu treffen, verließ Blücher, der ja gesehen hatte, daß auf dem linken Flügel alles gut stand, nunmehr den General Langeron. Kurz darauf erhielt dieser die Meldung vom Erscheinen starker französischer Kolonnen von Düben her, d. h. in seiner linken Flanke. Deshalb unterblieb eine Verfolgung der Polen. Ney, der von Düben anmarschierte, vermied aber jedes Gefecht und auch die später auftretende Division Souham seines Korps zog sich nach kurzer Kanonade südlich gegen Leipzig.

Damit endete der Kampf bei den Russen, der ihnen immerhin etwa 1500 Mann an Toten und Verwundeten gekostet hatte.

Um so wütender entbrannte er bei den Preußen. Yorck erkannte deutlich, daß sich die Entscheidung der Schlacht um den Besitz von Möckern drehen werde. Nun ließ er die ganze Brigade des Prinzen von Mecklenburg vorrücken. Die Landwehrbataillone begannen den Angriff, unterstützt von der Artillerie. Allein die auf den Höhen links von Möckern entwickelten Franzosen empfingen sie mit so verheerenden Bataillonssalven, daß die Landwehrleute bestürzt zurückwichen. Nun marschierten aber des Prinzen ostpreußische Linienbataillone mit klingendem Spiele daher. Hei, wie belebte der Hohenfriedberger Marsch die Glieder, wie wenig kümmerte es sie, daß Granate auf Granate tiefe Furchen durch ihre Reihen riß! Vor ihrem tausendstimmigen Hurra riß der Gegner aus und als Major Hiller dies sah, stürmte auch er mit den Resten seiner Bataillone von neuem, zum fünftenmale, vor. Wieder wurde Möckern genommen, wieder entstand in dem Dorf ein verzweifeltes, mörderisches Ringen. Aber wieder erschienen neue französische Massen und zum fünften Male mußten die Preußen den blutgetränkten Kampfplatz räumen. Dennoch gelang es ihnen, jetzt einige Häuser mehr am Westausgange zu halten. Sämtliche Stabsoffiziere der Brigade des Prinzen, mit Ausnahme eines einzigen, waren tot oder verwundet, der Prinz von Mecklenburg selbst und Major Hiller verwundet, die letzten Kommandeure der Avantgardenbataillone Wedell und Rekowski tot, Major Thiele schwer verwundet.

Die Franzosen hatten jetzt ihre Artillerie auf 50 Geschütze verstärkt. Aber auch die Preußen brachten ins Feuer, was möglich war. Nun ließ Yorck seinen linken Flügel, die Brigaden Horn und Hünerbein vorrücken. Vor diesen stand eine gewaltige feindliche Artillerie als Ziel. Aber es mußten zuerst die sie deckenden französischen Karrees und verschiedene in der Nacht vorher vom Gegner angelegte Schanzen gestürmt werden.

Fast gleichzeitig setzten sich die Brigaden in Marsch. Die Stimmung von Offizieren und Mannschaften war eine geradezu herrliche.

»Hübner, mein Ehrenwort, ich will im nächsten Karree der erste sein, wenn nicht eine Kugel mein Leben vorher endet.«

»Auch mein Ehrenwort, Arnstädt, tot oder mit Ihnen vor allen andern im feindlichen Karree.«

Beide Leutnants gaben sich darauf die Hand und sie waren die ersten.

Ganze Gassen rissen die Kartätschladungen durch die anrückenden Bataillone. Aber sie wurden wieder geschlossen. Das Wehegeschrei der Getroffenen wurde durch die schmetternden Musiken, durch die Trommeln übertäubt und vorwärts schoben die Massen, unaufhaltsam vorwärts.

Verschiedene Karrees der Franzosen werden geworfen. Die Leutnants von Sellin und von Favart zwängen sich mit sieben Mann in ein solches, das in Ordnung zurückgeht und holen aus demselben eine bespannte Kanone heraus. Die Generale Horn und Hünerbein stürmen selbst mit ihren Bataillonen vor. So wetteifern Offiziere und Mannschaften in beispielloser Tapferkeit und Todesverachtung. Aber es hilft alles noch nichts. Gegen das mörderische Artilleriefeuer und auch gegen die Infanterie auf den Höhen kann man nicht aufkommen, solange nicht Möckern genommen ist.

Dies erkennt General von Yorck. Er muß einen schweren Entschluß fassen. Soll er seine letzte Brigade drangeben? Er mußte sie einsetzen! »Die Brigade Steinmetz zum Angriff auf Möckern!«

So befahl der alte Yorck.

Wie ihre Kameraden vorher, rückten jetzt die schlesischen und ostpreußischen Grenadiere und Losthins Landwehrleute mit kalter Todesverachtung gegen den feuerspeienden Berg links von Möckern und gegen das Dorf selbst vor. Was von der Brigade des Prinzen von Mecklenburg und von Hillers Bataillonen übrig war, schloß sich an. Zum sechstenmal wurde Möckern gestürmt. Das war kein Dorf mehr, sondern ein brennender, qualmender Höllenpfuhl.

Auch Marmont hatte erkannt, daß der Verlust von Möckern gleichbedeutend mit dem Verluste der Schlacht sei. Auch er setzte die letzten Reserven ein. Von neuem entstand ein entsetzliches, ein geradezu teuflisches Gemetzel. Trotz wahrhaft spartanischer Heldentaten gelang es auch der Brigade Steinmetz nicht, bis zu dem Gebüsch auf der Höhe heranzukommen. Aber auch die Franzosen vermochten nicht mehr, ihre Gegner zurückzuwerfen. Beide Teile hatten ihre letzte Kraft darangesetzt. Sie kämpften zwar fort, aber mit äußerster Erschöpfung. Jetzt war der Augenblick gekommen, wo ein kühner Entschluß, ein kleines Ereignis die Entscheidung und zwar eine schwerwiegende bringen konnte.

Zur Avantgarde Hillers hatte Major von Sohr mit seinen zwei Schwadronen und der freiwilligen reitenden Jägerabteilung der brandenburgischen Husaren gehört. Während des langen Ringens der Infanterie hielt er mit seinen Reitern einige Hundert Schritte vor Möckern an der Landstraße.

Da sprengt der alte Yorck mit verhängtem Zügel heran.

»Major von Sohr, wenn jetzt nicht die Kavallerie noch etwas tut, ist alles verloren. Lassen Sie einhauen!«

Festen Blickes, wie aus Erz, sieht der Husar seinen Feldherrn an.

»Exzellenz, ich bin zu schwach. Wenn die Reservekavallerie nicht miteingreift, nützt meine Aufopferung nichts.«

Der General versteht. Ein Adjutant jagt zur Reservekavallerie. Yorck selbst galoppiert zu den schwarzen Husaren. Sohr aber hält und beobachtet kalt und ruhig wie auf dem Exerzierplatz den Gang der Schlacht.

Plötzlich: »Trompeter – Trab.«

So reitet ein Regiment zu Hause im Frieden auf dem Manöverfelde vor, so geordnet, so geschlossen. Die brandenburgischen Husaren taten's in der Schlacht bei Möckern.

»Trompeter – Galopp!«

»Regiment – – marsch, marsch! Es lebe der König!«

Und wie sausten diese Husaren dahin! Ein erstes französisches Karree überritten, zerhauen, zersprengt. Ein zweites überritten, zerhauen, zersprengt. Dabei vier Kanonen erobert.

Feindliche Kavallerie!

Hoch hebt Major von Sohr den Säbel und zeigt seinen Husaren den neuen Feind. Ein Geschoß durchschlägt ihm den rechten Arm. Er jagt trotzdem voraus; seine Husaren hinter ihm drein.

General Yorck hatte den Ritt seiner Husaren beobachtet. Jetzt, als er sie in der Flanke bedroht sieht, schickt er all seine Kavallerie vor. Er selbst setzte sich an die Spitze der schwarzen Husaren, kommandierte »Marsch, marsch! Es lebe der König!« und ließ das Regiment attackieren.

Da sprengte ein Adjutant vom linken Flügel heran, der Graf Brandenburg. »Exzellenz, die Schlacht ist gewonnen, die Bataillone des linken Flügels haben alle Batterien genommen. Der Feind ist total geschlagen!«

Einen Moment leuchtet das Auge des Generals. Dann befiehlt er: »Die Reservekavallerie soll sofort anreiten und einhauen!«

Von allen Seiten hieben die preußischen Reiter ein. Der verwundete Major von Sohr sprengte allein mit seinen Husaren noch drei Karrees und nahm neun Kanonen und fünf Pulverwagen im Sturm. Die Mecklenburgischen eroberten einen »Vogel«. So nannten sie den erbeuteten Adler. Alle Regimenter wetteiferten an Ausdauer und Kühnheit.

Nun hatte Yorck noch an die Infanterie den Befehl zum allgemeinen Vorrücken erteilt. Die Trommeln sämtlicher Bataillone erschallten von neuem zum Angriff, mit frischer Begeisterung drang alles wieder vor.

Die Franzosen hatten sich bis zum äußersten gewehrt. Um so entsetzlicher war nun ihre Niederlage.

Ihr Rückzug artete allenthalben in wilde Flucht aus. Durcheinander drängten Infanteristen und Reiter über den Rietzschkebach gegen Leipzig. Erstere hielten sich an den Steigbügeln, Mähnen und Pferdeschweifen, um schneller vorwärts zu kommen, letztere schlugen schließlich mit den Säbeln zu, um sich der lästigen Hemmnisse zu erwehren. Erst dicht vor Leipzig selbst gelang es, die Trümmer des Marmontschen Korps etwas zu sammeln und zu ordnen.

Die Trophäen der Preußen waren über Erwarten reich. 1 Adler, 2 Fahnen, 53 Kanonen, über 200 Wagen und mehr als 2000 Gefangene brachten nach und nach die zurückkehrenden Truppen zusammen. An 6000 tote und verwundete Franzosen lagen auf dem Schlachtfeld.

Aber der eigene Verlust erwies sich auch als sehr bedeutend. 172 Offiziere, 5508 Unteroffiziere und Soldaten hatten für ihr Vaterland geblutet. 7 Bataillonskommandeure waren tot, 6 Brigadeführer, 15 Stabsoffiziere verwundet. Im ganzen Kriege hatte es keinen blutigeren Kampf gegeben.

Linie und Landwehr hatten in Tapferkeit miteinander gewetteifert. Auf die schlesische Armee konnte das Vaterland mit Stolz sehen. Sogar der alte Isegrim Yorck fand Worte der Anerkennung und sagte später: »Alle meine Offiziere haben sich tapfer gehalten. Wenn ich aber einen nennen soll, so ist es der Major von Sohr.«

Noch in der Nacht sandte Blücher die Meldungen über den Sieg bei Möckern ins Hauptquartier.

Bei Napoleon trafen die Hiobsposten schon am Abend des 16. ein. Möckern war ein schwerer Schlag für den Kaiser. Es vernichtete all seine Hoffnungen, den Erfolg von Wachau am nächsten Morgen zu einem entscheidenden zu machen und einen Frieden unter günstigen Bedingungen zu erlangen.

Möckern ist der Wendepunkt im Geschick Deutschlands und Napoleons und dieses Möckern hat die todesmutige Hingebung der Preußen unter Blücher und Yorck erkämpft.

siehe Bildunterschrift

Brandenburgische Husaren attackieren in der Schlacht bei Möckern französische Karrees


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